MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern - ein Erfolgsmodell für Versorgungsqualität

 
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7.2011     Krankenhaus                                                                                                    Recht

Matthias Wallhäuser/Norbert Groß

MVZ in Trägerschaft von
Krankenhäusern – ein Erfolgsmodell
für Versorgungsqualität
Studie: Krankenhäuser sind als Träger von Medizinischen Versorgungszentren gleichzustellen

   Die vom Deutschen Evangelischen Krankenhausverband e.V. (DEKV) in Auftrag gegebene Studie zur beabsichtigten
   Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb von Medizinischen Versorgungs-
   zentren (MVZ) kommt zu einer eindeutigen Bewertung: Durch das GKV-Versorgungsgesetz dürfen Krankenhäuser in
   der Trägerschaft von MVZ nicht beschränkt werden. Als Schnittstelle der stationären und ambulanten (Grund-)Ver-
   sorgung spielen Krankenhaus-MVZ schon heute eine wichtige Rolle. Vernetzte und patientenorientierte Behand-
   lungsstrukturen gewährleisten Therapiefreiheit und zeitnahen medizinischen Service. Gerade gemeinnützige Kran-
   kenhäuser unterliegen beim Betrieb von MVZ keinem Verdacht, medizinische Entscheidungen von wirtschaftlichen
   Interessen abhängig zu machen. Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Beschränkungen drohen zu einer Verschlechte-
   rung der Versorgungssituation gesetzlich versicherter Patienten, sowohl ambulant wie stationär, zu führen.

U      m die ärztliche Versorgung im Krankenhaus und die am­
       bulante ärztliche Versorgung zu verbinden sowie wirt­
 schaftliche Effizienz und Versorgungssicherheit besser mit­ein­
                                                                   ten zusammen. Nach § 95 Absatz 1 SGB V sind MVZ „fach­
                                                                   übergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte,
                                                                   die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder
ander zu vereinbaren, sind MVZ vom Gesetzgeber mit dem             Vertragsärzte tätig sind“.
Gesetz zur Modernisierung der GKV (in Kraft getreten am                MVZ können sich bisher aller zulässigen Organisationsfor­
1. Januar 2004) eingeführt worden. In der Gesetzesbegrün­          men (zum Beispiel GbR, GmbH oder AG) bedienen. Sie kön­
dung hat der Gesetzgeber die „Überwindung sektoraler Grenzen       nen von den Leistungserbringern, die aufgrund von Zulassung,
bei der medizinischen Versorgung als weiteres wesentliches         Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung
Ziel der Reform“ hervorgehoben (BT-Drucks. 15/1525 Seite 74        der Versicherten teilnehmen, gegründet werden (§ 95 Absatz 1
– Hervorhebungen durch die Verfasser). Zur Erreichung dieses       Satz 6 SGB V).
Ziels hat er ferner ausgeführt: „Deshalb wird ein Wettbewerb           Daraus, dass MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teil­
zwischen verschiedenen Versorgungsformen ermöglicht, mit dem       nehmen, folgt, dass die für Vertragsärzte geltenden Bestimmun­
Ziel, dass Patienten jeweils in der ihren Erfordernissen am        gen (§§ 95–104 SGB V), insbesondere hinsichtlich Zulassung,
­besten entsprechenden Versorgungsform versorgt werden             Zulassungsbeschränkungen und Vergütung, auch für MVZ gel­
 können. Ein Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Versorgungs­    ten. Es bedarf der Zulassung von MVZ als solcher durch den Zu­
 formen beschleunigt zudem Innovationen und ermöglicht es, Effi­   lassungsausschuss der zuständigen Kassenärztlichen Vereini­
 zienzreserven zu erschließen“ (BT-Drucks. 15/1525 Seite 74 –      gung (§ 95 Absatz 2 SGB V) ebenso wie der Genehmigung für die
 Hervorhebungen durch die Verfasser).                              Anstellung von Ärzten in MVZ. Die Genehmigung ist zu ertei­
     Zudem hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass MVZ        len, wenn die Ärzte des MVZ in das Arztregister eingetragen
 neben Vertragsärzten als gleichberechtigte Leistungserbringer     sind und keine Überversorgung (§§ 101, 104 SGB V) vorliegt.
 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen (BT-Drucks.
 15/1525 Seite 107). „Durch die Beschränkung auf die im Sys­       MVZ als Erfolgsmodell
 tem der GKV tätigen Leistungserbringer soll sichergestellt
 sein, dass eine primär an medizinischen Vorgaben orientierte      Anhand der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
 Führung der Zentren gewährleistet wird.“ (BT-Drucks. 15/1525      (KBV) zur Verfügung gestellten Daten und Fakten (Stand: II.
 Seite 108)                                                        Quartal 2010) lässt sich recht anschaulich nachvollziehen, dass
     Nach § 72 Absatz 1 SGB V wirken MVZ (neben Ärzten,            die gesetzgeberischen Ziele bei Einführung von MVZ, insbe­
 Zahnärzten, Psychotherapeuten und Krankenkassen) zur Si­          sondere von Krankenhaus-MVZ, umgesetzt und realisiert
 cherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicher­     ­wurden und werden:

                                                                                                                              1
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Recht                                                                                               Krankenhaus         7.2011

                                                                                         überwiegende Anzahl aller MVZ (741
 Abbildung 1: Gesamtkennzahlen
                                                                                         bzw. 47,3 Prozent) von Vertragsärzten
                                                                                         betrieben wurde (u Abbildung 1). Le­
                                                                                         diglich ein Anteil von 14,2 Prozent aller
                                                                                         MVZ wird von Leistungserbringern au­
                                                                                         ßerhalb des Kreises von Vertragsärzten
                                                                                         und Krankenhäusern betrieben und ist
                                                                                         damit potenziell in Trägerschaft versor­
                                                                                         gungsferner Träger.
                                                                                              Über 40 Prozent aller MVZ liegen
                                                                                         in ländlichen Regionen mit einer
                                                                                         ­Einwohnerdichte von unter 100/km2
                                                                                         (u Ab­bildung 2). MVZ stellen daher
                                                                                         schon heute ein wichtiges Instrument
                                                                                         zur Sicherstellung der vertragsärztli­
                                                                                         chen Versorgung in strukturschwäche­
                                                                                         ren Regionen dar. Den Zugang zur Trä­
 Quelle: MVZ-Statistik der KBV, II. Quartal 2010
                                                                                         gerschaft eines MVZ zu beschränken,
                                                                                         könnte eine Schwächung dieses Instru­
 Abbildung 2: Räumliche Ansiedlung                                                       ments bedeuten und die Gefährdung
                                                                                         der Versorgungssicherheit in ländli­
                                                                                         chen Regionen verschärfen. Da be­
                                                                                         kanntlich der bedarfsplanungsrechtli­
                                                                                         che Begriff der Unterversorgung der­
                                                                                         zeit die Versorgungsrealität in den
                                                                                         inadäquat zugeschnittenen Planungs­
                                                                                         bezirken nicht hinreichend abbildet,
                                                                                         stellte die im ersten Eckpunktepapier
                                                                                         des BMG (siehe unten) vorgestellte Öff­
                                                                                         nungsklausel für den Betrieb von Kran­
                                                                                         kenhaus-MVZ keine wirksame Begren­
                                                                                         zung dieser Gefährdung dar.
 Quelle: MVZ-Statistik der KBV, II. Quartal 2010                                              Auch an der Rechtsformwahl der
                                                                                         Krankenhäuser lässt sich festmachen,
                                                                                         dass es diesen bei der Betätigung als
 Abbildung 3: Wahl der Rechtsformen
                                                                                         MVZ-Gesellschafter nicht um Profit­
                                                                                         streben, sondern um die Sicherung der
                                                                                         ambulanten und stationären Versor­
                                                                                         gung geht (vergleiche u Abbildung 3).
                                                                                          Insgesamt 532 von 604 Krankenhaus-
                                                                                          MVZ (88,1 Prozent) werden in der
                                                                                          Rechtsform der GbR oder der GmbH
                                                                                          geführt. Lediglich 72 Krankenhaus-
                                                                                          MVZ (11,9 Prozent) werden in anderen
                                                                                          Rechtsformen geführt. Die anderen
                                                                                          Rechtsformen (etwa die der AG) wer­
                                                                                          den eher von versorgungsfernen und
                                                                                          investitionsnahen Trägern gewählt.
 Quelle: MVZ-Statistik der KBV, II. Quartal 2010                                              82 Prozent aller in MVZ tätigen
                                                                                          Ärzte üben ihre Tätigkeit als Angestell­
   Das MVZ als solches ist – unabhängig von seiner Träger­      te, nicht als Vertragsärzte aus. Obwohl der Anteil von Kranken­
schaft – insoweit ein Erfolgsmodell. Seit der Einführung bis    haus-MVZ an der Gesamtheit aller MVZ nur 38,5 Prozent be­
zum II. Quartal 2010 ist eine stetige Steigerungsrate von MVZ   trägt, ist rund die Hälfte aller angestellten MVZ-Ärzte in Kran­
zu verzeichnen.                                                 kenhaus-MVZ tätig. Das Krankenhaus-MVZ stellt sich daher
   Im II. Quartal 2010 wurden 38,5 Prozent (604) aller MVZ      als überdurchschnittlich nachgefragter Arbeitgeber für Ärzte
in Trägerschaft von Krankenhäusern betrieben, während die       dar. Die gegenüber der Arztpraxis flexiblere Besetzung von

