Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau - Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau - Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik
Mehr Bauland für bezahlbaren
Wohnungsbau
Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik
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Impressum

Herausgeber

Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
Littenstr. 10 | 10179 Berlin | T: +49 (0)30 20613250 | info@deutscher-verband.org
www.deutscher-verband.org

für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
und Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt
für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Rahmen des ExWoSt-Projektes „Be-
treuung der Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik, fachliche Gesamtkoordi-
nation und Aufbereitung liegenschaftspolitischer Instrumente und Strategien“

Projektkonzeption und -begleitung
Einbindung in das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Nicola Müller

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für
Bauwesen und Raumordnung (BBR)
Mathias Metzmacher

Bearbeitung
Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
Jens Freudenberg
Christian Huttenloher

Gestaltung/Satz
VorSprung Design & Kommunikation
www.werbe-vorsprung.de

Druck/Herstellung
Spree Druck Berlin GmbH
www.spreedruck.de

Bildnachweis
Angaben direkt an den Fotos

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Alle Rechte vorbehalten

Stand Dezember 2016
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Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik
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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                      Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

Vorwort
In vielen städtischen Ballungsräumen ist durch anhaltenden Bevölkerungszuzug die Nachfrage nach
Wohnungen größer als das Angebot: Mieten und Kaufpreise steigen. Die Engpässe auf den Wohnungs-
märkten führen auch zu der Frage, wie das Baulandangebot ausgeweitet und vorhandenes Bauland
mobilisiert werden kann. Denn dies ist neben den Baukosten eine maßgebliche Stellschraube für be-
zahlbaren Wohnraum. Normalerweise macht das Bauland bis zu einem Fünftel der Gesamtkosten für
den Wohnungsneubau aus – in den Hochpreisregionen ist dieser Anteil mittlerweile auf mehr als das
Doppelte gestiegen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, das kommunale Engagement in der Bauland-
bereitstellung zu stärken.

Um bezahlbare Wohnungen zu schaffen und die städtebauliche Qualität zu sichern, sind kommunale
Baulandstrategien notwendig. Das Städtebaurecht bietet eine Vielzahl an geeigneten Instrumenten für
die Baulandentwicklung. Die Instrumente müssen gebündelt und transparente, effiziente Strukturen
innerhalb der Verwaltungen verankert werden. Dazu legen immer mehr Städte in kommunalen Bauland-
beschlüssen ihre Strategie fest. Dies ermöglicht es Kommunen, die Schaffung und Mobilisierung von
Baurecht mit stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Zielen zu verknüpfen: Es werden bestimmte
Flächenanteile für preisgünstigen und geförderten Wohnungsbau oder für die Eigentumsbildung von
Haushalten mittleren Einkommens vorgesehen. Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölke-
rungsgruppen zu schaffen. Dafür müssen mehr Kommunen mehr Bauland in eigener Verantwortung
entwickeln, um Baulandpotenziale zu schaffen und zu aktivieren. Mit einer strategischen Bodenvor-
ratspolitik sowie kommunalem Zwischenerwerb können bedarfsgerecht neue Flächen an den Markt
gebracht werden.

Baulandpolitik wird in den Kommunen gemacht. Dennoch leisten auch Bund und Länder einen Beitrag,
indem sie etwa ihre Liegenschaften für bezahlbaren Wohnraum einsetzen. Bundes- und Landespolitik
kann darüber hinaus vor allem mit planungs-, bau- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen die
Schaffung von mehr Bauland entscheidend unterstützen.

Mit dieser Dokumentation möchten wir die in der Arbeitsgruppe Aktive Liegenschaftspolitik im Bündnis
für bezahlbares Wohnen und Bauen erörterten Handlungsmöglichkeiten zur Schaffung von Bauland
aufzeigen. Dafür haben wir aus der Vielzahl guter Beispiele aus der kommunalen Praxis einige Verfah-
ren ausgewählt. Es ist uns ein Anliegen, bei Praktikern und Entscheidern für eine aktive Baulandpolitik
zu werben.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.

Dr. Josef Meyer
Vizepräsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.

                                                                                                                  [3]
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Inhalt
      Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

      Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

      Wohnungsbau-Offensive – das 10-Punkte-Programm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

      Teil 1 – Handlungsfelder kommunaler Baulandpolitik .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10
          Grundstückserwerb und Handlungsmöglichkeiten auf kommunalen Grundstücken . . . . . . . . . . . . 11
          Kommunale Handlungsmöglichkeiten auf privaten Grundstücken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
          Baulandstrategien als Grundlage für die Baulandentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

      Instrumente zur Baulandentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
          Baulandumlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
          Vorhabenbezogener Zwischenerwerb zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum. . . . . . . . . 17
          Zwischenerwerb als Instrument der Bodenvorratspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
          Zuführung des Baulandes zur vorgesehenen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
          Städtebauliche Verträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
          Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

      Einordnung und Bewertung der vorgestellten Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
          Umsetzung kooperativer Baulandmodelle durch städtebauliche Verträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
          Grenzen von kooperativen Baulandmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
          Ausgestaltung und Umsetzung von Zwischenerwerbsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
          Entwicklungsträgermodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

      Teil 2 – Liegenschaftspolitische Instrumente in der Praxis.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 27

      Münster            Münsteraner Modell der sozialgerechten Bodennutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

      Köln		             Baulandstrategien zur Entwicklung verschiedener Marktsegmente
      			                am Beispiel des Clouth-Quartiers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

      Hamburg            Konzeptausschreibungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
      Ulm		              Ulmer Bodenvorratspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

      Offenburg          Verfahrensmanagement am Beispiel des Offenburger Baulandmodells. . . . . . . . . . . . . . 52

      Berlin             Direktvergabe als Sachwerteinlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

      Stuttgart          Stuttgarter Innenentwicklungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

      Düsseldorf Quotierungsregelungen für preisgedämpften Wohnungsbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

      Heidelberg Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Bahnstadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                                                   Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

Teil 3 – Ausblick: Bedeutungszuwachs aktiver Baulandpolitik und
Ergänzung des vorhandenen Instrumentariums zur Innenentwicklung.  .  .  .  .  . 78

Weiterentwicklung der Instrumente zur Stärkung der Innenentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Stärkung der Innenentwicklung durch Anpassung des Bauplanungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Vermehrte Anwendung eines qualifizierten Innenentwicklungsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Prüfung einer „Innenentwicklungsmaßnahme“ als zusätzliches Instrument des Boden-
und Städtebaurechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Weitere Handlungsmöglichkeiten zur Stärkung der Innenentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Verbilligte Abgabe von Bundesliegenschaften über die BImA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

                                                                                   „Wenn Kommunen in diesem wichtigen Feld
                                                                                   der Stadtentwicklung nicht selbst maßgeblich
                                                                                   liegenschaftlich am Markt agieren, werden
                                                                                   das Andere tun.“

