POLICY BRIEF NR. 1-2021 - Expertenkommission Forschung ...

Die Seite wird erstellt Sibylle-Eva Menzel
 
WEITER LESEN
POLICY BRIEF                                                         NR. 1-2021

Irene Bertschek, Holger Bonin, Uwe Cantner,
Carolin Häussler, Katharina Hölzle, Till Requate

F&I-Governance auf dem Prüfstand –
Sind Agenturen die Lösung?

Berlin, 24. September 2021 — Der deutschen For-              Fördersystem mit den äußerst dynamischen Entwick-
schungs- und Innovationspolitik ist es in den letzten        lungen in Sachen Innovation weltweit Schritt halten
beiden Jahrzehnten gelungen, das deutsche Wissen-            kann. So droht Deutschland im Bereich einiger Zu-
schafts- und Innovationssystem in der weltweiten             kunftstechnologien und der darauf aufbauenden Ge-
Spitzengruppe zu etablieren. Die erfolgreiche Ent-           schäftsmodelle den Anschluss an die Weltspitze zu
wicklung manifestiert sich etwa am deutlich gestiege-        verlieren.
nen Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwick-
lung am BIP, der sich dem Zielwert von 3,5 Prozent           Gründe für Defizite in der F&I-Governan-
deutlich angenähert hat.1                                    ce – Anforderungen an das F&I-System
Trotzdem wird die Governance der deutschen
                                                             stark gestiegen
F&I-Förderung von verschiedenen Seiten zunehmend
kritisiert. Die Kritik richtet sich vor allem darauf, dass   Die Besorgnis um die Zukunftsfähigkeit des deut-
die Ergebnisse im Hinblick auf die eingesetzten Mit-         schen Fördersystems geht vor allem auf Defizite der
tel nicht zufriedenstellend sind. Zwar werden viele          F&I-Governance zurück. Die Gründe für diese De-
Förderprogramme der letzten Jahrzehnte, wie zum              fizite sind vielschichtig. Zum einen bestehen inner-
Beispiel die Exzellenzinitiative, die Spitzenclus-           halb der Ministerien und Projektträger strukturelle
ter-Förderung oder die Hightech-Strategie, positiv           Defizite wie ineffiziente intra- und interministerielle
bewertet, jedoch gibt es Zweifel, ob das derzeitige          Abstimmungsprozesse, karriere- anstatt ergebnis-

1        EFI (2021: 97).
EFI Policy Brief Nr. 1-2021

orientierter Anreizsysteme, mangelnde Manage-             deutsche Ministerien. Neu zu schaffende Agenturen
mentkompetenz und unzureichende Fehlertoleranz.           in Deutschland könnten sich an diesen Vorbildern
Zum anderen sind die Anforderungen an die deut-           orientieren und unter Berücksichtigung neuester ver-
sche F&I-Governance aufgrund gesellschaftlicher,          waltungswissenschaftlicher und organisationspsy-
rechtlicher und technologischer Herausforderungen         chologischer Erkenntnisse von Anfang an auf Agilität
sowie einer Verschiebung der globalen Innovati-           getrimmt werden.
onsdynamik gestiegen. Hierzu zählen die langfristi-
ge und komplexe Aufgabe, große gesellschaftliche
Herausforderungen wie Klimawandel und alternde
Gesellschaft mit Hilfe von technologischen und so-            Alternative zur Auslagerung
zialen Innovationen anzugehen;2 die zunehmende
Komplexität des Instrumentenkastens der F&I-Politik           von Aufgaben in Agenturen ist
bei gleichzeitig wachsender Regulierungsdichte und
die massiven Veränderungen im weltweiten Innova-
                                                              die Reform der bestehenden
tionswettbewerb durch das Aufkommen neuer, star-              Strukturen und Prozesse.
ker Wettbewerber sowie radikal neuer Technologien.

Der Umgang mit den beschriebenen Herausforderun-
gen erfordert eine deutlich agilere F&I-Governance,
als sie in Deutschland bislang üblich ist. Unter Agi-     Die Alternative zur Auslagerung von Aufgaben in
lität versteht die Expertenkommission nicht nur eine      Agenturen ist die Reform der bestehenden Struktu-
schnelle und flexible Reaktion auf Veränderungen,         ren und Prozesse. Ziel einer solchen Reform muss es
sondern darüber hinaus auch proaktives, auf langfris-     sein, die intra- und interministerielle Koordination zu
tige Ziele abgestelltes konzertiertes Handeln, die Ein-   verbessern und die bestehende Ressortkonkurrenz zu
bindung relevanter Akteure sowie die kontinuierliche      überwinden. Die Stärkung der horizontalen Zusam-
Überprüfung der eingeleiteten Maßnahmen und deren         menarbeit über Abteilungs- und Ressortgrenzen hin-
Anpassung.                                                weg ist vor allem im Kontext der Missionsorientie-
                                                          rung wichtig, da dieser anspruchsvolle Politikansatz
                                                          deutlich mehr ressortübergreifendes Handeln erfor-
                                                          dert als bisherige Politikansätze. In diesem Kontext
Zwei Wege zur Verbesserung der F&I-                       kann es sinnvoll sein, die beteiligten Ministerien neu
Governance – Auslagerung oder Reform                      zuzuschneiden oder sogar ein neues Ministerium ein-
                                                          zurichten.

