MOBILITÄT MIT WEITBLICK - Zeitschrift für das gesamte System Bahn - Getzner
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A 20420 E HOCHLEISTUNG I PRÄZISION I ZUVERLÄSSIGKEIT Zeitschrift für das gesamte System Bahn April 2021 4 MOBILITÄT MIT WEITBLICK “Hey Weiche...“ Mein Team besteht aus 16 sehr flexiblen, in jeder Arbeitsposition einsatzbereiten Stopfwerkzeugen. Sie werden vom Team der Hebe- und Richtaggregate permanent unterstützt. Die Kollegen sichern auch schweren Betonoberbau, selbst Langschwellen machen mir keine Sorgen. Wir passen uns an! Am Ende der Sperrpause finden Sie Ihre Weiche in präziser Lage wieder. Technologische Grüße, Unimat 08-4x4/4S plassertheurer.com www.goldschmidt.com „Plasser & Theurer“, „Plasser“ und „P&T“ sind international eingetragene Marken
146 I INFRASTRUKTUR NETWORK 145 (2021) 4 APRIL REVIEWED Langzeitverhalten des Masse-Feder-Systems zum Schutz des Wiener Musikvereinsgebäu- des gegen Schall- und Erschütterungs- immissionen des U-Bahnbetriebs Long-term Behavior of Mass-spring System Designed to Protect the Building of the Vienna Musikverein Against Noise and Vibration of an Underground Railway Line Dipl.-Ing. Wolfgang Steinhauser, Univ.-Prof. i.R. Dr. Peter Steinhauser, Wien (Österreich), Dipl.-Ing. Markus Heim, Bürs (Österreich) Zusammenfassung Abstract Bei der Verlängerung der U-Bahn-Linie U2 wurde vom Wiener In order to get approval for construction of a new underground Musikverein gefordert, dass jede wahrnehmbare Verände- railway next to the building of the Wiener Musikverein, meas- rung der Immissionssituation in den Konzertsälen durch den ures had to be taken to ensure that noise and vibration levels U-Bahnverkehr vermieden werden muss. Deshalb wurde im within the concert halls will not increase. To fulfill these chal- Bereich der U-Bahnverlängerung ein Masse-Feder-System (MFS) lenging requirements a mass-spring system (MSS), equipped eingebaut, welches auf Einzellager aus Sylodyn®1) der Firma with point bearings made out of Sylodyn®1) and a vertical Getzner Werkstoffe gelagert ist und auf eine außergewöhnlich natural frequency of 5.5 Hz, was installed. Measurements for tiefe vertikale Eigenfrequenz von 5,5 Hz abgestimmt wurde. acceptance and approval after start of service in 2002 showed, Abnahmemessungen nach der Inbetriebnahme 2002 bestätig- that the MSS performed as designed. After 17 years of revenue ten die Erfüllung der vom Wiener Musikverein gestellten sehr service and more than 450 million gross tons of traffic the per- hohen Anforderung. Nach 17 Betriebsjahren mit etwa 450 Mio. formance of the MSS was rechecked. The natural frequency of Lasttonnen Gesamtbelastung wurde die Wirksamkeit des MFS the MSS as well as the noise and vibration within the concert durch Kontrollmessungen überprüft. Sowohl die Eigenfrequenz halls, caused by the underground traffic have not changed. The des MFS als auch die Erschütterungs- und Sekundärschallim- results confirm that the MSS is still working according to all missionen im Musikvereinsgebäude haben sich nach 17 Be- requirements of the specification. triebsjahren nicht verändert. Die Untersuchungen bestätigen die uneingeschränkte Wirksamkeit des MFS gemäß den Anfor- derungen der Spezifikation. 