Oder Liberalisierung? - Magazin für Eltern, Angehörige und Betroffene von Suchtkranken
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Nr. 2 / 2014 Magazin für Eltern, Angehörige und Betroffene von Suchtkranken lier un g is: R e gu Cann a b r un g? e r ali sie r L ib ode 01
UMFELD SUCHT NEWS beratung@ada-zh.ch Inhaltsverzeichnis 4.2 Milliarden Franken kostet der An: beratung@ada-zh.ch ada-intern Alkoholkonsum. Betreff: Bitte um Auskunft und Hilfe 34. Generalversammlung Missbräuchlicher Alkoholkonsum der ada-zh 04 belastet nicht nur Betroffene, sondern Von der Co-Abhängigkeit habe Bussen Odyssee 05 die ganze Gesellschaft: 4,2 Milliarden ich das 1.mal letzten Donnerstag Franken kostete der Alkoholkonsum erfahren, als ich mit einem Arzt Legalisierung oder Regulierung? die Schweizer Öffentlichkeit im Jahr in unserem Geschäft über meine Chronologie des Cannabis- 2010. Zu diesem Schluss kommt die Situation geredet habe. Leider Konsums in der Schweiz 06 vom BAG in Auftrag gegebene Studie hatte ich bis anhin noch nie davon Auswirkung der Schweizer «Alkoholbedingte Kosten in der gehört, sonst hätte ich schon vor- Drogenpolitik, aus Sicht Schweiz», die seit März 2014 vorliegt. her versucht, dies zu behandeln. der Suchtforschung 08 Neben Ausgaben im Gesundheitswe- Ich bin bei einer alkoholkranken Manifest des VEVDAJ zur sen oder bei der Polizei fallen die Mutter aufgewachsen, welche Grundmarktregulierung in Ausfälle an Produktivität in der Wirt- mehr psychisch als physisch auf der Drogenpolitik 11 schaft am meisten ins Gewicht. Die uns losgegangen ist. Nun habe ich Prominente Stimmen aus Prävention von Alkoholmissbrauch selbst 3 Kinder mit einem Partner, aller Welt 12 bringt auch einen wirtschaftlichen der selbst eine Drogensucht hat, Regulierung – in Colorado und Nutzen und kommt der ganzen die er seiner Meinung nach aber der Schweiz? 14 Gesellschaft zugute. Quelle: Bund unter Kontrolle hat, aber trotz- Drogen-Regulierung oder dem eine gewisse Regelmässigkeit Legalisierung, Interview mit Rauchverbote bewirken weniger besitzt. Ich habe mit ihm über Dr. Toni Berthel 16 Frühgeburten die Co-Abhängigkeit gesprochen Gespräch mit einem In Ländern mit Gesetzen zum und ihn gebeten, sich ebenfalls in Polizeibeamten a.D. 20 Nichtraucherschutz sinkt einer Studie irgendeiner Form in Therapie zu Drogenkonsumräume in Europa 23 zufolge die Zahl von Frühgeburten, begeben. Er hat mir zugesagt, die Wie man sich nach fünf Tagen weniger Kinder leiden an schwerem Frage ist dennoch, inwiefern man Extrem-Kiffen fühlt 24 Asthma. Die Analyse zeigt auch, wie dies ernst nehmen kann, da auch Serie schnell die positiven Effekte einset- viel Unwahrheit seinerseits im Pablo Escobar: Mörder, zen. Artikel auf Spiegel Online Spiel ist. Ich möchte auf jedenfall Drogenhändler, Sadist 28 Genf – Seit Rauchverbot weniger meine Kinder nicht unbewusst Spitaleinweisungen wegen Lungen- prägen und das Risiko in Kauf Erlebnisbericht krankheiten: Das seit 2009 geltende nehmen, dass sie jetzt und später D'Sunne geit im Weschte uf 31 Rauchverbot in öffentlichen Räumen solche Erfahrung durchmachen hat in Genf pro Jahr 47 Spitaleinwei- müssen! VEVDAJ sungen wegen chronischer Lungen- Gesetzesentwurf zur krankheiten verhindert. Dies ent- Parlamentarischen spricht 680 Spitaltagen und Kosten Initiative Bortoluzzi 34 von 1,28 Millionen Franken. Zu Die Letzte diesem Schluss kommt eine im Cartoon, Adressen, Impressum 35 Fachjournal «PLOS One» veröffent- lichte Studie. Quelle: 20 Minuten 02
