Mer zmedien + erziehung - merz-Zeitschrift
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merz 64. Jahrgang Nr. 2 April 2020 10,00 EURO medien + erziehung zeitschrift für medienpädagogik Beruf Medienpädagog*in Weitere Themen Das Phänomen Sexting – (k)ein Kinderspiel Digitalisierung von Organisationsprozessen an Schulen Makerspace, Hackerspace und Social Lab im universitären Kontext kopaed
merz inhalt merz medien + erziehung 2.20 2 aktuell 60 spektrum 60 Das Phänomen Sexting – 6 thema (k)ein Kinderspiel Die Relevanz einer sexualbezogenen Beruf Medienpädagog*in Medienkompetenz 6 Wege zum Beruf Medienpädagog*in Nora Ulbing Editorial 67 Digitalisierung von Klaus Lutz, Eike Rösch Organisationsprozessen an Schulen 10 Theoretische Begründungslinien Ramona Dietrich der Medienpädagogik 74 Makerspace, Hackerspace und Ein Überblick Social Lab im universitären Kontext Patrick Bettinger Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen 22 Medienpädagogik als eigener Beruf Claudia Schumacher Kai-Uwe Hugger 32 40 Jahre medienpädagogische Arbeit 81 medienreport Ein Interview mit Günther Anfang, JFF 81 Keine Zeit für gewöhnliches Kino 37 Medienpädagogik 70. Berlinale – starke Sektion Qualifizierungsmöglichkeiten für ein GENERATION heterogenes Berufsfeld Markus Achatz Johannes Fromme, Steffi Rehfeld, 87 KonterBUNT – Kontern gegen Josefa Much Stammtischparolen 49 Medienpädagogische Praxisarbeit Antworten auf Stereotype für Kinder und Jugendliche Dana Neuleitner Leitlinien für qualitätsvolle Vorhaben zwischen Kontinuität und Wandel 89 publikationen Mareike Schemmerling 91 kurz notiert 93 impressum 94 service 96 kolumne 96 Lebst du noch – oder bist du online? Hans-Dieter Kübler CC BY 4.0 Jürgen Sleegers 1
D21-Digital-Index tainment-Angebote und Soziale repräsentative Zufallsstichpro- 2019/2020 Medien. Diese werden bevor- be, wobei aus der Herausgabe zugt von Jüngeren und tenden- nicht hervorgeht, ob beide Die zunehmende Digitalisie- ziell eher von Männern genutzt. Stichprobenziehungen repräsen- rung der deutschen Bevölke- YouTube wird beispielsweise von tativ sind. Zur Methodik liegt rung ist auch auf deren steigen- 70 Prozent der 14- bis 19-Jähri- nur ein überblicksartiger Steck- de Digitalkompetenz zurück- gen, aber nur von zwölf Prozent brief vor. zuführen. Zu diesem Ergebnis der über 64-Jährigen genutzt. www.initiatived21.de kommt der D21-Digital-Index Kompetenzen im Umgang mit 2019/2020 der wirtschafts dem Smartphone sind weiter Maurice Pflug nahen Initiative D21. Der Index verbreitet als Kompetenzen im hat mit 58 Punkten (+ 3 Punkte Umgang mit klassischen Com- im Vergleich zum Vorjahr) einen puteranwendungen. Personen Neue Plattform: neuen Höchstwert erreicht. Er mit niedrigem Bildungsniveau Jugendliche gegen setzt sich aus den vier Fakto- schneiden in allen Kompetenz- extremistische ren Zugang (+ 4), Nutzungsver- bereichen unterdurchschnitt- Ansprachen stärken halten (+ 4), Kompetenz (+ 3) lich ab. und Offenheit (+ 1) zusammen; Im Schnitt waren den Befrag- Das Präventionsprojekt RISE – im Langzeittrend vor allem mit ten zwei Drittel der abgefrag- Jugendkulturelle Antworten einer kontinuierlichen Zunah- ten Fachbegriffe unbekannt. auf islamistischen Extremismus me beim Zugang. Dieser Trend Beispiele für Fachbegriffe sind: verfolgt das Ziel, das demokrati- beruht vor allem auf den rela Künstliche Intelligenz (61 % be- sche Werteverständnis Jugend tiv hohen Zuwachsraten beim kannt), Algorithmus (43 %), Bot licher durch aktive Medien mobilen Internet und bei (22 %), Blockchain (14 %). arbeit zu fördern. Herzstück Nutzer*innen ab 50 Jahren. Wer heute schon digital-affin des Projekts ist die Plattform: Jüngere Generationen sind be- ist, erwartet stärkere Verände- www.rise-jugendkultur.de – mit reits fast vollständig online. In rungen und bewertet diese ten- von Jugendlichen produzier- der Gesamtstichprobe wird das denziell positiver. Dem gegen- ten Filmen. Diese sind ergänzt Internet häufiger von Männern über steht, dass sich mehr als mit pädagogischem Material (90 %) als von Frauen (82 %) ein Drittel der Befragten durch und wissenschaftlichen Hinter und häufiger von höher Gebil- die Digitalisierung überfordert grundinformationen. Multi- deten (97 %) als von Menschen fühlt (4 % mehr als im Vorjahr). plikator*innen können die mit niedrigem Bildungsstand Dies trifft vor allem auf ältere Inhalte für ihre Präventions (64 %) genutzt. In den Groß- Menschen zu, aber auch auf arbeit nutzen. städten (90 %) ist die Internet- ein Fünftel der 14- bis 19-Jäh- Das Projekt RISE hat es sich nutzung höher als im ländlichen rigen sowie auf die Hälfte der zur Aufgabe gemacht, junge Raum (84 %). Menschen mit formal niedriger Menschen in ihren Meinungs- Entlang unterschiedlicher so- Bildung. bildungsprozessen zu stärken, ziodemografischer oder gesell- Der Digitalindex (n = 2.019) ihre Argumentationsfähigkeit schaftlicher Merkmale zeigen wurde nach einer Struktur- zu fördern, Reflexionsprozesse sich auch Unterschiede im befragung zur Ermittlung der anzustoßen und sie kritisch im Nutzungsverhalten. Das trifft Internet- und Gerätenutzung Umgang mit extremistischen auf alle erhobenen Dienste zu, (n = 20.332) erhoben. Zugrun- Botschaften zu machen. Dazu insbesondere aber auf Enter- de liegt eine bevölkerungs entwickeln Jugendliche eigene 2
merz aktuell nachruf Wolfgang Brudny Dr. Wolfgang Brudny, Mitgründer und Ehrenvorstand des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, ist im 95. Lebensjahr von uns gegangen. Die Medienpädagogik hat Wolfgang Brudny während seines Lebens begleitet und er hat sie aktiv mit getragen. 1949 als Student bei Prof. Martin Keilhacker an der Universität München hat er den Arbeitskreis Jugend und Film e. V., die Keimzelle des heutigen JFF, mitgegründet. Als ein Pionier medienpädagogischer Forschung war er in den folgenden Jahren an den Untersuchun- gen des Arbeitskreises zum ‚Filmerleben von Kindern‘ maßgeblich beteiligt. Diese Untersuchun- gen beruhten erstmals auf Methoden der Beobachtung, die das volle Ausdrucksvermögen von Kindern erfassten, also nicht allein an Wort und Schrift gebunden waren. Die Ergebnisse dieser Forschung schlugen sich 1953 nieder in seiner Dissertation: Das Kind zwischen Spielfilm und Schulfilm. Gestaltungsfragen des Unterrichtsfilms im Hinblick auf das außerschulische Filmerleben der Jugend. Die fundierten Kenntnisse, die er sich hier erworben hatte, bestimmten seine weitere berufliche Laufbahn. