Müdigkeit - Fatigue - Burn-out bei HIV/Aids - Medizinische Informationen zu HIV und AIDS
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Medizinische Informationen zu HIV und AIDS Ausgabe 61 Dezember 2006 Müdigkeit – Fatigue – Burn-out bei HIV/Aids Zu dieser Ausgabe Müdigkeit ist für viele HIV-Positive eine ständige Begleiterscheinung der Infektion. Dabei kann sie ganz unterschiedliche Ursachen und Ausprä- gungen haben. Oft bewirken die Medikamente eine Abgeschlagenheit, oft sind es aber auch psychische Faktoren, die zu einem Ermattungsge- fühl führen. Die Umstände und Belastungen der HIV-Infektion können auch ein Burn-out-Syndrom hervorrufen. Diese Broschüre gibt einen Überblick über die vielfaltigen Ursachen von Müdigkeit, deren Behand- lungsmöglichkeiten sowie Tipps zur Selbsthilfe.
2 Einleitung Müdigkeit beschreibt im allgemeinen einen Zu- gen Erkrankungen vor. In der HIV-Sprechstunde stand reduzierter oder fehlender Wachheit. Es ist Müdigkeit ein Dauerbrenner: Viele Patienten besteht der Drang, sich zurückzuziehen, abzu- berichten über wiederkehrende Phasen starker schalten, nicht zuzuhören, die Augen zu schlie- Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Natürlich kann ßen. Jeder Mensch kennt diesen Zustand, hat ihn die chronische HIV-Infektion selbst und die damit wiederholt bei sich festgestellt. Und doch können einhergehende Verschlechterung des Immunsys- sich hinter dem Begriff „Müdigkeit“ sehr unter- tems zu ständiger Müdigkeit führen. In bestimm- schiedliche Ursachen, Störungen oder Krankhei- ten Fällen war die Müdigkeit der Grund, sich ei- ten verbergen.. nem HIV- Test zu unterziehen. Grundsätzlich kennt jeder Mensch Müdigkeit als Folge von Schlafdefizit oder übermäßiger Ar- Für Menschen, die HIV-Medikamente einneh- beitsanstrengung (sowohl bei körperlichen als men, kann Müdigkeit ein Grund für mangelnde auch bei geistig anstrengenden Arbeiten). Wer Therapietreue sein. In einer Untersuchung gaben war am Morgen nach einer durchzechten Nacht mehr als ein Viertel der Befragten an, dass Mü- mit entsprechendem Schlafdefizit nicht schon digkeit nach Medikamenteneinnahme für sie mit schlecht gelaunt, weil einen der gewohnte Alltag ein Grund war, die Medikamente nicht oder nicht wieder erwartete. Diese Form der Müdigkeit lässt regelmäßig einzunehmen. sich in der Regel eindeutig als akutes Symptom einer fehlenden Ruhe- oder Schlafphase feststel- len – und folglich beheben. Man spricht hier von sogenannter nicht-organischer Müdigkeit. Anders zu bewerten ist chronische oder ständig wiederkehrende Müdigkeit. Hält dieser Zustand über Wochen an, so führt er zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität. Chronische Müdigkeit und Abgeschlagenheit hat jedoch viele verschiedene Ursachen und kommt in der Regel bei chronischen bzw. bei behandlungsbedürfti- Abbildung 1: Gründe für fehlerhafte Einnahmen der HIV-Medikamente (nach Munk 1998)
3 Müdigkeit hat viele Ursachen In den seltensten Fällen hat Müdigkeit nur eine Abbildung 2 stellt einige Einflussfaktoren und einzige Ursache. Oft entsteht sie durch das Zu- mögliche Ursachen von Müdigkeit dar, die im fol- sammenspiel verschiedener Faktoren. genden Text näher beschrieben werden. Abbildung 2: Ursachen von Müdigkeit im Kontext von HIV/Aids Was bedeutet Fatigue? Der Begriff Fatigue (französisch: Müdigkeit, Er- Davon abzugrenzen ist das „Chronischen Mü- schöpfung) wird in Deutschland im medizinischen digkeitssyndrom“ oder auch „chronic fatigue Sprachgebrauch uneinheitlich verwandt. Im Allge- syndrome“ (CFS). Dieses Syndrom umfasst in meinen hat sich das Fatigue-Syndrom als Bezeich- seiner Definition neben Müdigkeit, körperlicher nung für chronische Müdigkeit bei Krebserkran- Abgeschlagenheit oder schneller Ermüdung auch kungen durchgesetzt. Inzwischen wird mit Fatigue körperliche Symptome wie Muskel-, Gelenk-, auch die Erschöpfungssymptomatik bei anderen Hals- oder Kopfschmerzen. Darüber hinaus kön- schweren chronischen Erkrankungen bezeichnet: nen auch Schlafstörungen und allgemeine psy- Herz- und Lungen-Erkrankungen, Rheuma, Mul- chische Befindlichkeitsstörungen auftreten. Ge- tiple Sklerose, Morbus Crohn (chronisch-entzünd- legentlich leiden Patienten unter Nachtschweiß, liche Darmerkrankung), und eben bei chronischer Bauchschmerzen, schnellem Puls mit mehr als HIV-Erkrankung/Aids. 100 Schlägen pro Minute, Hautausschlägen und unklarem Gewichtsverlust.
