MITTELGROSSE UND GROSSE UNTERNEHMEN IN DEUTSCHLAND
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REPORT Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 MITTELGROSSE UND GROSSE UNTERNEHMEN IN DEUTSCHLAND Volkswirtschaftliche Bedeutung und Situation aus der Perspektive der Unternehmensmitbestimmung – eine Analyse Oliver Emons, Henrik Steinhaus, Stephan Kraft AUF EINEN BLICK – Mittelgroße und große Unternehmen (im Sinne – Das Wertschöpfungsvolumen dieser beiden der Unternehmensmitbestimmung) in Deutsch- Gruppen mit 25,5 Prozent (>2.000 Beschäftig- land haben eine große wirtschaftspolitische und te) und 20,0 Prozent (501-2.000 Beschäftigte) arbeitsmarktpolitische Bedeutung für das deut- unterstreicht die nach wie vor dominante wirt- sche Wirtschaftssystem. schaftliche Bedeutung dieser Größengruppe – Auch wenn die pure Anzahl großer (>2.000 Be- von Unternehmen. schäftigte) Unternehmen (2018: 1.007) und mittelgroßer (501-2.000 Beschäftigte) Unterneh- men (2018: 5.852) vergleichsweise gering ist, arbeitete dort 2018 mehr als ein Drittel aller Be- schäftigten (11,1 Millionen von 30,9 Millionen). – 22,2 Prozent des gesamten Umsatzvolumens entfiel im Jahr 2018 auf große Unternehmen (>2.000 Beschäftigte) und 19,3 Prozent auf mittelgroße Unternehmen (501-2.000 Beschäf- tigte); zusammen stehen sie für 42 Prozent des Umsatzvolumens der deutschen Wirtschaft. Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 1
INHALT 1 Noch immer: Prägende Rolle Mitbestimmter Unternehmen für die Deutsche Wirtschaft ������������������������������������������������������������������������������������������ 3 2 Inhalt ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 3 2.1 Abgrenzungsmerkmale für Unternehmensgrößenklassen ������������������������������������������������������ 4 2.2 Unternehmensgrößenklassen im Sinne der EU-Empfehlung �������������������������������������������������� 4 2.3 Unternehmensgrößenklassen im Sinne der Unternehmensmitbestimmung �������������������������� 5 3 Wesentliche Ergebnisse ������������������������������������������������������������������������������������������������ 6 3.1 Bedeutung und Situation großer Unternehmen im Sinne der EU-Empfehlung ������������������������ 6 3.2 Bedeutung und Situation großer Unternehmen im Sinne der Unternehmensmitbestimmung ����������������������������������������������������������������������������������������������������7 3.3 Bedeutung und Situation mittelgroßer Unternehmen im Sinne der Unternehmensmitbestimmung ��������������������������������������������������������������������������������������������������� 8 4 Fazit ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 9 AUTOREN Oliver Emons oliver-emons@boeckler.de Henrik Steinhaus hsteinhaus@eic-partner.de Stephan Kraft skraft@eic-partner.de
1 NOCH IMMER: PRÄGENDE ROLLE Veränderungen der Arbeit selbst sein. Die ökonomi- schen Macht- und Entscheidungsstrukturen gehen MITBESTIMMTER UNTERNEHMEN da offenbar nicht mit. Mitbestimmung ist und bleibt FÜR DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT in dieser Lesart ein Element von Unternehmensfüh- rung und Corporate Governance. Wer den Wandel Mitbestimmung bleibt auch in Zeiten herausfordern- gut bestehen will, der braucht Erwartungssicherheit der Transformation wie heute, was sie immer war: und Stabilität des organisatorischen Rahmens. das Prinzip, für die demokratische Gestaltung des Wandels in Unternehmen und Gesellschaft Verant- wortung zu übernehmen. Das globalisierte Finanz- kapital hat das, was wir einst die Deutschland AG nannten, zwar seit Mitte der 2000er-Jahre grund- 2 INHALT legend verändert: Die Zukunft von Arbeitsplätzen, Standorten oder Unternehmen steht bekannterma- Ziel der vorliegenden Studie zu mittelgroßen und ßen nicht ganz oben im Zielkatalog von Finanzinves- großen Unternehmen ist es, Arbeitnehmervertreter toren. Gerade die Erfahrungen mit der deutschen in Unternehmen und aus Gewerkschaften bei der Mitbestimmung weisen aber einen Pfad, wie Akti- Wahrnehmung ihrer Mitbestimmungsaufgaben zu onärsinteressen mit Arbeitnehmerinteressen recht- unterstützen. Die Kenntnis der Bedeutung und Si- lich verbindlich in der Praxis von Unternehmens- tuation dieser wichtigen Gruppe von Unternehmen führung zum Wohl eines Unternehmens austariert innerhalb der deutschen Volkswirtschaft ermöglicht werden müssen und können. Mitbestimmung ist in es, politische Rahmenbedingungen zu verstehen Deutschland bis heute ein tragender Pfeiler der so- und weiterzuentwickeln und die Lage des eigenen zialen Marktwirtschaft. Das wird auch in Zeiten des Unternehmens im Vergleich zu den Besonderheiten politisch ausgerufenen „Green Deals“ in Deutsch- des Unternehmensclusters abzuschätzen. Die Veror- land auf absehbare Zeit so bleiben. tung des eigenen Unternehmens im jeweiligen Un- Die von Henrik Steinhaus und Stephan Kraft er- ternehmenscluster ermöglicht eine Früherkennung stellte Analyse der Unternehmensstrukturen im Ko- und proaktive Auseinandersetzung sowohl bei sich ordinatensystem der Mitbestimmungsgesetze legt verändernden Unternehmenskennzahlen als auch diesen Schluss nahe. Auch wenn die pure Anzahl Veränderungen des jeweiligen Unternehmensclus- großer Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäf- ters, sodass unternehmensinterne wie -externe Ent- tigten (1.007 von 3,5 Millionen) und mittelgroßer wicklungen mit Auswirkungen auf die Belegschaft Unternehmen mit 501-2.000 Beschäftigten (5.852 des eigenen Unternehmens fundierter diskutiert von 3,5 Millionen) vergleichsweise gering ist, arbei- werden können. Außerdem soll die Studie den Ar- teten dort 2018 mehr als ein Drittel aller Beschäf- beitnehmervertretern eine Informationsgrundlage tigten (11,1 Millionen von 30,9 Millionen). 