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988 war Wolfgang Brudny am Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) erst in München, später in Grünwald tätig. Als Produktionsreferent für Jugend- und Erwachsenenbildung ermöglichte er die wegweisenden Unterrichtsfilme dieses Instituts. Seine Sach- und Fachkompetenz brachte er auch in seine Gutachtertätigkeit in den Gremien der Filmbewertungsstelle der Länder (FBW) und der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) ein. Immer war Wolfgang Brudny dem JFF verbunden. Seit der Gründung war er fast durchgängig Mitglied des Vorstands, seit 1999 ist er dessen Ehrenmitglied. In den vielen Jahren hat er aktiv die Entwicklung des JFF begleitet, mit wertvollem Rat, thematischen Ideen und Einordnun- gen aktueller Entwicklungen in historische Zusammenhänge. Durch seine Beiträge in merz | medien + erziehung haben sein Wissen und seine Anregungen auch die Medienpädagogik in Deutschland bereichert. In Trauer und mit Dank für seine Verbundenheit – für den Vorstand des JFF e. V. und die Herausgeberschaft von merz | medien + erziehung Prof. Dr. Bernd Schorb Positionen, die sie in Medien für die Präventionsarbeit rele- schulischen Bildung zur Verfü- produktionen sichtbar und vant sind: Gesellschaftskritik, gung gestellt. Die Plattform wird für die pädagogische Arbeit Religion und Werte, Rassismus, fortlaufend ausgebaut. zugänglich machen. Die prak- Gender sowie Pluralismus. Das Gesamtvorhaben wird wis- tische Durchführung erfolgt Die entstandenen Medienpro- senschaftlich begleitet. Dies durch eine individuelle Beglei- dukte werden mit Materialien beinhaltet unter anderem ein tung und Unterstützung von und Einsatzmöglichkeiten für die kontinuierliches Monitoring rele Jugendlichen bei der Produk- pädagogische Arbeit aufbereitet vanter wissenschaftlicher und tion von Medienbeiträgen, die und auf der Plattform Fachkräf- pädagogischer Publikationen im Arbeitsfelder fokussieren, die ten der schulischen und außer- Themenfeld, eine theoretische 3
stichwort Sexfluencing So manche Sachen verlangen nach einer verschlossenen Tür. Doch wenn es darum geht, intime Details im öffentlichen Raum zu thematisieren, scheut sich eine Gruppe keineswegs: Sexfluencer*innen. Abgeleitet von Influencer*innen, also Personen mit einer hohen sozial- medialen Reichweite, die online zu ausgewählten Themen Positionen vertreten, welche sie ihren Viewer*innen zur Rezeption anbieten. Einen Teilbereich bildet dabei Sexfluencing: „Was Männer mögen & Frauen wollen“ (@benscouch, Instagram) und „It‘s all about helping you up- grade & enjoy your sexual life“ (@SexFluencer, Twitter) sind nur zwei von unzähligen Account- beschreibungen, die Nutzenden unterschiedlichster Plattformen vor allem eines suggerieren, nämlich Antworten parat zu haben. Antworten auf Fragen, wie das eigene Sexleben wieder in Schwung kommen könnte, worauf es beim Dating zu achten gilt oder wie auch in einer langjäh- rigen Beziehung die Erotik nicht zu kurz kommt. Die Wissenschaftlichkeit der dabei angeführten Fakten, dass zum Beispiel die Aussicht auf baldigen Geschlechtsverkehr den Bartwuchs von Männern verstärke, sei dahingestellt. Bei der sexualisierten Gattung des Influencings ist eine Gratwanderung zwischen Ernsthaftig- keit und Selbstvermarktung zu konstatieren. Sicherlich nicht zu unterschätzen ist dabei, mit Blick auf Inhalte von Selbstdarstellerin Katja Krasavice und ähnlichen Formaten, neben dem Jugendschutz auch die Verzerrung von Wirklichkeit, insbesondere jüngerer Nutzender. Doch haben sich auch zahlreiche Kanäle (@underneath_we_are, Instagram) dem Entgegenwirken von Schönheitsidealen mit einer gesunden Portion Body Positivity verpflichtet. Neben der individuellen Motivation, eine solche Form von Influencing zu konsumieren, und dem daseinsberechtigten Ausdruck von Jugendkultur, dürfen die Beweggründe der Sexfluencer*innen und beispielsweise die dahinterstehende Industrie keinesfalls in Vergessen- heit geraten. Der Kapitalismus kennt keine Grenzen und erst recht keinen Halt vor dem Schlaf- zimmer – und so manch anderen spannenden Orten. Stefanie Neumaier Fundierung der Themenschwer- Studie: Scheitern an selbstbestimmt in der digitalen punkte sowie die Evaluation der Internetrecherche Welt zu bewegen: So geben Praxisangebote. 61 Prozent an, bei der Suche Mit dem Ziel der bundesweiten Ein Drittel der Bevölkerung im Internet die gesuchten In- Wirkung und Vernetzung wird (37 %) scheitert bei der Suche formationen finden zu können. dieses Projekt vom JFF – Institut nach Informationen im Inter- 37 Prozent seien dazu nach eige- für Medienpädagogik in For- net – so lautet das Ergebnis nen Angaben nicht in der Lage. schung und Praxis, ufuq.de, dem einer repräsentativen Studie, die Solange bei den digitalen Gerä- Medienzentrum Parabol und dem Bundesbürger*innen zu ihren ten keine technischen Probleme Netzwerk Vision Kino umgesetzt. Fähigkeiten bei der Nutzung auftauchen, gibt eine Dreiviertel- www.rise-jugendkultur.de digitaler Medien befragt hat. Mehrheit (74 %) an, die Bedie- Einem großen Teil fällt es dem- nung dieser Geräte zu beherr- Swenja Wütscher nach schwer, sich souverän und schen. 46 Prozent können bei 4
merz aktuell auftretenden Fehlermeldungen Maßnahmen, um dagegen vor- mationen über die Profile be- oder unerwarteten Ereignissen zugehen. Im Jahr 2016 waren es kanntgeben. Ferner liegt ein selbstständig herausfinden, wie noch 4.300 gemeldete URLs mit weitreichendes Problem beim diese zu beheben sind. 49 Pro- missbräuchlichen Inhalten, im Sexting. Neben der strafrecht zent geben an, sich in diesen Jahr 2018 hat jugendschutz.net lichen Komponente wird hierbei Situationen nicht selber weiter- 39.500 gemeldete Seiten ver- der psychologische Druck be- helfen zu können. Programme zeichnet. nannt, welcher sich auf Betrof- oder Apps können 60 Prozent Sexualisierte Gewalt bei Fotos fene auswirken kann. der Befragten ohne Hilfe auf den und Videos gibt es in verschie- Doch es können auch Erfolge Geräten installieren, 37 Prozent densten Formen – von sexua- verzeichnet werden. So wurden scheitern daran. Die Hälfte der lisierten Gesten über unbeklei- etwa 90 Prozent der gemelde- Befragten passt Datenschutzein- dete Körperteile der Kinder bis ten Missbrauchsinhalte aus dem stellungen individuell an, wäh- hin zur Ablichtung von Pene Jahr 2018 gelöscht, die Entfer- rend 39 Prozent solche Einstel- tration oder extremeren, weit- nung dauerte im Durchschnitt lungen nie ändern. Eine Online- reichenderen Handlungen. Die drei bis sieben Tage. Außerdem Quelle im Hinblick auf ihre Ver- Verbreitung der Inhalte findet konnten durch die internationale trauenswürdigkeit einschätzen in den meisten Fällen durch Vernetzung Täter*innen im Aus- kann jeder Zweite (50 %), etwa Filehoster-Seiten statt. Dadurch land ausfindig gemacht werden. ebenso viele (46 %) trauen sich können fremde Personen ge- Hierfür arbeitet jugendschutz.net das nicht