MIT DEN WAFFEN EINES BAUMES

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MIT DEN WAFFEN EINES BAUMES
Mit den Waffen
     eines Baumes
     Text: Catarina Pietschm ann

     Bäume stehen für Stärke
     und Standhaftigkeit. Letzteres
     ist aber auch ein Handicap:
     Sie können vor Feinden weder
     weglaufen noch sich ver-
     stecken. Trotzdem sind
56   Bäume keineswegs wehrlos.
     Sybille Unsicker vom
      Max-Planck-Institut für
     chemische Ökologie in Jena
     erforscht, wie sich Schwarz-
     pappeln gegen gefräßige
     Insekten verteidigen.                      Auch Fressfeinde müssen mit diesen sich   Feind meines Feindes ist mein
                                                  laufend ändernden und lokal unter-      Freund.“ Wie diese Allianzen im De-
                                                  schiedlichen Bedingungen zurecht-       tail funktionieren, das möchte Sybille
                                                  kommen. Eine im Pflanzenreich be-       Unsicker herausfinden.
                                                  liebte Art, Angreifern den Appetit zu
     An einem Baum nagt nicht nur der Zahn        verderben, ist die Produktion von Schon für ihre Diplomarbeit hat sie
                                                                                                                                   F o t o: A n dr e a s B ö ckl e r / M PI f ü r c h e m i s c h e Ökol o gi e
       der Zeit, auch eine Heerschar großer       schwer bekömmlichen oder gar gifti-     Baumkronen untersucht, damals an
       und kleiner Pflanzenfresser, Bakte-        gen Inhaltsstoffen. Allerdings gibt es  der Elfenbeinküste. Mittlerweile
       rien, Pilze und Viren setzen ihm zeit-     kaum ein Gift, das alle Fressfeinde     forscht sie in einem Auwald auf der
       lebens zu. Welche Schädlinge welche        gleichermaßen auf Abstand hält. Was     Oderinsel Küstrin-Kietz, einem Na-
       Teile des Baums heimsuchen, hängt          bei dem einen schwere Vergiftungser-    turschutzgebiet direkt an der Grenze
       unter anderem von seinem Alter und         scheinungen hervorruft, kann auf den    zu Polen. Die mehr als 300 Schwarz-
       dem seiner Blätter ab, von Jahreszeit      anderen anziehend wirken. Zum Bei-      pappeln (Populus nigra), die dort die
       und Wetter. Zudem herrschen auch           spiel das Nikotin der Tabakpflanzen,    Oder säumen, gehören zu den letzten
       innerhalb der Baumkrone unter-             das Koffein des Kaffees oder das Pi-    natürlich vorkommenden Beständen
       schiedliche Bedingungen: Je nach           perin des Pfeffers: Diese Substanzen    in Deutschland. Während ihnen an-
       Höhe, Himmelsrichtung und Lage             sollen die Blätter oder Früchte der je- dernorts konkurrenzstärkere Arten
       können Blätter zum Beispiel ein an­        weiligen Pflanzen ungenießbar ma-       das Leben schwer machen, vernichte-
       deres Mikroklima aufweisen. „Man           chen. Bei den meisten Insekten funk-    ten hier die heftigen Kämpfe am Ende
       muss sich einen Baum eher wie eine         tioniert das auch, für den Menschen     des Zweiten Weltkriegs fast jegliche
       Wiese vorstellen, in der es verschie-      sind die Substanzen dagegen beliebte    Vegetation – ein Glücksfall für die
       dene ökologische Nischen gibt“, er-        Genussmittel. Andere Pflanzen holen     konkurrenzschwachen Bäume, die
       klärt Sybille Unsicker. Der Baum als       sich externe Hilfe bei der Verteidi-    sich als Sämlinge kaum gegen andere
       Ökosystem sozusagen.                       gung, frei nach dem Motto: „Der         Pflanzen durchsetzen können. „Ich

                                                              Max Planck Forschung · 3 | 2020
MIT DEN WAFFEN EINES BAUMES
wissen
                                                    Aus
                                                               biologie & medizin

                                                                                    57

                                      Bis zu 30 Meter hoch
                                  wird eine Schwarzpappel.
                                       Dank professioneller
                                   Kletterausrüstung kann
                                       Sybille Unsicker die
                                          Baumkronen auch
                                     in luftiger Höhe unter-
                                                    suchen.

