Mein Weg zur Architektur - Studium und Lehrjahre - bob ...
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785 Robert Wetzels Mein Weg zur Architektur – Studium und Lehrjahre Struktur 1. Studium 2. Lehrjahre Anfänge Kees Christiaanse/ ASTOC Architects Grundlagen des Entwerfens & Planners Rotterdam/Kölnn Hauptstudium Peter Eisenman, New York Was könnte man besser machen? 3. Resümee 1. Studium hen und der Weg zu meinen Freunden war nicht zu lang. Darum habe ich Bochum als Studienort Anfänge gewählt, aus ganz pragmatischen Gründen. Ich bin auf dem Land groß geworden. Damals Über die Qualität der dortigen Lehre wußte ich galt noch: einen bodenständigen Beruf erlernen nichts. Für mich zählte: mein Ziel schnell zu er- und arbeiten gehen. Von Studium konnte da keine reichen. Guter Architekt konnte man ganz sicher Rede sein. Es anders zu machen hatte ich nicht vor. auch an der Fachhochschule in Bochum werden. Warum auch - ich wollte jetzt Geld verdienen, au- Das war meine Einstellung, deshalb wurde ich ein ßerdem interessierte mich das Holzhandwerk. Aus ordentlicher Student. diesem Grund machte ich eine Schreinerlehre. In meiner Zeit als Schreiner lernte ich den Ar- Grundlagen des Entwerfens chitekten kennen, vor dem ich stets einen gewis- Im ersten Jahr der Studienzeit wurden Entwurfs- sen Respekt hatte. Allerdings erlebte ich auf der grundlagen vermittelt. Gespannt besuchte man die Baustelle auch die, deren Vorstellungen sich nicht Vorlesungen, unwissend was einen erwartet. umsetzen ließen. Das bedeutete: Änderungen, die Prof. Dr. Rossbach, der Entwurfsprofessor, war mir viel Arbeit und Diskussion bescherten. ein Mann der alten Schule. In seiner aktiven Ar- Davon hatte ich genug. chitektenzeit hatte er eine Vielzahl von Baupro- Ich wußte jetzt genau, was ich wollte: Häuser jekten umgesetzt, vorwiegend im Wohnungsbau. bauen, gute Häuser, in denen sich Menschen wohl Seine Lehre beruhte auf der Vermittlung von fühlen. Das war mein Ziel. Und meine Motivati- Grundkenntnissen der Objektplanung und einer on: auf die Bühne, selbst dirigieren lernen und es dazu nötigen Arbeitsdisziplin. In den Vorlesun- besser machen. gen stellte er seine Gebäude vor. Er erklärte die Hinsichtlich des Studiums hatte ich noch keine Inhalte eines Bauantrages oder wie Grundrisse, konkreten Erwartungen. Ich sah es als Mittel zum Schnitte und Ansichten auszusehen haben. Da- Zweck, als Wegan, um ans Ziel zu kommen. nach erhielt man kleinere Hausaufgaben, die es Über den zweiten Bildungsgang kam ich zur termingerecht zu lösen galt. Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, Diese Wochenaufgaben machten durchaus Sinn. Fachbereich Architektur, nach Bochum. Man erlernte Pläne in verschiedenen Maßstäben Ich wollte in die Stadt, raus von zu Hause. Bo- zu zeichnen, übte die Darstellung von Bäumen, chum hatte einige Vorteile zu bieten: die Stadt lag Menschen und Beschriftungen. Der Umgang mit mitten im Ruhrgebiet, ich kannte sie vom Ausge- den lästigen Rapidographen spielte sich langsam
786 Nach dem Studium – Erfahrungen in den ersten Praxisjahren gegangenen Semestern. Die Aufgabe war inzwi- schen Schema. Arbeitsmodelle in die Entwicklung von Ent- wurfsideen einzubringen, auf den Gedanken brachte uns keiner. Planlayout war sowieso Ne- bensache. Wozu auch, abgegeben wurden ledig- lich die damals gebräuchlichen Blaupausen und ein Modell - aus Holz, möglichst perfekt und sauber gearbeitet. Die Ergebnisse ähnelten sich durchaus – deutlich lesbar die strenge Handschrift des Professors. Ansicht eines Einfamilienhauses Aber es ging hier schließlich um ordentliche Grundlagenarbeit und nicht um die Suche nach ein, ebenso ein Gefühl für