Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW

Die Seite wird erstellt Diana Michels
 
WEITER LESEN
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch

           ANDREAS KAHRER, BERNHARD PERNY, GOTTFRIED STEYRER und HERMANN HAUSDORF

 Abstract                                                        Ab den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
 Cockchafers Spreading Quickly also in East                  wurden Maikäfer massiv mit den neu aufkommenden
 Austria                                                     Agrochemikalien bekämpft. Ab diesem Zeitpunkt ging
                                                             die Maikäferpopulation sehr stark zurück. Ab den 1980er
 Since the nineties of the last century a recovery of
                                                             und 1990er Jahren wurden aus der Schweiz (Keller 2004),
 cockchafer populations has been observed in Western
 Austria (Inn Valley, Bodensee area). Recently, three mass   aus Südtirol (Zelger 1996) und Süddeutschland (Fröschle
 outbreaks of cockchafers were observed also in Lower        1996) wieder steigende Maikäferzahlen gemeldet. Zeitlich
 Austria: (1) 2009 Melolontha hippocastani in the riparian   verzögert fanden ähnliche Entwicklungen auch in Öster-
 forests near Stockerau and Tulln, (2) 2011 Melolontha       reich statt. Wenngleich die Ursachen dieser neuerlichen
 melolontha in the surrounding area of Herrenbaum-           Massenentwicklung im Dunklen liegen, soll im
 garten (near Poysdorf), (3) 2011 Melolontha melolontha
                                                             Folgenden eine vorläufige Bestandsaufnahme der neuen
 in the surrounding area of Großriedenthal (near Krems).
 In the latter case, many heavy infested trees were found    Schadgebiete, insbesondere in Ostösterreich, vorge-
 on an area of 68 km² - this area seems to have expanded     nommen werden.
 during the last years.

 Keywords:       Melolontha melolontha, hippocastani,        Drei heimische Maikäferarten
                 massflight, Lower Austria, gradation        Maikäfer (Familie Scarabaeidae) kommen in Österreich
                 cycle                                       mit drei verschiedenen Arten vor: Am häufigsten ist der
                                                             Feldmaikäfer (Melolontha melolontha), dessen Larven
 Kurzfassung                                                 (Engerlinge) in Feld-, Obst- und Gartenbaukulturen zu
 Seit den 1990er Jahren wurde aus Westösterreich
                                                             finden sind. Die Käfer fressen an allein stehenden
 (Vorarlberg und dem Inntal) ein Wiedererstarken der         Bäumen, Baumgruppen oder Waldrändern.
 dortigen Maikäferpopulationen berichtet. Seit Kurzem            Im Gegensatz dazu durchläuft der seltenere Wald-
 werden nun auch in Niederösterreich lokale Massen-          maikäfer (M. hippocastani) seinen Entwicklungszyklus
 flüge von Maikäfern beobachtet. Während es sich beim        vorwiegend in Wäldern; seine Engerlinge sind über-
 Massenflug 2009 in den Donauauen bei Stockerau und
                                                             wiegend im Waldboden zu finden. Diese beiden Arten
 Tulln um den Waldmaikäfer (Melolontha hippocastani)
 handelte, wurde 2011 ein Massenbefall einerseits um
                                                             sehen einander sehr ähnlich - am besten lassen sie sich
 Großriedenthal (Nähe Krems), andererseits um Herren-        durch die unterschiedliche Ausformung des letzten Hinter-
 baumgarten (Nähe Poysdorf) durch den Feldmaikäfer           leibsegments (Pygidium) unterscheiden (Abbildung 2).
 (Melolontha melolontha) hervorgerufen. Das Gebiet               Auf die nur selten anzutreffende Maikäferart (M.
 mit stark und sehr stark befallenen Bäumen um Groß-         pectoralis) soll hier nicht näher eingegangen werden.
 riedenthal wies 2011 bereits eine Fläche von 68 km² auf
                                                             Während der Waldmaikäfer bis nach Skandinavien und
 und scheint in Ausdehnung begriffen.
                                                             Sibirien verbreitet ist, besitzt der Feldmaikäfer seinen
 Schlüsselworte: Melolontha melolontha, hippocastani,        Schwerpunkt in Zentraleuropa.
                 Massenflug, Niederösterreich, Gradation