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das
7.2011       Krankenhaus                                                                                                                   Recht

Arztstellen wird demgemäß insbeson­
                                              Abbildung 4: Verteilung in Grundtypen
dere von Krankenhaus-MVZ nutzbar
gemacht. Dabei bietet das Kranken­
haus-MVZ eine besonders effektive
Möglichkeit, die Tätigkeit als Kranken­
hausarzt und Arzt in der vertragsärztli­
chen Versorgung, auch zur Behebung
ineffizienter Strukturen und unlieb­
samer Drehtüreffekte, miteinander zu
verbinden. Zudem stellt es eine flexible
Möglichkeit dar, Beruf und Familie mit­
einander zu verbinden.
    Lediglich 109 von 1 567 MVZ (7 Pro­
zent) werden ausschließlich mit Ver­          Quelle: MVZ-Statistik der KBV, II. Quartal 2010

tragsärzten betrieben (u Abbildung 4).
Bei 48 hiervon handelt es sich um Krankenhaus-MVZ, sodass I. Eingriff in die Berufsfreiheit (Artikel 12 GG)
lediglich 61 Vertragsärzte-MVZ ausschließlich von Vertrags­
ärzten betrieben werden. Im Koalitionsvertrag vom 26. Okto­ Die im Koalitionsvertrag angestrebten Zulassungsbeschrän­
ber 2009 wird im Hinblick auf die Veränderung der rechtlichen kungen sind objektiver Natur, weil sie dazu führen, dass reine
Rahmenbedingungen für den Betrieb von MVZ hervorgeho­ Krankenhaus-MVZ nicht mehr gegründet und Krankenhäuser
ben, es gehe um den Erhalt der Freiberuflichkeit als tragendes auch nicht mehr die Mehrheit an Unternehmen mit dieser
Prinzip der Gesundheitsversorgung, das die Therapiefreiheit Zweckrichtung halten dürfen. Eine Ausnahme soll nur bei
sichere (Seite 87 der Koalitionsvereinbarung). Da auch die weit ­einer Unterversorgung (zum Beispiel im ländlichen Raum) zu­
überwiegende Anzahl der von Vertragsärzten betriebenen gelassen werden. Betroffen ist vorliegend mithin die Freiheit
MVZ (680 von 741 bzw. 91,8 Prozent) mit angestellten Ärzten der Berufswahl.
und eben nicht ausschließlich mit selbstständig tätigen Ver­                              Es ist nicht zu erkennen, dass die von der Bundesregierung
tragsärzten betrieben werden, darf daran gezweifelt werden, beabsichtigte Beschränkung der Trägerstrukturen von MVZ –
dass es mit dem zunächst geplanten grundsätzlichen Aus­ jedenfalls im Hinblick auf den grundsätzlichen Ausschluss
schluss von reinen Krankenhaus-MVZ um die Stärkung der von Krankenhäusern als alleiniger oder Mehrheitsgesellschaf­
Freiberuflichkeit geht. Jedenfalls kann eine Stärkung auf diese ter eines MVZ – notwendig sein soll, um eine solche schwere
Weise nicht erreicht werden. Es entsteht vielmehr der Ein­ Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut abzu­
druck, dass – trotz der offensichtlich positiven Auswirkungen wenden. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zum GMG
der Krankenhaus-MVZ für das Gesundheitssystem – den Ver­ (BT-Drucks. 15/1525 Seite 74) ausdrücklich darauf abgestellt,
tragsärzten als MVZ-Betreibern von Gesetzes wegen ein Wett­ dass ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Versorgungsfor­
bewerbsvorteil gegenüber anderen Leistungserbringern ange­ men wünschenswert ist (siehe oben). Es sollte nach dem Wil­
dient werden soll.                                                                 len des Gesetzgebers der Entscheidung des Patienten obliegen,
                                                                                   welche der verschiedenen Versorgungsformen seinen Bedürf­
Verfassungsrechtliche Bedenken                                                     nissen am ehesten und besten entspricht. Der Wettbewerb zwi­
                                                                                   schen den unterschiedlichen Versorgungsformen sollte zudem
Bis zum Eckpunktepapier vom 8. April 2011 sahen die Pla­ Innovationen ermöglichen und Effizienzreserven erschließen.
nungen des Gesetzgebers vor, die Mehrheit der Geschäftsan­
teile und Stimmrechte nicht Krankenhäusern, sondern Ärzten II. Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Artikel 3 GG)
zuzuweisen. Zudem sollten MVZ von Ärzten verantwortlich
geführt werden, nicht von Krankenhäusern. Lediglich für den Nach Artikel 3 GG sind alle Menschen – und auch juristische
Bereich unterversorgter Gebiete war eine Öffnungsklausel für Personen des Privatrechts (Artikel 19 Absatz 3 GG – BVerfGE
Krankenhäuser vorgesehen. Auch wenn sich dieses Vorhaben 4, 7, 12) – vor dem Gesetz gleich. Krankenhäuser, die in Zu­
nach dem Eckpunktepapier verändert hat und auch im Arbeits­ kunft ein MVZ gründen wollen, hieran aber wegen der ge­
entwurf des Versorgungsgesetzes vom 24. Mai 2011 nicht wie­ planten Gesetzesänderung gehindert sind, könnten sich auf
der aufgegriffen wurde, erscheint es sinnvoll, die rechtlichen eine Ungleichbehandlung berufen. Die Ungleichbehandlung
Bedenken hiergegen festzuhalten:                                                   fände nicht nur im Verhältnis zu Vertragsärzten statt, sondern
    Insbesondere war die verfassungsrechtliche Frage aufge­ auch im Verhältnis zu den bereits bestehenden über 600 rei­
worfen, ob der Gesetzgeber Mehrheitsbeteiligungen von Kran­ nen Krankenhaus-MVZ. Solche gründungswilligen Kranken­
kenhäusern an MVZ beschränken und damit zugelassenen häuser könnten also darauf verweisen, dass sie gegenüber ver­
Ärzten ein „Betreiber-Monopol“ für MVZ zuweisen kann, ohne gleichbaren Krankenhäusern, die bereits in der Vergangenheit
gegen verfassungsrechtlich verbürgte Grundfreiheiten zu ver­ ein MVZ gegründet haben und deshalb Bestandsschutz genie­
stoßen.                                                                            ßen, ungleich behandelt und damit diskriminiert werden. Ein