Proportionen, Farben eigenen, neuen, gar visionären Entwürfen. Kom- und Formen. mentar: “Das Rad wird ja auch nicht ständig neu In den Korrekturen besprach man die Aufgaben, erfunden …”. gefragt war stetiger Fleiß und Pünktlichkeit. Der Im ersten Jahr lernten wir also das Handwerks- Lohn für die Besten: im Schaukasten ausgestellt zeug eines Architekten kennen. Kombiniert wurde zu werden … mit anderen Fächern wie Gestalten, Baugeschich- Den Abschluß des ersten Jahres krönte schließ- te, Baukonstruktion, Darstellende Geometrie und lich der alljährliche Bauantrag für ein Einfamili- Freihandzeichnen. Dazu gehörten: die wichtigs- enhaus. Man kannte das schon. Informationen gab ten Architekten der Geschichte, bedeutende Bau- es ausführlich bei der Fachschaft und den voran- ten aus der Vergangenheit, die Funktion von Trag- werken und das Konstruieren von Körpern und Schatten. Besonders gefiel mir die Zeit bei Prof. Thulesius. Er erzählte sehr lebendig und mit viel En- gagement, wie sich die Geschich- te der Architektur zugetragen hat. Bei ihm lernten wir unsere Wahrnehmung, den Blick für die Umgebung zu schulen. Unse- re Aufgabe bestand darin, diese Eindrücke in Zeichnungen wie- derzugeben. Auf einmal nahm ich Räume bewußt wahr. Plötzlich prüfte ich die Qualität von Gebäuden, die Funktion von öffentlichen Plätzen und achtete auf Details, welche ich früher nie entdeckt hätte. Wer in diesem Jahr gut mitge- arbeitet hatte, war bereits in der Lage, in einem Architekturbüro produktiv mitzuarbeiten. Ein Vor- teil dieser soliden, arbeitsintensi- ven Grundausbildung von dem Grundriss eines Einfamilienhauses ich heute noch profitiere .
Robert Wetzels · Mein Weg zur Architektur – Studium und Lehrjahre 787 Skizze Kees Christiaanse Hauptstudium Ich begriff: erst durch die Formulierung von Gerüstet mit erstem Wissen erwartete uns im Ansprüchen kann Qualität entstehen. Deshalb en- Hauptstudium die eigentliche Entwurfsarbeit. dete mein Studium mit dem Diplom bei diesem Nun mußte sich jeder alleine durchkämpfen um Professor. die geforderten drei großen Entwürfe, Tages- und Wochenstegreife zu meistern. Lediglich einige Was könnte man besser machen? angekündigten Entwurfsvorlesungen zum der- Zurückblickend weist diese Lehrzeit durchaus zeitigen Architekturgeschehen und die jeweiligen einige gravierende Mängel auf. Bezeichnend für Korrekturen bereicherten den eigenen Entwick- eine gute Ausbildungsstätte ist immer ihr zugrun- lungsprozeß. Der Rest unterlag dem selbständi- de gelegter Lehranspruch. Dieser wird leider nur gen Studium durch Fachliteratur und dem persön- zu häufig durch das Engagement einzelner Per- lichen Ehrgeiz. sönlichkeiten getragen. Zumindest sollte Aktua- Nur die Wintersemester waren richtig spannend: lität und Begeisterungsfähigkeit erhalten bleiben. In dieser Zeit wurden regelmäßig Stararchitekten In unserem Studium gerieten die zusätzlichen zu Werkvorträgen eingeladen, die uns stark moti- Werkvortäge eingeladener Architekten zeitweise vierten und zu Diskussionen anregten. Ansonsten zum wichtigsten und einzigen Motivationsele- gab es einfach nicht genug Möglichkeiten, anhand ment. aktueller Projekte über die eigenen Ideen zu dis- Die Präsentation unserer Entwürfe lernten wir kutieren. Bis wir einen neuen Dozenten bekamen: zu keinem Zeitpunkt meiner Ausbildung. Weder Professor Kunibert Wachten. im Kreis der Fachhochschule, geschweige denn in Dieser Mensch hat mir erstmals die Bedeutung der Öffentlichkeit. Es fehlte die weitere Auseinan- des Wortes Entwerfen beigebracht. Seine Lehre dersetzung mit den Arbeiten. Nach jedem Termin unterschied sich wesentlich von dem bisher Ge- der Abgabe wurde die gelöste Aufgabe einfach ad