                                                             Biologie
Vom Fruchtbarkeitssymbol zum                                 In Flugjahren versammeln sich die Maikäfer eines
bekämpften Schädling                                         Gebietes an Waldrändern und um besonders markante
Selten hat ein Insekt die menschliche Phantasie so ange-     Bäume zur Verpaarung. Danach kehren die Weibchen
regt wie der Maikäfer: Während er in alten Zeiten noch       wieder in die Nähe jener Stellen zurück, an der sie ihr
als Frühlings- und Fruchtbarkeitssymbol verehrt wurde,       Larvenleben verbracht hatten, um hier etwa 30 Eier in bis
schoben sich mit der Intensivierung der Landwirtschaft       zu 25 cm Tiefe – abhängig von der Bodenstruktur -
die durch ihn angerichteten Schäden an Kulturpflanzen        abzulegen. Darauf können noch weitere Paarungen samt
in den Vordergrund. Und eines konnte klar beobachtet         Eiablagen folgen.
werden: Der Maikäferbestand schwankt über die Jahre –           Nach etwa einem Monat schlüpfen Engerlingslarven,
unabhängig von den Bekämpfungsmaßnahmen seitens              die zunächst von Humus und feinen Faserwurzeln leben,
des Menschen.                                                bevor sie sich dann stärkeren Wurzeln zuwenden. Im Laufe
FORSTSCHUTZ AKTUELL 53, 2011                                                                                        5
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW
Abbildung 1: Adulter Feldmaikäfer. Neben der hier abge-                 Abbildung 2: Engerling eines Feldmaikäfers. Die sehr ähnlichen
bildeten Standardvariante kommen auch noch ganz dunkle,                 Larven des Waldmaikäfers lassen sich an der Beborstung des
völlig rotbraune sowie hell gefärbte Exemplare vor.                     Hinterendes unterscheiden (Foto: Faber).
                                                                        Figure 2: Cockchafer grub (Melolontha melolontha). The larvae of
Figure 1: Adult cockchafer (Melolotha melolontha). Occasionally, also   Melolotha hippocastani can be distinguished by the presence of
dark, reddish brown or blond specimens can be found.                    numerous bristles around the anus (photo: Faber).

