Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ
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Herausgeberin Steirisches Ernährungs- und Technologie Zentrum (STERTZ) Idee: Mag. Lisa Maurer (STERTZ) und Prof. Simon Berner (FH JOANNEUM) AutorInnen FH JOANNEUM: Anna-Lena Aufschnaiter, Msc. DI Monika Grasse Dr. Marlies Hörmann-Wallner Andrea Lienhard, Msc. DI Stephan Pabst Mit freundlicher Unterstützung von: Hartmut Derler und René Rehorska Titelbild: Käferbohne, Phaseolus coccineus H. Zell CC BY-SA 3.0 2
Vorwort Die Versorgung mit Lebensmitteln ist ein globales Thema, das jedem von uns nahegeht, denn Essen ist etwas, das alle Menschen gleichermaßen tun müssen um zu überleben. Es ist aber nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine kulturelle Handlung, die mit Selbstwert und Geselligkeit verbunden ist. Nicht umsonst heißt es „Du bist, was du isst“. Wir wollen uns in dieser Broschüre dem Thema Proteine widmen, da diese ein essentieller Bestandteil unserer Ernährung sind. Die Zukunft der Proteinversorgung ist essentiell für unsere menschliche Existenz auf diesem Planeten. Es geht dabei nicht nur um die ernährungsphysiologische Bedeutung von Proteinen bzw. die Frage welche Mengen und Arten von Proteinen gut sind (Kapitel 3), sondern auch um die Produktion von Proteinen und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch (Kapitel 1). Auch die chemische Zusammensetzung der Proteinbausteine interessiert uns und wie diese aus der Atmosphäre auf unseren Teller gelangen (Kapitel 2). Abgerundet wird diese Broschüre mit einem Überblick über die Proteinversorgung in der Steiermark, lokale Ernährungstrends und innovative Produktentwicklungen – ganz nach dem Motto „Think globally – act locally“ (Kapitel 4). Wenn Sie bis hierher gelesen haben und keine Zeit mehr haben, empfehlen wir die Abkürzung über unsere Kurzfassung (Kapitel 5) und wünschen allen LeserInnen eine spannende Lektüre. 3
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................................... 3 1. Nachhaltige Proteinversorgung - Global gedacht ........................................................................... 5 2. Wie kommt der Stickstoff aus der Luft auf den Teller?................................................................. 12 3. Wieviel und welche Proteine braucht der Mensch? ..................................................................... 16 4. Proteinquellen in der Steiermark – Regional versorgt .................................................................. 21 5. Zusammenfassung ......................................................................................................................... 25 6. Quellenverzeichnis ........................................................................................................................ 26 4
1. Nachhaltige Proteinversorgung - Global gedacht Autor: Stephan Pabst Wirtschaftliche Bedeutung historisch und Global Weltweit gibt es eine Schieflage, die sich zwischen Hunger und unzureichender Versorgung mit Proteinen sowie Überschussproduktion und Viehmast mit wertvollen Eiweißfuttermitteln erstreckt. Zumeist ist einerseits die Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln in Krisenländern oft eingeschränkt und auch die Möglichkeit Lebensmittel auf dem Weltmarkt einzukaufen für viele Staaten der Welt schlicht zu teuer (1). Die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln wurde in Ländern des Südens im 20. Jahrhunderts massiv zugunsten von Exporten von Industrierohstoffen wie Fette und Öle, Proteine und Fasern nach Europa und in die USA eingeschränkt. Lebensmittellieferungen aus den USA haben viele