Zur Steigerung der Agilität der deutschen F&I-Go-         Kurzum, es geht um die Frage: Reform bestehender
vernance wurden in letzter Zeit von verschiedenen         Strukturen oder Einrichtung neuer Strukturen – wel-
Seiten unterschiedliche Konzepte für Ergänzungen          cher Weg ist der richtige?
bzw. eine Neuordnung der F&I-Governance vor-
gelegt. Die diskutierten Vorschläge reichen von der
Auslagerung von Aufgaben in sogenannte Agenturen
bis hin zu einer umfassenden Reform der Strukturen        Neue Institutionen nur für neue Aufga-
intra- und interministerieller Koordination und Ab-       ben – Beispiel SprinD
stimmung.

Vorbilder der Agentur-Lösungen sind Modelle aus           Die Idee, bestimmte förderpolitische Daueraufga-
anderen Ländern wie die DARPA in den USA, Vin-            ben in der Forschung an unabhängige Institutionen
nova in Schweden oder InnoSuisse in der Schweiz.          zu übertragen, ist auch in Deutschland nicht neu. Mit
Diese Einrichtungen übernehmen Aufgaben im Auf-           den außeruniversitären Forschungseinrichtungen der
trag der Politik und der Ministerien. Sie gelten auf-     Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft,
grund ihrer Strukturen und Prozesse sowie ihrer Fä-       Leibniz-Gemeinschaft sowie Max-Planck-Gesell-
higkeit, Kompetenzen vorzuhalten, als schneller und       schaft verfügt Deutschland über wichtige Institutio-
effizienter und können so auf technologische und          nen der Grundlagenforschung und der angewandten
gesellschaftliche Neuerungen besser reagieren als         Forschung, die zwar staatlich finanziert oder teilfi-

2           EFI (2021: 31ff. u. 38ff.)

2
EFI Policy Brief Nr. 1-2021

nanziert sind, aber nicht den einschlägigen Fachmi-       während andere Projekte institutionell unabhängig
nisterien unterstehen, sondern autonom agieren.           bleiben.