                                                                                   Andreas Nienaber, Stadt Münster

                                                                                                                                                                [5]
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Einführung

      Einführung                                            Ein wesentliches Potential für den Wohnungsbau
                                                            liegt in der Aktivierung von Innenentwicklungs-
      Das Wohnungsangebot ist derzeit in vielen Städ-       potentialen. Die Innenentwicklung vermeidet die
      ten viel zu gering. Mehr Wohnungsneubau, vor          Nutzung zusätzlicher Flächen im Außenbereich
      allem bezahlbarer, ist unverzichtbar. Trotz relativ   und leistet einen wichtigen Beitrag zum Errei-
      hoher Baukosten bestehen ein hohes Interesse          chen des 30-ha-Ziels.
      und eine hohe Bereitschaft von unterschied-
      lichen Investorengruppen, das Wohnungsan-             Es gilt also, verschiedene Instrumente sinnvoll
      gebot durch mehr Neubau auszuweiten. Im-              zu kombinieren und für die Ziele der Stadtent-
      mer wieder erweist sich dabei der Mangel an           wicklungs- und Wohnungspolitik einzusetzen.
      Bauland, sowohl hinsichtlich seiner generellen        Eine ganze Reihe von Kommunen verfolgen
      Verfügbarkeit, als auch hinsichtlich der Preise       hier bereits eine differenzierte und umfassende
      als ein erheblicher Engpassfaktor. Vor diesem         Gesamtstrategie, sei es im Rahmen von umfas-
      Hintergrund gewinnt die kommunale Bodenpo-            senden Baulandbeschlüssen, im Rahmen von
      litik gerade in vielen wachsenden Städten mit         kommunalen Bündnissen für Wohnen und Bau-
      Wohnungsmarktengpässen wieder stark an Be-            en oder im Prozess der Erarbeitung von woh-
      deutung. Derzeit wird die Diskussion häufig von       nungspolitischen Handlungskonzepten oder in-
      den Möglichkeiten der Konzeptvergabe und der          tegrierten Stadtentwicklungskonzepten.
      Vorgabe von Quoten für den geförderten Woh-
      nungsbau geprägt, während andere Elemente             In diesem Sinne wird eine aktive kommunale Bo-
      einer auf die Schaffung von Bauland gerichteten       denpolitik bewusst breit verstanden; sie wird in
      Bodenpolitik weniger Aufmerksamkeit erfahren.         der Praxis den lokalen Bedarfen entsprechend
                                                            gestaltet und umfasst im Normalfall mehrere
      Über die gezielte Unterstützung des geförder-         aufeinander abgestimmte Bausteine und Instru-
      ten Wohnungsneubaus durch spezifische An-             mente zur Baulandbeschaffung und -bereitstel-
      sätze hinaus bedarf es einer auf die generelle        lung und für die Mobilisierung von Bauflächen
      Angebotsausweitung ausgerichtete Bodenpoli-           und Baurechten.
      tik, um ausreichend verfügbares Bauland bereit
      zu stellen und über einen Mengeneffekt eine           Die AG Aktive Liegenschaftspolitik im Bündnis
      Dämpfung der Baulandpreise zu erreichen. Eine         für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bun-
      aktive kommunale Bodenpolitik erfordert ins-          desministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau
      besondere einen vorhandenen Grundstock an             und Reaktorsicherheit (BMUB) hat in einer in-
      eigenen kommunalen Grundstücken, der durch            tensiven fachlichen Auseinandersetzung un-
      den Ankauf von preisgünstigen potentiellen Ent-       tersucht, welchen Beitrag die verschiedenen
      wicklungsflächen im Rahmen einer langfristigen        boden- und baulandpolitischen Instrumente für
      Bodenvorratspolitik gebildet wird. Auch der Weg       mehr bezahlbaren Wohnraum leisten und wie
      eines vorhaben- oder projektbezogenen Zwi-            sie sinnvoll verknüpft werden können.
      schenerwerbs ist Teil einer solchen Bodenpolitik.

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Vor allem in Regionen mit angespannten Woh-         Im zweiten Teil werden unterschiedliche Instru-
nungsmärkten gibt es einen bodenpolitischen         mente, die in der Praxis zur Anwendung gelan-
Handlungsbedarf. Benötigt werden geeignete          gen, beispielhaft vorgestellt. Hier wird beschrie-
kommunale Strategien und die Anwendung der          ben, wie Bauland für bezahlbares Wohnen und
Instrumente für die Baulandbereitstellung.          Bauen von den Kommunen strategisch erworben
                                                    beziehungsweise an den Markt weitergegeben
Die Arbeit der AG war ganz maßgeblich von           wird. Dabei kommen im Rahmen kommunaler
den Beiträgen aus der kommunalen Praxis be-         Baulandstrategien unterschiedliche Instrumen-
stimmt. Die Erfahrungsberichte haben gezeigt,       te und Verfahren zum Einsatz. Im Format eines
welche Gesamtstrategien und welche einzel-          Steckbriefs wird jeweils ein konkretes Instru-
nen Bausteine und Instrumente zugunsten be-         ment oder Verfahren aus der Gesamtstrategie
zahlbaren Wohnungsbaus bereits angewendet           herausgegriffen und vorgestellt.
werden. Vielfach bestehen bereits erfolgreiche
Modelle, an die andere Kommunen anknüpfen
können.

Aufbau der Dokumentation

In diesem Sinne verfolgt die vorliegende Doku-
mentation das Ziel, interessierten Kommunen
und weiteren Akteuren konkrete Beispiele aus
der Praxis vorzustellen, die ein breites Spektrum
der für mehr bezahlbaren Wohnungsbau rele-
vanten bodenpolitischen Aktivitäten abbilden.
Sie gliedert sich in zwei Teile:

Einführend werden wichtige Instrumente der
Baulandentwicklung beschrieben und in den
Gesamtkontext der Baulandentwicklung einge-
ordnet. Dabei werden sie anhand ihres Beitrags,
der Verfahrensdauer sowie hinsichtlich der kom-
munalen Steuerungsmöglichkeiten zur Umset-
zung der mit der Baulandentwicklung verbunde-
nen Ziele bewertet.

                                                                                                                [7]
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Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen

      Bündnis für bezahlbares Wohnen                                   die Voraussetzungen für den Bau und die Mo-
      und Bauen                                                        dernisierung von Wohnraum in guter Qualität,
                                                                       vorzugsweise im bezahlbaren Marktsegment, zu
      Als zentrales Instrument für die Intensivierung                  verbessern und das Wohnungsangebot in Ge-
      des Wohnungsbaus hat Bundesbauministerin                         bieten mit Wohnraummangel zu erweitern.
      Dr. Barbara Hendricks am 10. Juli 2014 das
      „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“                       Die Bündnispartner haben gemeinsam vier zen-
      mit den Ländern, kommunalen Spitzenverbän-                       trale Handlungsfelder identifiziert und Arbeits-
      den, der Wohnungs- und Bauwirtschaft und an-                     gruppen sowie die Baukostensenkungskommis-
      deren gesellschaftlichen Akteuren ins Leben ge-                  sion eingerichtet.
      rufen. Ziel der Bündnispartner ist es, gemeinsam