1 Ausgangslage „goldener Saal“ bezeichnet) gilt als ei- nen. Dabei musste sichergestellt werden, ner der schönsten und akustisch besten dass störende Immissionen durch Schall Der Wiener Musikverein ist eines der Säle der Welt. und Erschütterungen im Musikvereins- traditionsreichsten Konzerthäuser der Vor 20 Jahren wurde mit der Planung für gebäude durch die U-Bahn-Vorbeifahrten Welt und ein nationales Kulturgut ers- die Verlängerung der U-Bahn-Linie U2 un- ausgeschlossen werden können. ten Ranges (Bild 1). Der darin befindli- mittelbar vor dem Musikvereinsgebäude 1) Sylodyn ist ein geschlossenzelliges Elastomer für che berühmte Große Saal (oft auch als in Richtung Schwarzenbergplatz begon- den Schwingungsschutz
145 (2021) 4 APRIL NETWORK INFRASTRUKTUR I 147 Dazu mussten im Rahmen der Planungen zahlreiche schalltechnische Untersuchun- gen, wie die Ausbreitung von Schall und Erschütterungen im Musikvereinsgebäu- de, das Schwingungsverhalten des Ge- bäudes bzw. des Untergrunds, durchge- führt werden. Auch die Bestimmung der Grundgeräuschpegel in den verschiede- nen Sälen des Musikvereins mit und ohne Publikum war erforderlich, um quanti- tative Grenzwertkriterien für die weite- re Planung der Erschütterungsmaßnah- me festzulegen. Die geplante, wesentlich längere zweigleisige Wendeanlage der U-Bahn-Linie U2, sowie ein anschließen- des eingleisiges Schadzuggleis, mussten bei sehr beengten Platzverhältnissen aus- geführt werden (Bild 2). Das gegenüber dem Musikvereinsgebäude parallel ver- laufende Wienfluss-Gewölbe führte dazu, I Bild 1: Gebäude des Wiener Musikvereins dass der U-Bahntunnel in lediglich 4 m Seitabstand zum Musikvereinsgebäude geführt werden musste [1]. Bild 3 zeigt einen Querschnitt des U-Bahntunnels in Beton-Rechteckbauweise zwischen der bestehenden Widerlagermauer der Wienfluss-Einwölbung und dem Keller- geschoss des Musikvereinsgebäudes. Die Wendeanlage vor dem Musikvereinsge- bäude sollte mit Zuggeschwindigkeiten von maximal 40 km/h befahren werden können. Die auf Basis der VibroScan- Schwingungsanregung im Tunnel-Roh- bau [2] erstellten Immissionsprognosen für einen ungedämmten Regel-Schot- I Bild 2: Situationsplan U-Bahnverlängerung U2 Richtung Schwarzenbergplatz teroberbau sagten Überschreitungen der Grenzkurve um bis zu 33 dB vorher. Es war daher ein sehr tief abgestimmtes MFS erforderlich. Bei der Frequenzwahl waren jedoch die verschiedenen in diesem Be- reich gelegenen Eigenfrequenzen des tra- genden Baugrunds sowie jene des Bau- werks und der wichtigsten Bauteile als Teil des schwingenden Systems gemäß Tabelle 1 zu beachten. Um den erforderlichen Frequenzabstand (Faktor √2) zu diesen Frequenzen ein- zuhalten, wurde der Einbau eines MFS mit einer vertikalen Eigenfrequenz von 5,5 Hz empfohlen. MFS sind bekanntlich umso aufwendiger zu bauen, je tiefer ihre Eigenfrequenz ist. Das 5,5-Hz-MFS beim Musikverein war daher bei seiner Errichtung das frequenz- mäßig am tiefsten abgestimmte in Öster- reich, es hält diesen Spitzenplatz immer noch. Als weitere innovative Leistung ist auch die Entscheidung des Bauherrn zu bewerten, den kostengünstigeren Elasto- I Bild 3: Querschnitt Wienfluss-Gewölbe, U-Bahntunnel, Wiener Musikvereinsgebäude
