MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft

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MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
MITTEILUNGEN
AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND

                                        JOHANNI 2021
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
Liebe Leserinnen, liebe Leser!

                                                                                                                                           Johanni – die Sonne hat den höchsten Punkt im Jahreslauf erreicht und wir erleben die
                                                                                                                                           größtmögliche Ausdehnung des Lichts. Innerseelisch stehen wir vor der Aufforderung des
                                                                                                                                           Täufers „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“. Der Gesamtorganismus Erde wartet
                                                                                                                                           darauf, dass wir in unserem bewussten Erleben wieder mit ihm zusammenwachsen, uns
                                                                                                                                           mit ihm als Ganzes erleben. In dieser geistigen Weitung ließe sich der enggeführte Selbst-
                                                                                                                                           bezug überwinden. Im Sinne von „weniger ist mehr“ würde hier der Verlust zum Gewinn.
                                                                                                                                           Die Erde rechnet mit den Herzenskräften der Menschen, es liegt an uns. In diesem Span-
                                                                                                                                           nungsbogen beginnt die Sommerzeit.

                                                                                                                                           Im Bewusstsein der besonderen Kräfte der Johanni-Zeit mit der Sommersonnenwende
                                                                                                                                           möchten wir Sie mit diesem Heft anschließen an das Leben rund um die Anthroposophi-
                                                                                                                                           sche Gesellschaft und Bewegung. Wir wollen damit nicht darüber hinwegsehen, dass wir

    „Wir Menschen der Gegenwart brauchen                                                                               INHALT              viele Monate der Lähmung hinter uns haben, in denen die Rudolf-Steiner-Häuser und das
    das rechte Gehör …“ – Ein Michael-Fest        4                                                                                        Goetheanum geschlossen, Arbeits- und Hochschulgruppen abgesagt und das kulturelle
                                                                                                                                           Leben weitgehend zum Erliegen gekommen waren. Der lang geplante große Kongress
    Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten von Corona    6
                                                                                                                                           hätte jetzt gerade in dieser Zeit in Bochum stattfinden sollen – zurück bleibt zunächst ein
    Verantwortung – Wie geht das?                 9
                                                                                                                                           Vakuum. Wir blicken auf eine lange Zeit, in der der Begriff „Begegnung“ nur geistig zu
    Individualisieren und                                                                                                                  bewegen war, vor allem auf der Ebene der Selbstbesinnung.
    Zusammenhang bilden                          10
                                                                                                                                           So berichten wir nun in diesem Heft über die Bemühungen eines Entwicklungsverständ-
    Weiter so wie bisher?                        14
                                                                                                                                           nisses der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft; daneben finden Sie Berichte von
    Was lebt in unseren Arbeitszentren?          18                                                                                        jungen Menschen, die Verantwortung für Anthroposophie und gesellschaftliche Gestal-
    Räume – Raum schaffen – Zwischenräume                                                                                                  tung übernehmen wollen; wir werfen einen kritischen Blick auf die Schnittstelle Anthro-
    Begegnung – Gestaltung – Impulse      27                                                                                               posophie in der Öffentlichkeit; die Vertreter der Arbeitszentren berichten von den regio-
    „Freude in Prozessen“                        28                                                                                        nalen Herausforderungen, Entwicklungen und Initiativen; und schließlich möchten wir
                                                                                                                                           Sie zu einem Michael-Fest im Herbst nach München einladen. Mit der Hoffnung, dass
    Internationales Bodensee Kunstfestival
    „Stil und Geist“                             30                                                                                        über die nächsten Monate wieder neues Leben aus unseren anthroposophischen Bemü-
                                                                                                                                           hungen entstehen wird, wünschen wir Ihnen eine gute Sommerzeit.

                                                                                                                                           Für die Redaktion, Monika Elbert

                                             Impressum: ›Mitteilungen‹ der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e. V.,           Titelbild: Tafelzeichnung von Rudolf Steiner zur Johanni-Imagination,
                                             Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart
                                             Redaktion: Arbeitskollegium der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e. V.          die zu den Mysterien der Höhe, der Tiefe und der Mitte führt.
                                             Verantwortlich: Monika Elbert, Tel. 0171-7980610, anthroposophie@mercurial.de
                                             Grafische Gestaltung: Sabine Gasser • Gestaltung, Hamburg
                                             Adressverwaltung: leserservice@mercurial.de
                                             Versand mit der Vierteljahrsschrift „Anthroposophie“ an alle Mitglieder
                                             Digital auf der Internetseite der AGiD unter „Publikationen“

2       ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                                         MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                         3
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
Folgendes Programm mit
    Die Deutsche Landesgesellschaft lädt ein                                                             vielen künstlerischen Elementen
                                                                                                         erwartet Sie:                                                        Michael-Fest
    „Wir Menschen der Gegenwart brauchen
                                                                                                                                                        Freitag bis Sonntag, 1. bis 3. Oktober 2021
    das rechte Gehör …“ – Ein Michael-Fest                                                                                                      in der Rudolf-Steiner-Schule München-Schwabing

    Aus welcher seelisch-geistigen Kraft lässt sich    Gedanken bitte schriftlich mit, es genügt ein
    ein Michael-Fest in angemessener Weise fei-        Satz. Er wird die Grundlage für die vertiefende
    ern? Die Frage nach Michael als Zeitgeist, als     Arbeit im Austausch bilden. Denn die vielen
    Geist der Freiheit, als Lehrer der Bewusstseins-   mitgebrachten Gedanken wollen wir an den
    seelenbildung ist eine anspruchsvolle und wird,    drei Tagen in einem sozialkünstlerischen Pro-
    wenn ich sie stelle, sofort konkret: Sie meint     zess bewegen, verbinden und weiterführen.         Freitag                                        Sonntag
    mich; ich werde erblickt. Wir sind gemeint,
                                                                                                         17.00 – 18.30 Uhr                              09.30 – 11.00 Uhr
    wir wollen es wagen und laden Sie herzlich ein,    Wir sind gespannt, ob es gelingt aus der Kraft
                                                                                                         Einstimmung mit einer Üb-Werkstatt für alle,   Michael-Qualitäten in der Welt: Beiträge
    im Oktober nach München zu kommen, um              der Geistesgegenwart und Improvisation Hör-
                                                                                                         die sich auf den kommenden gemeinsamen         von Gästen aus Italien, Österreich und den
    gemeinsam eine Michael-Festesstimmung zu           Räume zu erschließen, die etwas Neues eröff-
                                                                                                         Prozess einstimmen möchten                     Niederlanden
    erzeugen. Für die Vorbereitungsgruppe waren        nen, Neues zum Erklingen bringen. Viele en-
    hierfür blickleitend die Worte Rudolf Steiners:    gagierte Beteiligte werden in den Üb-Gruppen      19.30 – 21.00 Uhr                              11.30 – 13.00 Uhr
    „Wir Menschen der Gegenwart brauchen das           dafür Möglichkeiten schaffen: Georg Schuman,      Tagungseröffnung: Begrüßung, Kunst,            Abrundung mit Blick in die Zukunft: Was
    rechte Gehör für des Geistes Morgenruf, den        Kazuhiko Yoshida, Petra Ziebig, Alexander         Austausch in Kleingruppen und im Plenum,       will weitergetragen werden?
    Morgenruf des Michael. Geist-Erkenntnis will       Schaumann, Musikgruppe „Steinlicht“, Jörg         Begegnung
    der Seele erschließen dies wahre Morgenruf-        Schöllhorn, Thomas Leins, Klaudia Saro,                                                          Damit ist der äußere Rahmen beschrieben,
    Hören.“                                            Anke Steinmetz und weitere.                       Samstag                                        der innere ist weiter noch in Bewegung. Wir
                                                                                                         Der Samstag dient der Erarbeitung von Bei-     informieren Sie gerne auf Anfrage oder bei
    Wie kommen wir aus diesem Bewusstsein in           Bringen Sie den Mut mit, sich einzulassen, und    trägen zur Michael-Festesstimmung zunächst     Anmeldung darüber.
    eine Festesstimmung, die Michael würdig ist?       lassen wir uns voneinander überraschen! Der       im Plenum und dann in Gruppen, die in der
    Mit verschiedenen Üb- und Improvisationsele-       Höhepunkt wird das eigentliche Michael-Fest       Abendveranstaltung ihren Ausdruck finden
    menten wird es jedem Teilnehmer ermöglicht         am Samstagabend sein, das von Freitagnach-        sollen. Die vorgesehenen Zeiten dafür sind:    Bitte melden Sie sich an bis 17. Sept. 2021:
    sein sich einzubringen. Nicht die Wiedergabe       mittag an gemeinsam vorbereitet wird. Abrun-                                                     info@anthroposophische-gesellschaft.org,
                                                                                                         09.30 – 13.00 Uhr
    von Erarbeitetem steht im Mittelpunkt. Das         dend haben wir für den Sonntag eingeladen:                                                       Tel. 0711-16 43 122, Fax – 130,
                                                                                                         Plenum und Gruppenarbeit
    Situativ-Prozesshafte wird hier das prägende       Stefano Gasperi (angefragt), Rik ten Cate und                                                    Landessekretariat, Fr. Miriam Hernandez,
    und verbindende Element sein. Für die Teil-        Wolfgang Tomaschitz, die drei Generalsekre-       15.00 – 18.30 Uhr                              Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart
    nahme möchten wir voraussetzen, dass Sie vor-      täre der Landesgesellschaften von Italien, Hol-   künstlerische Gruppen
    bereitend mit der Frage umgehen: Was ist mir       land und Österreich. Mit ihnen wollen wir den     19.30 – 21.30 Uhr                              Einladende Initiativträger: Monika Elbert,
    ein wichtiger Michael-Gedanke, was ein wich-       Blick in den europäischen Raum weiten und         Michael-Fest                                   Michael Schmock, Barbara Messmer,
    tiges michaelisches Element? Auf was möchten       hören, wo und wie in diesen Ländern michae-                                                      Florian Zebhauser, Anke Steinmetz,
    Sie hinweisen? Bringen Sie diesen Michael-         lische Kraft wahrnehmbar ist.                                                                    Marcus Gerhardts, Emi Yoshida