4 Das CFS ist dann anzunehmen, wenn die Ermü- schulischer, beruflicher, sozialer und privater Ak- dungserscheinungen eindeutig klinisch feststell- tivität führen. bar sind und sich auch nach längeren Ruhepausen (zum Beispiel etwa 24 Stunden nach anstrengen- Bei der HIV-Infektion ist das CFS allerdings aus- der Arbeit) nicht bessern. Zudem ist von einem zuschließen, da die HIV-Erkrankung einige der CFS erst auszugehen, wenn mindestens vier genannten Beschwerden auslösen kann. Diese der aufgeführten Beschwerden anhaltend oder erklären sich dann aber durch HIV und nicht wiederkehrend über mindestens sechs Monate durch CFS. bestehen und zu einer wesentlichen Minderung Was versteht man unter chronischer Müdigkeit bei chronischen Erkrankungen? Die HIV-Infektion selbst kann zu eingeschränktem Müdigkeit ist zudem zu erwarten bei endokrinen Leistungsvermögen und chronischer Müdigkeit Störungen und Hormonstörungen, z.B. Krankhei- führen. Die Müdigkeit ist vor allem dann auf die ten der Schilddrüse oder der Nebenniere. Eine bestehende HIV-Infektion zurückzuführen, wenn Hausstauballergie kann ebenso zu Müdigkeit seit längerem niedrige Helferzellen und eine hohe führen wie die Unverträglichkeit von Histamin, Viruslast im Blut vorliegen. das in einigen Lebensmitteln wie Wein oder Käse vorkommt. Generell sollte bei chronischer Müdig- Andere chronische Erkrankungen, besonders eine keit an Allergien gedacht werden. Bei Menschen, chronische Hepatitis B oder C, haben als zentra- die im Schlaf schnarchen und morgens schon les Kennzeichen chronische Müdigkeit und Abge- müde aufwachen, kann ein Schlafapnoe-Syndrom schlagenheit zur Folge. Ein schlecht eingestellter (Atempausen während des Schlafes) die Ursache Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) kann eine sein. mögliche Ursache sein. Was fehlt bei Mangelzuständen? Auch Mangelzustände können der Grund für eine Natrium) kann durchaus zu Schwächezuständen andauernde Müdigkeit sein. So kann sich zum Bei- führen. Daher sollte bei lang andauernden Durch- spiel ein chronischer Eisenmangel (oft bei Frauen fällen zumindest immer auf eine gute Flüssigkeits- durch den Blutverlust der Menstruation) oder aufnahme geachtet werden, um den Verlust von aber ein Testosteronmangel dahinter verbergen. Wasser und Salzen auszugleichen. Ebenso kann eine Unterfunktion der Schilddrüse zu Schwäche und Müdigkeit führen. Vitaminman- Besteht seit längerem eine aus eigener Sicht nicht gel ist hier in Deutschland ausgesprochen selten erklärliche Müdigkeit, sollte immer der Arzt auf- und nur bei längerer Fehl- oder Mangelernäh- gesucht werden. rung möglich. Auch ein Defizit an Salzen (Kalium,
