Mobile Talente? Ein Vergleich der Bleibeabsichten internationaler Studierender in fünf Staaten der Europäischen Union
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FORSCHUNGSBEREICH Mobile Talente? Ein Vergleich der Bleibeabsichten internationaler Studierender in fünf Staaten der Europäischen Union Die Studie wurde gefördert von der Stiftung Mercator Der Sachverständigenrat ist eine Initiative von: Stiftung Mercator, VolkswagenStiftung, Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Körber-Stiftung, Vodafone Stiftung und ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
FORSCHUNGSBEREICH Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ............................................................................................................................................................... 4 1. Neues Interesse an internationalen Studierenden als künftige Zuwanderer ............................ 6 1.1 Mobilität internationaler Studierender: Maßnahmen zur Förderung des Verbleibs nach Studienabschluss ................................................................................................................................................. 7 1.2 Verbleiberaten internationaler Studierender: Drei Viertel verlassen das Land nach Studienabschluss ................................................................................................................................................. 8 1.3 Das Hochschulwesen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Schweden: Unterschiede auch bei internationalen Studierenden sichtbar ............................................. 10 2. Rechtliche Rahmenbedingungen für internationale Studierende und Absolventen in den fünf Ländern ......................................................................................................................... 11 2.1 Europäische Ebene: Erleichterte Zuwanderung für einzelne Gruppen Hochqualifizierter, aber keine umfassende Vergemeinschaftung ........................................................................................................ 11 2.2 Nationale Ebene: Internationale Studierende als Teil der Zuwanderung Hochqualifizierter ....................... 12 2.3 Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen: Gegenläufige Entwicklungen in einem dynamischen Feld ........................................................................................................................................ 13 Vor dem Studium ................................................................................................................................................. 14 Während des Studiums ....................................................................................................................................... 14 Nach dem Studium .............................................................................................................................................. 17 3. Länderberichte ................................................................................................................................................................. 18 3.1 Deutschland: Liberalisierung im ehemaligen ‚Nicht-Einwanderungsland‘ ...................................................... 19 3.2 Frankreich: Widersprüchliche Botschaften an internationale Studierende ...................................................... 21 3.3 Niederlande: Großzügiges Regelwerk für am Arbeitsmarkt benötigte Absolventen .................................... 23 3.4 Großbritannien: Verschärfung liberaler Regelungen............................................................................................. 26 3.5 Schweden: Nachzügler beim Aufenthalt zur Arbeitssuche .................................................................................. 29 4. Ergebnisse der Online-Befragung internationaler Studierender ....................................................... 31 4.1 Die Teilnehmer: Größe der Stichprobe und Hintergrund ...................................................................................... 32 Herkunftsregionen der Studierenden ............................................................................................................... 33 Selbsteinschätzung zu Sprachkenntnissen ...................................................................................................... 33 4.2 Motive für die Auswahl des Studienlandes: Qualität und Ruf der Bildungsinstitutionen............................. 35 4.3 Motive der Bleibewilligen: Großes Interesse an internationaler Arbeitserfahrung ....................................... 37 Geplante Dauer des Verbleibs im Studienland .............................................................................................. 38 Gründe für die Verbleibeabsicht........................................................................................................................ 38 Typische Merkmale der Bleibewilligen ............................................................................................................ 40 Einflussfaktoren für Verbleib .............................................................................................................................. 40 4.4 Motive der Rückkehrwilligen: Familie und persönliche Beziehungen .............................................................. 41 4.5 Willkommenskultur und Aussichten auf dem Arbeitsmarkt: große länderspezifische Unterschiede ........ 43 4.6 Kenntnis und Bewertung der rechtlichen Regelwerke: Nur wenige fühlen sich gut informiert ................. 45 4.7 Zusammenfassung: Ausgeprägter Bleibewille, mehr Bedarf an Unterstützung ............................................. 48 Bleiben ja – vorübergehend ............................................................................................................................... 48 Berufliches Vorankommen bestimmt den Bleibewillen ............................................................................... 48 Mangelndes Wissen über rechtliche Rahmenbedingungen ......................................................................... 48 Herausforderungen für internationale Studierende ....................................................................................... 49 Zusammenhang zwischen rechtlichen Rahmenbedingungen und Ergebnissen der Untersuchung ................................................................................................................................................ 49 5. Schlussfolgerungen ....................................................................................................................................................... 50 Literatur....................................................................................................................................................................................... 53 3