4   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                  MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                  5
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
Zusammengefasst von Michael Schmock                                                                                                                 Wolfgang Müller, Journalist,
                                                                                                                                                        im Gespräch mit dem
    Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten von Corona                                                        ständlichen Form erklärt werden können. Man
                                                                                                      müsse akzeptieren, dass für Außenstehende
                                                                                                                                                        Arbeitskollegium

    Im Gespräch mit dem Journalisten Wolfgang Müller                                                  manches („Kuhhörner eingraben“) zunächst
                                                                                                      kurios klingt. So müsste darum gerungen wer-
                                                                                                      den, den anthroposophischen Blick auf den
                                                                                                      Menschen und die Natur verständlich und in
    Dass wir uns als AGiD in Zeiten von Corona vermehrt um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern          seiner Logik plausibel zu machen. Vor allem:
    müssen, ist mehrfach beschrieben worden. Inzwischen sind einige Initiativen entstanden, wie       Anthroposophie sei nicht für die Anthropo-
    die gemeinsam abgestimmte „Krisenkommunikation“ mit zahlreichen anthroposophischen                sophen, sondern für die Welt da, so Wolfgang
    Verbänden und die Homepage „anthroposophie-gegen-rassimus.de“. Im „Blätterwald“ der               Müller. Wenn dieser Zug in die Sache hinein-
    Medien sind uns auch einzelne Artikel aufgefallen, die in sachlicher, konstruktiver Art die An-   komme, werde sich alles Mögliche von selbst       Wolfgang Müller wurde 1957 in Heidel-
    throposophie behandeln. So auch die von Wolfgang Müller. Das hat uns dazu bewogen, den            begradigen.                                       berg geboren und wuchs in Speyer am
                                                                                                                                                        Rhein auf. 1976 Abitur am Gymnasium
    Journalisten aus Hamburg am 14. April in den Vorstand der AGiD einzuladen, auch wenn das
                                                                                                                                                        am Kaiserdom. Seinen Zivildienst absol-
    nur per Zoom möglich war. Wir wollten ihn und seinen Hintergrund besser kennenlernen, ihn         Dann sprachen wir umfassender über die An-        vierte er in einer therapeutischen Wohn-
    fragen, wie er die mediale Wirkung der Anthroposophie gegenwärtig einschätzt und wie er auf       throposophie-Kritik. Der Journalist sieht hier    gemeinschaft für ehemalige Psychiatrie-
    die Kritikpunkte blickt. In dem 1,5-stündigen Gespräch entstanden Gesichtspunkte, die hier        verschiedene Kategorien. Eine erste würde er      Patienten. Anschließend Studium der
                                                                                                                                                        Geschichte und Germanistik in Heidel-
    stichwortartig wiedergegeben werden sollen.                                                       als „Verspotten“ beschreiben. Die Inhalte und
                                                                                                                                                        berg und Hamburg. 1988/89 Volontariat
                                                                                                      die Methoden werden verunglimpft. Meistens        beim NDR. Anschließend, bis 2020, Re-
    Zunächst ging es um die Fragen rund um den        Flagge zu zeigen und nicht nur die „Gegner“     ohne dezidierte Sachkenntnis, einfach weil sie    dakteur, zunächst in der Wissenschafts-
    Rassismusvorwurf. Hier sei es wichtig - so        schreiben zu lassen. Anthroposophen müssten     bestimmten Menschen nicht ins „Weltbild“          redaktion, später als Fachredakteur für
                                                                                                                                                        Zeitgeschichte. 2007 veröffentlichte er
    Wolfgang Müller - sich nicht stumm zu stel-       „an Deck“ gehen. Eine erste Maßnahme wäre       passen. Da könne man kaum Argumente fin-          das Buch „Inseln der Zukunft. Mensch-
    len und die Vorwürfe „über sich ergehen“ zu       schon, an den entsprechenden Stellen Leser-     den, diesen Spott zu widerlegen. Eine andere      liche Entwicklung in Zeiten der Globali-
    lassen. Es gehe darum, valide Antworten zu        briefe und Kommentare zu schreiben, dies        Form zeige sich in der Haltung, Anthroposo-       sierung“ (Arbor Verlag). Jetzt freie publi-
                                                                                                                                                        zistische Tätigkeit.
    finden. Im Einzelfall könnte man aus seiner       möglichst kurz und prägnant, sodass die Ver-    phie einfach nicht ernst zu nehmen, für rück-
    Sicht einräumen, dass es bei Steiner Passagen     öffentlichungschancen steigen. Das wäre ein     ständig und vormodern zu halten. Dann noch
    gibt, die problematisch sind. Entscheidend sei    Anfang, der langfristig seine Wirkung zeigen    eine weitere, eher psychologische Kategorie,
    aber, deutlich zu machen, dass die Vorwürfe       würde.                                          die etwas schwieriger ist: Wolfgang Müller be-
    letztlich marginale Aspekte betreffen, dass die                                                   obachtet bei manchen Kritikern eine Art „pro-
    Anthroposophie in ihrem Kern und Wesen            Ein weiterer Gesichtspunkt bezog sich auf       gressiven Selbstbeweis“, der sich am geeigneten
    völlig anders, freiheitlich und human orien-      den „Esoterik-Vorwurf“. Müller sieht diesbe-    Gegenüber (hier: der angeblich rassistischen
    tiert ist. Diese Einordnungen müssten An-         züglich die Anthroposophie noch lange nicht     Anthroposophie) der eigenen Fortschrittlich-
    throposophen leisten können. Zum Beispiel:        gesellschaftlich angekommen. Die Anthropo-      keit versichern möchte. Nach dieser Lesart ge-
    Warum war Steiner bezüglich des Zionismus         sophie sei im öffentlichen Diskurs noch eine    hört Anthroposophie nicht in die aufgeklärte
    skeptisch? Er wendete sich damals aus guten       Randerscheinung, ihre eigentliche Perspektive   Gesellschaft, sie sei „anti-aufklärerisch“ und
    Gründen gegen einen ethisch-religiös definier-    würde kaum sichtbar. Hinter der anthropo-       „von Gestern“. Auch hier gilt es, die in Wahr-
    ten Nationalstaat, das hatte nichts mit Anti-     sophischen Esoterik verberge sich aber etwas,   heit viel tieferen emanzipatorischen Potenziale
    semitismus zu tun! Hier ginge es auch darum,      was mehr sei, das müsse in einer heute ver-     der Anthroposophie transparent zu machen.