Max Planck Forschung · 3 | 2020
MIT DEN WAFFEN EINES BAUMES
wissen aus

                        Vielleicht doch kein reiner
                  Pflanzenfresser? Zusammen mit
                   den Blättern fressen die Raupen
                des Schwammspinners gerne Pilze.
                  Die orangefarben erscheinenden
                  Sporenlager des Pappelblattrost-
                    Pilzes verändern die Duftstoff-
                 mischung, welche die Pappeln aus                                                            Luptati veris
                            ihren Blättern abgeben.                                                          asperib eatus.Ebis
                                                                                                             et omnisit aut
                                                                                                             lautaeptatem
                                                                                                             faccab incto
                                                                                                             commos
                                                                                                             voluptusam quunt.
                                                                                                             Apistrum hiligent
                                                                                                             laborum fugitio
                                                                                                             bero odit pra et
       wollte unbedingt eine heimische                                                                       facereptat.Beatemp
       Baum­art untersuchen, die in einem                                                                    oremquae rem
       Ökosystem mit großer Artenvielfalt                                                                    velite id moluptas
       vorkommt. Auwälder sind Hotspots                                                                      audis et, autatis
       der Biodiversität. Die Tatsache, dass                                                                 dolla nossunt ut aut
                                                                                                             quibus ma acea
       die Schwarzpappel in Europa selten                                                                    santio id ent que
       geworden ist, hat mich noch zusätz-                                                                   lab ipitae
       lich motiviert: So können unsere For-
       schungsergebnisse vielleicht zum Er-
       halt dieser Bäume beitragen“, sagt
       Unsicker. Seit 2009 studieren sie und
       ihr Team im Freiland und im Labor,
       wie die Pappeln auf Insektenfraß re-
       agieren. Im Auwald hat Unsicker des-
58     halb mehrere Bäume mit Seilen aus-
       gestattet. An diesen klettern die For-
       schenden in die Baumkronen und
       nehmen dort Blattproben aus unter-
       schiedlichen Höhen. Und dabei sto-
       ßen sie regelmäßig auf Raupen des              attackierten Bäume. Diese leiten die         wespen. Die Insekten deponieren
       Schwammspinners, eines etwa drei               Forschenden dann durch einen Filter,         mehrere Eier im Körper der Raupen.
       Zentimeter großen Nachtfalters. Die            in dem sich die Duftmoleküle verfan-         Die geschlüpften Wespenlarven er-
       Untersuchungen haben ergeben, dass             gen. Der Filterinhalt wird mit Lö-           nähren sich vom Gewebe ihrer Wirte,
       die Insekten am liebsten an älteren, be-       sungsmittel ausgespült und mittels           sie sparen allerdings lebenswichtige
       reits ausgehärteten Blättern fressen.          Gaschromatografie und Massens-               Organe aus. Deshalb lebt die Raupe
                                                      pektrometrie analysiert.                     zunächst weiter, bis sich die Wespen-
     Damit sie nicht jedes Mal in die Baum-                                                        larven durch die Raupenhaut nach
       kronen klettern müssen, wenn sie das       Der Unterschied zwischen den ange-               außen bohren und sich verpuppen. In
      Wechselspiel zwischen Raupen und              fressenen und unversehrten Blättern            diesem Stadium verhält sich die
       Pappeln beobachten wollen, haben             ist enorm: „Befallene Blätter produ-           Raupe wie fremdgesteuert und ver-
       Unsicker und ihr Team Pappelsteck-           zieren große Mengen grüner Blatt-              teidigt ihre todbringenden Untermie-
       linge aus dem Auwald in ihrem Ge-            duftstoffe, die zerriebenen Blättern           ter sogar gegen Angreifer. Schließlich
       wächshaus in Jena eingepflanzt. Für          ihren charakteristischen Geruch ver-           sind ihre Kräfte erschöpft, und sie
       ihre Analysen wickelten die Forsche-         leihen. Außerdem können wir Sesqui-            stirbt. Die Analyse der Duftstoffe er-
       rinnen und Forscher die Zweige in            und Monoterpene, aromatische Koh-              gab, dass die Brackwespen die Mole-
       feine Netze und setzten Schwamm-             lenwasserstoffe und stickstoffhaltige          küle aus den verletzten Blättern ext-
       spinnerraupen hinein. „Man kann              Duftstoffe nachweisen, darunter                rem gut riechen können. Vor die
       schon mit ‚bloßer Nase‘ riechen, dass        auch das sogenannte Benzylcyanid“,             Wahl zwischen dem Blattduft intak-
       sich der Geruch der Blätter durch die        so Sybille Unsicker.                           ter und angenagter Blätter gestellt,
       Insekten verändert“, erzählt Unsicker.                                                      bevorzugen sie eindeutig die ange-
       Sobald die Raupen mit ihrem zerstö-        Ist das der gesuchte „Hilfeschrei“ – die         fressenen Blätter. Für die hochsen-
       rerischen Werk begonnen haben, er-            Botschaft an den Feind des Feindes?           siblen Antennen der Brackwespen
       setzen die Forschenden die Netze              Von Kollegen aus Österreich ließ sich         reichen nur wenige Duftmoleküle,
       durch gasundurchlässige Beutel. Da-           das Team einen der gefährlichsten             um ihre Beute zu orten. Doch läuft es
       rin sammeln sich die Duftstoffe der           Feinde der Raupen schicken: Brack-            auch in freier Natur so ab – dort, wo