kannten. Wir besprachen geplante und gebaute acta gelegt. Dadurch übte man weder die Reflexi- Projekte aus seiner persönlichen Arbeit, interna- on, noch fand der Umgang mit öffentlichem Lob tionale Wettbewerbe und aktuelle Entwürfe. Ne- und Kritik statt. Niemand brauchte auf diese Wei- benbei organisierte er Workshops, Exkursionen se seine Arbeit hinsichtlich Verständlichkeit und nach Holland, Besuche zu Ausstellungen. Und er Lesbarkeit prüfen zu lassen. war stets zur offenen Diskussion bereit. Es wurde nicht gefordert Entwurfskonzepte Jetzt ging es durchaus um Visionen, Ideenfin- anhand von Darstellungsmethoden schlüssig zu dung, Konzepterarbeitung und gute Präsentation. erläutern. Dabei wäre es doch ein Leichtes ge- Nicht die normgerechte Planung von Projekten wesen, Laien, die symbolisch für einen Bauherrn stand im Mittelpunkt, sondern der räumliche Ent- stehen, einmal in die Fachhochschule einzuladen. wurf. Prof. Kunibert Wachten war mit Herz und Gelegenheiten zu denen man die Präsentation und Seele dabei. die Argumentation in einer realen Situation hätte Wir sollten aus Beispielen lernen, Kritik üben, üben können. Eine großartige Vorbereitung auf Stellung beziehen, um an uns selbst zu arbeiten. das kommende Berufsleben. Er lehrte uns nach eigenen Wegen zu suchen. So aber bleibt ein Versäumnis, mit dem ich Meine Motivation stieg enorm, das Feuer war heute oft zu kämpfen habe. Inzwischen hat in der entfacht. Ich wollte Neues entwickeln, Varianten Professorenschaft der Fachhochschule Bochum erarbeiten, dazu Modelle bauen, einen Prozeß in ein Generationswechsel stattgefunden. Weitere Gang bringen: die Idee bestmöglich umsetzen. neue Dozenten sind mit Ideen und Vorstellungen
788 Nach dem Studium – Erfahrungen in den ersten Praxisjahren Collage, HH-Holzhafen. Kees Christiaanse/Astoc Perspektive HH-Holzhafen Ostgebäude, Kees Chris- Architects & Planersc tiaanse/ Astoc Architects & Planners hinzugekommen, die nur noch wenig mit der alten genden Lehrjahren kennen gelernt. Das Studium Ingenieurschule gemeinsam haben. Die Lehre des bildet lediglich eine Grundlage. Weitergehende Entwerfen ist weiter in den Vordergrund gerückt: Entwicklungen, hat jeder selbst in der Hand. Ich Erstsemester lernen Räume zu bilden, anstatt denke Entwerfen ist erlernbar. Allerdings reicht es Flächen nach DIN zu entwickeln. Entwürfe oder dafür nicht, ein paar bunte Bilder zu malen. Diplomkolloquien werden inzwischen öffentlich präsentiert und durch gemeinsame Arbeitsräume 2. Lehrjahre wird Teamarbeit gestärkt. Nach wie vor ist an der Architektenausbildung Kees Christiaanse/ ASTOC Architects die große Bandbreite der möglichen Aufgabenfel- & Planners Rotterdam/Köln der schwierig zu vermitteln. Der Anregung meines Diplomvaters Prof. Kuni- Benötigt wird eigentlich ein Generalist - ein Di- bert Wachten verdanke ich es, im nächsten Schritt rigent für die unterschiedlichen Anforderungen und ein Praktikum in Holland gewagt zu haben. Ich Bedürfnisse, der am Bau Beteiligten und der vor- kannte den niederländischen Architekten Kees herrschenden Umstände. Dies in unserer sich stetig Christiaanse schon aus meiner Studienzeit. Sein pluralisierenden Gesellschaft zu leisten, wird zu- Werkvortrag an der FH Bochum beeindruckte nehmend schwieriger. Schon heute ist der einzelne mich sehr. Architekt mit dieser Aufgabe oft überfordert. Zusammen mit Rem Koolhaas/ O.M.A. hatte er Eine mögliche Lösung könnte ein Studium mit bereits in den 80er Jahren an Entwurfsstrategien verschiedenen Schwerpunkten sein. Beispielswei- gearbeitet, die auf internationaler Ebene Aufsehen se: Drei Jahre einheitliche Lehrzeit, danach ein erregten. In den Niederlanden angewandt, sind