22,2 Pro- für die stichhaltige Diskussion mit dem Manage- zent des gesamten Umsatzvolumens entfiel 2018 ment über die Bedeutung und Lage mittelgroßer auf große Unternehmen (>2.000 Beschäftigte) und großer Unternehmen ermöglichen. und 19,3 Prozent auf mittelgroße Unternehmen Die wirtschaftspolitische und arbeitsmarktpoliti- (501-2.000 Beschäftigte); zusammen stehen sie sche Bedeutung und Situation der mittelgroßen und für 42 Prozent des Umsatzvolumens der deutschen großen Unternehmen soll anhand von wenigen, aber Wirtschaft. Das Wertschöpfungsvolumen dieser wesentlichen Analysemerkmalen inhaltlich heraus- beiden Gruppen mit 25,5 Prozent (>2.000 Beschäf- gearbeitet und dem Leser anschaulich verdeutlicht tigte) und 20,0 Prozent (501-2.000 Beschäftigte) werden. unterstreicht die nach wie vor dominante wirt- Grundlage der Analyse bilden mehrere Leitfragen: schaftliche Bedeutung dieser Größengruppe von Unternehmen. – Wie hoch sind Anzahl und Anteil der mittelgro- Die Statistik bildet demnach die häufig unterstell- ßen und großen Unternehmen an allen Unter- te Dekonstruktion großer Unternehmen durch Digi- nehmen in Deutschland (Mengenstruktur)? talisierung in kleinere selbstständige Einheiten oder – Wie viele Personen beschäftigen die mittelgro- das Ableben der großen traditionellen Industrie- ßen und großen Unternehmen in Deutschland und Verwaltungsunternehmen nicht ab. Vielmehr (Beschäftigungsstruktur)? scheinen sich viele intern auf die neuen Heraus- – Welches Umsatzvolumen erwirtschaften die forderungen einzustellen, ohne ihre gesellschafts- mittelgroßen und großen Unternehmen in rechtlichen Organisationsstrukturen wesentlich zu Deutschland (Umsatzstruktur)? verändern. Mit diesem Befund zur quantitativen – Welches Wertschöpfungsvolumen erzielen Bedeutung großer Unternehmen begibt sich der die mittelgroßen und großen Unternehmen in Wirtschaftsstandort Deutschland auf den Pfad der Deutschland (Wertschöpfungsstruktur)? Transformation. – Auf welche Rechtsformen verteilen sich die mit- Wir unterstellen, dass diese Konstellation auch telgroßen und großen Unternehmen in Deutsch- weiterhin pfadprägend sein wird. „Disruptiv“ mögen land (Rechtsformstruktur)? Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 3
– Auf welche Bundesländer verteilen sich die mit- ischen Union vom 20.05.2003) bildet aus mehreren telgroßen und großen Unternehmen in Deutsch- Gründen eine der beiden im Rahmen der vorliegen- land (Regionalstruktur)? den Studie relevanten Systematiken zur Einteilung – Auf welche Branchen verteilen sich die mittel- von Unternehmensgrößenklassen. großen und großen Unternehmen in Deutsch- Gemäß der Empfehlung der Kommission der Eu- land (Branchenstruktur)? ropäischen Gemeinschaften lassen sich mittlere und – Welchen Grad der Auslandskontrolle weisen große Unternehmen von Kleinst- und kleinen Unter- die mittelgroßen und großen Unternehmen in nehmen unter anderem über das Kriterium der so- Deutschland auf (Kontrollstruktur)? zialversicherungspflichtig Beschäftigten abgrenzen. – Welchen Grad der Auslandsaktivitäten weisen Diese Einteilungslogik harmoniert grundsätzlich mit die mittelgroßen und großen Unternehmen in der Einteilung der mitbestimmungsrelevanten Un- Deutschland auf (Exportstruktur)? ternehmensgrößenklassen, die sich an der Zahl der – Welchen Grad der Konzentration weisen die mit- Arbeitnehmer orientiert. Außerdem ist die Eintei- telgroßen und großen Unternehmen in Deutsch- lungslogik gemäß EU-Empfehlung hinsichtlich der land auf (Konzentrationsstruktur)? Tabelle 1 Diese Kurzdarstellung soll die wesentlichen Ergeb- nisse dieser Studie zusammenfassend darstellen. Die detaillierte Darstellung der Ergebnisse lässt sich Abgrenzungsmerkmale für Unternehmensgrößenklassen der Studie „Mittelgroße und Große Unternehmen in Deutschland“ entnehmen. Quellen Abgrenzungs- merkmale Europäische Kommission Beschäftigte, 2.1 Abgrenzungsmerkmale für (Empfehlung) Umsatzerlöse und Unternehmensgrößenklassen Bilanzsumme Mitbestimmungsgesetze Analysegegenstand der Studie sollen alle mittelgro- (DrittelbG, MitbestG, Arbeitnehmer ßen und großen Unternehmen in Deutschland sein. MontanMitbestG, MontanMitbestErgG) Eine allgemeingültige Definition und Abgrenzung Handelsgesetzbuch (HGB) Arbeitnehmer, des Clusters der mittelgroßen und großen Unterneh- Umsatzerlöse und men existiert jedoch nicht. Bilanzsumme In Abhängigkeit des Analyseziels sind unter- Umsatzsteuergesetz (UStG) schiedliche Kriterien zur Bestimmung der relativen und Umsatzsteuersta- Größe eines