Modelle der Pflege zu Hause: Was hilft? Was fehlt? - Forum 2 Landesstelle Pflegende Angehörige NRW Silke Niewohner MPH
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Forum 2 Modelle der Pflege zu Hause: Was hilft? Was fehlt? Landesstelle Pflegende Angehörige NRW Silke Niewohner MPH Dipl. Sozialarbeiterin Gesundheitswissenschaftlerin 1
Landesstelle Pflegende Angehörige NRW Förderer Träger vom 1.9.2004- 31.08.2010 seit 1.9.2010 Das KDA entwickelt seit über 45 Jahren im Dialog mit seinen Partnern Lösungskonzepte und Modelle für die Arbeit mit älteren Menschen und hilft, diese in der Praxis umzusetzen. Dabei geht es um die Verbesserung der Lebensqualität von älteren Menschen.
Ziele der Landesstelle in NRW Vertretung von pflegenden Angehörigen Verbesserung der Informationen für Pflegebedürftige und deren Angehörige Auf-/Ausbau eines nutzergerechten Beratungsangebotes Ausbau von Unterstützungsstrukturen/ Netzwerken 3
Aufgaben der Landesstelle Anlauf- und Ansprechstelle für pflegende Angehörige Erfassung und Bündelung der Interessen und Bedarfe pflegender Angehöriger Entwicklung neuer Angebote 4
Eckdaten Pflegestatistik 2009 für NRW 509.145 Pflegebedürftige insgesamt Zu Hause versorgt: In Heimen versorgt: 354.558 (69,6%) durch … 154.587 (30,4%) Ausschließlich Angehörige: Pflegedienste: 236.006 (46,3%) 118.552 (23,3%) Pflegebedürftige Pflegebedürftige Nahezu die Hälfte aller Pflegebedürftigen in NRW mit einer Pflegestufe werden zu Hause und ausschließlich von Angehörigen versorgt. 6
Entwicklung der Pflegebedürftigkeit entweder schleichend, über Jahre hinweg, z. B. bei chronischen Erkrankungen, oder überraschend und unerwartet, z. B. nach Schlaganfall oder Unfall 7
Wer pflegt? - Aktuelle Situation In 73 % der Fälle sind Frauen die Hauptpflegepersonen Männer holen zwar auf, sind aber dennoch als Pflegepersonen in der Minderheit Männer übernehmen im Regelfall die Pflege der Partnerin Besonders für Frauen bedeutet dies: Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema ist notwendig, um eigene Motive zu klären und Rollenerwartungen zu hinterfragen. 8
Wer übernimmt die Pflege? über 70% der Hauptpflegepersonen sind Frauen Von den pflegenden Angehörigen im erwerbsfähigen Alter sind knapp die Hälfte (ca. 40-50%) auch erwerbstätig Hauptpflegepersonen (bei Übernahme der Pflege): 10% geben Erwerbstätigkeit sofort auf 11% schränken den Erwerbsumfang von Anfang an ein 26% setzten Erwerbstätigkeit unverändert fort Rest war nicht erwerbstätig 9
Wie sieht der Pflegealltag aus? Zeitraum: vorpflegerische Phase: Ø 8 Jahre Zeit der Pflege: Ø 8,2 Jahre (Schneekloth/Wahl 2005) Pflege entspricht einer Vollzeitstelle: fast 2/3 der Pflegebedürftigen braucht Pflegeleistungen täglich und rund um die Uhr/ Ø 37 Stunden pro Woche ständiger „Bereitschaftsdienst“ viele organisatorische Aufgaben Mangelnde Zeit für Entspannung, Urlaub, Hobbys und Schlaf Soziale Beziehungen verringern sich, Freunde und Bekannte reduzieren den Kontakt Psychische Belastungen: z.B. Rollenkonflikte, schlechtes Gewissen 10
negative Aspekte / positive Aspekte Finanzielle und materielle die Zeit der Pflege wird als Belastungen inhaltsreich und intensiv Psychische und physische empfunden Belastungen Phase wird als Ständige Sorge und Anspannung gewinnbringend beschrieben, Rückenprobleme da sie als: Körperliche oder seelische sinnvoll Erkrankungen dankbar Zu viel an (räumlicher und anerkennend sozialer) Nähe zum Pflegebedürftigen moralisch entlastend stabilisierend (den zu Enormer organisatorischer Pflegenden) Aufwand oder beziehungsintensivierend erlebt wird 11
Motive zur Pflegeübernahme Selbstlosigkeit oder Selbstwertdienlichkeit Beweggründe: Liebe und Zuneigung Dankbarkeit Verantwortungs- und Pflichtgefühl Schuldgefühle Selbstbestätigung Sinnstiftung Mitleid Freiwillige Entscheidung ? 12
Wer bietet Beratung an? Pflegestützpunkte / Pflegeberatungsstellen Pflegekasse Sozialdienst im Krankenhaus Ambulante Pflegedienste Sozialverbände (vdk und SoVD) Freiberufliche Pflegeberater/innen 13
