MOFAM - MOBILE MEDIEN IN DER FAMILIE

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MOFAM - MOBILE MEDIEN IN DER FAMILIE
MoFam –
       Mobile Medien
        in der Familie

                                                              MoFam – Mobile Medien in der Familie
           Zwischen Bibi Blocksberg und Alexa
Medienbiographische Erfahrungen von Eltern und
            ihr Einfluss auf die Medienerziehung

         Zweiter Bericht der Teilstudie „Mobile Medien und
                   Internet im Kindesalter – Fokus Familie"
   im Rahmen von MoFam – Mobile Medien in der Familie

  Senta Pfaff-Rüdiger, Andreas Oberlinner, Susanne Eggert
                                                              A
MOFAM - MOBILE MEDIEN IN DER FAMILIE
BERICHT
                                                                          Zwischen Bibi Blocksberg
                                                                                         und Alexa
                                                                            Medienbiographische Erfahrungen
                                                                                    von Eltern und ihr Einfluss
                                                                                     auf die Medienerziehung

                                                                                                                                  MoFam – Mobile Medien in der Familie
Gefördert durch                                                                        Zweiter Bericht der Teilstudie
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS).                 „Mobile Medien und Internet
                                                                                     im Kindesalter – Fokus Familie"

                                                                                                                                  C
MOFAM - MOBILE MEDIEN IN DER FAMILIE
INHALTSVERZEICHNIS

Zusammenfassung ........................................................................................... 01

                                                                                                                   7      Einfluss der Medienbiographie auf die Medienerziehung ............................                    42
1       Einführung ......................................................................................... 05
                                                                                                                          7.1    Haltungen gegenüber digitalen Medien ..........................................                42
                                                                                                                          7.2    Haltungen zur Medienerziehung ....................................................             45
2       Forschungsstand Medienbiographien .....................................................               07
                                                                                                                          7.3    Regeln setzen ...........................................................................      48
        2.1   Medienbiographie als identitätsstiftende Medienerinnerungen ...........                         07
                                                                                                                          7.4    Alternativen anbieten ..................................................................       50
        2.2   Medienbiographie als subjektive Erfahrung von Mediengeneration .....                            08
                                                                                                                          7.5. Anschlusskommunikation ............................................................              51
        2.3   Medienbiographie und Medienerziehung ........................................                   10
                                                                                                                          7.6    Zwischenfazit ............................................................................     53

3       Erkenntnisinteresse und methodisches Vorgehen ..................................... 12
                                                                                                                   8      Fazit: Medienbiographische Erinnerungen als Grundlage einer
        3.1   Anlage des Familien-Medien-Monitorings und Samplebildung ........... 12
                                                                                                                          kindorientierten Medienerziehung ........................................................... 54
        3.2   Erhebungsinstrumente und Durchführung ....................................... 13

                                                                                                                   9      Anhang ............................................................................................. 56
4       Mediennutzung der Eltern in ihrer Kindheit ................................................
16
                                                                                                                   10     Literatur ............................................................................................. 57
        4.1      Mediengeräte und Medienrepertoire ..............................................             16
        4.2      Medien auf dem Lebensweg ........................................................            20
        4.3      Medien in sozialen Situationen .....................................................         22   ABBILDUNGSVERZEICHNIS
        4.4      Emotionale Erfahrungen mit Medien ..............................................             23
        4.5      Die Medienheld*innen der Eltern ..................................................           25
                                                                                                                   Abbildung 1: Zusammensetzung des Samples nach Kriterien ............................ 13
        4.6      Zwischenfazit ............................................................................   27
                                                                                                                   Abbildung 2: Entwicklungen auf dem Gebiet der Medientechnik ........................ 15
                                                                                                                   Abbildung 3: Zusammensetzung des Samples nach
5       Medienerziehung der Eltern in ihrer Kindheit ............................................             28
                                                                                                                   soziodemographischen Merkmalen ............................................................... 56
        5.1   Haltung der Eltern ......................................................................       28
        5.2   Regeln setzen ...........................................................................       29
        5.3   Alternativen anbieten ..................................................................        32

                                                                                                                                                                                                                                       MoFam – Mobile Medien in der Familie
        5.4   Anschlusskommunikation ............................................................             33
        5.4   Zwischenfazit ............................................................................      34

6       Einfluss der Medienbiographie auf das Medienhandeln der Kinder ..............                         36
        6.1    Übernahme von Ritualen aus der Kindheit ......................................                 36
        6.2    Einfluss der Medienbiographie auf das Medienrepertoire ..................                      38
        6.3    Zwischenfazit ............................................................................     41

                                                                                                                                                                                                                                       E
MOFAM - MOBILE MEDIEN IN DER FAMILIE
ZUSAMMENFASSUNG

Mit der Studie „MoFam – Mobile Medien         an deutete sich an, dass die medienbio-
in der Familie“ wird das Aufwachsen von       graphischen Erinnerungen der Eltern einen
Kindern von der Geburt an bis zum Alter       Einfluss auf ihre Einstellungen und Haltun-
von zehn Jahren mit digitalen und mobilen     gen zur Bedeutung von Medien im Alltag
Medien und dem Internet in den unterschied-   ihrer Kinder haben. Haltung und Einstellung
lichen Alters- und Entwicklungsphasen         zu Medien im Alltagserleben von Kindern
untersucht. Um einen umfassenden Einblick     schlagen sich in der Medienerziehung der
zu erhalten und Unterstützungsbedarfe der     Eltern nieder. Um den hierfür zentralen
Erziehenden sowohl in der Familie als auch    Faktor der elterlichen Medienbiographien
in institutionellen Kontexten eruieren zu     näher zu beleuchten, wurde der Schwer-
können, ist die Studie modular aufgebaut      punkt in der vierten Erhebungswelle auf
und wird in mehreren Teilstudien durch-       die biographischen Erinnerungen der Eltern
geführt. Das Familien-Medien-Monitoring       an Medien und Medienerziehung in ihrer

                                                                                              Zusammenfassung
(FaMeMo), das dem vorliegenden Bericht        Kindheit gelegt. Darüber hinaus wurden
zugrunde liegt, nimmt die Medienaneignung     die Eltern nach ihrer Selbsteinschätzung
von Kindern im Kontext der Familie und die    hinsichtlich der Bedeutung ihrer erinnerten
damit verknüpften medienerzieherischen        Erfahrungen für ihre eigene Medienerzie-
Anforderungen an die Eltern in den Blick.     hung heute gefragt.
In der Zusammenschau mit den Ergeb-

                                                                                              TEILSTUDIE
nissen der Teilstudien zu pädagogischen       Es zeigte sich, dass alle Eltern Erinnerun-
Fachkräften in Kindertageseinrichtungen       gen an ihre Kindheit und Jugend haben,
können gezielte Maßnahmen für Eltern          die mit Medien verknüpft sind. Besonders
und pädagogische Fachkräfte entwickelt        gut erinnern sie sich an soziale Situatio-
werden, um Kinder im häuslichen Umfeld        nen mit der Familie oder der Peergroup, in
wie auch in institutionellen Kontexten in     denen Mediennutzung eine zentrale Rolle
kooperativer Weise bestmöglich auf dem        spielte: gemeinsame Fernsehnutzung mit

                                                                                             MoFam – Mobile Medien in der Familie
Weg zu einer souveränen Alltagsbewälti-       der ganzen Familie, Mutproben in Form
gung in einer mediatisierten und digitali-    der Rezeption eines Horrorfilms im Kreis
sierten Lebenswelt zu begleiten und zu        der Freund*innen, die (heimliche) Nutzung
unterstützen.                                 nicht altersentsprechender Filme mit älteren
                                              Geschwistern oder Cousins bzw. Cousinen,
Ziel des Familien-Medien-Monitorings ist      gemeinsames Spielen aller Nachbarskinder
es, die Aneignungsweisen digitaler und        an der einzigen Konsole im Dorf … Insbe-
mobiler Medien und des Internets von          sondere diejenigen Eltern, die vor allem
Kindern in den ersten Lebensjahren im         auf positive Erfahrungen zurückblicken,
Gesamtkontext des sie umgebenden              in denen sie Medien in genussvoller oder
Medienensembles zu erfassen und zu            kreativer Weise in Gebrauch genommen
verstehen. Dafür wurden im Rahmen einer       hatten und die sich darüber hinaus an