148 I INFRASTRUKTUR NETWORK 145 (2021) 4 APRIL der Ausführung des MFS mit einer Län- ge von 97 m handelt es sich um das MFS mit der tiefsten vertikalen Eigenfrequenz, welches bislang mit Elastomer-Lagern re- alisiert wurde. Bild 5 zeigt den projektie- ren MFS-Querschnitt. Die Schienenstütz- punkte im Bereich des MFS sind zudem I Tabelle 1: Niedrige Eigenfrequenzen von Bauwerk, mit elastischen Zwischenplatten der Fir- Bauteilen und Baugrund ma Getzner Werkstoffe ausgestattet. Die Inbetriebnahme der U-Bahnverlängerung merlagern, deren Langzeitverhalten zum lässigt werden kann, sondern wie die erfolgte im Jahr 2002. Nach einer mehr- Zeitpunkt der Ausführung unbekannt war, Tunnelsohle oder die Untergrundstruk- monatigen Einfahrperiode wurden die anstelle der im niederfrequenten Bereich turen entsprechende Schichtdicken be- durch Fahrten eines U-Bahn-Zuges verur- konventionellen Stahlfeder-Lager den sitzen, dann müssen ihre Eigenfrequen- sachten sekundären Luftschallpegel und Vorzug zu geben. zen und ihr Schwingverhalten ebenfalls Erschütterungen in den Musiksälen des In der Planungsphase kam ein kombinier- berücksichtigt werden. Dazu eignet sich Wiener Musikvereins gemessen, sowie tes Rechenmodell zur Bestimmung der ein auf dem Ansatz von Roesset auf- verschiedenste Erschütterungsmessun- Einfügungsdämmung zur Anwendung, bauendes analytisches Modell [4]. Die gen im U-Bahntunnel durchgeführt (Ab- welches das Modell nach Wettschureck/ Eigenfrequenzspektren und damit das nahmemessungen 2003 [5]). Seither wur- Kurze [3] mit einem analytischen Mo- Schwingungsverhalten von Tunnelsohle de das MFS der Wendeanlage mit bis zu dell zur Berücksichtigung der Bodendy- und Untergrundstrukturen sind auf Ba- 250 Zügen je Gleis täglich befahren, wo- namik [4] verbindet. Die Ergebnisse der sis seismischer In-situ-Messungen ermit- durch in 17 Betriebsjahren von einer Ge- Berechnungen sind in Bild 4 dargestellt. telt worden. Die Modellrechnungen zei- samtbelastung von etwa 450 Mio. Last- Das Verfahren von Wettschureck und Kur- gen, dass beim Musikverein die Dämm- tonnen (Summe der Radsatzlasten) aus- ze baut auf dem Punktimpedanzmodell wirkung insgesamt im 30-dB-Bereich gegangen werden kann. Zudem wird die auf, welches das Schwingungsverhalten bleibt, aber im 40 bis 50-Hz-Band durch Wendeanlage auch als Abstellbereich für dünner Schichten wie eine Elastomermat- den Untergrundeinfluss signifikant redu- Schadzüge verwendet, sodass neben der te gut erfasst. Die Abschlussimpedanz der ziert wird. Die Höhe der Gleistragplatte Trogmasse auch Zuglasten über längere Unterlage kann vernachlässigt werden, beträgt 110 cm, was zu einer Trogmas- Zeiträume auf die Sylodyn-Lager einwir- wenn sie groß im Vergleich zur Quellim- se von 10 t/lfm führt. Die Gleistragplatte ken. Der Hersteller der Elastomer-Lager pedanz ist. Wenn aber die schwingende ist auf elastischen Sylodyn-Einzellagern zeigte großes Interesse an Untersuchun- Struktur