EDITORIAL Alles ist Gift. Er trifft dabei des Pudels Kern: Das seine Perspektiven ändern und Dinge Problem sind nicht die Drogen, son- aus einer anderen Sicht betrachten dern wie der Mensch damit umgeht. und beurteilen kann. Die Geschichte zeigt uns, dass der Mensch dazu (meistens) nicht in der Lage ist. Folgen: Armut, Unterer- nährung, Krankheiten. So ernähr- ten sich viele Bauern, vor allem im Kanton Zug, sehr einseitig und mit Erwin Sommer Redaktor viel Schnaps. Um Alkoholismus und Liebe Leserinnen und Leser Unterernährung zu bekämpfen, gründete ein Herr Dr. Roniger die Es wird flächendeckend über die Brauerei Feldschlösschen (Bier hat regulierte Abgabe von Cannabis bzw. weniger Vol.- Prozent als Schnaps) dessen Legalisierung diskutiert. und ein Herr Dr. Wander erfand die Manche fordern die totale Freigabe, Ovomaltine. andere befürchten eine «Masseninva- Titelfoto sion» von Kiffern. Die Illegalität, in die der Drogenhan- Barack Obama war in seiner Jugend offenbar auch del durch die Politik gedrängt wurde, ein Geniesser – wenn auch nicht ganz legal. © PerSpektiven, 2014 Nach Regulierungsversuchen in den hat katastrophale Folgen. Banden USA ist dort ein eigentlicher Boom, bekämpfen sich. Unbeteiligte werden Voranzeige Netzwerktagung VEVDAJ 2014 manche vergleichen es mit der Gold- erschossen, Familien zerstört. Lesen Thema: Zufriedenheit und Lebensfreude. Mit Monika Ambauen und Andreas Spohn. gräberstimmung, ausgebrochen. Die Sie dazu den Artikel über Pablo Esco- Samstag, 22. November 2014 Folgen: Niemand weiss, was dieser bar (weitere folgen) in dieser Num- Zentrum Karl der Grosse, Zürich Boom auslöst. mer. Interessant dabei ist, dass die Lieblingswaffe dieses Verbrechers eine Einige sagen, dass Cannabis etwa Schweizer SIG-Pistole war. gleich harmlos sei wie ein Glas Bier, Jahresprogramm 2014 ada-zh andere heben bereits den Mahnfinger Es erwartet Sie ein interessantes und August: Besichtigung Berufsfeuerwehr Zürich September Besuch Kriminalmuseum Zürich und warnen vor Schäden, wie Vergess- vielseitiges PerSpektiven. Wer jetzt Oktober: Führung einziges Zivilschutzmuseum lichkeit, Leberschädigungen usw. aber meint, wir möchten den freien der Schweiz Cannabis-Konsum schönreden, irrt. November: Helm auf! Rundgänge Zürich Wärme oder Sauberes Wasser Paracelsus (1493 – 1541), Schweizer Wir möchten unseren Beitrag leisten, 22. Nov. 2014: Netzwerktagung Arzt, Alchimist, Mystiker und Philo- dass dieses Thema objektiv diskutiert soph, schrieb vor beinahe 500 Jahren: werden kann. Dezember: Führung Kunsthaus Zürich «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist (sämtliche vorgeschlagenen Führungen/Rundgänge ohne Gift; allein die Dosis macht‘s, Schliesslich hat der Mensch einen sind GRATIS) dass ein Ding kein Gift sei». runden Kopf. Rund deshalb, damit er 03
LEGALISIERUNG ODER REGULIERUNG Manifest des VEVDAJ zur Grundmarkt- regulierung in der Drogenpolitik Der VEVDAJ, als Dachorganisation von über 15 Sektionen in der deutschen Schweiz und mit 400 Mitgliedern, ist eine wichtige Selbsthilfevereinigung im Bereich Ange- hörige im Umfeld Sucht. Denn es gibt 3mal mehr Angehörige als Süchtige. Für uns sind die Säulen «Repression, Wir sind bei der Marktregulierung für 2. Wir setzen uns ein für Beschäfti- Marktregulierung und soziale Integ- die Lösung «Reglementierung / gungs- und Arbeitsprogramme. ration» wichtig. Legalisierung»: 3. Wir kämpfen dafür, dass Drogen- • Konsum: erlaubt (zeitliche und