zu. gen finanzielle Gegenleistungen zusammen mit dem BKA, der Grundlage der Angaben ist eine Zugriff auf das Material erhal- Freiwilligen Selbstkontrolle Multi- Umfrage, die Bitkom Research im ten. Der Großteil dieser Plattfor- media-Diensteanbieter, der Bun- Auftrag des Digitalverbands men befindet sich im Ausland, desprüfstelle für jugendgefährden- Bitkom durchgeführt hat. Dabei was die Ahndung erschwert. Es de Medien und dem INHOPE- wurden 1.003 Menschen in spielen jedoch nicht nur Platt- Verbund, einer Beschwerdestelle, Deutschland ab 16 Jahren tele formen zur Verbreitung der die in über 40 Ländern koope- fonisch befragt. Die Befragung Inhalte eine Rolle. Auch Apps riert. ist repräsentativ für die Gesamt- bieten mit privaten Chatfunk- www.jugendschutz.net gesellschaft. tionen einen geschützten Rah- www.bitkom.org men für Täter*innen: Sie können Jerome Wohlfarth sich über diese Seiten unter- Andrea Stephani einander austauschen, vernet- zen, aber auch und vor allem Die Titelthemen Opfer ansprechen. Der Bericht der kommenden Sexualisierte von jugendschutz.net konsta- Ausgaben: Gewalt online tiert eine schlechte Vorsorge von Anbietern, was eine grö- Soziale Ungleichheit Die Anzahl der gemeldeten Sei- ßere Angriffsfläche bei jüngeren (merz 3/20) ten mit sexualisierter Gewalt Nutzer*innen zur Folge habe. Digitale Narrative nimmt zu – laut einem Bericht So sind die standardmäßigen (merz 4/20) von jugenschutz.net. Dieser zeigt Datenschutzeinstellungen auf Ethik und KI sowohl eine Bandbreite an Mög- TikTok, Instagram oder YouTube (merz 5/20) lichkeiten sexualisierter Inhalte als nicht jugendgerecht zu von Minderjährigen auf als auch bewerten, da sie zu viele Infor 5
Wege zum Beruf Medienpädagog*in Editorial Die Medienpädagogik ist in den letzten Jahr- dieser jungen Disziplin zu beschreiben. Jetzt, zehnten von einer Randerscheinung ins Zent- 15 Jahre später, ist die Medienpädagogik nicht rum der Diskurse über Pädagogik und Bildung mehr wegzudenken. gerückt. Die Digitalisierung fegt wie ein Hurri- Vor allem in der außerschulischen und schu- kan über die Gesellschaft hinweg. Nichts bleibt lischen Bildungsarbeit ist die Vermittlung von wie es war. Im Auge des Hurrikans – in dem Medienkompetenz zu einer zentralen Aufgabe bekanntlich Windstille herrscht – versuchen die für ein selbstbestimmtes und souveränes tapferen Medienpädagog*innen die Heraus- Leben geworden. Als Treibriemen für unseren forderungen zu gestalten, die sich aus diesem Berufsstand hat sich vor allem die Erkenntnis Wandel ergeben. Waren es zunächst vor allem erwiesen, dass es künftig keinen Lebens- Pädagog*innen mit Interesse für Film und Foto bereich mehr geben wird, der nicht durch grafien, die sich der Thematik angenommen die Digitalisierung vor einem grundlegenden haben, so ist jetzt als Folge der Digitalisierung Wandel steht. Die Medienpädagogik soll mit- ein eigener Beruf der Medienpädagog*innen helfen, die Risiken einer solchen Entwicklung entstanden, auch wenn es nach wie vor un- zu erkennen und zu minimieren, sowie das terschiedlichste Zugänge und Qualifizierungen Individuum dazu befähigen, die Zukunft mit hierfür gibt. Häufig fehlt es an qualifizierten Medien aktiv mitzugestalten. Eine durchaus Medienpädagog*innen, um die Anfragen zu herausfordernde Aufgabe. befriedigen, die sich aus dem stark gestiegenen Die Medienpädagogik sorgt für die Fort- und Bedarf ergeben. Weiterbildung von Pädagog*innen im Bereich Bereits vor mehr als 15 Jahren war die Medien- Medienpädagogik und -didaktik: Diese erar- pädagogik in der Forschung wie auch in der beitet mit Kindern und Jugendlichen eigene Praxis schon so etabliert, dass ihr der kopaed- Medienprodukte, dreht Filme und YouTube- Verlag einen eigenen Titel widmete: So erschien Clips, produziert Sendungen für Radio und im Jahr 2003 der Band Beruf Medienpädagoge Fernsehen, erstellt Blogs sowie Internetseiten (Hrsg. von Norbert Neuß); die Fachpublika und vermittelt den Kindern und Jugendlichen tion reichte kaum aus, um die Vielschichtigkeit damit die Funktionsweisen der Medien und 6
merz thema die Gefahren durch deren Faszinations- und aus anspruchsvollen Aufgabe angenommen, den Manipulationskraft. Ein weiterer Schwerpunkt aktuellen Theoriediskurs zu beschreiben sowie ist die Erstellung von Anleitungen und Material die Handlungsfelder der Medienpädagogik zu zur Medienerziehung sowohl für Pädagog*innen diesem in Bezug zu setzen. Sein Beitrag liefert als auch für Eltern. Medienpädagog*innen be- eine wichtige Grundlage für die weitere Diskus- treiben aber auch Medienforschung, indem sie sion des heterogenen Berufsfeldes der Medien- unter anderem die Mediennutzung von Kindern pädagogik. Nach Einschätzung des Autors exis- und Jugendlichen untersuchen. Fragestellungen, tiert keine zentrale theoretische Begründung wie sich beispielsweise Gewaltdarstellungen in der Medienpädagogik. Die damit verbundene Nachrichten oder Computerspielen auf Heran- Interdisziplinarität eröffnet aber auch anregende wachsende auswirken, stehen auf der Agenda. Perspektiven, um auf die immer komplexeren Die Forschung beschränkt sich aber längst nicht Medienwelten adäquat reagieren zu können. mehr nur auf Kinder und Jugendliche; sie hat Gleichzeitig ist damit aber auch die Gefahr ver- auch die Medienkompetenz von Erwachsenen bunden, dass eine genuin medienpädagogische und Senior*innen im Blick. Theorieentwicklung auf der Strecke bleibt. Die Qualifikation zur*zum Medienpädagog*in Kai-Uwe Hugger setzt sich mit der Frage aus- kann man an Universitäten oder Fachhoch- einander, ob die Medienpädagogik ein eigenes schulen durch ein eigenständiges Studium, ein Berufsbild darstellt und in welchen Handlungs- Lehramtsstudium oder im Rahmen eines Stu- feldern der Pädagogik die Medienpädagogik diums der Erziehungswissenschaft, Medien zu verorten ist. In seinen Ausführungen zeigt informatik oder der Sozialen Arbeit erwerben. er die Diskurse der letzten Jahre über die Ent- Allerdings: Wo Medienpädagogik draufsteht, wicklung zu dem Beruf Medienpädagog*in auf ist nicht immer Medienpädagogik drin. Dies und beschreibt sehr anschaulich den momen- liegt zum einen daran, dass sich praktisch jede*r tanen Stand. Es ist unstrittig, dass die Medien- Medienpädagog*in nennen darf, und dass es pädagogik einem Professionalisierungsprozess durchaus sehr unterschiedliche Definitionen unterliegt; in vier anschaulichen Thesen steckt gibt, wie der Begriff Medienkompetenz zu in- Kai-Uwe Hugger zusammenfassend die Bedin- terpretieren ist. gungen für diesen wichtigen Prozess ab. Diese Ausgabe möchte dazu beitragen, die Pro- Mit Günther Anfang ist es gelungen, einen fessionalisierung des Berufs Medienpädagog*in Medienpädagogen der