      Abbildung 1: Struktur „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“

      Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
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Zentrale Bausteine für die Bereitstellung von       Wohnungsbau-Offensive –
Wohnraum sind die Verfügbarkeit von Bauland         das 10-Punkte-Programm
und die Schaffung und Mobilisierung von Bau-
rechten. Im Bündnis erfolgte deshalb in der AG      1. Bauland bereitstellen und Grundstücke der
„Aktive Liegenschaftspolitik“ ein zielgerichteter      öffentlichen Hand verbilligt und nach Kon-
Erfahrungsaustausch über liegenschaftspoli-            zeptqualität vergeben
tische Instrumente, Strategien und gute Pra-        2. Wohnsiedlungen nachverdichten, Brachflä-
xisbeispiele. Das bestehende städtebau- und            chen und Baulücken schließen
bodenrechtliche sowie liegenschaftspolitische       3. Soziale Wohnraumförderung und genossen-
Instrumentarium wurde aufbereitet und bewer-           schaftliches Wohnen stärken
tet. Hemmnisse und Erfolgsfaktoren wurden an-       4. Zielgenaue steuerliche Anreize für mehr be-
hand konkreter Praxiserfahrungen sowie fach-           zahlbaren Wohnraum schaffen
wissenschaftlicher Erkenntnisse aufgezeigt.         5. Bauordnungen harmonisieren – Aufwand re-
                                                       duzieren
Die Arbeitsgruppen und die Baukostensen-            6. Standards im Bauwesen auf den Prüfstand
kungskommission haben im Herbst 2015 Hand-             stellen
lungsempfehlungen vorgelegt. Diese wurden in        7. Serielles Bauen für ansprechenden und
einem Spitzengespräch der Bündnispartner am            günstigen Wohnraum forcieren
27. November 2015 beschlossen und in drei           8. Stellplatzverordnungen flexibler ausgestalten
Teilbänden veröffentlicht:                          9. Energie-Einsparverordnung und Erneuerbare-
• Kernempfehlungen und Maßnahmen,                      Energien-Wärmegesetz strukturell neu konzi-
•   Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppen,          pieren
•   Bericht der Baukostensenkungskommission.        10.Gemeinsam für mehr Akzeptanz für Neubau-
                                                       vorhaben werben
Die Empfehlungen sind online unter www.bmub.
bund.de und in gedruckter Form beim Bundes-         Das breite Bündnis auf Bundesebene hat dazu
ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und        beigetragen, dass sich die Rahmenbedingun-
Reaktorsicherheit erhältlich.                       gen für den Bau bezahlbarer Wohnungen in
                                                    Deutschland verbessert haben. Wichtige politi-
Aus den Empfehlungen des Bündnisses wurde           sche Entscheidungen für Rahmenbedingungen,
die Wohnungsbau-Offensive abgeleitet. Hinter        finanzielle Ausstattung und insbesondere auch
den 10 Punkten verbirgt sich ein ganzes Bündel      für die Aufnahme der Flüchtlinge in den Jahren
von Maßnahmen, für die die unterschiedlichen        2015 und 2016 konnten im Bündnis aufgrund
föderalen Ebenen verantwortlich sind. Alle Bünd-    der regelmäßigen und vertrauensvollen Zusam-
nispartner tragen ihren Teil zur Umsetzung bei.     menarbeit zügig und praxisnah zwischen den
                                                    Partnern vorbereitet werden.

                                                    Die Arbeit zur Umsetzung der Empfehlungen auf
                                                    allen föderalen Ebenen wird fortgesetzt, zumal
                                                    viele Maßnahmen und Empfehlungen erst mit-
                                                    telfristig ihre volle Wirkung entfalten können.
                                                                                                                [9]
Kapitel

                   Teil 1

                   Handlungsfelder
                   kommunaler
                   Baulandpolitik

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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                    Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

Eine aktive Baulandpolitik umfasst mehr als die     orts stehen den Kommunen eigene Flächen zur
klassische Angebotsplanung, sondern nutzt viel-     Baulandentwicklung zur Verfügung. Ist dies nicht
fältige Instrumente. Grundsätzlich können für die   der Fall, setzt die Entwicklung auf eigenen Flä-
Baulandbereitstellung öffentlich-rechtliche und     chen den Erwerb der Grundstücke voraus.
privatrechtliche Instrumente und Verträge zur An-
wendung kommen. Das zum Einsatz kommende
Instrumentarium deckt verschiedene Handlungs-       Grundstückserwerb und Handlungsmöglich-
felder und Steuerungsmöglichkeiten der Bau-         keiten auf kommunalen Grundstücken
landpolitik ab. So ist ein wesentliches Ziel die
generelle Ausweitung eines bedarfsgerechten         Der Kommune stehen verschiedene Instrumen-
Baulandangebotes für alle Zielgruppen.              te zum Grundstückserwerb zur Verfügung. In der
                                                    Praxis relevant ist der privatrechtliche Ankauf
Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus die      im Rahmen einer langfristigen Bodenvorratspo-
Steuerungsfunktion der Baulandpolitik; dabei        litik für eine spätere Entwicklung oder als Option
soll Einfluss auf die Wohnbaulandpreise (Preis-     für einen Grundstückstausch etc. oder ein pro-
dämpfung) ausgeübt und bodenspekulative Be-         jektbezogener Zwischenerwerb zur Realisierung
strebungen unterbunden oder minimiert werden.       eines konkreten Vorhabens, das zeitnah reali-
Durch den Teilverzicht auf Bodenwertsteigerun-      siert werden soll.
gen beim (Alt-) Eigentümer oder Investor sollen
zudem kommunale Baulandproduktionskosten            Daneben existieren für Kommunen unter be-
mitfinanziert werden.                               stimmten Voraussetzungen Möglichkeiten der
                                                    Ausübung eines Vorkaufsr echts nach §§ 24-
Der Einsatz entsprechender Instrumente und          28 BauGB. Dies gilt unter anderem in Gebieten,
Verträge ermöglicht der Kommune eine Steue-         die nach § 30, 33 oder 34 Abs. 2 vorwiegend mit
rung der Bautätigkeit an den dafür vorgesehe-       Wohngebäuden bebaut werden können, soweit
nen Standorten (= allokatives Bodenmarktziel)       die Grundstücke unbebaut sind (§ 24 Abs. 1 Nr.
sowie eine gezielte Einflussnahme auf das Woh-      6 BauGB). Eine langfristige Bodenvorratspolitik
nungsangebot und die Berücksichtigung unter-        begründet jedoch kein Vorkaufsrecht, da dies
schiedlicher Wohnungssegmente (= distributi-        ein streng planakzessorisches Instrument ist.1
ves Bodenmarktziel).

Kommunen haben nach BauGB die Möglich-              Von Bedeutung ist gleichwohl das allgemei-
keit entsprechend dem Bedarf Bauland aus-           ne Vorkaufsrecht für Grundstücke, die im Gel-
zuweisen. Dies kann sowohl auf eigenen als          tungsbereich eines Flächennutzungsplans lie-
auch auf privaten Flächen erfolgen. Bei der         gen, soweit es sich um unbebaute Flächen im
Baulandbereitstellung auf eigenen Flächen kön-      Außenbereich handelt, für die nach dem Flä-
nen entwicklungsbedingte Wertsteigerungen für       chennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbau-
projektbezogene kommunale Aufgaben und ge-          fläche oder Wohngebiet dargestellt ist (§ 24
meinwohlorientierte Ziele genutzt werden, zum
Beispiel für eine zielgruppenspezifische und
                                                    1 VG Karlsruhe: Urteil vom 24. Januar 2008, Az. 2 K
konzeptbezogene Grundstücksvergabe. Vieler-         2600/07, Fundstelle openJur 2012, 66967.
                                                                                                                [ 11 ]
Teil 1 – Handlungsfelder kommunaler Baulandpolitik