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das
Recht                                                                                                  Krankenhaus        7.2011

diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Sachgrund ist             Gründung von MVZ daher künftig in jedem Falle erschwert.
nicht ersichtlich.                                                  Sie müssten sich nicht gemeinnütziger Tochtergesellschaften
    Die von der Bundesregierung geplante Zulassungsbe­              bedienen, wollten sie sich an Ärzte-MVZ beteiligen. Ob dies
schränkung für Krankenhäuser verstößt demgemäß auch ge­             mit der notwendigen Gründereigenschaft geschehen kann,
gen Artikel 3 GG.                                                   dürfte eher zweifelhaft sein.
                                                                        Dies hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich erkannt und in
III. Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit                 die Begründung aufgenommen. Den vom Gesetzgeber heraus­
(Artikel 2 GG)                                                      gestellten vermeintlichen Zwecken der aktuellen gesetzgebe­
                                                                    rischen Planungen (Versorgungssicherung, Therapiefreiheit,
Nach Artikel 2 GG hat jeder Mensch das Recht auf die freie          Ausschluss von übermäßiger Renditeorientierung) wird die
Entfaltung seiner Persönlichkeit. Hiervon umfasst sind auch         Reform auch bereits dadurch gerecht, dass die medizinische
wirtschaftliche Betätigungen und somit auch das Betreiben           Leitung der MVZ in ärztlicher Hand liegt. Ein Ausschluss von
von MVZ (vergleiche bereits BVerfGE 25, 371, 407 Lex Rhein­         (insbesondere gemeinnützigen) Krankenhäusern aus der Trä­
stahl). Diese allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit darf     gerschaft von MVZ, konterkarierte diese Gesetzgeberziele hin­
zwar aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, das Ein­            gegen, da künftig keine gemeinnützigen MVZ mehr gegründet
griffsgesetz muss indes verhältnismäßig, also erforderlich, ge­     werden könnten. Diese sind aber in besonderem Maße von
eignet und Ausdruck des mildesten Mittels sein. Hieran beste­       dem Verdacht frei, übermäßiges Profitstreben zu betreiben.
hen bei dem geplanten Reformvorhaben der Bundesregierung                Nach dem bisherigen Willen des Gesetzgebers bieten MVZ
erhebliche Zweifel. Der vom Gesetzgeber bei der Einführung          nicht in erster Linie eine weitere Möglichkeit zu unternehme­
von MVZ bezweckte Wettbewerb unter den Leistungserbrin­             rischer Betätigung durch niedergelassene Ärzte. Durch sie sol­
gern würde wieder außer Kraft gesetzt. Die Reform wäre auch         len vielmehr Rahmenbedingungen geschaffen werden, die
nicht geeignet, das Angebot für Patienten zu verbessern, son­       eine verbesserte ambulante Behandlung von Patienten eröff­
dern würde es mittel- bis langfristig wieder verschlechtern. Es     nen – und zwar nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetz­
ist auch zweifelhaft, ob es das mildeste Mittel ist, denn ein       gebers im Wettbewerb unterschiedlicher Versorgungsformen.
Grund für die Zulassungsbeschränkung ist nicht erkennbar.           Von diesem Standpunkt aus betrachtet muss festgestellt wer­
                                                                    den: Das Wohl der Patienten ist bei gemeinnützigen Leistungs­