Zusammenfassung Zusammenfassung In Zeiten von demografischem Wandel und zunehmen- Mitverantwortung gezogen, wenn ein Studierender dem Fachkräftemangel nimmt die Politik internationale nach seinem Abschluss oder bei Abbruch des Studi- Studierende aus Drittstaaten verstärkt als potenzielle ums nicht wie vorgesehen das Land verlässt. Das Zu- hoch qualifizierte Zuwanderer in den Blick. Internatio- lassungsverfahren in Großbritannien unterliegt einem nale Studierende haben durch ihre akademische Ausbil- ähnlichen Trend der Verschärfung. Im vormals restrik- dung im Land bereits eine Reihe von Hürden auf dem tiven Deutschland hingegen sind die Regelungen mit Weg zu einer erfolgreichen Integration genommen: Ihre der Abschaffung der Vorrangprüfung und den nun an- Bildungsabschlüsse sind anerkannt, mit Sprache, Gesell- stehenden Verbesserungen für die Suchphase in den schaft und Gepflogenheiten des jeweiligen Landes sind letzten Jahren liberalisiert worden. sie schon in Grundzügen vertraut. Nach dem Motto Train Der zweite Teil der Untersuchung gibt die Perspek- and Retain haben es daher viele europäische Staaten tive der Master-Studierenden und Doktoranden selbst internationalen Studierenden erleichtert, nach dem Ab- wieder. Die Online-Befragung von über 6.200 Studie- schluss im Land zu bleiben und zu arbeiten. renden in den untersuchten fünf Ländern zeigt: Das Die vorliegende Studie untersucht die Bleibeab- Interesse an einem Verbleib im Studienland ist groß; sichten internationaler Studierender aus Drittstaaten fast zwei Drittel könnten sich vorstellen, nach dem Ab- in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Groß- schluss des Studiums eine Arbeit im Studienland auf- britannien und Schweden. Welche Überlegungen zunehmen, wenn es leichter wäre, eine Aufenthalts- spielen eine Rolle für die Planungen nach dem Stu- und/oder Arbeitserlaubnis zu erhalten. Tatsächlich dienabschluss? Was wissen Master-Studierende und verbleibt eine weitaus geringere Zahl: rund ein Viertel Doktoranden über die rechtlichen Rahmenbedingun- in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden gen, die ihnen als potenziellen Fachkräften den Ver- bzw. ein Drittel in Frankreich. Die Diskrepanz zwischen bleib im Studienland ermöglichen? Wie bewerten sie Bleibeinteresse und realisiertem Verbleib weist auf er- die Möglichkeiten und welche Hindernisse sehen sie? hebliche Hürden auf dem Weg hin. Die Untersuchung Für die Studie wurden in den fünf untersuchten Län- zeigt deutlich, dass keines der fünf Länder die Potenzi- dern mehr als 6.200 Studierende an 25 Universitäten ale der internationalen Studierenden ausschöpft. anhand eines Online-Fragebogens befragt. Durchge- Als falsch erweist sich die verbreitete Annahme, führt wurde die Untersuchung vom Forschungsbereich dass die internationalen Studierenden von vornherein beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für nur ein Sprungbrett zur dauerhaften Zuwanderung in Integration und Migration in Kooperation mit der Mig- ein hochentwickeltes Land suchen. Nur zehn Prozent ration Policy Group (MPG) in Brüssel. Die Studie wurde der Befragten geben an, mehr als fünf Jahre im Land von der Stiftung Mercator gefördert. bleiben zu wollen. Die meisten Bleibewilligen planen, Viele europäische Länder und ebenso die Euro- nach ein bis zwei Jahren in ihre Heimat zurückzukeh- päische Union haben in den vergangenen Jahren die ren oder in ein anderes Land weiterzuziehen. In erster Rechtssicherheit internationaler Studierender verbes- Linie wollen sie im Sinne eines ‚Gesamtpakets‘ ihren sert und ihren Zugang zum Arbeitsmarkt während Studienaufenthalt mit ersten Erfahrungen auf dem in- und nach dem Studium erleichtert. Vor allem wurden ternationalen Arbeitsmarkt verbinden. hierzu sog. Post-Study schemes eingeführt, also die Der direkte Vergleich zwischen Bleibewilligen und Möglichkeit, nach dem Studium für eine Übergangszeit Rückkehrwilligen zeigt, dass das Bleibeinteresse durch zum Zweck der Arbeitssuche im Land zu bleiben. In eine Reihe von Faktoren befördert wird. So ist das Han- Deutschland und den Niederlanden können sich Absol- deln der Bleibewilligen stärker vom Motiv des beruf- venten ein Jahr nach einem Job umsehen, in Großbri- lichen Vorankommens bestimmt; private, persönliche tannien (noch) zwei Jahre, in Frankreich sechs Monate. oder familiäre Gründe treten eher in den Hintergrund. Von den fünf untersuchten Ländern eröffnet lediglich Auch haben die Bleibewilligen schon häufiger Joberfah- Schweden (noch) keinen solchen Weg auf den inlän- rung in dem jeweiligen Land gesammelt, sind in der dischen Arbeitsmarkt. Tendenz jünger und haben seltener Kinder. Auch bei Darüber hinaus haben sich die EU-Staaten in ihren Studienfächern und Herkunftsländern werden Unter- Regelungen angenähert. So haben vormals sehr libe- schiede deutlich: Ingenieure und Naturwissenschaftler rale Länder ihre Regelungen verschärft: In den Nie- wollen häufiger bleiben als Sozial- und Geisteswissen- derlanden müssen sich Universitäten, die Studierende schaftler, Studierende aus asiatischen Ländern – vor al- oder Doktoranden aus Drittstaaten aufnehmen wollen, lem aus China, Indien, Iran und Sri Lanka – und Osteuro- mittlerweile beim Bildungsministerium registrieren pa häufiger als Studierende aus Nord- wie Südamerika und für ihre ausländischen Studierenden bürgen. Sie und Afrika. Wie zu erwarten war, fühlen sich die Blei- sind verpflichtet, zu prüfen, ob der Studierende sein bewilligen besser über ihre Rechte und Möglichkeiten Studium ordnungsgemäß absolviert, und werden zur informiert als diejenigen, die eine Rückkehr anstreben. 4
FORSCHUNGSBEREICH Wie Hochschulen den Aufenthalt internationaler markt sowie in der Frage, ob die Studierenden als in- Studierender gestalten, hat ebenfalls einen prägen- ternationale Arbeitskräfte willkommen sind: Während den Einfluss auf deren Bleibeabsichten. So zeigt sich Studierende in Deutschland und den Niederlanden ihre beispielsweise in Deutschland, dass die bleibewilligen Lage als vergleichsweise günstig einschätzten, wurden Studierenden deutlich zufriedener mit ihren Studien- in Frankreich und Großbritannien vor allem kritische bedingungen sind als diejenigen, die auf dem Sprung Stimmen laut. Befragte zeigten sich u. a. enttäuscht sind. Auch fühlen sie sich stärker willkommen und über die geplanten Einschränkungen ihrer Bleibemög- sprechen besser Deutsch als die Rückkehrwilligen. Die lichkeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Hochschulen sollten hier durch Studien- und Karriere- Studierende die Art und Weise, wie über Zuwanderung beratung sowie die Bereitstellung von rechtlichen In- diskutiert wird, genau verfolgen. formationen zu einer größeren Zufriedenheit mit dem Studierende bringen in der Regel sehr gute Vor- Studienaufenthalt beitragen. aussetzungen als hoch qualifizierte Zuwanderer mit. Mangelnde Kenntnisse der Landessprache stellen Doch ein Studienaufenthalt allein nivelliert nicht alle die internationalen Studierenden in den nicht englisch- Hürden, vor denen Zuwanderer generell stehen, von sprachigen Ländern vor Probleme. Durch die steigende mangelnden Kenntnissen der Landessprache über feh- Anzahl englischsprachiger Studiengänge