Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV

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Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV
Mitgliederbrief 1/2021
                                                 Ein Blick zurück

                                                 Erinnerung an den 300.Geburtstag des
                                                 Landgrafen Friedrich II. von Hessen Kassel
                                                 Die Wege im Park Wilhelmshöhe erzählen
                                                 ihren Besuchern viel, sie verweisen auf
                                                 Zusammenhänge, die sich oft erst dem
                                                 zweiten Blick erschließen:
                                                 Angeregt durch Vorschläge für Besucher-
                                                 wege im Bergpark in einem Konzept der
                                                 Museumslandschaft, in dem neben „We-
                                                 ge(n) des Wassers“ auch „Wege der Auf-
Liebe Mitglieder,                                klärung“ beschrieben werden, erinnerte
mit diesem ersten Rundbrief 2021 begrü-          uns Gisela Wiegand schon im Frühjahr im
ßen wir Sie alle sehr herzlich und wün-          Vorstand an ein wichtiges Datum, das
schen Ihnen, dass Sie mit Zuversicht auf         wie kaum ein anderes – abgesehen sicher
die ersten Sonnenstrahlen des vor uns lie-       vom Datum der Vollendung des Herkules
gende Jahres blicken können.                     durch Landgraf Karl – mit der Geschichte
                                                 des Bergparks verbunden ist: das Datum
In unserem Brief werfen wir zunächst             des Geburtstags des „aufgeklärten“ Land-
einen Blick zurück auf Ereignisse und Be-        grafen Friedrich II. von Hessen-Kassel, das
gegnungen, die trotz der bekannten Ein-          sich am 14.8.2020 zum 300. Mal jähren
schränkungen eine große Resonanz auf             sollte.
unsere Arbeit hervorgerufen haben. Da-
bei lassen wir vor allem Mitglieder und
Kooperationspartner unseres Vereins zu
Wort kommen. Wir freuen uns über Ihre
weitere aktive - gern auch kritische - Un-
terstützung! Schließlich hoffen wir, dass
wir unsere Veranstaltungsangebote für
das 1.Halbjahr auch realisieren können:
Treffen wir uns also auch 2021 – wenn
möglich – wieder zu Führungen im Freien
und Gesprächen „im Offenen“.

„Komm ins Offene, Freund!“
Dies bleibt mit den Worten Hölder-
lins unsere Ermutigung für Sie und alle
Freundinnen und Freunde unserer Gar-
tenanlagen im Weltkulturerbe Bergpark-
Wilhelmshöhe !
                                                 Kürzlich identifiziertes Jugendbildnis Friedrichs (MHK), Genf 1734

                                                 Wir kennen ihn alle, diesen Landgrafen,
                                                 steht doch sein Standbild auf dem Fried-
                                                 richplatz, dem er auch seinen Namen ge-
                                                 geben hat, und wissen wir doch: Es war
                                                 seine Idee, den Bürgern einHaus für Kunst
Ihre Brigitte Bergholter                         und Kultur mitten in die Stadt zu setzen,
(Vorsitzende)                                    das Museum Fridericianum.

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Weniger bekannt ist bis heute manchem               dass Friedrich Bildungsimpulse auch in
der Einfluss, den Friedrich II. als Vertreter       seine Gartenanlagen oben auf dem Weis-
der Aufklärung auf die Weiterentwick-               senstein hineintrug.
lung des Bergparks hin zu seiner heutigen           Mit einer „Geburtstagseinladung“ - coro-
Gestalt genommen hat, und doch finden               nabedingt in kleinem Rahmen - konnten
wir im heutigen Weltkulturerbe an vielen            wir zunächst das Interesse der Kulturver-
Stellen Spuren seiner Einflussnahme.                eine wecken, mit denen wir z.T. seit Jah-
 Die Herausforderung, die sich uns als Ver-         ren zusammenarbeiten und die bereit-
ein stellte, lautete:                               willig in Kurzvorträgen die Würdigung
Wie präsentieren wir Ihnen, unseren Mit-            Friedrichs übernahmen so u.a. Herr Prof.
gliedern, diese bis heute im Park sicht-            Dr. Peter Gerke (KGKW) und Herr K. Her-
baren Spuren und wie beziehen wir in                mann Wegner (Geschichtsverein).
diesen Prozess auch die Stadtgesellschaft           Im Anschluss an eine kleine Feier am 14.8.,
mit ein, deren Engagement für Schutz                die im Ballhaus möglich wurde, gab es
und Erhalt der Anlagen unverzichtbar ist.           ein erstes Angebot einer Führung durch
Schon der erste Schritt in die Öffentlich-          den Park auf der Suche nach den „Spuren
keit im Juli 2020 mit einer Presseerklä-            Friedrichs II.“. Herr Dr.Waitz-von Eschen
rung als „Faktencheck“ brachte uns auch             (Geschichtsverein) führte Interessierte
die erste große Herausforderung: Es wur-            zum „Schneckenberg“als Schauplatz na-
den „postkoloniale“ Bedenken geäußert:              turwissenschaftlicher und geologischer
Friedrich sei ein Herrscher, der dunkel-            Forschung – angelehnt an sein 2012 er-
häutige Menschen in großer Zahl für sich            schienenes Buch „Parkwege als Wissens-
schuften ließ und der dazu hessische Bau-           wege“. Die Botanik als Wissenschaft,
ernsöhne rücksichtslos an den englischen            dazu die Reform der Landwirtschaft und
König verschacherte. Eine Diskussion, die           Landschaftserschließung waren zentra-
wir mit den „postkolonialen“ Studenten              le Anliegen des Landgrafen. Ökonomie
der Uni Kassel gern geführt hätten, kam             und Wirtschaftlichkeit waren dabei im
nicht zustande, da die Studenten trotz              18.Jh. zeitgenössisch wichtige Gesichts-
Einladung zweimal nicht zu einem an-                punkte. Bereits während seiner Schulzeit
gebotenen Gesprächstermin im Park er-               in Genf hatte Friedrich II. sich mit diesen
schienen.                                           Themen beschäftigt, schon früh wurde
                                                    er dort auch im Geist der französischen
Unbenommen blieb uns das positive Urteil            Aufklärung erzogen. Mit dem Bau der Al-
der Stadthistoriker, die heute noch von             lee hoch zum Weißenstein schuf er spä-
Friedrich II. als von einem „Glücksfall“ für        ter eine „glänzende“ neue Verbindung
Kassel sprechen:                                    zur Stadt, deren Bewohner er in seinen
„Es bleibt Friedrichs Verdienst der An-             Bildungs- und Aufklärungsprozess mit
trieb…(einer) Blütezeit Kassels gewe-               hineinnehmen wollte. Auch die immer
sen zu sein. Sie wirkte fort... in einem            zahlreicheren fremden Besucher sollten
bildungsfreudigen Bürgertum…, (das)                 anschaulich - empfindsam und vernünf-
dann im 19.Jh. das kulturelle Leben Kas-            tig - weitergebildet werden; dieser „The-
sels selbständig bestimmen konnte.“                 menpark“ wurde ergänzt durch religiöse
(K.H.Wegner)                                        und philosophische Anspielungen. Dabei
                                                    im Fokus: Antike und fremden Kulturen.
Dazu gehören bis heute nicht nur von                Ein paar Tage später am 28.8. folgten
Friedrich einst inspirierte Bildungsan-             die Vereinsmitglieder und andere Gäste
stalten wie die Kunstakademie oder die              Herrn Dr. Fritz Krappe zu diesen „Klein-
Oper, es gehören dazu auch wissenschaft-            architekturen“ mit römisch-antikem Be-
liche Gesellschaften und      zeitgemäße            zug, wie u.a. dem Grabmal des Vergil:
soziale Einrichtungen. Es fällt dabei auf,          Warum muss es gerade Vergil sein? ...