5 Welchen Einfluss haben Lebens- gewohnheiten und Lebensstil? Rauchen und Alkoholkonsum können ebenfalls zu Der Wert des eigenen Gamma-GT (Leberenzym) erhöhter Müdigkeit führen. Nikotin verengt die kann Aufschluss über die Belastung der Leber Gefäße und reduziert dadurch die Durchblutung geben. der Organe. Außerdem erhöht sich der Kohlen- monoxid-Gehalt des Blutes. Beide Faktoren redu- Bewegungsmangel und fehlende sportliche Be- zieren das Sauerstoffangebot und sind damit Ur- tätigung können ebenfalls zu chronischer Abge- sachen für chronische Müdigkeit. Starke Raucher schlagenheit führen. Während der sportiv Tätige tendieren deshalb oft zu chronischer Müdigkeit. nach seiner Leistungseinheit angenehm (!) ermat- tet in den Sessel sinkt, haftet bei chronischem Be- Der regelmäßige Konsum von Alkohol kann eben- wegungsmangel der Müdigkeit etwas „Klebriges, falls für Müdigkeit verantwortlich sein, indem er Bleiernes“ an. direkt das Leistungsvermögen einschränkt. Au- ßerdem führen alle chronischen Belastungen der Auch Arbeiten in überheizten Räumen und stun- Leber zu Müdigkeit, also auch regelmäßiger Al- denlanges Arbeiten am Computer führen zu deut- koholkonsum licher Abnahme der Konzentration, Erschöpfung und Müdigkeit. Wer regelmäßig Schlafmittel zu sich nimmt, sollte mit seinem Arzt über eine mögliche Überdosie- In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, ein- rung sprechen, wenn er morgens schwer aus dem mal den eigenen Tagesablauf zu analysieren. Be- Bett kommt und tagsüber weniger leistungsfähig stehen genügend Pausen (auch 5-Minuten-Pau- ist. Es kann sich dabei um das Phänomen eines sen können sehr erholsam sein!), in denen man „hangover“ handeln, also eines verzögerten Ab- abschalten kann? Stehe ich unter permanentem baus von Schlafmitteln. Zeitdruck? Habe ich zu lange Arbeitseinheiten ge- wählt? Habe ich monotone Arbeitsschritte? Drogen aller Art können entweder direkt oder indirekt zu Müdigkeit führen. Gerade in der „Ab- Um etwas verändern zu können, müssen auch klingphase“ von stimulierenden (Party)-Drogen Stressfaktoren im Privat- wie Berufsleben erkannt holt sich der Körper das zurück, was er schmerz- werden . (nähere Infos hierzu in: MED-INFO-Bro- lich vermissen musste: den Schlaf. schüre „Stress, Stressbewältigung und HIV“) Welchen Einfluss haben Depressionen? Chronische Müdigkeit kann ein Zeichen depres- schwerden, Traurigkeitsgefühle, Zukunftsängste, siver Verstimmung oder Entwicklung sein. Häufig Schlafstörungen, aber auch innerer Unruhe. geht Müdigkeit einher mit anderen Symptomen: generelles Desinteresse, fehlende Freude, Ap- (nähere Infos hierzu in: MED-INFO-Broschüre petitlosigkeit, Gewichtsverlust, Oberbauchbe- „Depressionen“).