Entwicklungsländer in Afrika aber auch Asien davon abhängig gemacht, dass nicht angepasste Lebensmittel wie Weizen und Soja den Speiseplan bestimmen. Subventionierte Agrarüberschüsse, die auf Kosten der Ernährungssouveränität vieler Länder des Südens gehen, sind nach wie vor ein immanenter Bestandteil des WTO-basierten Agrar- und Ernährungssystems. Der Fleischkonsum ist am Beginn des 21. Jahrhunderts in den Industrieländern (69kg/Person/Jahr) deutlich höher als in sogenannten Entwicklungsländern (25 kg/Person/Jahr, Tendenz steigend)1. Dabei ist interessant, dass der Konsum von Schweinefleisch rückgängig ist und der Verzehr von Hühnerfleisch und Rind- bzw. Kalbfleisch im Steigen begriffen ist2. Innerhalb Europas ist ein Trend zu weniger Fleischkonsum in mitteleuropäischen Ländern zu beobachten, während der Fleischkonsum in den osteuropäischen Ländern steigt.3 In dieser Broschüre fokussieren wir uns auf die Versorgung Österreichs und der Welt mit pflanzlichem Eiweiß, das sowohl beim Fleischkonsum als auch bei pflanzlicher Ernährung die Grundlage für die menschliche Ernährung darstellt. Wir WissenschaftlerInnen sehen es als unsere Pflicht diese Missstände aufzuzeigen und Beiträge für eine längst überfällige Ernährungswende zu liefern (1) Hätten Sie’s gewusst? Bohnen zählen4 Für die Zutaten eines Tellers Bohneneintopf (600 kcal) muss ein New Yorker Einwohner im Jahr 2018 ca. $ 1,20 oder 0,6% seines Tageseinkommens bezahlen, während ein Bewohner des Süd-Sudans dafür $ 348,36 oder 200% seines Tageseinkommens zahlen müsste. Wenn wir das für die Steiermark umrechnen, kommen wir bei einem durchschnittlichen Tages- Nettolohn von € 53,145 auf einen Preis einer Portion Bohneneintopf von € 106,28 mit der Kaufkraft im Süd-Sudan. Mit der Kaufkraft eines New Yorkers kommen wir auf ca. € 3, das entspricht ungefähr dem Preis einer 400g Dose Käferbohnensuppe (352 kcal). Die globale Bedeutung von Proteinen wird am ehesten in der Geschichte der Sojabohne deutlich, die auch als das „Leitfossil der Globalisierung des Agrar- und Ernährungssystems seit etwa 1870“ gilt. 1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/161479/umfrage/pro-kopf-konsum-von-fleisch-nach- laendergruppen-1980-und-2005/ 2 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/296612/umfrage/konsum-von-fleisch-weltweit-nach-fleischart/ 3 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/768884/umfrage/entwicklung-des-jaehrlichen-fleischkonsums- pro-kopf-in-europa/ 4 „Counting Beans“ ist eine Studie des World Food Programm 2017, die auf die Ungleichverteilung der weltweiten Kaufkraft hinweist und anschaulich macht, wie schwer es für EinwohnerInnen wirtschaftlich schwacher und krisengeplagter Länder ist sich über Importe auf dem Weltmarkt zu ernähren: https://cdn.wfp.org/2018/plate-of-food 5 1/14 des Nettojahreseinkommen der Arbeitnehmer lt. Lohnsteuerstatistik 2017: https://www.landesentwicklung.steiermark.at/cms/dokumente/12658765_141979497/6c0c7b3b/Heft%2012- 2018%20Einkommensstatistik%202017.pdf 5
„Die Sojabohne ist seit mindestens drei Jahrtausenden Teil […] ostasiatischer Ernährungskulturen. Da sie roh ungenießbar und auch gekocht schwer verdaulich ist, wurde sie im Laufe von Jahrhunderten durch Fermentieren, Keimen und Mahlen zu verschiedenen Speisen wie Tofu, Sojasauce und Natto weiterverarbeitet.