können zwar lende berufliche Netzwerke und unzureichendes Wis- einerseits Drittstaatsangehörige leichter ein Studium sen über die Gepflogenheiten auf dem Arbeitsmarkt aufnehmen, andererseits ist die Landessprache insbe- bis hin zu Diskriminierung und Schwierigkeiten mit den sondere in Deutschland nach wie vor die Arbeitsspra- aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen für sich und ihre che in den Unternehmen. Dies erschwert für die Stu- Familien. Hinzu kommt, dass internationale Studie- dierenden den Zugang zum Arbeitsmarkt. Neben dem rende in der Regel als temporäre Zuwanderergruppe englischsprachigen Studium haben sie vielfach nicht betrachtet werden und sie daher eine Reihe von Inte- ausreichend Zeit für das Erlernen der Landessprache. grationsangeboten nicht in Anspruch nehmen können. In diesen Fragen müssen Hochschulen Studieninteres- Daher brauchen auch internationale Studierende Un- senten besser informieren. Zurzeit führen die niedrigen terstützung bei der Integration. Dies stärker als bisher Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse für ein zu leisten ist Aufgabe der Universitäten, staatlicher Studentenvisum teilweise zu dem Irrglauben, man und zivilgesellschaftlicher Stellen. Hochschulen soll- könne allerorten ganz gut ohne Deutschkenntnisse ten z. B. mehr Sprachkurse anbieten (insbesondere in zurechtkommen. Deutschland) und im Rahmen ihrer Karriereberatung Ein generelles Hindernis sind fehlendes Wissen und auf die spezifischen Belange internationaler Studie- schwer zugängliche Informationen über die rechtlichen render eingehen. Die Integration von internationalen Voraussetzungen für den Verbleib im Studienland. Zwi- Studierenden am Arbeitsmarkt ist kein Selbstläufer, schen 37,0 Prozent (in Großbritannien) und 45,9 Pro- da es den Studierenden an Wissen über Karrierepfade zent (in Deutschland) der befragten internationalen und an Kontakten fehlt. Ihr Einstieg erfolgt daher nicht Studierenden fühlen sich kaum oder gar nicht infor- selten auf einem niedrigeren Niveau. Die rechtlichen miert. Insbesondere in Deutschland wurden fehlende Anforderungen sollten solche Integrationspfade er- Informationen in englischer Sprache bemängelt. Nur möglichen und nicht schon vor Studienabschluss einen ein knappes Viertel der Befragten fand, dass Informa- Arbeitsvertrag für eine hoch qualifizierte Beschäftigung tionen über Aufenthaltsbestimmungen und die Voraus- zur Voraussetzung für den Verbleib machen. Eine Such- setzungen für den Verbleib im Land leicht verfügbar phase, in der auch auf nicht hoch qualifizierten Po- sind. Zudem werden die Regelungen in allen Staaten sitionen Vollzeit gearbeitet werden darf, fördert die als kompliziert wahrgenommen. Daher besteht in allen Arbeitsmarktintegration. untersuchten Ländern erheblicher Verbesserungsbe- Wer Absolventen aus aller Welt ermutigen will, im darf bei der Bereitstellung von Informationen. Land zu bleiben, wird ihnen mehr maßgeschneiderte Unterschiede zwischen den Ländern zeigten sich Angebote machen müssen. bei der Einschätzung der Aussichten auf dem Arbeits- 5
Neues Interesse an internationalen Studierenden als künftige Zuwanderer 1. Neues Interesse an internationalen Die vorliegende Studie1 stellt daher die Frage nach den Studierenden als künftige Zuwanderer Verbleibeabsichten internationaler Studierender2 aus Drittstaaten in den fünf EU-Mitgliedstaaten Deutsch- Internationale Studierende entwickeln sich immer land, Frankreich, die Niederlande, Großbritannien und mehr zu einer gefragten Gruppe qualifizierter Zuwan- Schweden. Die Studie ‚Value Migration‘ wurde vom derer. Sie sind jung, gut gebildet und verfügen über Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deut- Erfahrungen, die sie für den Arbeitsmarkt der Aufnah- scher Stiftungen für Integration und Migration in Zu- meländer attraktiv machen. Vor dem Hintergrund des sammenarbeit mit der Migration Policy Group (MPG) in demografischen Wandels, bestehender und zukünfti- Brüssel durchgeführt. Das 14-monatige Forschungspro- ger Fachkräfteengpässe sowie des Wunsches, in der jekt wurde von der Stiftung Mercator gefördert. globalisierten Wissensgesellschaft wettbewerbsfähig Die vergleichende Untersuchung ermöglicht, Un- zu bleiben, ermöglichen immer mehr Staaten in und terschiede und Ähnlichkeiten sowohl der rechtlichen außerhalb von Europa internationalen Studierenden, Rahmenbedingungen als auch der individuellen Wahr- nach ihrem Abschluss im Land zu bleiben und auf dem nehmungen und Erfahrungen der Studierenden zu ana- Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. lysieren. Der erste Teil untersucht die Bestimmungen Aus verschiedenen praktischen Erwägungen her- für Einreise, Aufenthalt und den Übergang auf den Ar- aus verfolgen politische Entscheidungsträger das Ziel, beitsmarkt nach dem Studium in den genannten fünf internationalen Studierenden nach Studienabschluss Ländern. Der zweite Teil stellt die Ergebnisse einer den Weg zum heimischen Arbeitsmarkt zu ebnen, sie Online-Befragung von mehr als 6.200 internationalen also auszubilden und anschließend zu behalten (Suter/ Studierenden an 25 Universitäten vor. Befragt wurden Jandl 2008). Internationale Studierende sind u. a. auf- ausschließlich Master-Studierende und Doktoranden. grund ihres Bildungsgrads und ihrer Sprachkenntnisse Beide befinden sich in der Endphase ihres Studiums eine attraktive Zuwanderergruppe. Außerdem unter- und damit kurz vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt. scheidet sie eine Reihe weiterer Eigenschaften von Sie wurden nach ihren Bleibeabsichten, den Faktoren ‚klassischen‘ Zuwanderern. Wer seine Ausbildung im für die Wahl eines Studienlandes sowie ihrer Wahr- Aufnahmeland absolviert, hat in aller Regel bereits nehmung und Beurteilung der Regelungen und Chan- Hürden überwunden, die sonst die Integration auf cen zur Arbeitsaufnahme nach dem Studienabschluss dem Arbeitsmarkt erschweren, wie etwa die Aner- gefragt. kennung der im Ausland erworbenen Zeugnisse und Der Vergleich der rechtlichen Rahmenbedingungen Bildungsabschlüsse, geringe Kenntnisse der Sprache zeigt, dass sich die fünf Länder hinsichtlich der Kri- und der kulturellen Gepflogenheiten sowie mangelnde terien für die Vergabe eines Studentenvisums sowie Erfahrung in der Arbeitswelt des Aufnahmelandes. In der konkreten Ausgestaltung von Aufenthaltsstatus Ländern mit einem vorwiegend öffentlich finanzierten und Arbeitsmarktzugang nach dem Studium erheblich Hochschulwesen sprechen volkswirtschaftliche Gründe unterscheiden. Zugleich zeigt sich ein Angleichungs- für eine Arbeitsmarktintegration internationaler Stu- prozess: Die politischen Maßnahmen der einzelnen dierender nach Studienabschluss: Ihr Beitrag als Arbeit- Länder zur Förderung des Verbleibs internationaler nehmer und Steuerzahler des Aufnahmelandes kann Studierender nähern sich – trotz aller weiterhin beste- Bildungsaufwendungen für internationale Studierende henden Unterschiede – an. Die Auswertung der Online- kompensieren. Befragung belegt, dass internationale Studierende ein In mehreren Studien wurde bereits dargelegt, war- großes Interesse daran haben, im Anschluss an das um immer mehr junge Menschen ein Studium im Aus- Studium erste Arbeitserfahrungen im Aufnahmeland land anstreben und welche Faktoren für die Wahl eines zu sammeln. Allerdings sind sich die Studierenden der Studienortes entscheidend sind (Altbach 2004; King/ – vielerorts strenger werdenden – rechtlichen Rah- Ruiz-Gelices 2003). Weitaus weniger bekannt ist insbe- menbedingungen bewusst und fühlen sich dadurch sondere im europäischen Kontext, welche Faktoren die weniger willkommen, im Land zu bleiben. Die Moti- Planungen für die Zeit nach dem Studium beeinflussen. ve der Gruppe, die nach ihrem Studienabschluss im 1 Diese Studie wurde begleitet von Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Mitglied des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Verantwortlich für diese Veröffentlichung ist der SVR-Forschungsbereich. Die Argumente und Schlussfolgerungen spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). 