         Abs. 1 Nr. 5 BauGB) oder für Grundstücke, die        der Zwischenerwerb durch beauftragte kommu-
         in einem Umlegungsgebiet (§ 24 Abs. 1 Nr. 2          nale Eigengesellschaften/Eigenbetriebe oder pri-
         BauGB) oder in einem förmlich festgelegten Sa-       vate Entwicklungsträger.
         nierungsgebiet (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) liegen.
         Ein Vorkaufsrecht steht der Kommune auch zur         Gewünschte wohnungs- und sozialpolitische
         Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des             Ziele, die mit der Baulandentwicklung verbun-
         Stadtumbaus und im Rahmen einer Erhaltungs-          den werden sollen, können in privatrechtlichen
         satzung (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) zu.                Kaufverträgen mit dem Investor oder mit Selbst-
                                                              nutzern vereinbart werden. Dies sind insbe-
         Das besondere Vorkaufsrecht ist im Übrigen –         sondere die auf die jeweilige lokale Situation
         ohne dass ein Bebauungsplan vorliegen muss           zugeschnittene Vergabekriterien, Bauverpflich-
         – in Gebieten möglich, in denen die Kommu-           tungen, Rückkaufsrechtsvereinbarungen und
         nen städtebauliche Maßnahmen zur Sicherung           mögliche Preisrabatte.
         einer städtebaulichen Ordnung in Betracht zie-
         hen (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 BauGB).                       Daneben nimmt die Bedeutung von Konzept-
                                                              ausschreibungsverfahren zu, bei der Grund-
         Die geschickte und konsequente Anwendung             stücke nicht nach dem Höchstpreis, sondern
         des Vorkaufsrechtes verschafft der Kommune           dem geeignetsten Konzept zur Verwirklichung
         zum Teil erhebliche bodenpolitische Vorteile,        vorgegebener Ziele anhand eines Kriterienka-
         unter Umständen auch beim Einfluss auf die           talogs veräußert werden. Ein weiteres Vergabe-
         Höhe des zu zahlenden Betrags (sogenanntes           instrument zur Durchsetzung gewünschter Ziele
         „preislimitiertes Vorkaufsrecht“ gemäß § 28 Abs.     besteht in der Direktvergabe. Dabei werden mit
         3 BauGB).                                            dem Käufer bei einem Festpreis Auflagen in der
                                                              Grundstücksentwicklung vereinbart.
         Darüber hinaus besteht für Kommunen ein
         eigenes hoheitliches Ankaufsrecht (= Durch-
         gangserwerb) im Zuge einer städtebaulichen           Kommunale Handlungsmöglichkeiten auf
         Entwicklungsmaßnahme nach § 165 BauGB.               privaten Grundstücken
         An die Geltungsvoraussetzungen legt der Ge-
         setzgeber jedoch hohe Maßstäbe, da die städ-         Neben der Baurechtschaffung auf kommunalen
         tebauliche Entwicklungsmaßnahme stark in das         Grundstücken ist die Entwicklung von privaten
         Eigentumsrecht eingreift. Dieses sehr wirkungs-      Grundstücken von wesentlicher Bedeutung. Auch
         mächtige Instrument zur umfassenden Bauland-         dabei hat die Kommune verschiedene Instru-
         entwicklung hat in der Vergangenheit zu erfolg-      mente zur Auswahl, um ihre Ziele umzusetzen.
         reichen Lösungen beigetragen.                        Dies gelingt zumeist jedoch nur in den Fällen, in
                                                              denen ein privater Bauherr oder Investor bei der
         Als Grundstückseigentümerin hat die Kommune          Grundstücksentwicklung noch kein Baurecht hat
         sehr gute Einflussmöglichkeiten, die mit der Bau-    oder eine Änderung im Falle eines bestehenden
         landbereitstellung verknüpften sozialpolitischen,    Baurechts nötig ist. In einem kooperativen Ver-
         wohnungspolitischen, städtebaulichen und öko-        fahren werden dann mit dem Eigentümer/Inves-
         logischen Ziele durchzusetzen. Eine Variante ist     tor Bedingungen vereinbart, die bei der Grund-
[ 12 ]
Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                      Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

stücksentwicklung zu erfüllen sind. Als Instrument    Dem Münchner Modell der sozialgerechten Bo-
stehen der Kommune dabei vor allem städtebau-         dennutzung folgend hat sich dabei insbeson-
liche Verträge nach § 11 BauGB zur Verfügung.         dere in wachsenden Städten mit angespanntem
Städtebauliche Verträge sind vom Gesetzgeber          Wohnungsmarkt die Einführung von Quoten zur
ausdrücklich für die Neuordnung der Grund-            Errichtung von Mietwohnungen, insbesondere
stücksverhältnisse und für Grundstückserschlie-       für den geförderten oder preisgedämpften Woh-
ßungen vorgesehen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).          nungsbau auf privaten Grundstücken weiter
In diesen wird die Übernahme der Planungs-,           verbreitet.
Entwicklungs- und Folgekosten durch den Inves-
tor vereinbart. Gleichwohl sind hierbei stets die     Abbildung 2 stellt die Zusammenhänge der ver-
Anwendungsvoraussetzungen hinsichtlich der            schiedenen Handlungsmöglichkeiten und Inst-
notwendigen Kausalität, des Koppelungsverbots         rumente der kommunalen Baulandentwicklung
und des Angemessenheitsgebots zu beachten             dar.
(§ 11 Abs. 1 und 2 BauGB).

Abbildung 2: Grundsätzliche Baulandbereitstellungswege

                                Entwicklung auf
   Hoheitlicher Ankauf      kommunalen Flächen:
   über städtebauliche      privatrechtliche Boden-         Privater                       Amtliche
     Entwicklungs-             vorratspolitik und       Grundstücksmarkt                 Bodenordnung
       maßnahme              vorhabenbezogener
                                Zwischenerwerb

                            Konzept-
                                                                                    Amtliche Verfahren für:
                            vorgaben
 Veräußerung/Repriva-                                 Kooperative Bauland-           Umlegung §§ 45-79
                             Direkt-      Erbbau-
 tisierung zum Neuord-                                modelle und freiwillige        BauGB und verein-
                            vergaben       recht
        nungswert                                        Umlegungen                   fachte Umlegung
                            Bieterver-
                                                                                      §§ 80-84 BauGB
                             fahren

                                                      Städtebauliche Verträ-
                Grundstücksverträge
                                                      ge gemäß § 11 BauGB
                                                                                     Eigentümer der zuge-
                                                                                      teilten Grundstücke
                                                                                     entscheidet über die
                                                                                      Baurealisierung und
                                                                                        Verwertung der
                                                 Kriterien:                                Grundstücke
  Bauverpflichtungen /
                               Quotierung, Bauverpflichtung, Übernahme von
  Quotierungsvorgaben
                             Planungskosten / Folge-Erschließungsmaßnahmen