“6 Ende des 19. Jahrhunderts hat der Pflanzenbauprofessor Friedrich Haberlandt an der BOKU in Wien die direkte Versorgung der Bevölkerung mit pflanzlichen Proteinen vorhergesehen. Er führte nicht nur das Saatgut aus Japan in Europa ein und machte zahlreiche Anbauversuche. Er regte auch eine Rezeptur namens Sojenta an - eine aus Sojaschrot und Polenta bestehende Speise.7 Eine Wirtschaftskrise und zwei Weltkriege haben diesem Ansinnen jedoch eine historische Wendung verpasst: Sojaprodukte und andere Hülsenfrüchte wurden durch die Propaganda der „Volksernährung“ als „Arme Leute Essen“ stigmatisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf Österreich zum Hauptanbaugebiet von Sojabohnen im „Dritten Reich“ wurde, fanden Sojamehl, Erbsen und Lupinen statt direkt in die menschliche Ernährung Eingang zu finden, hauptsächlich über den Umweg der Viehmast auf den Speiseplan. Nach Russland und Japan wurde die USA und später Brasilien und Argentinien zu den größten Sojaexporteuren. Auf Basis dieses stetig wachsenden Stroms an Sojaprodukten nach Europa entwickelte sich vor allem an den nordwesteuropäischen Häfen ein industrieller Vieh-Mast-Komplex. Mittlerweile hat China Europa als Hauptimporteur von Soja abgelöst.8 Abbildung 1 Weltsojahandel 20119 2018 hat die EU die Idee der Pflanzenproteine stärker gefördert und die Steigerung der pflanzlichen Eiweißversorgung durch Anbau in Europa und Steigerung des direkten Konsums pflanzlicher Proteine zum strategischen Ziel erklärt. Die sogenannte Veredelung von Pflanzeneiweiß durch Viehmast ist eine Ressourcenschlacht, die auf Kosten von Wasserqualität, Gesundheit und Ethik geht und den Landverbrauch für die menschliche Ernährung unnötig vervielfacht. Um den Schweinefleischverbrauch der Industrienationen sowie die steigende Nachfrage in den Schwellenländern zu decken ist eine noch weitere Ausweitung von Ackerflächen nötig. Das ist jedoch derzeit mit der Abholzung von 6 (Langthaler, 2015) 7 (Pistrich, K. et al., 2014) 8 (vgl. Pistrich et al., 2014; Langthaler, 2015) 9 (Langthaler, 2015) 6
Regenwäldern vor allem in Südamerika verbunden. Dadurch wird im Boden gebundenes CO2 freigesetzt, das die Erderwärmung zusätzlich anfacht. Bis 2030 müsste es gelingen keine neuen Waldflächen für den Ackerbau zu roden. Eine große Herausforderung unserer Zeit ist es, die Ernährungsgewohnheiten so zu verändern, dass pflanzliche Rohstoffe nicht als „exotisch“, „gesund“ oder „Arme Leute Essen“ abgetan werden, sondern Produkte zu entwickeln, die als nährstoffreich, schmackhaft und sexy angesehen werden. (2) Hätten Sie’s gewusst? Die Schwestern der steirischen Käferbohne: Im Jahr 2018 waren nahezu 40 Hülsenfrüchte aus 8 EU-Staaten als regionale Besonderheiten (g.g.U. oder g. A.) anerkannt: Spanien (z.B. Armuna Linsen), Italien, Frankreich (Grüne Linsen), Griechenland (Santorini-Bohnen), Schweden, Lettland und Polen. Abbildung 2 geschützte Ursprungsbezeichnung auf Griechisch; Bildquelle: https://www.griechenland.net/media/k2/items/cache/dbbbfd5ec926fcc12e91510bf5b2491e_L.jpg Abbildung 3 Santorini Fava g.U., Bildquelle: https://www.yolenis.com/media/catalog/product/cache/4/thumbnail/390x520/9df78eab33525d08d6e5fb8d27136e95/t/r/ traditional-fava-pdo-santorini-santo-400g-open.jpg Die Energieeffizienz der Ernährung Die landwirtschaftliche Produktivität hat sich seit dem 19. Jahrhundert in einer radikalen Art gewandelt und die Verhältnisse von Energie-Input zu Energie-Output umgedreht. Dabei ist vor allem das Ergebnis der Studie von Friedolin Krausmann zu nennen, die die Produktivität von 1980 und 1999 eines durchschnittlichen Dorfes in einer Ackerbauregion vergleicht.10 Dabei wird deutlich, dass sich die Energieeffizienz zugunsten der Produktivität pro Fläche und Arbeitskraft deutlich verschlechtert hat, nämlich von einem Input/Output Verhältnis (GJ/ha/Jahr) von 1/5,5 im Jahr 1830 zu einem von 1/1,2 im Jahr 1999 (vgl. Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Während in der gleichen Zeit die Extraktion Abbildung 4 Energieeffizienz der Produktion von von Biomasse um 87% gesteigert wurde hat durch den Theyern im Jahr 1830 (linker Balken) und 1999 (rechter Einsatz fossiler Energie die Effizienz der Umwandlung Balken. I/O gibt das Input/Output Verhältnis von Energie-Input (positive Werte) zu Energie-Output von Energie in Nahrung deutlich abgenommen. (negative Werte) an1. 10 (Krausmann 2016) 7