6   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                               MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                    7
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
Matthias Niedermann

                              Wie sehen Sie die öffentlichen Reaktionen
                              der Anthroposophen in der Corona-Zeit? Wo
                                                                                   Als Zukunftsperspektive beschrieb Müller
                                                                                   noch eine weitere Denkmöglichkeit: Es
                                                                                                                                                                              Verantwortung – Wie geht das?
                              haben wir Verbesserungspotenzial? So lau-            braucht insbesondere „starke Köpfe“ aus der                                                Arbeitstreffen mit jungen Menschen
                              teten unsere letzten, dezidierten Fragen an          Anthroposophie, sagte er, markante Stimmen,
                              Wolfgang Müller. Seiner Ansicht nach zeigte          die intellektuell ernst genommen werden. In
                              sich die offizielle Anthroposophie (der Ver-         den nächsten fünf bis zehn Jahren müssten sich                                             Textarbeit – insbesondere mit Rudolf Steiners       fahrungen, die mit einer Suche beginnen, zu
                              bände zum Beispiel) recht konform mit den            Personen finden lassen, die öffentlich relevante                                           Vorträgen – ist eine schwere Kost! Doch nur         einer Initiative oder einem Projekt führen, um
                              öffentlichen Maßnahmen. Dann gebe es einen           Positionen artikulieren können. Man müsste                                                 so lange, bis der Gedanke, der in den Druck-        mit einem neuen Initial – einem Ausgangs-
                              anderen Strang verschiedenster Mitglieder und        diese Menschen auch entsprechend stützen                                                   buchstaben eingemeißelt ist, sich im eigenen        punkt – zu enden. So etwa berichtete Justyna
                              Einzelaktivisten, die relativ kritiklos ins Inter-   und im Sinne der gemeinsamen Sache „auf-                                                   Denken zeigt und seine erste Kontur gewinnt.        Wojciechowska von der Entstehung und der
                              net abgedriftet seien. Was hier wie dort fehlte:     bauen“. Es reiche nicht, dass vieles nur „gut                                              Wenn dieser im Gespräch bearbeitet wird, zu         Arbeitsweise der Gruppe „b-the-change“ auf
                              das Bestreben, eine eigene, anthroposophische        gemeint“ in Erscheinung tritt, wenn es nicht                                               glühen beginnt, seine eigene Wärme, Dynamik         dem „campusA Stuttgart“, wo sie und ihre 12
                              Perspektive deutlich zu machen. Nicht nur in         „gut gemacht“ sei. In Zeitschriften etwa gehe                                              und Lebendigkeit entfaltet, treten der Text, die    Freunde nicht nur Projekte, sondern einen ge-
                              dem Sinn, dass beispielsweise die Bedeutung          es auch darum, Autoren mit Format zu finden                                                Schrift und das Gelesene in den Hintergrund         meinsamen geistigen Bezugspunkt suchen und
                              der menschlichen Abwehrkräfte deutlich wird          und zu pflegen. Wenn jemand zum Beispiel ein                                               und setzen den Blick frei – für die Menschen.       entwickeln. Mischka Kaiser erzählte vom Wal-
                              (was auch die Schulmedizin weiß), sondern in         Buch rezensiert und nur den Inhalt wiedergibt,                                             Unser Text für das letzte Treffen war: „Die Er-     dorf-Festival 2019: Wie alles mit einem von
                              einer grundsätzlicheren Weise. Das verlange          reicht das nicht, das innere Profil der Sache                                              kenntnis-Aufgabe der akademischen Jugend“           Pferden gezogenen Planwagen begann, sich
                              aber mehr als die (richtige) Aussage, dass Vi-       muss deutlich werden. Mit mehr Systematik                                                  (in GA 217a). Wie sah diese Aufgabe für die         dieses hereinziehende Bild mit der Lebens-
                              ren allgemein zum Leben gehören. Man müsse           und mehr Willen daran arbeiten, das wäre eine                                              jungen Menschen aus, die Rudolf Steiner vor         realität Schloss Hamborns verband, helfende
                              auch – so schwierig das sei – zu klären versu-       mögliche Perspektive. Zusammengefasst: Die                                                 sich hatte, und wie zeigt sie sich heute? Was       Menschen dazukamen und damit das Wal-
                              chen, wo Viren eine spezifische Problematik          anthroposophische Bewegung müsste man-                                                     geschieht, wenn Menschen nur darin geschult         dorf-Festival und seine über 1.000 Menschen
                              erzeugen, auf die Antworten gefunden werden          ches Sektiererische, was noch da ist, ablegen                                              werden, ihre Kognition zu entwickeln, das           beschenkt wurden. Die Textarbeit und die Ini-
                              müssen.                                              und sich kraftvoll der Welt zuwenden.                                                      Seelische aber, das Gefühl und der Wille, sich      tiativkraft sind polare Zugänge, die sich gegen-
                                                                                                                                                                              nicht entwickeln können? Wozu die daraus re-        seitig ergänzen und verstärken. Im Zwischen-
                                                                                   Michael Schmock, Mitglied des Arbeitskollegiums
                                                                                   und Generalsekretär der Landesgesellschaft.                                                sultierende „seelische Beklemmung“ oder die         feld entstehen die Fähigkeit und der Wille zur
                                                                                                                                                                              „seelische Atemnot“ führen, erleben wir heute       Verantwortung. Seit Sommer 2020 treffen wir
                                                                                                                                                                              täglich. Werden diese Empfindungen verleug-         uns regelmäßig. Ausgangsfragen sind bisher:
                                                                                                                                                                              net, abstrahiert oder gar verdrängt, entsteht       Was entsteht, wenn junge Menschen für die
                                                                                                                                                                              daraus kein individueller Wille, sich mit den       Weiterentwicklung der Anthroposophie Ver-
                                                                                                                                                                              Wurzelfragen des Lebens auseinanderzuset-           antwortung übernehmen? Entsteht etwas Neu-
© Foto: Sebastian Knust

                                                                                                              A rb                                                            zen. Der Wille bleibt bei sich, es entsteht keine   es? Noch stehen wir am Anfang, die Richtung
                                                                                                                     eits
                                                                                                                            treff                                             persönliche Suche, die zu neuen Erkenntnissen       und die Arbeitsform sind noch nicht ganz klar.
                                                                                                                                    en m
                                                                                                                                           it ju
                                                                                                                                                   nge                        führen kann. Denn die umgebende Welt vol-           Wir bleiben aber am Ball und weitere Treffen
                                                                                                                                                         nM
                                                                                                                                                              en s c
                                                                                                                                                                       he n   ler Farben, Töne und Dinge, sie wartet darauf,      sind in Vorbereitung.
                                                                                                                                                                              entdeckt zu werden – individuell, existenziell
                                                                                                                                                                                                                                  Matthias Niedermann, Assistenz des Vorstands der
                                                                                                                                                                              und als wahr anerkannt! Im zweiten Teil un-         Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland
                                                                                                                                                                              seres Gesprächs ging es um individuelle Er-

                          8   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                                                             MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                           9
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
Michael Schmock

     Individualisieren und
     Zusammenhang bilden
     Ein Arbeitstreffen mit Hochschulverantwortlichen in Stuttgart

     Das geplante Kolloquium am Samstag, den          •   Die Hochschule braucht eine Neugestal-
     20. März 2021 in Dornach zu „Gegenwartsfra-          tung, die auch zu neuen Verabredungen
     gen der Freien Hochschule und ihrer 1. Klasse“       führt (zum Beispiel der Weg zum Lektor-
     musste Corona-bedingt ausfallen. Daraus ent-         bzw. Vermittlersein). Dabei ist es wichtig,
     stand eine Verabredung der Mitwirkenden und          dass das Gewordene geachtet wird und dass

