Mediation mit religiösen Akteuren in Israel-Palästina - Center ...
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CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 281, April 2021 Mediation mit religiösen Akteuren in Israel-Palästina Israelisch-palästinensische Friedensgespräche sind bislang aus zahlreichen Gründen gescheitert. Eine besondere Herausforderung besteht dabei in der Berücksichtigung der Belange religiöser Akteure. Die Zusammenarbeit lokaler Mediatorinnen und Mediatoren mit religiösen Akteuren zeigt verschiedene mögliche Wege auf. Von Simon J. A. Mason Die religiös-säkulare Trennlinie, die den Konflikt zwischen Israelis und Palästinen- sern durchzieht, ist nicht der Hauptgrund für das Stagnieren der israelisch-palästi- nensischen Friedensgespräche. Die Grün- de für das bisherige Scheitern der Gesprä- che sind mannigfaltig, darunter etwa die Machtasymmetrie zwischen Palästinen- sern und Israelis und die Bevorzugung Is- raels durch die USA. Ein weiterer Faktor ist das Fehlen einer für eine Mehrheit von Israelis und Palästinensern akzeptablen ge- meinsamen Zielsetzung für Friedensge- spräche. Dennoch müssen die mit der religiös-säku- laren Trennlinie zusammenhängenden He- rausforderungen angegangen werden. Nicht liberale religiöse Akteure stellen in ihren Gesellschaften eher eine Minderheit Tor zum Tempelberg / Haram al-Sharif. Ammar Awad / Reuters dar. Doch durch Bündnisse mit säkularen, nationalistischen politischen Parteien kann sich ihr Einfluss über ihre Gemeinschaften hinaus ausweiten. An vielen Friedenspro- zessen, besonders denen in den 1990er Jah- Spannungen zwischen der säkular gepräg- Lokale Mediatorinnnen und Mediatoren ren, waren vor allem säkulare Eliten beider ten Palästinensischen Befreiungsorganisa- aus dem israelisch-palästinensischen Kon- Seiten beteiligt. Die Ermordung von Israels tion (PLO) und der islamistisch geprägten text zeigen aufschlussreiche Wege zur Aus- Ministerpräsident Yitzhak Rabin 1995 Hamas zeigt. Ein säkularer palästinensi- einandersetzung mit religiös-politischen durch einen nationalreligiösen israelischen scher Teilnehmer an der informellen Gen- Akteuren, darunter das Ausloten zwischen Juden, der gegen die Oslo-Abkommen war, fer Initiative soll gesagt haben, dass sie die Weltanschauungen und politischen Ent- verstärkte die Kluft zwischen säkularen Imame in die Moscheen stecken, die Türen scheidungen, das visionning sowie das Fo- Linken und religiösen Rechten in Israel. abschliessen und die Schlüssel wegwerfen kussieren auf praktisches Handeln. Im Fol- Auf palästinensischer Seite ist die Kluft werden. Doch Religionsgemeinschaften genden wird versucht, zu einem besseren zwischen säkularen und religiösen politi- können weder zum Schweigen gebracht Verständnis religiös motivierter politischer schen Akteuren ebenso tief, was sich an noch weggesperrt werden. Akteure im israelisch-palästinensischen © 2021 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich 1
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 281, April 2021 aus wirtschaftlichen Gründen, da das Woh- Schweizer Friedensförderung in Israel-Palästina nen dort subventioniert wird. Ultraortho- Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterstützt Friedensför- doxe Rabbiner befinden in der Regel, dass derung in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten, die die legitimen Interessen territoriale Zugeständnisse zulässig sind, sowohl der israelischen als auch der palästinensischen Bevölkerung zu berücksichtigen sucht und das Völkerrecht einhält. In diesem Kontext unterstützt das EDA auch verschiedene lokale um das Leben von Jüdinnen und Juden zu Friedensförderer, die sowohl mit religiös-politischen als auch mit säkularen Akteuren auf beide retten. Die Unverletzlichkeit des Lebens Seiten arbeiten, unter anderem dem Herbert Kelman Institut für Interaktive