Information und Beratung: Pflegestützpunkte 1. Umfassende und unabhängige Beratung und Information über alle vorgesehenen Sozialleistungen und Hilfen unter einem Dach 2. Koordination aller Hilfs- und Unterstützungsangebote 3. Vernetzung der pflegerischen und sozialen Versorgungs- und Betreuungsangebote. 14
Pflegekurse Pflegekurse sind kostenlos und werden von der Pflegekasse angeboten; oft in Zusammenarbeit mit Verbänden, Volkshochschulen oder Pflegediensten. Pflegekurse bieten: Informationen zum Thema Pflege, Pflegegeld und Pflegetechniken Kontakt zu anderen Betroffenen häusliche Pflegeschulung 15
Fragen vom Service-Telefon Pflege Können wir Zuschüsse bekommen? Wie beantrage ich eine Pflegestufe? Wie sollen wir die Pflege finanzieren? 16
Finanzierung der Pflege eigenes Einkommen und Vermögen Pflegeversicherung Krankenkasse (z.B. Behandlungspflege) und/oder Hilfe zur Pflege 17
Geldleistung Sachleistung Soziale Sicherung Kombinationsleistung Pflegeperson Leistungen der Pflegeversicherung Stationäre Pflege Hilfsmittel Umbau der Wohnung Kurzzeitpflege Entlastungsangebote Verhinderungspflege 18
Leistungen der Pflegeversicherung Stufe I 225 Geldleistung: Pflegegeld direkt an Stufe II 430 Pflegebedürftigen Stufe III 685 Stufe I 440 Sachleistung: ambulanter Pflegedienst Stufe II 1.040 Stufe III 1.510 19
Leistungen der Pflegeversicherung Pflegegeld und Pflegesachleistung können miteinander kombiniert werden: Kombinationsleistung Beispiel bei Pflegestufe II Sachleistung durch Pflegegeld Pflegedienst 100% = 440 € 100% = 1.040 € 70% 30% werden verbraucht 728,00 € 132,00 € Auszahlung an Direkt an Pflegedienst Pflegebedürftigen 20
Fragen vom Service-Telefon Pflege Ich brauche dringend mal Urlaub, aber wo soll mein Vater in der Zeit bleiben? Wie kann ich einen Tag pro Woche frei haben? 21
Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege 2010 2012 jeweils pro Jahr 1.510 1.550 Verhinderungspflege: stundenweise Abrechnung ist möglich; Anspruch nach einem halben Jahr Pflege Kurzzeitpflege (einmal im Jahr): Tagessatz Pflegebedingte Verpflegung Aufwendungen und Unterkunft 22
Tages- und Nachtpflege Betreuungsangebot von 8.00 – 16.00 Uhr Abwechslungsreiches Tagesprogramm: z.B. Sitzgymnastik, Musikgruppen, Spiele, Kochen und Backen, Spaziergänge und Ausflüge sowie Ergotherapie, Biografiearbeit auf Wunsch Fahrdienst auch tageweise buchbar Leistungen der Pflegeversicherung für die Tagespflege und häusliche Pflege wurden erhöht. 23
Berechnungsbeispiel für Kombination von Pflegegeld/Tagespflege Bei der Inanspruchnahme von Tagespflege besteht ein (bis zu) 150% Anspruch Beispiel für die Pflegestufe 2 Sachleistung in Pflegegeld Tagespflege 100% = 1.040 € 100% = 440 € 50% 100% werden verbraucht 520,00 € 440,00 € 24
Ausweitung der Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz im ambulanten Bereich Grundbetrag: 100 € monatlich (1200 € im Jahr) erhöhter Betrag: 200 € monatlich (2400 € im Jahr) Übertragung ins nächste Kalenderjahr möglich Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz der so genannten Pflegestufe 0 erhalten erstmals auch diese Leistungen. Nur für anerkannte niedrigschwellige Betreuungsangebote, aber auch in Einzelfällen für Nachbarschaftshilfe. 25
Gruppen für Pflegende Angehörige: „Ich bin nicht alleine…“ Miteinander ins Gespräch kommen, Erfahrungen austauschen, Informationen rund um die Pflege erhalten und geben, Perspektiven aufzeigen, Entspannung und Erholung ermöglichen. 26
Fragen vom Service-Telefon Pflege Ich pflege meinen Mann und gehe noch nebenbei stundenweise arbeiten. Da gibt es doch jetzt ein Gesetz? Was kann ich machen? 27
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege Balance finden zwischen Arbeitszeit, Pflegezeit und Erholungszeit Belastungen Zeitliche Belastung Arbeitszeitgestaltung und Zeitsouveränität Gesundheitliche Belastungen (TKK Studie) Familiäre Belastungen (Partner, Kinder) Einkommensveränderungen Zukunftssicherung: Arbeitsplatzerhaltung, Karriere, Einkommen 28
Pflegezeit Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG) (max. 10 Tage, bisher ohne Lohnfortzahlung; gilt für alle Betriebe) Pflegezeit (sowie Kündigungsschutz) pro nahem Angehörigen max. sechs Monate (kann auch als teilweise Freistellung in Anspruch genommen werden, konkrete Ausführungsbestimmungen liegen aber noch nicht vor; gilt nur bei Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten) Sozialversicherungsabgaben unterschiedlich geregelt 29