6 Welchen Einfluss haben Medikamente? Abgeschlagenheit und Müdigkeit gehören zu den die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit häufigsten Nebenwirkungen der HIV-Therapie. Einfluss haben kann. Umgekehrt berichten Men- Grundsätzlich kann jede Kombination – zumin- schen mit HIV/Aids immer wieder, dass in den dest phasenweise – Müdigkeit hervorrufen. Bei ersten vier bis acht Wochen nach Beginn einer Retrovir kommt es zu Beginn der Therapie häufig HIV-Therapie sie sich deutlich wacher und leis- zu Müdigkeit, aber auch im weiteren Therapiever- tungsfähiger fühlen. Hier war die körperliche Ab- lauf kann gerade diese Substanz dadurch unange- geschlagenheit und Müdigkeit durch HIV bedingt nehm auffallen. Gelegentlich berichten Patienten und dann erfolgreich behandelt worden. beim Wechsel von Retrovir zu einem anderen Me- dikament aus der Klasse der NRTI, dass sie sich Müdigkeit und Abgeschlagenheit gehören gene- wesentlich wacher fühlen. Unter Zerit und/oder rell zu den am häufigsten beschriebenen Neben- Videx kommt es gelegentlich zu einer Übersäue- wirkungen unter Einnahme von Medikamenten, rung des Blutes durch Milchsäure (Laktatazidose). besonders bei Mitteln gegen erhöhten Blutdruck Neben Muskelschmerzen und Muskelschwäche, (v.a. Betablocker), Antidepressiva, Medikamenten Brechreiz und Erbrechen ist hier vor allem mit Mü- zur Behandlung von Psychosen und Angstzustän- digkeit zu rechnen. Auch bei den Medikamenten den (Neuroleptika) (auch Gabapentin). Viramune und Sustiva wird häufig über Müdigkeit berichtet. Eine besondere Situation liegt vor, wenn neben einer HIV-Therapie noch andere Medikamente Jedes HIV-Medikament kann individuell zu Mü- eingenommen werden müssen, die ebenfalls Mü- digkeit führen. Zudem muss grundsätzlich davon digkeit hervorrufen. In diesem Fall können sich ausgegangen werden, dass die kontinuierliche die Effekte gegenseitig verstärken. Einnahme einer HIV- Kombinationstherapie auf Was kann ich gegen Müdigkeit tun? Grundsätzlich gilt es bei rascher Ermüdbarkeit, • höhere Umgebungstemperaturen als 20 Grad wiederkehrender oder chronischer Müdigkeit, Celsius vermeiden den Arzt aufzusuchen und den Grund dafür he- • zwischendurch bewusst an der frischen Luft rauszufinden. bewegen (Spazieren, Wandern, Gymnastik, leichte Gartenarbeit) Die sogenannte nicht-organische Müdigkeit ist • beim Duschen am Schluss kalten Guss, gege- ein Symptom, das auf ein Defizit von Schlaf bzw. benenfalls Wechselduschen (heiß/kühl) Ruhepausen hinweist. Hier ist eine kritische Be- • auf gleichbleibende Tagesrhythmik achten! standsaufnahme des eigenen Lebensrhythmus • immer auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Tagesablaufs nötig. achten • auf üppige Mahlzeiten verzichten Prinzipiell haben sich folgende einfache Maßnah- • Beruhigungsmittel und Alkohol vermeiden men als hilfreich bewährt: • den Konsum von kurzfristigen Muntermachern (Kaffee, Tee, Schokolade) einschränken • sich ausreichend Schlaf genehmigen (individu- • bewusst kurze Pausen in einem längeren Ar- ell ca. 6 – 8 Stunden) beitsprozess einlegen, z.B. fünf Minuten pro • gegebenenfalls. ein „Mittagsschläfchen“ Stunde bei Computerarbeit (20 – 40 Minuten) • Entspannungsverfahren, z.B. Autogenes Trai- • nicht zu lange schlafen ning, Meditation • Wohnräume und Arbeitsräume regelmäßig lüften