                                                                                                                  [ 13 ]
Teil 1 – Handlungsfelder kommunaler Baulandpolitik

         Baulandstrategien als Grundlage für die              Aus der Praxis wird berichtet, dass erfolgrei-
         Baulandentwicklung                                   che Baulandbeschlüsse einer breiten Mehrheit
                                                              im kommunalen Gremium bedürfen, damit sie
         Unter Baulandentwicklung wird der Prozess            auch bei sich ändernden Mehrheitsverhältnissen
         verstanden, der bei der städtebaulichen Planung      im Gemeinderat Bestand haben. Der zeitliche
         beginnt, die Bodenordnung und Erschließung des       Vorlauf von der inhaltlichen Diskussion bis zur
         Grundstücks einschließt und erst mit der Mobili-     endgültigen Fassung eines Baulandbeschlusses
         sierung des Baulandes, also der Zuführung der        beträgt nach Erfahrungen aus der Praxis bis zu
         vorgesehenen Nutzung abgeschlossen ist.              einem Jahr, da der Grundsatzbeschluss meist
                                                              damit verbunden ist, dass lokale Traditionen und
         Im kommunalen Baulandbeschluss werden                Verfahren geändert werden. Diese Veränderun-
         der grundsätzliche strategische Rahmen (Bau-         gen müssen im Stadtrat und in der Verwaltung,
         landstrategie), die Verfahrensweise und die          aber auch mit den lokalen Akteuren der Bau- und
         Kombination von Instrumenten zur kommunalen          Immobilienwirtschaft sowie in der Stadtgesell-
         Baulandentwicklung festgelegt. Manchmal gehö-        schaft diskutiert und gestaltet werden. Hierzu
         ren dazu auch Regelungen der administrativen         eignen sich lokale oder regionale Bündnisse, ge-
         Umsetzung innerhalb der kommunalen Verwal-           gebenenfalls mit externer Moderation.
         tung (zum Beispiel eigenes neues Amt, Projekt-
         gruppen, Stabsstellen, etc.) In der Anwendungs-      Ein weiterer Schlüssel des Erfolges kommunaler
         praxis wird der Begriff Baulandstrategie zum         Baulandstrategien liegt darin, diese konsequent
         Teil auch synonym mit dem Begriff Baulandmo-         anzuwenden und auch langfristig durchzuhalten.
         dell verwendet. Das Baulandmodell kann aber          Erst dadurch besteht die Möglichkeit, dass sich
         auch nur einen Teil der gesamten Baulandstra-        im Laufe der Zeit eine preisdämpfende Wirkung
         tegie bezeichnen. Insofern besteht in der Praxis     auf den Bodenmarkt einstellt. Die Gleichbehand-
         auch keine eindeutige Begriffsbestimmung bzw.        lung der Marktteilnehmer und die Transparenz
         -abgrenzung.                                         durch die Aufstellung des Grundsatzbeschlus-
                                                              ses zur Baulandentwicklung leisten einen we-
         Die Festlegung der Verfahrensweise sowie die         sentlichen Beitrag zur Akzeptanz des Vorgehens
         Auswahl der Instrumente sind auf die lokalen         bei den Marktteilnehmern.
         Bedürfnisse und Potenziale der Baulandent-
         wicklung abgestimmt. Daraus ergeben sich in          Neben der langfristigen Unterstützung des
         der Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Bau-      Stadtrats und dem Vorhandensein einer kom-
         landstrategien, in denen die verschiedenen In-       munalen Baulandstrategie ist ein vorhandener
         strumente (Zwischenerwerb, städtebaulicher           Grundstock an kommunalen Entwicklungsflä-
         Vertrag, Quotenmodelle etc.) kombiniert und          chen ein weiterer, entscheidender Erfolgsfaktor
         auf die örtlichen Gegebenheiten und Möglich-         einer aktiven Baulandpolitik.
         keiten ausgerichtet sind. Dazu bedarf es einer
         kommunalen Gesamtstrategie, in der sowohl            Von Bedeutung ist auch, dass in der Regio-
         der quantitative als auch qualitative Bedarf an      nal- und Landesplanung möglichst gleichzeitig
         Wohnflächen analysiert und in einem Konzept          alternative potentielle Flächen ausgewiesen
         zusammengefasst ist.                                 sein müssen. Baulandentwicklungen sind in der
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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                          Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

  In Münster wurde der Handlungsdruck zur Bereitstellung von mehr bezahlbarem Wohnraum sowohl von der
  Politik, als auch von der Stadtgesellschaft, der Universität und der Wohnungswirtschaft wahrgenommen. Da-
  durch gelang es vergleichbar zügig, einen Konsens darüber zu erreichen, sämtliche Flächenpotenziale auszu-
  schöpfen. Dies betrifft auch die Entwicklung von Flächen im Außenbereich, da die bekannten und berücksich-
  tigten Innenentwicklungspotenziale (unter anderem Kasernenkonversionsfläche) allein nicht ausreichen, um
  den Wohnraumbedarf in der Stadt zu decken. Zudem gibt es parteiübergreifend ein politisches Bekenntnis zum
  sozialen Wohnungsbau. Darüber konnte der allgemeine Beschluss zum Münsteraner Modell der sozialgerech-
  ten Bodennutzung nach etwa einjähriger Vorlaufzeit im April 2014 gefasst werden.

Regel nicht erfolgreich, wenn Grundeigentümer              Instrumente zur Baulandentwick-
diese Situation für sich auszunutzen wissen.               lung
Sollten die kommunalen baulandpolitischen Be-
dingungen bei einem bestimmten Entwicklungs-               Der Bebauungsplan (§ 8 ff. BauGB) ist das zen-
standort nicht umsetzbar sein, muss die Kom-               trale Steuerungsmittel zur städtebaulichen Ent-
mune auf einen anderen Standort umschwenken                wicklung der Kommune. Er enthält unter ande-
können. Ausweisungskontingente über dem                    rem die rechtsverbindlichen Festsetzungen für
eigentlich errechneten Nachfragebedarf sind                die städtebauliche Ordnung sowie Art und Maß
hierbei hilfreich, manchmal zwecknotwendig.                der baulichen Nutzung des Grundstücks.
Hat die Kommune im Übrigen keine Möglichkeit,
die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen ge-              Der Bebauungsplan ist für verschiedene Typen
mäß der beschlossenen Baulandstrategie an die              der Baulandentwicklung relevant. Unmittelbar
Einleitung eines Bauleitverfahrens zu knüpfen,             als Instrument wirksam ist er bei der klassischen
da sie nicht auf alternative Grundstücke zurück-           Angebotsplanung, die nach wie vor eine gewis-
greifen kann, ist die Wirkung der Strategie sehr           se Bedeutung hat. Sie wird aber aufgrund ihrer
begrenzt.                                                  nur begrenzten Steuerungsfunktion und ihrer
                                                           ungünstigen ökonomischen Wirksamkeit für die
Eine Baulandstrategie sollte neben einer Stär-             Kommune nicht zur Anwendung im Sinne einer
kung der Innenentwicklung, zum Beispiel durch              aktiven Liegenschaftspolitik empfohlen. Hier
die Schließung von Baulücken und der optima-               übernimmt die Kommune die Planung, Boden-
len Ausnutzung sogenannter mindergenutz-                   ordnung und Erschließung als Mindestaufgabe
ter Grundstücke sowie der Revitalisierung von              gemäß BauGB. Die Wertsteigerungen verblei-
Brachflächen auch die Entwicklungsperspektive              ben bis auf den Erschließungsbeitrag bei den
für Baugebiete der 60er, 70er und 80er Jahre               Grundstückseigentümern, die Kommune kann
einbeziehen. Bei diesen Baugebieten handelt es             Planungs-, Entwicklungs- und Folgekosten da-
sich um klassische Einfamilienhausgebiete mit              durch nicht refinanzieren lassen. Darüber hinaus
relativ einheitlicher Altersstruktur. Hier sind neue       fehlt der Kommune eine Steuerungsmöglichkeit
Entwicklungsperspektiven erforderlich.                     zum Planungsvollzug, solange ihr das betreffen-
                                                                                                                      [ 15 ]
Teil 1 – Handlungsfelder kommunaler Baulandpolitik