ersten Stunde für ein nachzuzeichnen und Argumente dafür zu Interview für diese Ausgabe zu gewinnen. liefern, warum dieser Beruf dringend benötigt Günther Anfang ist einer der Pioniere der wird – und dies gilt nicht nur für pädagogische Medienpädagogik und hat sie als praktisches Handlungsfelder. Handlungsfeld der Pädagogik maßgeblich mi- tentwickelt. In seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit hat er den Wandel, dem die Medien- Zu dieser Ausgabe pädagogik durch die enorme technische Ent- wicklung der letzten Jahre unterlegen ist, aktiv In den letzten Jahren ist eine Vielzahl an Pub- miterlebt und begleitet. Neben den zentralen likationen und Positionspapieren erschienen, Wendepunkten, die die Medienpädagogik im- die die Medienpädagogik sowohl in ihren the- mer wieder verändert haben, beschreibt er aber oretischen Bezügen zu definieren versucht als auch sehr anschaulich, dass es bei allem Wandel auch Anleitungen für theoriegeleitetes Handeln und neuer Technik letztlich doch darum geht, beschreibt. Patrick Bettinger hat sich der durch- Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen und 7
zu ermutigen, sich mit Medien auszudrücken Griechenland, Österreich, Rumänien und der und Geschichten zu erzählen. Dies gilt auch Schweiz für dieses Heft um eine Kurzdarstellung gerade für die Allerjüngsten. der Medienpädagogik in ihren Heimatländern Viele junge Menschen äußern auf die Frage gebeten. An dieser Stelle nochmals vielen Dank nach ihrem Berufswunsch häufig etwas diffus: für die Unterstützung. Die Texte sind in kleinen „Naja, irgendwas mit Medien.“ Welche Qualifi Kästen im Thementeil der Ausgabe verteilt. Wir zierungsmöglichkeiten stehen ihnen aber nun haben uns sehr über die Zusendung der Bei- offen, wenn sie sich für das Berufsbild Medien- träge der Kolleg*innen aus ganz verschiedenen pädagogik entscheiden? Johannes Fromme, Steffi Teilen Europas gefreut, da aus unserer Sicht Rehfeld und Josefa Much zeigen die Bandbreite eine Weiterentwicklung der Medienpädagogik der Hochschulen und der Weiterbildungsmaß- in Deutschland nur sinnvoll auch unter Einbe- nahmen auf. Sie gegeben damit einen sehr gu- ziehung internationaler Konzepte und Erfahrun- ten Überblick über den momentanen Stand der gen gelingen kann. Qualifizierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus Im Zeitalter von Bildkommunikation hatten wir – ordnen sie auch die Beschäftigungsaussichten zusammen mit dem Medienpädagogik Praxis- einer solchen Qualifizierung im Kernbereich Blog – Kolleg*innen gebeten, ihren medien des pädagogischen Arbeitsmarktes ein. Offen pädagogischen Alltag bildlich in Szene zu setzen bleibt in dem Artikel die Frage, ob eine Ausbil- und mit Veröffentlichung unter dem Hashtag dung zur*zum Medienpädagog*in sinnvoll oder #vonBerufMedienpaed auf einem beliebigen eine medienpädagogische Grundbildung für alle Social-Media-Kanal an unserer Fotoaktion teil- pädagogischen Fachkräfte notwendig ist. zunehmen. Wir waren überwältigt, welche Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von medienpäda Resonanz der Aufruf erfahren hat. Über 90 Ein- gogischen Praxisprojekten im pädagogischen sendungen haben uns erreicht. Danke!! Unsere Alltag und es ist kaum ein pädago-gisches Hand- Favoriten unter den Einsendungen sind in dieser lungsfeld denkbar, das ohne Medienprojekte Ausgabe abgedruckt, ein Bild ziert auch das auskommt. Mareike Schemmerling definiert die Titelblatt. Auch der Medienpädagogik Praxis-Blog Leitplanken eines solchen Handelns. Dabei hat seine Favoriten gekürt! weist sie ausdrücklich darauf hin, dass für alle Konzepte als theoretischer Bezugspunkt die Die gesamte Bildstrecke ist zu finden Vermittlung von Medienkompetenz im Zent- unter www.merz-zeitschrift.de/ rum stehen muss. Denn nicht der Einsatz von vonBerufMedienpaed Wir danken allen fürs Mitmachen! Medienoder das Behandeln von Medienthemen machen ein medienpädagogisches Projekt aus; vielmehr stellt medienpädagogische Praxisarbeit Klaus Lutz ist pädagogischer Leiter des Medien- immer Kinder und Jugendliche ins Zentrum ihrer zentrum PARABOL e. V. in Nürnberg, Fachberater Aktivitäten und agiert ausgehend von ihrer Sicht für Medienpädagogik im Bezirk Mittelfranken auf die Welt, ihren Belangen und Bedürfnissen. sowie Dozent an der Simon-Georg-Ohm Hoch- Sie verfolgt stets das Ziel, jungen Menschen schule in Nürnberg. Kompetenzen zu vermitteln, die sie für ein ge- lingendes Leben in einer digital-medialisierten Dr. Eike Rösch beschäftigt sich in Theorie und Welt benötigen. Praxis mit der Mediatisierung von Jugendarbeit, Um die internationale Entwicklung der Medien- Sozialer Arbeit und Schule. Er ist Dozent für pädagogik mit in den Blick zu nehmen, ha- Medienbildung und Informatik an der Pädago ben wir Kolleg*innen aus Estland, Finnland, gischen Hochschule Zürich. 8
merz thema CC BY 4.0 Diener-Kropp #vonBerufMedienpaed 9
In ihrer Breite betrachtet, lässt sich Medienpädagogik sowohl als Forschungs- als auch als Handlungsfeld begreifen, welches sich auf ein plurales und breit gefächertes Spektrum theore- tischer Annahmen und Konzepte bezieht. Der Beitrag gibt einen ausschnitthaften Überblick über wichtige theoretische Begründungszusammenhänge der Gegenwart, stellt zentrale Theoreme kurz dar und erläutert deren Bedeutung für die Medienpädagogik als wissenschaftliche Disziplin sowie prak- tisches Tätigkeitsfeld. Theoretische Begründungslinien der Medienpädagogik Ein Überblick Patrick Bettinger Dass die Medienpädagogik plurale und äußerst Breite wiedergegeben werden können, zeugen breit gestreute (Theorie-)Bezüge zu Nachbardis die genannten Publikationen aber von einem ziplinen aufweist, ist seit jeher Konsens und in die regen Austausch über das Selbstverständnis der Grundfeste des medienpädagogischen Selbstver- Medienpädagogik (als Wissenschaftsdisziplin und ständnisses eingeschrieben. Trotz dieser Kontinuität Handlungsfeld) und ihre Verortung im Gefüge steckt in dieser vielfältigen Prägung ein dyna sozial- und kulturwissenschaftlicher Felder. misches Moment, denn die Konjunkturen und Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einem Ausprägungen dieser interdisziplinären Bezugnah- grundlegenden Aspekt, der punktuell auch im men sind – wie die Theorieansätze selbst – stetig Rahmen der genannten Publikationen verhandelt im Wandel. An unterschiedlicher Stelle fand in den wurde, nämlich der Frage, welche theoretischen letzten Jahren eine vertiefte Auseinandersetzung Begründungslinien und Debatten für die Medien- darüber statt, welche konstituierenden Begrün- pädagogik als wissenschaftliche Disziplin, aber dungszusammenhänge und welche Aufgabe(n) auch als außerakademisches Berufsfeld prägend (vgl. Swertz et al. 2017; Trültzsch-Wijnen 2017), sind. Hierzu wird nachfolgend schlaglichtartig der aber auch welche blinden Flecken (vgl. Kom- Blick auf Theorieströmungen und damit verbun- mer et al. 2017) die Medienpädagogik aufweist. dene Begriffe gerichtet, welche die Medienpäda- Wenngleich diese fruchtbaren Diskurse, die unter gogik in den vergangenen Jahren entscheidend anderem Fragen der wissenschaftstheoretischen beeinflusst haben. Zudem werden insbesondere Fundierung, der disziplinären Schnittstellen, der neuere Entwicklungen der medienpädagogischen Professionalisierung sowie der Klärung von Kern- Theorieentwicklung skizziert und Desiderate in begriffen behandeln, an dieser Stelle nicht in ihrer diesem Zusammenhang dargestellt. 10