2 Internationale Studierende werden in diesem Bericht als ausländische Studierende definiert, die ihre Bildungslaufbahn in einem anderen Land absolviert haben und zum Zwecke des Studiums einreisen (auch: Bildungsausländer). Ausländische Studierende, die bereits vor dem Studium im Land gelebt und dort auch ihre Hochschulzulassung erworben haben (auch: Bildungsinländer), werden nicht in den Blick genommen. Die Stichprobe der Online-Befragung in fünf EU-Ländern umfasst nur internationale Studierende aus Nicht-EU-Staaten. 6
FORSCHUNGSBEREICH Land bleiben will, unterscheiden sich von denen der – Novellierung des Einbürgerungs- und Aufenthalts- Gruppe, die das Land verlassen will. Während die erste rechts, sodass die Studienjahre auf die bis zur Ver- Gruppe vor allem karriereorientiert denkt, sprechen leihung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis/ bei der zweiten Gruppe familiäre, soziale und persön- Staatsbürgerschaft benötigte Aufenthaltsdauer ange- liche Gründe für einen Wegzug aus dem Studienland. rechnet werden können; Weitere Unterschiede bezüglich der Bleibewilligkeit – erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt während und zeigen sich bei einer Aufschlüsselung der Ergebnisse nach dem Studium; nach Herkunftsländern und Studienfächern. – neue Visakategorien mit dem besonderen Ziel, inter- nationale Studierende anzuziehen und zum Verbleib zu motivieren; 1.1 Mobilität internationaler Studierender: – Besserstellung von internationalen Hochschulabsol- Maßnahmen zur Förderung des Verbleibs venten beim Zugang zum Arbeitsmarkt und damit bei der Vergabe einer Aufenthaltserlaubnis, z. B. durch nach Studienabschluss geringere Mindesteinkommensgrenzen und den Die enorme Zunahme der Studierenden, die ihr Stu- Wegfall der Vorrangprüfung. dium ganz oder teilweise im Ausland absolvieren, ist gut dokumentiert (OECD 2011; Teichler et al. 2011; Während die traditionellen Einwanderungsländer Ka- Hawthorne 2008; Nuffic 2011; De Wit et al. 2008; nada, Australien, Neuseeland und USA internationalen Robertson 2008; UNESCO 2010). Wie die Organisation Studierenden seit Langem die Perspektive eröffnen, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach dem Studium im Aufnahmeland zu arbeiten und (OECD) berichtet, ist die Zahl internationaler Studie- sogar langfristig bleiben zu können,4 verfolgen die render von 2000 bis 2009 weltweit um 77 Prozent Staaten der EU einen weniger klar definierten Ansatz gestiegen; nahezu 3,7 Millionen Menschen studierten (Wilkenson et al. 2010; Merwood 2008). Zwar ent- 2009 in einem anderen Land als dem ihrer Staatsan- spricht es auch hier zunehmend dem politischen Kal- gehörigkeit. Fast die Hälfte dieser Studierenden ist kül, internationalen Studierenden nach erfolgreichem in nur fünf Ländern immatrikuliert: den USA (18 %), Studienabschluss den Zugang zum Arbeitsmarkt zu er- gefolgt von Großbritannien (10 %), Australien (7 %), öffnen. Allerdings werden internationale Absolventen Deutschland (7 %) und Frankreich (7 %). Das mit Ab- stärker als Hochqualifizierte betrachtet, die sich nur stand bedeutendste einzelne Entsendeland ist China, zeitlich befristet im Land aufhalten. In diesem Zusam- gefolgt von Indien. Die bedeutendste Entsenderegion menhang könnte die Einführung der Blue Card in den ist Asien. Ihr entstammen 53 Prozent aller mobilen EU-Mitgliedstaaten die langfristige Bleibeperspektive Studierenden weltweit. für internationale Studierende stärken.5 Immer mehr Länder in Europa und andernorts re- Trotz einer deutlichen Liberalisierungspolitik zu- agieren auf die zunehmende Mobilität Studierender gunsten internationaler Studierender in den EU-Mit- mit Maßnahmenpaketen, die diese Zielgruppe ermun- gliedstaaten unterliegen auch sie Maßnahmen zur tern sollen, als hoch qualifizierte Zuwanderer im Land Kontrolle und Begrenzung von Zuwanderung. Derar- zu bleiben.3 Dabei kommen die folgenden Instrumente tige Bestrebungen gibt es besonders in Ländern, in zum Einsatz: denen sowohl Politik als auch Öffentlichkeit eine ein- – befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wanderungskritische Haltung einnehmen. So stehen nach Studienabschluss zum Zwecke der Suche eines Reformen in Großbritannien an, die die Zuzugs- und der Ausbildung angemessenen Arbeitsplatzes; Verbleibemöglichkeiten für internationale Studierende – Modernisierung und Vereinfachung der Einreise- und beschneiden. Die britische Grenzschutzbehörde6 (UK Visamodalitäten für Hochqualifizierte und internati- Border Agency) kündigte im Frühjahr 2011 an, ab April onale Studierende; 2012 die Erteilung von Studentenvisa an Nicht-EU- 3 Es existiert keine allgemeingültige rechtliche Definition der Bezeichnung „hoch qualifiziert“. Typischerweise bezieht sie sich auf das Bildungsniveau, die spezifische Berufserfahrung oder die Höhe des Gehalts (EMN 2007). 4 Beispielsweise wurde die Canadian Experience Class speziell mit dem Ziel der Förderung des Verbleibs internationaler Studierender entwickelt: Nach zwei Jahren Studium und einem Jahr Berufstätigkeit in Kanada besteht die Möglichkeit, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Mit dieser steht auch der Zugang zur kanadischen Staatsbürgerschaft offen (Gates- Gasse 2010). 5 Die Hochqualifiziertenrichtlinie der EU (2009/50/EG) sieht die Einführung einer Blue Card vor, eine befristete Arbeitserlaubnis für Hochqualifizierte aus Drittstaaten. Sie ist in den Niederlanden und Frankreich bereits in Kraft; Schweden und Deutschland werden bald folgen; Großbritannien hat von der Opting-Out-Klausel Gebrauch gemacht. 6 Die britische Grenzschutzbehörde ist eine an das für Zuwanderung zuständige britische Innenministerium gekoppelte Agentur, sie ist u. a. zuständig für Zuwanderungskontrolle und Visa-Bestimmungen. 7