                                                                 Max Planck Forschung · 3 | 2020
biologie & medizin

                                                            Welche Duftstoffe die Blätter dabei       genannte Salicinoide zum Beispiel
                                                            abgeben, hängt von der Art der Ver-       können gerade für Generalisten – also
                                                            letzung ab: Werden sie zum Beispiel       Raupen die an verschiedenen Baum­
                                                            mit einer Schere zerschnitten, so rie-    arten fressen – wie die Schwamm­
                                                            chen sie anders als bei Raupenbefall.     spinnerraupen giftig sein. Aber die
                                                            Doch woher weiß ein Blatt, wer ihm        Gefahr ist groß, damit auch all die
                         F o t o: F ra nz i ska Eb e rl

                                                            gerade zusetzt? „Blätter können In-       vielen Nützlinge zu treffen, die an
                                                            sekten an deren Speichel erkennen,        und in einem Baum leben.“ Sybille
                                                            der durch die Verletzungen in das         Unsicker vermutet, dass das Arsenal
                                                            Blattgewebe eindringt. Außerdem           an Verteidigungsmolekülen von
                                                            nehmen sie die Art und Weise wahr,        Pflanzen sehr komplex ist und varia-
                                                            wie ein Tier frisst und wie viel Blatt-   bel eingesetzt wird. Nur so ist es vor-
                                                            fläche dabei verloren geht“, erklärt      stellbar, dass eine Pappel, die frühes-
                                                            Sybille Unsicker. „Saugende Blatt-        tens im Alter von zehn Jahren ge-
                                                            läuse lösen eine andere Reaktion aus      schlechtsreif wird und dann noch
                                                            als großflächig fressende Raupen          weitere 90 Jahre lebt, die Angriffe un-
                                                            oder Blattkäfer, die kleine Löcher in     terschiedlichster Fressfeinde über-
                                                            die Blätter stanzen.“                     stehen kann.