merz thema Zunächst stellt sich die Frage, welche ersten Phänomenen auf einen entsprechend breiten Anhaltspunkte sich finden lassen, um einen all- Theoriehintergrund bezieht. In der Einführung gemeinen Eindruck wichtiger Theoriebezüge zu von Moser (2019) wird beispielsweise deutlich, bekommen. Abgesehen von den oben exemp- dass sowohl medientheoretische- bzw. histori- larisch genannten Publikationen zur Entwicklung sche Ansätze, sozial- und kommunikationswis- der disziplinären Fundierungsdebatten in der senschaftliche (z. B. Mediatisierung und Media Medienpädagogik, lässt ein Blick in einschlägige lisierung) sowie (lern-)psychologische als auch er- Handbücher und Einführungsbände die Breite ziehungswissenschaftliche Theorien aus dem Be- der theoretischen Bezüge und Begründungslinien reich der Kindheits- und Jugendforschung für die erkennen. So finden sich im zweiten Kapitel des Medienpädagogik von Belang sind. Süss, Lampert Handbuchs Medienpädagogik (vgl. Sander et al. und Wijnen (2013) rücken kommunikations- und 2008) im Abschnitt ‚Erziehungswissenschaftli- gesellschaftstheoretische Ausgangspunkte noch che Theorien‘ unter Schlagworten wie Medien- stärker in den Vordergrund ihrer Einführung kompetenz, Medienbildung, Mediensozialisation, in die Medienpädagogik. Einen wesentlichen Medienerziehung allein acht Artikel zu Kernbe- Bezugspunkt sehen die Autor*innen in einem griffen der Medienpädagogik. Darüber hinaus (medien-)sozialisationstheoretischen Fundament, wird deutlich, dass auch ‚sozialwissenschaftliche in dem wiederum entwicklungspsychologische, und psychologische Theorien‘ (11 Beiträge) sowie soziologische und kommunikationswissenschaft ‚medienphilosophische Theorien‘ (9 Beiträge) liche Theorien die Grundlage bilden. Deutlich und weitere ‚Theorieansätze und Hypothesen‘ wird in dieser Einführung zudem eine unterschied- (8 Beiträge) für die Medienpädagogik relevant liche Bedeutung von Grundbegriffen wie zum sind. Sicher muss einschränkend gesagt werden, Beispiel Medienkompetenz, Medienerziehung dass diese erste Einschätzung nicht nur aufgrund und Mediendidaktik mit ihren je spezifischen des Erscheinungsdatums des Handbuches vor Theoriehintergründen. “ mehr als zehn Jahren unter Vorbehalt betrachtet werden sollte, sondern die dort genannten Ansät- ze für die Medienpädagogik in sehr unterschied Die Auseinandersetzung mit lichem Maße prägend waren und unterschiedlich medienkulturellen Phänomenen stark aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. bezieht sich auf einen breiten Während etwa der Medienkompetenzbegriff Theoriehintergrund spätestens seit den 1990er-Jahren zum medienpädagogischen Theorierepertoire zählt und auch der Medienbildungsbegriff eine kon- Eine hilfreiche Orientierung zur historischen tinuierliche und fachspezifische Differenzierung Einordnung dieser Schwerpunktsetzungen und erfährt, nehmen Ansätze wie der Uses-and- Begriffsentwicklungen gibt Tulodziecki (2011). Gratification-Ansatz oder die Kultivierungshypo- Hier lässt sich gut erkennen, dass medien these randständige Positionen ein und konnten pädagogische Begriffe und Theorien bereits sich in der Breite – zumindest im deutschsprachigen mit dem Aufkommen dieser Disziplin schwan- Diskurs – nicht in gleichem Maße in der Medien- kenden Konjunkturen unterworfen waren pädagogik etablieren. und wandelnde Zuschreibungen erfahren. Auch ein Blick in einschlägige medienpädago- Tulodziecki verdeutlicht dies, indem er anhand gische Einführungsliteratur verdeutlicht, dass der Begriffe Medienerziehung, Mediendidaktik, sich das breite Themenspektrum der pädagogi- Medienkompetenz und Medienbildung nicht nur schen Auseinandersetzung mit medienkulturellen unterschiedliche theoretische Konnotationen im 11
Wandel der Zeit erörtert, sondern darüber hin- Zudem finden sich theoretisch ausgerichtete aus verdeutlicht, dass beispielsweise fach- und Überlegungen zu Medienkompetenz vor dem professionspolitische Gründe sowie die Ent- Hintergrund spezifischer (pädagogischer) Kon- wicklungen des akademischen Feldes an sich texte und Bildungsinstitutionen oder unter- für begriffliche – und damit auch theoretische – schiedlicher Zielgruppen. Setzungen prägend sein können. Ebenso vielfältig sind auch die Zusammenhänge, in denen Medienbildungstheorien situiert sind. Vergleichbar mit der Omnipräsenz des Medien Etablierte Theorien im kompetenzansatzes von Dieter Baacke erfährt gegenwärtigen Diskurs beim Begriff Medienbildung seit nunmehr über zehn Jahren der Ansatz der strukturalen Zieht man zur Bestimmung der aktuell den me- Medienbildung besondere Beachtung (vgl. dienpädagogischen Diskurs prägenden Ansätze Jörissen/Marotzki 2009). Auch hier sind – so- in einem ersten Schritt die erziehungswissen- wohl in unmittelbarer Weiterführung der struk- schaftlichen Theoriebezüge heran und blickt turalen Medienbildung als auch mit anders auf Kernbegriffe wie Erziehung, Lernen, Bildung gelagerter theoretischer Fundierung – in den oder Sozialisation, so ergibt sich das Bild einer letzten Jahren zahlreiche theoretische Weiter- kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Fra- entwicklungen zu verzeichnen. Exemplarisch gen der Eignung, Adaption oder Modifikation hierfür können der Sammelband Perspektiven dieser Grundbegriffe für medienpädagogische der Medienbildung (2014) von Marotzki und Forschung. Meder sowie die Beiträge in der Festschrift für “ Winfried Marotzki (vgl. Verständig et al. 2016) genannt werden. Zudem sind in jüngerer Ver- Vielfältig sind auch die gangenheit einige impulsgebende Monografien Zusammenhänge, in denen vorgelegt worden, die unterschiedliche medien- Medienbildungstheorien bildungstheoretische Aspekte beleuchten, wie situiert sind etwa das Verhältnis von Bildung und Öffentlich- keit (vgl. Verständig 2017), aktuelle gesellschaft- liche Herausforderungen für individuelle und Als Kernbegriffe der Medienpädagogik kristalli- institutionelle Bildung (vgl. Grünberger 2017), sieren