ihres Lebens häuten sie sich mehrmals, sodass man drei                  und III2 bezeichnet, für vierjährige Zyklen hingegen mit
verschieden große Larvenstadien unterscheiden kann.                     IV0, IV1, IV2 und IV3. Dabei gibt der Index den Rest der
Schäden hängen besonders vom Alter der Käferlarven ab                   Jahreszahl nach Division durch drei bzw. vier an. Anhand
und sind daher im Jahr nach dem Flug am bedeutsamsten.                  der konkreten „Fluggebiete“ in bestimmten Jahren kann
Abhängig von der Jahreszeit halten sich Engerlinge in                   man eine „Maikäferflugkarte“ erstellen, indem man
unterschiedlichen Bodentiefen auf: Während sie in der                   Gebiete mit übereinstimmendem Flug in gleicher Weise
Vegetationsperiode in seichten Bodenschichten bis 20 cm                 markiert. In Österreich wurde eine solche Karte bereits
Tiefe leben, verbringen sie die kalte Jahreszeit bis zu 60 cm           1961 von Faber erstellt (Abbildung 4). Die dort ange-
tief, um dem Frost auszuweichen.                                        führten Flugjahre wiederholen sich in drei- bzw. vierjäh-
    Im Spätsommer vor dem Flugjahr legen die nun                        rigen Intervallen, je nach Entwicklungsdauer der betrach-
bereits 4 cm messenden Engerlinge eine kleine Höhlung                   teten Maikäferpopulation. Daraus ergeben sich zwölf
in etwa 40 cm Bodentiefe an, in der sie sich ungestört                  verschiedene Kombinationen der Ausprägung von drei-
verpuppen können. Bereits drei Wochen später schlüpft                   und vierjährigen Zyklen – d.h. nach zwölf Jahren wird
daraus der fertige Käfer, bleibt aber noch im Boden, über-              wieder mit der ersten Kombination von drei- und vier-
wintert hier und begibt sich erst im folgenden Frühjahr                 jährigen Zyklus begonnen.
bei Ansteigen der Bodentemperatur auf etwa 8,5 °C an
die Oberfläche, womit sich der Zyklus schließt.                         Massenentwicklungen in Österreich
                                                                        Die Massenentwicklung von Maikäfern in Westösterreich
Verschiedene „Flugstämme“                                               setzte ähnlich wie in Deutschland, der Schweiz und
Die Entwicklung der Engerlinge dauert mehrere Jahre                     Südtirol bereits ab den 1990er Jahren ein. Insbesondere
und ist von den Bodentemperaturen abhängig. In kühlen                   war zunächst das Inntal und Vorarlberg betroffen (Cate
Gebieten, wie dem Waldviertel und einigen Alpentälern,                  2004, Cate pers. Mitt.). Im Gegensatz dazu wurden aus
dauert die Entwicklung vier Jahre, in den übrigen                       Ostösterreich zunächst keine bemerkenswerten Mai-
Gebieten ist sie bereits nach drei Jahren abgeschlossen.                käferfunde gemeldet.
Dies führt dazu, dass je nach Gegend alle drei oder vier                    Im Jahr 2009 kam es jedoch zu einem sehr starken
Jahre mit starkem Maikäferflug zu rechnen ist. Bei                      großflächigen Käferflug in den Donauauen um
beispielsweise dreijähriger Entwicklung sind die drei                   Stockerau, Spillern und Tulln. Interessanterweise hat es
möglichen Flugjahre nicht bunt durcheinander gemischt,                  sich dabei jedoch nicht um den Feld-, sondern um den
sondern es überwiegt für jedes Gebiet jeweils ein be-                   Waldmaikäfer gehandelt (Straka 2011, pers. Mitt.). Dieser
stimmter „Flugstamm“ („Flugjahresfolge“ sensu Faber).                   Flugstamm müsste die Bezeichnung III2 tragen, ist aber
   Um die Vergleichbarkeit zu verbessern, werden die                    in der Flugkarte (Abbildung 4) nicht eingezeichnet.
Flugjahre für dreijährige Entwicklungszyklen mit III0, III1             Allerdings tritt ein solcher Flugstamm etwa 50 km weiter
6                                                                                                      FORSTSCHUTZ AKTUELL 53, 2011
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW
Abbildung 3: Ansicht des Pygidiums von Wald- (links) und Feldmaikäfer (rechts). Zusätzlich sind Waldmaikäfer meist kleiner,
dunkler gefärbt sowie stärker behaart.
Figure 3: Pygidium of an adult Melolotha hippocastani beetle (left side) and of Melolontha melolontha (right side).