Gesetzgeberische Planungen benachteiligen                           erbringern in mindestens ebenso guten Händen wie bei Ärz­
gemeinnützige Träger                                                ten. Letztere sind zwar dem ärztlichen Ethos verpflichtet, aber
                                                                    eben auch immer in der Notwendigkeit, mit der ärztlichen Tä­
Die zwischenzeitlichen Planungen des Gesetzgebers hätten            tigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Tenden­
insbesondere gemeinnützige Träger von MVZ massiv benach­            ziell dürfte daher der gemeinnützige Träger eher weniger er­
teiligt. Sie standen deshalb im eklatanten Widerspruch zu der       tragsorientiert agieren als ein unternehmerisch tätiger Arzt.
zugleich vom Gesetzgeber propagierten Förderung gemein­
nütziger Träger von MVZ.                                            Beschränkung der Krankenhäuser kontra
     Krankenhaus-MVZ sind häufig gemeinnützig tätig, insbe­         Bevorteilung der Vertragsärzte
sondere dann, wenn die Krankenhausträger ihrerseits gemein­
nützig sind. Sie unterliegen dann dem gemeinnützigkeits­            Krankenhäuser haben sich als taugliche Träger von MVZ be­
rechtlichen Mittelverwendungsgebot, das es ausschließt, etwa­       währt. Sie unterliegen keinem vernünftigen Verdacht, beim
ige Gewinne des MVZ-Betriebs auszuschütten oder in nicht            Betrieb von MVZ einem unberechtigten Profitstreben nachzu­
gemeinnützige Bereiche zu transferieren. Für gemeinnützige          gehen oder medizinische Entscheidungen von wirtschaftlichen
Krankenhaus-MVZ besteht also kein vernünftiger Verdacht,            Interessen abhängig zu machen. In dem Bemühen, vertrags­
eine übermäßig renditeorientierte Einrichtung zu betreiben.         ärztliche Leistungen wirtschaftlich zu erbringen, unterschei­
Gemeinnützige MVZ müssen auch weiterhin in alleiniger Trä­          den sich Krankenhaus-MVZ nicht von Vertragsarzt-MVZ.
gerschaft von Krankenhäusern betrieben werden dürfen. An­               Krankenhaus-MVZ spielen für die Sicherstellung der ver­
dernfalls werden sie in Zukunft nicht mehr gegründet werden         tragsärztlichen (Grund-)Versorgung schon heute – nicht nur
können, denn gemeinnützige MVZ in gemeinsamer Träger­               im ländlichen Bereich – eine wichtige Rolle. Sie erfüllen voll­
schaft von Krankenhäusern und Vertragsärzten sind aus recht­        ständig die Vorstellungen des Gesetzgebers bei Einführung
lichen Gründen nicht vorstellbar. Gewinne an die Gesellschaf­       der MVZ im Jahre 2004. Denn sie bieten eine große Chance,
ter, auch die ärztlichen Gesellschafter, dürfen nicht ausgeschüt­   ärztliche Versorgung im Krankenhaus und ambulante ärzt­
tet werden. Die Neigung von Vertragsärzten, zusammen mit            liche Versorgung miteinander zu verbinden. Hier werden wirt­
einem gemeinnützigen Krankenhaus ein gemeinnütziges                 schaftliche Effizienzreserven aktiviert, ohne die Versorgungssi­
MVZ zu gründen, dürfte deshalb sehr beschränkt sein. Ge­            cherheit zu riskieren. Solche Strukturen sind ein wichtiges In­
meinnützige Krankenhäuser können aber – schon aufgrund              strument im Kampf gegen den allenthalben drohenden
des Bürgschaftserfordernisses – keine nicht gemeinnützigen          Ärztemangel.
MVZ gründen, ohne ihre eigene Gemeinnützigkeit zu gefähr­               Die vom Gesetzgeber vorgesehenen inakzeptablen Be­
den. Ihnen wäre bei der Umsetzung der geplanten Reform die          schränkungen führen zu einer Verschlechterung der Versor­