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wird sich auch Friedrich II. gefragt ha-          Für die Veränderung des Parks in einen
ben. Was sagt der römische Dichter denn           englischen Landschaftsgarten suchte er
mir, dem Landgrafen, als verantwortli-            einen geeigneten Junggärtner. Friedrich
chem Alleinherrscher des 18.Jhs.? Die von         hatte durch seinen Aufenthalt (bei seinem
Dr. Krappe präsentierte Antwort aus Ver-          Schwager) in England andere Anlagen von
gils Dichtung lautete: „Du aber, Du Herr-         Parks und Lustgärten gesehen, und woll-
scher, …gedenke Ordnung zu stiften dem            te seinen fürstlichen Landsitz nach dem
Frieden!“                                         neuesten Geschmack völlig anders ge-
Eine gärtnerische Inspiration aus dem             stalten. Durch freundschaftliche Verbin-
eher botanischen Interesse Friedrichs her-        dungen (…) wurde ihm D.A. Schwarzkopf
aus finden wir noch heute in den fremd-           empfohlen, der aus einer Gärtnerdynastie
artigen, zunehmend bedrohten Baum-                stammte (…) D.A.S. hatte sich durch seine
pflanzungen im Park, wie uns in einer             gute Schulausbildung und später durch
weiteren Führung am 4.9. die Spezialistin         mehrere Aufenthalte in fürstlichen Gär-
Frau Ruth Weiß auch unter Bezug auf die           ten und auch in England großes Wissen
von FII. projektierten Rosenanlagen und           über Gartenkunst und Forstwirtschaft an-
Baumschulen darlegte.                             geeignet. Auf Grund der sehr guten Refe-
Zuletzt konnte die Kunsthistorikerin              renzen stellte Friedrich ihn ein.
Frau Johanna Wurz ihren Zuhörern ver-             Ab Oktober 1766 begann Schwarzkopfs
mitteln, wie das von Friedrich errichtete         Tätigkeit am Kasseler Hof als Hofgärtner.
„Dörfchen“ am Rande des Parks mit sei-            Im Einstellungsschreiben hatte Friedrich
ner Milchküche und seinem Schafstall              II. gefordert:
das Landleben idealisiert und sich dabei           ,Nicht weniger soll er dafür Sorge tragen,
ausgerechnet an China als Ort einer ver-          dass von allen befindlichen Bäumen als
meintlich idealen Lebensführung orien-            Castanien, guten Linden, Ulmen, Ahorn
tiert.                                            etc. so denn von sonstigen fremden Bäu-
Alle Führungen waren sehr gut besucht –           men und Pflanzen, welche das hiesige
mit Hygieneplan – und sollen im Sommer            Klima nicht zu kalt, hinreichende Planta-
2021 (siehe unten) nach Möglichkeit wie-          tionen nicht nur angelegt, sondern dem-
derholt werden. (Wie/No)                          nächst in ordentliche Baumschulen ver-
                                                  pflanzt und alljährlich continuiert werde.‘
Unser langjähriges Vereinsmitglied Frau
Ruth Weiß hat uns dazu ihr Führungs-
konzept vom 4.9.20 überlassen, das wir
hier – auch der Form nach – in Auszügen
abdrucken:

Baumschulen und Rosenzüchtungen z.Zt.
Friedrichs II.

„Im Jan. 1763 zieht Friedrich II. nach Ende
des 7jährigen Krieges in Kassel ein. Sein
Vater, Wilh. VIII. hatte nur das Nötigste
am Bergpark und Schloss getan – nach
dem Krieg war die Kaskadenanlage und              Führung Ruth Weiß, Foto: BfdW

um den Herkules vieles zerstört – nun be-
gann Fr.II, ab 1760 Landgraf, mit den Res-        Als eines der wirksamsten Mittel zur Stär-
taurationsarbeiten im Park, einschl. der          kung der Wirtschaft galt schnell wach-
Arbeiten am Alten Schloss.                        sendes Nutz- und Bauholz (schreibt Urte
                                                  Stobbe..). 1769 wurde eine Baumpflanz-