abhängige als Suchtkranke medi- Ausgangslage: örtliche Einschränkung möglich) zinisch wie auch gesellschaftlich Da der Vollzug kantonal ist, gibt es • Besitz: erlaubt anerkannt und respektiert werden. noch grosse Unterschiede im Um- • Anbau: staatlich reguliert 4. Wir setzen uns dafür ein, dass setzen des BetmG. Einzelne Kantone • Handel: staatlich reguliert Besitz und Konsum erlaubt und haben immer noch keine Lösung nicht strafrechtlich verfolgt wer- ausgearbeitet. In der Romandie Ziele: den. hat es nur wenige heroingestützte Unsere 4 Punkte für die Drogenpolitik Behandlungs-Institutionen. In den der Schweiz: Um diese Ziele in den Kantonen zu Strafanstalten und Gefängnissen 1. Wir setzen uns ein für die Bei- erreichen, brauchen wir regionale gibt es unterschiedliche, menschen- behaltung und den Ausbau von Sektionen, welche uns mit Informati- verachtende Behandlungen von Such- Kontakt- und Anlaufstellen sowie onen bestücken. HJM mittelabhängigen. Der Besitz von von Beratungsstellen. Drogen wird bestraft. SYMPOSIUM 4.–7. September 2014 Solothurn (CH) nachtschattenverlag.ch/symposium 11
LEGALISIERUNG ODER REGULIERUNG? Regulierung von Cannabis im US-Bundes- staat Colorado – und in der Schweiz? Seit der Freigabe von Cannabis im Bundesstaat 3a) Steigend. Erleichterter Zugang, grössere Zahl Konsumenten. Colorado ist in den USA eine regelrechte Goldgräberstim- Sogwirkung «Masseneinwanderung Kiffer». mung aufgekommen. PerSpektiven hat dies zum Anlass ge- 3b) Kaum Veränderungen im Handel und in der Produktion, nommen, um bei Fachleuten und Politikern nachzufragen, ob Regulierung lässt Illegalität attraktiv bleiben. Unter 18-jährige sich das US-Modell auch auf die Schweiz übertragen liesse. sind weiterhin dem Verbot unterstellt, also ändert sich nicht Hier unsere Fragen und die Antworten: allzuviel. 4) – «Die USA sind bekannt für ihre restriktive Drogenpolitik. 5) Alleingang der Schweiz ist Unsinn! Nun hat ein Bundesstaat – Colorado – den Marihuana- Verkauf an seine Bürger freigegeben und somit einen regulierten David Fehr Markt geschaffen. Eine gute Idee? Kann dieses Konzept auf die Geschäftsführer Arud Zürich Schweiz übertragen werden?» 1) Es ist eine gute Idee. In der Schweiz 1) Wenn ja, weshalb: kann das ebenso funktionieren. Es braucht 2) Wenn nein, weshalb: aber einen politischen Wandel. Es wird immer noch schneller nach 3) Mit welchen Konsequenzen und Folgen hätte die Schweiz Verboten geschrien, statt dass nach pragmatischen Lösungen bei einer Drogen-Legalisierung zu rechnen? gesucht wird. Auf jeden Fall scheint der Begriff Marktregulierung 3a) Bezüglich Gesundheitskosten? politisch verträglicher zu sein als Legalisierung. 3b) Bezüglich Kriminalität? 2) Siehe oben 3c) Bezüglich Konsum? 3) – 4) Werden die Verurteilungen wegen Drogenbesitzes zu- oder 3a) Verringerung der Gesundheitskosten, da sich Betroffene abnehmen? schneller und damit frühzeitig in die Behandlung begeben. 5) Ich bin für eine Drogenregulierung in der Schweiz, weil… 3b) Verringerung der Kriminalität alleine schon dadurch, dass nicht mehr illegal gedealt werden muss. In kleinerem Mass wird Toni Bortoluzzi es den illegalen Verkauf auch bei einem regulierten Markt auch Nationalrat/Schreinermeister geben, aber es wird nur noch ein Bruchteil von heute sein. Konsu- menten begeben sich durch den Konsum auch nicht mehr automa- 1) – tisch in die Illegalität. Da in einem regulierten Markt die «Mafia» 2) Nein, weil das vom Volk klar und nicht mehr mitverdient und für ihre Risiken hohe Versicherungs- unmissverständlich bestätigte Verbot prämien aufschlägt, wird der Preis für Drogen deutlich tiefer sein. es rechtlich nicht zulässt. Das Gesetz Als Folge davon wird es weniger Beschaffungskriminalität geben. müsste geändert und dem Referendum unterstellt werden. 