keine dünne Schicht darstellt, der Firma Getzner Werkstoffe im Längs- gen, ob die Wirksamkeit des MFS nach deren Eigenschwingverhalten vernach- abstand von jeweils 2 m gelagert. Bei knapp 2 Jahrzehnten weiterhin gegeben ist bzw. ob etwaige Alterungseffekte der Elastomer-Lager feststellbar sind. Des- halb wurden im Sommer 2019, 17 Jah- re nach der Inbetriebnahme der U-Bahn- verlängerung, Kontrollmessungen zur Bestimmung der Wirksamkeit der elasti- schen Lagerung der Gleistragplatte durch- geführt, um zu untersuchen, ob die da- mals gestellten Anforderung „keine wahr- nehmbare Veränderung der Immissions- situation durch den U-Bahnbetrieb“ noch eingehalten wird. Ab 1987 wurde bei den Wiener Linien der Wagentyp U11 eingesetzt, ab 2006 kam zusätzlich sein Nachfolger Typ V hinzu. Umgangssprachlich werden alle Wagentypen der U-Serie als „Silberpfeil“, der Wagentyp V wiederum als V-Wagen bezeichnet. Die neue Fahrzeuggenerati- on Typ V umfasst neben einer größeren Fahrgastkapazität umfangreiche Weiter- entwicklungen in den Bereichen An- triebs-, Brems- und Sicherheitssysteme, aber auch Neuerungen wie Klimaanla- I Bild 4: Rechnerische Einfügungsdämmung des 5,5-Hz-MFS beim Wiener Musikvereinsge- bäude, rote Kurve: mit Modell nach Wettschureck/Kurze mit Abschlussimpedanz, blaue ge, Videoüberwachung, Überbrückung Kurve: mit analytischem Untergrundmodell mit Bodendynamik des Bahnsteigspalts und vieles mehr. Aus
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150 I INFRASTRUKTUR NETWORK 145 (2021) 4 APRIL Die Testfahrten erfolgten mit den Zug- typen U11 und V mit Fahrgeschwindig- keiten von 5, 15, 25 und 40 km/h auf dem zum Musikverein nähergelegenen Gleis (Gleis 2). Bei der Kontrollmessung 2019 wurden die gleichen Positionen der Sensoren verwendet wie bei den 2003 durchgeführten Abnahmemessungen (km 16,280). 3 Eigenfrequenz des MFS Die vertikale Eigenfrequenz des MFS wur- de mittels Impulsanregung, ambienter Bo- denunruhe und Zugüberfahrten ermittelt. Alle drei Anregungsmethoden ergaben übereinstimmend eine vertikale Eigenfre- quenz von f 0=5,3 Hz. Bei den Abnahme- messungen 2003 wurde mittels Impulsan- regung eine vertikale Eigenfrequenz von f 0=5,4 Hz ermittelt. Nach 17 Betriebsjah- ren kann die Systemeigenschaft „vertika- le Eigenfrequenz des MFS“ als konstant angesehen werden. Die geringfügige Differenz in der Eigen- frequenz dürfte durch die unterschied- liche Frequenzauflösung der verwende- I Bild 5: Ausführung des MFS beim Musikverein ten Messinstrumente während der Mes- sungen 2003 und 2019 entstanden sein. Bild 6 zeigt die FFT-Frequenzamplituden der vertikalen Schwinggeschwindigkei- ten der Gleistragplatte (MFS) bei Impul- sanregung, ermittelt während den Ab- nahmemessungen 2003 bzw. den Kont- rollmessungen 2019 (FFT- Fast-Fourier- Transformation). Zum Einsatz kamen triaxiale Schwin- gungsaufnehmer der Firma Bartec Sys- com sowie triaxiale Beschleunigungsauf- nehmer 356A16 der Firma PCB. Weiters kam ein Wegsensor WA 100 der Firma HBM zum Einsatz. Die Fahrtgeschwin- digkeit der Züge wurde mit zwei Schie- nensensoren Typ Argos der Firma HBM I Bild 6: Vertikale Schwinggeschwindigkeit