7 Welche Auswirkungen haben HIV/ Aids auf die psychische Situation? Die Auseinandersetzung mit der eigenen HIV-In- Wer arbeitslos ist, findet sich oft zwischen den fektion bzw. -Erkrankung fordert vom Betroffenen Mühlen der Behörden und Ämter wieder. Bei einiges. Immerhin handelt es sich um eine chro- anerkannter Schwerbehinderung infolge einer nische und bisher nicht heilbare Erkrankung. Die HIV-Erkrankung ergeben sich eingeschränk- Behandlungsmöglichkeiten sind heute sehr gut, te Möglichkeiten bei der Stellenvermittlung. wenngleich dafür regelmäßig täglich und nach Umschulungsbestrebungen des Einzelnen wer- heutigem Wissenstand lebenslang Medikamente den dann nicht mehr gebührend unterstützt. eingenommen werden müssen. In der Regel be- Andererseits ist heute ein erheblich höherer steht die Therapie aus mehreren Medikamenten Erklärungsaufwand nötig, damit der Rentenver- (Kombinationstherapie). Im einzelnen können sicherungsträger eine vollständige Erwerbsun- die Anzahl der Tabletten/Kapseln, die Häufigkeit fähigkeit anerkennt. In besonders gravierenden der Einnahme, aber auch die Nebenwirkungen Fällen langjähriger Arbeitslosigkeit bei jungen der HIV-Medikamente, die Wechselwirkungen Menschen mit HIV/Aids fühlen sich Betroffene untereinander wie auch mit anderen Substanzen zwischen Agentur für Arbeit, Sozialamt und Ren- Herausforderungen darstellen. Die Tatsache, tenversicherungsträger „hin- und hergeschoben“, lebenslang Medikamente nehmen zu müssen, wobei der Medizinische Dienst der jeweiligen In- kann ermüdend sein. Außerdem können Ängste stitution durchaus zu kontroversen Auffassungen auftreten bezüglich möglicher therapiebedingter und Einschätzungen kommen kann. Dies ließ in Nebenwirkungen oder Entstellungen (Lipodystro- der Sprechstunde einen „Amts-geschädigten“ phie). Patienten formulieren: „Ich bin es so müde und so leid, von Hinz zu Kunz geschickt zu werden, Der Beginn der HIV-Therapie bedeutet, dass das mich ständig erklären zu müssen.“ Einerseits wird Immunsystem Unterstützung braucht. Dies allein HIV/Aids in der Medizin und der Sozialbürokratie führt bei manchen dazu, sich noch kränker zu füh- als behandelbare Erkrankung „normalisiert“. An- len. Ängste wie nach dem positiven Testergebnis dererseits gilt die Infektion bei Versicherungen oft kommen wieder auf. als Ausschlusskriterium (zum Beispiel bei Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen). Diese Gerade bei HIV/Aids erleben viele eine frühe Diskrepanzen zwischen so genannter „Normali- Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens. tät“ und „Sonderstatus“ empfinden viele Positive Dies kann zu Blockaden führen, sein Leben zu als anstrengend und zermürbend. planen und die eigenen bisherigen Ziele weiter zu verfolgen. Ängste vor dem Verlust der Selbst- HIV-positive Frauen werden bei der Bewältigung ständigkeit oder vor Stigmatisierung und Isolie- ihrer HIV-Infektion oft mit anderen Bedingungen rung können das Denken und Handeln negativ und Problemen konfrontiert als schwule Männer. bestimmen. Zum einen gibt es nicht die ausgeprägten Netz- werke, auf die schwule Männer zurückgreifen Die Situation von HIV-Positiven hat sich besonders können. Zum anderen wird (auch heute noch) medizinisch gesehen in den letzten Jahren erheb- eine positive Frau von ihrem sozialen Umfeld an- lich verbessert. Dennoch haben viele Positive bei ders wahrgenommen als ein positiver (schwuler) den Themen Partnerschaft und Sexualität auch Mann. Mehrfachbelastungen durch die Versor- heute noch große Schwierigkeiten. Aus Angst vor gung der Familie (oft ohne Partner), Geheimhal- Ablehnung verheimlichen daher viele ihren positi- ten der Infektion (wenn Kinder vorhanden sind, ven HIV-Status oder sind bemüht, ausschliesslich auch um diese zu schützen) und wenige bis keine ebenfalls positive (Sex-) Partner zu finden. Beide Austauschmöglichkeiten kennzeichnen häufig die Strategien können aber auch zu einer außerge- Situation von positiven Frauen. Diese Faktoren wöhnlichen Belastung und Einengung führen. führen oft zu Rückzug vom sozialen Umfeld, Isola- tion und hoher psychischer Belastung.