Unternehmens anwendbar. Die Bil- Umsatzerlöse tistik des Statistischen dung von Unternehmensgrößenklassen kann sich Bundesamtes z. B. an Finanzkennzahlen wie Umsatzvolumen, Ge- Körperschaftssteuergesetz winn oder Bilanzsumme, Beschäftigungskennzah- (KStG) und Körperschaft- Gesamtbetrag der len wie Arbeitnehmerzahl, Lohnsumme oder Ar- steuerstatistik des Statisti- erzielten Einkünfte beitsstunden sowie sektorspezifischen Kennzahlen schen Bundesamtes wie Passagierkilometern von Luftfahrtunternehmen, Gewerbesteuergesetz Bettenauslastung von Hotelbetrieben oder Ackerflä- (GewStG) und Gewerbesteu- Gewerbeertrag chen landwirtschaftlicher Betriebe orientieren. erstatistik des Statistischen Bundesamtes Diverse Rechtsquellen sowie Landes- und Bundes- Betriebsprüfungsordnung Umsatzerlöse oder ämter wie statistische Ämter, die Bundesagentur für (BpO) steuerlicher Gewinn Arbeit oder Finanzämter verwenden und verweisen Verwaltungsvorschrift des (Handels-, Fertigungs- auf verschiedene Kriterien für die Bildung von Un- Bundesministers der Finan- und andere Betriebe, ternehmensgrößenklassen (vgl. Tabelle 1). Nicht amt- zen für die Außenprüfung Freie Berufe), zusätzlich liche Statistikportale, Datenbanken und Branchen- der Landesfinanzbehörden Aktivvermögen (Kre- verbände übernehmen in der Regel die amtlichen und das Bundeszentralamt ditinstitute), Prämien- Kriterien zur Bildung von Unternehmensgrößenklas- für Steuern einnahmen (Versiche- sen, setzen teilweise aber auch eigene Klassifikati- rungsunter-nehmen), Wirtschaftswert (land- onskriterien ein. und forstwirtschaftliche Betriebe) Sozialgesetzbuch (SGB) 2.2 Unternehmensgrößenklassen im Sinne und Beschäftigtenstatistik der EU-Empfehlung Beschäftigte der Bundesagentur für Ar- beit (BfA) Die Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Mai 2003 betreffend die De- finition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen Quelle: Amtsblatt der Europäischen Kommission, Gesetze im Internet, und mittleren Unternehmen (Amtsblatt der Europä- Bundesfinanzministerium, Bundesagentur für Arbeit Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 4
Zahl der Arbeitnehmer mit der Einteilung der Un- einzelne Bereichsstatistiken, wie beispielsweise Er- ternehmensgrößenklassen im Sinne des Handels- hebungen des Produzierenden Gewerbes, Handels gesetzbuches (HGB) kompatibel. oder Dienstleistungsbereichs (Statistisches Bun- Vorteilhaft ist darüber hinaus, dass sich die Erfas- desamt 2018a, S. 3). sung gemäß der Empfehlung der EU-Kommission Da sich dennoch nicht alle Analysekriterien der auf alle Unternehmen unabhängig von der Rechts- vorliegenden Studie mit Zahlen des Unterneh- form erstreckt. Die Gesetze zur Unternehmensmitbe- mensregisters beantworten lassen, wird in diesen stimmung betreffen hingegen ausschließlich Kapi- Fällen auf Zahlen der Umsatzsteuerstatistik oder talgesellschaften wie die AG und GmbH. Personen- der Unternehmensstrukturstatistik sowie des Sta- gesellschaften sind nicht mitbestimmungspflichtig tistischen Bundesamtes zurückgegriffen. im Sinne der Unternehmensmitbestimmung, da die entsprechenden Gesetze für diese Rechtsform keine Wirkung entfalten. Da im Rahmen der vorliegenden Tabelle 2 Studie jedoch alle Rechtsformen berücksichtigt wer- den sollen, ist die Klassifizierung gemäß EU-Emp- fehlung hilfreich und ist auch zur Identifizierung von Unternehmensgrößenklassen gemäß Empfehlung der Kommission der Europäischen großen und mittelgroßen Unternehmen herangezo- Gemeinschaften vom 06.05.2003 gen worden. Ein weiterer und entscheidender Grund für das Aufgreifen der Abgrenzungskriterien und -werte Typ Beschäftigte Jahresumsatz Bilanzsumme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (in Personen) (in Mio. Euro) (in Mio. Euro) besteht darin, dass das statistische Unternehmens- Kleinstunternehmen register, welches von den Statistischen Ämtern der sind solche, die das Merkmal Beschäf- einzelnen Bundesländer sowie dem Statistischen tigte sowie eines der
setze definieren den Geltungsbereich bzw. die er- setzung des Aufsichtsrats mit Arbeitnehmer- und fassten Unternehmen über die Zahl der Arbeitneh- Arbeitgebervertretern vor (Sick 2015, S. 1). mer und bilden somit die zweite im Rahmen die- Aus diesem Grund wurde ein zweigestuftes Vor- ser Studie relevante Systematik zur Einteilung von gehen der Analyse gewählt, welches dem Leser er- Unternehmensgrößenklassen. möglichen soll, sich ein Gesamtbild auf Basis der Die Mitbestimmungsrechte sind je nach Unterneh- Unternehmensgrößenklassen im Sinne der EU-Emp- mensart bzw. -größe in unterschiedlichen Gesetzen fehlung machen zu können. Dieses Gesamtbild wird geregelt. Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Ar- in den Unterkapiteln immer dann gezielt um Ergeb- beitnehmern/innen unterfallen den gesetzlichen Mit- nisse für Unternehmensgrößenklassen im Sinne der bestimmungsregelungen des Drittelbeteiligungsge- Unternehmensmitbestimmung ergänzt, wenn das setzes von 2004 (DrittelbG). Werden mehr als Statistische Bundesamt die hierfür erforderlichen 2.000 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, gelten die Daten beisteuern konnte. weitreichenderen Regelungen des Mitbestimmungs- gesetzes von 1976 (MitbestG). Am umfangreichsten sind die Mitbestimmungsregelungen des Montan- Mitbestimmungsgesetzes (MontanMitbestG) und des Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetzes 3 WESENTLICHE ERGEBNISSE (MontanMitbestErgG). Diese gelten nur für Montan- betriebe (Bergbau, Eisen, Stahl) mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern/innen und stellen einen Son- derfall der vorliegenden Studie dar (vgl. Tabelle 3). 3.1 Bedeutung und Situation großer Nach dem Drittelbeteiligungsgesetz müssen in Unternehmen im Sinne der EU-Empfehlung mittelgroßen Unternehmen mit mehr als 500 und bis zu 2.000 Beschäftigten ein Drittel der Sitze im Betrachtet man die im Rahmen der Studie analysier- Aufsichtsrat mit Vertretern der Arbeitnehmer be- ten Daten des Berichtsjahres 2018 zusammenfas- setzt sein. Nach dem Mitbestimmungsgesetz müs- send, zeigt sich folgendes Bild der Bedeutung und sen große Unternehmen mit mehr als 2.000 Be- Situation der großen Unternehmen, die 250 Perso- schäftigten einen zur Hälfte mit Arbeitnehmerver- nen und mehr beschäftigen, in Deutschland. tretern (paritätisch) besetzten Aufsichtsrat haben. Der Anteil der großen Unternehmen am Gesamt- Auch das Montan-Mitbestimmungsgesetz sieht für bestand aller Unternehmen in Deutschland im Jahr Montanbetriebe (Bergbau, Eisen, Stahl) mit mehr 2017 belief sich mit 15.000 Unternehmen auf weni- als 1.000 Arbeitnehmern/innen eine paritätische Be- ger als 1 Prozent aller 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland. Die Zahl der Beschäftigten der großen Unterneh- Tabelle 3 men lag bei 14,1 Millionen Personen. Ihr Anteil lag somit bei 46 Prozent der 30,9 Millionen in Deutsch- Unternehmensgrößenklassen gemäß den Mitbestimmungsgesetzen land sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die großen Unternehmen erwirtschafteten mit einem Umsatzvolumen in Höhe von 52 Prozent (3.589 Milliarden Euro) mehr als die Hälfte des Ge- Typ Arbeitnehmer Jahresumsatz Bilanzsumme samtumsatzvolumens in Deutschland (6.968 Milli- (in Personen) (in Mio. Euro) (in Mio. Euro) arden Euro). Kleine u. mittlere Unternehmen Das Wertschöpfungsvolumen der großen Unter- sind solche, die nicht der gesetzli- nehmen belief sich auf 57 Prozent (1.060 Milliar- ≤500 — — chen Unternehmensmitbestimmung den Euro) des Gesamtwertschöpfungsvolumens in unterliegen Deutschland (1.858 Milliarden Euro). Mittelgroße Unternehmen Die dominierende Rechtsform unter großen Un- >500 und sind solche im Geltungsbereich des — — ternehmen war im Jahr 2018 die Kapitalgesellschaft. ≤2.000 DrittelbG 65 Prozent aller großen Unternehmen waren dieser Große Unternehmen Rechtsform zuzuordnen. Die Rechtsform der Perso- sind solche im Geltungsbereich des >2.000 — — nengesellschaften folgte mit 19 Prozent aller gro- MitbestG ßen Unternehmen vor den sonstigen Rechtsformen (Mittel-)Große Unternehmen (16 Prozent) und Einzelunternehmern (weniger als (Sonderfall: Montan) sind solche im Gel- >1.000 1 Prozent). tungsbereich des MontanMitbestG Bezogen auf die absolute Anzahl der großen Un- ternehmen dominieren die großen Unternehmen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen (3.600), Quelle: Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat; Gesetz über die Bayern (2.600), Baden-Württemberg (2.300), Hes- Mitbestimmung der Arbeitnehmer; Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den sen (1.300) und Niedersachsen (1.300). Relativ be- Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeu- genden Industrie trachtet lag der Anteil großer Unternehmen an al- len Unternehmen in den sieben Bundesländern Bre- Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 6
men (0,7 Prozent), Hamburg (0,5 Prozent), Nord- ne Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich der rhein-Westfalen (0,5 Prozent), Baden-Württemberg Unternehmensgrößenklassen. Somit scheint die Be- (0,5 Prozent), Hessen (0,5 Prozent), Sachsen-Anhalt urteilung von Stand und Entwicklung der aggregier- und dem Saarland (0,5 Prozent) über dem bundes- ten Unternehmenskonzentration anhand der 100 weiten Durchschnitt von 0,4 Prozent im Berichts- größten Unternehmen in Deutschland, die die Mo- jahr 2018. nopolkommission alle zwei Jahre vornimmt, aktuell Im Unternehmenscluster der großen Unterneh- die einzige Datenquelle zu sein, die einen Eindruck men mit insgesamt 15.000 Unternehmen wiesen des Konzentrationsgrades von Großunternehmen die Wirtschaftsabteilungen „Gesundheitswesen“ erlaubt. Die 100 größten Unternehmen in Deutsch- mit 8 Prozent aller großen Unternehmen, „Sozial- land decken aber weniger als 1 Prozent der insge- wesen (ohne Heime)“ mit 6 Prozent aller großen samt 15.000 großen Unternehmen in Deutschland Unternehmen, „Maschinenbau“ mit 6 Prozent al- im Jahr 2018 ab und vermitteln damit allenfalls ein ler großen Unternehmen, „Großhandel (ohne Han- rudimentäres Bild des Konzentrationsgrades in der del mit Kraftfahrzeugen)“ mit 5 Prozent aller großen deutschen Unternehmenslandschaft. Unternehmen sowie „Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime)“ mit 5 Prozent aller großen