                                                          Die Bäume können so nicht nur Hilfe
                                                            von außen herbeirufen, sondern mög-
                                                            licherweise auch noch nicht befallene
                                                            Teile der Krone vor Schädlingen war-                                                59
                                                            nen. Schließlich sind Äste bei großen
                                                            Bäumen oft viele Meter voneinander
                                                            entfernt. „Die Kommunikation in der
                                                            Baumkrone über Duftstoffe wäre                    Auf den Punkt
  neben Pappeln auch noch andere                            vergleichsweise schnell. Würden In-               gebracht
  Pflanzen ihre Duftstoffe absetzen                         formationen über die Versorgungslei-
  und der Wind sämtliche Düfte mitei-                       tungen vom Blatt in den Zweig, zum                Schwarzpappeln sondern aus
  nander verwirbelt? Die Forschenden                        Stamm und von dort wieder in einen                ihren Blättern Duftstoffe ab,
  platzierten deshalb die mutmaßli-                         anderen Ast weitergegeben, so würde               die Brackwespen anlocken.
                                                                                                              Die Insekten parasitieren
  chen Lockstoffe auf Klebefallen im                        das sehr viel länger dauern“, sagt Sy-
                                                                                                              Schmetterlingsraupen und
  Auwald. „Schon nach kurzer Zeit hat-                      bille Unsicker. Wie genau ein Blatt               helfen den Bäumen so, die
  ten wir Brackwespen und andere pa-                        den Duft eines anderen wahrnimmt,                 gefräßigen Larven im Zaum
  rasitäre Insekten wie zum Beispiel                        welche Rezeptoren und welche                      zu halten.
  Schlupfwespen in den Fallen“, er-                         Transportmoleküle ihn durch die
  zählt Unsicker.                                           Zellmembranen bringen, das will die               Duftstoffe sind auch
                                                                                                              geeignete Medien, um
                                                            Wissenschaftlerin in den kommen-
                                                                                                              Informationen von Baum zu
Untersuchungen an den Stecklingen im                        den Jahren herausfinden.                          Baum und innerhalb der
  Gewächshaus bestätigten den Be-                                                                             Baumkrone zu transportie-
  fund: Sobald die Forschenden die                                                                            ren. Sie erreichen ihr Ziel
  Raupen von den Blättern entfernten,                                           Raupengifte                   vergleichsweise schnell und
                                                                                                              sind einfach herzustellen.
  sank die Konzentration der stick-
  stoffhaltigen Duftstoffe auf null. Da
                                                                             in den Blättern
                                                                                                              Von Pilzen befallene Blätter
  die Wespen gerade von diesen Düften                                                                         geben ebenfalls charakteristi-
  angezogen werden, war klar: „Wir Aber warum produzieren die attackier-                                      sche Duftstoffe ab. Der
  hatten die Notrufmoleküle der           ten Pappelblätter nicht so wie bei-                                 Geruch lockt Schmetter-
  Bäume gefunden“, so Unsicker. Pap-      spielsweise Tabak, Kaffee und Pfeffer                               lingsraupen an, die offenbar
  peln produzieren vor allem tagsüber     Gifte, welche die Raupen vergraulen?                                nicht rein vegetarisch leben,
                                                                                                              sondern die Pilze als
  Duftstoffe, wenn sie auch Fotosyn-     „Auch die Blätter der Schwarzpap-                                    Stickstoffquelle nutzen.
  these betreiben. Nachts dagegen stel-   peln enthalten Stoffe, die in hohen
  len sie die Produktion weitgehend ein.  Konzentrationen toxisch wirken. So-