der Gleistragplatte des MFS mit eingezeichneter gemessen. Eigenfrequenz 4 Erschütterungsemissio- Sicht der Wiener Linien ergab sich daher des MFS ein mehrstufiges Messprogramm nen im Tunnel die weitere Fragestellung, ob der im Wie- durchgeführt: ner U-Bahnnetz eingesetzte neuere Zug- Während einer Betriebspause wurden typ V gegenüber dem älteren Zugtyp U11 − Eigenfrequenzmessung des MFS, die Erschütterungsemissionen der über- eine veränderte Auswirkung auf die − Emissionsmessungen auf der Gleis- fahrenden Züge bei unterschiedlichen Immissionen im Musikvereinsgebäu- tragplatte, der Tunnelsohle und der Geschwindigkeiten auf der Gleistrag- de hat. Tunnelwand, platte, der Tunnelsohle und der Tunnel- − Einsenkungsmessung des MFS bei den wand gemessen. Ziel der Untersuchung 2 Kontrollmessungen 2019 Zugüberfahrten und war es, etwaige Unterschiede der beiden − Immissionsmessungen (sekundärer im Wiener U-Bahnnetz eingesetzten Zug- Bei den Kontrollmessungen 2019 [6] wur- Luftschall und Erschütterungen) im typen U11 und V festzustellen (Bild 7). de zur Untersuchung der Wirksamkeit Musikvereinsgebäude. Bild 8 zeigt für die mit unterschiedlichen
145 (2021) 4 APRIL NETWORK INFRASTRUKTUR I 151 Fahrgeschwindigkeiten durchgeführten Zugvorbeifahrten die resultierenden ma- ximalen Schwinggeschwindigkeiten der drei Messebenen Gleistragplatte, Tun- nelsohle und Tunnelwand. Auf der Gleis- tragplatte sind die Emissionen der bei- den Zugtypen U11 und V etwa in der glei- chen Größenordnung, auf der Tunnel- sohle und an der Tunnelwand bewirkt der Zugtyp V hingegen merklich größe- re Emissionen. Die Frequenzspektren in Bild 9 zeigen, dass die beiden Zugtypen die Gleistragplatte unterschiedlich anre- gen. Während beim Zugtyp U11 die ma- ximale Anregung der Gleistragplatte breit- bandig bei Frequenzen von ca. 15 Hz er- folgt, ist beim Zugtyp V zusätzlich eine starke Anregung in der MFS-Eigenfre- I Bild 7: MFS im Bereich der Wendeanlage, links der neuere Zugtyp V, rechts der ältere Zugtyp U11 quenz bei ca. 5,3 Hz feststellbar. Da die Isolierwirkung des MFS dem Modell des Einmassenschwingers entsprechend erst ab ca. 7,5 Hz einsetzt (√2·5,3 Hz), kann die im Vergleich zum Zugtyp V bessere Isolierwirkung des MFS bei Zugsüber- fahrten mit dem Zugtyp U11 durch die fehlende Anregung im Eigenfrequenzbe- reich des MFS erklärt werden. Die Ursache dieser unterschiedlichen Emissionswirkung ist offensichtlich auf fahrzeugspezifische Unterschiede zurück- zuführen, die noch gesondert zu unter- suchen wären, die aber für das hier the- matisierte Langzeitverhalten des Masse- Feder-Systems keine Bedeutung haben. 5 Einsenkung des MFS Am unmittelbar neben dem Musikverein liegenden Gleis 2 wurden die bei Zug- I Bild 8: Maximale resultierende Schwinggeschwindigkeiten der Testfahrten (Gleis 2) überfahrt hervorgerufenen vertikalen Ein- senkungen der Gleistragplatte gegenüber dem Tunnelboden gemessen. Die maxi- male Einsenkung des MFS beträgt für beide Zugtypen ca. 1,6 bis 1,7 mm, wo- bei zwischen den Testfahrten mit Zug- typ U11 und Zugtyp V eine Verschiebung um ca. 0,13 mm erkennbar ist (Bild 10). Die Ursache für diesen