         de Grundstück nicht gehört. So kann es unter                Um den beschriebenen Nachteilen der klassi-
         Umständen passieren, dass ein von der Kom-                  schen Angebotsplanung zu begegnen wird die-
         mune aufgestellter Bebauungsplan (B-Plan)                   se nicht nur allein, sondern auch in Verbindung
         nicht oder nur in Teilen zur Umsetzung kommt,               mit weiteren Instrumenten wie städtebaulichen
         sei es zum Beispiel aus Gründen des Bestands-               Verträgen oder Konzeptausschreibungsver-
         schutzes vorhandener Nutzungen oder aufgrund                fahren eingesetzt. Diese flankieren die städ-
         des Scheiterns geplanter Privatinvestitionen. In            tebauliche Planung der Kommune und dienen
         diesem Fall existiert ein B-Plan, der gegebe-               dem Planungsvollzug und der Übernahme der
         nenfalls zu einem späteren Zeitpunkt an neue                Planungs-, Erschließungs- und Folgekosten
         städtebauliche Ziele der Kommune angepasst                  durch den Investor. Im Zusammenspiel der un-
         und verändert werden muss. Dies ist mit einem               terschiedlichen Instrumente erreicht die Kom-
         erheblichen Aufwand verbunden.                              mune damit einen wirksamen Einfluss auf die
                                                                     gewünschte Umsetzung der Baulandentwick-
         Im Regelverfahren dauert die Aufstellung eines              lung, damit auch auf die tatsächliche Bebauung
         Bebauungsplans durchschnittlich etwa drei Jah-              („Bauverpflichtung“); Baulücken werden so nicht
         re. Aufgrund der im Gesetz vorgegebenen Ver-                immer wieder von neuem „produziert“.
         fahrensschritte einschließlich der öffentlichen
         Auslegung wird in der Praxis der Zeitraum von
         einem Jahr ab Aufstellungsbeschluss kaum un-                Baulandumlegung
         terschritten.2
                                                                     Die Baulandumlegung (BauGB § 45 ff.) ist ein
         Bei der Angebotsplanung durch einen B-Plan                  Verfahren zur Neuordnung der Grundstücke
         entstehen also Nachteile für die Gemeinde hin-              im (Alt-)Eigentum. Es dient dazu, bebaubare
         sichtlich der Kosten, des Arbeitsaufwands, der              Grundstückszuschnitte zu schaffen. Es existie-
         zeitlichen Umsetzung und der letztlichen Mobili-            ren zwei Verfahren: das freiwillige und das amt-
         sierung des Baulands. Auch wenn die Angebots-               liche Verfahren. Das amtliche Verfahren ist im
         planung nach wie vor eine wesentliche Bedeu-                BauGB geregelt. Dabei wird durch Satzungsbe-
         tung bei der Baulandschaffung einnimmt, wird                schluss der Umlegungsausschuss ermächtigt,
         sie in den größeren Städten mit angespannten                das rechtlich festgelegte Verfahren einzuleiten
         Wohnungsmärkten mittlerweile kaum mehr an-                  und durchzuführen. Das amtliche Verfahren
         gewandt. Ein gesellschaftspolitischer Nachteil              kommt unter anderem dann zum Tragen, wenn
         der klassischen Angebotsplanung ergibt sich                 keine Einigkeit der an der Umlegung beteiligten
         zudem daraus, dass die Planungs-, Entwick-                  Eigentümer erreicht werden kann oder das Um-
         lungs- und Folgekosten sozialisiert, Erträge und            legungsverfahren sehr komplex ist. Die amtliche
         Gewinne hingegen privatisiert werden. Neben                 Umlegung erzeugt eine hohe Rechtssicherheit
         den negativen Auswirkungen auf die Gemeinde-                und sorgt für einen gerechten Ausgleich zwi-
         finanzen ist dieser Effekt auch aus gesellschafts-          schen den Eigentümern.
         politischer Sicht unerwünscht.
                                                                     Das freiwillige Verfahren wird durch privatrecht-
                                                                     liche Verträge oder durch einen städtebaulichen
         2 Schmidt-Eichstaedt, G., Weyrauch, B., Zemke, R. (2013):
         Städtebaurecht. Einführung und Handbuch, S. 198.            Vertrag geregelt. Dort können auch Bauverpflich-
[ 16 ]
Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                     Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

tungen zur Mobilisierung des Grundstücks nach        Ein besonderes Verfahren ist die vereinbarte
der Umlegung vereinbart werden. Es setzt die         amtliche Umlegung. Die vereinbarte Umlegung
Einigung aller am Verfahren beteiligten Grund-       kombiniert die Vorteile der amtlichen Umlegung
stückeeigentümer voraus.                             (Rechtssicherheit eines bewährten Verfahrens,
                                                     Gebühren- und Steuerbefreiung) mit den Vor-
Die Umlegung hat verschiedene Vorteile. Es           teilen der freiwilligen Umlegung (Zeitersparnis,
entstehen für die Kommune kein Zwischener-           Berücksichtigung individueller Wünsche).
werbsrisiko, keine Grunderwerbskosten, Ne-
benkosten und Finanzierungskosten. Durch die
Gleichbehandlung der am Verfahren beteiligten        Vorhabenbezogener Zwischenerwerb zur
Eigentümer ist die Umlegung ein transparen-          Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum
tes und gerechtes Verfahren. Es können umle-
gungsbedingte Wertvorteile bei den begünstig-        Beim vorhabenbezogenen Zwischenerwerb kauft
ten Eigentümern abgeschöpft werden. Diese            die Kommune die zu entwickelnden Grundstü-
sind aber auf den Wertsprung von Rohbauland          cke auf und übernimmt selbst die Planung, Bo-
(gemäß § 5 Abs. 3 ImmoWertV) zu baureifem            denordnung und Erschließung. Die Kosten der
Land (in der Regel erschließungsflächenbei-          Vorleistung finanziert die Kommune durch den
tragsfrei, aber erschließungsbaukostenbeitrags-      Verkauf der voll erschlossenen Baugrundstücke.
pflichtig) begrenzt; weitere planungs- und ent-      Sie hat somit die Möglichkeit, die planungs- und
wicklungsbedingte Wertsteigerungen dagegen           maßnahmenbedingte Bodenwertsteigerung di-
bleiben beim Eigentümer. Das Verfahren ist in        rekt zur Deckung der Planungs-, Erschließungs-
der Regel zeitaufwendig. Die Kommunen haben          und Folgekosten zu nutzen. Zudem hat sie als
zudem – ohne zusätzliche vertragliche Regelun-       Grundstückseigentümerin im Rahmen des Ver-
gen – keinen Einfluss auf die tatsächliche Bau-      kaufs die Möglichkeit, auch auf die Umsetzung
realisierung. Dies fördert tendenziell die Hortung   der, mit der Baulandschaffung verbundenen,
von Baulücken.                                       Ziele hinzuwirken. Der Zwischenerwerb birgt auf-
                                                     grund der hohen Steuerungsmöglichkeiten für
Im Rahmen der freiwilligen Umlegung bieten           den Träger (die Kommune beziehungsweise die
sich durch die Vertragsgestaltung städtebauli-       Projektentwicklungsgesellschaft im Auftrag der
cher Verträge viele Handlungsoptionen für die        Kommune) Vorteile. Zudem ist die Mobilisierung
Kommune (unter anderem Übernahme von ge-             des Baulandes in der Regel durch eine vertragli-
bietsbezogenen Kosten, Flächenabtretung pri-         che Bauverpflichtung gewährleistet.
vater Flächen an die Kommune etc.). Die Kom-
bination des (freiwilligen) Umlegungsverfahrens
mit städtebaulichen Verträgen eröffnet grund-        Zwischenerwerb als Instrument der Boden-
sätzlich die Möglichkeit, boden- beziehungswei-      vorratspolitik
se wohnungspolitische Zielsetzungen zu errei-
chen. Nachteil dieses kooperativen Verfahrens        Der Zwischenerwerb eignet sich auch für eine
ist, dass es abhängig ist von der Mitwirkungsbe-     langfristige Bodenvorratspolitik. In diesem Fall
reitschaft aller Grundstückseigentümer.              kauft die Kommune Grundstücke günstig an,
                                                     auch wenn keine konkrete Planungsabsicht
                                                                                                                 [ 17 ]
Teil 1 – Handlungsfelder kommunaler Baulandpolitik