4) Aufgrund der obigen Erläuterungen wird es klar zu einer Ab- Sollte trotzdem nach Volksabstimmung entsprochen werden, nahme kommen müssen, weil man als Konsument und Besitzer sind mit voraussichtlichen Auswirkungen zu leben. nicht automatisch kriminalisiert wird. 5) Ja 14
LEGALISIERUNG ODER REGULIERUNG? Ruedi Stohler Albert Wettstein Ehemaliger Leitender Arzt, Bereich Ab- Alt Zürcher Stadtarzt hängigkeiten der PUK Zürich 1) Ja, es beendet einen heuchlerischen 1) Prinzipiell halte ich die Schaffung eines Zustand. regulierten, legalen Marktes für sinnvoll. 2) Kein Effekt. Ein solcher Markt würde eine Quali- 3) Etwas weniger zu erwarten. tätskontrolle erlauben, die Märkte für andere, gefährlichere 3a) Kaum Veränderungen. Substanzen, wie z.B. Heroin, vom Cannabis-Markt trennen 4) Abnehmen. Illegale Dealer benützen Hasch als Einsteiger, und vermehrt Möglichkeiten für präventive Bemühungen legale Verkaufsstellen nicht. bieten. Die konkreten gesetzlichen Rahmenbedingungen in der 5) Ja. Schweiz würden aber anders aussehen müssen als in Colora- do. Ich würde beispielsweise ein Werbeverbot in der Schweiz Anmerkung der Redaktion: Die Befragung fand im März/April für sinnvoll halten. 2014 statt. Verschiedene Persönlichkeiten wollten aufgrund der laufenden politischen Diskussion keine Stellung beziehen. Welche Konsequenzen...? (Anmerkung: Ich denke, Sie erkundi- Umfrage: sg. gen sich nach den Folgen einer Cannabis-Legalisierung, nicht nach denen einer «Drogen»-Legalisierung allgemein). 2) Die Regulierung des Cannabis-Marktes wird vermutlich nicht zu einer Konsumzunahme führen (wie in Holland und Portugal gezeigt werden konnte). Weil vermehrt qualitativ einwandfreier Cannabis konsumiert werden würde, rechne ich eher mit einer Abnahme. 3) Das Bestehen eines legalen Marktes wird den illegalen kon- kurrenzieren und zurückdrängen. Ich rechne daher mit einem Rückgang. 3c) Bisherige Erfahrungen mit der Entkriminalisierung sprechen eher für eine Reduktion des Konsums. 4) Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Verurteilungen wegen Drogenbesitz zunehmen könnten. 5) Ja. Cédric Wermuth Nationalrat 1) Ja, dies entkriminalisiert die Konsu- mentInnen. 2) Der Effekt dürfte relativ gering sein. 3) Wenn spürbar, dann rückläufig. 3b) Stark rückläufig 3c) Schwierig zu sagen. Wohl in etwa gleich. 4) Abnehmen 5) Ja 15
Politik Drogen-Regulierung, Drogen-legalisierung: wo liegt der Unterschied? interview mit Dr. toni Berthel, Präsident EkFD Es war viel los, diesen Dienstagvormitag, im Büro von den Ausführungsbestimmungen zur Betäubungsmittel- Herrn Dr. Toni Berthel, Präsident der EKFD in Winterthur. gesetzgebung.Die EKFD ist ein eigentlicher «Think-Tank». Tags zuvor hate nämlich das Winterthurer Stadtparla- Wir beraten den Bundesrat, Aemter, Politiker usw., die ment die teilweise Legalisierung von Cannabis beschlos- sich nachher eine eigene Meinung bilden sollen. sen. Trotz des Medienansturms blieb noch Zeit für ein Interview mit PerSpektiven. Was ist der Unterschied zwischen Drogen-Regulierung und Drogen-Legalisierung? Herr Berthel, worin besteht die Aufgabe der EKFD? Die Regulierung von Drogen ist im Prinzip nichts Neues. Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKFD) Wir kennen in der Schweiz verschiedene Beispiele wie ist aus der Subkommission «Drogenfragen» der Eidge- Produktion, Verarbeitung und Verkauf von Substanzen nössischen Betäubungsmittelkommission hervorgegangen reguliert werden, z.B. beim Alkohol. Die Regulierung gilt und besteht aus 14 Expertinnen und Experten. Geregelt für alle Substanzen, von der Produktion bis hin zum Kon- ist sie in Artikel 30 des Betäubungsmittelgesetzes. Der sum. Substanzen, die illegal sind, können nicht reguliert Bundesrat bestimmt Zusammensetzung und Arbeits- angebaut, verarbeitet und verkauft werden. D.h. auch, gebiet der Kommission und wählt die Mitglieder auf dass die Qualität der Substanzen, die Zusammensetzung, Vorschlag des Eidgenössischen Departements des Innern die Konzentration etc. nicht kontrolliert werden können. (EDI). Gesetzlicher Auftrag der Kommission ist die Bera- Regulierung hilft, dass Abläufe sichergestellt und die tung der Landesregierung und insbesondere des EDI bei Qualität überprüft werden können und sie sorgt dafür, 1
Politik dass nur «sichere» Produkte auf den Markt kommen und auch von den Menschen gekauft werden können, die dafür Die Viersäulenpolitik der Schweiz ist pragmatisch und berechtigt sind. Es braucht, analog zum Alkohol, Verbote wirkungsorientiert. Die Säule Prävention trägt zur Ver- und Regulierungen vom Anbau über die Produktion bis ringerung des Drogenkonsums bei, indem der Einstieg hin zum Verkauf (Werbeeinschränkungen, Nachtver- in den Drogenkonsum und die Suchtentwicklung verhin- kaufsverbote, kein Verkauf an Minderjährige usw.). Bei dert werden. Cannabis werden solche Modelle in verschiedenen Städten diskutiert und die Planung von Versuchen an die Hand Die Säule Therapie trägt zur Verringerung des Drogen- genommen (diese Versuchsmodelle beinden sich in der konsums bei, indem sie den nachhaltigen Ausstieg aus Planungsphase). der Sucht ermöglicht bzw. auf die Erhaltung dieser Mög- lichkeit hinwirkt. Zudem fördert sie die soziale Integra- tion und die Gesundheit der behandelten Personen. Die Säule Schadensminderung trägt zur Verringerung der negativen Folgen des Drogenkonsums auf die Kon- sumierenden sowie indirekt auch auf die Gesellschat bei, indem sie einen individuell und sozial weniger prob- lematischen Drogenkonsum ermöglicht. Die Säule Repression und Marktregulierung trägt mit geeigneten, regulativen Massnahmen zur Durchset- zung des Verbots von illegalen Drogen dazu bei, die ne- gativen Folgen des Drogenkonsums für die Gesellschat zu vermindern. Art und Ausmass der Regulierung soll sich dabei an der sondern vorab der Beschaffung von Finanzen. Auf der Gefährlichkeit der jeweiligen Substanz orientieren. Eine Angebotsseite können Herstellung und Handel gewisser besondere Bedeutung erhält dabei der Aspekt der Scha- Produkte grundsätzlich verboten werden; zur Durchset- denminderung. zung dieses Verbotes können flankierende Massnahmen (Der Einsatz des Regulierungsmodells erfolgt gemäss der Gefährlichkeit getroffen werden, insbesondere Importverbote oder der Substanz und deren Gewichtung. Dabei geht es auch um Schadens- Importkontrollen von Vorläufersubstanzen…» minderung.) (Eidg. Kommission für Drogenfragen, 2013) Ich verweise dazu auch auf die Übersicht über Regu- Wie sieht es mit der Legalisierung von Cannabis aus? lierungsmodelle für psychoanalytische Substanzen Es geht hier nicht um eine Legalisierung. Im Zentrum (Auszug): steht wie gesagt die