                                                                                                          © Monika Elbert
     Mitgestalter des Kolloquiums am gleichen Tag         es hier um eine geistige Gestaltbildung geht.
     (als Ausweichoption) in Stuttgart. Mit dabei         Eigentlich müsste das mindestens im euro-
     waren: Claus-Peter Röh, Johannes Kühl und            päischen Kontext besprochen werden.
     Oliver Conrad aus Dornach sowie Herbert
     Heinz Friedrich, Martin Schlüter, Antje Putz-    •   Die Vermittlerfrage ist ein zentrales Thema,
     ke, Monika Elbert, Michael Schmock, Wolf-            auch angesichts der vielen vermittlerfreien
     gang Kilthau, Matthias Bölts, Michael Fischer        Gruppen. So stellt sich auch die Frage nach
     aus Deutschland. Ziele des Treffens waren ein        Nachwuchs und Weiterbildung von Ver-                              •   Es gibt in Deutschland immer mehr Men-         •   Wie werden die „frei gebildeten und un-
     ausführlicher Austausch zu den Gegenwarts-           mittlern.                                                             schengruppen, die eine eigene Arbeits- und         gebundenen Gruppen“ anerkannt? Wie
     fragen der Hochschule und die Entwicklung                                                                                  Üb-Methode im Umgang mit den Mantren               entsteht ein wirklicher Zusammenhang?
     von möglichen nächsten Schritten auf dem         •   Anthroposophie wird vielfältig lebendig. Im                           entwickeln. So zum Beispiel in einer „Jungen       Braucht es nicht den Duktus einer offenen
     Felde der Hochschulgestaltung.                       medizinischen Leben, in den praktischen                               Hochschulgruppe“ mit ca. 15 Studentinnen           Willkommenshaltung statt skeptischer Dis-
                                                          Arbeitsfeldern. Es geht um Zusammenarbeit                             und Studenten in Stuttgart. Hier werden            tanz, unabhängig von der „blauen Karte“?
     Um in das Thema einzusteigen, schilderten            mit geistiger Verantwortung. Ist Hochschu-                            Fragen bewegt in Bezug auf die gegenwär-
     Martin Schlüter und Heinz Friedrich eini-            le dann ein „Meditationsverein“? Was ist der                          tigen Hochschulformen. Wenn der Zu-            •   Es geht um die Stärkung der Verschieden-
     ge Motive zum tieferen Verständnis und zur           Kern der Hochschulqualität?                                           sammenhang mit der Hochschule gewollt              heit. Die Schwelle ist immer individuell.
     Begegnung mit dem „Hüter der Schwelle“.                                                                                    wird, wie entsteht dieser menschlich-geisti-       Wie können wir hier im Sinne neuer Gestal-
     Im Anschluss folgten Schilderungen aller Be-     •   Der Berufsimpuls der Sozialtherapie bei-                              ge Zusammenhang? Ist eine solche Gruppe            tungen Perspektiven schaffen?
     teiligten zu der Frage: Was ist für mich die         spielsweise: Hier geht es darum, die Anth-                            Teil der Hochschule? Gelten einzelne Mit-
     Kernfrage zur Gegenwartssituation der Freien         roposophie ins Leben zu bringen. Es sind                              arbeitende ohne „blaue Karte“ dennoch als      •   Einerseits liegen alle Texte offen. Alles ist in-
     Hochschule? Wo sehe ich ein Problem bzw.             aber kaum noch Anthroposophen da, die                                 Mitglied der Hochschule? Wie entsteht aus          dividuell in jederart Formen möglich. Jede
     eine Aufgabenstellung? Die Voten dazu seien          das tragen könnten. Selbst wenn dies nicht                            den berechtigten Individualisierungsformen         Gruppe kann so arbeiten, wie sie es ausge-
     hier andeutend wiedergegeben, ohne Anspruch          das Entscheidende ist, stellt sich die Frage:                         von verschiedenen Gruppierungen der Zu-            stalten will. Woraus entsteht der Zusam-
     auf Vollständigkeit:                                 Wie kommt der Geist der Hochschule in das                             sammenhalt der Hochschule?                         menhang mit der Hochschule? Wie können
                                                          jeweilige praktische Arbeitsfeld?                                                                                        die Bedingungen transparenter werden?

10   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                                    MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                               11
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
•   Hochschule ist eine übergeordnete Gemein-           um ein einfühlendes Sprechen und Hören.            meditativen Lebens im „privaten Sinne“              •   Das Thema „Individualisierung und Mitte-
         schaft, die sich durch viele Jahrzehnte ent-        Dann wird zum Beispiel die Stunde gelesen          führt. Wenn der Zusammenhang mit der                    Bilden“ sollte in weiteren Kolloquien be-
         wickelt hat. Einem ehrlichen, offenen Blick         und zum Abschluss die dritte „Tafel“ ge-           Hochschule als Ganzes gesucht wird und                  wegt werden. Hier scheint ein Schlüssel zur
         auf die Entwicklung und die Geschichte              sprochen. Hier führen das „innere Gelöbnis“        mit einem Vermittler abgesprochen wird,                 Verständigung über eine Zukunfts-Hoch-
         der Hochschule sind wir bislang gerne aus           und das inhaltliche Verstehen des Hüters zu        kann durch ein bewusstes Mittragen der                  schulentwicklung zu liegen. Als zweites
         dem Weg gegangen. Hier wirken verschie-             der Kraft der geistigen Verbundenheit.             Verantwortung eine Verstärkung der Hoch-                Thema sind die vertiefende Arbeit an der Be-
         dene Strömungen und Menschenschicksale.                                                                schule und damit der anthroposophischen                 deutung des Hüters der Schwelle sowie die
         Diese Geschichte ist auch behaftet mit einer    •   Wie entsteht aus Differenzierung Zusam-            Bewegung entstehen. Dieses „Informations-               „karmische     Doppelgänger-Entwicklung“
         Doppelgänger-Kraft. Ohne Hüter-Begeg-               menhang und daraus eine neue Mitte? Auch           blatt“ soll weiter ausgearbeitet werden.                der Hochschule selbst herausgestellt worden.
         nung gibt es keine Entwicklung! Nach den            mit den ungebundenen Gruppierungen?                                                                        Die Themen sollten als Aufgabenstellungen
         benannten Differenzierungen muss man                Vielleicht braucht es hierfür neue Räume.      •   Es bräuchte ein deutliches „Statement“ der              im Bewusstsein bleiben.
         sagen: Der Schlüssel zur Hochschule liegt           Neue Räume, die von der Institution Hoch-          Hochschulverantwortlichen zu dem Thema,
         nicht nur im Goetheanum, sondern außer in           schule auch gewollt werden.                        auch auf weiteren Kolloquien und Hoch-              •   Das wegen Corona ausgefallene Kolloqui-
         den Sektionen vor allem auch in den Herzen                                                             schultagungen.                                          um in Dornach zu diesen Entwicklungsfra-
         der Schwestern und Brüder, die an diesen        Das Gespräch vertiefte sich an diesen Themen,                                                                  gen der Hochschule sollte möglichst noch in
         Inhalten zusammenarbeiten. Der Zusam-           vor allem an der Individualisierung und der        •   Es bräuchte (mindestens im deutschspra-                 diesem Jahr nachgeholt werden.
         menhang entsteht durch eine existenzielle       Mittebildung. Dabei wurde deutlich, dass hier          chigen Raum) ein Hochschulorgan (Platt-
         Verbindung mit dem Karma der Anthropo-          viele Unsicherheiten und Unklarheiten liegen.          form?), in dem die aktuellen Fragestellungen        •   Perspektivisch besteht die Möglichkeit, dass
         sophischen Gesellschaft und mit dem Hüter       Hier müssten ein neues Bild, neue „Räume“              sowie die Einladungen und Berichte zu den               im Frühjahr 2022 wieder eine deutschland-
         der Schwelle. Es ist eine offene, transparen-   eröffnet werden, die den Willen zur Zusam-             verschiedenen Hochschulbemühungen ein-                  weite Hochschultagung in Stuttgart statt-
         te, geistig-geschwisterliche Verbindung. Die    menarbeit im seelisch-geistigen Raum deutlich          bezogen und auch besprochen werden. Ein                 finden könnte. Dazu müsste sich erst ein
         Mitte bildet sich durch die Begegnung mit       machen.                                                solches Blatt ist bereits durch private Initiati-       Verantwortungskreis finden.
         dem Gesellschafts-Hüter. Daraus entsteht                                                               ve von Elisabeth Wutte und Günter Röschert
         eine Verpflichtung, ein „Gelöbnis“. Die         Zum Ende des Gespräches wurde auf Perspek-             entstanden. Es wäre wichtig, dass von Seiten        So weit einige Notizen aus dem Gespräch in
         Hauptaufgabe heute besteht in einer strö-       tiven geschaut, die in diesem Sinne die Hoch-          der Deutschen Landesgesellschaft diese In-          Stuttgart. Zusammenfassend kann man sagen,
         mungsübergreifenden geistigen Forschung.        schule in ihren Entwicklungspotenzialen sicht-         itiative aufgegriffen und ausgestaltet wird.        dass es ein inhaltlich tiefes, aber auch sachlich
                                                         bar, erkennbar und erlebbar machen können.             Es geht um ein Organ, in dem man durch              konkretes Gespräch gewesen ist, das auch neue
     •   Am Beispiel einer Hochschulgruppe am Bo-        Dazu wurden ganz unterschiedliche Schritte             Selbstreflexion auf die Entwicklungsfelder          Perspektiven eröffnet.
         densee wurde geschildert, wie verschiedene      angesprochen, die hier in verkürzter Form zu-          der Hochschule schauen kann.
                                                                                                                                                                    Michael Schmock, Mitglied des Arbeitskollegiums
         „Üb-Elemente“ die Arbeit in der Gruppe          sammengefasst werden:                                                                                      und Generalsekretär der Landesgesellschaft
         vertiefen können. Durch gemeinsame eu-                                                             •   Der konkrete Schritt des Hamburger Hoch-
         rythmische Übungen, durch den Blick in          •   Die Hochschulleitung entwirft gegenwär-            schulkolloquiums in der Zusammenarbeit
         die Natur und Landschaft, durch ein Hör-            tig eine Neubeschreibung der Hochschule.           mit „Freien Gruppen“ und ihrer Arbeits-
         erlebnis der Mantren, das auch ein innerli-         Einleitend wird hier beschrieben, dass sich        methodik soll im Herbst dieses Jahres eine
         ches Hören beinhaltet. Dabei geht es nicht          gegenwärtig die Hochschularbeit in viel-           Fortsetzung und Vertiefung finden. Geplant
         um lautgewaltige, dramatisierende, offen-           fältige Formen individualisiert und für ver-       ist der 12. bis 13. November 2021.
         barungsschwangere Darbietungen, sondern             schiedene Gruppen zu einer Vertiefung des

12   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                    MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                                13
MITTEILUNGEN JOHANNI 2021 - AUS DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND - Anthroposophische Gesellschaft
Angelika Sandtmann

                                                                                               Weiter so wie bisher?