Unterschied dürfte die unterschiedliche Versuchsanordnung sein. Bei den Testfahrten des Typs U11 auf Gleis 2 war der Zugtyp V daneben auf Gleis 1 abgestellt, bei den Versuchsfahr- ten des Typ V war das Gleis 1 im Bereich des MFS leer und damit unbelastet. Bei- de als MFS ausgeführte Gleistragplatten (Gleis 1 und Gleis 2) sind nicht vollkom- men voneinander getrennt, siehe Ausfüh- rungspläne in Bild 11. Vor dem Musikver- I Bild 9: Vertikale Schwinggeschwindigkeit der Gleistragplatte, gemittelt über die Testfahrten einsgebäude verlaufen beide MFS (Gleis 1 mit Geschwindigkeiten von 15 bis 40 km/h
152 I INFRASTRUKTUR NETWORK 145 (2021) 4 APRIL und Gleis 2) einschließlich der Gleistrag- platten (grün) vollständig getrennt, nach dem Musikvereinsgebäude (Höhe Cano- vagasse) schwenken beide Gleise in Rich- tung einer Weiche einander zu. In diesem Bereich sind zwar die zwei Tröge der MFS noch getrennt, jedoch über eine 7 m lan- ge durchgehende gemeinsame Gleistrag- platte (siehe gelbe Fläche im Grundriss) miteinander starr verbunden. 6 Sekundärschallimmissio- nen im Musikvereinsge- bäude I Bild 10: Vertikale Einsenkungen aller Testfahrten Das wichtigste Beurteilungskriterium ei- nes installierten MFS ist, ob die projektierte Dämmwirkung eingehalten wird. Dazu I Bild 11: Detailausführung des MFS (Plangrundlage ISP), oben links: Schnitt 3-3 mit Regelausführung, beide MFS-Tröge getrennt, oben rechts: Schnitt 4-4, beide MFS-Tröge durch gemeinsame Gleistragplatte gekoppelt (gelb dargestellt), unten: Lageplan mit Schnitt 3-3 (vor dem Musikverein) und Schnitt 4-4 (Ausfahrtsgleis, gelb dargestellt die gemeinsame Gleistragplatte)
145 (2021) 4 APRIL NETWORK INFRASTRUKTUR I 153 wurden Schallimmissionsuntersuchun- gen in den Konzertsälen des Musikver- eins während der Testfahrten durch- geführt. Der sekundäre Luftschall darf den Grundgeräuschpegel bzw. die in der Planungsphase von Frau Prof. Lang für die Konzertsäle des Musikver- eins ermittelten Grenzkurven [7] nicht überschreiten. Die Kontrollmessun- gen der Immissionen erfolgten im Gro- ßen Saal und im Brahms-Saal anstelle des bei den Abnahmemessungen 2003 untersuchten Einem-Saal. Letzterer Saal ist in der Zwischenzeit wegen zu starker Straßenverkehrsstörungen in einen Pau- sensaal umgebaut worden. Die Messun- gen der Sekundärschallimmissionen er- folgten in beiden Sälen jeweils in Raum- mitte und in einer Höhe von ca. 2,5 m (Bild 12). Die Ergebnisse vom Großen Saal sind in Bild 13 zusammengefasst. Die grüne Linie zeigt den Schalldruck- pegel während der Kontrollmessungen I Bild 12: Großer Saal („goldener Saal“), Messungen der Schallimmissionen 2019, als blaue Linie sind der Schall- druckpegel während der Abnahmemes- sungen 2003 und als rote Linie die ein- zuhaltende Grenzkurve dargestellt. Wäre nicht verändert haben (Bild 13). In ana- 7 Erschütterungsimmissio- statt des MFS ein Regel-Schotteroberbau loger Weise sind in Bild 14 die Sekun- nen im Musikvereinsge- eingesetzt worden, so hätten sich weit därschallimmissionen im Brahms-Saal bäude stärkere Schallimmissionen in den Kon- dargestellt. Während der Abnahmemes- zertsälen ergeben (violette