Unterneh- men die höchste Anzahl von großen Unternehmen 3.2 Bedeutung und Situation großer der 81 Wirtschaftsabschnitte auf. Zusammen stan- Unternehmen im Sinne der den diese fünf Wirtschaftsabteilungen für 30 Pro- Unternehmensmitbestimmung zent aller großen Unternehmen in Deutschland im Berichtsjahr 2018. Betrachtet man die analysierten Daten des Berichts- Die Statistik der auslandskontrollierten Unter- jahres 2018 zusammenfassend, zeigt sich folgen- nehmen enthält weder eine Aufteilung nach Be- des Bild der Bedeutung und Situation der großen schäftigungsgrößenklassen im Sinne der EU-Emp- Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten in fehlung noch im Sinne der Unternehmensmitbe- Deutschland. stimmung. Daher lässt sich auch keine Aussage Der Anteil der großen Unternehmen am Gesamt- über den Grad der Auslandskontrolle in der jeweili- bestand aller Unternehmen in Deutschland im Jahr gen Unternehmensgrößenklasse treffen. Anhand 2018 belief sich mit 1.000 Unternehmen auf weni- der durchschnittlichen Zahl der tätigen Personen ger als 1 Prozent aller knapp 3,5 Millionen Unter- pro Unternehmen (138) und dem durchschnittli- nehmen in Deutschland. chen Umsatz pro Unternehmen (60,0 Millionen Die Zahl der Beschäftigten der großen Unterneh- Euro) lässt sich jedoch die Vermutung aufstellen, men lag bei 5,8 Millionen Personen. Ihr Anteil lag dass die 36.000 auslandskontrollierten Unterneh- somit bei 19 Prozent der 30,9 Millionen sozialversi- men zum weitaus überwiegenden Teil dem Cluster cherungspflichtig Beschäftigten. der mittleren und großen Unternehmen gemäß EU- Die großen Unternehmen erwirtschafteten mit Empfehlung zuzuordnen sind und das Phänomen einem Umsatzvolumen in Höhe von 22 Prozent der Auslandskontrolle im Unternehmenscluster der (1.545 Milliarden Euro) nahezu ein Viertel des Ge- mittleren und großen Unternehmen eine dement- samtumsatzvolumens in Deutschland (6.968 Milli- sprechend hohe Bedeutung besitzt. arden Euro). Gemessen an der Anzahl der Exportunterneh- Das Wertschöpfungsvolumen der großen Unter- men im Segment der großen Unternehmen waren nehmen belief sich sogar auf 26 Prozent (474 Milli- die größten drei der insgesamt 18 ausgewiese- arden Euro) des Gesamtwertschöpfungsvolumens nen Wirtschaftsabschnitte im Jahr 2018 folgende in Deutschland (1.858 Milliarden Euro). Wirtschaftsabschnitte: „Verarbeitendes Gewerbe Die dominierende Rechtsform unter großen Un- (WZ 08-C)“ mit 45 Prozent aller Exportunterneh- ternehmen war im Jahr 2018 die Kapitalgesell- men. Auf dem zweiten Rang folgte der Wirtschafts- schaft; 62 Prozent aller großen Unternehmen wa- abschnitt „Handel; Instandhaltung und Reparatur ren dieser Rechtsform zuzuordnen. Die Sonstigen von Kraftfahrzeugen (WZ 08-G)“ mit 38 Prozent Rechtsformen folgten mit 21 Prozent aller großen aller Exportunternehmen. Auf dem dritten Rang Unternehmen. Weitere 17 Prozent wurden als Per- folgte schließlich mit deutlichem Abstand der Wirt- sonengesellschaften geführt. Einzelunternehmen schaftsabschnitt „Verkehr und Lagerei“ mit 3 Pro- existierten unter den großen Unternehmen im Sin- zent aller Exportunternehmen. ne der Unternehmensmitbestimmung nicht. Belastbare Aussagen hinsichtlich der Konzentra- Bei der regionalen Verteilung dominierten die tionsstruktur sind auf Basis der verfügbaren Daten- großen Unternehmen im Hinblick auf die absolute lage am schwierigsten zu treffen. Zwar lassen sich Anzahl in Nordrhein-Westfalen (270), Bayern (190), Aussagen über den Konzentrationsgrad, gemessen Baden-Württemberg (160), Hessen (120) und Nie- an der Anzahl der Unternehmen, der Anzahl der Be- dersachsen (60). Relativ betrachtet lag der Anteil schäftigten und dem Umsatzvolumen für einzelne großer Unternehmen (im Sinne der Unternehmens- Wirtschaftsabschnitte auf Basis der Daten der Mo- mitbestimmung) an allen Unternehmen in Hessen nopolkommission (2008) treffen. Die letztmals für (0,4 Promille), Bremen (0,4 Promille), Nordrhein- das Jahr 2007 vorliegenden Daten bieten aber kei- Westfalen (0,4 Promille), Baden-Württemberg Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 7
(0,3 Promille) und Bayern (0,3 Promille) 2018 über (1.345 Milliarden Euro) ein Fünftel des Gesamtum- dem bundesweiten Durchschnitt von 0,3 Promille. satzvolumens in Deutschland (6.968 Milliarden Im Unternehmenscluster der großen Unterneh- Euro). men mit insgesamt 1.000 Unternehmen wiesen die Das Wertschöpfungsvolumen der mittelgroßen Branchen bzw. Wirtschaftsabteilungen „Gesund- Unternehmen belief sich auf 20 Prozent (372 Milli- heitswesen“ mit 13 Prozent, „Einzelhandel (ohne arden Euro) des Gesamtwertschöpfungsvolumens Handel mit Kraftfahrzeugen)“ mit 8 Prozent, „Erzie- in Deutschland (1.858 Milliarden Euro). hung und Unterricht“ mit 6 Prozent, „Maschinen- Die dominierende Rechtsform unter mittelgroßen bau“ mit 6 Prozent und „Sozialwesen (ohne Heime)“ Unternehmen war die Kapitalgesellschaft; 63 Pro- mit 6 Prozent aller großen Unternehmen den höchs- zent aller mittelgroßen Unternehmen waren dieser ten Anteil großer Unternehmen in den insgesamt Rechtsform zuzuordnen. Die Rechtsform der Per- 81 Wirtschaftsabteilungen auf. Insgesamt