                                                                                               Als vor fast anderthalb Jahren ein Pandemiege-
                                                                                               schehen einsetzte und mit ihm ein gesellschaft-
                                                                                               licher Ausnahmezustand ausgelöst wurde, hat
                                                                                               wohl niemand geahnt, dass dieser bis heute
                                                                                               anhalten und welche immensen Folgen er mit
                                                                                               sich bringen würde. Das Geschehen traf die
                                                                                               Menschen in aller Welt je nach Standort und
                                                                                               konkreter Lebenssituation höchst unterschied-
                                                                                               lich. Neben schwerem Leid durch Hunger,
                                                                                               Krankheit, Tod, Existenznöten und Isolation
                                                                                               gab es durchaus auch befreiende Erfahrungen
                                                                                               wie die Erleichterung, aus dem festen Korsett
                                                                                               des Alltags unversehens herauszukommen und
                                                                                               Zeit zur Besinnung zu haben. Die „geschenk-
                                                                                               te“ Zeit des ersten Lockdowns nutzten nicht
                                                                                               wenige Menschen, um die Schönheit ihrer
                                                                                               näheren Umgebung zu erkunden, die sie so
                                                                                               noch gar nicht oder lange nicht mehr beach-
                                                                                               tet hatten. Staunend wurde der ungewöhnlich
                                                                                               klare, blaue Himmel im Frühjahr 2020 wahr-
                                                                                               genommen – ein sichtbares Zeichen für die
                                                                                               drastische Reduktion des Flugverkehrs. Was
                                                                                               die mahnenden Appelle der Naturschützer bis-
                                                                                               her nicht auszurichten vermochten, nun auf
                                                                                               einmal ging es!

                                                                                               Viele Menschen empfanden die eingetretene
                                                           Johannes im Museum Schnütgen Köln

                                                                                               Situation als einen deutlichen Weckruf, die
                                                                                               bisherige Lebensweise grundlegend verändern
                                                                                               zu müssen. Stimmen wurden laut, dass ein
                                                                                               Zusammenhang bestehe zwischen der leichte-
                                                                                               ren Übertragbarkeit der Viren vom Tier zum

14   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                       MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                      15
Menschen und dem         und Weinsäufer, den Freund der Zöllner und         die uns gegenseitig befeuern kann, wie auch
                                                                            Rückgang der Arten-      Sünder.“ (Lk 7, 33–34). Jesus vergleicht sie mit   immer die konkrete äußere Situation gerade
                                                                           vielfalt sowie weiteren   launischen Kindern, die auf dem Marktplatz         sein mag. Im biblischen Bild gesprochen: Wer
                                                                          menschengemachten          sitzen und verlangen, dass die anderen stets       Johannes und Jesus nach gewohnten Maßstä-
                                                                          Umw e lt pr oble me n .    nach ihrer Pfeife tanzen.                          ben und überlieferter Weisheit beurteilt, wie es
                                                                         Das johanneische „Än-                                                          die Pharisäer und Schriftgelehrten taten, wird
                                                                        dert euren Sinn“ lag in      Was in der gegenwärtigen angespannten Lage         das Außergewöhnliche und Zukünftige von
                                                                        der Luft.                    ungemein schwerfällt, aber mehr denn je för-       ihnen nie bemerken.
                                                                                                     derlich wäre, ist Unbefangenheit den anderen
                                                                        Diese Stimmung ist nach      Menschen, aber auch sich selbst gegenüber.         Johannes der Täufer, von dem Jesus bezeugt:
                                                                       meiner      Wahrnehmung       Was wäre, wenn ich mir bewusst vornähme,           „Größer als Johannes ist keiner unter den von
                                                                      mittlerweile    weitgehend     meine Wünsche wie von außen ruhig anzu-            Frauen Geborenen“ (Lk 7, 28a), verwies stets
                                                                      verflogen. Allseits steht      schauen? Was sind vielleicht nur Gewohn-           auf den nach ihm Kommenden, der nicht mit
                                                                     nun der Wunsch im Vorder-       heiten, die ich auch ablegen könnte? Worin         Wasser, sondern in heiligem Geiste und im
                                                                    grund, den vermissten Zu-        verbirgt sich das, was mir wirklich wichtig        Feuer taufen werde. Johannes hat sich nicht
                                                                   stand „davor“ wiederzuerlan-      ist? Taucht durch die Erfahrungen in der           auf seiner Größe ausgeruht, ein „Weiter so
                                                                  gen: „Wann kann ich endlich        Zeit der Einschränkungen sogar viel klarer         wie bisher“ gab es für ihn nicht. In Goethes
                                                                  wieder …?“ Schuldzuweisungen       auf, worauf es mir ankommt? Oder wenn ich          Gedicht „Selige Sehnsucht“ aus dem Westöst-
                                                                 nehmen überhand, wer einen da-      erst einmal ohne vorgefasste Vorstellung und       lichen Divan lebt viel von dieser Johannistim-
                                                                ran hindere. Die Menschheit wird     Wertung aufmerksam wahrnehme, wie sich             mung.
                                                               in „Gute“ und „Böse“ eingeteilt       z. B. verschiedene Begegnungsarten von der
                                                                                                                                                        Angelika Sandtmann, Simmern, Mitglied des Arbeits-
                                                             – je nach Einschätzung der Lage         Qualität her unterscheiden? Lässt sich durch       kollegiums der Anthroposophischen Gesellschaft in
                                                            mit umgekehrtem Vorzeichen. Mir          meine Aktivität diese Qualität beeinflussen?       Deutschland.

                                                           scheint, dass wir weitgehend in einem     Kann ich mein Urteil zunächst zurückhal-
                                                          Zwangsfolgern gefangen sind. Entspre-      ten, wenn mir jemand eine Ansicht mitteilt,
                                                         chend den Grundannahmen versucht            die mir sehr abwegig scheint? Vielleicht habe
                                                      man Andersdenkende mit „objektiven“            ich mich noch nicht genügend darauf einge-
                                                   Zahlendaten davon zu überzeugen, dass sich        lassen und die Gesichtspunkte sowie das An-
                                                   die eigene Ansicht bestätigt. Das erinnert an     liegen, die damit verbunden sind, noch nicht
                                                   die Einstellung der Pharisäer und Gesetzesleh-    verstanden. Womöglich kommen wir nach                            „Verbrennen musst du dich wollen
                                                   rer gegenüber Johannes dem Täufer und Jesus       einer Weile zu etwas Neuem, das keiner bis-                      in deiner eignen Flamme:
                                                   Christus. Keiner von beiden konnte es ihnen       her bedacht hat. Weiterführend wird es, wenn                     wie wolltest du neu werden,
                                                   recht machen: „Denn Johannes der Täufer ist       wir uns als Menschen begegnen, die offen um
                                                                                                                                                                      wenn du nicht erst Asche
                                                   gekommen, aß kein Brot und trank keinen           eine Gestaltung ringen, und nicht als Vertre-
                                                                                                                                                                      geworden bist!“
                                                   Wein, und ihr sprecht: Er hat einen Dämon in      ter von festen Positionen. An dem Wie meiner
                                                   sich. Der Menschensohn ist gekommen, er isst      Haltung zum anderen wird sich letztlich ent-                     Friedrich Nietzsche
                                                   und trinkt, und ihr sprecht: Seht den Fresser     scheiden, ob eine zuwendende Nähe entsteht,                      (Werk: Also sprach Zarathustra)

16   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                             MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                            17
Vertreter*innen der Arbeitszentren

     Was lebt in unseren Arbeitszentren?                                                                      lange geplante Renovierung unseres Euryth-
                                                                                                              mie-Übraumes inklusive Einbau eines Holz-
                                                                                                                                                                und Mitglieder in diesen Krisenzeiten erfreu-
                                                                                                                                                                licherweise angestiegen ist. Dafür sind wir
                                                                                                              schwingbodens zu realisieren. Finanziell war      herzlich dankbar. Viele schätzen es, doch noch
                                                                                                              dies trotz Einbußen bei den Raumnutzungs-         einen analogen maskenfreien Ort der geistes-
                                                                                                              und Veranstaltungserlösen möglich, weil die       wissenschaftlichen Arbeit zu haben.
                                                        wählt. Dabei wurden die beiden bisherigen             Spendenbereitschaft unserer Berliner Freunde                               Armin Grassert, Berlin
ARBEITSZENTRUM BERLIN
                                                        Geschäftsführer mit deutlichem Votum in
                                                        ihrem Amt und ihrem Arbeitsstil bestätigt.

