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DIE NEUE NÄHE Coronakrise und E-Commerce-Boom machen Direct-to- Consumer-Strategien für Hersteller noch interessanter. Auch die Konsumgüterbranche zieht nun nach. Wie man das Geschäft aufzieht, demonstrieren viele erfolgreiche Start-ups. Aber D2C hat seine Tücken AUTOR KLAUS JANKE 20 absatz wirtschaft 4 2021 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Titelgeschichte Virtueller Pop-up-Store von Lancôme: Wer beim Rundgang Miniatur- ausgaben eines Flakons findet, bekommt 30 Prozent Rabatt I ndividuelle Kosmetikberatung auch in Corona- Zeiten? Lancôme macht’s möglich. Die L’Oréal-Marke eröffnete Mitte Januar den virtuellen Pop-up-Store Advanced Génifique, in dessen Mittelpunkt das gleichnamige Anti-Aging-Serum steht. Besucherin- nen betreten einen 3D-Raum, in dem sie von einer virtuellen Pflegeexpertin begrüßt werden. Auf der weiteren Tour durch den Store können sie sich eingehend über die Welt von Ad- vanced Génifique informieren. Zudem haben sie die Möglich- keit, ein Selfie hochzuladen, das Basis für eine individuelle Hautanalyse und entsprechende Produktempfehlungen ist. Während des Rundgangs kann man darüber hinaus nach sechs versteckten Miniaturausgaben des Advanced-Génifique- Flakons suchen und damit einen 30-Prozent-Rabattcode einheimsen. Und: Besucherinnen des Shops, der noch bis Juni „Heinz to Home“: Jetzt kommen Ketchup und Bohnen direkt an die Haustür geöffnet hat, erhalten für zu Hause ein kostenloses 7-Tage- Probenset des Serums. L’Oréal, das muss man betonen, hätte den Pop-up-Store auch ohne Corona an den Start gebracht. „Die Idee stammt von unse- Treiber ist vor allem der E-Commerce-Boom. Der Kuchen wird ren Kollegen in Singapur, die es bereits sehr erfolgreich umge- größer, weil viele Verbraucher während des Lockdowns mehr setzt haben“, berichtet Thomas Töpfer, Lancôme Head of Brand online eingekauft haben und es wohl auch weiter tun werden. Digital & Communication. „Die Pandemie hat uns natürlich zu- Das weckt auch bei den Herstellern Begehrlichkeiten: Sie wol- sätzlich motiviert, es auch in Deutschland als erstem europäi- len nicht nur über ihre Handelspartner, sondern auch selbst schen Markt zu launchen.“ Mit dem Store wolle man die Marke über Amazon und eigene Online-Shops verkaufen. erlebbarer machen und einen engeren Kontakt zu den Kundin- Gleichzeitig zeigen die Erfahrungen im Lockdown: Es ist nen aufbauen, so Töpfer. Zudem könne man über die Inter- gut, wenn das Geschäft nicht ausschließlich vom stationären aktion im Store sehr viel über die Bedürfnisse der Zielgruppe Handel abhängig ist. Zudem sieht dessen Zukunft, so traurig es – Frauen zwischen 25 und 55 Jahren – lernen. klingen mag, ohnehin nicht rosig aus – Corona und damit der Natürlich darf auch gekauft werden – ein Link leitet direkt in E-Commerce verschärfen die Probleme insbesondere in den den Online-Shop von Lancôme. Hier lag der Umsatz einige Innenstädten. Wochen nach dem Start des Pop-up-Stores doppelt so hoch wie Die Folge: Wer eben kann, kurbelt das Online-Geschäft an, im Vorjahreszeitraum, berichtet Töpfer. Er zieht für das gesam- am liebsten über eigene Kanäle. Die E-Commerce-Umsätze te Projekt eine positive Zwischenbilanz: Der Store verzeichnete stiegen 2020 nicht nur bei Sportartiklern und Modemarken in den ersten vier Wochen rund 50 000 Besucherinnen und deutlich, sondern sogar im Konsumgütersektor. Unilever etwa übertraf damit bereits die Zielmarke. Töpfer betont, dass der meldete ein Plus von satten 61 Prozent. Der Online-Anteil am Pop-up-Store von Advanced Génifique nur eines von zahlrei- Umsatz liegt damit bereits bei 9 Prozent – wie viel davon auf das chen Projekten ist, über die Lancôme den direkten Kundenkon- D2C-Geschäft und wie viel auf Handelspartner entfällt, verrät takt intensivieren will. „Wir wollen unsere D2C-Aktivitäten wei- der Konzern nicht. D2C gehört aber zu den fünf Wachstums- ter ausbauen und testen daher auch kontinuierlich weitere säulen des Konzerns und soll kräftig ausgebaut werden. Fotos: Getty, Lancôme, Kraft Heinz Konzepte.“ Die Pandemie führte schon früh dazu, dass FMCG-Hersteller nach Wegen suchten, ihre Kunden auch in der Quarantäne PepsiCo und Kraft Heinz liefern nach Hause beliefern zu können. PepsiCo launchte schon im vergangenen Direct-to-Consumer (D2C), schon seit einigen Jahren ein viel Mai zwei neue D2C-Plattformen: Über Snacks.com kann man diskutierter Trend, bekommt mit der Coronakrise noch mal seitdem Chips und andere Artikel von Frito-Lay ordern, während einen gehörigen Schub. Die Hersteller wollen näher an ihre PantryShop.com Produkte anbietet, die man in einer Speisekam- Zielgruppen heran, direkte Beziehungen aufbauen und den mer vermuten würde: Müsli, Haferflocken, Pfannkuchenmi- Kundenkontakt nicht allein dem Handel überlassen. Aktueller schungen, Cerealien oder Säfte, die in Bundles zu bestimmten absatz 4 2021 wirtschaft 21 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Priorität. 