standen sonengesellschaft folgte mit 20 Prozent aller mit- diese fünf Wirtschaftsabteilungen 2018 für 39 Pro- telgroßen Unternehmen. Weitere 16 Prozent der zent aller großen Unternehmen in Deutschland. mittelgroßen Unternehmen wurden als Sonstige Bezogen auf die Exportstruktur der großen Un- Rechtsform und weniger als 1 Prozent in der Rechts- ternehmen sind keine Daten des Statistischen Bun- form eines Einzelunternehmens geführt. desamtes verfügbar. Insofern wird bei diesem Ana- Bei der regionalen Verteilung dominierten die mit- lysekriterium auf die Ergebnisse der Auswertung telgroßen Unternehmen im Hinblick auf die abso- für große Unternehmen nach EU-Empfehlung und lute Anzahl in Nordrhein-Westfalen (1.400), Bayern die entsprechenden Schlussfolgerungen verwiesen. (1.000), Baden-Württemberg (900), Hessen (500) Vorbehaltlich der Überprüfung liegt die Vermutung und Niedersachsen (500). Relativ betrachtet lag nahe, dass sich die Exportstruktur der großen Un- der Anteil mittelgroßer Unternehmen (im Sinne der ternehmen im Sinne der Unternehmensmitbestim- Unternehmensmitbestimmung) an allen Unterneh- mung ähnlich verhält wie die Exportstruktur der men in Bremen (2,4 Promille), Nordrhein-Westfalen großen Unternehmen im Sinne der EU-Empfehlung. (1,9 Promille), Baden-Württemberg (1,9 Promille), Im Fall der beiden verbleibenden Analysekriteri- Hessen (1,9 Promille) und Niedersachsen (1,7 Pro- en Kontrollstruktur und Konzentrationsstruktur ist mille) 2018 über dem bundesweiten Durchschnitt die Qualität der Ergebnislage nochmal anders, da von 1,6 Promille. die verfügbaren Daten zwar differenziert nach Wirt- Im Unternehmenscluster der mittelgroßen Un- schaftsabschnitten, nicht aber nach Unterneh- ternehmen mit insgesamt 5.900 Unternehmen mensgrößenklassen im Sinne der EU-Empfehlung wiesen die Branchen bzw. Wirtschaftsabteilungen vorliegen. Insofern besteht hier nicht die Möglich- „Gesundheitswesen“ mit 11 Prozent, „Sozialwesen keit, sich an eine Datenauswertung nach Unterneh- (ohne Heime)“ mit 7 Prozent, „Einzelhandel (ohne mensgrößenklassen im Sinne der EU-Empfehlung Handel mit Kraftfahrzeugen)“ mit 6 Prozent, „Heime anzulehnen. Weiterführende Aussagen unter Be- (ohne Erholungs- und Ferienheime)“ mit 6 Prozent rücksichtigung der mitbestimmungsrelevanten Un- und „Maschinenbau“ mit 5 Prozent aller mittelgro- ternehmensgrößenklassen sind auf Basis der vorlie- ßen Unternehmen den höchsten Anteil mittelgro- genden Daten mit hoher Unsicherheit behaftet und ßer Unternehmen in den insgesamt 81 Wirtschafts- besäßen somit keine hohe Aussagekraft. abteilungen auf. Insgesamt standen diese fünf Wirt- schaftsabteilungen 2018 für 35 Prozent aller mittel- großen Unternehmen in Deutschland. 3.3 Bedeutung und Situation mittelgroßer Bezogen auf die Exportstruktur der mittelgroßen Unternehmen im Sinne der Unternehmen sind keine Daten des Statistischen Unternehmensmitbestimmung Bundesamtes verfügbar. Insofern wird zu diesem Analysekriterium auf die Ergebnisse der Auswer- Betrachtet man die analysierten Daten des Berichts- tung für große Unternehmen nach EU-Empfehlung jahres 2018 zusammenfassend, zeigt sich folgen- und die entsprechenden Schlussfolgerungen ver- des Bild der Bedeutung und Situation der mittel- wiesen. Zwar liegt die Vermutung nahe, dass sich großen Unternehmen, die mehr als 500 und bis zu die Exportstruktur der mittelgroßen Unternehmen 2.000 Personen beschäftigen, in Deutschland. im Sinne der Unternehmensmitbestimmung ähn- Der Anteil der mittelgroßen Unternehmen am lich verhält wie die Exportstruktur der großen Un- Gesamtbestand aller Unternehmen in Deutschland ternehmen im Sinne der EU-Empfehlung. Allerdings belief sich mit 5.900 Unternehmen auf weniger lässt sich dies ohne Analyse entsprechender Daten als 1 Prozent aller 3,5 Millionen Unternehmen in nicht mit Gewissheit sagen. Deutschland. Im Fall der beiden verbleibenden Analysekrite- Die Zahl der Beschäftigten der mittelgroßen Un- rien Kontrollstruktur und Konzentrationsstruktur ist ternehmen lag bei 5,3 Millionen Personen. Ihr An- die Ergebnislage wie bereits erwähnt eine andere, teil lag somit bei 17 Prozent der insgesamt 30,9 Mil- da die verfügbaren Daten zwar differenziert nach lionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Wirtschaftsabschnitten, nicht aber nach Unterneh- Die mittelgroßen Unternehmen erwirtschafteten mensgrößenklassen im Sinne der EU-Empfehlung mit einem Umsatzvolumen in Höhe von 19 Prozent vorliegen. Insofern besteht auch nicht die Möglich- Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 8