Neues Interesse an internationalen Studierenden als künftige Zuwanderer Bürger restriktiver handhaben zu wollen – und verfolgt internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten damit das übergeordnete Ziel, die Nettoeinwanderung weiterhin ein Thema mit hohem Stellenwert für die insgesamt zu verringern (Mulley/Sachrajda 2011; Eas- Hochschulpolitik bleiben. ton 2011).7 Die Hürden für den Zugang zu britischen Hochschulen werden erhöht. So werden die Sprachan- forderungen strenger und die maximale Studiendauer 1.2 Verbleiberaten internationaler wird verringert. Auch der zweijährige Aufenthalt zur Studierender: Drei Viertel verlassen das Arbeitsplatzsuche nach Studienabschluss (Post-Study Land nach Studienabschluss Work Scheme), der internationalen Absolventen un- abhängig vom Vorliegen eines Jobangebots gewährt Ein direkter Ländervergleich dazu, wie viele internatio- wird, soll abgeschafft werden. Gewisse Schritte in diese nale Studierende nach ihrem Abschluss im Studienland Richtung sind auch in Frankreich und den Niederlanden bleiben, ist aufgrund der unterschiedlichen Datenlage erkennbar. Die Bestrebungen dienen dem doppelten in den EU-Ländern nur eingeschränkt möglich. Die von Ziel, dringend auf dem Arbeitsmarkt benötigten Hoch- der OECD entwickelte Verbleiberate liefert hierfür aber qualifizierten einfachere Möglichkeiten zum Verbleib eine gute Grundlage: Die OECD setzt die Zahl der in- zu bieten und gleichzeitig den Verbleib für diejenigen ternationalen Studierenden, die nach ihrem Abschluss zu erschweren, die statt an einem Studium primär an erneut eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, ins Ver- einem Arbeitsmarktzugang interessiert sind. hältnis zu denen, die das nicht tun. Die Verbleiberate Auch im Hochschulbereich werden Maßnahmen sagt demnach nichts darüber aus, zu welchem Zweck und Strategien zunehmend an dem Ziel ausgerichtet, Absolventen verbleiben (familiäre Gründe oder Auf- internationale Studierende zu gewinnen und nach ih- nahme einer Arbeit), noch berücksichtigt sie Wechsel rem Studium zu halten. So treten Hochschulen verstärkt des Aufenthaltsstatus schon vor Abschluss des Studi- in einen Wettbewerb um internationale Studierende ums. Auch berücksichtigen die Verbleiberaten nicht und wenden sich mit ihren Dienstleistungen – z. B. wis- die Länge des Aufenthalts und die verbleibenden senschaftliche Beratungsangebote, Beratung in Karri- Studierenden werden unabhängig von ihrem ange- ere- und Bewerbungsfragen, Unterstützung bei der strebten Studienabschluss erfasst. Bekanntlich sind Wohnungssuche, mehrsprachige Internetseiten oder aber die Verbleiberaten bei Studierenden in weiter- Sprachkurse – speziell an diese Zielgruppe. Zu beobach- führenden Studiengängen höher als bei Studierenden ten sind auch ein Anstieg der Marketingaktivitäten zur in Bachelor-Studiengängen (Finn 2010). Dennoch lie- Anwerbung internationaler Studierender, die Zunahme fert die Verbleiberate einen ersten Anhaltspunkt für englischsprachiger Studiengänge, eine Auslagerung die Einschätzung der realen Verhältnisse und ermög- von Bildungsstätten ins Ausland sowie Bestrebungen, licht einen länderübergreifenden Vergleich. OECD-weit Abschlüsse und Qualifikationen international vergleich- liegt die Verbleiberate bei durchschnittlich 25 Prozent. bar zu gestalten (Altbach/Knight 2007; Verbik/Lasa- Ein überdurchschnittlich hoher Verbleib ist in Kanada, nowski 2007; Robertson 2008; Waters/Brooks 2011). Frankreich, der Tschechischen Republik, Australien, den Trotz dieser proaktiven Maßnahmen zeigen empirische Niederlanden und Deutschland festzustellen (Abb. 1). Vergleichsstudien wie das International Student Baro- In Kanada, das die Liste anführt, reist nahezu jeder meter (ISB) und auf Deutschland bezogene Untersu- Dritte nach dem Studium nicht aus; 42 Prozent wech- chungen zur Situation internationaler Studierender an seln sogar unmittelbar in einen dauerhaften Aufent- Hochschulen (BMBF 2010), dass im Hochschulbereich haltsstatus. noch einiges getan werden muss, um angemessen auf Länderstudien geben weiterführende Auskünfte, die Bedürfnisse und Erwartungen internationaler Stu- wie viele Studierende sich langfristig in ihrem Stu- dierender reagieren zu können. Die Ergebnisse des ISB dienland niederlassen und welche Eigenschaften sie weisen zum Beispiel darauf hin, dass Lern- und Sprach- auszeichnen (z. B. Finn 2010; Wolfeil 2010; Soon 2012). unterstützung, Karriere- und Bewerbungsberatung So wechselte in Neuseeland zwischen 1997 und 2006 sowie die aufenthaltsrechtliche Beratung verbessert jeder fünfte internationale Studierende (21 %) inner- und ausgebaut werden müssen (Ripmeester/Pollock halb von vier Jahren nach Einreise in einen dauerhaften 2011). Vor dem Hintergrund des anhaltenden Trends Aufenthaltsstatus (Wilkinson et al. 2010). Für Austra- zum Wettbewerb um hoch qualifizierte Fachkräfte lien stellte Merwood (2007) fest, dass jeder Fünfte einschließlich internationaler Studierender dürfte die (21 %), der dort 2002 seinen Studienaufenthalt been- 7 Befürworter eines strengeren Verfahrens der Vergabe von Visa an internationale Studierende in Großbritannien führen Miss- brauchsfälle aufgrund relativ liberaler Vergabeverfahren an. Viele Studierende hätten sich an Scheinuniversitäten eingeschrieben und auf die zweijährige Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitssuche nach Studienabschluss (s. Kap. 3 zu Post-Study Work Scheme) abgezielt, um Zugang zum niedrig qualifizierten Arbeitsmarktsektor zu bekommen. 8
FORSCHUNGSBEREICH Abb. 1 Anteil internationaler Studierender mit verändertem Aufenthaltsstatus und weiterem Aufenthalt in ausgewählten OECD-Ländern (Verbleibsrate) 2008 oder 2009 40% 30% 20% 10% 0% ich n d an d d n n d e n p. h a rre anie Irl an Jap elan nlan ege nie hla n land a lie Re reic nad ste Sp se Fin rw ita n tsc er str he nk Ka Ö Ne u No ßb r u ed Au his c Fra o De Ni c Gr c he Ts Anteil mit verändertem Aufenthaltstatus Durchschnitt Anmerkung: In EU-Staaten werden nur Studierende berücksichtigt, die aus Ländern außerhalb des EWR stammen. Quelle: OECD 2011b: 67; eigene Darstellung dete, im Anschluss eine unbefristete Aufenthaltsge- machen sie mehr als zehn Prozent der Alterskohorte nehmigung bekam. In Großbritannien hingegen lassen aus). Eine demografisch relevante Zuwanderergruppe sich schätzungsweise nicht mehr als 10 Prozent der sind sie damit allein aufgrund der Größe nicht. Hinzu internationalen Studierenden aus dem nichteuropäi- kommt, dass sie sehr mobil sind und auf Veränderun- schen Wirtschaftsraum (EWR) dauerhaft nieder (Mul- gen wie die konjunkturelle Entwicklung im Aufnah- ley/Sachrajda 2011). Finn (2010) stellt fest, dass die me- und Herkunftsland oder auf Entwicklungen auf Verbleiberate von internationalen Wissenschaftlern, dem globalen Arbeitsmarkt schnell reagieren können. die ihren Doktor in den USA gemacht haben, zwischen Internationale Studierende sind daher kein Allheilmit- 60 Prozent (nach zehn Jahren) und 73 Prozent (nach ei- tel für einen Mangel an qualifizierter Zuwanderung, nem Jahr) liegt. Er stellt auch eindeutige Unterschiede zumal nicht per se davon ausgegangen werden kann, nach Studienrichtungen fest: Am häufigsten verblei- dass ihre Arbeitsmarktintegration im Vergleich zu Zu- ben Promovierte