Linie, Immis- sung 2003 wurden in diesem Saal kei- Bezüglich der Erschütterungen bietet sionsprognose 2001). Der Vergleich zwi- ne Schallmessungen durchgeführt. Die sich als Beurteilungskriterium die Fühl- schen der gemessenen Sekundärschal- Messergebnisse – sowohl im Großen schwelle an. Sie ist mit der Wm-bewerte- limmission während der Kontrollmes- Saal als auch im Brahms-Saal – zeigen, ten Beschleunigung a Wm=3,57 mm/s2 sungen 2019 und den Abnahmemessun- dass das Kriterium „keine wahrnehm- nach ISO 2631-2 oder gleichwertig gen 2003 zeigt, dass sich die Sekundär- bare Änderung der Immissionssituation durch die früher angewandte bewertete schallimmissionen nach 17 Betriebsjah- durch den U-Bahnverkehr“ ausgezeichnet Schwingstärke K B,R,Max =0,1 nach ren der U-Bahnverlängerung praktisch erfüllt wird. ÖN S 9010 festgelegt. Werden diese Werte I Bild 13: Sekundärschallimmissionen im Großen Saal I Bild 14: Sekundärschallimmissionen im Brahms-Saal
154 I INFRASTRUKTUR NETWORK 145 (2021) 4 APRIL I Tabelle 2: Vergleich der Erschütterungsimmissionen im Großen Saal des Musikvereins, Abnahmemessungen 2003, Kontrollmessungen 2019 nicht überschritten, so ist mit keiner längerung, kann wie folgt zusammenge- Die in der Planung der U-Bahnverlänge- Wahrnehmung der Erschütterungen zu fasst werden: rung gestellte Anforderung „keine wahr- rechnen. Die Erschütterungsimmissio- nehmbare Veränderung der Immissions- nen wurden ebenso wie bei den Abnah- − Die vertikale Eigenfrequenz des MFS situation durch den U-Bahnbetrieb“ wird memessungen 2003 im Großen Saal in hat sich gegenüber den Abnahmemes- nach 17 Betriebsjahren durch das MFS Deckenmitte gemessen. Die durch die sungen 2003 nicht verändert, d.h. die mit Sylodyn-Lagern weiterhin in vollem Testfahrten hervorgerufenen Erschütte- dynamischen Eigenschaften des Sylo- Umfang erfüllt. rungssignale waren sehr schwach und dyn-Lagers der Firma Getzner Werk- #659_A3_Rev es konnte nur ein Teil der durchgeführ- stoffe sind somit konstant geblieben. ten Testfahrten als Zugüberfahrt identifi- − Die Erschütterungsimmissionen in den (Bildnachweis: 1, 2, 4, 5/Foto, 6 bis 10, 12 ziert werden. Die Erschütterungsimmis- Konzertsälen, hervorgerufen durch bis 14, Verfasser; 3, 5/Zeichnung und 11, sionen im Musikvereinsgebäude haben den U-Bahnverkehr, liegen unverän- ISP ZT GmbH) sich nach 17 Betriebsjahren nicht verän- dert weit unter der Fühlschwelle. dert, es treten im großen Saal keine vom − Durch U-Bahn-Vorbeifahrten kommt Literatur U-Bahnverkehr hervorgerufene fühlbare es weiterhin zu keiner Erhöhung des [1] Steinhauser, P.; Lang, J.; Österreicher, M.; Berger, P.: Schutz des Wiener Musikvereins- Erschütterungen auf und das Erschütte- Ruhepegels in den Konzertsälen des gebäudes gegen Schall- und Erschütte- rungskriterium wird nach wie vor einge- Wiener Musikvereins, die hervorgeru- rungsimmissionen der U-Bahn. ETR Austria 1/05, 2005. halten (Tabelle 2). Das Ergebnis der Er- fenen Sekundärschallimmissionen lie- [2] Steinhauser, P.: VibroScan Untersuchung auf schütterungsimmissionen 2019 ist beson- gen unverändert weit unter den ein- der Tunnelsohle der Wendeanlage