Vertiefungsjahr im selbst gewählten Spezialge- viele dieser entwickelten Theorien inzwischen biet. Vorstellbar wäre Entwurf, Städtebau, Visua- richtungweisend für den Städtebau in aller Welt. lisierung, Baukonstruktion, Bauleitung, bis hin zu In einer international besetzten Runde arbeite- Baumanagement. Eine fachliche Spezialisierung ten dort Architekten und Studenten an den unter- erleichtert die berufliche Identifikation in der Pra- schiedlichsten Projekten zusammen. Entwurfsstu- xis, für einen selbst und für andere. dien und Massenmodelle stapelten sich auf den Dabei bleibt das tragende Element im Architek- Tischen und standen bezeichnend für die vorherr- tenstudium die Eigenmotivation, ein starker Wille schende Entwurfsphilosophie. und persönlicher Ehrgeiz. Eigenschaften die sich Vom kleinen Wohnungsbau bis zum städtebau- auch nicht durch Einstellungstests herausfinden lichen Masterplan wird die ganze Bandbreite der lassen. Architektur abgedeckt. Wenn ich meinen Weg betrachte, so habe ich Nach einer anfänglicher Anspannung über- viele Entwurfsmethoden erst in den darauf fol- raschte es mich selbst, wie gut ich dort mit mei-
Robert Wetzels · Mein Weg zur Architektur – Studium und Lehrjahre 789 nem erlernten Handwerkszeug zurechtkam. Kurz vor Ablauf des Praktikums bekam ich die Mög- lichkeit in seinem Partnerbüro in Köln, bei AS- TOC Architects & Planners zu arbeiten. Aus dem Praktikums Vertrag wurde eine Festanstellung. Von nun an pendelte ich oft zwischen Rotter- dam und Köln und zwar nicht nur räumlich: es begann ein spannender Entwurf- Prozeß zwischen zwei Ländern, deren Kulturen sehr ähnlich und doch gleichzeitig so verschieden sind. Während man in den Niederlanden industriell baut, ist das Bauen in Deutschland eher in einem handwerklichen Denken verankert. Der Ziegel ist in Holland das billigste Fassadenmaterial, in Deutschland eines der teuersten. Zudem wird der Stellenwert eines Gebäudes in beiden Ländern sehr unterschiedlich betrachtet. Ein Niederländer kauft ein Haus als Konsumartikel, der Deutsche baut sich seinen Familiensitz. Bei K.C./ ASTOC sind diese Grenzen fließend. Es findet dort kein bloßer Import- Export zweier Länder statt, sondern man lernt voneinander und sammelt miteinander Erfahrungen. Genau das machte es so spannend: zu sehen wie Architek- tur und Städtebau aus den verschiedenen Pers- pektiven beider Nationalitäten beleuchtet werden - Entwurfskonzepte mit neuen Ideen und Sicht- weisen können entstehen. In der Umsetzung zählt letztendlich die Fähigkeit auf das gebaute Umfeld zu reagieren, die verschiedenen Strömungen zu vereinen und zu moderieren. Hierzu braucht es Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Planer, Bauherr, Stadt und oder public private partners- hip. Das Bestreben liegt darin alle Belange der verschiedenen Parteien zu koordinieren. Nicht Künstler, nicht Heilsbringer ist der Architekt in Holland, sondern eher ein Ingenieur der Wünsche. Selbst für die holländische Architektenausbil- dung gilt es, das Training des analytischen Ver- Memory consolidation, Eisenman Architects standes zu üben, während in Deutschland meist der professionelle Automatismus studiert wird. Hier wurden Entwürfe aus abstrakten Theorien Peter Eisenman, New York entwickelt. Diese formulierten sich nicht aus de- Die vielen internationalen Projekte bei K.C./ AS- finierten Ansprüchen oder analytischen Gedanken TOC hatten mich noch einmal neugierig auf die zum Ort, nein, die Vision war zuerst da und wurde Ferne gemacht, und so ging ich für ein halbes Jahr zum Leitfaden der Objektentwicklung. zu Peter Eisenman nach New York. Zum Beispiel diente als Entwurfsidee für die Was mich dort in Sachen Entwurfsmethoden er- Bibliothek der Vereinten Nationen in Genf der wartete, war eine ganz andere Welt. neurologische Vorgang des menschlichen Gehirns