                                                        Der neu gewählte IK hat umgehend seine Ar-                                                              kreises in Kiel geplant. Auf diesen Besuch
     Das Jahr 2020 begann in Berlin sehr positiv:       beit aufgenommen und arbeitet seither wieder      ARBEITSZENTRUM NORD                                   hatten wir mit viel Vorfreude geblickt, um das
     Die Bühne unseres großen Saals im Rudolf           wertschätzend und konstruktiv zusammen. So                                                              Umfeld unserer neuen Kollegin kennenzuler-
     Steiner Haus bekam einen neuen Holzfuß-            wurden etliche neue Veranstaltungsformate                                                               nen und weil aus Schleswig-Holstein schon im
     boden und neue Vorhänge, die rechtzeitig im        entwickelt und insbesondere die Förderung                                                               Vorfeld ein reges Interesse an einem Austausch
     Februar zur Aufführung des vierten Mysteri-        der Eurythmie intensiviert. Dies fand seinen                                                            signalisiert wurde. Auch ein weiteres geplantes
     endramas der Weimarer Spielergruppe fachge-        Höhepunkt in einer „Langen Nacht der Eu-              Mit viel Liebe und Engagement hatte Klaus         Treffen im April in Hamburg konnte nicht
     recht montiert waren und so dem Hause einen        rythmie“, an der Ende Oktober im Rahmen               Landmark die Stelle des Geschäftsführers aus-     stattfinden. So steht das AZ-Nord jetzt nach
     neuen Glanz verliehen.                             einer dreistündigen Aufführung 19 Euryth-             gefüllt und Brücken zwischen Menschen, aber       dieser langen Pause und den großen inneren
                                                        mistinnen/Eurythmisten bzw. Ensembles                 auch zwischen Zweigen und Gruppen gebaut.         Veränderungen wirklich vor der Aufgabe einer
     Von Mitte März bis Mitte Mai fanden dann           einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen         Sein Tod im Januar 2021 hat für das Arbeits-      Neufindung.
     zwangsverordnet keine Veranstaltungen vor          darboten. Ebenfalls im Oktober war das Ru-            zentrum Nord einen großen Einschnitt bedeu-
     Publikum statt, unser Rudolf Steiner Haus          dolf Steiner Haus Versammlungsort für das             tet. Die letzten drei Jahre hatte das Kollegium   Das AZ-Nord hat sich vorrangig den Aus-
     als geisteswissenschaftliche Arbeitsstätte blieb   von der Freien Bildungsstiftung veranstaltete         vertrauensvoll Hand in Hand arbeiten können.      tausch im Bereich der Zweig- und Gruppen-
     aber für die individuelle Arbeit durchgehend       und viel beachtete Kolloquium zur Aufarbei-           Noch im September 2020 ist das ganze Kolle-       arbeit zur Aufgabe gemacht. Diese Arbeit
     geöffnet. Damit verbunden musste unsere            tung der Corona-Krise. Ein ganzes Wochenen-           gium mit großer Zustimmung bei den Wah-           erstreckt sich über fünf Bundesländer: nörd-
     Jahresmitgliederversammlung in den Juni            de wurde versucht, sich diesem Phänomen aus           len bestätigt worden. Darüber hinaus durften      liches Niedersachsen, Schleswig-Holstein,
     verschoben werden. Sie wurde mit Spannung          geisteswissenschaftlicher Sichtweise zu nähern,       wir uns über die Vergrößerung des Kollegiums      Hamburg, Bremen und westliches Mecklen-
     erwartet, weil sich erstmalig seit 14 Jahren       und es wurde viel Positives über diese Veran-         durch Michaela Beate Ulfers aus Kiel freuen.      burg-Vorpommern. Das Veranstaltungswesen
     für die Ämter der Geschäftsführung und der         staltung berichtet.                                   Leider konnte Klaus Landmark sehr bald nach       liegt eher bei den Zweigen selber, in Hamburg
     Hausverantwortung mehrere Kandidatinnen/                                                                 dieser Wahl sein Amt nur noch vom Kranken-        vor allem beim Rudolf Steiner Haus Hamburg
     Kandidaten beworben hatten und die Ent-            Ab November wurde dann die öffentliche Vor-           lager aus führen und musste es schließlich Mit-   und dem Zweig am Rudolf Steiner Haus, wo es
     scheidungen gemäß unseres Statutes von den         trags- und Aufführungstätigkeit zwangsweise           te Januar ganz niederlegen.                       immer wieder zu schöner Zusammenarbeit mit
     Mitgliedern per Wahl zu treffen waren. Da          wieder lahmgelegt. Lediglich unsere tradi-                                                              dem AZ-Nord kommt. In diesem Jahr ist vor
     dies auch per Briefwahl möglich war, wurden        tionelle Weihnachtsfeier konnte am 25.12. als         Alle Treffen seit dieser Wahl mussten leider      allem die Beuys-Ausstellung mit Vortragsrei-
     die neuen Mitglieder des Initiativen-Kreises       weltanschaulich-kultische Veranstaltung noch          Corona-bedingt abgesagt werden. Zunächst          he zu erwähnen, die Rudolf Steiner Haus und
     (IK), darunter die neue Schatzmeisterin, mit       gemeinsam begangen werden. Die ruhige Zeit            im November, dann verschoben auf Februar          AZ-Nord mit großer Öffentlichkeitswirksam-
     einer größeren Wahlbeteiligung als sonst ge-       zwischen den Jahren wurde genutzt, um die             war ein Treffen des Norddeutschen Arbeits-        keit gemeinsam veranstalten.