Die Einrichtung der Agentur für Sprunginnovationen        Für diese Art der Unterstützung braucht die SprinD
(SprinD) ist in diesem Kontext zu sehen. Sie hat die      Freiheiten und Entscheidungsspielräume, wie sie Un-
Aufgabe, Ergebnisse der (Grundlagen-)Forschung,           ternehmen haben. Da es bislang keine institutionellen
deren Umsetzung mit hohen Risiken und gleichzeitig        Strukturen gab, die diese Voraussetzungen erfüllten,
hohem Investitionsbedarf verbunden ist, in die prak-      war die Einrichtung einer neuen, eigenständigen
tische Anwendung zu überführen. Mit der SprinD hat        Agentur folgerichtig. Die SprinD wird ihre Potenziale
die Bundesregierung 2019 ein völlig neues Förder-         allerdings nur dann nutzen können, wenn sie bei der
konzept institutionalisiert, das erstmals die Förderung   Strategiebildung und im operativen Geschäft frei von
radikal neuer Technologien und Prozesse in den Blick      externen Vorgaben durch Ministerien und andere Be-
nimmt. Zugleich reagierte sie mit der Gründung der        hörden agieren kann.
Agentur indirekt auf die Kritik an der Art und Wei-
se, wie F&I-Politik aufgesetzt und durchgeführt wird.
Mit dieser Lösung – so die Hoffnung – sollen die in-
nerhalb der Ministerien und Projektträger bestehen-       Grenzen neuer Agenturen – Auslagerung
den strukturellen Defizite im Hinblick auf schnelle       von Governance-Aufgaben löst nicht alle
Reaktionen auf Technologiesprünge bzw. technologi-
sche Transformationen behoben werden. Flache Hi-
                                                          Probleme
erarchien, Matrixorganisation und Reflexionsräu-
me sollen an die Stelle starrer Entscheidungsketten,      Der wesentliche Teil der F&I-Förderpolitik zielt auf
fehlender Kooperationsbereitschaft und Silodenkens        die Gestaltung und Steuerung des gesamten F&I-Sys-
treten.                                                   tems über Maßnahmen der Forschungsförderung, der
                                                          Rahmensetzung und Regulierung ab. Diese Steue-
Die Expertenkommission begrüßt die Gründung der           rung ist bislang nicht agil genug und wird daher in
SprinD ausdrücklich. Mit ihrem Fokus auf radika-          der Öffentlichkeit kritisch diskutiert. Mit der Grün-
le Innovationen fördert die Agentur einen Bereich         dung von Agenturen – wie beispielsweise der SprinD
im deutschen F&I-System, der zuvor weder durch            – können die organisatorischen Voraussetzungen für
staatliche Förderprogramme und Forschungseinrich-         agileres Handeln in diesen Bereichen verbessert wer-
tungen noch durch das Engagement privater Akteure         den. Die Expertenkommission gibt jedoch zu beden-
abgedeckt wurde. Die mit Sprunginnovationen ver-          ken, dass den Aktivitäten von Institutionen hier Gren-
bundenen hohen finanziellen Risiken verhinderten,         zen gesetzt sind.
dass entsprechende Projekte von privatwirtschaftli-
chen Akteuren überhaupt in Angriff genommen wur-          Grenze 1: Die Governance der F&I-Förderung ist
den. Infolgedessen blieben Innovationspotenziale          eine wichtige strategische Aufgabe, die mit einer
ungenutzt.                                                hohen politischen Verantwortung einhergeht und für
                                                          ihre Legitimation einer regelmäßigen öffentlichen
Um die spezielle Aufgabe der Sprunginnova-                Diskussion bedarf. Eine funktionierende Governance
tions-Förderung bewältigen zu können, erhielt die         setzt zudem die Möglichkeit einer ressortübergreifen-
SprinD einen institutionellen Aufbau, der sich deut-      den politischen Koordination voraus.
lich von den Strukturen der Ministerien und Pro-
jektträger unterscheidet und die organisatorischen        So sieht die Expertenkommission in der Festlegung
Voraussetzungen mitbringt, agiles Handeln zuzulas-        der F&I-Förderziele, -bereiche und -budgets politi-
sen. Anders als Ministerien und Projektträger ist die     sche Aufgaben, die von den zuständigen Ministerien
SprinD keine Institution der Verwaltung von Förder-       – in enger interministerieller Koordination – zu leis-
maßnahmen, sondern sie setzt Förderprojekte selbst        ten sind. Diese Aufgaben können und sollten nicht
auf und bietet Innovatoren eine enge unterstützende       von der parlamentarisch kontrollierten Exekutive an
Begleitung an, wobei sie selbst teilweise in Innova-      nachgeordnete Agenturen ausgelagert werden. In ih-
tionsprozesse eingreift. Die Unterstützung orientiert     rem aktuellen Gutachten hat die Expertenkommission
sich dabei an den Bedürfnissen der Innovatoren und        Vorschläge gemacht, wie die Entscheidungs- und Ko-
kann in sehr unterschiedlicher Form erfolgen. So          ordinationsprozesse innerhalb der politischen Sphäre
werden manche Innovationsprojekte von der SprinD          verbessert werden können.3
in Form einer Tochtergesellschaft vorangetrieben,
                                                          3        EFI (2021: 38ff.)