Konfliktbearbeitung hat also Vorrang vor der Unverletzlichkeit und der Nichtregierungsorganisation Siach Shalom (Frieden sprechen). des Bodens. So kann für einige Rabbiner die Gebietsabtretung religiös legitimiert sein, wenn dies echten Frieden bringt. Im Gegensatz dazu herrscht in der national- Kontext beizutragen und zu untersuchen, gen, Narrativen und politischen Zielen. Es religiösen Perspektive die Idee vor, dass Er- wie lokale Mediatorinnen und Mediatoren ist wichtig, die Nuancen zu verstehen. Eini- lösung durch das politische Handeln von mit ihnen zusammenarbeiten können, um ge davon sind hier, wenn auch nur ober- Menschen (sogar säkularer Jüdinnen und kurzfristige Krisen zu bewältigen und den flächlich, zusammengefasst. Juden, wie beim Aufbau des Staates Israel Boden für längerfristige Friedensperspek- im Jahr 1948) als Teil von Gottes Plan für tiven zu bereiten. Diese Erfahrungen ge- Auf jüdischer Seite die Zukunft der Juden kommt. Religion ben nicht nur Hoffnung auf Frieden in die- Nach den Aufzeichnungen der israelischen und Politik sind miteinander verwoben, wo- sem Umfeld, sondern bieten auch Statistikbehörde (Israel Central Bureau of bei die religiöse Lektüre der Tora zu politi- Erkenntnisse für andere Kontexte. Statistics, ICBS) von 2020 setzt sich die schem Handeln führt. Im Hinblick auf die Bevölkerung Israels (ca. 9,2 Millionen) wie palästinensische Bevölkerung sind die Nati- Die «Anderen» verstehen folgt zusammen: 74 Prozent sind jüdisch, onalreligiösen tendenziell antagonistisch Eine Erkenntnis lokaler Mediatorinnen 21 Prozent sind arabisch/palästinensisch eingestellt: Einige Anhängerinnen und An- und Mediatoren im israelisch-palästinensi- und 5 Prozent gehören zur Kategorie «an- hänger des Rabbiners Abraham Isaak Kook schen Kontext ist, dass man versuchen dere». Jedoch bilden jüdische Israelis keine (1865 – 1935) sehen es als ihre religiöse muss, die Weltanschauungen, und konkre- homogene Gruppe. Von den jüdischen is- Pflicht an, aktiv auf die Schaffung der Vor- teren Bedürfnisse des oder der «Anderen» raelischen Akteuren hat die Weltanschau- aussetzungen für eine vollständige Erlösung zu verstehen und zu respektieren. Eine ungen von zwei Gemeinschaften, den Ult- hinzuarbeiten, etwa durch die Besiedlung mögliche Definition von Weltanschauung raorthodoxen und den Nationalreligiösen, des Landes oder die Schaffung eines jüdi- wäre eine gemeinsame Auffassung der Rea- die beide jeweils rund 12 Prozent der isra- schen Staates. Nationalreligiöse Siedlerin- lität, die das gesellschaftliche und politische elischen Bevölkerung ausmachen, einen nen und Siedler im Westjordanland sind oft Leben im Hinblick auf die wichtigsten Fra- starken Einfluss auf die Politik. Dies aller- auch aus religiösen Gründen dort. Der gen von Leben und Tod bestimmt (siehe dings auf sehr unterschiedliche Weise. Glaube, dass der Dritte Tempel am Tempel- weiterführende Literatur). Kein Akteur ist berg / Haram al-Sharif errichtet werden wird in Fragen von Weltanschauungen neutral, Die Ultraorthodoxen halten sich traditio- (am jetzigen Standort des Felsendoms), be- seien diese religiös – zum Beispiel im Hin- nell aus der nationalen Politik heraus und stimmt die Einstellung vieler Angehöriger blick auf die Halacha (das jüdische Recht) stehen dem Staat kritisch gegenüber. In der nationalreligiösen Gemeinschaft. Einige oder die Scharia (das islamische Recht) – dieser Weltanschauung kommen Erlösung nationalreligiöse Jüdinnen und Juden beten oder säkular – etwa im Hinblick auf Huma- und Frieden durch Gebet, religiöses Studi- deshalb demonstrativ sichtbar auf dem nismus oder Kommunismus. Konfliktbe- um und ein Leben nach den Gesetzen der Tempelberg / Haram al-Sharif, was die pa- wältigung ist in der Regel einfacher, wenn Tora. Politisches Engagement dient in ers- lästinensische Bevölkerung als Provokation die Akteure ähnliche