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ordnung verfügt. Der Hof brauchte eine            auch zahlreich vertreten gewesen sein.
Baumschule nicht nur zu eigenen Zwe-              Nadelbäume ließen sich aufgrund reicher
cken, sondern auch, um von dem Erlös              Zapfenbildung am besten vermehren (Be-
der Pflanzen das eigene Land zu fördern           cker, PPW S.218).
und zu stärken. Schwarzkopf hatte den             Schwarzkopf säte Zapfensamen in Töpfen
Umgang mit nordamerikanischen Pflan-              und Kästen aus und beschrieb seine Er-
zen, die Anzucht von Bäumen, auch unter           fahrungen, ob sie sich gut oder schlecht
gärtnerischen Aspekten der Forstwirt-             entwickelten.
schaft, erlernt. Natürlich auch durch seine       Manche      Pflanzversuche     scheiterten,
Aufenthalte in England.                           aber mit den meisten hatte Schwarzkopf
Die Baumschule wurde gleich in seinen             Glück. Samen von Bäumen, Pflanzen und
ersten Jahren am Kasseler Hof mit Erfolg          von Ziersträuchern trafen aus Nordameri-
angelegt. Sie befand sich um 1778 hinter          ka bereits ab 1767 in Kassel ein.
dem heutigen Wirtschaftshof (… bis 1796
hatte sich die Baumschule bis Richtung Ju-        Dass Schwarzkopf Eichen und wilde Obst-
liusstein erweitert) außerdem im ost-süd-         stämme als Pfropfunterlage zieht, ver-
lichen Bereich der heutigen Mulangstra-           weist auf umfangreiche Veredelungstä-
ße (…) anfangs vorwiegend Samen und               tigkeiten. Okulation hatte er bei Miller
Pflanzen aus Harbke für den Weissenstei-          in England gelernt, ganz sicher auch die
ner Park. Danach trafen Samen, Pflänz-            Rosenvermehrung.(…)
linge und Ziersträucher aus Nordamerika           Laut     ,Verzeichnis ausländischer Bäu-
ein. (…)                                          me und Stauden von 1785‘ von Conrad
Nadel- und Laubgehölze wurden in der              Mönch waren 150 Rosensorten im Be-
Baumschule entweder aus Samen oder                stand des Lustschlosses Weissenstein. Da-
aus Stecklingen gezogen. Nadelbäume               von sind mehrere von Schwarzkopfs Ro-
gewöhnten sich mit wenigen Ausnahmen              sen - Züchtungen dabei. Im Aquarellband
besser an die neue Umgebung, als die              von Pinhas sind diese Rosen zu sehen. Alle
nordamerikanischen Laubbäume. Man                 kennen die ,Perle von Weissenstein‘, die
muss bedenken, dass Mitte des 18. Jhs.            ja auch in der Nähe des Fontainenteichs
ganz andere Klimaverhältnisse herrsch-            gefunden wurde. Sie ist nachweislich in
ten als heutzutage: Die Sommer waren              verschiedenen Pflanzlisten ab 1783 auf-
viel kälter.                                      geführt.
Botaniker Conrad Mönch, der als Profes-           (…) Nach Abriss der Mühle unter dem
sor am Karolinum tätig war, berichtet,            Schloss um 1776-1780 entstand im heuti-
dass Schwarzkopf seit 1767 (also nach 10          gen Tal der Flora, im ,Elysium‘, eine Ro-
Jahren) die ersten amerikanischen Gehöl-          senanlage. Hier waren auch Schwarzkopfs
ze in den Park gepflanzt hat.                     Rosenzüchtungen aufgepflanzt.
Nach seiner 10-jährigen Tätigkeit listet          Ich kann mit H. Becker, dem Gartenhis-
Schwarzkopf im Jan. 1776 sein Pflanzen-           toriker, der die Tätigkeiten von Schwarz-
sortiment (…) Das war ein Bestand von:            kopf im Parkpflegewerk ausführlich be-
93.000 unterschiedlichen Bäumen und               schrieben hat, sagen: Schwarzkopf hat
,Pflänzlingen‘, dazu kommen noch über             die dendrologischen Grundlagen für die
,6.500 blühende Stauden in mehr denn              Bepflanzung des Landschaftsgartens ge-
100 Sorten‘, darunter 2.200 Rosen. Die            legt, wichtige Erfahrungen in der Kulti-
meisten Rosen waren im Rosenboskett               vierung nordamerikanischer Bäume und
aufgepflanzt, das ich nachher erkläre.            Sträucher gesammelt und somit Pionier-
Bezüglich der Laubbäume ergab sich ein            arbeit geleistet. Nachfolgende Hofgärt-
Grundbestand aus Ross- und Esskastanien,          ner konnten auf dieser Grundlage weiter
Sommer- und Winterlinden, Ulmen und               arbeiten.“
Bergahorn. Buchen und Eichen dürften