aus den Natur- und Ingenieurwissen- wanderern, die ihren Hochschulabschluss im Ausland schaften in den USA, am wenigsten Promovierte aus erworben haben, leichter verläuft (Hawthorne 2010; den Agrar- und Sozialwissenschaften. Einen negativen Sidhu 2011). unmittelbaren Effekt auf die Verbleiberaten übten die Aus volkswirtschaftlicher Sicht werden internatio- wirtschaftliche Krise sowie die Terroranschläge in den nale Studierende als Mehrwert betrachtet. Aufgrund ih- USA aus. Dies betraf vor allem diejenigen, die zum res Alters und Bildungsgrads ist ihr Risiko, arbeitslos zu Zeitpunkt der Ereignisse auf Jobsuche waren. werden und Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu Der demografische Effekt einer verstärkten Zuwan- müssen, gering. Vielmehr werden sie wahrscheinlich derung internationaler Studierender hält sich allerdings zu Nettobeitragszahlern der sozialen Sicherungssyste- in Grenzen: Die OECD weist in ihrem Migrationsausblick me. In Verbindung mit anderen politischen Maßnah- 2011 darauf hin, dass selbst dann, wenn alle interna- men kann die Förderung des Verbleibs internationaler tionalen Studierenden nach dem Abschluss blieben, Studierender Engpässe auf dem Arbeitsmarkt des Auf- dies den Anteil der jungen Generation an der Gesamt- nahmelandes abfedern und die Folgen der alternden bevölkerung nur unwesentlich erhöhen würde (2011b: Gesellschaft mildern. Darüber hinaus können internati- 65). Internationale Studierende stellen durchschnittlich onale Studierende einen wertvollen Beitrag dazu leis- 3,3 Prozent der 20- bis 24-Jährigen in den Staaten der ten, die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen OECD (nur in zwei Staaten, Australien und Neuseeland, zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland zu kräftigen. 9
Neues Interesse an internationalen Studierenden als künftige Zuwanderer 1.3 Das Hochschulwesen in Deutschland, Englischsprachige Länder verfügen aufgrund der Frankreich, den Niederlanden, Sprache über einen klaren Wettbewerbsvorteil (Per- kins/Neumayer 2011), da sie für Studierende welt- Großbritannien und Schweden: weit attraktiv sind. Neben den USA und Australien ist Unterschiede auch bei internationalen von allen europäischen Staaten Großbritannien der Studierenden sichtbar wichtigste Akteur auf dem internationalen akademi- schen Markt (Verbik/Lasanowski 2007). Die globale In allen fünf untersuchten EU-Ländern lässt sich eine Verbreitung des Englischen hat auch in nicht englisch- stark steigende Zahl internationaler Studierender und sprachigen Ländern dazu geführt, dass Hochschulen Absolventen feststellen. Unterschiede bestehen aber Studiengänge anbieten, die ganz oder überwiegend in den strukturellen Eigenschaften der Hochschulsys- auf Englisch durchgeführt werden. Niederländische teme, dem Anteil internationaler Studierender an der Universitäten waren hier Vorreiter und halten bis heute Gesamtstudierendenschaft sowie den für internationa- eine Spitzenposition in Europa (Hawthorne 2008: 13). le Studierende und Hochqualifizierte geltenden recht- Mehr als die Hälfte aller Bachelor- und Masterstudi- lichen Rahmenbedingungen (Tab. 1). engänge an niederländischen Universitäten wurden Tab. 1 Ausgewählte Eigenschaften der fünf Untersuchungsländer Deutschland Frankreich Niederlande Großbritannien Schweden Studien- niedrig niedrig hoch hoch hoch gebühren* identisch für identisch für höher für höher für keine Ge- inländische und inländische internationale internationale bühren für internationale und internatio- Studierende Studierende inländische Studierende nale Studieren- Studierende, de (Gebühren Gebühren für an grandes internationale écoles können Studierende variieren) bis zu 1.000 € 750 € an 15.000 € 18.000 € 12.000 € (aber in den öffentlichen meisten Ländern Hochschulen, keine Studien- bis zu 16.000 € gebühren) an grandes écoles Anteil aus- 10,5 % 11,5 % 7,2 % 20,7 % 9,4 % ländischer Studierender** an allen Stu- dierenden Top 5 der Her- 1. China 1. Marokko 1. Deutschland 1. China 1. China kunftsländer 2. Russland 2. China 2. China 2. Indien 2. Pakistan internationaler 3. Polen 3. Algerien 3. Belgien 3. Nigeria 3. Finnland Studierender 4. Bulgarien 4. Tunesien 4. Spanien 4. Irland 4. Iran 5. Türkei 5. Senegal 5. Frankreich 5. Deutschland 5. Indien * Ungefähre jährliche Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern auf Master-Niveau. Die Gebühren können sich jedoch je nach Studiengang und Institut zum Teil beträchtlich unterscheiden. ** Dies sind OECD-Daten (2011a: 333). Sie schließen alle ausländischen Studierenden (aus EU- und Nicht-EU-Staaten) ein, unabhängig davon, ob diese ihre Hochschulzugangsberechtigung im In- oder Ausland erworben haben. Vergleichbare Daten für die Gruppe der hier untersuchten internationalen Studierenden aus Nicht-EU-Staaten waren nicht verfügbar. Quelle: Högskoleverket 2010: 57; Nuffic 2011:15; DAAD/HIS 2011a; Ministère de l’éducation nationale 2011; HESA 2011; OECD 2011a: 333 10
FORSCHUNGSBEREICH 2010/11 in englischer Sprache angeboten (Nuffic anderen EU-Staaten, vor allem aus Deutschland und 2011). In Deutschland fördert das Bundesministerium Belgien (Nuffic 2011). für Bildung und Forschung den Ausbau international Inwiefern sich die Länder hinsichtlich der rechtli- ausgerichteter Bachelor-, Master- oder Promotions- chen Rahmenbedingungen für internationale Studie- Programme, die überwiegend auf Englisch unterrich- rende unterscheiden und in welchem Umfang eine tet werden; die Anteile sind jedoch deutlich niedriger. Angleichung stattfindet, zeigen die folgenden Aus- Die Gebühren an öffentlichen Universitäten vari- führungen. ieren in den fünf untersuchten Ländern stark. In den meisten EU-Ländern werden unterschiedliche Ge- bühren für internationale EU/EWR-Studierende und 2. Rechtliche Rahmenbedingungen für internationale Studierende aus Drittstaaten (d. h. aus internationale Studierende und Absol- Nicht-EU/EWR-Ländern) erhoben. Eine Ausnahme sind venten in den fünf Ländern Frankreich und Deutschland, wo die Gebühren gleich sind bzw. das Studium kostenfrei ist. Schweden hat erst Alle fünf untersuchten Länder erlebten in den vergan- im Studienjahr 2010/11 Studiengebühren für internati- genen Jahren einen rapiden Anstieg der Zahlen inter- onale Nicht-EU/EWR-Studierende eingeführt, während nationaler Studierender. Die Reaktionen darauf sind EU/EWR-Studierende davon befreit sind. Am höchsten in der Gesamtbetrachtung ambivalent: Ihr finanzieller sind die Gebühren für internationale Studierende in Beitrag zu den chronisch unterfinanzierten Etats der Großbritannien (durchschnittlich 18.000 Euro pro Jahr Universitäten (insbesondere in den Niederlanden und für Masterstudiengänge). In den Niederlanden zahlen Großbritannien, also in Ländern mit hohen Studienge- internationale Studierende pro Jahr zwischen 14.000 bühren) ist willkommen, häufig werden sie auch als und 19.700 Euro, in Schweden zwischen 8.500 und qualifizierte Arbeitskräfte in spe angesehen. Allerdings 15.000 Euro. In Deutschland betragen die Studienge- besteht in einigen