                                                                                             01
Langzeitstudie Familien mit jungen Kindern    wenig Regeln erinnern, sind offen für die
in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren      medienbezogenen Bedürfnisse ihrer Kinder.
in sechs Befragungswellen in jeweils ca.      Sie gestehen diesen heute entsprechende
halbjährlichem Abstand befragt. Von Anfang    eigene Erfahrungen zu und versuchen zum
Teil Settings zu schaffen, die dies ermög-      Insgesamt konnte bestätigt werden, dass
lichen. Eltern, deren Mediennutzung in der      die medienbiographischen Erinnerungen
Kindheit in ihrer Erinnerung stark regu-        der Eltern sich in ihren Einstellungen und
liert war, sind auch als Eltern eher darauf     Haltungen zur Bedeutung von Medien im
bedacht, Regeln für die Mediennutzung           Kindesalter sowie in ihrer Medienerziehung
ihrer Kinder aufzustellen, mit denen sie        wiederfinden. Darüber hinaus zeigte sich
das Ziel verfolgen, die Rolle der Medien        aber auch, dass die medienerzieherischen
im Alltag möglichst gering zu halten. Sie       Prämissen und Alltagspraktiken sich in
stellen ihren Kindern nur ausgewählte           vielen Fällen an den eigenen Kindheitser-
Medienangebote zur Verfügung, die sie aus       fahrungen und damit am Vorbild der Eltern
ihrer eigenen Kindheit kennen und schätzen      orientieren. Die individuellen Bedürfnisse
oder zumindest als bedenkenlos einstufen.       der Kinder spielen dabei zum Teil nur eine
                                                geringe Rolle. Aus medienpädagogischer
Bezogen auf die medienerzieherischen Akti-      Perspektive lässt sich daraus die Notwen-
vitäten wurde deutlich, dass diese heute        digkeit einer Sensibilisierung der Eltern für
insgesamt ausgeprägter sind als in der          die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kinder

                                                                                                 Zusammenfassung
Kindheit der Eltern. In der Erinnerung der      im Zusammenhang mit Medien ableiten,
Eltern gab es früher weniger Regeln. Dabei      um diese so bei der Entwicklung eines
handelte es sich vor allem um zeitliche         selbstbestimmten kompetenten Medien-
Regeln, die entweder am Tagesablauf der         umgangs zu unterstützen.
Familie oder am Fernsehprogramm orientiert
waren. Aus diesem ging eindeutig her vor,

                                                                                                 TEILSTUDIE
in welchem Zeitraum für Kinder geeignete
Sendungen ausgestrahlt wurden, deren
Rezeption, den Kindern erlaubt war. Implizit
war damit auch geregelt, welche Inhalte
sie nutzen durften. Durch das nicht-lineare
Fernsehen über verschiedene Endgeräte ist
diese Struktur heute aufgelöst. Dazu kommt

                                                                                                MoFam – Mobile Medien in der Familie
eine unüberschaubare Vielfalt an Angebo-
ten im Internet, die jederzeit verfügbar sind
und dank der starken Verbreitung mobiler
Geräte ortsunabhängig genutzt werden
können. Diese Entwicklungen erfordern
differenziertere Regelungen und schließen
beispielsweise auch die Kommunikation
über Angebote und Nutzungsweisen ein,
die es in den Kindheitserinnerungen der
Eltern nur selten gab.

                                                                                                03
1     EINFÜHRUNG

Welche Bedeutung haben Medien in Fami-          In den Inter views mit den Eltern themati-
lien mit Kindern in den ersten Lebensjah-       sierten diese von Anfang an immer wieder
ren bis zum Grundschulalter? W ie eignen        Situationen aus ihrer eigenen Kindheit, um
sich die Kinder in den unterschiedlichen        ihr medienerzieherisches Handeln oder ihre
Alters- und Entwicklungsstadien digitale        Wahrnehmung der Medienaneignung ihrer
und mobile Medien an? Mit welchen Her-          Kinder zu erklären und zu begründen. Es
ausforderungen sind gleichzeitig die Eltern     war offensichtlich, dass die Erinnerungen
in ihrer Medienerziehung konfrontiert? Wo       an eigene Erfahrungen in die Haltungen der
suchen und finden sie Lösungen und bei          Eltern zu Medien insgesamt, aber auch zur
welchen Fragen und Themen brauchen sie          Bedeutung von Medien im Kindesalter und
professionelle Unterstützung? Dies sind         damit verbunden in ihre medienerzieheri-
die zentralen Fragen der Teilstudie Famili-     sche Haltung einflossen. Eine tiefergehende
en-Medien-Monitoring, die im Rahmen des         Untersuchung dieser Zusammenhänge
Projekts „MoFam – Mobile Medien in der          schien lohnenswert und so wurde in der

                                                                                               1 Einführung
Familie“ durchgeführt wird. Die Ergebnisse      vierten Erhebungswelle, die im Herbst 2018
der Langzeitstudie werden im Frühjahr           durchgeführt wurde, der Schwerpunkt auf
2021 vorliegen. Im Laufe der vierjährigen       die Medienbiographien der Eltern gelegt.
Projektzeit wurden erste Ergebnisse zu          Dabei wurde zum einen Wert darauf gelegt,

                                                                                               TEILSTUDIE
bestimmten Themen vorgestellt und ver-          mit den Eltern gemeinsam Erinnerungen
öffentlicht. So erschien 2018 ein erster        freizulegen. Zum anderen wurden die Eltern
Teilbericht, der sich mit der Bedeutung von     gebeten darüber zu reflektieren, inwiefern
Medien in ritualisierten Settings beschäftigt   sie selbst einen Einfluss ihrer kindlichen
(vgl. Oberlinner et al. 2018). Im Dezember      Erfahrungen mit Medien auf ihre heutige
2019 wurden auf der Jahreskonferenz des         Einstellung und Haltung zu Medien und
Forums Privatheit „Aufwachsen in über-          (ihren) Kindern herstellen können.
wachten Umgebungen – W ie lässt sich

                                                                                              MoFam – Mobile Medien in der Familie
Datenschutz in Schule und Kinderzimmer          Nachfolgend wird zunächst dargestellt,
umsetzen?“ unter dem Titel „Gebe ich jetzt      welche Erkenntnisse aus wissenschaftli-
meine Daten preis oder nicht? Privatheit        cher Perspektive zu Medienbiographien und
und Datenschutz in der frühen Kindheit”         deren Bedeutung für die eigene Identität
Ergebnisse zur Frage des elterlichen            sowie die Zugehörigkeit zu einer bestimm-
Umgangs mit den Daten ihrer Kinder und          ten Generation vorliegen und wie diese
deren Recht auf Privatheit in Verbindung        in die Entwicklung von Einstellungen und
mit digitalen Medien und dem Internet           Haltungen einfließen. Im Anschluss daran
vorgestellt. Ein Tagungsband mit einem          wird die zentrale Forschungsfrage vorge-
entsprechenden Fachartikel ist in Vorbe-        stellt und das methodische Vorgehen wird
reitung und soll noch 2020 erscheinen.          erläutert. Die Darstellung der Ergebnisse
Der vorliegende Bericht setzt sich mit dem      nimmt in einem ersten Schritt die Erin-

                                                                                              05
Einfluss der biographischen Erfahrungen         nerungen der Eltern an ihre Mediennut-
der Eltern im Kontext von Medien auf ihre       zung im Kindesalter und die ihnen zuteil
Medienerziehung auseinander.                    gewordene Medienerziehung in den Blick.
Anschließend wird darauf fokussiert, wel-    Medienerziehung niederschlägt. Die zen-
chen Einfluss die medienbiographischen       tralen Punkte werden abschließend noch
                                                                                            2     FORSCHUNGSSTAND MEDIENBIOGRAPHIEN
Erinnerungen der Eltern, die diese ihren     einmal zusammengefasst und das darin
Kindern explizit oder implizit vermitteln,   liegende Potenzial für die Unterstützung von   Medienerziehung wird von einer Reihe an         ohne „Abwertungen“ auf die medialen
auf das Medienhandeln der Kinder haben       Eltern in ihrer Medienerziehung schluss-       Faktoren beeinflusst (vgl. z. B. Wagner/        Bedürfnisse von Kindern und Jugendli-
und wie sich ihre Medienbiographie in der    folgernd dargestellt.                          Gebel/Lampert 2013; Kammerl/Kramer              chen eingehen zu können (Biermann 2014,
                                                                                            2016). Ein Faktor, der bislang wenig            S. 134). Beide Aspekte wurden bislang
                                                                                            Beachtung gefunden hat, ist die Medien-         nicht auf Medienerziehung bezogen.
                                                                                            biographie der Eltern und damit die Frage,
                                                                                            inwiefern sowohl das eigene Medienhan-          Was bedeutet nun aber Medienbiographie?
                                                                                            deln in der Kindheit als auch die selbst        Zum einen geht es darum, „die Bedeu-
                                                                                            erfahrene Medienerziehung Eltern in ihrem       tung von Medien in den unterschiedlichen
                                                                                            medienerzieherischen Handeln beeinflusst.       Abschnitten des Lebenslaufs darzustellen“
                                                                                            Dies erscheint umso erstaunlicher, da in der    und damit insbesondere auch auf genera-
                                                                                            medienbiographischen Forschung Medien-          tionsspezifische Aspekte einzugehen (Auf-
                                                                                            biographie als Methode genutzt wird,            enanger 2006, S. 518). Auf der anderen