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Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV
Begeisterte Resonanz auf die                                 und Romantik. Er war beseelt, ja nahe-
                                                             zu besessen vom Wunsch nach perfekter
geführten Spaziergänge auf                                   Schönheit.
den Spuren Friedrichs II.
                                                             Die kreative Umgestaltung des Parks
Wir drucken hier den gesamten Text von Frau Dr.Len-          durch Friedrich II. mit seinem engagierten
kitsch-Gnädinger ab, den sie im Rückblick auf die Füh-       Hofgärtner Daniel August Schwarzkopf
rungen im Spätsommer für uns verfasst hat.                   beschrieb Frau Weiß als umsichtiges, na-
                                                             hezu wissenschaftliches Vorgehen. Alle
„Die sommerlichen Spaziergänge im                            diese Bäume, die groß und wuchtig drei
Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel auf den                      Jahrhunderte überdauerten, wurden da-
Spuren des Landgrafen von Hessen-Cas-                        mals unweit vom Lac und oberhalb der
sel Friedrichs II.“                                          Orangerie in zwei riesigen Baumschulen
                                                             aus Samen gezogen, dabei auf ihre Kli-
Corona drohte in diesem Sommer meinen                        matauglichkeit getestet. Dort wuchsen
Geist zu veröden. Kulturelle Veranstal-                      70.000 Setzlinge heran und warteten auf
tungen fielen aus. Konnten die Angebote                      ihre Pflanzung im Park. Sie sollten auch
des Welterbevereins zum dreihunderts-                        kalte Sommer mit Schnee überstehen.
ten Geburtstag des Landgrafen Friedrich                      Heute haben es genau diese kälteresisten-
II. (1720 – 1785) funktionieren? Wie wird                    ten Bäume durch die Klimaerwärmung
es sich anfühlen, mit großem Abstand                         schwer, wie die großen Trockenschäden
durch den Park zu laufen in einer Grup-                      an vielen alten Baumkronen zeigen. Be-
pe von 10-14 Menschen? Bekommt man                           troffen schweifte der Blick der Runde
den Vortrag überhaupt akustisch mit? In                      über die vielen braunen, durch die Som-
diesem Sommer nahm ich an drei Spazier-                      merhitze vor der Zeit gewelkten Baum-
gängen teil, die der Weltkulturerbeverein                    wipfel.
organisiert hatte. Geklappt hat alles und
Spaß bereitet auch. Behandelt wurden                         Verblüfft erfuhr ich, dass mein Lieblings-
große Themen: ein philosophischer Rund-                      weg „am Styx entlang durch die elysischen
gang (Herr Dr. Krappe), die gärtnerische                     Felder“ führt. Die imposanten Rhodo-
Umgestaltung im Süden es Schlosses (Frau                     dendronwände, die der steinernen Flora
Ruth Weiß) und die Anlage im Dörfchen                        einen eindrucksvollen Bühnenauftritt im
Mulang (Frau Johanna Wurz). Da ich ein                       Spätfrühling verschaffen, sind dagegen
paar Monate später darüber berichte,                         kaum 100 Jahre alt, somit eine Gestaltung
merke ich, dass mir so viele kostbare In-                    neuerer Zeit. Wie es auch die Roseninsel
formationen entschwunden sind. Doch                          so nie gab. Sie entstand, erzählte Frau
diese drei erwanderten Vorträge zogen                        Weiß, weil man zufällig die Weißenstein-
vor meinem inneren Auge Folien ab und                        rose nach dem Bombenangriff 1942 in der
legten dahinter andere Gestaltungen des                      Nähe des zerstörten Schlosses nicht weit
Parks frei. Der Blick auf den Park wurde                     vom Weißensteinflügel fand. Sie brauch-
zu einem Vexierbild, wechselnd, schil-                       te einen würdigen Ort. Heute wächst die
lernd, gar nicht feststehend, sondern im-                    berühmte Rose dort mitten in dem einzig-
mer wieder in Bewegung. Den strengen                         artigen Rosenmuseum.
barocken Schlossgarten seines Vaters ver-                    Der Schneckenberg oberhalb des Ge-
wandelte Friedrich II. mit Phantasie, Lei-                   wächshauses heißt nicht nur wegen sei-
denschaft, unfassbaren Mengen an Geld                        ner Form so, er beherbergt wirklich ver-
und Arbeitskräften in einen englischen                       steinerte Schnecken und Muscheln, ist in
Landschaftsgarten. Dazu entrümpelte er                       Wahrheit ein eiszeitlicher Geröllhaufen.
den Park vom Übermaß griechischer Göt-                       Seitdem grabe ich mit den Enkelkindern
ter, versetzte Berge, legte Seen und Flüsse                  dort in Maulwurfshügeln.
an. Ihn beflügelten Visionen von Bildung

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Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV
Führt die Sybillengrotte in ein lebensge-
fährliches, unterirdisches Reich von Berg-
werkstollen aus dem Mittelalter? Nie-
mand mag das testen. Die 18 bis 12 vor
Christus gebaute Cestius-Pyramide guckte
sich der Landgraf in Rom ab, belegte Herr
Dr. Krabbe anhand von großen Fotos. Sie
dokumentiert die romantischen Wünsche
der Römer zu Beginn unserer Zeitrech-
nung vor 2000 Jahren, wie im alten Ägyp-                   Porzellanmalerei Mulang, (MHK), Kassel 1785
ten begraben zu werden. Damit ist die
Cestiuspyramide ihrerseits eine verklei-
                                                           Man missverstehe den Landgrafen, wenn
nerte Kopie der ägyptischen Pyramiden.
                                                           man nur eine der beiden darlege. Er sah
Das Grabmal des Vergil steht noch heu-
                                                           den Kontakt mit fremdländischen Men-
te an einer Straße nicht weit von Neapel.
                                                           schen sowohl als entrückende Erfahrung,
Vergil gilt als wichtiger Autor der römi-
                                                           als auch als einen Bildungsauftrag an.
schen Antike (70 -19 v. Chr.) Er lieferte
                                                           Wie erfolgreich er darin war, belegte Frau
u.a. den Gründungsmythos Roms und ver-
                                                           Wurz mit dem Aufstieg einzelner schwar-
band ihn literarisch mit der 700 bis 800
                                                           zer Männer, die als Berater in Cassel ar-
Jahre älteren Ilias und Odyssee von Ho-
                                                           beiteten und in den hiesigen Adel ein-
mer. Das Grabmal des Vergils verkörpert
                                                           heirateten . Zum größten Wunder jedoch
damit ebenfalls eine rückwärtsgewandte
                                                           gehört für mich seit diesem Sommer der
Sehnsucht nach der vergangenen Größe
                                                           unscheinbar aussehende Baum neben der
des klassischen Griechenlands.
                                                           Pagode, der „Kuchenbaum“. An Tagen
Beide antikisierten Denkmale, die Pyra-
                                                           mit hoher Luftfeuchtigkeit verströmen
mide und das Grabmal, wurden für den
                                                           die Blätter einen intensiven Duft nach
Bergpark wesentlich kleiner nachgebaut.
                                                           Zimt und frisch gebackenem Kuchen. Ge-
Sie sollten die Casseler Bewohner bilden,
                                                           rochen hatte ich diesen Duft schon frü-
sie motivieren, sich mit den vergangenen
                                                           her, aber immer gemutmaßt, die jeweili-
Ideen und Idealen auseinanderzusetzen.
                                                           ge Dame, die mir an dieser Stelle zufällig
Das Dorf Mulang steht für eine andere
                                                           entgegenkam, hätte ihr Parfüm zu reich-
Sehnsucht, der nach ländlicher Idylle und
                                                           lich aufgetragen.
Exotik. In letzter Zeit ist die damalige Pra-
                                                           Was mir von diesen geführten Wanderun-
xis, dunkelhäutige Menschen dort Spaßes
                                                           gen bleibt, ist neben dem Zuwachs an Wis-
halber Landwirtschaft betreiben zu las-
                                                           sen, ein intensives Erleben von Romantik,
sen, in Verruf geraten. Diesen Vorwurf
                                                           Schönheit, des gewollten Abtauchens in
griff Frau Wurz im Kontext der komple-
                                                           eine Kunstwelt, die einen betört, einen
xen Symbolik des Dorfes auf. Zitat:
                                                           erholt, in Bann schlägt, ihre Wirksamkeit
                                                           noch nach dreihundert Jahren entfaltet.
„Die kultivierte Darstellung Chinas stand im Mu-
lang angesichts der intellektuellen Ausstattung der
                                                           Die hochkompetenten Referenten mögen
Pagode mit Kulturobjekten zu China, einem Bud-
                                                           entschuldigen, dass ich ihre profunden
dha, Priesterfiguren und einer Scheinbibliothek, in
                                                           Kenntnisse willkürlich und unsystema-
direktem Zusammenhang mit dem süßlichen Duft
                                                           tisch in mein ganz privates Erleben dieses
der Kuchenbäume, dem verspielten Charakter der
                                                           Parks einbaute. Doch dadurch ist er, dank
Gebäude und dem exotisch gekleideten Personal
                                                           Ihnen, für mich umso schöner geworden.
…Letztere Elemente veranschaulichen ein frivoles
China-Bild . (...) Die Zurschaustellung des reizvoll
                                                           Dr. D. Lenkitsch-Gnädinger
Anderen, hier in der Gartenkunst, war auch Wis-
                                                           Mitglied im Verein Bürger für das UNESCO
sensrepräsentation, hatte also `zwei Seiten´.“
                                                           Welterbe Kassel