Karls- ders erfreulich, da der neuere im Wiener zuhaltenden Grenzkurven. platz U2/12. Bericht 995, 2002. [3] Wettschureck, R. G., Kurze, U. J.: Einfügungs- U-Bahnnetz eingesetzte Zugtyp V die − Der im Wiener U-Bahnnetz eingesetz- dämm-Maß von Unterschottermatten. Acu- Gleistragplatte im Bereich der MFS-Eigen- te neue Zugtyp V regt die Gleistrag- stica 58, 1985, S. 177–182. frequenz stärker anregt als der Zugtyp U11 platte im Bereich der MFS-Eigenfre- [4] Horn, N.; Steinhauser, P.; Vogelmann, A.: Zur Auswirkung der Geodynamik auf das und das Beurteilungskriterium dennoch quenz stärker an als der ältere Zug- Erschütterungs-Dämmverhalten von Unter- eingehalten werden kann. typ U11, dennoch werden sämtliche schottermatten. Bauingenieur, Bd.82, 2007. [5] Österreicher, M.: Kontrollmessung im Mu- Beurteilungskriterien hinsichtlich der sikverein zur Erlangung der Betriebsbe- 8 Schlussfolgerungen Immissionen weiterhin eingehalten, willigung U2/12 Abschnitt Wendeanlage da, wie in der Planungsphase gezielt Karlsplatz. Bericht IC-Konsulenten 13x30 15/01, 2003. Das Ergebnis der Kontrollmessungen berücksichtigt, keine Bauteileigenfre- [6] Steinhauser, W.; Steinhauser, P.: Nachmes- zur Überprüfung der Wirksamkeit des quenzen in diesem Bereich liegen, sung des Masse-Feder-Systems beim Wie- MFS beim Wiener Musikvereinsgebäude weshalb es zu keiner hausinternen ner Musikverein nach 17 Jahren Betriebszeit. GZ. 0381-19/02, 2019. nach 17 Betriebsjahren der U-Bahnver- Verstärkung kommt. [7] Lang, J.: Gutachten über die Schallpegel im Gebäude des Musikvereins bei Körper- schallanregung im Rohbau des Tunnels der U2. TGM-VAWS 10313, 2002. Dipl.-Ing. Univ.-Prof. i.R. Dr. Dipl.-Ing. Markus Heim (55). Wolfgang Steinhauser (43). Peter Steinhauser (79). Studi- Studium der Technischen Studium der Kulturtechnik um der Geophysik und Me- Physik an der Technischen und Wasserwirtschaft an der teorologie an der Univer- Universität Wien bis 1990. Universität für Bodenkultur, sität Wien; Zivilingenieur Seit 1991 tätig bei der Getz- Wien; Ingenieurkonsulent für für techn. Physik; Spreng- ner Werkstoffe GmbH, Ab- Kulturtechnik und Wasser- befugter; Lehraufträge an teilung Railway Division, Re- wirtschaft; Sprengbefugter der Universität Wien und search & Development. für allgemeine Sprengarbei- Montanuniversität Leoben; Anschrift: Getzner Werkstof- ten, für Tiefbohrloch- und Großsprengungen gerichtlich beeideter Sachverständiger. Be- fe GmbH, Herrenau 5, 6706 Bürs, Österreich. sowie Unterwassersprengungen, Abriss- und rufliche Position: Geschäftsführender Gesell- E-Mail: markus.heim@getzner.com Gebäudesprengungen; Zertifizierter Planungs- schafter der Steinhauser Consulting Engineers und Baustellenkoordinator. Berufliche Position: ZT GmbH. Firmengründer und Geschäftsführer Steinhau- Anschrift: Steinhauser Consulting Engineers ser Consulting Engineers ZT GmbH. ZT GmbH, Delugstraße 6, 1190 Wien, Öster- Anschrift: Steinhauser Consulting Engineers reich. ZT GmbH, Delugstraße 6, 1190 Wien, Öster- E-Mail: peter.steinhauser@stce.at reich. E-Mail: wolfgang.steinhauser@stce.at
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