         besteht. Ein kommunales Grundvermögen ist              Zuführung des Baulandes zur vorgesehenen
         aber nicht schnell aufzubauen, sondern bedarf          Nutzung
         einer langjährigen Strategie und konsequenten
         Durchführung.                                          Sobald sich das Grundstück im Eigentum der
                                                                Kommune befindet, bieten sich vielfältige Ein-
         Nachteile von Zwischenerwerbsmodellen sind die         flussmöglichkeiten der Steuerung zur Erreichung
         zu erbringenden finanziellen Vorleistungen der         der Ziele, die mit der Baulandschaffung verbun-
         Kommune für den Grunderwerb sowie das Ver-             den sind. So kann sich die Kommune entschei-
         marktungsrisiko bei der späteren Veräußerung.          den, das Grundstück an den Interessenten mit
         Wie bei allen kooperativen Verfahren ist auch          dem geeignetsten Konzept zur Verwirklichung
         beim Zwischenerwerb die freiwillige Mitwirkung         ihrer städtebaulichen, sozialen, wohnungs- und
         (Veräußerung) aller Eigentümer erforderlich.           umweltpolitischen Ziele zu vergeben (Konzept-
                                                                vergabeverfahren, Direktvergabe mit Auflagen).
         Für Kommunen mit Haushaltsschwierigkeiten              Auch eine Vergabe an Selbstnutzer zur Bildung
         bietet sich deswegen die Gründung von Projekt-         von Wohneigentum unter Berücksichtigung be-
         gesellschaften an. Auch revolvierende Boden-           stimmter soziodemographischer Kriterien ist im
         fondsmodelle sind eine erfolgreiche Methode für        Zwischenerwerb möglich. Im Gegensatz dazu
         eine aktive Bodenvorratspolitik. Hier werden die       steht die Vergabe des Grundstücks zum Höchst-
         Gewinne aus den Grundstücksverkäufen in den            preis (Bieterverfahren).
         Erwerb weiterer Grundstücke investiert.
                                                                Eine weitere Möglichkeit besteht in der Verga-
         Privatrechtliche Modelle des Zwischener-               be eines Erbbaurechts am Grundstück durch
         werbs, in der die Kommune entweder selbst              die Kommune, die in diesem Fall Eigentümerin
         oder über einen öffentlichen oder privaten Ent-        bleibt. Im Erbbaurechtsvertrag kann zum Bei-
         wicklungsträger die Grundstücke erwirbt, sind          spiel die Nutzung des Grundstücks festgeschrie-
         in der Praxis das Regelverfahren.                      ben werden und damit bestimmte Zielgruppen
                                                                und Segmente mit Wohnraum versorgt werden.
                                                                Das derzeitig niedrige Zinsniveau und eine damit
                                                                verbundene günstige Kreditfinanzierung macht
                                                                jedoch das Erbbaurecht für den Erbbaurecht-
                                                                nehmer aus finanzieller Hinsicht wenig attraktiv.
                                                                Gleichwohl ist die Vergabe von Erbbaurechten
                                                                nach wie vor aus sozialen Überlegungen heraus
                                                                ein gutes Instrument, auch einkommensschwä-
           In Ulm ist eine aktive Bodenvorratspolitik bereits   cheren Haushalten die Möglichkeit zu geben, Ei-
           viele Jahrzehnte in der Stadtgesellschaft veran-     gentum zu bilden. Auch behält die Kommune so
           kert. Dort gibt es nur auf kommunalen Flächen
                                                                die Möglichkeit, sich langfristig Optionen für die
           Baulandentwicklungen auf unbebauten Grund-
                                                                Stadtentwicklung zu verschaffen.
           stücken. Dazu kauft die Stadt langfristig bislang
           unbeplante Grundstücke auf, um diese im Be-
           darfsfall einer Entwicklung zuzuführen.

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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                     Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

                                                     damit verbundenen Bodenwertsteigerung auf.
                                                     Werden diese in der kommunalen Praxis konse-
                                                     quent und transparent angewendet, steigt ihre
 In Hamburg hat sich bei der Grundstücksvergabe
 das Instrument der Anhandgabe bei sehr komple-      Akzeptanz bei allen Marktteilnehmern.
 xen Bauprojekten mit oft längerfristigen Entwick-
 lungsprozessen erfolgreich bewährt (Wohngrup-
 penprojekte, Baugruppen etc.). Dabei erhält der     Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme
 künftige Käufer Zeit, nach der Auswahlentschei-
 dung, die durch das Nutzungskonzept und ande-       Unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen
 re wichtige Merkmale bestimmt wird, notwendige      insbesondere bei einem erhöhten Bedarf an
 Details zur Bebaubarkeit und Finanzierung sei-      Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von
 nes Vorhabens vor Abschluss des Kaufvertrages       Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder
 zu klären. Die Stadt gibt dem Interessenten die
                                                     zur Wiedernutzung brachgefallener Flächen ist
 Gewähr, dass das Grundstück innerhalb des An-
                                                     die Durchführung der städtebauliche Entwick-
 handgabezeitraums keinem anderen Interessen-
                                                     lungsmaßnahme nach dem Baugesetzbuch mit
 ten angeboten wird.
                                                     flächendeckendem transitorischen Grunder-
                                                     werb zulässig.

Städtebauliche Verträge                              Als öffentlich-rechtliches Modell wird der Zwi-
                                                     schenerwerb als städtebauliche Entwicklungs-
Als eine weitere Möglichkeit der Baulandent-         maßnahme (SEM) nach § 165 BauGB durch-
wicklung haben sich seit etwa 20 Jahren koope-       geführt. Die Entwicklungsmaßnahme ist ein
rative Baulandmodelle mit städtebaulichen            „koordiniertes Maßnahmenbündel“, das durch
Verträgen (§ 11 BauGB) etabliert. Diese können       eine flächendeckende und zeitlich geschlossene
mit dem Ziel eingesetzt werden, die Wohnungs-        Planungskonzeption für ein exakt umgrenztes
knappheit zu verringern und einen Beitrag zu         Gebiet verwirklicht werden soll. Wie die Stellung
sozial ausgewogenen Stadtquartieren sowie zur        des § 165 BauGB im Kapitel „Besonderes Städ-
Finanzierung der erforderlichen städtebaulichen      tebaurecht“ verdeutlicht, ist das Instrument der
Infrastruktur zu leisten.                            Entwicklungsmaßnahme zur Lösung von beson-
                                                     deren städtebaulichen Problemen bestimmt und
Insbesondere bei der Ausgestaltung von kom-          setzt einen qualifizierten städtebaulichen Hand-
munalen Baulandmodellen nehmen städte-               lungsbedarf voraus. Die Kommune kann mit
bauliche Verträge eine wichtige Funktion ein.        diesem Instrument Grundstücke nicht verkaufs-
Baulandmodelle bilden das Regelwerk unter            williger Eigentümer mobilisieren. Der Ankauf
anderem für den Abschluss städtebaulicher Ver-       der Grundstücke erfolgt zum entwicklungsun-
träge zur Steuerung der Bodennutzung. Sie ver-       beeinflussten Wert. Die SEM kann angewendet
einheitlichen die Vorgehensweise der Kommune         werden, wenn die Gebietsentwicklung von be-
bei der Baulandentwicklung im Gegensatz zur          sonderer Bedeutung für die städtebauliche Ent-
Einzelfallentscheidung und stellen transparente      wicklung und Ordnung der Gemeinde ist (zum
Rahmenbedingungen über eine Kostenbetei-             Beispiel ein örtlicher Wohnungsbauschwerpunkt)
ligung im Zuge der Baurechtschaffung und der         oder – wenn Grundstücke entsprechend der an-
                                                                                                                 [ 19 ]
Teil 1 – Handlungsfelder kommunaler Baulandpolitik

         gestrebten Entwicklung des Landesgebiets oder        denvorratspolitik und vorhabenbezogenem Zwi-
         der Region entwickelt werden sollen (zum Bei-        schenerwerb, um bestimmte Flächenpotenziale
         spiel regional bedeutsame Gewerbestandorte).         zu aktivieren und die ganze Palette der Instru-
         Das städtebauliche Vorhaben muss den Charak-         mente, insbesondere auch die Umlegung sowie
         ter einer Gesamtmaßnahme haben, die darauf           die Optionen von privatrechtlichen Verträgen zu
         angelegt ist, für einen bestimmten Bereich ein       nutzen. In der Bereitstellung, Mobilisierung und
         Geflecht mehrerer Einzelmaßnahmen über einen         Steuerung der Baulandentwicklung spielen die
         längeren Zeitraum koordiniert und aufeinander        kooperativen Baulandmodelle mit städtebauli-
         abgestimmt vorzubereiten und durchzuführen.          chen Verträgen sowie die Konzeptvergaben zur
         Bei der SEM darf die Kommune keinen Gewinn           Erreichung wohnungs- und stadtentwicklungs-
         machen, trägt aber wie beim Zwischenerwerb           politischer Ziele eine wichtige Rolle.
         das Risiko der Entwicklungskosten.