Während 1830 hauptsächlich menschliche und tierische Muskelkraft 5,5-mal so viel Nahrungsenergie generieren konnte war es im Jahr 1999 die zehnfache Menge an fossiler Energie, die aber lediglich 1,2- mal so viel Nahrungsenergie produzierte. Einen weiteren Einfluss auf die Energieeffizienz der Ernährung hat das Produktionsmodell11. Bei einer Ernährung, die zu 20% tierische und zu 80% pflanzliche Komponenten enthält, können Veredelungsbetriebe mit Schweine- oder Rindermast ca. 8 Personen pro Hektar versorgen (5.722 MJ VE/ha LN)12, Milchviehbetriebe können ca. 20 Personen pro Hektar versorgen (14.078 MJ VE/ha LN) während Ackerbaubetriebe die höchste Flächeneffizienz aufweisen (20.317 MJ VE/ha LN). Die pflanzliche Produktion kann 7 Personen pro Hektar mit 80% der nötigen Nahrungsenergie versorgen. Ein weiteres Kriterium für die Bewertung der Effizienz in der Nahrungsmittelproduktion ist die Effizienz der Umwandlung von Futtermitteln in tierische Nährstoffe (eng.: feed conversion ratio, FCR). Je niedriger der FCR Wert, desto effizienter ist die Verwertung von Futtermitteln. Dabei gibt es unter den Masttieren einen Spitzenreiter, nämlich das Masthuhn bzw. Legehennen für den menschlichen Verzehr die eine FCR von rund durchschnittlich 2, je nach Berechnunggrundlage aufweist. Da die zugrundeliegenden Bewertungen der Futterqualität, der Haltungsform und der Tierart sowie die Frage welches Produkt als Output bezeichnet wird den Grad der FCR stark beeinflussen, ist es nur unter streng verreinheitlichten Bedingungen als geeigneter Vergleichswert heranzuziehen. Berechnet man den FCR von den Mehlkäferlarven (Mehlwurm) so kommt man auf einen ähnlichen FCR-Wert wie beim Huhn, nämlich 1,7. Unschlagbar ist jedoch auch bei dieser Betrachtungsweise die Sojabohne bzw. Tofu oder sojabasierter Fleischersatz, wo man auf einen FCR-Wert von lediglich 0,29 kommt.13 Abbildung 5 Energie- und Protein pro Quadratmeter Landnutzung für konventionelle und alternative Proteinquellen. Die Unsicherheiten ergeben sich durch die Schwankungen des FCR und Nährstoffgehalts14 11 (Farmlife 2015) 12 Für den Menschen verdauliche Energie (VE) in Mega Joule (MJ) pro Hektar (ha) Landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) 13 (Alexander 2017) 14 Ebd. 8
Der Europäische Protein-Markt Die EU ist ein Nettoimporteur von Rohprotein. Von den 27 Mio. Tonnen, die in den Jahren 2016/17 nachgefragt wurden, waren 93% Futtermittel (siehe Abbildung 1). Der Selbstversorgungsgrad mit Öl- und Eiweißpflanzen in der EU ist je nach Eiweißquelle unterschiedlich hoch. Bei Soja, das aufgrund seines hohen Rohproteingehalts häufigste Viehfutter, liegt er bei lediglich 5%, bei Raps 79% und bei Sonnenblumen 42%. Die Anbauflächen haben sich seit 2013 bei Soja nahezu verdoppelt auf 2,8 Millionen Tonnen im Jahr 2018. In Österreich hat sich die Sojaproduktion in den letzten zehn mehr als verdoppelt (94.543 Tonnen im Jahr 2010 bzw. 215.277 Tonnen im Jahr 2019). Dazu hat sicherlich auch die Initiative Donau- bzw. Euro- Soja beigetragen, eine Vermarktungsgemeinschaft von gentechnikfreiem Soja aus Europa. Auch bei Hülsenfrüchten wie Futtererbsen und Ackerbohnen gibt es einen Wachstumstrend. Raps ist die am häufigsten in Europa produzierte Ölsaat, deren Anbaufläche zwischen 2003 und 2018 um 66% gewachsen ist – das Öl der rund 20 Millionen Tonnen Raps wird hauptsächlich für Biodiesel verwendet und das Nebenprodukt Rapsschrot ist ein wichtiges Proteinfuttermittel in der Viehmast.15 Der Anteil des für Lebensmittel verwendeten pflanzlichen Proteins beläuft sich auf lediglich 7% des gesamten Proteinmarktes. 