sich insbesondere der Medienkompetenz- das Zusammenspiel von Zeitlichkeit und Selbst- und Medienbildungsbegriff heraus, unter denen bestimmung in technisch-medialen Gefügen sich wiederum Bündel von Theorieansätzen sub- (vgl. Leineweber 2019) sowie die Bedeutung sumieren lassen. An dieser Stelle sei zunächst die sozio-medialer Verschränkungen in Bildungs inzwischen schon einige Jahre zurückliegende, prozessen (vgl. Bettinger 2018). aber immer noch bedeutsame Publikation von Ein weiteres Beispiel für eine aktuelle Dis- Moser, Grell und Niesyto (2011) erwähnt, in kussion eines klassischen medienpädagogischen der die Debatte um das Verhältnis der Begriffe Konzeptes kann am Medienkritikbegriff ver- Medienkompetenz und Medienbildung in ih- anschaulicht werden. Hier ist besonders die rer Breite gut nachvollziehbar aufbereitet wird. Publikation von Niesyto und Moser (2018) zu Theoretische Aspekte von Medienkompetenz nennen, in der Medienkritik vor dem Hinter- werden darüber hinaus in aktuellen Publika grund aktueller Entwicklungen in ihren unter- tionen beispielsweise im Verhältnis zum Perfor- schiedlichen Facetten dargestellt und reflektiert manzbegriff diskutiert (vgl. Barberi et al. 2018). wird. Angesichts der fortschreitenden Entwick- 12
merz thema lung des „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff Anpassung bedürfen, bleibt die grundsätzliche 2018) und der Macht digitaler Plattformen er- Prämisse der aktiven Medienarbeit (vgl. Rösch scheint eine solche Reflexion des Kritikbegriffs 2017) hierbei weitgehend unberührt. Inso- aus medienpädagogischer Sicht notwendig, um fern stellt die Orientierung an einer praktisch- angemessene Begründungszusammenhänge für reflektierenden und lebensweltorientierten Aus- die eigene (normative) Position und medien einandersetzung mit Medien trotz der im Laufe pädagogisches Handeln zu schaffen. Gleichzeitig der Jahre deutlich veränderten medienkulturellen kann ein theoretisch fundierter Medienkritik Bedingungen noch immer einen adäquaten begriff alarmistische Stimmen entkräften, die übergreifenden konzeptionellen Rahmen für in bewahrpädagogischer Manier nicht auf eine Fragen des Erwerbs von Medienkompetenz konstruktiv-kritische Auseinandersetzung, son- dar, denn „Emanzipation und die Befähigung zu dern auf Abschottung gegenüber medientechno- Kommunikation und Partizipation sind weiter- logischen Entwicklungen setzen. hin wichtige Zielgrößen Handlungsorientierter Weniger umfänglich – zumindest wenn man Medienpädagogik. Kommunikative Kompetenz eine theoriegenerierende Schwerpunktlegung als bzw. Medienkompetenz sind dabei eine wichtige zentrales Kriterium heranzieht – wird der Begriff Voraussetzung“ (ebd., S. 10). Medienerziehung im gegenwärtigen fachwis- Insgesamt lässt sich konstatieren, dass es in den senschaftlichen Diskurs der Medienpädagogik vergangenen Jahren insbesondere im Umfeld verhandelt. Es zeigt sich eine stärker praxis der Theoriediskussionen um Medienkompetenz bezogene Assoziation des Begriffs, bei der un- und Medienbildung zu einer Diversifikation und terschiedliche pädagogische Settings und Ziel- Spezifikation gekommen ist. Diese Entwicklung gruppen im Hinblick auf konkrete Ansätze im kann als logische Form der Fortführung umfas- Vordergrund stehen (vgl. Friedrichs-Liesenkötter sender Theoriekonzepte verstanden werden, 2016; Martin 2018). Wenngleich auch der die jeweils unter Berücksichtigung bestimmter Medienerziehungsbegriff grundsätzlich ebenso Phänomenkonstellationen und Problemlagen zum fundamentalen begrifflichen Repertoire angepasst und weitergeführt werden müssen. der Medienpädagogik gehört, scheinen theore tische Abhandlungen über Medienerziehung den aktuellen Diskurs jedenfalls nicht im glei- Integrative Theoriekonzepte chen Ausmaß wie Medienkomptenz-, Medien an Schnittstellen bildungs- oder Mediensozialisationstheorien zu prägen. In der Tendenz zeichnet sich eine – Fasst man die Idee theoretischer Begründungs nicht immer unproblematische – Substitution linien im weiten Sinn, lassen sich hierunter des Medienerziehungsbegriffs durch verwandte auch Konzeptpapiere einordnen, welche Begriffe (besonders in Form der Gleichsetzung Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Bildungs- mit Medienbildung) ab, da hierdurch die begriff- politik und Praxis adressieren. Zu nennen ist liche Trennschärfe und Prägnanz Gefahr laufen, hier die im Jahr 2016 verabschiedete Dagstuhl- verloren zu gehen. Erklärung bzw. die 2019 veröffentlichte Ergän- Im Kontext medienpädagogischer Praxis lassen zung mit der Bezeichnung Frankfurt-Dreieck. Bei sich nach wie vor Ansätze als etabliert bezeich- diesen Papieren handelt es sich um interdiszipli nen, die dem Konzept der Handlungsorientie- näre Rahmenkonzepte zur Sensibilisierung un- rung folgen (vgl. Schorb 2017). Während die terschiedlicher Akteur*innen in Wissenschaft, konkreten Inhalte im Zuge des raschen Wan- Praxis und (Bildungs-)Politik für die Komplexi dels der Medienlandschaft zwar einer stetigen tät von Bildung im Rahmen der Digitalität. 13
CC BY 4.0 Erik Siegert #vonBerufMedienpaed Die Autor*innen des Frankfurt-Dreieck schreibt lung stärker in der Tradition der Vorstellung aktiv hierzu: „Das Papier will die aus verschiede- handelnder Subjekte und kann respektive der nen Disziplinen an die Gruppe der Autorinnen handlungsorientierten Medienpädagogik zuge- und Autoren herangetragenen konzeptionellen ordnet werden. Der Subjektivierungsbegriff ist Lücken beispielsweise zur Gestaltung von Infor- mit seiner philosophischen Prägung dagegen matiksystemen oder zur Einordnung und Rolle deutlich mit machtkritischen Theorieperspek- des Individuums als handelndes und medial tiven verbunden, die (in ihrer modernen Aus- adressiertes Subjekt schließen.“ prägung, siehe unten) nicht primär das aktiv Auch wenn es sich bei den Papieren nicht handelnde Subjekt in den Mittelpunkt rücken, um wissenschaftliche Theoriebeiträge im en- sondern nach Bedingungen und Gefügen fragen, geren Sinn handelt, lassen sich bei näherer die bestimmte Subjektivierungsweisen zeitigen. Betrachtung – zum Teil implizit – theoretische Deutlich zum Ausdruck kommt in diesem Papier Schwerpunktsetzungen erkennen und Theorie- auch die grundsätzliche Annahme einer engen konjunkturen ablesen. So wird, um ein Beispiel Verwobenheit von digitalen Strukturgefügen, zu nennen, im Frankfurt-Dreieck die Dimen- gesellschaftlichem Wandel und menschlichem sion ‚Interaktion‘ in die Bereiche ‚Nutzung‘, Handeln – eine Sichtweise, die sich beispiels- ‚Handlung‘, und ‚Subjektivierung‘ unterteilt. weise im vieldiskutierten Mediatisierungs- In diese Aufgliederung lassen sich verschiede- ansatz (vgl. Hepp 2013) widerspiegelt. Das ne prägende Theorieperspektiven der Medien- Frankfurt-Dreieck kann damit als Rahmenmodell pädagogik einordnen, die unterschiedlich auf für eine integrative Theoriebildung betrach- den medienpädagogischen Gegenstandsbereich tet werden, die interdisziplinär anschlussfähig blicken. Während der Nutzungsbegriff eher ist, indem sie Kernkonzepte der Informatik, in kommunikationswissenschaftlichen Theorie der Medienwissenschaft sowie der Erziehungs ansätzen beheimatet ist, steht der Begriff Hand- wissenschaft produktiv aufeinander bezieht. 14