keit, sich an eine Datenauswertung nach Unterneh- mitbestimmung abzuleiten, da die mittelgroßen und mensgrößenklassen im Sinne der EU-Empfehlung großen Unternehmen im Sinne der Unternehmens- anzulehnen. Weiterführende Aussagen unter Be- mitbestimmung eine Teilmenge der großen Unter- rücksichtigung der mitbestimmungsrelevanten Un- nehmen im Sinne der EU-Empfehlung darstellen. ternehmensgrößenklassen sind auf Basis der vorlie- Hinsichtlich der Kontrollstruktur und Konzentrati- genden Daten mit hoher Unsicherheit behaftet und onsstruktur ist die Zielerfüllung aufgrund der spär- besäßen somit keine hohe Aussagekraft, weshalb lichen Datenlage nur teilweise gelungen, da nach auf derartige Feststellungen verzichtet wurde. Unternehmensgrößenklassen differenzierte Daten weder im Sinne der EU-Empfehlung noch im Sinne der Unternehmensmitbestimmung verfügbar sind. Daher sind lediglich nach Wirtschaftsabschnitten differenzierte Aussagen möglich. In Kombination 4 FAZIT mit den zuvor dargestellten Ergebnissen können diese dazu beitragen, das Gesamtbild der Bedeu- Die vorliegende Studie hat sich zum Ziel gesetzt, an- tung, Situation und Besonderheiten der mittelgro- hand von zehn unternehmensbezogenen Determi- ßen und großen Unternehmen zu schärfen. nanten und darauf basierenden Leitfragen die volks- Dabei zeigen die Ergebnisse, dass die reine „An- wirtschaftliche Bedeutung, Situation und Besonder- zahl“ der Unternehmen keinesfalls die wirtschaftli- heiten der mittelgroßen Unternehmen mit 501 bis che Bedeutung dieser Unternehmen darstellt. Denn 2.000 Arbeitnehmern/innen und großen Unterneh- in der Öffentlichkeit wird häufig argumentiert, dass men mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern/innen im gemessen an der reinen „Anzahl“ und dem Anteil Sinne der Unternehmensmitbestimmung im Ver- der Unternehmen die volkswirtschaftliche Bedeu- gleich zu Unternehmen kleinerer Unternehmensgrö- tung der mittelgroßen und großen Unternehmen ßenklassen getrennt nach Wirtschaftsabschnitten vergleichsweise gering sei. in Deutschland unter Verwendung statistischer Da- Doch welche Rolle spielt nun die Mitbestimmung ten zu analysieren, strukturelle Besonderheiten zu innerhalb dieses Unternehmensclusters? erkennen und Rückschlüsse zu ziehen. Bezogen auf mitbestimmte Unternehmen ab Dieses Ziel wurde in Bezug auf die Mengen- 500 Mitarbeitern (Schwelle Unternehmensmitbe- struktur, Beschäftigungsstruktur, Umsatzstruktur, stimmung) bieten die Statistiken nach HGB -Ein- Wertschöpfungsstruktur, Rechtsformstruktur, Re- teilung jedoch nur annäherungsweise Hinweise. gionalstruktur und Branchenstruktur der mittelgro- Somit wurde innerhalb dieser Studie der Versuch ßen und großen Unternehmen uneingeschränkt er- unternommen, eine Datenerhebung ab 500 Mitar- reicht. Demnach stellen die mittelgroßen und gro- beitern durchzuführen. ßen Unternehmen im Jahr 2018 zwar nur einen sehr Im Lichte dieser Studienergebnisse lässt sich geringen Anteil aller Unternehmen (ca. mit 0,2 Pro- festhalten, dass die wirtschaftliche Bedeutung die- zent) in Deutschland dar, bieten jedoch 36 Prozent ser Unternehmen, bezogen auf die Beschäftigung aller Beschäftigten einen Arbeitsplatz und erwirt- und den Umsatz, als sehr hoch einzuschätzen ist. schaften 42 Prozent des Gesamtumsatzvolumens Industriepolitisch kommt diesen Unternehmen so- sowie 46 Prozent des Gesamtwertschöpfungsvolu- mit eine hohe Relevanz zu. mens in Deutschland. Mit 63 Prozent ist die Kapi- Gerade in Krisenzeiten hat sich erwiesen, wie talgesellschaft die dominierende Rechtsform unter wichtig Mitbestimmung in diesen Unternehmen ist. mittelgroßen und großen Unternehmen. Regional Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Hans-Böck- betrachtet finden sich 73 Prozent bzw. 5.000 aller ler-Stiftung hat gezeigt, dass Unternehmen, bei de- mittelgroßen und großen Unternehmen in Deutsch- nen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mitbestimmen, land in Nordrhein-Westfalen (1.600), Bayern (1.200), sich während der großen Finanz- und Wirtschafts- Baden-Württemberg (1.100), Hessen (600) und Nie- krise sowie in den Jahren danach wirtschaftlich si- dersachsen (500). Am stärksten vertreten sind mit- gnifikant besser entwickelt haben als Firmen ohne telgroße und große Unternehmen in den Branchen Mitbestimmung. „Gesundheitswesen“ mit 11 Prozent, „Sozialwesen (ohne Heime)“ mit 7 Prozent, „Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen)“ mit 7 Prozent, „Hei- me (ohne Erholungs- und Ferienheime)“ mit 5 Pro- zent und „Maschinenbau“ mit 5 Prozent. Hinsichtlich der Exportstruktur wurde das Ziel der Studie für große Unternehmen im Sinne der EU-Empfehlung mit 250 und mehr Beschäftigten, differenziert nach Wirtschaftsabschnitten, erreicht. Die Ergebnisse dieses Analysekriteriums für große Unternehmen gemäß EU-Empfehlung lassen sich als Basis nutzen, um Aussagen für mittelgroße und große Unternehmen im Sinne der Unternehmens- Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 9