790 Nach dem Studium – Erfahrungen in den ersten Praxisjahren Körper abzuleiten war. Ein Ort der aufgezeichneten Gedanken entstand. In New York konnte ich den Ar- beitsalltag bei einem Stararchitekten miterleben. Für ihn sind die großen, prestigeträchtigen Entwürfe interes- sant. Die Umsetzung der Ideen und die kleinen, weniger spektakulären Aufgaben, meisterten damals die vie- len No- Budget- Studenten. Ihr Feuer der Architektur brennt, weshalb sie al- les für diesen Job tun würden. Am Ende steht der Faszination um Memory consolidation, Eisenman Architects die hohe Kunst des großen Entwer- fens die eigene Erkenntnis gegenüber. Ich würde sie salopp so bezeichnen: - während der Denk- und Erinnerungsvorgänge. “Auch die intellektuelle Suppe wird nur mit Was- Dieser Denkprozess ist in Messaufzeichnun- ser gekocht.” gen zweidimensional darstellbar und bildete die Trotzdem brauchen wir die Eisenmans, die Grundlage zur Weiterentwicklung in die dritte Di- Theoretiker, die Vordenker, die Visionen der gro- mension. ßen Ideenwettbewerbe, um neue richtungweisen- Durch Trennung, Überlagerung und Verdopp- de Strategien für unsere sich stets wandelnde Ge- lung verschiedener Gedächtnisspuren wurden die sellschaft zu entwickeln. Messaufzeichnungen so verändert, bis daraus ein 3. Resümee Die Eindrücke aus den Aufenthalten im Ausland haben mich und meine Ansichten zur Architektur entscheidend geprägt. Die Zeit in New York war eine wichtige Erfahrung, aber Peter Eisenmans Entwurfsmethoden habe ich nicht weiter verfolgt. Beeindruckt hat mich vorwiegend die grenzüber- greifende Arbeitsweise von K.C./ASTOC. Die Fähigkeit, Projekte mit Parteien unterschiedlicher Interessen zu koordinieren und sie in den Ent- wurfsprozeß einzubinden. Ich habe gelernt, Aufgaben, ob im großen oder kleinen Maßstab, klar zu analysieren. Denn jedes Projekt unterliegt seinen eigenen Gesetzmäßig- keiten, die es zu studieren gilt. Entwerfen ist eine spannende aber auch harte Arbeit, die aus Analyse, Ideenfindung und Kon- zept besteht. Sie hat für mich nichts mit gedank lichen Schnellschüssen zu tun. Es gibt dazu passend ein holländisches Sprichwort: “… in Rotterdam kommen die Kinder mit hochgekrem- pelten Hemden zur Welt.” Genau so habe ich die Lehre und das Entwerfen in Rotterdam kennen- gelernt. Modell Bibliothek der Vereinten Nationen, Eisenman Heute, nach vielen weiteren Projekten in den Architects Büros von K.C./ASTOC, bin ich selbständiger
Robert Wetzels · Mein Weg zur Architektur – Studium und Lehrjahre 791 Links: Grundriss Erweiterung einer Schreinerei, Architekt: Robert Wetzels; rechts: Erweiterung der Schreine- rei, Architekt: Robert Wetzels Architekt in Köln. Die internationalen Erfahrun- zwischen Anspruch und Bekömmlichkeit zu fin- gen aus dem Austausch Niederlande- Deutschland den. sind Basis meiner eigenen Entwurfsphilosophie Feine Unterschiede lassen sich auch für den geworden. ungeübten Gaumen entdecken, wenn er erst ein- Ich habe meinen Weg gefunden: ein kreativer mal die kulinarischen Variationsmöglichkeiten Handwerker, der seine Ideen auf realen Gegeben- kennengelernt hat. Diesen Prozeß zu unterstützen heiten erarbeitet und nicht auf der Intuition intel- erfordert von uns Köchen einerseits viel Eigenen- lektueller, abstrakter Vorstellungen. gagement, trägt aber andererseits zu einer allge- Wenn ich einen Vergleich verwenden müsste meinen Genußsteigerung bei. um meine Lehrjahre zu beschreiben, so denke ich Das Ziel besteht letztendlich darin: mit der an eine Ausbildung zum Koch. Qualität