merz thema In dieses erweiterte Verständnis theoretischer anderem diskurs- und dispositivtheoretisch Fundierungen lässt sich zudem der ‚Orien- inspirierte Theorieansätze Einzug in die Medien- tierungsrahmen Medienpädagogik‘ einordnen, pädagogik (vgl. Dander 2015; Hoffarth 2012; der 2017 von der Sektion Medienpädagogik Macgilchrist 2012; Macgilchrist/Böhmig 2012; der Deutschen Gesellschaft für Erziehung (DGfE) Münte-Goussar 2015). Im Vergleich mit be- verabschiedet wurde und eine Grundlage zur nachbarten Disziplinen findet diese Entwicklung Implementierung medienpädagogischer Inhalte in der Medienpädagogik mit einiger zeitlicher in Studiengängen vermittelt. Hier wird zu- Verzögerung statt und steckt noch weitestge- nächst der eigene disziplinäre Anspruch an hend in den Kinderschuhen. Erklären lässt sich die Theoriebildung deutlich, welche sich „auf dies unter Umständen mit den teils sehr funda- erziehungs- und bildungsrelevantes Handeln in mentalen grundlagentheoretischen Differenzen Medienzusammenhängen“ (ebd., S. 2) richten poststrukturalistischer Ansätze (etwa von Michel und „der medienpädagogischen Analyse bzw. Foucault, Judith Butler oder Jacques Derrida) zu Reflexion“ (ebd.) dienen soll. Eine zentrale Rolle den für die Medienpädagogik prägenden Kon- spielt schließlich – entsprechend dem auf institu zepten, die beispielsweise im Falle des Medien tionelle und curriculare Entwicklungsprozesse kompetenzbegriffs auf die strukturalistischen ausgerichteten Charakters des Konzepts – der Wurzeln der Linguistik zurückgehen. Deutlich Ansatz medienpädagogischer Kompetenz. werden diese ‚Koppelungsprobleme‘ beispiels- Resümierend lässt sich für den hier genann- weise an subjekttheoretischen Unterschieden: ten ‚Typus‘ von Papieren sagen, dass dieser Während für poststrukturalistische Arbeiten zwar nicht den Anspruch erhebt, ausgearbeitete die Idee einer De-Zentrierung des Subjekts Theoriekonzepte im engeren Sinn darstellen entscheidend ist und damit machtförmige Sub- zu wollen, aber dennoch zentrale theoretische jektivierungsweisen in den Vordergrund rücken, Grundannahmen gegenwärtiger Debatten um orientiert sich die Medienpädagogik in weiten Fragen des Lernens und der Bildung im Rah- Teilen an klassischen subjekttheoretischen (etwa men des digitalen Wandels beinhaltet. Insofern kantianischen) Ansätzen, die wesentlich stärker spiegelt sich in diesen Konzepten der ‚theo von der Idee eines zum reflexiv-autonomen retische Konsens‘ der Gegenwart – wenngleich Handeln befähigten Individuum ausgehen. Der er nur punktuell explizit genannt wird – recht in den benachbarten Disziplinen bereits vor gut wider. Zudem wird die besondere Stellung einigen Jahren etablierte kritische Diskurs um der Medienpädagogik als Querschnitts- und klassische Subjekttheorien wird hierbei kaum Brückendisziplin sehr gut deutlich, die sich auf rezipiert (vgl. Kammerl 2017). Ein weiteres unterschiedliche Theorietraditionen bezieht und Deutungsmuster für die vergleichsweise zöger diese im Hinblick auf ihren Gegenstand in ein liche Rezeption poststrukturalistischer Ansätze Passungsverhältnis zu bringen vermag. im Bereich der Medienpädagogik lässt sich aus der Problematik (bzw. der neu erforder lichen Problematisierung) ableiten, pädagogi- Neuere Entwicklungen sche Tätigkeiten konsequent als machtförmiges und Desiderate Geschehen zu begreifen. Gerade die hierin eingeschriebenen Hierarchisierungen, Ambi- Im Kontext der insbesondere in den Sozial- und valenzen sowie Begrenzungen des (medien-) Kulturwissenschaften, aber auch in der Erziehungs- pädagogischen Handelns werfen Fragen bezüg- wissenschaft geführten Poststrukturalismus- lich der Positionierung zu Normen und Werten Debatten, halten seit wenigen Jahren unter auf, die sich nicht ohne weiteres auflösen lassen. 15
CC BY 4.0 Filmreflex #vonBerufMedienpaed Diese Herausforderungen aufgreifend, finden dabei herausscheinender gemeinsamer Nenner sich in jüngerer Vergangenheit einige Arbeiten, besteht darin, angesichts deutlich veränderter die sich aus medienpädagogischer Sicht kritisch digital-medialer Bedingungen neu über Fragen mit eben jenen klassischen subjekttheoretischen von Bildung nachzudenken, die nicht mehr län- Grundlagen befassen. Zu nennen wären hier ger auf ein klar konturiertes Individuum bezogen die Beiträge in Jörissen und Meyer (2015), werden können, sondern vielmehr als hybrides die das Verhältnis von digitaler Medialität und Relationierungsgeschehen verstanden werden (neuen) Formen der Subjektivierung mit je un- müssen. Auch die Beiträge in der Publikation terschiedlicher Akzentuierung besprechen. Ein Digitalität und Selbst (2017) von Allert, Assmussen 16
merz thema und Richter lassen sich in diesem Bereich des theoretischen ‚Innovationspool‘ zur Verfügung fachlichen Diskurses verorten, indem sie neue stellt und die damit verbundene Interdiszipli- Wege erkunden, um den Zusammenhang von narität sicher fruchtbare Perspektiven auf kom- Digitalität und Selbst-Werdung kritisch-konstruk- plexe Medienwelten eröffnet, muss andererseits tiv weiterzudenken. verhindert werden, dass die Theoriebezüge zu Die genannten Bände verdeutlichen darüber sehr im Modus der bloßen Rezeption erfolgen hinaus Anschlussstellen an wichtige theorie und eine genuin medienpädagogische Theorie prägende Debatten der Kulturwissenschaft. So entwicklung auf der Strecke bleibt. Das alleinige lässt sich mit Blick auf diese Arbeiten unter ande- Aufgreifen von (erziehungswissenschaftlichen, rem an posthumanistische Diskurse anschließen, soziologischen, psychologischen, medienwissen- die in der Erziehungswissenschaft – wenn auch schaftlichen) Theorieansätzen reicht nicht aus, sehr zögerlich – partiell aufgegriffen werden (vgl. genauso muss auch die Weiterentwicklung von Kluge et al. 2014; Wimmer 2019). Zudem bieten Theorien zum Repertoire der Medienpädagogik die rege diskutierten Arbeiten aus dem Bereich gehören. Dies trägt nicht nur zu einem weiter- des „New Materialism“ (Kalthoff et al. 2016) reichenden Verständnis für den eigenen Gegen- zahlreiche Ansatzpunkte, über Mensch-Medien- standsbereich bei, sondern stärkt auch die Stel- Verhältnisse