3
EFI Policy Brief Nr. 1-2021

Grenze 2: Durch die Übertragung von Aufgaben der
F&I-Förderung von Ministerien auf neue Agentu-          Agenturen versus Projektträger – Rolle
ren können Silodenken überwunden, Fehlanreize           der Projektträger neu definieren
korrigiert sowie interne Strukturen und Prozesse auf
Agilität getrimmt werden. Die äußeren agilitäts- und    In der aktuellen Debatte zur Reform der F&I-Gover-
innovationshemmenden politischen und rechtlichen        nance wird die Auslagerung von Aufgaben in neue In-
Rahmenbedingungen bleiben aber auch für diese neu-      stitutionen – die häufig als Agenturen benannt werden
en Agenturen bestehen und schränken ihren Hand-         – sowie die Bündelung von Aufgaben innerhalb einer
lungsspielraum ein. Entsprechend ist mit der Übertra-   neu einzurichtenden Zentralagentur vorgeschlagen.
gung von Governance-Aufgaben auf neue Agenturen         Der Zuschnitt dieser Agenturen orientiert sich zum
nur bedingt mit einem Durchbruch hin zu mehr Agili-     Teil an bestehenden Modellen im europäischen Aus-
tät und Effektivität zu rechnen.                        land. Ein Blick auf das Aufgabenspektrum, das den
                                                        neu zu gründenden Agenturen zugedacht wird, zeigt
Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung       jedoch, dass sich dieses Spektrum weitgehend mit
zur Verbesserung der Governance des F&I-Systems         den Aufgaben deckt, für die in Deutschland bereits
weniger an neue Agenturen denken. Viel wichtiger        die Projektträger zuständig sind. Neue Aufgaben oder
sind eine grundlegende agilitätsorientierte Reform      neue Formen der F&I-Förderung werden in der aktu-
der Strukturen und Prozesse in Ministerien und          ellen Debatte nicht genannt.
Verwaltung sowie ein verändertes Mindset. Hierzu
zählen eine verstärkte horizontale Koordination, in-    Die Expertenkommission sieht daher die Einrichtung
ter- und intraministerielle Taskforces mit Budgetver-   zusätzlicher Agenturen mit Skepsis. Sie vertritt die
antwortung sowie auch Reflexions- und Freiräume         Ansicht, dass die Gründung von Agenturen mit För-
zum Zweck des Politiklernens.                           deraufgaben nur dann sinnvoll ist, wenn sie Aufgaben
                                                        im deutschen F&I-System übernehmen, die zuvor
                                                        nicht – weder durch staatliche Förderprogramme und
                                                        Forschungseinrichtungen noch durch das Engage-
     Zur Steigerung der Agilität                        ment privater Akteure – abgedeckt wurden und zu
                                                        deren Erfüllung institutionelle Voraussetzungen nö-
     müssen Maßnahmen zum                               tig sind, die noch nicht existieren. Dies ist vor allem
                                                        dann der Fall, wenn der Staat selbst in Innovations-
     Abbau regulatorischer und                          prozesse eingreift und nicht mehr nur die traditionelle
     rechtlicher Hindernisse                            Rolle des Förderers externer Innovationsaktivitäten
                                                        einnimmt. In der aktuellen Debatte finden sich hierzu
     angegangen werden.                                 allerdings keine Vorschläge.

                                                        Die Expertenkommission befürchtet durch die Grün-
                                                        dung zusätzlicher Agenturen mit Verwaltungsauf-
Unabhängig davon, ob Agentur oder Ministerium:          gaben eine Doppelung der bereits bestehenden in-
Zur weiteren Steigerung der Agilität müssen drin-       stitutionellen Kapazitäten zur Administration von
gend Maßnahmen zum Abbau regulatorischer und            F&I-Förderprojekten, wie sie aktuell von den Pro-
rechtlicher Hindernisse angegangen werden. Beispie-     jektträgern ausgeführt wird. Um hier vorhandene
le hierfür finden sich in der rigiden Auslegung des     Effizienz- und Agilitätspotenziale zu heben, sollte an
Datenschutzes sowie im Vergabe- und Beihilferecht.      einer Reform des Projektträger-Modells gearbeitet
Die künftige Bundesregierung ist aufgefordert, hier     werden.
Abhilfe zu schaffen, denn auch neue, agile Agenturen
werden die bestehenden regulatorischen Hindernisse
nicht ausräumen können, sondern an ihnen ebenso             Die EFI befürchtet durch
scheitern wie bereits bestehende Institutionen.
                                                            zusätzliche Agenturen mit
                                                            Verwaltungsaufgaben eine
                                                            Doppelung institutioneller
                                                            Kapazitäten.