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Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV
Eine Zusammenfassung des Diskurses
                                                  soll hier Frau Dr. Andrea Linnebach vor-
                                                  behalten sein, die in vielen Mailwechseln
                                                  engagiert und kundig zur Rettung des
                                                  öffentlichen Ansehens unseres Parks und
                                                  seiner Geschichte beigetragen hat. Ihr gilt
                                                  unser besonderer Dank.

                                                  Kassel postkolonial und der Bergpark
                                                  Wilhelmshöhe – Vom „Vetorecht der
                                                  Quellen“ (von Dr. Andrea. Linnebach)

                                                  Anlass für diesen Beitrag ist die Web-
                                                  site der Gruppe „kassel postkolonial“,
                                                  entstanden nach eigener Aussage in
                                                  „Kooperation des Fachgebiets Entwick-
                                                  lungspolitik und Postkoloniale Studien
Foto: BfdW                                        der Universität Kassel und der Visuellen
                                                  Kommunikation der Kunsthochschule
                                                  Kassel ... Sie dient dazu, Kassel aus post-
Engagierte Einmischung                            kolonialer Perspektive neu zu entdecken,
                                                  zum kritischen Nachdenken und Aus-
Gleichzeitig mit dem wachsenden Interes-          tausch einladen [sic!] und unterschiedli-
se an der Schönheit und inspirierenden            chen Formaten einen Raum zu bieten ...“
Wirkung der Parkanlagen Friedrichs II.,           (kassel-postkolonial.de). Im Sommer 2020
wie sie Frau Dr.Gnädinger uns vermit-             wurde die Gruppe breiteren Kreisen der
teln kann, kam es seit Juli 2020 immer            Bevölkerung bekannt: Ein Artikel in der
wieder zu pauschalen Angriffen des Ak-            HNA berichtete über ihre Aktivitäten so-
tionsbündnisses „kassel postkolonial“ auf         wie einer weiteren Gruppe – und auch
die Anlagen im Mulang als vermeintlicher          der Bergpark Wilhelmshöhe, illustriert
„Orte der Schande“.                               durch ein Foto des chinesischen Tempels
  Auf der Seite der „postkolonialen“ Strei-       in Mulang, sei ein „Ort der Schande“ und
ter äußerten sich Professoren aus Köln            ein mögliches Ziel von Aktionen (HNA,
und Hamburg , zuletzt am 28.12 20 auch            17. Juli 2020). In Sorge um einen herauf-
Prof. Dr.Aram Ziai aus der Uni Kassel in          ziehenden „Bildersturm“ im Bergpark
der HNA.                                          wandte ich mich sogleich an kassel post-
 Historische und wissenschaftsgeschicht-          kolonial und ihren „Kopf“, Prof. Dr. Aram
liche Erwiderungen auch in der Presse             Ziai. Denn der Eintrag zum Bergpark auf
kamen von Frau Dr. A.Linnebach, Uni Kas-          der Website der Gruppe erwies sich als
sel, unserem Kooperationspartner und              ausgesprochen fehlerhaft und polemisch
Kulturpreisträger Herrn Richter, Cour             zugespitzt. So wurde behauptet, es habe
de Cassel, Herrn Dr. Haferkamp, Medi-             eine „Kolonie“ von hierher verschlepp-
ziner, und Herrn Dr. Presche (u.a. Mit-           ten „etwa 50 Schwarzen Menschen“ ge-
glied im Denkmalbeirat der Stadt) . Das           geben, die „zur Inszenierung der Vorstel-
Gründungsmitglied unseres Vereins, Herr           lung eines ‚exotischen‘ Flairs für die Gäste
Friedrich Forssman , stellte sich in einem        des Parks“ herhalten mussten. Ähnlich äu-
Streitgespräch am 28. 12. gegen einsei-           ßerte sich Herr Ziai auch in einem Radio-
tige Vorwürfe mit dem „Bekenntnis“:               Interview vom 15. Juli 2020 (nachzulesen
 „Ich will den von mir geliebten Bergpark         auf www.hr2.de/programm/postkolonia-
nicht reinwaschen,aber…“                          le-spurensuche-in-hessen-,aram-ziai-100.