                                                                                                                                                                                          2 Forschungsstand
                                                                                                                                                                                          Medienbiographien
                                                                                            um herauszufinden, welchen Stellenwert          Seite wird früheres Medienhandeln rekon-
                                                                                            Medien in früheren Lebensabschnitten hat-       struiert, um späteres Medienhandeln zu
                                                                                            ten und wie dies wiederum das spätere           verstehen (ebd.). Es geht also sowohl um
                                                                                            Medienhandeln beeinflusst (Aufenanger           die identitätsstiftende Medienerinnerung
                                                                                            2006, S. 518). Darüber hinaus gilt es im        als auch um soziale generationsstiftende
                                                                                            Kontext der pädagogischen Arbeit mit            Medienerfahrungen. Beide Punkte sollen
                                                                                            Kindern als hilfreich, über die eigenen         im Folgenden ausgeführt und auf Medien-

                                                                                                                                                                                               TEILSTUDIE
                                                                                            kindlichen oder jugendlichen Mediener-          erziehung bezogen werden.
                                                                                            fahrungen zu reflektieren, um offen und

                                                                                                                                                                                              MoFam – Mobile Medien in der Familie
                                                                                            2.1 MEDIENBIOGRAPHIE als IDENTITÄTSSTIFTENDE
                                                                                                MEDIENERINNERUNGEN

                                                                                            Der medienbiographische Ansatz beschreibt       oftmals der bewussten Erinnerung nicht
                                                                                            einen lebensweltlichen Ansatz, der das          leicht zugänglich. Die Selbstverständlich-
                                                                                            Medienhandeln auf Lebenssituationen             keit der Mediennutzung verhindert, dass
                                                                                            bezieht. Im biographischen Sinne wird           die langfristigen Veränderungen des Alltags
                                                                                            dabei ein Ereignis erst durch die Erinne-       durch (elektronische) Medien wahrgenom-
                                                                                            rung identitätsstiftend (Berezan et al. 2018,   men und reflektiert werden. Im Sinne von
                                                                                            S. 455). Dies gelingt umso leichter, wenn       Ritualen und Präferenzen, zum Beispiel
                                                                                            es sich um ein einschneidendes Ereig-           Lieblingssendungen oder -genres (vgl.

                                                                                                                                                                                              07
                                                                                            nis oder um (Lebens-)Umbrüche handelt.          Biermann 2014, S. 129), tauchen Medien
                                                                                            Medienerfahrungen sind im Gegensatz dazu        in Biographien aber dennoch als Strukturen
                                                                                            „im realen Lebensvollzug allgegenwärtig“        auf, die für alltägliches Handeln bedeutsam
                                                                                            (Biermann 2014, S. 128) und deshalb             waren und deshalb erinnert werden.
Bedürfnisse und Motivationen werden sel-       Erlebnisse mit Inhalten haben dabei einen     Mediengeneration teilen" (S. 86). Jede        W ie die Unterscheidung zeigt, kann der
tener erinnert (Aufenanger 2006, S. 521),      stärkeren identitätsstiftenden Einfluss als   Generation ist damit auf eine bestimmte       Erstkontakt mit einem Medium für eine
ebenso wie sich emotionale Bindungen           Gegenstände. Die Forschung zu Medien-         Medienumgebung bezogen und eignet sich        Mediengeneration entscheidend sein (vgl.
an Medien aus biographischer Sicht oft-        generationen hat aber gezeigt, dass auch      diese in Bezug zu den eigenen Lebenser-       Naab/Schwarzenegger 2017, S. 95), also:
mals relativieren (ebd., S. 522). Finden       die Einführung neuer Medientechnologien       fahrungen an (ebd., S. 107).                  Habe ich mir digitale Medien als Senior*in,
sich dennoch Spuren von Bedürfnissen           und deren Aneignung (beispielsweise den                                                     zu Beginn des Berufslebens oder als Kind
und Emotionen in den erzählten Medien-         ersten Farbfernseher zu nutzen oder das       Hepp und Kolleg*innen unterscheiden           angeeignet? Als 'Digital Natives' gelten
biographien, dann kann davon ausgegan-         erste eigene Handy in den Händen halten       dabei drei Mediengenerationen:                dabei diejenigen, die bereits mit digitalen
gen werden, dass diese identitätsstiftend      zu können) einschneidend sein kann (vgl.                                                    Medien aufgewachsen sind und deshalb
waren und sind und heute einen bedeu-          Naab/Schwarzenegger 2017), weshalb            1. Die massenmediale Generation, die          eine andere Souveränität im Umgang mit
tenden Einfluss auf das medienerzieheri-       auch die Erinnerung an Technologien und          mit Radio, Kino, Print und Brief auf-      diesen Medien aufweisen (ebd., S. 95f.).
sche Handeln haben. Mayrberger (2005)          Geräte einbezogen werden sollte. Begreift        gewachsen ist, später das Fernsehen        Für die massenmediale Generation und
spricht im Kontext von medienpädagogi-         man wie Aufenanger (2006) den Medienum-          kennengelernt hat und erst im spä-         auch noch in der Kindheit der sekundären
scher Kompetenz von einer „Sensibilität für    gang (mit den Geräten) als Zusammenspiel         teren Alter mit digitalen Medien kon-      digitalen Generation war es dagegen
Medienthemen und Medienerlebnisse der          zwischen Erleben und Handeln (S. 519),           frontiert wurde (Hepp et al. 2017, S.      selbstverständlich, dass Medien – durch
Kinder“ (S. 97), die bei Eltern, die sich an   lassen sich die Erinnerungen dahingehend         88f.). Dieser Generation lassen sich       Sendezeiten – den Alltag oder als Geräte –

                                                                                                                                                                                          2 Forschungsstand
                                                                                                                                                                                          Medienbiographien
eigene Bedürfnisse bei der Mediennutzung       unterscheiden, ob sie ein emotionales oder       vermutlich die meisten Großeltern der      beispielsweise der Fernseher als Familien-
in der Kindheit erinnern, umso höher sein      soziales Medienerlebnis beschreiben und          Studie zuordnen. Berezan und Kol-          treffpunkt – auch die häusliche Umgebung
und sich in der Medienerziehung in einer       ob dabei selbstbestimmt und aktiv oder           leg*innen (2018) beschreiben sie auch      strukturiert haben (vgl. Bolin 2019, S. 27).
stärkeren Kindorientierung ausdrücken          eher passiv gehandelt wurde. Aus diesen          als „Be“-Generation mit einem starken      Kinder der digitalen Generation machen mit
dürfte. Berezan und Kolleg*innen (2018)        Erfahrungen mit Medien (in der Kindheit)         Fokus auf Kompetenz und persönlicher       mobilen Geräten heute andere Erfahrungen.
unterscheiden darüber hinaus zwischen          entstehen Haltungen gegenüber Medien,            Entwicklung sowie als Generation, die      Innerhalb jeder Mediengeneration gibt es
Erfahrungen wie dem gemeinsamen Com-           die das (weitere) Medienhandeln – auch           sich mit neuen Technologien unwohl         jedoch „typische Sedimentierungen von

                                                                                                                                                                                               TEILSTUDIE
puterspielen und den Medien als materiellen    in der Medienerziehung anleiten.                 fühlt (S. 460).                            Mediatisierungserfahrungen“ (Hepp et al.
Gegenständen (S. 455). Erfahrungen oder                                                      2. Die sekundäre digitale Generation, die     2017, S. 107). Die jeweils individuellen
                                                                                                noch mit Fernsehen, Radio, Print und       Mediatisierungserfahrungen werden Teil
                                                                                                dem Festnetztelefon groß geworden          ihrer subjektiven Medienbiographie. Für
                                                                                                ist, sich die digitalen Medien aber im     die Betrachtung der Eltern ist interessant,
                                                                                                Verlauf des Berufslebens angeeignet        dass Erfahrungen einer Alterskohorte sich
2.2 MEDIENBIOGRAPHIE als SUBJEKTIVE

                                                                                                                                                                                              MoFam – Mobile Medien in der Familie
                                                                                                hat (Hepp et al. 2017, S. 89). Hierunter   unterscheiden können, wenn die Eltern bei-
    ERFAHRUNG von MEDIENGENERATION                                                              dürften die meisten der untersuchten       spielsweise in unterschiedlichen Medien-
                                                                                                Eltern fallen. Berezan und Kolleg*innen    und politischen Systemen (z. B. West- und
                                                                                                (2018) heben bei dieser Generation         Ostdeutschland) aufgewachsen sind. Die
Medienerfahrungen beeinflussen aber nicht      Medienerzieher*innen der Eltern mit ein-         das Autonomie-Bedürfnis her vor und        vorhandene Medienumgebung zu einem
nur die subjektive Medienbiographie, sie       bezogen, dann sind es sogar drei Medien-         beschreiben sie als „Me“-Generation        (historischen) Zeitpunkt muss dabei nicht
gehen auch als sedimentierte und geteilte      generationen. Hepp und Kolleg*innen              (S. 460).                                  dem von der Familie ausgewählten und
soziale, kulturelle und technische Erfah-      (2017) verstehen unter einer Mediengene-      3. Die digitale Mediengeneration, die nach    damit den Kindern zugänglichen Medie-
rungen in eine Mediengeneration ein. Für       ration „die Verdichtung einer Altersgruppe       der Einführung der digitalen Medien        nensemble entsprechen. Die Entschei-
diese Studie entscheidend ist, dass Eltern     oder mehrerer Altersgruppen von Men-             aufgewachsen ist und für die digitale      dung für Letzteres wird von den Eltern
und Kinder unterschiedlichen Medienge-         schen (...), die in ihrer Medienaneignung        Medien selbstverständlich sind (Hepp       getroffen und den Kindern zur Verfügung
nerationen angehören und deshalb unter-        einen spezifischen Erfahrungsraum von            et al. 2017, S. 89). Hierunter lassen      gestellt (Kammerl/Kramer 2016, S. 22).