45 Prozent von 120 befragten Entscheidern in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA zählen sie zu den Top3Themen, noch vor Data & Analytics (41 Pro zent) und Customer Experience (36 Prozent). „Ab 2022 ist davon auszugehen, dass über ein Drittel der Konsumgüterhersteller mit einer D2CStrategie an den Start gehen werden“, schätzt Markus Fost, Managing Partner des Beratungsunternehmens Fostec & Company. „Dabei wirkt die Covid19Pandemie wie ein Trendbeschleuniger, der die D2CLaunchzeiten um zwei bis drei Jahre verkürzt hat.“ Oreo testet individuelle Marken-Sneaker Aber schon vor der Pandemie hat der D2CTrend deutlich an Fahrt aufgenommen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer selbst verkauft, erschließt sich einen neuen Absatzkanal, spart Nike treibt seine Store-Expansion voran: 2020 startete mit Unite die Marge des Handels und macht sich unabhängiger. Gleich ein neues Konzept, das lokale Sport-Communitys in neun Städten in zeitig kann er auf den eigenen Kanälen die Marke besser insze den USA, China, Südkorea und Großbritannien zusammenbringen soll. Hier wird mit wiederverwendbaren Einkaufstaschen geshoppt nieren und die Kundenbindung stärken. Treue Käufer können belohnt werden, und wer es geschickt macht, baut ein regel rechtes LifecycleManagement auf: Hat der Kunde einmal ein Themen wie Frühstück oder Fitness vertrieben werden. Kraft Produkt gekauft, bekommt er Informationen über Neuerungen, Heinz launchte derweil in Großbritannien den Bringdienst kann Ersatz oder Zusatzartikel bestellen. „Heinz to Home“, über den man sich Konservendosen mit Boh Eine ganz wichtige Triebfeder ist auch der Lerneffekt: Wer nen und Tomaten, Suppen oder Ketchup liefern lassen kann. eigene Shops betreibt, erfährt viel mehr über seine Zielgrup Beispiele wie diese dürften Schule machen. Bei Konsum pen – Wissen, das ansonsten der Handel abgreift. Ein interes güterherstellern haben Investitionen in digitale Kanäle laut santes Experiment ist in diesem Zusammenhang der neue einer Studie von Publicis Sapient und Adobe zurzeit oberste OnlineShop, den Mondelez im vergangenen November für seine Marke Oreo eingerichtet hat. Hier dürfte es weniger um relevante Absatzmengen von Keksen gehen als vielmehr um Insights, die anderweitig nur schwer zu bekommen wären. So D2C bei Markenherstellern bietet Oreo nicht nur das komplette Kekssortiment, sondern Sportartikler liegen nach wie vor vorn auch individuell gestylte Sneaker im Markenlook und andere MerchandiseArtikel an – man testet also, was jenseits von Wie viele Hersteller setzen Die Unterschiede erklären schon auf D2C – und wer sich laut der Untersuchung Süßigkeiten für die Marke machbar ist. lässt (noch) die Finger aus unterschiedlichen Pro- Begehrlichkeiten, den Handel zu umgehen, gab es schon, als davon? Um das zu ermitteln, dukteigenschaften, die Aus- man noch gar nicht von DirecttoConsumer, sondern von führte die Universität wirkungen auf Transport- Direktvertrieb sprach. Avon, Tupperware und Vorwerk demons St. Gallen im vergangenen fähigkeit und Haltbarkeit trierten, wie man exklusive Marken aufbauen kann, die sich in Jahr eine Analyse anhand haben. Zudem gibt es Unter- Markenauftritt und Preispolitik komplett kontrollieren lassen. von 340 Unternehmen aus schiede im Kaufkontext, die Der entscheidende Hebel wurde aber im neuen Jahrtausend neun Branchen im deutsch- einen Online-Shop unter- sprachigen Raum durch. schiedlich rentabel machen: umgelegt, als das Internet den direkten Kontakt zwischen Mar Wie hoch ist der durchschnitt- ken und Kunden ermöglichte. Heute fährt sogar die wertvollste Ergebnis: Der direkte Kauf in Automarke der Welt, Tesla, ein D2CModell, und Konkurrenten liche Warenkorb? Wird das einem eigenen Shop ist bei Produkt eher geplant oder im- wie der Polestar aus dem Hause Volvo tun es ihr nach. 47 Prozent der Marken mög- pulsgesteuert gekauft? Besonders konsequent hat in den vergangenen Jahren der lich. Dabei zeigen sich deutli- che Branchenunterschiede: Ein weiteres Resultat: Sportartikler Nike den Handel in die eigenen Hände genom Eigene Online-Shops finden 76 Prozent von 25 näher men. Schon 2010 lag der D2CAnteil am Umsatz über stationäre sich vor allem in der Sport- untersuchten Unternehmen, und digitale Shops bei 13,5 Prozent. Im vergangenen Jahr und Freizeitbekleidungs- die einen Online-Shop be- kletterte er auf über 33 Prozent, in „naher Zukunft“, so Nike, soll branche (60 Prozent) sowie treiben, verfügen auch über die 50ProzentMarke erreicht werden. Auf Basis dieser direk in der Bekleidungs- und weitere digitale Vertriebs- ten Kundenbeziehungen zeigte das Unternehmen unter ande Textilindustrie (59 Prozent). kanäle, verfolgen also eine Es folgen Haushaltsartikel, anspruchsvollere D2C-Stra- rem, wie man Mass Customization aufzieht, die Kunden also bei Uhren und Schmuck, Möbel tegie. Die St. Gallener Analy- der individuellen Gestaltung der Produkte einbezieht. 2017 und Inneneinrichtung, Le- se ist Teil der Studie „Wie wird startete Nike die „Consumer Direct Offense“, die mithilfe bensmittel und Kosmetik. D2C zum Gewinntreiber?