 4
das
7.2011      Krankenhaus                                                Recht

gungssituation für gesetzlich versicherte Patienten, sowohl
ambulant wie auch stationär. Wird Krankenhäusern der Ein­
satz der vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen für ver­
tragsärztliche Zwecke im MVZ verwehrt, wirkt sich dies nicht
nur negativ auf die vertragsärztliche Versorgungssituation aus,
sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit der stationären Versor­
gung.
     Eine Beschränkung der MVZ-Trägerschaft zulasten der
Krankenhäuser stellt daher eine einseitige Klientelpolitik zu­
gunsten der Vertragsärzte dar, für die es keinerlei sachliche
Rechtfertigung gibt:
     Der Umstand, dass die deutlich überwiegende Mehrheit
von MVZ in Trägerschaft von Vertragsärzten betrieben wird,
belegt, dass Vertragsärzte dieser gesetzgeberischen Unterstüt­
zung im Wettbewerb nicht bedürfen. Ferner werden auch in
den vertragsärztlichen MVZ überwiegend angestellte Ärzte tä­
tig; die Freiberuflichkeit ist heute anders als in der Vergangen­
heit auch für viele vertragsärztlich tätige Ärzte nicht mehr das
Maß der Dinge. Angesichts der erhöhten Frauenquote in der
Medizin besteht die Notwendigkeit, die Vereinbarkeit von Fa­
milie und Beruf zu verbessern. Auch vor dem Hintergrund der
demographischen Entwicklung und des bestehenden relativen
Ärztemangels stellt die Verbreiterung der Anstellungsmöglich­
keiten in der vertragsärztlichen Leistungserbringerschaft ein
notwendiges und gut geeignetes Instrument dar, das gerade
nicht wieder eingeschränkt werden sollte.
     Schon heute bestehen Vertragsärzte als Träger von MVZ
problemlos im Wettbewerb mit von Krankenhäusern getrage­
nen MVZ; sie bedürfen keiner Unterstützung durch den Ge­
setzgeber. Im Gegenteil: Nicht selten haben Vertragsärzte
durch rechtswidrige Zuweiserboykotte die Gründung von
Krankenhaus-MVZ und die damit einhergehende Versor­
gungsverbesserung für die Patienten faktisch verhindert.
     Gemeinnützige MVZ-Träger dienen in besonderem Maße
den ursprünglichen wie den aktuellen Zielen des Gesetzge­
bers. Ihnen muss die Trägerschaft von (gemeinnützigen) MVZ
erlaubt bleiben und zunehmend eröffnet werden. Das heißt,
gemeinnützigen Krankenhäusern muss die Trägerschaft von
MVZ unbeschränkt möglich bleiben, anderen gemeinnützigen
Trägerorganisationen wie Pflegeheimen und Kommunen sollte
die unbeschränkte Trägerschaft von MVZ eröffnet werden.

Anschrift der Verfasser

Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser, Fachanwalt für Medizinrecht,
Meyer-Koering Rechtsanwälte/Steuerberater, Büro Bonn/Pastor
­Norbert Groß Verbandsdirektor des Deutschen Evangelischen Kran­ken­
 hausverbandes e.V. (DEKV), Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin

Das gesamte Argumentations- und Positionspapier zu den aktuel­
len gesetzgeberischen Überlegungen zur Änderung der rechtlichen
Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb von Me­
dizinischen Versorgungszentren (MVZ) ist auf der Homepage des
DEKV unter www.dekv-ev.de zu finden.                        n

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