LITERATUR Kommission der Europäischen Gemeinschaf- Opfermann, R./Beck, M. (2018): Einfüh- Statistische Ämter des Bundes und der ten (2003): Empfehlung der Kommis- rung des EU-Unternehmensbegriffs. Länder (2020): Methodische Grundla- sion vom 6. Mai 2003 betreffend die In: WiSta. Wirtschaft und Statistik, H. gen, Definitionen und Qualität des Definition der Kleinstunternehmen 1/2018, S. 63–75. statistischen Unternehmensregisters. sowie der kleinen und mittleren https://www.destatis.de/DE/Themen/ Unternehmen (2003/361/EG), Amts- Sick, S. (2015): Mitbestimmungsfeind- Branchen-Unternehmen/Unterneh- blatt der Europäischen Union, S. licheres Klima. Unternehmen nutzen men/Unternehmensregister/Metho- L124/36-L124/41. ihre Freiheiten – Arbeitnehmer wer- den/methodische-grundlagen.pdf. den um ihre Mitbestimmungsrechte Monopolkommission (2008): Siebzehntes gebracht. Mitbestimmungsförderung Statistisches Bundesamt (2018): Statistik Hauptgutachten der Monopolkom- Report Nr. 13. https://www.boeckler. über Auslandsunternehmenseinhei- mission 2006/2007. Weniger Staat, de/pdf/p_mbf_report_2015_13.pdf. ten. Qualitätsbericht 2018. https:// mehr Wettbewerb. https://www. www.destatis.de/DE/Methoden/ monopolkommission.de/images/PDF/ Söllner, R. (2014): Die wirtschaftliche Qualitaet/Qualitaetsberichte/Unter- HG/HG17/1610140.pdf. Bedeutung kleiner und mittlerer Un- nehmen/auslandsunternehmensein- ternehmen in Deutschland. In: WiSta. heiten.pdf. Wirtschaft und Statistik, H. 01/2014, S. 40–51. Alle Links wurden zuletzt am 10 12 2020 geprüft Infobox 1 Autoren Dr. Oliver Emons (geb. 1979), ist Wirtschaftsreferent im Institut für Mitbestimmung und Unterneh- mensführung der Hans-Böckler-Stiftung (I.M.U.). Er hat von 2000 bis 2008 an der Bergischen Universität Wuppertal studiert, am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre makroökonomische Theorie und Politik (Prof. Dr. Welfens) von 2008 -2013 promoviert und parallel am Europäischen Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Bergischen Universität Wuppertal als Wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet. Seine Arbeits- schwerpunkte sind u.a. Nachhaltigkeit, nicht-finanzielle Berichterstattung und Kennziffern, Innovati- onen und Mitbestimmung, Fusionen und Übernahmen (M&A). Weiterhin betreut und koordiniert er den Branchenmonitor Mitbestimmung. Dr. Henrik Steinhaus ist Geschäftsführer der excellence in change GmbH & Co. KG. Er forschte am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Thema „Mitarbeiterbeteiligung als Krisenbewältigungsinstrument aus akteurtheoretischer Sicht“. Stephan Kraft ist Berater und Trainer der excellence in change gmbh & Co. KG. Er studierte BWL an der Justus-Liebig-Universität Gießen und VWL an der University of Wisconsin-Milwaukee. Sein Tätigkeitsspektrum umfasst u.a. die Erstellung von Jahresabschlussanalysen, Branchenmonitoren und Fallstudien. Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 10
AUTOREN Dr. Oliver Emons Dr. Henrik Steinhaus Stephan Kraft oliver-emons@boeckler.de hsteinhaus@eic-partner.de skraft@eic-partner.de Das I.M.U. (Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung) berät und qualifiziert Arbeitnehmerver- treterinnen und Arbeitsnehmervertreter in Aufsichtsräten, Betriebs- und Personalräten sowie Arbeitsdirektorinnen und Arbeitsdirektoren. Demokratie lebt von Mitbestimmung. Wir fördern eine Kultur, in der Menschen sich einbringen, mitentscheiden und mitgestalten können. Im Alltag und am Arbeitsplatz. TWITTER Wie wollen wir morgen arbeiten und leben? Wie können wir Mit- bestimmung im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung sichern? Mehr Informationen über #zukunftmitbestimmung auf un- serem Twitterkanal : https://twitter.com/ZukunftMB MITBESTIMMUNGSPORTAL Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter benötigen umfangreiches Orientierungs- und Handlungswissen : aktuell, kom- pakt und passgenau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Das bietet das Mitbestimmungsportal der Hans-Böckler-Stiftung. https://www.mitbestimmung.de MITBESTIMMUNG DURCH PRAXISWISSEN GESTALTEN Betriebs- und Dienstvereinbarungen zeigen: Betriebliche Praxis gestaltet heute gute Arbeit von morgen. Wir stellen Beispiele vor, bei denen sich Mitbestimmungsakteure und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf Regelungen verständigt haben, um Folgen digitaler und technologischer Entwicklungen positiv im Sinne der Beschäftig- ten mitzubestimmen. https://www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 Seite 11
WWW.BOECKLER.DE IMPRESSUM Herausgeber Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung „Mittelgrosse und Grosse Unternehmen in Deutschland“ von Georg-Glock-Straße 18, 40474 Düsseldorf Oliver Emons, Henrik Steinhaus, Stephan Kraft ist unter der Telefon +49 (2 11) 77 78-17 2 Creative Commons Lizenz Namensnennung 4.0 International lizenziert (BY). https://www.mitbestimmung.de Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung Pressekontakt des Urhebers die Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung Rainer Jung, +49 (2 11) 77 78-15 0 des Materials in jedem Format oder Medium für beliebige Zwe- rainer-jung@boeckler.de cke, auch kommerziell. Satz : I.M.U. Den vollständigen Lizenztext finden Sie hier: Redaktion https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.de Dr. Oliver Emons, Referat Wirtschaft Die Bedingungen der Creative Commons Lizenz gelten nur Hans-Böckler-Stiftung, Telefon: +49 (2 11) 77 78-165 für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus oliver-emons@boeckler.de anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z. B. Ausgabe von Abbildungen, Tabellen, Fotos und Textauszügen erfordert Mitbestimmungsreport Nr. 64, 01. 2021 ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber. ISSN 2364-0413
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