Ländern die Sorge, dass zu viele bühren je nach Bundesland jährlich bis zu 1.000 Euro8, internationale Studierende von einem befristeten in in Frankreich bis zu 750 Euro. Dort erheben Elitehoch- einen unbefristeten Aufenthaltsstatus wechseln oder schulen (grandes écoles) allerdings Gebühren von bis sich von vornherein nicht mit einer originären Studie- zu 16.000 Euro pro Jahr. nabsicht um ein Visum bewerben. Diese Länder stehen Während also in Deutschland und in Frankreich der vor der Herausforderung, entsprechende gesetzliche Staat die Ausbildung internationaler Studierender stark Regelungen zu schaffen, die einerseits die Stimmungs- subventioniert, verfolgen die anderen drei untersuch- lage für die Reduzierung von Einwanderung berück- ten Länder einen marktbasierten Ansatz. Für Hochschu- sichtigen, andererseits aber auch die Konkurrenzfä- len stellen die höheren Gebühren von internationalen higkeit auf dem internationalen Markt sicherstellen. Studierenden eine wesentliche Einkommensquelle dar. Diesen Zwiespalt spiegeln eine Reihe von politischen Unter den fünf Ländern weist Großbritannien den Initiativen auf der europäischen wie auf der nationalen höchsten Anteil ausländischer Studierender an der Ebene wider: Diese reichen von Gesetzesänderungen Gesamtstudierendenschaft auf, auf dem zweiten und zur Verschärfung des Regelwerks für internationale dritten Platz liegen Frankreich und Deutschland (OECD Studierende bis zu mehr Anreizen, um auf dem Ar- 2011a). China ist Spitzenreiter unter den Herkunfts- beitsmarkt benötigte Hochqualifizierte nach dem Stu- ländern internationaler Studierender. Betrachtet man dium im Land zu halten. die Hauptherkunftsländer der Studierenden, so üben geografische, kulturelle, sprachliche und historische Aspekte einen großen Einfluss auf die Wahl des Studi- 2.1 Europäische Ebene: Erleichterte enlandes aus. Vier der fünf Hauptherkunftsländer in- Zuwanderung für einzelne Gruppen ternationaler Studierender in Frankreich sind Teil der Hochqualifizierter, aber keine umfassende ehemaligen Kolonialgebiete. In Großbritannien sind unter den fünf Hauptherkunftsländern drei Nationen Vergemeinschaftung vertreten, die sich dem ehemaligen British Empire zuordnen lassen. Die Niederlande stechen mit einem Angesichts des „Eigenbedarfs an Zuwanderung im Ge- hohen Anteil Studierender aus der EU hervor – zwei folge des demographischen Wandels“, mit dem sich Drittel der internationalen Studierenden kommen aus der „Rechts- und Wirtschaftsraum der EU konfrontiert“ 8 Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2005 den Bundesländern die Einführung von Studiengebühren erlaubt hatte, führten zunächst sieben Bundesländer diese ein. Nach politischen Machtwechseln schafften einige Bundesländer die zuvor eingeführten Gebühren wieder ab. Ab dem Wintersemester 2012/2013 werden voraussichtlich nur noch zwei Bundesländer (Bayern und Niedersachsen) Studiengebühren erheben. 11
Rechtliche Rahmenbedingungen für internationale Studierende und Absolventen in den fünf Ländern sieht,9 besteht nach Auffassung z. B. des Europäischen internationalen Absolventen in den nationalen bzw. Rats ein Interesse, in der Migrationspolitik für Arbeits- europäischen Arbeitsmarkt.13 Für Wissenschaftler aus kräfte eine bessere Abstimmung zwischen den Mit- Drittstaaten, darunter auch Doktoranden, gelten ge- gliedstaaten zu erzielen und die EU als Zielregion für mäß der EU-Forscherrichtlinie (Richtlinie 2005/71/EG) qualifizierte Fachkräfte aufzuwerten (Hinte et al. 2011). teilweise günstigere Regelungen: Für eine Tätigkeit in Erste Versuche der EU-Kommission, die Steuerung der Forschungseinrichtungen, die durch die Einwande- Arbeitsmigration weitgehend zu vergemeinschaften, rungsbehörden anerkannt sind, benötigen Forscher scheiterten am Widerstand der Mitgliedstaaten. Daher einen Aufenthaltstitel, aber keine Arbeitserlaubnis. ging die Kommission dazu über, mittels zielgruppen- Um mehr internationale Studierende und Wissen- spezifischer Richtlinien die Voraussetzungen für die schaftler für den Wissenschaftsstandort EU zu gewin- Zuwanderung von bestimmten Gruppen Drittstaaten- nen, wurden außerdem EU-weite Plattformen geschaf- angehöriger sowie ihren Zugang zum europäischen fen, auf denen sich Studierende (Study in Europe) und Arbeitsmarkt anzugleichen.10 Bislang verabschiedet Wissenschaftler (EURAXESS) über die Chancen und wurde die Blue Card, die in Deutschland mit dem Ge- Bedingungen zur Einreise in die Europäische Union in- setz zur Umsetzung der Hochqualifiziertenrichtlinie formieren können. eingeführt wird.11 Die Blue Card wird hoch qualifizier- Die vergleichsweise liberalen Regelungen für Stu- ten Zuwanderern besondere Rechte hinsichtlich Mobi- dierende, Wissenschaftler und Hochqualifizierte ver- lität, Familiennachzug und Daueraufenthalt verleihen deutlichen den sektoralen und bedarfsorientierten und voraussichtlich neue Verbleibechancen auch für Ansatz in der Europäischen Union. Während Hoch- internationale Studierende schaffen. qualifizierte eine Vorzugsbehandlung genießen, sind Die bereits 2004 verabschiedete Studentenrichtli- andere Zuwanderergruppen weit stärker restriktiven nie12 gleicht die Bedingungen für die Aufnahme in- Regelungen unterworfen. ternationaler Studierender aus Drittstaaten EU-weit an. Ziel ist, die Gesetze der Mitgliedstaaten für diese Zielgruppe hinsichtlich der Voraussetzungen und des 2.2 Nationale Ebene: Internationale Verfahrens für die Erteilung der Aufenthaltstitel zu Studierende als Teil der Zuwanderung harmonisieren und transparenter zu gestalten (vgl. Hochqualifizierter Art. 1 der Richtlinie). Dadurch soll die EU für interna- tionale Studierende attraktiver werden. Dabei wird Neben den EU-Initiativen gibt es in allen fünf in dieser auch die Erwerbstätigkeit während des Studiums ge- Studie untersuchten Ländern Ansätze einer bedarfs- regelt: Studierende können mindestens zehn Stunden orientierten Zuwanderungspolitik. So haben sie in pro Woche einer Tätigkeit im Aufnahmeland nach- jüngerer Zeit ihre rechtlichen Rahmenbedingungen gehen. Allerdings kann auch die Verlängerung eines verändert, um Hochqualifizierten die Einreise und Ar- Studentenvisums versagt werden, wenn das Studium beitsaufnahme zu erleichtern. In Schweden trat bei- keine ausreichenden Fortschritte macht. Eine bevor- spielsweise 2008 ein nachfrageorientiertes System in zugte Behandlung internationaler Studierender bei Kraft, das den Verbleib internationaler Studierender der Familienzusammenführung sieht die Richtlinie erlaubt, die bei ihrem Abschluss bereits einen Job ge- nicht vor. Ebenso wenig regelt sie den Übergang der funden haben. Großbritannien führte im gleichen Jahr 9 Vgl. den Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl vom 24. September 2008. Den Stand der Umsetzung des Paktes legen alle EU-Mitgliedstaaten in einem jährlichen Bericht dar. 10 Im Jahr 2001 legte die EU-Kommission eine Richtlinie vor, die EU-weit die Bedingungen einer Einreise aus Drittstaaten fest- schreiben sollte. Nachdem diese abgelehnt worden war, verfolgte die Kommission ab 2005 eine sektorale Strategie und legte Richtlinienvorschläge vor, die sich auf ausgewählte Zuwanderergruppen konzentrierten, an deren Anwerbung innerhalb der Europäischen Union ein gemeinsames Interesse besteht. Zu ihnen gehören Hochqualifizierte. 