                                                                                                                                                                                              09
schiedliche Erfahrungen mit den Medien         Mediatisierung sowie ein generationel-           sich die Kinder dieser Studie zuordnen.    So kann es beispielsweise sein, dass ein
(in unterschiedlichen Lebensabschnitten)       les, sich auf die eigene Medienbiografie
machen. Werden auch die Großeltern als         stützendes Selbstverständnis als eine
Elternteil – obwohl altersgemäß sogar der        Einflussfaktoren auf die praktizierte Medien-   (Bildung, Familienzeit) in den digitalen        4. Eine weitere Strategie besteht darin,
digitalen Generation zugehörig – ohne            erziehung zu beschäftigen (Naab/Schwar-         Medien sehen, aber auch Risiken wie Sucht          Alternativen anzubieten, den Kindern
Fernsehgerät oder Computerzugang auf-            zenegger 2017, S. 103) und macht deut-          oder gewalthaltige Medieninhalte wahrneh-          dabei immer wieder aufzuzeigen, dass
gewachsen ist. Die Beschäftigung mit             lich, dass auch die Medienbiographie hier       men. Sie nutzen oft gemeinsam mit ihren            mit anderen Aktivitäten wie dem Spielen
Mediengenerationen spricht – wie das             ein Faktor ist (Aufenanger 2006, S. 518).       Kindern digitale Medien, sprechen mit den          im Freien ähnliche Bedürfnisse befrie-
Beispiel zeigt – dafür, sich mit kontextuellen                                                   Kindern über Medien und fördern deren              digt werden können (ebd., S. 321 f.).
                                                                                                 Medienkompetenz (S. 277). Im Gegensatz
                                                                                                 dazu nutzen Eltern, die einen permissiven       Die erfahrene Medienerziehung lässt sich
                                                                                                 oder Laissez-Faire-Erziehungsstil haben,        durch die veränderte Medienumgebung
                                                                                                 digitale Medien ebenso häufig, sehen aber       nicht eins zu eins auf die Medienerziehung
2.3 MEDIENBIOGRAPHIE und MEDIENERZIEHUNG                                                         nur Vorteile und setzen digitale Medien häu-    der eigenen Kinder übertragen. Nichts-
                                                                                                 fig auch als Babysitter ein (ebd.). In beiden   destotrotz hat sie einen Einfluss auf die
Die Forschung zu Medienerziehung fokus-          während der letzte Punkt vor allem auch         Fällen ist das Spektrum an eingesetzten         eigene Haltung gegenüber digitalen Medien
siert in den letzten Jahren immer stärker        auf die unterschiedlichen Medienumgebun-        Medienerziehungsstrategien deutlich größer      und damit auch auf die Medienerziehung.
auf die digitalen Praktiken der Eltern sowie     gen der beiden Generationen aufmerksam          als beim Fernsehen und kann nach Jiow           Studien haben hier gezeigt, dass Eltern
ihre Haltungen zu digitalen Technologien         macht. Schließlich stehen den Kindern           und Kolleg*innen (2017) in vier Bereiche        durch ihr Vorleben des eigenen Medien-

                                                                                                                                                                                               2 Forschungsstand
                                                                                                                                                                                               Medienbiographien
(Brito et al. 2017, S. 273) und damit auf        heute andere Medien zur Verfügung als           eingeteilt werden:                              verhaltens, das Setzen von Regeln und die
zwei Bereiche, die – anders als soziode-         den Eltern damals. Entscheidend ist in der                                                      Förderung von Kompetenzen einen Einfluss
mographische Faktoren – von der eigenen          Medienerziehung nach Eggert und Kolle-          1. Das Gatekeeping betrifft den Zugang          auf das spätere Medienhandeln der Kinder
Medienbiographie beeinflusst werden. In          ginnen (2013) inwiefern sich die Eltern in         zu digitalen Medien, alle zeitlichen         im Erwachsenenalter haben können (vgl.
Bezug auf die heutige Medienerziehung ist        ihrer Medienerziehung am Kind orientieren          und inhaltlichen Regeln, die Notwen-         Notten/Kraaykamp/Konig, 2012; Kammerl/
dabei sowohl das eigene Medienhandeln in         und welches Aktivitätslevel ihr medienerzie-       digkeit, Grenzen zu setzen und/oder          Kramer 2016). Zudem wird vermutet, dass
der Kindheit als auch die erfahrene Medien-      herisches Handeln beschreibt (S. 141 ff.).         den Zugang (auch technisch) zu regeln        Eltern, die bereits früh selbst Zugang zu

                                                                                                                                                                                                    TEILSTUDIE
erziehung durch die eigenen Eltern von           Damit werden Ansätze beschrieben, die,             (S. 315 ff.)                                 digitalen Medien hatten und deshalb zu
Interesse. Letzteres wird in der Familienfor-    die sich auch aus der Medienbiographie          2. Bei den diskursiven Strategien geht          den Digital Natives zählen würden, in ihrer
schung unter „intergenerational transmis-        ergeben können.                                    es um Anschlusskommunikation über            Medienerziehung permissiver sind (Brito
sion“ diskutiert. Hier geht es darum, dass                                                          Inhalte, Sucht, Kontakt- und Konsum-         et al. 2017, S. 271). Nach Livingstone
sich Eltern in ihrem Verhalten den eigenen       Während in Bezug auf das Fernsehen lange           risiken (ebd., S. 317 ff.).                  und Kolleg*innen (2017) spielt allerdings
Kindern gegenüber ähnlich verhalten, wie         zwischen aktiver restriktiver Medienerzie-      3. Investigative Strategien beinhalten, sich    die Medienkompetenz, die die Eltern (in

                                                                                                                                                                                                   MoFam – Mobile Medien in der Familie
sie es selbst in ihrer Kindheit erlebt haben     hung und Co-Viewing unterschieden wurde            Informationen zu beschaffen, selbst          ihrer Medienbiographie) ausgebildet haben
(de Carli et al. 2018, S. 48). Unterschieden     (und sich dies auch auf die Medienerzie-           (neue) Kompetenzen zu erwerben, den          und das Level an Medienkompetenz, das
wird hier nach Erziehungsstilen (autoritär,      hung in der Kindheit der Eltern beziehen           Medienumgang der Kinder zu überwa-           sie den Kindern zuschreiben, eine noch
demokratisch permissiv und laissez-faire)        lassen würde), haben neuere Studien                chen oder gemeinsam zu spielen und           größere Rolle.
und es wird versucht, diese Stile auch           gezeigt, dass diese Einteilung auf digitale        dabei neue Erfahrungen zu machen
auf die Interneterziehung zu übertragen.         Medien bezogen nicht mehr haltbar ist und          (ebd., S. 319 ff.).
Welche erzieherischen Wege die Eltern in         entweder in eine Unterscheidung in rest-
der Medienerziehung einschlagen hängt            riktive und aktivierende Medienerziehung
davon ab, wie sie (1) Medienerziehung            (Livingstone et al. 2017, S. 98) oder in
und ihre damit verknüpften Aufgaben              eine Unterscheidung nach Erziehungssti-
wahrnehmen, (2) welche Ansprüche und             len (Brito et al. 2017) münden müsste.
Haltungen sie dabei gegenüber Medien             Brito und Kolleg*innen (2017) haben hier

                                                                                                                                                                                                   11
haben und (3) welche Medien ihre Kinder          beispielsweise festgestellt, dass Eltern,
tatsächlich nutzen (Eggert 2019, S. 111).        die einen demokratischen Erziehungsstil
Die ersten beiden Punkte werden dabei von        pflegen, selbstbewusste Nutzer*innen digi-
der eigenen Medienbiographie beeinflusst,        taler Medien sind, die sehr viele Vorteile
3     ERKENNTNISINTERESSE und METHODISCHES                                                                KRITERIUM               ALTER                                        START   STAND

      VORGEHEN                                                                                                                    2017                                         2017     2018
                                                                                                                                         1