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Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV
html): „In der ehemaligen Chinoiserie im           einer Milch-Magd, einem Eselsknecht und
Bergpark Wilhelmshöhe wollte man ein               einem Schäfer. Man weiß Namen, Gehalt,
Landleben mit Chinesen darstellen. Aller-          Familienstand, Zulagen an Nahrung, Wä-
dings hat man keine Chinesen gefunden.             sche, Bettzeug, kurzum: eine ganze Men-
Stattdessen sind da kurzerhand von hes-            ge! Diese Frauen waren auch nicht nach
sischen Offizieren verschleppte Schwar-            Kassel „verschleppt“ worden, sondern ge-
ze aus dem amerikanischen Bürgerkrieg              meinsam mit weiteren Frauen und Män-
angesiedelt worden. Und die wurden da              nern, aus der Sklaverei befreit, mit den
quasi ausgestellt als eine Art Menschen-           hessischen Truppen aus Amerika hierher
zoo.“ Einige dieser Menschen seien nach            gelangt. Entsprechend resümierte Maria
ihrem Tod von dem Kasseler Anatom So-              Diedrichs in ihrem Aufsatz „From Ameri-
emmerring seziert worden, „von seiner              can Slaves to Hessian Subjects“ (in: Ger-
hierarchischen ‚Rassen‘-Vorstellung tief           many and the Black Diaspora, New York
durchdrungen“, „ohne jegliche Pietät“.             2013) zu den Kasseler „Mohren”: „But in
Daher sei der Bergpark ein negativer Ort           Cassel they were free, their human status
des Kolonialismus.                                 uncontested and affirmed“.
Es ginge hier zu weit, alle Fehler der Web-        Die überlieferten Quellen belegen ein
site oder des Radio-Interviews aufzugrei-          für ihre Zeit erstaunliches Maß an Integ-
fen. Hier nur zur eklatantesten Fehldar-           ration dieser fremdartigen Neubürger in
stellung: die der Existenz einer Mulanger          die Stadtgesellschaft (bis hin zu zahlrei-
„Mohrenkolonie“, in der verschleppte               chen Ehen mit Einheimischen). Daher ist
Schwarze Menschen zooartig ausgestellt             zu schließen, dass man auch für die drei
wurden und aus der sich Soemmerring für            Frauen eine sinnvolle Betätigung und
seine anatomischen Studien quasi bedient           Unterkunft suchte, für die sich das neu
habe. Der Ursprung dieser Vorstellung fin-         entstandene Dörfchen im Bergpark an-
det sich in der älteren Soemmerring-Lite-          bot. Mit dem sehr kleinen „Mohrenhauß“
ratur. Rudolf Wagner schreibt 1844: „Der           (so auf einem Plan im Hessischen Staats-
Landgraf hatte eine kleine Negercolonie            archiv Marburg von 1785, ich danke Gerd
angelegt, deren Dörfchen noch auf Wil-             Fenner für den Hinweis) war auf jeden
helmshöhe zu sehen ist. Sömmerring war             Fall keine zooartige, exotisch-repräsen-
so glücklich, hier mehrere Neger beider-           tative Aufgabe verbunden, wie dies kas-
lei Geschlechts sorgfältig zergliedern und         sel postkolonial unterstellt. Wäre dieser
mit dem Bau des Europäers vergleichen              „Menschenzoo“ eine solche Sensation
zu können.“ Seitdem wird diese Ansicht             gewesen, wäre dies nicht unbemerkt und
unhinterfragt als Tatsache kolportiert             unerwähnt geblieben – doch keine einzi-
und sie hält sich erstaunlich hartnäckig           ge der zahlreichen historischen Text- oder
bis in allerneueste, durchaus seriöse histo-       Bild-Quellen zeugt davon. So zeigt auch
rische Studien – und dies, obwohl sie be-          die bekannte zeitgenössische Ansicht Mu-
reits 1988 Wolfram Schäfer anhand zahl-            langs von J. H. Eisenträger (.s.o.) just aus
reicher Quellen widerlegt hatte (Wolfram           dem betreffenden Jahr 1785 weit und
Schäfer: Von „Kammermohren“, „Moh-                 breit keine „Mohren“, stattdessen jedoch
ren“-Tambouren und „Ost-Indianern“. In:            zwei hellhäutige Viehhirten. Wie im Lauf
Hessische Blätter für Volks- und Kultur-           der Geschichte hier die Vorstellung einer
forschung, Bd. 23, 1988, S. 5-79). Schäfer         „Mohrenkolonie“ von „etwa 50 Perso-
wies nach, dass in Mulang lediglich drei           nen“ entstehen konnte, bleibt ein Rät-
„Mohrinnen“ gemeinsam mit einem Kind               sel. Darüber hinaus ließ sich in keinem
lebten, und zwar nur für kurze Zeit, näm-          einzigen Fall ein direkter Bezug der drei
lich 1784/85. Die Frauen waren hier auch           Mohrinnen mit Kind zu Soemmerrings
nicht „ausgestellt“, sondern im Gegenteil          Sektionen nachweisen. Dass der herausra-
angestellt, zusammen mit zwei Kuhhirten,           gende Anatom in den Augen von kassel