11 Wie oben erwähnt, ist die Blue Card eine spezielle Arbeitserlaubnis, die es Hochqualifizierten aus Drittstaaten ermöglicht, in der EU zu arbeiten. Die Bedingungen für den Erhalt der Blue Card sind in Richtlinie 2009/50/EG (Hochqualifiziertenrichtlinie) geregelt. Voraussetzung ist u. a., dass das Gehalt mindestens 50 Prozent über dem Durchschnittseinkommen des Landes liegt. In den Niederlanden und Frankreich ist die Richtlinie bereits in Kraft; Schweden und Deutschland sind in der Umsetzungsphase; Großbritannien lehnt eine Umsetzung ab. 12 Obwohl die Studentenrichtlinie nicht den Übergang der internationalen Studierenden in den europäischen Arbeitsmarkt regelt – dieser Aspekt fällt in den Bereich der nationalstaatlich geregelten Arbeitsmigrationssteuerung –, steht dieser als „entscheidender Faktor“ für die Migrationsentscheidung der Studierenden im Fokus der Aufmerksamkeit der EU-Kommission (KOM(2011) 587: 11). 13 Mehr Informationen zur Umsetzung der Studentenrichtlinie in den Mitgliedstaaten der EU finden sich im Abschlussbericht der Kommission (KOM(2011) 587). 12
FORSCHUNGSBEREICH ein Punktesystem zur bedarfsorientierten Steuerung renden zur Arbeitskraft wird untersucht, ob zwischen von Zuwanderung ein, das Absolventen ermöglicht, im dem Studium und dem konkreten Arbeitsplatz die Rahmen einer sog. Post-Study Route nach dem Studi- notwendige Übereinstimmung besteht (Frankreich). um vorerst im Land zu bleiben und einen Arbeitsplatz In Frankreich, Schweden und Großbritannien16 gilt, zu suchen.14 dass die Studienzeit nicht auf die für eine dauerhafte Frankreich führte 2006 eine Politik der gesteuerten Aufenthaltserlaubnis benötigte Zeit angerechnet wird. Zuwanderung (immigration choisie) ein, die stärker Diese Regelungen sowie die anstehenden Reformen am Bedarf der heimischen Wirtschaft ausgerichtet ist. in Großbritannien verdeutlichen, dass Studierende Deutschland beschritt mit dem 2005 in Kraft getrete- vor allem als temporäre Zuwanderer behandelt wer- nen Zuwanderungsgesetz denselben Weg. In beiden den. In den Niederlanden und bis zu einem gewissen Ländern wurde in diesem Zuge auch die Möglichkeit Grad auch in Deutschland17 sowie einer steigenden der Arbeitssuche für internationale Absolventen ein- Zahl weiterer EU-Staaten lässt sich allerdings auch ein geführt. In Frankreich dürfen Absolventen zu diesem gegenläufiger Trend feststellen.18 Hier wird der Stu- Zweck sechs, in Deutschland zwölf Monate bleiben. Die dienaufenthalt ganz oder zum Teil auf die Zeit ange- Niederlande reformierten 2004 ihre rechtlichen Rah- rechnet, die für einen dauerhaften Aufenthaltsstatus menbedingungen für qualifizierte Arbeitskräfte; 2007 erforderlich ist. Darüber hinaus können internationale wurde auch dort Absolventen ermöglicht, nach dem Forscher, darunter zum Teil auch Doktoranden, ihren Studium eine Arbeit aufzunehmen oder sich auf die Forschungsaufenthalt in allen untersuchten Ländern Suche nach Arbeit zu begeben. Das Gesetz zur Moder- außer Großbritannien anrechnen lassen, wenn sie sich nen Migrationspolitik (Modern Migratiebeleid)15 wird auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bewerben. den Trend zur gesteuerten Auswahl von Studierenden, Absolventen und Fachkräften verfestigen. Auch wenn internationale Absolventen von diesen 2.3 Überblick über rechtliche Rahmen- Reformen in aller Regel profitiert haben, sind sie nicht bedingungen: Gegenläufige Entwick- dagegen gefeit, ins Visier strengerer Kontrollen des lungen in einem dynamischen Feld Zugangs zum Arbeitsmarkt zu geraten – insbesondere dort, wo die Zuwanderung generell strenger geregelt Die folgenden Abschnitte fassen eine Auswahl recht- werden soll. Gängige einschränkende Maßnahmen licher Regelungen für internationale Studierende und sind Vorrangprüfungen auf dem Arbeitsmarkt, Lohn- Absolventen in den fünf Ländern zusammen.19 Eine grenzen, die nicht unterschritten werden dürfen, die detaillierte Darstellung des Regelwerks findet sich in Pflicht, bereits beim Abschluss einen Job vorzuweisen den darauf folgenden Länderberichten. Internationale (Schweden), oder die Verpflichtung zur Ausreise, wenn oder bilaterale Abkommen, die bestimmten Nationa- binnen einer gewissen Zeit kein Arbeitsplatz gefunden litätengruppen Privilegien einräumen, konnten nicht wurde. In den Niederlanden und Großbritannien ist der berücksichtigt werden. Solche Regelungen bestehen Auswahlprozess für die Zulassung zu den Hochschulen beispielsweise mit der Türkei. So entschied der Europä- strenger (z. B. müssen aufnehmende Universitäten ische Gerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2008,20 zertifiziert und bei den zuständigen Ausländerbehör- dass Studierende türkischer Nationalität, die während den registriert sein). Beim Statuswechsel vom Studie- ihres Studiums einer Tätigkeit nachgehen, unter das 14 Diese Regelung wird im April 2012 abgeschafft (s. Kap. 3). 15 Das Modern Migratiebeleid-Gesetz wurde im Juli 2010 verabschiedet und sollte zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Wegen technischer Schwierigkeiten musste seine Einführung allerdings verschoben werden. Das Gesetz novelliert das Ausländerrecht im Hinblick auf Beschäftigung, Studium und Familienzusammenführung. Mit der Neuregelung erfolgt eine selektivere Zuwan- derungssteuerung. 16 In Großbritannien ist es jedoch möglich, die Zeit des Studiums sowie der Arbeitssuche nach dem Studium bei der Bewerbung für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach zehn Jahren legalen Aufenthalts geltend zu machen. 17 Es ist in Deutschland und den Niederlanden allerdings nicht möglich, vom studentischen Aufenthaltsstatus direkt in einen unbe- fristeten Aufenthaltsstatus zu wechseln, auch wenn die Jahre angerechnet werden können. 18 Österreich, Dänemark, Portugal und Spanien haben ihre Gesetze so reformiert, dass die Studienjahre auf die für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis benötigte Zeit angerechnet werden (MIPEX 2012). In den meisten Staaten gilt diese Regelung zudem für Forschungsaufenthalte, unter die in der Regel auch Doktoranden fallen. 19 Die umfangreiche Recherche für den strukturierten Vergleich der rechtlichen Regelungen in den Ländern wurde von Eadaoin Ni Chaoimh, rechtspolitische Analystin bei der Migration Policy Group (MPG), durchgeführt und zusammengestellt. Darüber hinaus erfolgte für jedes untersuchte Land ein Faktencheck durch einen Rechtsexperten. Der Stand der Informationen ist der 1. Dezember 2011. Spätere Veränderungen konnten nicht aufgenommen werden, werden jedoch soweit wie möglich im Ausblick berücksichtigt. Alle in diesem Bericht genannten Wechselkurse sind auf dem Stand von Dezember 2011. 20 Siehe European Commission Legal Services (2008). 13
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