bzw. sozio-mediale Konstellationen lung der Medienpädagogik im wissenschaftlichen nachzudenken und neue Perspektiven für Feld und ermöglicht darüber hinaus die fundierte medienpädagogische Fragestellungen zu erkun- Reflexion und Entwicklung praktischer Konzepte. den. Weitere vielversprechende und noch deut- Mit der zunehmenden Berücksichtigung inter lich unterrepräsentierte Theoriebezüge lassen nationaler Debatten in der medienpädagogischen sich hinsichtlich der Gender Studies oder auch Theorieentwicklung werden diese Innovations- der Postcolonial Studies erkennen. Hier zeich- potenziale vervielfältigt, gleichermaßen aber auch net sich für die Medienpädagogik deutlich der die Anforderungen für die Theoriebildung ver- Bedarf ab, mit größerer Intensität auf die in die- größert. Die Breite der theoretischen Bezüge sen Zusammenhängen diskutierten Aspekte zu erfordert also umso mehr eine kontinuierliche blicken, um anschlussfähig an diese sich dyna- Begriffsschärfung, denn nur dadurch erhält die misch entwickelnden interdisziplinären Theorie Medienpädagogik ihre klare Kontur als essenzielle diskurse zu bleiben. Bezugsgröße für die vielfältigen und komplexen Zusammenhänge von Medien und Bildung, Ler- nen, Erziehung sowie Sozialisation. Deutlich wird Fazit darüber hinaus der wesentlich umfangreichere Fundus an Gegenstandstheorien im Unterschied Abschließend lässt sich festhalten, dass es die zu Grundlagentheorien. Nimmt man wie Dörner eine oder die zentrale theoretische Begründung und Schäffer (2012) an, dass „Grundlagentheo der Medienpädagogik nicht gibt. Stattdessen rien […] begriffliche Mittel zur Verfügung [stel- offenbart sich ein heterogenes Feld verschie- len], mit deren Hilfe Gegenstandstheorien über- dener Strömungen mit je unterschiedlichen haupt erst konstituiert werden können“ (S. 16), Schwerpunkten und Anschlüssen an verschie- erscheint kritisches Nachdenken darüber ange- dene Theoriediskurse. Diese Einschätzung kann bracht, ob nicht auch die verstärkte Entwicklung zugleich als Stärke und Schwäche ausgelegt wer- originärer medienpädagogischer Grundlagen den: Während eine solche plurale Orientierung theorien mit verstärktem Einsatz vorangetrieben der Medienpädagogik einerseits einen großen werden sollte, um eine solide und tief reichende 17
Basis für weiterreichende – sowohl empirische als Literatur auch theoretische – Studien zu schaffen. Allert, Heidrun/Asmussen, Michael/Richter, Christoph Eine wesentliche Herausforderung für die (Hrsg.) (2017). Digitalität und Selbst. Interdisziplinäre Perspektiven auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse. medienpädagogische Theorieentwicklung ist zu- Bielefeld: transcript. dem im dynamischen medienkulturellen Wandel Bettinger, Patrick (2018). Praxeologische Medienbildung. zu sehen. Dieser stellt nicht nur die Medien- Theoretische und empirische Perspektiven auf sozio- pädagogik als Wissenschaft vor das Problem, mediale Habitustransformationen. Wiesbaden: Springer VS. dass Phänomene von einer enormen Flüchtig- Jörissen, Benjamin/Meyer, Torsten (Hrsg.) (2015). Subjekt keit gekennzeichnet sind und fundierte Theo- Medium Bildung. Wiesbaden: Springer VS. rieentwicklung Zeit bedarf. Auch die theoreti- Kammerl, Rudolf (2017). Das Potential der Medien für sche Grundlegung medienpädagogischer Praxis die Bildung des Subjekts. Überlegungen zur Kritik der Subjektorientierung in der medienpädagogischen Theorie- muss sich angesichts dieser Entwicklung stets bildung. In: MedienPädagogik, 27, S. 30–49. selbstkritisch im Hinblick auf die Gültigkeit ih- Kommer, Sven/Junge, Thorsten/Rust, Christinane (2017). rer handlungsleitenden Prämissen befragen. Hier Tagungsband: Spannungsfelder und blinde Flecken. Medienpädagogik zwischen Emanzipationsanspruch und wird in besonderer Form die Herausforderung Diskursvermeidung. In: MedienPädagogik, 27, S. 1–8. der (begrenzten) theoretischen Reichweite bzw. Moser, Heinz (2019). Einführung in die Medienpädagogik. die Geltungskraft von Aussagen deutlich. Die Aufwachsen im Medienzeitalter. 6. Aufl. Wiesbaden: Anforderung besteht hierbei darin, den Spagat Springer VS. zwischen dem rapiden Wandel des medien- Moser, Heinz/Grell, Petra/Niesyto, Horst (Hrsg.) (2011). pädagogischen Gegenstandsbereichs und dem Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München: kopaed. Anspruch, möglichst aussagekräftige Theorien zu formulieren, zu bewältigen. Die immer schon Niesyto, Horst/Moser, Heinz (Hrsg.) (2018). Medienkritik im digitalen Zeitalter. München: kopaed. interdisziplinär angelegte Theoriebildung in der Medienpädagogik muss diese Vielfalt der Bezüge Swertz, Christian/Ruge, Wolfgang B./Schmölz, Alexan- der/Barberi, Alessandro (Hrsg.) (2017). Die Konstitution hierzu weiter aufrechterhalten, sollte aber in glei- der Medienpädagogik. Zwischen interdisziplinärem For- chem Maße die kritische Prüfung der Adaption schungsfeld und bildungswissenschaftlicher (Sub-)Disziplin. MedienPädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der theoretischer Konzepte verinnerlichen. Beson- Medienbildung, 27. ders kritisch erscheint das vorbehaltlose Auf- Trültzsch-Wijnen, Christine (Hrsg.) (2017). Medienpäda- greifen von begrifflichen Konstrukten, die ihren gogik. Eine Standortbestimmung. Baden-Baden: Nomos. Ursprung im außerakademischen Bereich haben, Verständig, Dan/Holze, Jens/Biermann, Ralf (Hrsg.) nicht in bestehende Theoriekontexte eingebettet (2016). Von der Bildung zur Medienbildung. Wiesbaden: Springer VS. sind und zunächst keine unmittelbare Anbindung an den fachwissenschaftlichen Diskurs aufweisen. Zuboff, Shoshana (2018). Das Zeitalter des Überwa- chungskapitalismus. Frankfurt a. M.: Campus. Exemplarisch für diese Problematik lässt sich der Begriff ‚digitale Bildung‘ nennen, der seit einiger Die komplette Literatur zu diesem Artikel finden Sie online unter www.merz-zeitschrift.de/alle-ausgaben/ Zeit vermehrt Einzug in medienpädagogische details/2020-02-beruf-medienpaedagogin. Diskurse hält (vgl. merz 2018/05). Hier erscheint es wichtig, Schlagworte nicht nur affirmativ zu Dr. Patrick Bettinger ist Juniorprofessor für Erzie- verwenden, sondern die unterschiedlichen An- hungswissenschaftliche Medienforschung an der sätze hinsichtlich ihres Ertrags für den medien Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte pädagogischen Erkenntnisgewinn sowie mögliche sind qualitative Methodologien und Methoden handlungspraktische Bezüge zu prüfen und ge- der erziehungswissenschaftlichen Medienforschung genstandsangemessen weiterzuentwickeln oder sowie medienpädagogische Grundlagentheorien und im Zweifelsfall auch zu verwerfen. Wissenschaftsforschung. 18
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