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Mitgliederbrief 1/2021 - Bürger für das Welterbe Kassel eV
postkolonial gar als „Verbrecher“ (A. Ziai        Gleichartigkeit wie Gleichwertigkeit aller
im HNA-„Streitgespräch“ mit Friedrich             Menschen und Epochen. Als zeitgenössi-
Forssman, 28.12.2020) bezeichnet wurde,           sche Stimme sei dazu abschließend Ch. C.
weil die Anfänge der Rassenlehre der Na-          L. Hirschfeld zitiert (Theorie der Garten-
zis nun einmal in der Aufklärung lägen,           kunst, 5. Bd., Leipzig 1785). Neben den
zeugt viel mehr vom eigenen Narrativ der          Szenen mit antiken Philosophen, aus den
Gruppe samt ihrer moralischen Überheb-            „Ritterzeiten“ oder Ägyptens Pyramiden
lichkeit. Einer gesicherten historischen          hebt er hervor: „Der Türke erblickt hier
Faktenbasis entstammt die Aussage je-             seine schön gebaute Moschee, und der
denfalls nicht.                                   Chinese seine Pagode und sein Dorf.“
Der Historiker Reinhart Koselleck hat den
Begriff vom „Vetorecht der Quellen“ ge-           Weitere Klärung in der Sache – offen?
prägt. Er erscheint mir hier besonders
gut zu greifen: Durch kritische Analyse           Herr Matthias O.Richter, ein langjähriger
der Quellen können historisch unwahre             Kooperationspartner und Vorsitzender
Aussagen als solche aufgedeckt werden.            der Gesellschaft für Hessische Militär-
Doch kassel postkolonial ist offenbar             und Zivilgeschichte e.V. schreibt uns zu
noch nicht einmal in der Lage, historische        diesem Thema ergänzend: „ Ab 1784 ka-
Quellen aus dem 18. Jahrhundert von               men die Regimenter (gemeint sind die
späterer (Sekundär-)Literatur zu unter-           vom hessischen Landgrafen an den eng-
scheiden, wie der Blick auf ihre nun ver-         lischen König ausgeliehenen) aus Ame-
änderte Website im Januar 2021 zeigt.             rika zurück. Und es wurden tatsächlich
Und was heute eigentlich jedes Kind im            auch dunkelhäutige Jungen als Trommler
Geschichtsunterricht lernt (oder zumin-           mitgebracht, aber eben nicht als Sklaven
dest lernen sollte), dass nämlich Personen        – durch ihren Beitritt zur (auf Seiten der
und Ereignisse in ihrer jeweiligen Epoche         Engländer kämpfenden) Hessischen Ar-
zu verstehen sind, geht dieser Gruppe aus         mee entkamen sie ja dem Sklavendasein.
dem universitären (!) Kontext völlig ab. In       Frei waren sie natürlich nicht, kein Soldat
erschreckender Unkenntnis historischen            konnte einfach die Armee verlassen (…)
Rüstzeugs wagt man sich moralisierend-            Niemand war damals frei im heutigen Sin-
besserwis¬serisch an Urteile über Epochen         ne. Auf zeitgenössischen Abbildungen
und Personen und verbreitet sogar wider           der Hessischen Armee, kann man sehen,
besseres Wissen falsche Behauptungen:             dass einigen Regimentern dunkelhäutige
so habe der Soemmerring-Platz in Kirch-           Trommler zugewiesen wurden. Aber eben
ditmold 1940, also während der Nazi-Zeit,         nicht allen – sondern nur den Prestige-Re-
seinen Namen erhalten; dagegen hatte              gimentern, wie den Garderegimentern,
ich bereits im Dezember 2020 darauf auf-          dem Leib Grenadier Regiment etc.
merksam gemacht, dass der Platz seit 1925
so heißt – ganz leicht über die Kasseler          Wie viele tatsächlich Dienst hatten, bzw.
Adressbücher festzustellen. Der nötigen           mit aus Amerika kamen, wird man wahr-
historischen Aufarbeitung des Kolonialis-         scheinlich aufgrund der Quellenlage nicht
mus samt seiner heutigen Auswirkungen             oder nur unvollständig herausfinden. Ich
bis hin zum Alltagsrassismus erweist die          gehe von maximal 10 Personen aus. Eine
Gruppe mit derartig fehlerhafter Gesin-           Militärkapelle des 18. Jahrhunderts (nach
nungsprosa einen Bärendienst.                     frz. Vorbild) bestand aus gänzlich ande-
Der Bergpark Wilhelmshöhe steht – un-             ren Instrumenten, als das heute der Fall
beschadet durch den geschilderten Af-             ist: Oboen und Fagotte für die Parade,
front – im Sinne seiner Schöpfer und Be-          Pfeifen und Trommeln für den tatsächli-
wahrer weiterhin für ein humanistisches           chen Einsatz – die Trompeten waren nur
Menschenbild mit seinem Ideal einer               der Kavallerie vorbehalten. In der Regel

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wurden die dunkelhäutigen Jungen aber                 Hartleb angeregte und vom Vorsitzen-
ausschließlich als Trommler eingesetzt                den Prof. Hardy Fischer unter besonderer
und ausschließlich bei der Infanterie (…)             Mitwirkung von Klaus Beckenbach aufge-
Daher kann man abschätzen wie viele es                nommene Aktion entwickelte sich schnell
wohl gewesen sein mögen. Zu Zeiten des                zu einer der vielen Aktivitäten des Vereins
Landgrafen Friedrich II. gab es regulär               zur Unterstützung der Bewerbung um die
13 Infanterieregimenter, fast alle waren              Aufnahme des Bergparks in die Welterbe-
auch in Amerika, außer dem 1. Bataillon               liste der UNESCO.
Garde. Ab 1785 bis in die 1790er Jahre
veranlasste Wilhelm IX. dann eine Heeres-
reform und legte die bestehenden Regi-
menter auf 8 Regimenter zusammen.
Cour de Cassel, www.cour-de-cassel.blogspot.de

                                                      Foto: G.Fenner

                                                      2003 konnte niemand ahnen, dass es
                                                      dann aber nahezu zwei Jahrzehnte bis
                                                      zur Verwirklichung des Vorhabens dau-
                                                      ern würde. In diesem Zeitraum wurde in
                                                      nicht wenigen Sitzungen der „AG Bud-
                                                      dha“ des Vereins (Brechmacher-Ihnen, Dr.
                                                      Wiegand, Fenner) mit der Museumsland-
                                                      schaft Hessen Kassel (Harmssen, Dr. Hoß)
                                                      über Lösungsmöglichkeiten debattiert.
Welterbetag 2019 Foto: Cour des Cassel                Über den „Umweg“ der vom Verein mit
                                                      Spenden, ergiebiger wissenschaftlicher
Was lange währt … der neue Buddha                     Forschung und stetiger Öffentlichkeits-
kommt!                                                arbeit unterstützten Innenraumsanierung
Gerd Fenner                                           der Pagode (2007) ist es nun inzwischen
                                                      endlich so weit: eine Kopie der Skulptur
Im Juli 2003 veranstalteten die damals                ist vollendet und wird bald zu besichtigen
noch zuständige Verwaltung der Staatli-               sein.
chen Schlösser und Gärten Hessen zusam-
men mit dem Verein Bürger für das Welt-               Der Kasseler Bildhauer Siegfried Böttcher
erbe in Mulang ein Fest, in dessen Verlauf            fertigte die vom Verein mit beträchlichen
um Spenden für die Restaurierung des                  Mitteln (u.a. mit Hilfe der Fieseler-Stif-
in kläglichem Zustand abgestellten Tor-               tung) gesponserte Replik. Die Bemalung
sos der Buddhaskulptur in der Pagode                  übernahmen von der Restaurierungsab-
gebeten wurde. Die von Frau Anneliese                 teilung der MHK Barbara Häcker, Chris-

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tiane Ehrenforth und Dr. Thomas Krämer.             (MHK); Fachseminare in Potsdam mussten
Das Ergebnis ist eine in Anlehnung an das           bisher leider ausfallen. Die Deutsche Stif-
Original gestaltete Figur des Buddha, die           tung Denkmalschutz wirbt für die Einrich-
nun künftig den Platz des stark beschä-             tung von Jugendbauhütten bitte lesen Sie
digten Torsos in der Pagode einnehmen               nach unter: https://www.denkmalschutz.
wird. Am UNESCO-Welterbetag am 6.                   de/denkmale-erleben/jugendbauhuetten.
Juni 2021 besteht – hoffentlich! – erstmals         html
die Möglichkeit, den neuen alten Buddha
in seiner Pagode zu besichtigen. Dabei              Veranstaltungen 1/2021:
sei eines schon verraten: er wird nicht mit
dem Kopf nicken, wie es sich früher in das          Betrachten Sie bitte die nachfolgenden
Gedächtnis und die Herzen vieler Kasseler           Angebote unter Corona-Vorbehalt. Zeit-
Kinder eingeprägt hatte.                            nah gehen Ihnen verbindliche Daten und
                                                    Teilnahmebedingungen zu.
Eine Bauhütte für den Herkules?                     Der Verein stellt zu allen Führungen Ge-
Gisela Wiegand                                      sichtsmasken bereit.