                                                              Max Planck Forschung · 3 | 2020
wissen aus

                Dafür spricht, dass die Moleküle, die die  über Pilzgeflechte an den Wurzeln,                    Blätter geweht oder durch Regen auf
                  Brackwespen herbeirufen, sehr ein-       die sogenannten Mykorrhizen, stehen                   tiefer liegende Kronenteile gespült.
                  fach produziert werden können. Aus-      Bäume miteinander in Verbindung.                      Durch die Spaltöffnungen drin-
                  gangspunkt ist die Aminosäure Phe-       Kritiker werfen Wohlleben gleich-                     gen sie anschließend in die Blätter ein.
                  nylalanin, die in nur zwei Schritten in  wohl vor, die Bäume zu vermenschli-                   Nach wenigen Tagen bilden sie Spo-
                  das Benzylcyanid umgewandelt wird.       chen. „Auch für meinen Geschmack                      renlager, die als orangefarbene Pus-
                  Die Zwischenstufe, das sogenannte        schmückt er die Fakten manchmal zu                    teln durch die Blattoberfläche drin-
                  Phenylazetaldoxim, kann sich im Blatt    stark aus. Aber ich finde es toll, dass               gen und aus denen neue Sporen frei-
                  anreichern und ist giftig. Je höher die  es jemand geschafft hat, die Auf-                     gesetzt werden. In einer Pilotstudie
                  Konzentration auf dem Blattfutter der    merksamkeit auf das Ökosystem                         besprühte Unsickers Mitarbeiterin
                  Schwammspinner, desto höher ist          Wald zu lenken“, sagt Unsicker.                       Franziska Eberl einige der kleinen
                  auch die Sterblichkeit der Raupen.                                                             Pappeln im Gewächshaus mit Rost-
                 „Die Produktion dieser Stoffe dient                                                             pilzsporen und setzte zusätzlich noch
                  also nicht nur der indirekten, sondern                      Bäume haben                        Schwammspinnerraupen auf die Blät-
                  auch der direkten Verteidigung mit-
                  tels Toxinen. Der Baum besitzt folg-
                                                                               viele Feinde                      ter. Eine Analyse der Blatt-
                                                                                                                 düfte ergab, dass Blätter, die so einer
                  lich eine doppelte Verteidigungsstra-                                                          doppelten Attacke ausgesetzt waren,
                  tegie“, sagt Unsicker.                  Während Wohlleben für mehr Wert-                       ein ganz anderes Duftbouquet abga-
                                                           schätzung der Bäume und des Waldes                    ben als Blätter, an denen nur Raupen
                Die Pappeln kommunizieren aber nicht       wirbt, sammeln Sybille Unsicker und                   genagt hatten. „Die Blätter riechen
                  nur mit den Brackwespen, sie tau-        ihr Team weiter wissenschaftliche                     ein wenig nach Champignons. Der
                  schen sich auch untereinander aus –      Daten. Neben Schwammspinnern ha-                      Anteil an Terpenen ist deutlich niedri-
                  ein Phänomen, das nicht zuletzt dank     ben Bäume ja meist noch mit einer                     ger, dafür enthalten die Proben Koh-
                  der Bücher von Peter Wohlleben auch      Vielzahl anderer Feinde zu kämpfen.                   lenwasserstoffe, wie sie für Pilze ty-
                  in der Öffentlichkeit angekommen ist.    So werden Schwarzpappeln oft von                      pisch sind“, erläutert Unsicker. Die
                  Schon seit den 1980er-Jahren ist be-     Rostpilzen befallen, die sich im                      stickstoffhaltigen Substanzen, welche
                  kannt, dass Bäume Informationen          Spätsommer im Großteil der Baum-                      den Hilferuf an die Brackwespen do-
60                über Schädlinge mithilfe von Duft-       krone ausbreiten können. Die Pilzspo-                 minieren, werden von den Rostpilzen
                  stoffen weitergeben können. Auch         ren werden durch den Wind auf die                     dagegen nicht beeinflusst.

                                                                                                             Kommunikation mittels Duftstoffen

                         Schutz vor Hitze und
                          oxidativem Stress

                             Bestäubung

                        Verbreitung von Samen
                                                                                                                                                            Graf i k : G C O nac h S y bi ll e U nsick e r
                                                                          Kommunikation
                                                                         zwischen Pflanzen
                             Schutz vor
                          Pflanzenfressern
                                                                         Gegenseitige Hem-
     Graf i k : G C O

                                                                        mung des Wachstums
                             Schutz vor
                         Krankheitserregern

                                                                                                                                        Oberirdisch

                             Schutz vor                                   Kommunikation
                          Pflanzenfressern                               zwischen Pflanzen ?

                             Schutz vor
                                                                         Gegenseitige Hem-
                         Krankheitserregern
                                                                        mung des Wachstums
                                                                                                                                        Unterirdisch

                           Duftstoffe von Pflanzen erfüllen vielfältige Aufgaben – und das sowohl über als auch unter der Erde. Bäume locken damit
                        Nützlinge wie Bestäuber, Samenverbreiter und Feinde von pflanzenfressenden Insekten an. Auch untereinander stehen sie in
                         Kontakt: Manche Duftstoffe können das Wachstum ihrer Nachbarn hemmen oder diese vor Hitze und Schädlingen warnen.

                                                                           Max Planck Forschung · 3 | 2020
biologie & medizin

                Raupen lieben
                        Pilze
Die Pilze können insbesondere den Phe-
  nolgehalt der Blätter verändern. So