                                                                                                                                  1 Jahr     2 Jahre     3 Jahre   4-5 Jahre
                                                                                                     Anzahl der Fokuskinder         6           3           6          5        20       17
                                                                                                  Geschlecht Fokuskind (m/w)       2/4         2/1         3/3        2/3      9/11      9/8
                                                                                                        Infrastruktureller         4/2         0/3         3/3        3/2      10/10     8/9
3.1 ANLAGE des FAMILIEN-MEDIEN-MONITORINGS                                                         Bezugsraum (Stadt/Land)    2

    und SAMPLEBILDUNG                                                                              Bildungshintergrund Eltern
                                                                                                        (höher/niedriger)
                                                                                                                                   3/3         2/1         2/4        3/2      10/10     9/8

                                                                                             Abbildung 1: Zusammensetzung des Samples nach Kriterien (Stand Medienbiographie-Erhebung)
Das Familien-Medien-Monitoring (FaMeMo)        Die Auswahl der Familien erfolgte nach
fragt nach der Bedeutung digitaler und         einer Quotenstichprobe (Akremi 2014,
mobiler Medien in Familien mit Kindern im      S. 273). Die Kriterien waren dabei eine
Kleinkind- bis frühen Grundschulalter, wie     ausgewogene Verteilung nach dem
                                                                                             3.2 ERHEBUNGSINSTRUMENTE und

                                                                                                                                                                                                    3 Erkenntnisinteresse und
                                                                                                                                                                                                     methodisches Vorgehen
sich Kinder diese Medien im Gesamtkontext      Geschlecht der Kinder, dem Alter der
der sie umgebenden Medienwelt aneignen         Fokuskinder, den infrastrukturellen Rah-          DURCHFÜHRUNG
und wie Eltern sie dabei begleiten. Die        menbedingungen der Haushalte (städti-
Langzeitstudie ist als Panelstudie ange-       sche Kontexte, ländliche Räume) sowie
legt und begleitet 20 Familien bayernweit      der formalen Bildung der Eltern, erhoben      Das FaMeMo umfasst zu zu jedem Erhe-                    S. 125), eruiert werden, in welcher Form
von 2017 bis 2020 in sechs Erhebungen.         über die Ausbildungshintergründe der          bungszeitpunkt      ein   gleichbleibendes              die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse aus
Zentral ist die kontinuierliche Erfassung      Eltern (vgl. Abb. 1; Abb. 3 im Anhang). Mit   Instrumentarium, das gegebenenfalls mit                 ihrer Kindheit die Eltern in ihrem heutigen
der sich verändernden Mediennutzung und        dieser Zusammenstellung sollen vielfältige    Blick auf den thematischen Schwerpunkt                  Handeln beeinflussen.

                                                                                                                                                                                                          TEILSTUDIE
Begleitung durch die Eltern in den Familien.   Perspektiven auf das Forschungsfeld           der Erhebungswelle erweitert wird. Für
Zudem wurden unterschiedliche Schwer-          ermöglicht werden. Von den 20 Familien        die Frage nach Einflussfaktoren für die                 Die forschungsleitende Frage war dabei:
punktthemen gesetzt, um vertiefende Ein-       des Samples zu Beginn der Studie pau-         Medienerziehung in den Familien deutete
blicke in Bereiche mit besonderer Relevanz     sierte eine Familie die vierte Erhebung und   sich bereits in den ersten drei Erhebungen              Welche Schlüsse ziehen Mütter und Väter
für den Untersuchungsgegenstand zu             zwei Familien waren nicht mehr Teil des       an, dass die eigene Medienbiographie der                aktiv bezüglich ihrer Medienerziehung aus
erlangen. In der vierten Erhebung war das      Panels, so dass an der vierten Erhebung       Eltern für den aktuellen Medienumgang                   den eigenen Medienerfahrungen und wel-

                                                                                                                                                                                                         MoFam – Mobile Medien in der Familie
Schwerpunktthema die Medienbiographie          17 Familien teilnahmen. Diese Panelmor-       und die Erziehungsvorstellungen in ihrer                che Hinweise finden sich darin bezogen
der befragten Eltern.                          talität wurde in der Zusammenstellung des     Familie eine wichtige Rolle spielen könnte.             auf Haltungen und medienerzieherisches
                                               Samples einkalkuliert (vgl. Stein 2014,       Entsprechend wurde die Medienbiographie                 Handeln? Dafür wurde der Leitfaden mit
                                               S. 144).                                      der Eltern zum Schwerpunktthema in der                  vorgefertigten Kartensets ergänzt, um einen
                                                                                             vierten Erhebung. Durch die Erforschung                 Anreiz für die Beantwortung der Fragen zu
                                                                                             der Medienbiographien der Eltern soll                   schaffen und die Eltern in ihren Erinnerun-
                                                                                             neben der Klärung, inwiefern „Medien an                 gen zu unterstützen.
                                                                                             der Konstruktion von individuellen Bio-
                                                                                             graphien beteiligt sind“ (Biermann 2014,

                                                                                                                                                                                                         13
                                                                                             1
                                                                                                 Zum Zeitpunkt der vierten Erhebung, in deren Kontext die Medienbiographie abgefragt wurde, waren
                                                                                             die Kinder eineinhalb Jahre älter.
                                                                                             2
                                                                                                 Unter dem Bezugsraum Land werden ländliche Räume und Kleinstädte gefasst, der Bezugsraum Stadt
                                                                                             meint mittlere und große Städte.
Die Kartensets umfassten insgesamt sechs         etwas bewusst übernommen oder anders              dem autobiographischen Erinnern besteht        Die Leitfadeninter views fanden meist bei
Kategorien:                                      gemacht wird und welche Gedanken sich             darin, dass davon ausgegangen werden           den Familien zu Hause statt und dauerten
                                                 die Eltern dazu machen.                           kann, „dass das autobiographische Erin-        60 bis 90 Minuten. Die Gespräche wurden
•   Lieblinge: Gibt es Erinnerungen an                                                             nern erst mit sieben oder acht Jahren ein-     von geschulten Interviewer*innen geführt.
    positive Erlebnisse in Verbindung mit        Für die Interviews wurde vorab der Wunsch         setzt“ (Biermann 2014, S. 131) und sich die    Dabei war es notwendig, auf die jeweils
    Medien aus der eigenen Kindheit? An          an die Eltern herangetragen, wenn möglich         Eltern meist eher an Medienerlebnisse oder     aktuelle Situation der Familien Rücksicht zu
    welche Mediengeräte und -inhalte aus         mit beiden Elternteilen sprechen zu können.       -erfahrungen erinnern, die sie in der späten   nehmen und flexibel mit den Interviewsitu-
    ihrer Kindheit können sich die Eltern        Dies war in sechs der teilnehmenden Fami-         Kindheit oder Jugend gemacht haben und         ationen in Bezug auf Gesprächsdynamiken,
    erinnern, welche waren ihre „Lieb-           lien möglich, in den anderen Befragungen          dies nicht direkt mit den Medienerfahrungen    die Dauer der Gespräche, unterschiedliche
    lings“-Sendungen oder -Geräte?               war jeweils ein Elternteil anwesend, in neun      ihrer meist jüngeren Kinder direkt verglei-    Konstellationen in der Erhebungssituation
•   Miteinander: Gemeinsame Medien-              Familien die Mütter und in zwei Familien          chen können. Die geschilderten Einflüsse       und Ähnliches umzugehen. Dies musste in
    erfahrungen in der Familie und mit           die Väter.                                        auf die Antworten der Eltern waren bei der     besonderer Weise reflektiert und kontex-
    Freund*innen.                                                                                  Auswertung zu berücksichtigen. Da es im        tualisiert werden. Die Inter views wurden
•   Regeln: An welche Regeln erinnern            Bei der besonderen Thematik, dass Erinne-         Bericht zentral um die Übernahme und die       vollständig transkribiert, anonymisiert und
    sich die Eltern aus ihren Familien? W ie     rungen abgefragt werden, die schon länger         Reflexion des aktuellen Handelns in der        anschließend mithilfe von MAXQDA codiert.