Weltanschauungen ter Linie dem Schutz ihrer abgeschiedenen empfindet. Das Bündnis der Nationalreligi- haben. Akteuren mit unterschiedlichen Lebensweise und ihres charakteristischen ösen mit der jüdischen säkularen Rechten Weltanschauungen fällt es oft schwerer, die Bildungssystems, der Vermeidung von führt dazu, dass sie weit über ihre Gemein- Anliegen der Anderen zu verstehen, und Mischehen, der Bewahrung ihrer Ge- schaft hinaus politischen Einfluss ausüben, die Kriterien für die Einschätzung, ob das schlechterrollen und der sozialen Wohl- besonders in Fragen der Siedlungspolitik. Ergebnis legitim ist, klaffen häufig ausein- fahrt sowie der Vermeidung einer Säkulari- ander. Allerdings müssen Weltanschauun- sierung beim Militärdienst. Ultraorthodoxe Auf palästinensischer Seite gen und ihre Narrative, also sinnstiftende Frauen haben im Durchschnitt sechs Kin- Etwa die Hälfte der palästinensischen Be- Erzählungen, politisches Handeln nicht der. Das bedeutet, dass die Gemeinschaft völkerung lebt als Geflüchtete in Jordanien vorgeben. Zudem ersetzt ein Fokus auf demografisch und potenziell auch politisch und anderen Ländern; von der anderen Weltanschauungen nicht die Notwendig- an Bedeutung gewinnt. Die Ultraorthodo- Hälfte leben – laut Zahlen des ICBS für keit, konkretere wirtschaftliche, politische, xen vertreten keine einheitliche Position in 2020 – rund 2 Millionen in Israel selbst rechtliche und sicherheitsbezogene Anlie- Bezug auf die Palästinenser. Sie vermeiden und – laut Zahlen der palästinensischen gen aller Akteure zu analysieren. Die Ent- es, den Tempelberg / Haram al-Sharif, die Statistikbehörde für 2020 – rund 3 Millio- wicklung eines Verständnisses für Weltan- heiligste Stätte des Judentums, zu betreten, nen im Westjordanland und etwa 2 Millio- schauungen soll vielmehr die Grundlage weil sie glauben, dass der Tempel eines Ta- nen im Gazastreifen. Eine kleine Elite pro- dafür schaffen um zu erkennen, wie diese ges von Gott und nicht von Menschen wie- fitiert dabei vom Status quo, doch die grosse mit konkreteren Fragen interagieren sowie dererrichtet werden muss und der Zutritt Mehrheit der Palästinenserinnen und Pa- zu einer Einschätzung verhelfen, welche bis dahin verboten ist. Wenn sie in den lästinensern wird in allen Lebensbereichen Spielräume es gibt. Gruppen von Akteuren Siedlungen im Westjordanland leben, dann marginalisiert. Sie sind unter anderem in vereinen eine Vielzahl an Weltanschauun- in der Regel nicht aus religiösen, sondern ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und © 2021 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich 2
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 281, April 2021 stehen. Demnach stellt eine volle und aus- Tempelberg / Haram al-Sharif / al-Aqsa Moschee schliessliche politische Souveränität nicht die einzige Lösung für die religiösen Anlie- gen der Akteure dar. Um diese Spielräume auszuloten, müssen Umfelder geschaffen werden, in denen es möglich ist, friedlich unterschiedliche Meinungen anzuhören, auch wenn dies schmerzhaft sein mag. Ein von der Nichtregierungsorganisation Siach Shalom entwickelter Ansatz besteht darin, sich von den Eigenheiten des konkreten Konflikts zu lösen und zu betrachten, was Frieden in der jeweiligen Weltanschauung bedeutet. Dieser Ansatz ist sehr hilfreich, um Gespräche und Interaktionen zu eröff- nen, die unweigerlich auch die Besonder- heiten des Konflikts ansprechen. Vor einem Zusammentreffen mit Akteuren, die andere Weltanschauungen vertreten, sind oft Vor- bereitungstreffen innerhalb der Gruppe notwendig. Visioning stellt zudem einen Weg dar, sich auf ein mögliches gemeinsa- mes Ziel für israelisch-palästinensische Friedensgespräche vorzubereiten. Lokale Mediatorinnen und Mediatoren es fehlt ihnen an Arbeitsplätzen, Bildung sung und die Beendigung der israelischen arbeiten oft in Teams, die