westlich bei Dürnstein auf. Es wäre von großem Interesse                 maikäfer beobachtet. Die größte geschlossene Käfer-
herauszufinden, ob es sich dabei ebenfalls um den Wald-                  ansammlung wurde auf dem Hengstberg (Feuersbrunn,
maikäfer handelt oder ob die Waldmaikäferpopulation                      Gösing) entdeckt. Hier ist die flache Kuppe des Berges
von Stockerau isoliert ist. Jedenfalls müssen die Käfer                  von einem Laubmischwald mit zahlreichen Stieleichen
bereits seit längerer Zeit begonnen haben, sich stärker zu               bedeckt, an den daran anschließenden sanften Abhängen
vermehren.                                                               wird fast ausschließlich Weinbau betrieben. Aus der
   Nach zahlreichen Anfragen wurde der Maikäferflug in                   Abbildung 6 ist zu entnehmen, dass das Gebiet mit
Niederösterreich im Jahre 2011 untersucht – es handelt                   starkem Befall (Befallsklasse 3 und 4; siehe Kasten) bereits
sich hierbei um den Flugstamm III1. Dabei wurden                         eine Fläche von 68 km² einnimmt. Laut Angaben be-
folgende Befallszentren festgestellt: Südlich der Donau                  troffener Landwirte verschiebt sich die Befallsgrenze mit
und im Bereich des Dunkelsteinerwaldes sowie des                         jeder Flugperiode (alle drei Jahre) um etwa drei Kilo-
Wienerwaldes waren Käfer nur punktuell zu finden.                        meter. Es wird von größter Bedeutung sein festzustellen,
Größere besiedelte Flächen waren im Kamptal bis an die                   wie sich diese Massenvermehrung weiter entwickelt.
B37 nördlich von Krems (Abbildung 5), im Gebiet Groß-
riedenthal und Gösing zu finden. Ebenso waren große                      Biologische Bekämpfung durch Beauveria
Befallsstärken im Hochleitenwald bei Wolkersdorf und                     Seit einigen Jahren gibt es ein biologisches Präparat
um Herrnbaumgarten sowie Schrattenberg (nahe Poys-                       (Melocont Pilzgerste) mit dem entomopathogenen Pilz
dorf) festzustellen. Die am stärksten befallenen Bäume                   Beauveria brongniartii, der äußerst selektiv gegen
waren Eiche, Pappel, Ahorn und verschiedene Rosenge-                     Maikäfer-Engerlinge wirkt. Zur Anwendung werden die
wächse; daneben waren auch Weide, Aspe, Walnuss,                         pilzbefallenen Gerstenkörner in den Boden eingearbeitet
Esche, Holunder, Feldulme und Robinie sowie Wein-                        und infizieren dann die dort lebenden Engerlinge. Die
kulturen in der Nähe kahl gefressener Eichen betroffen.                  Erwartungen, die in dieses Mittel gesetzt wurden, erfüllten
In den Befallsgebieten bei Poysdorf und Großriedenthal                   sich nur teilweise. Für einen erfolgreichen Einsatz wird
waren bereits seit 2008 Engerlingsschäden an Wein-                       eine bestimmte minimale Besatzdichte an Engerlings-
kulturen zu beobachten.                                                  larven benötigt, die aber normalerweise nur auf Wiesen
   Im Gebiet um Großriedenthal, einem der beiden                         und Grünland erreicht wird: Die Schadschwelle liegt bei
Maikäfer-Kerngebiete, wurde im Frühjahr 2011 der Flug                    etwa 20 L2-Larven pro m². Im Obst- sowie Weinbau und
der Maikäfer genauer untersucht. Dabei wurde die                         in Wäldern liegen die Besatzdichten deutlich niedriger,
Maikäferart, Fraßpflanze und zugehörige Flugstärke                       bei zwei bis maximal fünf L2-Larven pro m². Diese
kartiert. Entsprechend der frühen Vegetationsent-                        Larvendichten sind zu gering, als dass sich der Gegen-
wicklung im Frühjahr 2011 setzte der Käferschlupf bereits                spieler Beauveria dauerhaft etablieren könnte. Der Pilz
ab dem 10. April ein, es wurden ausschließlich Feld-                     wächst im Boden kaum und ist in seiner Verbreitung
FORSTSCHUTZ AKTUELL 53, 2011                                                                                                       7
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW
8
                                                                                                                   Die Maikäfer-Flugjahre in Österreich
                                                                                                Nach dem Ergebnis von zehnjährigen, gemeinsamen mit den österreichischen Volkschulen
                                                                                   durchgeführten Erhebungen (Stand 1960), ausgearbeitet von Dr. Walter Faber, Bundesanstalt für Pflanzenschutz, Wien

                               Bezeichnung der                        Flugjahre
                                Flugjahrfolge 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
                                     III 0
                                     III 1
                                     III 2
                                     IV 0
                                     IV 1
                                     IV 2
                                     IV 3
                               III = dreijähriger Zyklus, IV = vierjähriger Zyklus
                               Die Indexziffern (– Rest aus der Division der Jahreszahl durch den betreffenden Zyklus)
                               bestimmen für beide Zyklen die jeweilige Flugjahrfolge.
                               Farbige Flächen: Gebiete mit ausgeprägten Flugjahren.
                               Übrige Fläche: Maikäferfrei (Hochgebirgstäler) oder nur fallweise starker Maikäferflug.

                               Herausgegeben von der Bundesanstalt für Pflanzenschutz in Wien.                           Maßstab 1:1.500.000   0   15   30 45 km                               Kartographie und Druck: Freytag-Berndt u. Artaria, Wien