                                                                                                                                                                                                  3 Erkenntnisinteresse und
                                                                                                                                                                                                   methodisches Vorgehen
    fanden sie die Regeln damals und wie         zurückliegen, muss bedacht werden, dass           Medienerziehung und der Haltung der Eltern     Die Auswertung fand dabei deduktiv the-
    denken sie über diese Regeln heute im        es keinen Anspruch auf Vollständigkeit            geht und darum, welche biographischen          oriegeleitet und induktiv aus dem Mate-
    Rückblick? Welche Rolle spielen diese        geben kann. Die Fragekarten sollten hier          Einflüsse eine Rolle spielen, versprach        rial heraus statt (vgl. Meyen et al. 2019).
    Regeln aktuell?                              eine zusätzliche Erinnerungsstütze darstel-       die gewählte Methode für die Erforschung       Codierte Aussagen wurden anschließend
•   Poster an meiner Wand: In dieser Kate-       len, anhand derer die Fragen quasi auf dem        der Einflussfaktoren auf die Fragestellung     im Hinblick auf Fragestellungen paraphra-
    gorie geht es um Vorbilder und Helden        Tisch liegen und zum Nachdenken anregen.          wichtige Erkenntnisse.                         siert und interpretiert, unter Einbezug aller
    aus der Kindheit, um Marken und das          Es ist davon auszugehen, dass besonders                                                          dokumentierter Materialien.
    Besondere an bestimmten Figuren oder         Geschichten bewusst sind, die häufiger

                                                                                                                                                                                                        TEILSTUDIE
    auch Werte, die mit diesen in Verbin-        in Familien wiederholt oder aufgefrischt
    dung stehen.                                 wurden, also Geschichten, „that have been
•   Gefühle: Erinnerungen an bestimmte           rehearsed as an anecdote within a family“
    Gefühle, die die Eltern mit Medien in        (Bolin 2019, S. 33). Auch war zu erwarten,
    ihrer Kindheit in Verbindung bringen,        dass in der Inter viewsituation bestimmte
    negative Gefühle, Angst oder Alpträume       Narrative von Eltern erzeugt werden: „In an

                                                                                                                                                                                                       MoFam – Mobile Medien in der Familie
    oder positive Gefühle, worüber haben         interview situation, if you are asked to tell a
    sie gelacht und welche Bedeutung             story of your media memories, most people
    hatten Medien für die Gefühlswelt aus        would, if only to please the inter viewer,
    heutiger Sicht.                              respond with a more or less elaborated
•   Medien als Wegbegleiter: Spielten            narrative.” (ebd., S. 31). Die Möglichkeit
    Medien in Schule, Ausbildung oder            bestimmter erwünschter Narrative, aber
    Beruf eine Rolle und inwiefern hatten        auch mögliche bestimmte Neigungen in
    sie eine Bedeutung für den weiteren          den Antworten müssen für die Forschung
    Lebensweg?                                   zu Medienbiographien besonders berück-
                                                 sichtigt werden, denn „retrospective data
Zu allen Fragekategorien wurde jeweils die       […] is sometimes found to be less appro-
heutige Sicht abgefragt: Gemeinsamkeiten         priate because of possible memory bias.“

                                                                                                                                                                                                       15
zur aktuellen Situation in ihren Familien, wie   (Notten/Kraaykamp/Konig 2012, S. 701)
das mit dem eigenen Kind erlebt wird, ob         Eine weitere Problematik im Umgang mit
Erinnerungen in der Kindheit dar und die                     explizitem Kinderfernsehen wie Super RTL.
4     MEDIENNUTZUNG der ELTERN in IHRER KINDHEIT                                            Erinnerungen sind für die meisten Eltern                     Viele Familien hatten dagegen nur Zugriff
                                                                                            noch so präsent, dass sie auf Anhieb viele                   auf die öffentlich-rechtlichen Programme
Wenngleich alle Eltern des Samples Kinder     In der Betrachtung der Medienbiographie       Lieblingssendungen oder Figuren nennen                       und damit auf drei oder vier Sender. Eltern,
im frühen Kindesalter oder aber im Kinder-    der Eltern wird zunächst der Blick darauf     sowie detaillierte Beschreibungen von                        die nicht in Deutschland, sondern etwa in
gartenalter haben, ist die Altersspanne der   gerichtet, an welche Geräte und mit die-      ritualisierter Nutzung oder besonderen                       Ostereuropa aufwuchsen, erzählen, dass
Mütter und Väter doch recht groß und lag      sen verbundenes Medienhandeln sie sich        Erlebnissen machen können.                                   sie nur auf sehr wenige Sender zugreifen
zum ersten Erhebungszeitpunkt zwischen        erinnern. Zentral ist dabei die Erinnerung                                                                 konnten und diese kaum Kindersendun-
27 Jahren und 42 Jahren. Das Alter bzw.       daran, welche Geräte den Eltern am wich-      Unterschiede zwischen den Erfahrungen                        gen ausstrahlten. Eine andere Erinnerung
der Zeitraum, in dem die Eltern ihre Kind-    tigsten, welche Medieninhalte ihre liebsten   gibt es insbesondere was die Auswahl an                      hat Frau Färber, die in einem südeuropä-
heit erlebt haben, schlägt sich insofern      waren und welche Bedeutung Medien in          Fernsehsendern anbelangt (vgl. Abb. 1).                      ischen Land ihre Kindheit verbrachte. In
auch in ihren biographischen Erinnerungen     der Rückschau für ihren beruflichen Wer-      Einige Familien hatten Zugang zum kom-                       ihrer Familie lief der Fernseher den ganzen
nieder, als die Medienlandschaft Anfang       degang hatten. Anschließend stehen die        pletten Angebot der öffentlich-rechtlichen                   Tag, teilweise sogar parallel dazu noch
der 1980er-Jahre noch eine andere war         Medien und ihre Einbettung in die Familie     und privaten Sender, darunter Sender mit                     das Radio.
als in den 90ern. Ein weiterer Unterschied    sowie im Zusammensein mit der Peer-

                                                                                                                                                                                                                          der Eltern in ihrer Kindheit
lässt sich auf die Herkunft der Eltern bzw.   group mit Blick auf ihre soziale Relevanz

                                                                                                                                                                                                                              4 Mediennutzung
den Ort, an dem sie als Kinder gelebt         im Fokus. Der Betrachtung von mit Medien                                                                                             1997
                                                                                                               1982/83                                                             „Netflix“ wird gegründet
haben, zurückführen. So beschränkte sich      verbundenen Emotionen aus der Kindheit                           Pay TV wird eingeführt
die Mediennutzung einer Mutter, die aus       und der Bedeutung der Medien für ihre                                                                                    1995
                                                                                                                    1983/84                                            SuperRTL geht         2007
der ehemaligen Sowjetunion stammt, auch       Gefühlsregulierung folgt der Stellenwert                              Das erste Mobiltelefon der Welt                    auf Sendung           Das erste iPhone und
                                                                                                                    „DynTAC 8000x“ von Motorola kommt                                        der Amazon Kindle
angebotsbedingt auf eine begrenzte Zeit       von Medien als Orientierungsquelle und in                             für fast 4000$ auf den Markt                                             kommen auf den Markt
                                                                                                                                                                            1996
abends, zu der sie ferngesehen hat, wäh-      diesem Zusammenhang die Bedeutung der                                                                                         Das erste
                                                                                                                               1986                                         Smartphone            2008
rend ein Vater, der zur gleichen Zeit in      Medienheld*innen, an die sich die Eltern                                         Privat-Kommerzielle Fernseh-                 „Nokia 9000           Das erste Android-

                                                                                                                                                                                                                                 TEILSTUDIE
                                                                                                                               programme werden als verfassungs-            Communicator“         Smartphone erscheint
Süddeutschland aufgewachsen ist, ver-         erinnern.                                                                        gültig anerkannt. Somit entsteht             kommt auf             als Alternative
                                                                                                                               das duale Rundfunksystem                     den Markt             zum iPhone
schiedene Medien nach eigener Aussage
exzessiv genutzt hat.                                                                                                                       1989
                                                                                                                                            Das „World W ide       1994                 1998
                                                                                                1979                  1984                  Web“ wird entwi-       Erstes               Der erste
                                                                                                Der erste Walkman     Der erste portable    ckelt und verschafft   Nachrichten-         MP3-Player            2010
                                                                                                „Walkman TPS-L2“      CD-Spieler „Discman   so dem Internet        magazin              „MPMan F10“           Das erste
                                                                                                von Sony kommt        D-50“ kommt auf       den Durchbruch als     (Der Spiegel)        von Saehan            iPad

                                                                                                                                                                                                                                MoFam – Mobile Medien in der Familie
                                                                                                auf den Markt         den Markt             Massenmedium           geht online          wird eingeführt       erscheint

4.1 MEDIENGERÄTE und MEDIENREPERTOIRE                                                            1980                 1985                   1990                   1995                                  2010

Audiovisuelle Medien in der Kindheit:         Fernsehen. Die Erinnerungen sind zum Teil     Abbildung 2: Entwicklungen auf dem Gebiet der Medientechnik
Der Fernseher als das zentrale Familien-      mit der Einschränkung der Programmvielfalt    Quelle: Eigene Darstellung (nach Breuning/van Eimeren 2015)
medium                                        oder der Verfügbarkeit, Reglementierungen
Alle Eltern berichten in ihren Erinnerun-     oder den Haltungen ihrer eigenen Eltern
gen von Erfahrungen und Erlebnissen im        verbunden (vgl. Kap. 7). Häufig wird          Besonders auffällig ist die große Vielfalt an                umfassen unter anderem folgende Sendun-
Zusammenhang mit Medien vom Fern-             Fernsehen aber auch mit gemeinsamen           Fernsehsendungen, an die die befragten                       gen: Käpt’n Blaubär, Gummibärenbande,
seher als dem zentralen Mediengerät in        Erlebnissen, sozialen Situationen oder        Eltern sich spontan erinnern. Zum einen                      Kickers, Dragonball, Li-La-Launebär, Die
ihren Familien. In allen Familien gab es      gemeinsamer Familienzeit in Verbindung        liegt das an der beschriebenen Alters-                       Sendung mit der Maus, Kinder-Wurlitzer,
in der Kindheit zunächst zumindest ein        gebracht (vgl. Kap. 4.3). Ebenso spielen      spanne innerhalb des Samples, es zeigt                       Die Schlümpfe, Alice im Wunderland, Tom