2017 wurden in der EU knapp 3 Millionen Tonnen Erbsen, Ackerbohnen, Linsen, Kichererbsen, andere Hülsenfrüchte und Sojabohnen konsumiert. Der Umsatz von Käse- und Fleischersatzprodukten aus pflanzlichem Eiweiß stieg in der EU von 2013- 2017 um knapp die Hälfte an, die Tendenz ist steigend. Tierfutter als Grundlage tierischer Lebensmittel Es gibt zur Fütterung grundsätzlich mehrere Eiweißquellen: Raps, Sonnenblume, Getreideschlempe (DDGS), Körnererbse und Ackerbohne. Daneben ist ein pilziges Abfallprodukt für die Proteinversorgung interessant, nämlich die Bierhefe. Der Verbrauch von Proteinfuttermitteln ist in der EU in den Jahren von 2004 - 2017 jährlich um 1% gestiegen. Den höchsten Bedarf hat die Mästung von Schweinen (33%) und Geflügel (35%). Aufgrund der Fördermaßnahmen der EU hat Österreich mit verschiedenen Maßnahmen die Anbaufläche für Eiweißpflanzen erheblich vergrößert. Das liegt vor allem an der starken Nachfrage lokaler, gentechnikfreier Futtermittel und durch Beratungsangebote wurde Soja zur viertwichtigsten Anbaupflanze. Im Jahr 2020 wurden erneut mehr Körnerleguminosen angebaut16. Gentechnisch veränderte Futtermittel machen EU-weit mengenmäßig zwar noch den Großteil der Futtermittel aus. Allerdings gibt es Länder wie Schweden und Ungarn, in denen dieser sowohl bei Geflügel, Rinder und Schweinefutter bei nahezu 100% liegt. In Österreich ist gentechnikfreies Futter auch fast überall führend, jedoch drückt die Schweinemast diesen Schnitt, da hier nur 8% des Futters gentechnikfrei ist. Weltweit werden nur 6% der Gesamthandelsmenge von Soja (9 Mio. Tonnen) gentechnikfrei vertrieben. Da die Nachfrage nach gentechnik-freien Pflanzenproteinen steigt und diese vorwiegend in der EU angebaut werden, bietet das neue Chancen für den Soja- und Körnerleguminosen Anbau in der EU, vor allem in Osteuropa, wo die größten Anbaugebiete liegen. Ernährung und Klimawandel "Wie wir uns ernähren ist ebenso wichtig für unsere Gesundheit wie für den Klimaschutz. Die eiweißhaltigen Hülsenfrüchte können zur Reduktion des Fleischkonsums beitragen, ganz im Sinne der 15 COM (2018) 757 final. Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Entwicklung von Pflanzenproteinen in der Europäischen Union. 16 https://www.agrarheute.com/markt/marktfruechte/landwirte-eu-ernten-mehr-huelsenfruechte-573842 9
Ernährungsempfehlungen der Ärzte. Dann sinken die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen um 40 bis 70%, auch ohne Vegetarier zu werden. Dass Hülsenfrüchte sich aufgrund ihrer großen Vielfalt sehr gut an das sich ändernden Klima anpassen können, ist ein zusätzlicher Grund, sie anzubauen.“17 Prof. Helga Kromp-Kolb, führende Klimaforscherin Österreichs Ernährungstrends und Nachhaltigkeit Das Thema Proteine ist abgesehen von Regionalität und Frische ein populärer Lebensmitteltrend. Sowohl der Verzicht auf Kohlenhydrate (low-carb) als auch die bewusste Auswahl pflanzlicher und tierischer Eiweißquellen die gleichzeitig wenig Fett enthalten ist unter der steigenden Anzahl von Ernährungstrends weit verbreitet18 Weltweit gibt es Ernährungspyramiden, die einen gemäßigten Fleischkonsum (max. 3 Mal wöchentlich) und einen erhöhten Verzehr von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten empfehlen, so auch die steirische Ernährungspyramide. Fakt ist, dass in den Industrienationen