         Dieses Instrument ist nicht für den Regelfall der    Umsetzung kooperativer Baulandmodelle
         Bauentwicklung vorgesehen, bietet aber wei-          durch städtebauliche Verträge
         terreichende Möglichkeiten zur geschlossenen
         Durchführung und umfassenden Finanzierung            Kooperative Baulandmodelle unter Anwendung
         der Baulandentwicklung. Unter gewissen Um-           städtebaulicher Verträge werden unter woh-
         ständen sind im Rahmen einer städtebaulichen         nungspolitischen Gesichtspunkten intensiv dis-
         Entwicklungsmaßnahme Enteignungen unko-              kutiert. Nach dem Vorbild des Münchener Mo-
         operativer Grundstückseigentümer möglich.            dells haben sich diese in mehr oder weniger
                                                              individueller Adaption auf verschiedene lokale
                                                              Rahmenbedingungen und Bedarfslagen in vie-
                                                              len Kommunen weiter verbreitet oder sind in
         Einordnung und Bewertung der                         Vorbereitung. Gleichwohl können und sollen sie
         vorgestellten Instrumente                            aber nur einen Teil der benötigten Angebotsaus-
                                                              weitung leisten und tragen gemeinsam mit an-
         Zu den vorgestellten Partialmodellen gibt es der-    deren Verfahren in den Kommunen zur Bauland-
         zeit keine breite empirische Grundlage zu ihrer      bzw. Baurechtsschaffung bei.
         Anwendung und es fehlen belastbare Erkennt-
         nisse dazu, wie hoch die Mengeneffekte aus die-      Ein wesentlicher Bestandteil städtebaulicher
         sen Modellen zu veranschlagen sind. Es besteht       Verträge besteht in der Vereinbarung, welche
         aber Konsens darüber, dass sie – bis auf die rei-    Leistungen bzw. Kosten bei der Schaffung von
         ne Angebotsplanung – für eine aktive Bauland-        neuem oder höherwertigem Baurecht auf Grund-
         politik grundsätzlich relevant und geeignet sind.    stücken durch den Grundstückseigentümer aus
                                                              der Bodenwertsteigerung getragen werden
         Bei der Auswertung der Praxisbeispiele wurde         können (Planungskosten, Erschließung, natur-
         deutlich, dass eine Kombination verschiedener        schutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen, Folge-
         Instrumente der Baulandentwicklung möglich           kosten für soziale Infrastruktur etc.). Auch Quo-
         und sinnvoll ist. Besonders wichtig ist die sys-     ten für sozialen oder preiswerten Wohnungsbau
         tematische Verzahnung von langfristiger Bo-          und Eigenheimbau können festgelegt werden.
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Mehr Bauland für bezahlbaren Wohnungsbau
                                                     Gute Beispiele kommunaler Boden- und Liegenschaftspolitik

Um eine Mitwirkungsbereitschaft der Investoren       Die Steuerungsmöglichkeiten der Kommune bei
und Eigentümer zu schaffen, ist in einigen Bau-      der Baulandentwicklung in kooperativen Ver-
landmodellen (zum Beispiel Stuttgart, München,       fahren richten sich nach ihrer Verhandlungspo-
Köln) geregelt, dass mindestens ein Drittel der      sition gegenüber den Grundstückseigentümern
Bodenwertsteigerung beim Planungsbegüns-             und ihrem wirtschaftlichen Spielraum. Um die-
tigten verbleibt. Dieser in der Praxis gängige       sen zu berechnen, ist eine städtebauliche Kal-
Anteil ist bisher noch nicht gerichtlich bestätigt   kulation unerlässlich. Dies ist für die Kommune
(Frage der Angemessenheit der Leistungen und         auch sinnvoll, um anhand der baulichen Ausnut-
Gegenleistungen in städtebaulichen Verträgen         zung des Grundstücks über die Festlegung der
gemäß § 11 BauGB). Andererseits wird von             Grundflächenzahl (GRZ) und der Geschoßflä-
Praktikern angeführt, dass derartige Festset-        chenzahl (GFZ) im städtebaulichen Vertrag den
zungen nicht notwendig sind. In anderen Woh-         Verhandlungsspielraum der Investoren besser
nungsmarktregionen funktioniert der Markt auch       einschätzen zu können.
mit geringeren Margen bei der Baulandentwick-
lung. Darüber hinaus könnte der beim Investor        Bei der Anwendung kooperativer Verfahren be-
verbleibende Anteil der Bodenwertsteigerung          nötigen Kommunen ausreichende Flächenpo-
(Investitionsanreiz) auch innerhalb einer Stadt      tenziale zur Baulandentwicklung um eine gute
variieren und zum Beispiel am unterschiedlichen      Verhandlungsposition gegenüber den Grund-
Bodenpreisniveau ausgerichtet sein.                  stückseigentümern einzunehmen und deren
                                                     Mitwirkungsbereitschaft zu erreichen. Sonst
Regelungen, die einen gewissen Mindestverbleib       können monopolartige Stellungen einzelner Ei-
der Bodenwertsteigerung beim Grundeigentümer         gentümer die Umsetzung eines solchen Modells
beinhalten, sind teilweise vorhanden und von den     blockieren. In diesem Zusammenhang wird auf
Marktteilnehmern akzeptiert. Sie wirken auch in      die Bedeutung der Flächenausweisung alternati-
geringer Höhe als Investitionsanreiz und stellen     ver Standorte für eine Baulandentwicklung in der
somit bei den Investoren kein Hemmnis dar. Von       Landesplanung hingewiesen, die ein solches
Investoren wird in diesem Zusammenhang immer         Vorgehen in Verhandlungen erst ermöglicht.
wieder die Bedeutung verlässlicher, kalkulierba-
rer und transparenter Rahmenbedingungen und
Regelungen über mehrere Jahre hinweg von der         Grenzen von kooperativen Baulandmodellen
Planung bis zur Baufertigstellung unterstrichen.
Ebenso wichtig ist die konsequente Anwendung         Baulandmodelle verknüpfen die kommunale
der Baulandmodelle, um eine Gleichbehandlung         Bodenpolitik mit inhaltlichen Zielen (vor allem
der Marktteilnehmer zu gewährleisten und damit       soziale, ökonomische und städtebauliche Zie-
die Akzeptanz des Verfahrens am Markt durch-         le). Sie sind daher geeignet, einen Beitrag zum
zusetzen. Notwendig ist jedoch bei der Ausge-        Ziel des bezahlbaren Wohnens und Bauens zu
staltung der Auflagen die Berücksichtigung der       leisten und haben dies in der Praxis mehrfach
Gesamtwirtschaftlichkeit des Vorhabens, um ein       bewiesen. Die untersuchten Beispiele machen
Scheitern zu vermeiden.                              deutlich, dass mit Baulandmodellen keine aus-
                                                     reichenden Mengeneffekte zu erzielen sind. Al-
                                                     lein die Angebotsausweitung durch vermehrte
                                                                                                                 [ 21 ]
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