aus jüdisch-sä- und Gesundheitsversorgung. Was die Besatzung im Mittelpunkt stehen. Im Ge- kularen, jüdisch-religiösen, palästinen- meisten Palästinenserinnen und Palästi- gensatz dazu wird das Land Palästina in sisch-säkularen und palästinensisch-religi- nenser eint, ist der Kampf um Bürgerrechte einigen Auffassungen islamisch geprägter ösen Akteure bestehen. Dies verbessert ihr in Israel, die Beendigung der israelischen Gruppierungen als eine Art islamischer Verständnis für Akteure mit unterschiedli- Besatzung im Westjordanland, einschliess- Waqf (ein der Stiftung vergleichbares Insti- chen Weltanschauungen und unterstreicht lich Ost-Jerusalems und der Blockade des tut des islamischen Rechts) betrachtet, die auch ihre Unparteilichkeit, Legitimität Gazastreifens sowie die Erlangung der vol- künftigen muslimischen Generationen bis und Akzeptanz. Lokale Mediatorinnen len Selbstbestimmung und das Recht auf zum Jüngsten Tag gewidmet ist. Nach die- und Mediatoren, die mit der anderen Seite Rückkehr. Ausserdem betrachten die Pa- sen Auffassungen kann Land, das Israel der zusammenarbeiten, müssen Vertrauen zu lästinenserinnen und Palästinenser die palästinensischen Bevölkerung entzogen dieser aufbauen und gleichzeitig darauf Verteidigung der al-Aqsa-Moschee, der hat, nicht rechtmässig zu Israel gehören. achten, dass sie aufgrund des Kontakts zur drittheiligsten Stätte des Islam nach Mek- anderen Seite nicht im eigenen Lager als ka und Medina, als eine ihrer nationalen Spielräume ausloten kompromittiert angesehen werden. Aufgaben. Aufgrund ihrer überragenden Auch wenn dies nur eine Minderheit dar- nationalen Bedeutung und ihrer Bedeu- stellt, so betrachten bestimmte Akteure in Multiple Siegesreden tung für Muslime weltweit halten sie es für ihrer Lesart des Judentums und des Islam Eine von lokalen Mediatorinnen und Me- undenkbar, die Moschee in einem Frie- die Kontrolle ihrer jeweiligen Gruppe über diatoren verwendete Methode besteht dar- densabkommen aufzugeben. das Land zwischen Mittelmeer und Jordan in, bei Gesprächen gezielt Abkommen au- als aus religiösen Gründen notwendig – ssen vorzulassen, die einen endgültigen Die Palästinenserinnen und Palästinenser unabhängig von anderen politischen, wirt- Status anstreben und darauf abzielen, den sind keine homogene Gruppe: Sie umfas- schaftlichen oder sicherheitspolitischen Konflikt abschliessend zu beenden, indem sen säkulare Linke, säkular geprägte Natio- Faktoren. Umgekehrt bieten die Religio- von den Parteien explizit den Verzicht auf nalisten wie die Fatah, islamistisch gepräg- nen sämtlicher Akteure auch Konzepte für weitere Ansprüche verlangt wird. Ein sol- te Gruppierungen wie die Hamas und den ein friedliches Nebeneinanderleben. Die ches Ziel kann eine Gegenreaktion unter südlichen und nördlichen Zweig in Israel. jüdische Idee der «Einheit der Gegensät- den religiösen Akteuren hervorrufen, die Der Grossteil der Bevölkerung ist musli- ze» geht zum Beispiel davon aus, dass alle die Befürchtung hegen, dass ihr Wunsch- misch. Unter ihnen gibt es aber auch Menschen – seien sie jüdisch oder arabisch traum durch ein solches Abkommen verun- Christen, Drusen, Juden und Samariter. – Schöpfungen des Göttlichen sind. Ähn- möglicht wird. Eine alternative Idee besteht Die meisten säkularen Palästinenser – die lich sagt Gott im Koran: «Und wahrlich, deshalb darin, auf ein langfristiges (aber auch religiös sein können, was ihre politi- wir haben den Kindern Adams Ehre er- nicht endgültiges) Abkommen hinzuarbei- schen Entscheidungen aber nicht direkt wiesen» (Sure 17:70). ten, das eine friedliche Koexistenz ermög- beeinflusst – berufen sich auf Völkerrecht, licht und die Kernwünsche aller Seiten er- wie die Resolutionen des UN-Sicherheits- Viele lokale Mediatorinnen und Mediato- füllt, aber gleichzeitig auch Raum lässt, rates und auf die Menschenrechte. Daraus ren haben deshalb untersucht, welche damit sich künftige Generationen mit reli- gehen politische Handlungen hervor, bei Spielräume in Fragen religiöser Weltan- giös-politischen Zielen auseinandersetzen denen die Bürgerrechte, die Zweistaatenlö- schauungen und politischen Handelns be- können, die derzeit unvereinbar erscheinen. © 2021 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich 3