“, digitaler Technologie Innovation und Produktentwicklung vo Das Schlusslicht der Unter- die von der Schweizerischen rantreiben soll. Ein weiterer Baustein der Offensive ist die im suchung stellt mit lediglich Post gemeinsam mit dem Sommer 2020 verabschiedete Strategie „Consumer Direct 29 Prozent die Getränke- E-Commerce-Dienstleister Acceleration“ (CDA). Sie sieht steigende Investitionen in den industrie dar. Spryker erstellt wurde. ECommerce und in den Kundenkontakt vor. In diesem Zusam menhang gab Nike im Februar die Übernahme des New Yorker 22 absatz wirtschaft 4 2021 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Titelgeschichte Neuer Online-Shop von Oreo: Mondelez testet das Merchan- dising-Potenzial der Keksmarke Datenanalyse-Dienstleisters Datalogue bekannt. Er soll helfen, rant Pets Deli und die Matratzenspezialisten Casper und auf Basis von künstlicher Intelligenz und Machine Learning Emma. Das typische D2C-Start-up baut das Geschäft zunächst noch mehr Erkenntnisse aus Quellen wie dem App-Ökosystem, einzig und allein über das Internet auf, über den eigenen der Lieferkette und Unternehmensdaten zu ziehen. Die Kunden Online-Shop beziehungsweise den Amazon-Marktplatz. Später werden dabei zur nie versiegenden Quelle von Daten, die für die können stationäre Geschäfte und der Vertrieb über den Handel Produktentwicklung ausgewertet werden. „Unsere CDA-Strate- hinzukommen. gie verbessert unsere Möglichkeiten, uns mit den Konsumenten „D2C-Brands sind weltweit besonders stark im Modebereich zu verbinden und sie auf einem persönlichen Level zu bedie- vertreten“, sagt Stefan Hövel, Experte für D2C und Direct Fotos: Adobe Stock (2), Nike, Mondelez (3) nen“, sagt John Donahoe, Präsident und CEO von Nike. Brands beim Beratungsunternehmen Ecom Consulting. „Aktu- ell steigt die Zahl der Kosmetikanbieter, und künftig ist sicher D2C-Start-ups mit eingebautem Turbo mit einem deutlichen Wachstum im Food-Bereich zu rechnen.“ Wie man ein erfolgreiches D2C-Geschäft aufzieht, demonstrie- Weltweit schätzt Hövel die Zahl der D2C-Unternehmen auf über ren seit etwa zehn Jahren zahlreiche Start-ups, zunächst in den 25 000. In Deutschland dürften mehr als 1 000 Direct Brands USA, dann auf der ganzen Welt. Der Trend erreichte 2019 einen präsent sein. Hövel hat auf der Website direct-brands.de eine ersten Höhepunkt. Seitdem sind aus vielen Nischenanbietern Datenbank eingerichtet, die zurzeit rund 950 Unternehmen in bekannte Marken geworden, etwa der Sportgerätehersteller über 60 Warengruppen listet. 400 davon haben ihren Hauptsitz Peloton, der Windelanbieter Lillydoo, der Tiernahrungsliefe- in Deutschland. absatz 4 2021 wirtschaft 23 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
„WIR WOLLEN DIE INSIGHTS, Ja, ich denke schon. Es gibt ein Segment mit relativ jungen, meist weiblichen Kon- ABER AUCH DIE SALES“ sumenten, die ständig auf der Suche nach neuen Dingen sind, nach Inspira- tion. Da spielt auch der FOMO-Faktor Rik Strubel, Marketingchef von Henkel Beauty Care, über den eine Rolle – die „fear of missing out“, man will nichts verpassen. In dieser Welt Einstieg bei drei jungen D2C-Marken, den FOMO-Faktor bei jun- finden klassische Marken nur schwer gen Kundinnen und die Bedeutung direkter Kundenbeziehungen ihren Platz. Insofern ergänzen die neuen Marken unser Portfolio perfekt. INTERVIEW KLAUS JANKE Inwiefern nutzen Sie die neuen Insights für die hauseigenen Marken? Herr Strubel, Henkel ist seit vergange- Ja, das war vorrangig. Wir können damit Wir führen ja bereits Marken, die ähnlich nem Sommer Mehrheitseigner der neue Business-Modelle übernehmen und positioniert sind, etwa got2b oder Nature D2C-Marken HelloBody, Banana die dabei gewonnenen Erfahrungen so- Box. Und wir haben in meinem Team Beauty und Mermaid + Me. Was hat Sie wie Daten in unser Kerngeschäft und das einen Inkubator gegründet, über den wir daran gereizt? gesamte Portfolio einfließen lassen. Die bereits neue Marken gelauncht haben RIK STRUBEL: Unsere Strategie zielt schon neuen Marken stellen auch eine attraktive und weiterhin launchen werden. Da er- seit Längerem darauf ab, 1:1-Kundenbe- Ergänzung unseres Beauty-Care-Port- geben sich interessante Querverbindun- ziehungen und digitale Geschäftsmodel- folios dar. gen, und die zuständigen Marketer sind le voranzutreiben. Wir sind ja bereits 2019 Was ist so interessant an im kontinuierlichen Austausch. in den USA eine Mehrheitsbeteiligung an D2C-Marken? Was unterscheidet das D2C-Geschäft eSalon.com, einem Anbieter für perso- Vor allem die Insights aus dieser ganz operativ von Ihrem klassischen nalisierte Haarkolorationen, eingegan- engen Beziehung zu jungen, digitalaffi- Geschäft? gen. Eine Beteiligung an dem Unterneh- nen Konsumentinnen. Wir erfahren aus D2C ist schneller und direkter. Der Ab- men Invincible Brands mit seinen D2C- erster Hand über ihre Bedürfnisse und satz wird durch ein ständiges Feuerwerk Marken war daher ein nächster logischer Wünsche. Diese Zielgruppen sind auch an Events und Neuigkeiten angetrieben Schritt. sehr daran interessiert, in den sozialen – wenn man nichts tut, verkauft man War es ausschlaggebend, dass es D2C- Netzwerken Anregungen zu geben und auch nichts. Im Handel dagegen sind die Marken sind? an der Weiterentwicklung der Produkte Produkte ständig sichtbar. Auch ohne mitzuwirken. Auch was die Arbeit mit Werbemaßnahmen gehen Menschen ins Influencern