18   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                      MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                        19
Ein neuer hoffnungsvoller Impuls ist der Ver-     Verhältnis stehen diese Glieder zueinander?      Thomas Kracht gehörte seit 1979 zu den Mit-        Mit dem Ausscheiden dieser beiden Kollegen
     such einer Zusammenarbeit auf dem Felde der       Was sind zeitgemäße Arbeits- und Forschungs-     wirkenden im AZ, ab 1988 zum Vorstand. Er          geht eine Ära des Arbeitszentrums zu Ende.
     Allgemeinen Anthroposophischen Sektion.           formate? Wie können diese sich heute in freier   arbeitete eher still und zurückhaltend, aber       Doch lassen die ersten Sitzungen mit den zwei
     Auch hierbei stellen sich den Beteiligten ganz    und konstruktiver Weise finden und befruch-      kontinuierlich und zuverlässig mit. Nicht zu-      neuen Kollegen Hans Georg Klein aus Heidel-
     grundsätzliche Fragen: Wie unterscheiden sich     ten? Das sind heiß und innig diskutierte The-    letzt im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit         berg und Roland Krieg aus Darmstadt, sowie
     die Aufgaben der Anthroposophischen Gesell-       men, bei denen hoffnungsvoll und tatenkräftig    und den Erfahrungen im Hardenberg Institut         der Eurythmie-Dozentin Margarete Koko-
     schaft, der Freien Hochschule für Geisteswis-     der Wille zur Gestaltung neuer Zukunftsfor-      für Kulturwissenschaften in Heidelberg, das er     cinski aus Mannheim als Gastteilnehmerin,
     senschaft und der Allgemeinen Anthroposo-         men aufleuchtet.                                 mitbegründet und mitgeprägt hat, brachte er        auf eine fruchtbare Weiterarbeit hoffen. Zu
     phischen Sektion voneinander und in welchem                Anke Steinmetz, Lilienthal bei Bremen   im AZ bei allem eine suchende und forschen-        den beiden neuen Kollegen siehe die „Mittei-
                                                                                                        de Gesinnung ein. Seine langjährige Übung          lungen“ des AZ Nr. 30 auf der Website. Wie-
                                                                                                        in Erkenntnisgesprächen ließ ihn sehr oft die      dergewählt wurden Alfons Geis (Mannheim/
                                                                                                        Textarbeit am Werk Rudolf Steiners einleiten       Stuttgart), Jörg Schöllhorn (Landau) und Bar-
                                                       fördert. Auf der Jahresversammlung des AZ        und führen und dabei das Verständnis voran-        bara Messmer (Frankfurt).
ARBEITSZENTRUM                                         konnte er sein Vorhaben vorstellen und zu-       bringen. Insbesondere die Begriffe des Den-
FRANKFURT AM MAIN                                      gleich auf die Brisanz der Geschichtsforschung   kens und des Verstehens wurde er nicht müde        Was sonst noch interessieren könnte
                                                       hinweisen, da wir Gegenwartsprobleme ohne        zu differenzieren und zu unterscheiden.
                                                       Kenntnis der Vergangenheit nie lösen werden.                                                        Die überregionalen Arbeitskreise trafen sich
                                                       Ferner untersucht Kristin Lumme mit einem        Uwe Battenberg kam Ende der 1980er Jahre in        seit März 2020 kaum, der Frauenrat begann
                                                       Team die Wirkung auf Kinder und Heran-           den Zweigvertreterkreis und fiel sofort durch      2021 mit Video-Sitzungen. Es gibt jetzt einen
     Forschung und Austausch
                                                       wachsende, wenn Märchen als Puppenspiel/         seine nonkonforme Erscheinung und origi-           Flyer des Frauenrats, der auf der Website des
     Die Ankündigung des vierten Forschertags für      Theater oder als davon erstellter Film gezeigt   nellen Beiträge auf. Seit 1993 gehörte er dem      AZ zu finden ist. Zur Ausstellung „Friedens-
     den 23. Januar 2021 fand so viel Resonanz wie     werden. Das Projekt entstand angesichts der      Vorstand des Arbeitszentrums an. Nach hand-        impulse von Frauen“ konnte im Juni 2020 ein
     noch nie: Dr. med. Dörte Hilgard (Herdecke)       derzeitigen Zunahme von Video-Unterricht         werklicher Grundausbildung und Praxis arbei-       Vortrag über Käthe Kollwitz‘ Umgang mit
     wollte von ihrer Forschung zu Kinder-Dia-         an Waldorfschulen und geht der drängenden        tete er viele Jahre in der Lebensgemeinschaft      Lebens- und Todeskräften stattfinden. Tref-
     betes berichten und Prof. Dr. Edwin Hübner        Frage nach, was das Medium Film bewirkt.         Sassen. Seit 1993 war er neben seiner Arbeit       fen des Kollegiums und seines Beratungskrei-
     (Frankfurt) zum Thema „Inmitten selbstän-         Hierfür wurde ebenfalls eine größere Summe       als Künstler auch als Dozent für Malerei und       ses waren immer wieder möglich; die Gruppe
     dig operierender digitaler Geräte – wer ist der   bereitgestellt.                                  Zeichnung tätig. Ab 2012 erlebte und gestal-       gibt sich Aufgaben aus der Wahrnehmung
     Mensch?“ Doch leider musste der Forschungs-                                                        tete er als Professor an der Alanus-Hochschule     der AZ-Regionen und pflegt einen nützlichen
     tag Corona-bedingt wieder abgesagt werden         Zur Jahresversammlung:                           den Umschwung von einer Kunst-Hochschu-            Austausch der Zweige untereinander. Ferner
     und wurde um ein Jahr auf Januar 2022 ver-        Abschied und Neuwahlen                           le zur akkreditierten Universität mit all seinen   konnten stattfinden ein schöner Studientag
     schoben.                                                                                           Licht- und Schattenseiten mit. Er bereicherte      mit dem Zweig Saarbrücken, Treffen der Klas-
                                                       Die Jahresversammlung am 20. März 2021           das AZ durch intuitive Anregungen sowie et-        senvermittler sowie eine Michaeli-Feier aus si-
     Die Forschung hingegen geht trotz Corona          fand in einem sehr kleinen Rahmen statt, was     liche Vorträge und Referate zu dem Kunstim-        tuativ gestalteten und vorbereiteten Beiträgen
     weiter: Der Historiker Andre Bartoniczek aus      vor allem für den Vorstandswechsel bedauer-      puls Rudolf Steiners, dessen Verständnis und       in Frankfurt.
     Mannheim wird vom Arbeitszentrum für sein         lich war. Thomas Kracht und Uwe Battenberg       seiner zeitgenössischen Wirksamkeit.                        Barbara Messmer, Frankfurt am Main
     Projekt „Das Motiv des ‚Dritten Weges‘ in der     schieden etwas unspektakulär aus, wobei sie
     deutschen Wende- und Nachwendezeit“ ge-           anderes verdient hätten.

20   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                         21
ARBEITSZENTRUM                                        Der Mülheimer Zweig bietet mithilfe von              als Lehrerin ein neues Betätigungsfeld gefun-         dern uns immer wieder zu neuen Sichtweisen
NORDRHEIN-WESTFALEN                                   Zoom eine Arbeit über die Leitsätze an. An           den hat.                                              auf. So bleiben wir eine offene und lernende
                                                      dieser Arbeit nehmen auch Menschen aus den                                                                 Gesellschaft und leben mit der Hoffnung, dass
                                                      Nachbarzweigen teil. Sie sind dankbar, dass          Die sich stets wandelnden Herausforderungen           die unmittelbaren menschlichen Begegnungen
                                                      es auf diese Weise möglich ist, in einen Aus-        machen das Leben bunt und vielfältig und for-         bald wieder vermehrt stattfinden können.
     Die Einschränkungen, die uns durch die Pan-      tausch zu kommen. In Wuppertal fand ein                                                                                               Klaudia Saro, Essen
     demie auferlegt wurden, haben uns in NRW         Treffen von Mitgliedern statt, die ein regio-
     vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Wir    nales Zweigtreffen für NRW planen, das am
     versuchten, so gut es ging und wie es die Ver-   28.8.21 in der Waldorfschule in Hagen statt-                                                               ten kann. In besonderer Weise sind wir aktuell
     ordnungen zuließen unsere Aufgaben zu er-        finden wird. Anlässlich von 100 Jahren Joseph    ARBEITSZENTRUM HANNOVER                                   vor die Aufgabe gestellt, im Sozialen zu üben,
     greifen. Hatten wir nach den Sommerferien        Beuys sind vier Veranstaltungen in verschiede-                                                             gegebenenfalls auch, ohne den Menschen per-
     noch einen gut besuchten Thementag „Coro-        nen Städten in NRW geplant. Genaueres dazu                                                                 sönlich zu begegnen. Das könnte analog zu
     na, was lernen wir aus der Krise“, so mussten    erfahren Sie per Mail an fakt21.kulturgemein-                                                              den Stufen des Kultus geschehen:
     wir unsere Jahrestagung auf Grund der Ver-       schaft@googlemail.com
     ordnungen absagen. Dachten wir am Anfang,                                                             Wir schauen auf ein gedämpftes Jahr zurück:           Offenbarung – staunendes Wahrnehmen der
     dass es nur eine kurze Episode wäre, mussten     Bei den monatlichen Treffen des Arbeitskol-          Wenig kontinuierliche Zweigarbeit und nur             spirituellen Ideen,
     wir dann doch feststellen, dass wir für unsere   legiums bewegte uns die Frage nach dem Zu-           wenige Veranstaltungen konnten stattfinden.
                                                                                                                                                                 Opferung – Toleranz und Verehrung des
     Arbeit neue Wege finden mussten, wenn sie        gang zur ätherischen Welt. Durch Übungen             Dabei wurde manches mit Phantasie und
                                                                                                                                                                 Denkens des Anderen,
     nicht ganz im Sande verlaufen sollte.            und Gespräche versuchen wir uns dem Thema            Geist möglich gemacht: die stille Arbeit zum
                                                      zu nähern. Eine weitere Frage drängt sich uns        verabredeten Zeitpunkt und Inhalt zuhause,            Wandlung – sich in Einklang versetzen mit
     Die digitalen Medien boten jetzt eine Möglich-   auf: Wie verhalten wir uns in Zeiten verstärk-       das Treffen in der Christengemeinschaft und           dem Denken des Anderen,
     keit, sowohl Zweigabende als auch Thementa-      ter Diffamierung? Hier sind wir aufgefordert,        in Räumen anderer Organisationen. Auch den            Kommunion – Ergebenheit und Vereinigung
     ge zu gestalten. Obwohl einige Mitglieder den    die Ursachen zu erkennen und Stellung zu be-         Telefonzweig, den wir im April 2020 initiiert         im Geiste.
     neuen Medien gegenüber skeptisch waren, er-      ziehen.                                              haben, gibt es noch, mit wachsender Teilneh-
     freuten sich andere daran, wieder eine anthro-                                                        merzahl, hoher Gesprächsqualität und auch
     posophische Arbeit mit anderen Menschen zu       Das Kollegium hat durch den plötzlichen Tod          immer mit der Frage: Was geht in diesem               Oder im Sinne des Mottos der Sozialethik:
     teilen. Der Thementag „Ökologie des Bewusst-     von Volker Schlickum am 6.1.21 ein Mitglied          „technischen Medium“ nicht, was geht und wo
     seins“, zu dem wir zehn Vertreter aus Kultur,    verloren. Im Rückblick auf die gemeinsamen           ist bloßes Hören vielleicht sogar ein Vorzug?         Heilsam ist nur,
     Landwirtschaft, Politik und Phänomenologie       Erfahrungen mit ihm stand seine „unbändige                                                                 wenn im Spiegel der Menschenseele
     eingeladen hatten, musste in ein Online-Se-      Positivität“ im Vordergrund. Michael Jaeger,         Die persönlichen Kontakte haben an Bedeu-             sich bildet die ganze Gemeinschaft
     minar verwandelt werden. Verständnis- und        der den neuen Schatzmeister Arndt Schür-             tung gewonnen, an manchen Orten die Sorgen            und in der Gemeinschaft
     Handlungsperspektiven für eine lebendige         mann noch eine Weile begleitet hat, hat sich         und das Sorgen füreinander. Es gibt aber auch         lebet der Einzelseele Kraft.
     Erde wurden von 100 Menschen aus Deutsch-        nun endgültig von uns verabschiedet, indem           Kontroversen oder Gräben, die sich auftun,            (Rudolf Steiner für Edith Maryon)
     land, aber auch aus Kanada, der Schweiz und      er uns über seinen künstlerischen Übungsweg          denn „sich jetzt noch zu treffen, ist doch un-
     Schweden gesucht. Die Resonanz war so über-      berichtet hat, der ihn hoffentlich noch weiter       verantwortlich“, „die tragen ja keine Masken“,                             Thomas Wiehl, Wolfsburg
     wältigend, dass eine Weiterarbeit gewünscht      begleitet. Katja Schulz hat die Arbeit von Me-       „die lässt sich impfen“ ... Es gibt vieles, worüber
     und geplant wird.                                lanie Hoessel im Sekretariat übernommen, die         man sich gegenwärtig sehr gründlich zerstrei-