Regulierung. Cannabis darf und «Regulierungsmodelle können einerseits auf der Ange- soll deshalb nicht überall verkauft werden können. In bots-, andererseits auf der Nachfrageseite ansetzen. Im diesem Feld kann nicht der Markt die Steuerung über- Bereich der psychoaktiven Substanzen dienen die Re- nehmen. gulierungen auf der Angebotsseite letztlich auch meist dem Zweck, den Konsum von Substanzen zu verhindern Zum Beispiel Tabak: Hier mussten Regeln, die den oder zu beschränken. Fiskalpolitische Massnahmen Schutz der Bevölkerung im Visier haben, aufgestellt dienen bisweilen nicht primär der Marktregulierung, werden. Es kann nicht sein, dass ein 8-jähriger Ziga- 1
RUBRIKTITEL Art und Ausmass der Regulierung sollen sich an der Gefährlichkeit einer Substanz orientieren. retten kaufen kann. Diese Produkte sollten auch nicht Beim Cannabis geht es v.a. um die Frage: wie regeln wir überall angeboten werden können. Ich glaube kaum, den Umgang mit Cannabis als Genuss-, Rausch- und dass der Markt Verkauf und Konsum von Cannabis Rekreationsmittel. Hier sind die Meinungen nach wie vor regeln kann. Und: Regeln gelten für alle und alle vergleich- gespalten. Die einen wollen Cannabis weiterhin verbieten, baren Produkte. die anderen wollen, dass erwachsene Menschen selber entscheiden können wie und wann sie diese Substanz Wir haben den Eindruck, dass sich die Politik mit Händen konsumieren wollen. In den Städten wächst nun wieder und Füssen gegen eine Regulierung wehrt. der Druck auf die Politik, hier einen Schritt weiter zu Hier müssen wir unterscheiden: in den 80er Jahren, als kommen und Lösungen für den Konsum von Cannabis wir von einer «Heroinwelle» überrollt wurden und eine zu inden. Ein landesweiter Konsens ist zur Zeit nicht ganze Generation von jungen Menschen neu mit Heroin in vorhanden und nicht mehrheitsfähig. Kontakt kam, wurden viele von ihnen rasch abhängig. Sie verelendeten und wir hatten ein grosses Problem im öffent- In den Städten werden nun Wünsche laut, ähnliche lichen Raum (Platzspitz, Letten etc.), die Bevölkerung fühlte Modelle im Umgang mit Cannabis – wie sie in verschie- sich bedroht und die Politik, wie teilweise die Fachleute, war denen Regionen und Städten und Gemeinden im Aus- überfordert. Die Belastung in den Städten war gross. land funktionieren – auch in der Schweiz zu prüfen. In diversen Städten sind Arbeitsgruppen daran, im Ausland Die vernünftigen Kräfte im Land schlossen sich zu bewährte Ansätze auf ihre Anwendbarkeit in der Schweiz einer grossen Koalition der Vernunft zusammen, das zu prüfen. Solche Modelle müssten in einer ersten Phase 4-Säulenmodell wurde entwickelt und alle waren sich wohl mit wissenschaftlicher Begleitforschung geprüft einig: «Suchtkranke Menschen haben umfassende werden. Hilfe zu gut». Man baute vernetzte und aufeinander abgestimmte Hilfssysteme auf. Dazu gehörte auch die Seinerzeit war der Druck der Städte auf die Gemeinden heroingestützte Behandlung. Hier war die Politik bereit, noch nicht gross, es musste erst ein Umdenken stattin- das Betäubungsmittelgesetz anzupassen und in Volks- den, bis die Gemeinden geeignete Angebote für Sucht- abstimmungen wurde Heroin als Behandlungsoption im kranke eingerichtet hatten. Es herrschte damals auch Betäubungsmittelgesetz festgeschrieben. grosse Angst, dass sich immer wieder neue Gruppen bilden würden. 18