und die Präsenz in sozialen Geschäft und kaufen sich ein Shampoo. Netzwerken angeht, gewinnen wir wert- D2C ist da deutlich volatiler. Es kann zum volle Erkenntnisse. Beispiel zwischenzeitlich einen ver- Henkels Beteiligung liegt bei 75 Pro- schärften Wettbewerb um die Influencer zent, der Rest nach wie vor bei der geben, weil eine neue Marke gelauncht Berliner Invincible Brands Holding. wird. Die hat vielleicht noch nicht einmal Haben Sie damit auch operativ das etwas mit Beauty zu tun, will aber diesel- Kommando übernommen? ben Influencer einsetzen. Das treibt die Nein. Ziel der Mehrheitsbeteiligung ist Preise, und damit gehen plötzlich die nicht, das Geschäft zu dirigieren. Wir Kundengewinnungskosten hoch. Auf der wollen vielmehr lernen. Deshalb lassen anderen Seite haben wir im ersten Lock- wir die Marken weiterhin sehr unabhän- down geringe Kundengewinnungskosten gig agieren, die operative Führung liegt festgestellt, da die organische Reichweite bei den jeweiligen Marken-Teams. Wir durch den erhöhten Konsum von Online- setzen uns aber in der Geschäftsführung Content anstieg. Das Interesse an D2C sehr eng zusammen und prüfen, wie und die Anzahl an D2C-Erstkäufern ha- Henkel zum weiteren Wachstum bei- ben in dieser Zeit stark zugenommen. Wenn man nichts tragen kann. Unterschiede gibt es auch beim tut, verkauft man Ist es besser, wenn die Kundinnen Thema Pricing. D2C-Marken machen auch nichts von HelloBody, Banana Beauty und höhere Margen möglich, weil sie nicht Mermaid + Me nicht erfahren, dass die den Rabattschlachten des Online- Rik Strubel, Chief Marketing Marken nun zu Henkel gehören? Handels ausgesetzt sind. Officer Henkel Beauty Care Ich glaube, das spielt keine Rolle. Es war Das Thema ist für uns ebenfalls sehr span- auch vorher nicht relevant, dass die In- nend. Wir lernen viel über die Entwick- vincible Brands Holding dahintersteht. lung von Kundengewinnungskosten, über Aber Sie haben sich neue Zielgruppen den Erfolg von Werbekampagnen und gekauft, an die Sie mit den Dachmar- über die Conversion-Stärke verschiedener ken Henkel und Schwarzkopf nicht Influencer. Welches Preismodell funktio- herangekommen wären, oder? niert wo am besten? Lieber eine High-low- 24 absatz wirtschaft 4 2021 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Titelgeschichte Strategie oder Stabilität in den Preis- punkten? Das hilft uns auch dabei, unse- re eigenen Marken erfolgreicher im Omnichannel zu vertreiben. Lassen sich die Insights immer so einfach übertragen? D2C-Produkte werden häufig von ausgesprochenen Fans der Marke gekauft, die sich, wie Sie es beschreiben, auch gern in die Weiterentwicklung einbringen. Diese Klientel lässt sich doch kaum Sogar Auto goes D2C: Volvos Elektroauto Polestar kann man nur über das Netz be- mit den Gewohnheitskäufern ver- stellen – Testfahrten gibt’s in sieben Beratungscentern, unter anderem in Düsseldorf gleichen, die im traditionellen Ge- schäft sehr wichtig sind. Ja und nein. Es gibt sicherlich viele Die D2C-Brands finden ihre meist jungen Zielgruppen im Inter- Konsumenten, die sich bei den D2C- net. Sie tummeln sich bei YouTube, Pinterest und Instagram, Marken stark engagieren. Es gibt aber heuern Influencer an und ziehen ihre Communitys in einen gerade im Influencer-Bereich auch viele Dauer-Dialog. Zwischen Gründung und Launch liegen häufig Impulskäufe – man stößt auf ein Pro- nur ein paar Wochen: Eine klar umrissene Idee, die notwendige dukt, findet es interessant und greift zu. Finanzierung, ein Shop-System von Shopify oder Salesforce, Wir betreiben zum Beispiel ein Joint und es kann losgehen. „Viele dieser Firmen haben quasi einen Venture namens myATTTD, bei dem es eingebauten Turbo“, beobachtet Hövel. „Sie kombinieren Prag- um Shame-Produkte geht, um Intim- matismus und Schnelligkeit in einer Weise, wie es große Kon- pflege und Antitranspirante. Hier wer- zerne niemals können.“ den einige Produktkategorien komplett Und sie bedienen Bedürfnisse, die zum Zeitgeist passen: D2C aus dem Impuls gekauft. werden häufig als sympathischer, authentischer, umwelt- Bauen Sie D2C-Marken auch selbst bewusster, geschmackvoller oder lösungsorientierter als die auf? „Großen“ wahrgenommen. So perfektionierte das amerikani- Ja. Wir haben zum Beispiel die D2C- sche Start-up Dollar Shave Club das Abo-Geschäft mit Rasier- Marke M:ID auf den Markt gebracht, die klingen derartig erfolgreich, dass Unilever es 2016 zum Preis Produkte gegen Haarausfall bei Män- von einer Milliarde US-Dollar übernahm. nern anbietet. Bald folgt die neue Skin- „Die fünf Aspekte, durch die sich D2C-Brands häufig aus- care-Marke St. Biomé. Hier wollen wir zeichnen, sind Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit, Funktionalität, ein Hybrid-Modell fahren: Die Marke Transparenz und Fokussierung“, erklärt Hövel. „Die meisten wird in den sozialen Netzwerken nach erfüllen zumindest drei der fünf Kategorien.