                                                                                                                                                                                                                                17
Fernsehgerät, das im Wohnzimmer stand         im Zusammenhang mit dem Fernsehen in          aber auch das Spektrum des in den 80er                       und Jerry, Pumuckl, Speedy Gonzalez, Der
und der gesamten Familie zugänglich war.      den Erinnerungen vieler Eltern bestimmte      und 90er Jahren vorhandenen Angebots                         Rosarote Panther. Auch Tierserien wie
Die Eltern des Samples verbinden vielfäl-     Emotionen eine Rolle (vgl. Kap. 4.4). Der     an Kinderprogramm. Die genannten Lieb-                       Flipper, Lassie oder Fur y standen hoch
tige Erinnerungen an diese Zeit mit dem       Fernseher stellt einen wichtigen Anker zu     lingssendungen aus der Kindheit der Eltern                   im Kurs oder Hauptsache „irgendwas mit
Pferden“ (Frau Flacher, EH4, Sohn, 3 Jahre).   Maus oder Löwenzahn sehen. Wenn sie            nicht immer gefiel. Weitere Serien, an die      mithalten konnte, sei „der Kleine“ gewesen.
Für einige Eltern sind Familienshows prä-      aber krank war, durfte sie den ganzen Tag      sich die befragten Eltern erinnern, waren       Insgesamt sind viele der Erinnerungen der
sente Erinnerungen, so erinnert sich Herr      fernsehen. Auch andere Eltern berichten        California Clan oder Star Trek, aber auch       Eltern an ihre späte Kindheit oder Jugend
Walter an Samstagabende, an denen Ver-         von besonderen Situationen, in denen der       die James Bond-Filmreihe oder Filme mit         geprägt vom Zugang zu Sendungen, die für
stehen Sie Spaß? oder Wetten, dass…?           Fernseher eine größere Rolle einnahm. So       Bud Spencer und Terence Hill. Dass mit          sie nicht geeignet waren. An diese erinnern
mit der Familie angesehen wurden. Die          erzählt Herr Schäfer, dass er zwar in seiner   zunehmendem Alter der Medienkonsum der          sie sich besonders intensiv.
aus anderen Kulturen stammenden Eltern         Kindheit nicht viel Zeit vor dem Fernseher     Befragten anstieg, lag beispielsweise bei
erinnern sich an andere Lieblingssendun-       verbrachte, wenn es aber im Winter dunkel      Frau Berger daran, dass ihre Eltern sehr viel   Eigene Geräte als wichtige Medien-
gen. So berichtet Frau Berger, dass sie in     war „… und man nicht mehr um die Uhrzeit       arbeiten mussten und sie selbst deshalb         erfahrung in der späteren Kindheit und
ihrer Kindheit am liebsten osteuropäische      draußen spielen konnte, sind wir eigentlich    viel Zeit vor dem Fernseher verbrachte.         Jugend
Märchenfilme gesehen habe, es insgesamt        schon immer davor gesessen. Da durften                                                         Für die meisten Eltern waren die wichtigsten
aber wenig Angebote für Kinder gab:            wir auch eigentlich immer schauen. Das         Viele Eltern berichten davon, dass sie über     Medien diejenigen, die sie selbst besitzen
                                               war so ein fest abgegrenzter Zeitraum.“        das Fernsehen mit für sie ungeeigneten          durften. Einige bekamen ab einem Alter
   „Wir hatten echt wenig zur Auswahl, weil    (EH4, Sohn, 4,5 Jahre) Manche erinnern         Inhalten in Kontakt gekommen seien. Frau        von etwa zwölf Jahren einen eigenen Fern-
   wir hatten nur drei Fernsehkanäle und       sich außerdem an die Rezeption von Sport-      Ritter sah Sendungen wie Der kleine Vam-        seher. Schon früher aber war der Besitz

                                                                                                                                                                                              der Eltern in ihrer Kindheit
   immer um halb neun kam eine Gute-           sendungen. Frau Flacher wie auch Herr und      pir, von denen sie Alpträume bekommen           von Kassettenspielern, Walkman oder

                                                                                                                                                                                                  4 Mediennutzung
   nachtgeschichte, so wie Sandmännchen        Frau Brandt erzählen, dass sie als Kinder      habe. Herr Bogner erinnert sich, dass er als    einem eigenen Gameboy von besonderer
   in der DDR, so ähnlich. Viertelstunde       Sportsendungen, insbesondere Fußball           Kind „Erwachsenensachen“ (EH4, Tochter,         Bedeutung. Später kamen dann eigene
   hat es nur gedauert. Genau. Und             oder W intersport ansehen durften.             5,5 Jahre) mitschauen durfte wie Aktenzei-      Computer dazu.
   danach mussten wir schlafen gehen.                                                         chen XY, Derrick, Der Alte oder Ein Fall für
   [...] Und einmal pro Woche, samstags,       Fer nsehen in der späteren Kindheit:           Zwei. Herr Grün berichtet von Horrorfilmen      Besonders stolz war Frau Baumer auf ihren
   gab es einen Märchenfilm. Also dar-         Identitätsarbeit und Grenzüberschrei-          wie Der weiße Hai oder Tanz der Teufel, die     ersten Walkman, den sie sich von ihrem
   auf haben wir immer gewartet. Genau.        tung                                           er sich sehr gerne angeschaut habe. Die         eigenen Geld auf dem Flohmarkt gekauft

                                                                                                                                                                                                     TEILSTUDIE
   Und sonntags oder in den Ferien lie-        Für manche Eltern begann das Fernse-           Rolle von älteren Geschwistern thematisiert     hatte. Sie fand ihn so schön, dass sie ihn
   fen Kinderfilme, auch vormittags, ein       hen erst mit dem Eintritt ins Schulalter an    Herr Bogner, der feststellt, dass es mit        nicht oft genutzt habe:
   Film. Die haben wir alle geliebt, also      Bedeutung zu gewinnen. Als Frau Grün           älteren Geschwistern häufiger passierte,
   so schöne Kinderfilme. Ja, deswegen         in die Grundschule kam, wollte sie unbe-       dass nicht altersgemäße Sendungen ange-            „Ich habe ihn gar nicht oft hergenom-
   haben wir alles angeguckt, weil es, es      dingt die Sesamstraße sehen, um in der         sehen wurden, bei denen die Jüngeren               men. Aber ich hatte ihn und es war
   gab nur das." (Frau Berger, EH4, Sohn,      Peergroup mitreden zu können. Sie hatte        „dann immer Schiss hatte[n]“:                      mir wichtig, dass ich ihn hatte. Das

                                                                                                                                                                                                    MoFam – Mobile Medien in der Familie
   2,5 Jahre)                                  ihre Mutter deshalb angefleht, die Sendung                                                        weiß ich noch. Aber ich habe ihn nicht
                                               sehen zu dürfen. Die Sesamstraße blieb            „Mein Bruder hat mich auch immer                oft ausgepackt, weil er so schön war.
Nur vereinzelt spielte bei den inter view-     lange ihre Lieblingssendung, dazu kamen           geärgert, der wollte mich auch immer            Von Sony. Ein richtig schöner weißer.
ten Eltern das Fernsehen in der Kindheit       dann später Filme wie Manta Manta oder            gruseln. Wenn meine Eltern nicht da             Damals schon stylisch.“ (Frau Baumer,
kaum eine Rolle. So berichtet Frau Unger,      Serien wie Pippi Langstrumpf. Auch bei            waren und er aufgepasst hat, dann war           EH4, Sohn. 4,5 Jahre)
dass sie lediglich mit ihrer Großmutter        Frau Ritter, die zunächst nur ab und zu Die       immer Horrorfilmabend, halt heimlich.
die Schwarzwaldklinik angesehen habe,          Sendung mit der Maus oder Löwenzahn               Aber das verbinde ich auch bis heute         Hier wird besonders deutlich, wie wichtig
ansonsten sei Fernsehen aber nicht             sehen durfte (s. o.), kamen im Laufe ihrer        mit meinem Bruder und das nehme ich          es für viele Eltern war, als Kind ein eigenes
wichtig gewesen. In ihrer Kindheit waren       Kindheit neue Lieblingssendungen wie              ihm auch übel (lacht). Ich habe heute        Mediengerät zu besitzen. Entsprechend
Medien generell nicht sehr präsent. Als        Sissi, Nesthäckchen oder Weihnachtsse-            noch Angst in Kellern.“ (Herr Bogner,        hatten auch die eigenen Kassetten eine
einziger in der Befragung gab Herr Ritter      rien dazu. Mit 13/14 Jahren hatte sie dann        EH4, Tochter, 5,5 Jahre)                     besondere Bedeutung. Sie wurden für
an, dass er als Kind gar keinen Zugang zu      einen eigenen Fernseher in ihrem Zimmer.                                                       das Abspielen von Hörspielen und Musik