8 Gibt es ein HIV-bedingtes Burn-out? Als Burn-out (aus dem englischen: ausgebrannt Veränderungen bekommen. Begleitend kann der sein) bezeichnet man einen tiefgreifenden Er- Einsatz eines Antidepressivums förderlich sein. schöpfungszustand als Folge hoher und/oder lang dauernder psychischer Überbeanspruchung. Dies Gesundheitstraining ist verbunden mit der Unfähigkeit, Reize und Ein- flüsse aus der Umgebung angemessen verarbei- Ein sinnvoller Ansatz kann darin bestehen, ein so- ten zu können. Anders ausgedrückt: Ein über Wo- genanntes Gesundheitstraining zu besuchen. Im chen oder Monate anhaltender Druck und Stress Kreis von anderen HIV-positiven Menschen lassen führt zu einer Erschöpfung, und der Betroffene sich gut eigene Erfahrungen und Probleme be- findet selbst keine Lösung zur Wiederherstellung sprechen. Es geht darum, eine individuell ange- eines inneren seelischen Gleichgewichts oder ei- messene Einstellung zur eigenen Erkrankung und nes Zustands relativer Zufriedenheit. Es kommt zu zum geeigneten Umgang mit ihr zu entwickeln. einem Gefühl von Hilf- und Perspektivlosigkeit. Ein Gesundheitstraining kann das Selbstmanage- ment fördern und helfen, eigene Kompetenzen Für den Arzt ist es oft Schwierig zu entscheiden, hierfür zu entwickeln bzw. zu aktivieren. Hilfreich ob es sich um einen Burn-out oder eine Depressi- ist es, die Selbstwahrnehmung zu sensibilisieren on handelt. Etwa in der Hälfte der Fälle kann bei und Hilfen zur Bewältigung des Alltagslebens zu Burn-out eine begleitende depressive Verstim- bekommen. mung eindeutig festgestellt werden. Siehe auch: Burn-out ist gekennzeichnet durch sowohl psy- www.gesundheitstraining.de chische als auch körperliche Symptome, es hat also Einfluss auf Gedanken, Gefühle , körperliche Funktionen und das Verhalten. Zu den häufigsten Zeichen gehören: • Erschöpfungsgefühl, Müdigkeit, Antriebsarmut • nachlassende Belastbarkeit, schnelle Ermüd- barkeit • Gefühl der emotionalen Leere und Starrheit • fehlendes Einfühlungsvermögen für die Be- dürfnisse Anderer • starke Frustration/Gereiztheit • herabgesetzte Konzentration, Kurzzeitge- dächtnis • Angstgefühle • vermindertes Interesse an Sex • Schlafstörungen • Nervosität und Anspannung • diffuse Schmerzen und Muskelverspannungen, auch Kopfschmerzen Hier ist es angezeigt, sich fachliche Hilfe zu ho- len. Als besonders erfolgversprechend haben sich verhaltenstherapeutische und psychodynamische Therapieverfahren erwiesen. Empfehlenswert sind Gruppentherapien, bei der der Einzelne emotio- nale Unterstützung durch die Gruppe erfährt. Die Situation wird von den anderen verstanden und man kann möglicherweise wertvolle Tipps für
9 Was kann jeder für sich selbst tun? Es haben sich einige Tipps als hilfreich und unter- Vergiss nicht: stützend erwiesen, die jeder eigentlich kennt: • Tagebuch führen, um die Selbstwahrnehmung • Du bist zuerst einmal für Dich zuständig und zu verbessern Dir gegenüber verantwortlich! • mittel- und langfristige Ziele formulieren • bewusst positive Erlebnisse und Aktivitäten in • Nimm Dich ernst in Deinen Bedürfnissen, den Alltag einbauen, sich regelmäßig beloh- grenze Dich gegenüber dem ab, von dem nen Du merkst, dass es Dir nicht gut tut! • neue soziale Kontakte aufbauen (Verein, Eh- renamt) • Lass Dein Bedürfnis nicht zu Deiner • ein Hobby suchen oder reaktivieren Bedürftigkeit werden! • Entspannungsverfahren lernen (Yoga, Auto- genes Training, Meditation, Atemtherapie, Und ganz wichtig: Progressive Muskelrelaxation) • Entschleunige Dein Leben! • auf eine gute Ernährung achten • auf ein gutes Verhältnis von Schlaf/Ruhepau- sen und andererseits Aktivitäten/sportlicher Betätigung achten „Es ist nicht nur die Frage, wie alt wir werden, sondern wie wir alt werden!“ (Prof. Ursula Lehr, ehemalige Bundesgesundheitsministerin)