“ Der Experte geht der D2C-Logik vermarktet, gleichzeitig davon aus, dass die allerwenigsten D2C-Marken bereits das ist sie aber bei Pure Playern im Online- Stadium der Sättigung erreicht haben – da geht also noch was. Handel erhältlich. So können wir ver- Zudem glaubt Hövel, dass Shop-System-Anbieter „es den schiedene Zielgruppen ansprechen, Unternehmen durch Branchenlösungen künftig noch einfacher den Erfolg vergleichen und später durch machen, Zugang zu ihren Zielgruppen zu finden“. den konkreten Business-Case eine brei- te Handelseinführung umsetzen. 250 Millionen Euro für neue Akquisitionen Kurbeln Sie das D2C-Geschäft auch Gleichzeitig könnte sich der Konzentrationsprozess verschärfen deshalb an, um den Handel auszu- – nicht hinter jeder idealistisch-verspielten Website verbirgt klammern und damit die Margen zu erhöhen? Nein, darum geht es nicht. Es ist aktuell aber klar erkennbar, dass Konsumenten Fotos: Adobe Stock, Henkel, Polestar, Ecom Consulting sehr gerne online kaufen wollen. Wir als Anbieter wollen die damit verbundenen Insights, aber auch die Sales. Daher ist es für uns und unsere Wettbewerber Berater Stefan wichtig, an diesem Geschäft teilzuneh- Hövel über D2C- men. Omnichannel-Marketing wird Start-ups: „Sie zukünftig immer wichtiger und D2C kombinieren Prag- hilft uns, eigene Erfahrungen zu matismus und Schnelligkeit in einer machen und ein attraktiver Gesprächs- Weise, wie es große partner für den Handel zu sein. Der Konzerne niemals stationäre Handel wird das Kern- können“ geschäft bleiben. absatz 4 2021 wirtschaft 25 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Titelgeschichte sich noch ein unabhängiges Start-up. Die Berlin Brands Group (BBG) etwa gebietet mittlerweile über 14 Eigenmarken mit über 2 500 Produkten aus den Bereichen Haushaltsgeräte, Garten, Haus & Wohnen, Sport und Elektronik. Das Unternehmen be- schäftigt über 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in fünf Ländern und verbuchte 2020 einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro. Die Hälfte davon stammt aus eigenen Vertriebs- kanälen, Tendenz steigend, die andere Hälfte von Amazon. Thomas Stanzl, Ende Januar gab die BBG bekannt, in den nächsten andert- Chief Marketing Officer der Berlin halb Jahren insgesamt 250 Millionen Euro in den Kauf von E- Brands Group: „Es Commerce-Marken und Amazon-Händlern zu stecken. „Neue ist harte Arbeit, bei Akquisitionen sollten auf jeden Fall in das bestehende Portfolio Amazon unter die passen, so können wir Skaleneffekte und Synergien nutzen“, Top 10 der Klobürs- erläutert Thomas Stanzl, Chief Marketing Officer bei der BBG. ten zu kommen“ „Es ist sehr aufwendig, sich in neue Märkte hineinzutasten.“ Häufig unterschätze man die Vorarbeit, die für eine bestimmte Marktstellung notwendig sei. Es sei zum Beispiel „harte Arbeit, bei Amazon unter die Top 10 der Klobürsten zu kommen“. Die BBG sucht gezielt nach Unternehmen mit mindestens wie #BeKapten vor allem auf Instagram. Zunächst wurde nur 500 000 Euro und höchstens 30 Millionen Euro Jahresumsatz. über den eigenen Online-Shop verkauft, aber schon bald kamen Warum nicht größer? „Unternehmen mit einem Umsatz von Kooperationen mit Handelspartnern hinzu. über 30 Millionen Euro haben häufig schon komplexe Struktu- „Gerade in den Anfangszügen haben wir als junge, noch un- ren aufgebaut, die nicht zu unserer Logik passen“, erklärt bekannte Marke natürlich von der Reichweite der Partner profi- Stanzl. „Und sie haben ihr Portfolio oft schon in nicht rentable tiert und konnten Vertrauen in der Zielgruppe generieren“, Bereiche ausgeweitet.“ berichtet Chief Marketing Officer Marian Paul. „Man kann es Die Synergieeffekte, die sich in puncto IT, Marketing, Logis- also im Prinzip als Brand-Awareness-Tool sehen.“ Paul betont, tik oder Einkauf nutzen lassen, hat mittlerweile auch der Wett- dass der Umsatz über Handelspartner nur einen kleinen Anteil bewerb entdeckt: „Wir sehen zunehmend auch Konkurrenten, vom Umsatz ausmache. Wachsen will Kapten & Son weiterhin die unser Markenmodell zum Vorbild nehmen“, bemerkt Stanzl. über das D2C-Geschäft, um nicht von Partnern abhängig zu wer- Die größte Herausforderung sei aber eine andere: „Man führt den. Dennoch: „Es gibt keine Produktkategorie, für die wir eine einen ständigen Kampf gegen die steigenden Kundengewin- Zusammenarbeit mit Handelspartnern ausschließen“, so Paul. nungskosten.“ Diesen könne man aber über Effizienz und Auto- matisierung bei der Aussteuerung der Werbung gewinnen. Hersteller kaufen sich bei D2C-Marken ein Ein heikles Thema ist in der D2C-Szene immer wieder die Für die großen Konzerne kann es eine interessante Option sein, Frage, ob man irgendwann sein ursprüngliches Geschäfts- das eigene D2C-Geschäft durch Akquisitionen von Start-ups modell ausdehnen und sich auch dem externen Handel öffnen auf- oder auszubauen. Mars etwa hat sich die Mehrheit an Food- sollte. Zu den Befürwortern gehört Kapten & Son, ein 2014 in spring gesichert, einem Fitnessriegel-Anbieter. PepsiCo ist bei Münster gegründetes Start-up, das Uhren und andere Lifestyle- Air Up eingestiegen, das Trinkflaschen mit Wasser vertreibt, die Produkte anbietet. Erfolgreich wurde die Marke mit Hashtags gleichzeitig einen Aromaduft versprühen. Coty mischt bei Fotos: Adobe Stock, BSH (2), BBG Bosch-Manager Florian Oberkofler: „Der Kunde erwartet von einer A-Marke heute, dass er die Produkte auch online beim Hersteller Bosch-Küchenmaschine Cookit: Über eine App bestellen kann“ bekommen die Kunden regelmäßig neue Rezepte 26 absatz wirtschaft 4 2021 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