Politik Im US-Staat Colorado ist seit anfangs Jahr der Verkauf …Gesundheitskosten? von Cannabis freigegeben – ein Vorbild für die Schweiz? Es würde sich nicht viel ändern. Man könnte die Produkti- Die eidgenössische Kommission für Drogenfragen infor- on besteuern und den Ertrag in der Prävention einsetzen. miert sich zur Zeit über die verschiedenen Modelle, die Bei harten Drogen sehe ich keine Veränderungen. andernorts auf der Welt zum Einsatz kommen. Ob allen- falls das Modell Colorado oder dann die Social-Clubs aus Öffnet eine Regulierung dem Drogenkonsum Tür und Tor? Katalonien eine Möglichkeit darstellen, wird sich erst noch Wir stellen heute fest, dass der Konsum von Alkohol und zeigen. Die EKFD wird zu gegebener Zeit und bei Vorlie- Cannabis gesamthaft abnimmt. Heroin wird von jungen gen von Anfragen ihre Expertise abgeben. Menschen kaum noch konsumiert und Kokain ist eine Droge, die in speziellen Szenen eine Bedeutung hat, wie Wir verfolgen und studieren den Verlauf dieser Entwick- auch die Amphetamine. lung sehr genau, auch bezüglich der positiven wie negati- ven Auswirkungen. Die Frage, wie weit die Freigabe Sinn Es ist auch erfreulich wie eine grosse Zahl von jungen macht, sollte auch gestellt werden. Menschen (aber auch älteren) heute doch sehr gesund- heitsbewusst lebt. Sie machen viel Sport, ernähren sich Wenn in der Schweiz gesund, die Abgabe von Drogen reguliert wird, «Suchtkranke Menschen haben schauen auf ihre Gesund- was sind die Folgen z.B. für die Krimina- umfassende Hilfe zu gut.» heit und sie versuchen, lität? psychoaktive Beim Cannabis ist davon auszugehen, dass der Schwarz- Substanzen kontrolliert und verantwortungsvoll zu konsu- markt verschwinden würde. Wir könnten den Anbau und mieren. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Trend so weiter- damit auch die Konzentration von THC kontrolliert steu- gehen wird. Wir sind noch nie so alt geworden wie in der ern. Die Qualität der Substanz wäre so sicher. Die Polizei heutigen Zeit und keine Generation vorher ist so gesund wäre von der aufwendigen Arbeit in diesem Feld entlastet und vital so alt geworden wie wir es heute werden. und die hier gebundenen Ressourcen könnten andernorts eingesetzt werden. Herr Dr. Berthel, herzlichen Dank für das Gespräch. Der Konsum von Cannabis würde sich auf «rekreatives» Interview: Erwin Sommer Geniessen beschränken, ähnlich wie ein gutes Glas Wein. Bei den harten Drogen könnten wir den «Sumpf» aus- trocknen und weltweit zu besseren Lebensbedingungen Neuthal beitragen. Ich möchte hier nur auf den Zerfall des Staates Wer sind wir? und seines Machtmonopoles in südamerikanischen Län- Wir sind eine familiäre, auf Suchtfreiheit spezia- lisierte Gemeinschaft für Frauen und Männer. In dern (z.B. Mexico) hinweisen. einer aussergewöhnlichen Umgebung bieten wir eine Langzeittherapie mit Fokus auf Arbeitsinte- gration und ein selbstbestimmtes Leben. Es gäbe sicher auch weniger Verzeigungen und Verfahren Was bietet das Neuthal? Familiäre Atmosphäre – erfolgreiche Arbeitsin- seitens der Polizei. Sie könnte ihre Arbeit auf andere Be- tegration – vielseitiges Jahresprogramm. reiche konzentrieren und nicht nur als «Ordnungsbüsser» Was ist unser Ziel? Im Neuthal 4 funktionieren. Mit diesen Ordnungsbussen wird der Staat 8344 Bäretswil Selbständig – suchtfrei – integriert auch nicht «reich». Das neue System brächte eine Entlas- Telefon 052 386 26 22 Wer sind unsere Bewohner? info@neuthal.ch, www.neuthal.ch Frauen – Männer – ab ca. 18 Jahren tung und Kosteneinsparungen im Justizwesen. 19
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