FORSTSCHUTZ AKTUELL 53, 2011
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW
deshalb auf die gegenseitige An-
steckung der Engerlingslarven ange-
wiesen. Auch ist eine flächige
Ausbringung im Wald nicht möglich.
    In Deutschland, wo regional
Probleme durch Waldmaikäfer im
Vordergrund stehen und als sehr
ernst zu bewerten sind, ist die Appli-
kation von herkömmlichen Insekti-
ziden aus der Luft derzeit die einzige
Möglichkeit, um kurzfristig die
Waldmaikäfer-Populationen deutlich
zu schwächen. In ersten Versuchen
wurde auch getestet, ob mit einer
Beauveria-Suspension eine Be-
kämpfung aus der Luft möglich ist.
                                                                          Map data ©2011 Google, Tele Atlas; bearbeitet vom BFW
Diese Ergebnisse stehen noch aus.
    Wenn Engerlinge in Wiesen Abbildung 5: Maikäferflug 2011 im niederösterreichischen Zentralraum: vereinzeltes
auftreten (Westösterreich, Alpentäler), (hellrot) bis flächiges Auftreten (rot).
                                           Figure 5: Flight of cockchafers in the central part of Lower Austria in 2011: scattered (light
können sie erfolgreich durch Aus- red) to aerial occurrence (red).
bringung von Melocont Pilzgerste
(Beauveria brongniartii) bekämpft werden. Auf intensiv zuletzt beobachteten wärmeren Sommer. Eine entspre-
bewirtschafteten Ackerbauflächen wird die Larvendichte chende Überprüfung der Faber’schen Flugkarte durch
durch die regelmäßige Bodenbearbeitung - diese wirkt sehr Cate 2004 hat jedoch ergeben, dass die Flugkarte im
stark auf die im Boden lebenden Engerlinge - ausreichend Wesentlichen noch immer aktuell ist. Auch eine Unter-
reguliert. Im Weinbau bemüht man sich, beide Verfahren suchung durch Scheifinger et al. (2007) zeigte keine Ab-
zu kombinieren.                                                     weichungen vom Flugschema nach Zweigelt und Faber.
                                                                    Dennoch ist es wichtig, durch jährliche Überprüfung des
Gibt es eine zeitliche Verschiebung der                             Fluges mögliche Abweichungen rasch feststellen zu können.
Flugstämme?                                                         Seit dem heurigen Frühjahr besteht für jeden Internetnutzer
Die aktuelle Verteilung der Flugstämme (Abbildung 4) ist die Möglichkeit, eigene Beobachtungen des Maikäferfluges
kein starres Schema, sondern kann sich in Abhängigkeit auf der Internetseite der AGES direkt einzugeben (www.
von den herrschenden Bodentemperaturen ändern. In ages.at/ages/amtliches-und-warnmeldungen/warndienst-
einem solchen Fall könnten bei unterdurchschnittlichen pflanzengesundheit/flugdatenerfassung-maikaefer-2011/).
Sommertemperaturen beispielsweise Maikäfer eines
Gebietes ihre Entwicklung verspätet beenden und ein Jahr Ausblick
später schlüpfen. In einem solchen Falle würden beispiels- Obwohl es sich beim Maikäfer um einen der am längsten
weise die Tiere des Flugstammes III1 als III2 weiterleben. bekannten landwirtschaftlichen Schädlinge handelt, birgt
Solche Ereignisse sind aus Deutschland und der Schweiz seine Biologie noch immer unbekannte Facetten: So stellt
(Schneider-Orelli 1949) überliefert. So berichtet bereits es nach wie vor eine Herausforderung dar, die Ursachen
Zweigelt 1928, dass nach einem besonders kühlen seiner langjährigen Gradationszyklen zu erforschen und
Sommer ein Teil der Maikäferpopulation eines Gebietes zur nachhaltigen Bekämpfung zu nutzen. Dazu wird es
seine Entwicklung langsamer beendete und damit das notwendig sein, sich auch mit dem Spektrum seiner
Schwarmjahr ab diesem Zeitpunkt immer um ein Jahr Krankheitserreger genauer zu befassen. Darüber hinaus
nach hinten verlegt war.                                            könnte der Maikäfer ein anschauliches Beispiel für die
    Man kann davon ausgehen, dass dies auch in Hinkunft Änderung in seiner Phänologie als Folge geänderter
möglich ist. Besondere Aktualität erhält die Frage durch die Umgebungstemperaturen bieten.

Abbildung 4 (Seite 8): Maikäferflugkarte von Faber 1961. Diese Karte wurde nach Beobachtungen von Zweigelt (1928) und Faber
aufgrund der Meldungen von Volksschulen erstellt und ist auch heute noch bis auf Kleinigkeiten gültig. Die ursprünglich ange-
führten Jahreszahlen der 1960er Jahre wurden durch aktuelle ersetzt.
Figure 4: Austrian map showing flight years of cockchafers (according to Faber 1961 and Zweigelt 1928). Up to the present day, this map is
still valid.