„WIR REDEN HIER ÜBER auch wirklich klappt, bevor es so viel Geld auf den Tisch legt? MASSIVE INVESTITIONEN“ Die meisten Firmen versuchen erst ein- mal, das Thema auf der Kostenseite so schlank wie möglich zu machen, über Rechnet sich meine D2C-Strategie? Wie mache ich den Online- Partnerschaften im Fulfillment zum Bei- spiel. Hinzu kommt ein möglichst agiles Shop attraktiv? Wie vermeide ich Ärger mit den Handelspartnern? Arbeiten. Gerade die IT stellt immer eine Jesko Perrey, Senior Partner McKinsey, hat einige Ratschläge große Herausforderung dar. Wer da klei- ne, skalierbare Lösungen findet, kann INTERVIEW KLAUS JANKE das Risiko schon einschränken. Ein Problem ist auch, dass die Han- Herr Perrey, führt die Coronakrise da- ja auch. Aber man hat mit einem eigenen delspartner eher verschnupft reagie- zu, dass sich nun auch Unternehmen D2C-Geschäft eine bessere Markenprä- ren, wenn Hersteller ihr D2C-Geschäft für D2C interessieren, die das Thema senz und kann von deutlich besseren forcieren. Wie kann man das Thema vorher kaltgelassen hat? Kundenkontakten profitieren. Daraus harmonisch gestalten? JESKO PERREY: Ja. Die Krise sorgt dafür, lassen sich nicht zuletzt wertvolle Er- Natürlich hat man immer den Kanalkon- dass zehn Jahre Entwicklung des E- kenntnisse für die Steuerung des Sorti- flikt. Den kann man aber partnerschaft- Commerce nun gerafft in 18 Monaten ments gewinnen. Die Grundfrage lautet lich diskutieren und optimieren. Wer stattfinden. Es gibt einen dramatischen doch: Warum sollen andere den direkten sagt, dass der Online-Shop, den ein Shift zu Online. Unser aktueller Survey Zugang zu den Kunden haben – sozusa- Unternehmen eröffnet, zwangsläufig ergibt, dass 20 Prozent mehr Bundesbür- gen zum wertvollsten Asset, das es gibt? Konkurrenz zum Shop des Handelspart- ger auch nach der Krise mehr im Internet Wem empfehlen Sie D2C-Strategien – ners darstellt? Im stationären Handel einkaufen wollen. Daher versuchen die und wem nicht? profitieren Geschäfte teilweise sogar da- allermeisten Unternehmen, ihr Online- Es gibt eine ganz einfache Formel, um von, wenn in der Nähe ein Konkurrent Geschäft zu stärken oder es überhaupt diese Frage zu beantworten: Wie verhält aufmacht, weil so mehr Frequenz ange- aufzubauen. sich der Customer Lifetime Value (CLV) zogen wird. Man kann zum Beispiel da- Warum reicht der Verkauf über die be- zu den Customer Acquisition Costs für sorgen, dass ein beeindruckender stehenden Handelspartner nicht aus? (CAC)? Die erste Komponente, also der Auftritt einer Marke in einem D2C-Shop, Klar, das Geschäft kann auch über die ex- Kundenwert, sollte mindestens zweimal in den man ja investiert, auch dem sons- ternen Plattformen laufen, und das tut es so hoch sein wie die Kundengewin- tigen Absatz der Marke zugutekommt – nungskosten. Diese Rechnung geht für also auch dem Handelspartner. die Konsumgüterindustrie unter Um- Wie schafft man es denn, den Online- ständen nicht auf, da die Kosten – von Shop attraktiv zu machen? der IT bis zum Fulfillment – sehr hoch Besonders attraktiv sind Online-only- sein können, während man oftmals eher Angebote. Die italienische Modemarke niedrigpreisige oder selten benötigte Zegna zum Beispiel bietet eine sehr hip- Produkte vertreibt. In den Kategorien pe Kollektion von namhaften Designern Reise, Telekommunikation, Media & En- an – sehr zum Leidwesen von Stamm- tertainment oder Mode ist das einfacher. kunden, die im stationären Laden ver- Gibt es auch Unternehmen, die das geblich danach fragen. Für die Attraktivi- Thema weniger von der Sales-Seite tät eines Online-Shops gilt ein Vierklang: sehen? Es kann ja sein, dass einem die ein überzeugendes Sortiment mit Consumer Insights so wichtig sind, exklusiven Produkten und spezifischen dass man die D2C-Aktivitäten nicht so Packaging-Größen, guter Service mit genau nachrechnet. personalisierter Ansprache, interessan- Alle Unternehmen behaupten erst ein- ter Content mit Geschichten rund um die mal, dass das eine wichtige Triebfeder Marke und eine inspirierende Communi- sei. Aber langfristig wird es sich rech- ty, die sogar bei der Gestaltung der Pro- nen müssen. Klar: Die Online-Shops dukte mitwirkt. Das alles ist natürlich für von Nike oder Adidas sind sehr gute Margarine schwieriger als für Turn- Kundenbindungsinstrumente und schuhe, aber es ist nicht unmöglich. werden sehr umfassende Insights Spricht auch die Dominanz von liefern. Aber auch solche Unter- Amazon im E-Commerce für die nehmen werden auf Dauer damit Etablierung eigener Online-Kanäle? Geld machen wollen. Wir reden Amazon hat ja auch Konkurrenten, hier schließlich über massive das darf man nicht vergessen. Aber klar, Investitionen. es ist wie im persönlichen Leben: Auf McKinsey-Partner Jesko Perrey ist überzeugt, dass sich jeder Online-Shop von Wie kann sich denn ein Unterneh- zwei Beinen läuft es sich besser als auf Herstellern irgendwann rechnen muss men sicher sein, dass das Ganze einem. 