Diesen Gedanken brachte der ehemali-                •   17.3. „Die Kamelienblüte“- Führung mit
ge Leiter der Museumslandschaft Hessen                  Phlipp Hankel im großen Gewächshaus
                                                    •   22.3. „Literaturspaziergang im Park“ mit And-
Kassel Prof. Küster vor einigen Jahren                  rea C.Ortolano
ins Gespräch, als klar war dass die Bau-            •   25.3. „Querch durch den Bergpark“- Eine „un-
schäden am Herkules viel umfangreicher                  gewöhnliche“ Führung mit G. Fenner
waren als ursprünglich erwartet und die             •   8.4. „Die Karlsaue erwacht aus dem Winter-
Instandsetzung sich noch über Jahren hin-               schlaf“- Führung mit Margret Baller
                                                    •   22.4./3.8. Mitgliederversammlung (Pavillon
ziehen würde. Am 18. Dezember 2020 hat                  der Christuskirche)
die UNESCO die Liste des immateriellen              •   26.4. „Der Neue Wasserfall und die Roteichen-
Welterbes erweitert. Zusammen mit 34                    allee“ mit Dr.Sylvia Schmelzer
weiteren Einschreibungen wurde auch                 •   1.5. „Kammerkonzert im        Ballhaus“: Neue
das europäische Bauhüttenwesen Teil des                 Hoffnung auf die Eröffnung der Wasserspiel-
                                                        saison
immateriellen Unesco-Welterbes. Eine                •   17.5. „Wo sieht man den Klimawandel?“ im
Bauhütte für die andauernden Herkules-                  Park mit Dr. Siegfried Hoß
bauarbeiten ist angedacht. Nominierung              •    6.6. Welterbetag: „Der neue Buddha ist da!“
des Bauhüttenwesens für UNESCO-Regis-               •   24.6. und später Baumführungen im Bergpark
ter Guter Praxisbeispiele der Erhaltung                 Wilhelmshöhe mit Eva Karner
                                                    •   26.6. „Mit den Augen hören“ (Musikalische
Immateriellen Kulturerbes Gemeinsame                    Motive in Schloss Wilhelmsthal)- Führung mit
Nominierung durch Frankreich, Deutsch-                  Silke Renner-Schmittdiel
land, Norwegen, Österreich und der                  •   8.7. Tagesexkursion zum Nationalpark Keller-
Schweiz.                                                wald/Edersee (UNESCO-Welterbe in der Re-
                                                        gion)
                                                    •   14.7. „Höfische Lustbarkeiten“ – Führung im
Seit Jahren gibt es im Bergpark bereits                 Park Wilhelmsthal mit Dr.Barbara Richarz-
eine Jugendbauhütte und diese sehr                      Riedl
verdienstvolle Einrichtung wurde tradi-             •   14.8. „Auf den Spuren Friedrichs II.“- Wieder-
tionell sowohl vom Museumsverein als                    holung der Themenführungen zum Geburts-
auch von den Bürgern für das Welterbe                   tag des Landgrafen
                                                    •   27.8. Empfang anlässlich des 20jährigen Be-
unterstützt. Trotz Corona arbeiten seit                 stehens des Welterbevereins im „Kübelhaus“
August 2020 wieder zwei Absolventen                 •   12.9. Tag des offenen Denkmals
des freiwilligen sozialen Jahres in der Gar-
tendenkmalpflege an den Wasser-bau-
stellen im Park (Bachläufe, Wasserwege
etc.). Betreuung vor Ort: Herr Lipphardt

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Angedacht:
Juli/August: Lesung im Musikpavillon mit
Sabine Köttelwesch

•       „Maria,...die Kron aus Engelland“, die
        erste Gemahlin Landgraf Friedrichs II.
        von Hessen-Kassel
•       „Ich wünsche, mir keinen Zwang an-
        tun zu müssen“, Philippine von Preu-
        ßen, die zweite Gemahlin Landgraf
        Friedrichs II.

Rainer von Hessen/Friedrich Forssman:
„Kurfürst Wilhelms Schwäche für Ruinen“

Michael Keller: „Das Gartenreich in Wör-
litz: Gartendenkmalpflege unter sich än-
dernden Rahmenbedingungen“

Bereits in unserem letzten Rundbrief
stand das Thema „Klimaveränderungen“
im Mittelpunkt, wir verfolgen dieses The-
                                                      Fällarbeiten nahe Mulang Foto: Brigitte Bergholter
ma auch in diesem Jahr weiter.

                                                      Wir freuen uns über diese kreativen För-
                                                      derideen für den Welterbeverein von der
                                                      Weinhandlung Bremer und der Gold-
                                                      schmiede „Allegria“:

    Wir begrüßen herzlich unsere neu-
    en Mitglieder, die seit Juni 2020 dem
    Verein beigetreten sind:

    -    Brigitte und Wolfram Bremeier
    -    Irmgard Heusener
    -    Christel und Dr. Günter Neubeck
    -    Hildegard Schröter
    -    Conny Skrzipek
    -    Irmhild und Rolf Wehner
    -    Regitta Ottmar                               Herkulessekt

    -    Kathrin Bode
    -    Sabine Köttelwesch
    -    Dr. Paul Hornung
    -    Monika Wiebusch
    -    Dr. Gerhard Neumann
    -    Sabine Anselmann-Seydler
    -    Gertrud Block
    -    Youssef Awad Altatari
    -    Xiaou Wei
                                                                                       Teufelsbrückenring

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