FORSTSCHUTZ AKTUELL 53, 2011                                                                                                            9
Maikäfer nun auch in Ostösterreich auf dem Vormarsch - BFW
Abbildung 6: Flugstärke von Feldmaikäfern in April und Mai 2011 im Gebiet Fels am Wagram, dargestellt mit einer fünfteiligen
Skala (vgl. Kasten).
Figure 6: Infestation intensity of cockchafers in the area of Großriedenthal described by a 5-part scale (cf. box).

 Erklärung der Befallsstärke                                               Scheifinger, H., Matulla, C., Cate, P., Kahrer, A., Koch, E. 2007:
                                                                                 CLIMPHEN - Climate impact on plant and insect phenology
 Die Befallsstärke wird nach einer fünfteiligen Skala
                                                                                 in Austria. Österreichische Akademie der Wissenschaften, ISBN
 erhoben:
                                                                                 978-3-7001-3966-9 Online-Edition doi: 10.1553/climphen
 0 = kein Befall,
                                                                                 (http://epub.oeaw.ac.at/climphen): 68 pp.
 1 = vereinzelte Maikäfer,
 2 = schwacher Befall (auf einem 1 m² großen „Bildaus-                     Schneider-Orelli, O. 1949: Die Maikäferflugjahre in der Schweiz nach
     schnitt“ sind bis zu zehn Käfer zu sehen),                                  dem Stande der Untersuchungen von 1948. Schweiz. Zeitschrift
 3 = starker Befall (auf einem 1 m² großen „Bildaus-                             für Obst- und Weinbau in Wädenswil, 58: 105-109.
     schnitt“ sind bis zu 50 Käfer zu sehen),                              Straka, U. 2011: persönliche Mitteilung. Universität für Bodenkultur,
 4 = Massenflug (auf einem 1 m² großen „Bildaus-                                 Institut für Zoologie, Gregor-Mendel-Straße 33, 1180 Wien.
     schnitt“ sind mehr als 50 Käfer zu sehen).
 Trotz ihrer Unschärfe ist diese Methode nach Meinung                      Zelger, R. 1996: The population dynamics of the cockchafer in South
 der Autoren praktikabel.                                                         Tyrol since 1980 and the measures applied for control. IOBC
                                                                                  wprs Bulletin, 19(2): 109-113.
                                                                           Zweigelt, F. 1928: Der Maikäfer. Monographien zur angewandten
Literatur                                                                       Entomologie, Beiheft 9 zur Zeitschrift für angewandte Entomo-
Cate, P. C. 2004: Maikäferflüge in Österreich 1949-2000 – erste                 logie, Band 13: 453 S.
      Auswertungen (Coleoptera, Scarabeidae, Melolontha melolontha
      (L.) und M. hippocastani (F.)). Laimburg Journal, 1(2): 146-157.
Faber, W. 1961: Ergebnisse zehnjähriger Erhebungen über die
      Flugjahre des Maikäfers (Melolontha melolontha und
      Melolontha hippocastani) in Österreich. Pflanzen-
      schutzberichte, 27 (1/10): 101-146.
Fröschle, M. 1996: Occurrence of the common cockchafer in the              Dr. Andreas Kahrer und Hermann Hausdorf, Österreichische Agentur für Gesundheit
                                                                           und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Institut für Pflanzengesundheit, Spargelfeld-
      state of Baden-Württemberg/Germany. IOBC wprs Bulletin,
                                                                           straße 191, A-1220 Wien, Tel.: +43-50555 33321, E-Mail: andreas.kahrer@ages.at,
      19(2): 1-4.
                                                                           hermann.hausdorf@ages.at
Keller, S. 2004: Engerlingsvorkommen und Bekämpfung in der                 DI Bernhard Perny und DI Gottfried Steyrer, Waldforschungszentrum BFW, Institut für
       Schweiz. Nachrichtenblatt Deut. Pflanzenschutzdienst,               Waldschutz, Seckendorff-Gudent-Weg 8, A-1131 Wien, Tel.: +43-1-87838 1103,
       56(5): 88-90.                                                       E-Mail: bernhard.perny@bfw.gv.at, gottfried.steyrer@bfw.gv.at

10                                                                                                                 FORSTSCHUTZ AKTUELL 53, 2011
Sie können auch lesen