28 absatz wirtschaft 4 2021 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Titelgeschichte Cookit wird nach „Together to Consumer“- Prinzip vertrieben Auch die Bosch-Tochter BSH Hausgeräte bindet den Handel in die D2C-Strategie ein. Florian Oberkofler, Head of D2C Klein- geräte Deutschland, hat dafür den Begriff „Together to Consu- Marian Paul, Chief mer“ geprägt. Im Mittelpunkt steht die multifunktionale Marketing Officer Küchenmaschine Cookit, die im vergangenen Juni auf den bei Kapten & Son: deutschen Markt kam. Sie ist im Online-Shop der BSH Haus- „Es gibt keine Pro- geräte und bei rund 200 D2C-Kooperationspartnern erhältlich. duktkategorie, für die wir eine Zusam- In beiden Fällen laufen Lieferung und Bezahlung über BSH menarbeit mit Han- Hausgeräte – wird bei einem Agenturpartner gekauft, erhält er delspartnern aus- eine Provision. „Auf diese Weise können wir unter anderem si- schließen“ cherstellen, dass überall derselbe Preis gilt“, erklärt Oberkofler. Aber warum bindet man den Handel überhaupt ein? „Weil der Cookit ein Produkt ist, das einige Konsumenten vor dem Kauf erleben möchten“, so Oberkofler. Daher spielen Präsentationen, Workshops und Kochabende bei Partnern eine große Rolle – auch wenn sie im Lockdown virtuell stattfinden müssen. Auf der anderen Seite erfordert der Cookit eine direkte Verbindung zwi- den Influencer-Marken Kylie Cosmetics und KKW von Kim schen Kunde und Hersteller. Die Nutzer werden zum Beispiel Kardashian West mit. Nestlé hat die Kochbox-Versender Fresh- über eine Home-Connect-App kontinuierlich mit neuen Infor- ly und Mindful Chef übernommen und hält eine Beteiligung an mationen und Rezeptideen versorgt. Software-Updates für das den Tiernahrungs-Start-ups Tails.com und Lily’s Kitchen. Und hochkomplexe Gerät werden regelmäßig übertragen. Henkel ist Mehrheitseigner bei den Beauty-Marken HelloBody, Banana Beauty und Mermaid + Me (siehe Interview). Auf dem deutschen Markt hat Ende 2020 die Übernahme des Getränkelieferanten Flaschenpost durch den Oetker-Konzern für Aufsehen gesorgt. Flaschenpost liefert Getränke, Lebens- mittel und Haushaltsartikel an die Haustür und hat es ge- schafft, ohne jegliche Werbung eigene Bier- und Wassermarken zu etablieren. Über zwei Millionen Bestellungen gehen jährlich ein. Die Integration des Start-ups eröffnet dem Bielefelder Kon- zern Zugang zu Endkunden an über 30 Standorten, die viel- leicht bald auch Oetker-Produkte ordern. Im hochkonzentrier- ten deutschen Lebensmittelmarkt, in der die wenigen großen Filialisten große Verhandlungsmacht haben, ist ein eigenes Vertriebsstandbein Gold wert. Aber natürlich ist D2C für die großen Hersteller kein Selbst- Lieferdienst Flaschenpost: Kurbelt die Oetker-Gruppe damit bald ihr läufer, vor allem dann nicht, wenn sie erst jetzt damit starten. D2C-Geschäft an? Ein anspruchsvoller Online-Shop, Werbung in den sozialen Medien, CRM, Fulfillment, Retouren-Service – all das kann eine Zudem ist der Cookit mit seiner Vielzahl an Nutzungsmöglich- Organisation vor große Herausforderungen stellen, nicht nur keiten ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt. Daher infor- kostenseitig. Wenn nicht alles perfekt läuft, kann man das Mar- miert BSH Hausgeräte im Shop ausführlich über alle Facetten kenimage auf dem neuen Terrain ziemlich ramponieren. des Geräts. „So nehmen wir unseren Partnern einen Teil der McKinsey-Partner Jesko Perrey rät vor allem dazu, sich das Ver- Beratung ab“, sagt Oberkofler. „Wir nehmen den Kunden an die hältnis von Kundenwert zu Kundengewinnungskosten genau Hand, und wenn er den Cookit dann persönlich erleben will, anzusehen (siehe Interview). reichen wir ihn vorinformiert an den Partner weiter – so ver- Fotos: Adobe Stock, McKinsey, Kapten & Son, Flaschenpost Vor allem gilt es, Streit mit den Handelspartnern zu vermei- stehen wir ,Together to Consumer‘.“ den, die Alleingänge von Herstellern naturgemäß nicht mögen Neben dem Cookit werden zwei weitere Produkte – der – daher sollten D2C-Aktivitäten immer sorgsam abgestimmt Bosch SmartGrow sowie der Küchenmaschinen-Konfigurator werden. Eine für beide Seiten verträgliche Lösung hat der Bo- MyMUM – als exklusive D2C-Produkte im Online-Shop angebo- denspezialist Parador gefunden. Im neuen Online-Shop, der im ten. An der Integration des übrigen Sortiments in den Shop vergangenen Sommer gelauncht wurde, werden die Erträge mit wird derzeit gearbeitet, aktuell sind lediglich Zubehörartikel dem Handel geteilt. Erwirbt ein Kunde einen Artikel, bekommt bestellbar. „Der Kunde erwartet von einer A-Marke heute, dass derjenige Parador-Händler, der zum Kunden geografisch am er die Produkte auch online beim Hersteller bestellen kann“, nächsten liegt, eine Beteiligung an dessen Nettoumsatz. Die betont Oberkofler. Wichtigste Triebfeder für das Online-Ge- Erfolgsbeteiligung wird quartalsweise gutgeschrieben. Zudem schäft seien nicht möglichst hohe Absatzzahlen, sondern der haben Kunden alternativ zum Online-Kauf die Möglichkeit, Ar- Dialog mit dem Kunden. „Wir erleben ihn in der unmittelbaren tikel online zu reservieren und im Anschluss bei einem der über Kaufphase und können sehen, wie er sich informiert, was ihm 1 500 Handelspartner vor Ort zu kaufen und abzuholen. wichtig ist und welche Schritte letztlich zum Kauf führen“, absatz 4 2021 wirtschaft 29 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