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12 IMPRESSUM Bestellnummer dieser Ausgabe: 140061 MED-INFO, Medizinische Informationenzu HIV und AIDS Folgende Ausgaben der MED-INFO-Reihe sind aktuell: herausgegeben von der Nr. 32: PCP AIDS-Hilfe Köln e.V. Nr. 33: Toxoplasmose Beethovenstraße 1 Tel.: 0221 / 20 20 30 Nr. 34: Kaposi-Sarkom Nr. 35: Zytomegalie (CMV) in Zusammenarbeit mit der Deutschen AIDS-Hilfe Berlin e.V. Nr. 36: Therapiepausen Nr. 37: Lymphome (Bestellnummer: 140001) Text: Nr. 38: Sexuelle Störungen (Bestellnummer: 140002) Dr. med. Christoph Mayr MVZ Ärzteforum Seestrasse Berlin Nr. 39: Resistenzen (Bestellnummer: 140003) Nr. 40: Magen-Darm-Beschwerden Grafik: (Bestellnummer: 140004) Neuauflage 2004! CHECK UP, Köln Nr. 41: Haut und HIV (Bestellnummer: 140005) Nr. 42: Feigwarzen, HPV und AIDS REDAKTIONSGRUPPE (Bestellnummer: 140007) Nr. 43: HIV-Therapie (Bestellnummer: 140010) Leitung: Nr. 44: HIV und Hepatitis B (Bestellnummer: 140009) Carlos Stemmerich Nr. 45: Fettstoffwechselstörungen Ehrenamtliche Mitarbeit: (Bestellnummer: 140011) Andrea Czekanski Nr. 46: HIV und Depressionen (Bestellnummer: 140012) Daniela Kleiner Rebecca Poage Nr. 47: Neurologische Erkrankungen Christine Schilha (Bestellnummer: 140013) Nr. 48: Lipodystrophie (Bestellnummer: 140014) V.i.S.d.P.: Carlos Stemmerich Nr. 49: Medikamentenstudien (Bestellnummer: 140015) Nr. 50: Laborwerte (Bestellnummer: 140016) Nr. 51: HIV und Hepatitis C (Bestellnummer: 140017) Gesamtherstellung: Nr. 52: HIV und Niere (Bestellnummer: 140018) Prima Print, Köln Nr. 53: Compliance – Umgang mit der HIV-Therapie Auflage: (Bestellnummer: 140019) 4000 Nr. 54: HIV und Reisen (Bestellnummer 140020) Nr. 55: HIV und Immunsystem (Bestellnummer 140055) Nr. 56: Wechselwirkungen der HIV-Therapie mit freiver- Hinweis: käuflichen Medikamenten (Bestellnummer 140056) Das MED-INFO Nr. 57: HIV und Kopfschmerz (Bestellnummer 140057) ist bei der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. zu bestellen Nr. 58: Stress und Stressbewältigung bei HIV Tel: 030 / 69 00 87-0 (Bestellnummer 140058) Fax: 030 / 69 00 87-42 www.Aidshilfe.de Nr. 59: Mund, Rachen, Zähne und HIV (Bestellnummer 140059) Nr. 60: Therapiepausen (Bestellnummer 140060) Nr. 61: Müdigkeit, Fatigue, Burnout bei HIV/Aids Das MED-INFO dient der persönlichen Information (Bestellnummer 140061) und ersetzt nicht das Gespräch mit einem Arzt des Vertrauens. Geschützte Warennamen, Warenzeichen sind aus Gründen der besseren Lesbarkeit nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Alle MED-INFO-Broschüren sind auf der Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Wie jede Wissenschaft neuen Homepage: ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Alle Angaben in dieser Ausgabe entsprechen dem www.HIV-MED-INFO.de Wissensstand bei Fertigstellung des Heftes. einzusehen und als PDF-Datei zu laden.
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