der eigenen Arbeit für eine Gourmet-Kü- Im Studium lernt man den Umgang mit den che zu stehen. grundlegenden Werkzeugen, die Zubereitung Meiner Motivation als eigenständiger Archi- von einfachen und soliden Speisen. Kulinarisch tekt, lege ich auch heute noch das anfängliche Ziel ist man zunächst selbst nicht besonders überwäl- meines Studiums zugrunde: “Gute Häuser bauen, tigt, da man das Meiste schon aus Mutters Küche in denen sich Menschen wohl fühlen”. kennt. Immerhin weiß man nun wie es geht. Natürlich braucht es hierfür einen Bauherrn. Am Ende des Studiums verfügt man bereits Dieser formuliert mit seinen Wünschen eine Auf- über eine eigene Sammlung von Rezepten, hat gabe für den Architekten, die es zu lösen gilt. Ein erste Vorlieben entdeckt. Die Verwendung von spannender Entwurfsprozeß, unter der Abwägung Gewürzen um damit dem Gericht eine besondere Note zu verleihen, erfolgt noch zaghaft und ohne Kenntnis über die tatsächliche Wirkung. Einmal in den Genuß gekommen, wird in der Lehrzeit danach viel probiert und das Rezeptbuch reichlich gefüllt. Man ist bestrebt das Ergebnis, aber auch den Prozeß der Zubereitung zu opti- mieren. Neue Kreationen werden getestet und in- dividuell bewertet. Der Mut zur Variationsvielfalt stellt sich allerdings erst mit zunehmender Erfah- rung und Professionalität ein. Dazu kommt die Erkenntnis, dass Geschmä- cker unterschiedlich sind bzw. sich die Persönli- chen nicht immer mit denen der zu Bekochenden Teil der Erweiterung der Schreinerei bei Nacht, decken. Hier muß jeder versuchen eigene Wege Architekt: Robert Wetzels
792 Nach dem Studium – Erfahrungen in den ersten Praxisjahren aller Umstände, Vorstellungen und Interessen be- und räumlichen Qualitäten von der alltäglichen ginnt. Umgebungsarchitektur abheben. Meine Ideen wachsen aus der Auseinanderset- Für mich ist das Endprodukt der Maßstab. zung mit den Beteiligten, der Analyse des Ortes, Räumliche und gestalterische Qualitäten werden und deren Vorgaben heraus. Dabei handelt es sich nach der Umsetzung beurteilen lassen. Erst nicht um ein stures, nüchternes Schema, sondern ein gebautes Objekt bestätigt den guten Entwurf, um einen lebendigen Prozeß, der den Bauherrn durch einen gelungenen Weg von der Planung in mit einbezieht. die Realität. Es ist das Entwickeln von Strategien, das Ge- Leider spiegeln sich in den Dörfern und Städten fühl für die Aufgabe, welches mich zum Konzept unserer Landschaften zu viele, beliebige Wohn- führt. Am Ende entsteht ein Bild. Dieses dem und Geschäftsbauten wieder. Bauherrn zu verdeutlichen, benötigt verständliche Das Bauen ist eine öffentliche Aufgabe. Nicht Darstellungsmethoden. Ob mit Skizzen, Perspek- die wenigen Spitzenentwürfe einzelner Großpro- tiven, Modellen, mit oder ohne den Einsatz neuer jekte tragen zu einem qualitätvollen Lebensraum Medien. Ziel ist es ihn zu interessieren, zu zeigen bei, sondern ein hoher Standard für die Mehrzahl was Architektur sein kann und ihn dort abzuholen, des Gebauten. wo er gerade steht. Daran zu arbeiten, sollte das Ziel der Architek- Das bedeutet ständige Kommunikation zwi- tenlehrjahre, die Intention für das Entwerfen und schen dem Entwurf und der räumlichen Vorstel- die Hauptaufgabe eines Architekten sein. lungskraft des Auftraggebers. Ein Weg der ar- beitsintensiv und um so spannender ist, wenn das »… und noch das privateste Haus ist eine öffent- Feuer überspringt. liche Affäre.« (Manfred Sack: Von der Utopie, So entstehen zusammen mit den Beteiligten dem guten Geschmack und der Kultur des Bau- durchaus Gebäude, die sich in Form, Materialien herrn oder: Wie entsteht gute Architektur?)
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