Familienpflegezeit Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 50 Prozent reduzieren und beziehen dabei dann aber 75 Prozent ihres Gehalts. Zum Ausgleich müssten sie später wieder voll arbeiten, bekämen aber in diesem Fall weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts - so lange, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist. 30
pflegende Angehörige… brauchen ein gutes Netzwerk an Informationen, Beratung sowie Unterstützungs- und Entlastungsangebote niedrigschwellige Landesstelle Information/ Beratung Pflegende Angehörige (z. B. „Wegweiser Pflege“) Demenz-Servicezentren Gesprächskreise Wohnberatung NRW Selbsthilfegruppen Niedrigschwellige Pflegestützpunkte/ Betreuungsangebote Pflegeberatung (§45b SGB XI) (§4 Landespflegegesetz und §/7 SGB XI) Therapeuten (Physio-, Ergotherapie,…) Beratungsangebote der freien Wohlfahrtspflege und freier Anbieter 31 31
Handlungsbedarfe Sensibilisierung für das Thema Pflege in allen gesellschaftlichen Bereichen Arbeits(zeit)politik Auszeiten (Pflegezeitgesetz) Pflegesensible Arbeitszeiten (Gleitzeitmodelle, Befreiung von der Kernarbeitszeit, Arbeitszeitkonten) Flexible Teilzeitmodelle Arbeitsorganisation, Personalplanung, besondere Dienstleistungen für Beschäftigte mit Pflegeverantwortung, Enttabuisierung des Themas Ausbau der Infrastruktur im Bereich Pflege Unabhängige, unkomplizierte und individuelle Beratung (Pflegeberatung, Pflegstützpunkte) aufsuchende Beratung? bedarfsgerechte Angebote im benötigten Umfang (z.B. Tagespflege, entlastende Besuchsdienste) 32
Pflegende Angehörige brauchen bzw. wünschen sich: Familienfreundliches Betriebklima Verständnis und Rücksicht am Arbeitsplatz, Wertschätzung und Anerkennung individuelle Vereinbarkeitsregelungen Gesundheitsförderung Zeitsouveränität: Pflegenetzwerk/ Pflegemix: • Zeitkonten Pflegebelastung auf viele Schultern • Flexible Arbeitszeiten/ verteilen • Freistellungsmöglichkeiten/ • Heimarbeit Einfache und unbürokratische Organisation der Pflege Zentrale Rufnummer/ Infos im Intranet Flexible, spontan nutzbare Umfassende Beratungsstrukturen und regional erreichbare Informationen/ Beratung zu Hilfsangebote, die den • Hilfsangeboten, Bedürfnissen der Familien • Krankheitsbildern, entsprechen • Umgang mit Pflegebedürftigen, • in rechtlichen Fragen, Finanzielle Unterstützung • Weiterbildungsangebote Bezahlbare Unterstützungsangebote • Krankheits- und Urlaubsvertretungen • Vereinbarkeit von Pflege und Arbeit 33
Silke Niewohner MPH Dipl. Sozialarbeiterin, Gesundheitswissenschaftlerin
Familienpflegezeit Arbeitnehmer können bereits im Vorfeld einer möglichen Pflegebedürftigkeit in der Familie Zeit für die Pflegephase auf einem Wertkonto ansparen. Dies wird dann mit der Lohnfortzahlung in der Pflegephase verrechnet. Reicht das Guthaben auf dem Wertkonto nicht aus, um die Pflegephase zu überbrücken, leistet der Arbeitgeber eine Lohnvorauszahlung. Die Vorteile dieses Modells: Der Arbeitnehmer muss keine allzu großen Einkommenseinbußen hinnehmen, der Arbeitgeber hat keine zusätzlichen Kosten und schafft sich durch Familienfreundlichkeit sogar Wettbewerbsvorteile. 35
Familienpflegezeit Beitragszahlungen in der Familienpflegezeit und die Leistungen der Pflegeversicherung zur gesetzlichen Rente bewirken damit zusammen einen Erhalt der Rentenansprüche. Diese Ansprüche steigen mit der Höhe der Pflegestufe. Damit erhalten pflegende Angehörigen trotz Ausübung der Pflege die Rentenansprüche etwa auf dem Niveau der Vollzeitbeschäftigung. Personen mit geringem Einkommen werden sogar besser dargestellt. 36
Familienpflegezeit Um die Risiken einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeit gerade für kleinere und mittlere Unternehmen zu minimieren, muss jeder Beschäftigte, der die Familienpflegezeit in Anspruch nimmt, zu diesem Zeitpunkt eine Versicherung abschließen. Die Prämien sind lediglich gering; die Versicherung endet mit dem letzten Tag der Lohnrückzahlungsphase der Familienpflegezeit. 37
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