                                                                                                                                                                                                    19
einem Fernseher hatte. Seine Frau stellt       Für andere Eltern waren im späteren Kin-       Als konkrete Titel nennt er Poltergeist         verwendet und sie wurden mit Musik
fest, dass sie in ihrer Kindheit nur wenig     desalter Krimiserien besonders reizvoll wie    oder Der Exorzist und spricht von einer Art     aus dem Radio bespielt oder getauscht.
ferngesehen habe, nur gelegentlich durfte      Hart aber Herzlich oder Seifenopern wie        Wettbewerb im Freundeskreis, wer welche         Beliebt waren vor allem die Hörspiele
sie Sendungen wie Die Sendung mit der          Falcon Crest, auch wenn das ihren Eltern       Horrorfilme schon gesehen habe. Wer nicht       von Bibi Blocksberg, Bibi und Tina,
Benjamin Blümchen, TKKG oder Die drei           Neben Kassettenrekorder und Walkman             gelernt, Word und das Internet zu nutzen       Medien nicht mehr reiner Konsum waren:
Fragezeichen. Beinahe alle Eltern hatten in     hatten viele der befragten Eltern einen eige-   und sich eine eigene Mailadresse anzule-       "[V]on daher war das, gerade in der Uni-
ihrer Kindheit einen Walkman oder Kasset-       nen Gameboy, den „man damals einfach            gen: „Du hast Tastschreiben gehabt und         versität, wollte ich sowas auch nutzen,
tenrekorder, vereinzelt auch eine eigene Ste-   haben musste.“ (Herr Bogner, EH4, Tochter,      du hast in Word etwas gelernt und du hast      um diese Möglichkeiten einfach zu haben,
reoanlage oder einen Schallplattenspieler.      5,5 Jahre) Frau Beckmann war in ihrem           noch mitgekriegt, wie du ins Internet gehst    selber dann Medien zu gestalten." (ebd.)
Frau Baumer bekam den Plattenspieler            Dorf das erste Kind, das einen Gameboy          oder deine eigene Emailadresse anlegst,        Für ihn sei es immer ein „Kinderwunsch“
ihres Vaters und durfte seine LPs mitnutzen.    und eine Super Nintendo Konsole hatte.          aber das war es dann auch schon.“ (Frau        gewesen: „Filme auf die Kinoleinwand zu
Viele Eltern können sich noch an ihre erste     Im Winter kamen dann die Kinder aus dem         Beckmann, EH4, Sohn, 6 Jahre) Mittlerweile     bringen, das war ein absoluter Traum.“
Kassette oder auch Schallplatte erinnern.       Dorf zu ihr nach Hause und spielten der         spielen Medien in ihrem Beruf eine wichtige    (ebd.) Einen technischeren Beruf wählte
Musik hatte eine sehr große Bedeutung und       Reihe nach damit. Sie erinnert sich beson-      Rolle, um mit Kunden zu kommunizieren          Herr Brandt. Das Ausprobieren mit seinem
stand ebenso wie das eigene Mediengerät         ders an Spiele wie Super Mario, Super           und den Internetauftritt des eigenen Unter-    eigenen Computer in der Jugend habe ihm
dafür, eine eigene Identität zu entwickeln      Mario Kart oder Super Mario World. Neben        nehmens zu pflegen. Ähnlich erinnert sich      sehr geholfen, sich technisches W issen
und im Freundeskreis dazuzugehören. Das         dem Gameboy und dem Super Nintendo              Frau Walter an das Fach EDV in der Aus-        anzueignen. Frau Färber erinnert sich an
Radio wurde dagegen von den Befragten           hatten auch Spielecomputer wie der C64          bildung und dass sie ihre Hausaufgaben         Informatikunterricht ohne Computer, sie
nie als wichtiges Mediengerät genannt.          oder ein Amiga 500 für einige Eltern einen      ab und an tippen musste. Auch Frau Unger       habe aus Büchern gelernt, Computer habe

                                                                                                                                                                                                der Eltern in ihrer Kindheit
Frau Berger erklärt, das Radio sei nie so       hohen Stellenwert. Generell war für viele       erzählt, sie sei erst mit 17 im Rahmen ihrer   sie eher als „Schreibmaschine“ genutzt

                                                                                                                                                                                                    4 Mediennutzung
wichtig gewesen. Lediglich im W inter saß       ab dem Jugendalter dann der Computer            Ausbildung mit einem Computer in Kontakt       (EH4, Tochter, 2 Jahre). Andere Eltern
die Familie jeden Morgen ab sieben Uhr vor      sehr wichtig. Im Gegensatz zum Kasset-          gekommen, ihr Mann habe nicht einmal in        hatten bereits in der Schule Informatik.
dem Radio, um sich darüber zu informieren,      tenrekorder und dem Fernseher hatte nur         der Ausbildung einen Computer gehabt.          Herr Schäfer erzählt, er habe eine Program-
ob die Schule wegen Kälte geschlossen           etwa die Hälfte der Eltern im Laufe ihrer                                                      miersprache gelernt. Er hat zwar nicht das
war. In vielen Familien war das Radio ein       Jugend einen eigenen Computer. Mit dem          Bei anderen Elternteilen war der Compu-        Gefühl, dass Medien seinen Lebensweg
Nebenbeimedium, das im Hintergrund lief.        Computer wurden LAN-Partys organisiert          ter schon in der Schule und Ausbildung         direkt beeinflusst hätten, ist aber der Mei-
Es hatte jedoch keinen Identifikationswert.     und vor allem Videospiele gespielt, unter       sehr wichtig. Sowohl Väter als auch Mütter     nung, dass er in seiner Jugend eine starke

                                                                                                                                                                                                       TEILSTUDIE
Einige Eltern erwähnen später hinzugekom-       anderem Bubble Bobble, Vermeer, „Bal-           berichten, dass ihre Medienaffinität ihnen     Medienaffinität hatte und „süchtig“ gewesen
mene CD-Sammlungen, denen sie aber              lerspiele“ (Herr Lindmüller, EH4, Tochter,      auch im Beruf einen Weg eröffnete. Herr        sei nach Computerspielen, deshalb habe er
nicht dieselbe Bedeutung zuschrieben wie        4 Jahre) oder „ein Spiel, bei dem man           Bogner entwickelte bereits als Kind die        seine berufliche Zukunft nicht zufällig in der
den Kassetten. Dies hängt auch mit einer        einen Ball hin und her bewegen muss“            Liebe zu Film und Fernsehen, hatte in der      Informatik gefunden. (Herr Schäfer, EH4,
so beschriebenen besonderen haptischen          (Frau Färber, EH4, Tochter, 2 Jahre). Herr      Jugend eine „exzessive“ Fernsehphase           Sohn, 4,5 Jahre) Er erzählt auch, dass er
Erfahrung des Mediums zusammen.                 Schäfer erzählt, dass er „süchtig“ nach         und arbeitete später eine Zeitlang in der      bereits vor dem Studium das Programmie-

                                                                                                                                                                                                      MoFam – Mobile Medien in der Familie
                                                Videospielen gewesen sei, er habe exzes-        Filmproduktion (EH4, Tochter, 5,5 Jahre).      ren ausprobieren konnte. Aus dem Studium
                                                siv Counterstrike gespielt, was er heute        Dabei spielten an seiner Schule Medien         nimmt Herr Schäfer eine Sensibilität für
                                                als vergeudete Zeit ansieht (EH4, Sohn,         kaum eine Rolle. Aber Herr Bogner hatte        das Thema Datenschutz mit. Auch bei Frau
                                                4,5 Jahre).                                     früh einen eigenen Computer bekommen,          Ritter hat sich ihre Medienaffinität in der
                                                                                                zu dem Zeitpunkt, als das Internet immer       beruflichen Karriere niedergeschlagen. Sie
                                                                                                schneller wurde und „richtig angefangen        hat im Alter von zwölf Jahren bereits erste
                                                                                                hat zu funktionieren“ (Herr Bogner, EH4,       journalistische Artikel geschrieben. Medien
                                                                                                Tochter, 5,5 Jahre). Er empfand diese          haben auch für sie schon immer eine große
4.2 MEDIEN auf dem LEBENSWEG                                                                    Entwicklung als „Befreiung“, dass es die       Rolle gespielt.
                                                                                                Möglichkeit gab, sich darzustellen und
Neben ihrer Bedeutung in der Freizeit           von ihnen sind Medien mittlerweile nicht
spielen Medien oft auch eine Rolle im           mehr verzichtbar, während sie in der Schule

                                                                                                                                                                                                      21
Zusammenhang mit der Schule oder für die        keine große Rolle spielten. Frau Beckmann
Berufswahl. Die befragten Eltern berichten      erzählt, in der Schule seien Medien nie
sehr unterschiedlich über die Bedeutung         wichtig gewesen. Außer einem Maschinen-
von Medien in ihrem Werdegang. Für einige       schreibkurs, den sie hatte, habe sie noch
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