Titelgeschichte illustriert der BSH-Manager. „Wenn er dann zum Schluss doch nicht in unserem Shop, sondern bei einem Partner kauft, spielt das keine Rolle.“ Ein weiterer Vorteil des Online-Shops bestehe in der Möglichkeit, treuen Kunden besondere Services anzubieten. Oberkofler sieht als großes Zukunftsthema die weitere Verbesserung der Product Experience: „Sie wird angesichts immer komplexerer Produkte wichtiger. Gleichzeitig bieten neue Technologien attraktivere Möglichkeiten der Präsen- tation und Inszenierung.“ Auch hier geht er davon aus, dass Hersteller und Händler Hand in Hand arbeiten können. Hybriden Strategien gehört die Zukunft Wie groß kann der D2C-Trend noch werden? Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Hersteller ihre D2C- Anstrengungen noch forcieren werden. Viele werden sich blutige Nasen holen, weil sich das Erfolgsmodell kleiner Start-ups nicht ohne Weiteres auf größere Strukturen über- tragen lässt. So ist es vergleichsweise einfach, auf Instagram oder Amazon für ein einzelnes oder wenige Produkte zu werben. Große Hersteller müssen aber ganze Sortimente Markenfilm für O.W.N: Das Produkt entwickelt sich bei jeder vermarkten. Daher sind künftig hybride Strategien wahr- Nachbestellung weiter scheinlich: einige Schwerpunktprodukte auch mit D2C, der Rest traditionell über den Handel. BEIERSDORF SETZT FÜR Zudem steigen bei wachsender Konkurrenz im Internet NEUE D2C-MARKE KÜNSTLICHE die Kundengewinnungskosten, die D2C-Strategien un- INTELLIGENZ EIN attraktiver machen. Gleichzeitig dürfte der E-Commerce Kann man Hautpflege personalisieren? Beiersdorf will mit der neuen D2C-Marke O.W.N den Beweis antreten. Zum Portfolio gehören Ge- sichtsreinigung sowie Tages- und Nachtpflege. Das Kürzel steht für „Only What’s Needed“, weil gezielt Inhaltsstoffe verwendet werden, die speziell für die individuellen Hautpflegebedürfnisse zusammengestellt wurden. Das Ganze basiert auf einem Algorithmus, der in der Lage ist, aus 380 000 Formelkombinationen die beste individuelle Lösung herauszu- filtern. Grundlage ist vor allem eine Befragung von über 4 000 Konsu- mentinnen und Konsumenten, die im Vorfeld der Markeneinführung durchgeführt wurde. Eine weitere Quelle ist die unternehmenseigene Studie „Skinly“, an der mehr als 10 000 Frauen in Europa und Asien teilnahmen und für die über 2,5 Millionen Hautmessungen vorgenommen wurden. Vertrieben wird die Marke im Rahmen eines rein digitalen Geschäfts- Webshops von Peloton, Lillydoo, Pets Deli und Emma: Viele D2C- modells über die Website ownskincare.eu. Dort können Interessierte Marken haben mittlerweile einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht einen Fragebogen ausfüllen, woraufhin die künstliche Intelligenz die optimale Pflegeformel ermittelt. Aber nicht nur das: „Was unser Konzept aber zulasten der stationären Geschäfte weiter gewinnen, Fotos: Adobe Stock, Beiersdorf (3), Peloton, Lillydoo, Pets Deli, Emma auszeichnet, ist, dass sich die Produkte bei jeder Nachbestellung auto- was neues Potenzial in die D2C-Welt trägt. Soziale Netz- matisch weiterentwickeln und dabei Kriterien wie Lifestyle, Lebensum- werke machen E-Commerce immer einfacher – Instagram stände oder auch Veränderungen der Haut im Jahreszeitenverlauf wird vielleicht noch in diesem Jahr auch in Deutschland berücksichtigen“, erklärt Stefan De Loecker, Vorstandsvorsitzender den Kauf über einen einzigen Klick ermöglichen, ohne dass Beiersdorf. Individualisiert werden auch die Verpackungen: Darauf bilden man die Plattform verlassen muss. die Vornamen der Kundinnen und Kunden eine Einheit mit dem Marken- Allerdings sieht es nicht danach aus, dass alle Hersteller namen, also beispielsweise „EMMA’s O.W.N“. Beiersdorf bewirbt die neue nun zu Händlern werden – das Know-how, über das der Marke auf den digitalen Kanälen, unter anderem mit einem Markenfilm auf traditionelle Handel verfügt, lässt sich nicht von heute auf YouTube und Instagram. morgen aufbauen. Zudem verfügt der Handel über einen Der Konzern ist schon länger dabei, seine D2C-Aktivitäten auszubauen. wesentlichen Vorteil: Er kann Auswahl und Markenvielfalt Im November 2019 etwa wurde auf eBay ein Nivea-Marken-Shop eröffnet, darstellen – immerhin sind nicht alle Konsumenten auf der unter anderem nur dort erhältliche Produkte anbietet. Ende 2019 stieg eine bestimmte Marke gepolt und steuern direkt deren Beiersdorf beim südkoreanischen Beauty-Start-up LYCL ein, im Februar Online-Shop an. Daher betont auch Henkel-Manager Rik 2020 wurde die Hamburger Naturkosmetikmarke Stop The Water While Strubel im Interview: „Der stationäre Handel wird das Kern- Using Me! übernommen. geschäft bleiben.“ 30 absatz wirtschaft 4 2021 Dieses Dokument ist lizenziert für HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH & Co. KG, uC57383H. Alle Rechte vorbehalten. © absatzwirtschaft. Download vom 31.03.2021 11:21 von pressearchiv.handelsblatt.media.
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