4
EFI Policy Brief Nr. 1-2021

Die in Deutschland bestehende institutionelle Tren-       soll, wie er es im Falle der SprinD tut. Um diese spe-
nung zwischen politischer Entscheidungsfindung            zielle Rolle ausfüllen zu können, sind ein Herauslö-
durch die Ministerien – „Politikmachen“ – und der         sen aus dem öffentlich-rechtlichen Kontext und eine
nachgeordneten Administration von F&I-Projekten           Überführung in privatwirtschaftlich orientierte Struk-
durch die Projektträger – Politikdurchführung – hält      turen sinnvoll.
die Expertenkommission für sinnvoll. Idealtypisch ist
hier die Aufgabe der Projektträger, Projekte kostenef-    Für die klassischen F&I-politischen Maßnahmen, bei
fizient zu managen und eine unabhängige Bewertung         denen der Staat Innovationsaktivitäten anderer Ak-
und Evaluation von Politik- und Fördermaßnahmen           teure fördert, ohne selbst Innovator zu sein, werden
sicherzustellen. Gleichzeitig können die Projektträ-      keine neuen Institutionen bzw. Agenturen benötigt.
ger eine beratende Funktion für die Ministerien über-     Die Durchführung und Betreuung dieser Maßnahmen
nehmen, müssten hier aber klar unabhängig von den         kann durch die bestehenden Institutionen (Projekt-
durchzuführenden Programmen sein. Dafür müssten           träger) erfolgen. Die Gründung zusätzlicher Institu-
die Projektträger allerdings freier agieren können, als   tionen birgt die Gefahr einer Duplizierung instituti-
es aktuell nach Ansicht der Expertenkommission der        oneller Strukturen und damit einer weiter steigenden
Fall ist. Die Ministerien sollten sich auf die Vorgabe    Komplexität des F&I-Systems.
von Zielen und Rahmenbedingungen beschränken;
stattdessen finden derzeit oft eine detaillierte Anlei-   Die Entscheidung über den Einsatz von Maßnah-
tung und engmaschige Kontrolle der Projektträger          men zur Förderung von Innovationsaktivitäten so-
statt.                                                    wie deren konzeptionelle Ausgestaltung sollte nicht
                                                          an nachgeordnete Institutionen ausgelagert, sondern
Neben der fehlenden Autonomie der Projektträger           weiterhin von der Politik getroffen werden. Dieser
kritisiert die Expertenkommission auch den unzurei-       Prozess der Politikgestaltung muss allerdings agiler
chenden Wettbewerb zwischen den Projektträgern.           werden.
So ist die große Anzahl an Projektträgern aus Sicht
der Expertenkommission nur dann zu rechtfertigen,
wenn diese in einem echten Wettbewerbsverhältnis
zueinanderstehen. Dies ist nach Auffassung der Ex-            Entscheidungen über Maß-
pertenkommission nur unzureichend der Fall. Um
den Wettbewerb zu fördern und insbesondere die                nahmen zur F&I-Förderung
Pfadabhängigkeiten bei der Projektvergabe zu durch-
brechen, empfiehlt die Expertenkommission, die
                                                              sollten weiterhin von der
Vergabe von Projekten zu reformieren. So wäre es              Politik getroffen werden.
denkbar, langfristige Projekte nicht dauerhaft an den-
selben Projektträger zu vergeben. Auch ist es ratsam,
darüber nachzudenken, Projektdurchführung und
Projektevaluation an unterschiedliche Projektträger
zu vergeben.                                              Entsprechend ist die Bundesregierung aufgefordert,
                                                          ihre eigenen ministeriellen Strukturen, Prozesse und
                                                          Kontrollansprüche auf Agilitätstauglichkeit hin zu
                                                          überprüfen sowie die rechtlichen Rahmenbedingun-
Fazit: Keine agile F&I-Governance ohne                    gen derart zu reformieren, dass sie F&I-politische
agile Ministerien                                         Agilität und damit Innovation befördern. Insbeson-
                                                          dere bedarf es einer zielgerichteten und effizienten
                                                          ressortübergreifenden Koordination im Hinblick auf
Dem in der aktuellen Debatte wiederholt vorgebrach-       zu fördernde Themen und Projekte, um Doppelförde-
ten Vorschlag, die deutsche F&I-Governance mittels        rungen zu vermeiden und, anstatt nur Forschungsdefi-
Gründung von neuen Institutionen wie Agenturen zu         ziten hinterherzulaufen, Freiräume für das frühzeitige
reformieren und dadurch besser und agiler zu ma-          Erkennen von Forschungsbedarf für Zukunftsthemen
chen, steht die Expertenkommission skeptisch ge-          zu schaffen.
genüber. Die Einrichtung neuer Agenturen empfiehlt
sich nach Ansicht der Expertenkommission nur dann,
wenn es um F&I-politische Maßnahmen geht, bei de-
nen der Staat selbst in Innovationsprozesse eingreifen

5
KONTAKT

Expertenkommission
Forschung und Innovation (EFI)

Ansprechpartner:
Dr. Helge Dauchert
Leiter der Geschäftsstelle
Pariser Platz 6 -10117 Berlin

Tel:		   +49 (0) 30 322 982 562
Mail:    helge.dauchert@e-fi.de
Web:     www.e-fi.de

                                  Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit
                                  Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung
                                  für die Bundesregierung und legt dieser jährlich ein Gutachten vor.
                                  Zentrale Aufgabe der EFI ist es, die Stärken und Schwächen des
                                  deutschen Innovationssystems im internationalen Vergleich zu
                                  analysieren und auf dieser Grundlage Handlungsempfehlungen
                                  für die Forschungs- und Innovationspolitik zu entwickeln.
Sie können auch lesen