                                                          F o t o: S y bi ll e U nsick e r / M PI f ü r c h e m i s c h e Ökol o gi e
  lösen sie beispielsweise in den Blät-
  tern die Bildung von Catechinen aus,
  den Grundbausteinen verschiedener
  Gerbstoffe. Diese sind für den Pilz
  schädlich. Da Rostpilze in den Baum-
  kronen im Spätsommer sehr domi-
  nant werden können, könnten sie
  auch die Häufigkeit anderer Fress-
  feinde der Pappeln beeinflussen.
  Doch die eigentliche Überraschung
  für die Forschenden war, dass der
  Pilzgeruch die Raupen offenbar nicht
  stört! Ganz im Gegenteil: Vor die
  Wahl zwischen gesunde und verpilzte
  Blätter gestellt, stürzen sich die Rau-
  pen regelrecht auf Letztere. Lang-
  zeitbeobachtungen zeigen sogar, dass
  vor allem ganz junge Raupen, ange-
  lockt vom Duft, zuerst die Pilze von
  den Blättern naschen, bevor sie sich
  Tage später über die Blätter selbst
  hermachen.                                                                                                                             Die Forschenden fangen die gasförmigen Duftsignale der Blätter in     61
                                                                                                                                           Kunststoffbeuteln auf und leiten sie durch einen Filter. Im Labor
Die Forschenden hielten ihren Befund                                                                                                    bestimmen sie anschließend die chemische Struktur der Substanzen.
  zunächst für einen Messfehler –
  schließlich galten die Schwammspin-
  nerraupen als reine Pflanzenfresser.
 „Deshalb haben wir das gleiche Expe-
  riment mit dem nah verwandten
  Schlehen-Bürstenspinner gemacht – Inwieweit sich die Befunde von den Pap-                                                                                                                   GLOSSAR
  mit demselben Ergebnis: Auch er ist      peln auf andere Baumarten übertra-
  ganz wild auf den Rostpilz.“             gen lassen, ist noch nicht ganz geklärt.
                                                                                                                                                                                    Schwammspinner
                                           Eichen zum Beispiel können in man-                                                                                                    Zur Familie der Eulenfalter
                                           chen Jahren von massenhaft auftre-
         Eiweißreiche Kost                 tenden Schwammspinnern massiv ge-
                                                                                                                                                                                 gehörende Nachtfalter. Der
                                                                                                                                                                                  Name bezieht sich auf das
                                           schädigt werden. Förster und Waldbe-                                                                                                 schwammartige Äußere des
Zuerst vermutete Unsicker, dass die        sitzer besprühen mittlerweile Wälder                                                                                              Eigeleges. Die Eier werden auf
  pilzbefallenen Blätter vielleicht weni-  mit Pestiziden, um die wirtschaftli-                                                                                               die Stämme der Bäume gelegt
                                                                                                                                                                           und überdauern den Winter. Im
  ger Giftstoffe bilden, denn die Rau-     chen Schäden zu begrenzen. „Aus                                                                                                  Frühjahr schlüpfen die Raupen
  pen entwickeln sich auf ihnen schnel-    ökologischer Sicht ist es ganz natür-                                                                                             und fressen bevorzugt Eichen-
  ler und verpuppen sich früher. Doch      lich, dass Arten wie der Schwamm-                                                                                                blätter, verschmähen aber auch
  das ist nicht der Fall. Es geht vielmehr spinner immer wieder in Massen auf-                                                                                                     andere Laub- und Nadel-
  um die Inhaltsstoffe der Pilze: Die      treten. Die Natur würde das jeweils                                                                                             bäume nicht. Schwammspinner
                                                                                                                                                                               zählen zu den gefürchtetsten
  Sporen sind sehr stickstoffreich und     selbst regeln, denn die natürlichen
                                                                                                                                                                            Schädlingen in Eichenwäldern.
  enthalten viele für die Entwicklung      Feinde reagieren auf das hohe Nah-                                                                                                 Eine einzige Raupe kann vom
  der Raupen essenzielle Aminosäuren       rungsangebot und dezimieren die                                                                                                      Schlupf bis zur Verpuppung
  und B-Vitamine. „Pilze und andere        Schwammspinner wieder. Wenn über-                                                                                               einen Quadratmeter Blattfläche
  Mikroorganismen könnten also die         haupt, dann sollten Pestizide also nur                                                                                        vertilgen. Bei Massenvermehrung
  gemeinsame Evolution von Pflanzen        so eingesetzt werden, dass danach                                                                                                 können so ganze Eichenwälder
                                                                                                                                                                                    entlaubt und die Bäume
  und Insekten stärker beeinflusst ha-     noch genügend Fressfeinde übrig                                                                                                     dauerhaft geschädigt werden.
  ben als bislang angenommen“, sagt        sind, die die Falter künftig in Schach
  Sybille Unsicker.                        halten können.“

                                               Max Planck Forschung · 3 | 2020
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