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 281, April 2021 Durch die Vermittlungsbemühungen vor solche vom Eidgenössischen Departement Weiterführende Literatur Ort sowie die Beteiligung jordanischer Be- für auswärtige Angelegenheiten (EDA) CARIM (CSS ETH Zürich und EDA), University hörden wurden die Metalldetektoren ent- unterstützte Aktivitäten sind in Infokasten of Vancouver, Seton Hall University, fernt und unauffällige Sicherheitsmassnah- auf der Seite 2 zusammengefasst. Für die Mediating Conflicts between Groups with men weiter entfernt von der heiligen Stätte Bürgerinnen und Bürger der Geberländer Different Worldviews: Approaches and Methods, siehe CSS website. platziert. Die Vermittler, darunter religiöse gilt es zu verstehen, dass Friedensförde- Führer von Mosaica und des Adam Center, rung nicht nur bedeutet, auf ein endgülti- Ofer Zalzberg, «Beyond Liberal Peacema- waren seit vielen Jahren in einer religiösen ges Friedensabkommen hinzuarbeiten, king: Lessons from Israeli-Palestinian Diplomatic Peacemaking», Review of Middle Friedensinitiative engagiert und hatten so- sondern auch kleine Schritte in Richtung East Studies, 53(1), 2019. mit eine starke Vertrauensbasis zur israeli- Frieden zu unterstützen. Diese sind zwar schen Polizei aufgebaut. Eine weitere Ver- unspektakulär, aber notwendig, damit die mittlung war in der letzten Phase derselben betroffenen Bevölkerungen zunächst ein- Krise erforderlich, als die israelischen Be- mal mehr oder weniger friedlich nebenein- hörden planten, das Tor, an dem sich die ander leben können. Ohne diese kleinen Todesfälle ereignet hatten, vorübergehend Schritte können auch die langfristigen Ein Prozess, der zu einem solchen Abkom- geschlossen zu halten, da sie befürchteten, Aussichten auf Frieden sinken. men führt, erfordert eine gemeinsame einige Palästinenser würden dort Siegesfei- Zielsetzung und einen Konsens über die ern abhalten. In der islamischen Weltan- Solange «Frieden» mit Säkularisierung Mindestbedingungen. Eine damit zusam- schauung ist die Moschee als Ganzes hei- gleichgesetzt wird, wird er von einigen reli- menhängende Idee ist, die Präambel eines lig, und dementsprechend verletzte diese giösen Akteuren im israelisch-palästinensi- Friedensabkommens so kompakt zu fassen, Massnahme die Integrität der Moschee. schen Kontext abgelehnt werden. Dies ist dass die verschiedenen Akteure das Ab- An allen Toren begannen sich die Massen die Prämisse für die Arbeit von Siach Sha- kommen auf disparate Weise und somit im zu sammeln. An diesem Punkt drohten die lom. Religiöse Akteure können offen für Einklang mit ihren Weltanschauungen bisher getroffenen Übereinkünfte zu schei- Frieden sein und praktische Schritte hin zu rechtfertigen können. Ofer Zalzberg vom tern; die Gefahr von Unruhen wuchs. Ein einer friedlichen Koexistenz unterstützen, Herbert Kelman Institut schlägt beispiels- palästinensischer Mediator erklärte das solange solche Schritte in ihrer jeweiligen weise vor, bei der Aushandlung eines Ab- Problem einem jüdischen Mediator, der religiösen Weltanschauung sinnvoll erschei- kommens so vorzugehen, dass alle Betei- sich wiederum an einen hochrangigen Be- nen. Solche Bemühungen müssen aber auch ligten den Sieg für sich reklamieren rater des israelischen Ministerpräsidenten in säkularen Weltanschauungen Sinn erge- können: Die Mitglieder der jeweiligen Ge- wandte. Das Tor wurde geöffnet, wobei die ben. Zudem müssen sie die konkreten si- meinschaften müssen