22   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                   MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                           23
Kooperation mit Waldorfschulen der Region             Auch für die Zusammenkünfte mit den Zwei-        glieder des Leitungskreises die Gruppen und
ARBEITSZENTRUM OBERRHEIN
                                                        einen Online-Vortrag von Dr. Karin Michael            gen, Gruppen und sogenannten Einzelmitglie-      Zweige der Region. Wir können im kommen-
                                                        zu dem Thema „Erschöpfung, Vereinsamung,              dern suchen wir gerade nach neuen Formen.        den Jahr an dieser Stelle hoffentlich erfreuliche
                                                        Depression – Wege aus der Krise für Kinder            In Vorbereitung dazu besuchen einzelne Mit-      Entwicklungen schildern!
                                                        und Jugendliche“ durchgeführt. Im anschlie-                                                                                  Johanna Reimer, Freiburg
     Zwei polare Strömungen bilden sich wie der-        ßenden Podiumsgespräch waren eine Schüle-
     zeit überall im Leben unseres Arbeitszent-         rin, ein Schüler, ein Lehrer und ein Elternteil
     rums ab. Zum einen wurde das rege Leben            beteiligt, um einen Funken Schulgemeinschaft
     der Anthroposophischen Gesellschaft durch          erlebbar zu machen.
     die äußeren Maßnahmen „zu-gelocked“, zum                                                             ARBEITSZENTRUM NÜRNBERG                              dazu statt. Die Michael-Feier in Nürnberg
     anderen gab es auf verschiedenen Ebenen viel       Besonders viel Bewegung gab es auf der „Ver-                                                           umfasste unter anderem eine Aufführung der
     Bewegung und Bewegendes. Die schmerzliche          waltungsebene“. Von sechs Menschen im                                                                  Eurythmie-Bühne und eine Ausstellungseröff-
     Entbehrung der regelmäßigen Zusammen-              Leitungskreis wurden vier neu gewählt und                                                              nung mit Werken von Erich Schötta.
     arbeit weckte hier und da neue Impulse wie         ergänzen die alles überschauende und alles
     Telefonzweige, Arbeit in Zweier-oder-Dreier-       zusammenhaltende Christine Lempelius, die             Im vergangenen Jahr konnte der öffentliche       So weit als möglich fanden sich die Mitglieder
     Kleinstgruppen, gem-einsames geistiges Arbei-      weiterhin mit großem Einsatz sowohl für die           Veranstaltungsbetrieb kurz vor der Sommer-       und Freunde in den regelmäßig stattfindenden
     ten jeder für sich zu gleicher Zeit am gleichen    Kontinuität des Leitungskreises als auch für          pause und danach bis in den Herbst hinein        Arbeitsgruppen, künstlerischen Gruppen und
     Inhalt mit anschließendem Austausch über           Erneuerungsprozesse dasteht. Wir arbeiten en-         relativ regulär stattfinden. Einige, besonders   sonstigen Kreisen zusammen. Unsere das gan-
     Mail, Telefon oder sogar handschriftlich. So       gagiert zusammen. Außerdem haben wir eine             künstlerische Veranstaltungen erfreuten sich     ze Arbeitszentrum umfassenden Mitgliederzu-
     konnte das Zusammengehörigkeitsgefühl so-          neue Sekretärin, Carolin Mühlschwein, die der         regen Interesses. In Nürnberg zeigte das Fio-    sammenkünfte im vergangenen Herbst und im
     gar als gestärkt erlebt werden. Gleichzeitig gab   Anthroposophischen Gesellschaft schon lange           na-Ensemble ein festliches Beethoven-Hölder-     Februar 2021 mussten leider vertagt werden.
     es jedoch auch bei uns trennende Wirkungen         verbunden ist, so dass sie von innen heraus die       lin-Programm. Der Zweig Regensburg konnte        Als Alternative zum Austausch in Präsenz wur-
     des „Spalt-Virus“. Ein inneres Gleichgewicht       Prozesse versteht und begleitet, was wir sehr         trotz Einschränkungen im Oktober in einem        de zum Jahresende ein umfangreicherer Rund-
     zu finden, gelang nur durch bewusste, innere,      schätzen.                                             zentralen öffentlichen Raum einen Vortrag mit    brief an alle Mitglieder zusammengestellt. Zu-
     schwingende Ausgleichsbewegungen, und es                                                                 Gerald Häfner aus Dornach zu einem aktu-         dem wurde auf digitale Formate gewechselt.
     muss ständig neu errungen werden.                  Es entstand eine intensive Zusammenarbeit             ellen sozialwissenschaftlichen Thema durch-      So fand im Rahmen der „Bayreuther Dialoge“
                                                        mit der Freiburger Therapeutengemeinschaft,           führen. In Würzburg wurde im Herbst eine         der Universität Bayreuth eine virtuelle Veran-
     An manchen Orten kann seit einigen Wochen          mit der wir das Rudolf Steiner Haus in Freiburg       Zusammenarbeit mit Christof Wiechert zu          staltung mit Prof. Dr. Wilfried Sommer statt.
     in geschlossenen Gruppen wieder gearbeitet         umgestalten wollen und auch müssen – wegen            Fragen des Karma begonnen. Auch hervorzu-        Das in Nürnberg geplante Seminar mit Tatja-
     werden, was Freude und Dankbarkeit auslöst.        des dringend sanierungsbedürftigen Daches             heben ist ein mehrfach gezeigtes Programm zu     na Pawlowa konnte zumindest in Form eines
     Das überdeckt nicht die bleibenden Fragen an       und der Brandschutzauflagen. Auf einen Spen-          Maximilian Woloschin. Hierfür hatte Rosa         Videovortrags und Gesprächs zur aktuellen
     die gegenwärtigen und künftigen Entwicklun-        denaufruf hin kamen erfreulich viele Spenden          Darian-Stepanoff einige Eurythmisten und         Situation in Russland einen Anfang nehmen.
     gen unserer Gesellschaft.                          und Darlehen, für die wir von Herzen danken,          Künstler versammelt; Wolfram Graf führte in      Christine Krüger konnte in 2020 ihr Buch
                                                        die jedoch bei weitem nicht reichen. Wir arbei-       Leben und Werk Woloschins ein. An verschie-      „Das Wirken der Engel als Diener des Chris-
     Die Arbeitsgruppe „Mensch?! Vielfalt Anth-         ten weiter an den Finanzierungsmöglichkeiten          denen Orten konnten Michael-Feste stattfin-      tus“ im Verlag Ch. Möllmann veröffentlichen.
     roposophie in der Region Freiburg“, die für        und hoffen auf eine lebendige Zukunft des             den. In Bayreuth fand eine zweitägige Tagung                            Oliver Dittmar, Bamberg
     Veranstaltungen verantwortlich ist, hat in         Hauses mit neuem Begegnungsraum.

24   ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND E. V.                                                      MIT TEILUNGEN – JOHANNI 2021                                                                         25
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