in der Lage sein, das muslimischen Behörden sicherstellten, cherheitsbezogenen, wirtschaftlichen, recht Abkommen in deren Weltanschauungen dass am Tor keine Feiern stattfanden. lichen und politischen Bedürfnisse aller Ak- und Narrativen zu verwurzeln (siehe wei- teure berücksichtigen. Andernfalls sind sie terführende Literatur). Solche Vermittlungen in Krisensituationen nicht umsetzbar. Daher ist Raum für einen finden immer wieder statt. Von Juden und Dialog innerhalb der israelischen und der Fokus auf Praktisches Handeln Palästinensern gemeinsam unternommene palästinensischen Gesellschaft ebenso wie Ein weiterer Ansatz besteht darin, sich auf Bemühungen, bei denen die Weltanschau- zwischen diesen Gesellschaften erforderlich, die Bewältigung von Konflikten im Zusam- ungen und Bedürfnisse der jeweiligen der Akteure mit religiösen und säkularen menhang mit alltäglichen Fragen des Zu- Gruppen respektiert werden, tragen dazu Weltanschauungen einbezieht. Lokale Me- sammenlebens zu konzentrieren. Dies war bei, Eskalationen zu vermeiden, und kön- diatorinnen und Mediatoren können res- nach einer Krise im Jahr 2017 der Fall, bei nen mitunter sogar für längerfristige politi- pektvolle Beziehungen zwischen verschie- der, nachdem zwei israelische Polizisten auf sche Veränderungen genutzt werden. denen Gemeinschaften erleichtern und dem Gelände erschossen worden waren, is- Friedensvisionen entwickeln, die in unter- raelische Behörden Metalldetektoren an Raum für Dialog fördern schiedlichen säkularen und religiösen Auf- den Toren zum Tempelberg / Haram al-Sha- Internationale Akteure können eine Rolle fassungen von Realität Sinn ergeben. rif installierten um eine Wiederholungstat bei der Unterstützung lokaler, über Kon- zu verhindern. Dies führte jedoch zu einer fliktgrenzen hinweg arbeitender Mediato- massiven Mobilisierung der palästinensi- rinnen und Mediatoren spielen. Die Zu- Für mehr zu Mediation und Friedensförderung, schen Gläubigen, die diesen Schritt als Ver- sammenarbeit mit Akteuren, die siehe CSS Themenseite. letzung eines islamischen Gebots, wonach möglicherweise sehr unterschiedliche die Kontrolle über die Moschee in muslimi- Weltanschauungen aufweisen, macht auch schen Händen liegen muss, und als Verän- eine Selbstreflexion auf Geberseite erfor- Simon J. A. Mason leitet das Mediation Support derung des historischen Status quo der Stät- derlich. Ebenso erfordert sie den Aufbau Team des Center for Security Studies (CSS) der ETH te betrachteten. Sie weigerten sich daher, die einer Vertrauensbasis mit den lokalen Me- Zürich, wo er sich auch am Programm Culture and Moschee zu betreten, und hielten stattdes- diatorinnen und Mediatoren. Dies nimmt Religion in Mediation (CARIM), eine gemeinsame sen Massengebete vor ihren Toren ab. wiederum Zeit in Anspruch. Beispiele für Initiative des CSS und des EDA beteiligt. Die CSS Analysen zur Sicherheitspolitik werden herausgegeben vom Zuletzt erschienene CSS-Analysen: Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Das CSS ist ein Kompetenz- Jemen als Spielball der Regionalmächte Nr. 280 zentrum für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik. Jeden GSVP-Missionen: Begrenzte Wirkung auf Reformen Nr. 279 Monat erscheinen zwei Analysen auf Deutsch, Französisch und Englisch. Digitale Desinformation: Erkenntnisse aus der Ukraine Nr. 278 Südostasien: Brennpunkt der Grossmachtrivalität Nr. 277 Herausgeber: Fabien Merz China und die nukleare Rüstungskontrolle Nr. 276 Lektorat: Julian Kamasa Tumult im östlichen Mittelmeerraum Nr. 275 Layout und Grafiken: Miriam Dahinden-Ganzoni Feedback und Kommentare: analysen@sipo.gess.ethz.ch © 2021 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich Weitere Ausgaben und Abonnement: www.css.ethz.ch/cssanalysen ISSN: 2296-0236; DOI: 10.3929/ethz-b-000477512 4
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