in den USA und Europa der Fleischkonsum zu hoch ist und Schwellenländer wie Brasilien und China massiv aufholen. Eiweißalternativen zu Fleisch und Milchprodukten sind stark im Kommen. Während Versuche Fleisch und Gemüse in Hochhäusern und Labors zu züchten eine fragwürdige Energiebilanz aufweisen, ist die Pilzzucht in geschlossenen Räumen auf Substraten, die sehr oft Reststoffe der Lebensmittelproduktion darstellen, aus Nachhaltigkeitssicht interessant. Ob Maisspindeln, Getreidespelzen oder Kaffeesud, es sind alles Rohstoffe, die keiner Verwendung als Nahrungsmittel oder Futtermittel zugeführt werden können und mit der Pilzzucht noch eine Chance auf ein neues Leben bekommen. Die Vielzahl an Fleischalternativen aus Pilzen ist groß – ein bekanntes internationales Beispiel ist „Quorn“, in Österreich hat sich die Marke „Hermann“ etabliert. Abbildung 6 Steirische Ernährungspyramide; Bildquelle: https://www.gesundheitsfonds-steiermark.at/gesunde- ernaehrung/die-steirische-ernaehrungspyramide/ 17 https://www.arche-noah.at/sortenerhaltung/samenarchiv/huelsenfruechte 18 https://www.nestleprofessional.de/news/ernaehrung/eiweiss-kraftpaket-und-ernaehrungstrend; https://www.fitforfun.de/gesunde-ernaehrung/das-sind-die-food-trends-2020-402592.html 10
(3) Hätten Sie’s gewusst? Abbildung 7 Welttag der Hülsenfrüchte; Bildquelle: http://www.fao.org/typo3temp/pics/0807e06752.jpg Die Vereinten Nationen haben den 10. Februar zum Welttag der Hülsenfrüchte erklärt. Die Arche Noah hat zu diesem Anlass 2020 rund 600 unterschiedliche Bohnen aus ihrer europaweit einmaligen Sammlung hervorgeholt und dazu aufgerufen sich Saatgut zu bestellen und anzubauen. Abbildung 8 Bohnenvielfalt der Arche Noah. Der Verein hat eine Sammlung von 600 unterschiedlichen Bohnen weltweit. da sind andere Hülsenfrüchte wie Erbsen und Linsen noch gar nicht dabei! Bildquelle: https://www.arche-noah.at/index.php?rex_resize=480c__200h__0o__dsc_5842.jpg Damit soll einmal mehr auf deren Beitrag zu einer gesunden, nahrhaften und sicheren Ernährung aufmerksam gemacht werden. Hülsenfrüchte sind weltweit eine der wichtigsten Eiweißlieferanten und Mineralstoffquellen. Sie sind köstlicher Verbündeter im Kampf gegen Mangelernährung und Hunger. Genauso wertvoll ist ihr Beitrag für gesunde, nachhaltig fruchtbare Böden, da sie in der Lage sind, Stickstoff aus der Luft zu binden und diesen als natürlichen Dünger den nachfolgenden Kulturen zur Verfügung zu stellen. Das ist auch gut für das Klima, da die Herstellung künstlicher Stickstoffdünger viel Energie verbraucht.19 19 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200207_OTS0004/welttag-der-huelsenfruechte-am-10- februar-arche-noah-holt-einzigartige-bohnensammlung-an-die-frische-luft 11
2. Wie kommt der Stickstoff aus der Luft auf den Teller? Autorin: Monika Grasser Stickstoff kommt als Stickstoffmolekül (N2) zu 78% in der Luft vor. Der Gesamtstickstoffgehalt der Erde beträgt ca. 1015 Tonnen, wobei 99% des Stickstoffs in der Atmosphäre zu finden ist. Die restlichen ca. 1% verteilen sich auf die Hydrosphäre, Biosphäre und Lithosphäre. Stickstoff ist für alle Lebewesen unverzichtbar. Er ist ein zentraler Bestandteil jeder Aminosäure und aller Proteine, diese spielen bei allen Lebensprozessen eine Hauptrolle, weil sie die in den Genen enthaltene Information in zelluläre Abläufe und Strukturen übersetzen. Sie regulieren wichtige Funktionen wie die Gen-Expression oder den Stoffwechsel, dienen als Transporter für kleinere Moleküle, oder wirken als Rezeptoren oder Botenstoffe bei der Signalweiterleitung mit.20 Atmosphärischer Stickstoff ist zum größten Teil nicht direkt für lebende Organismen verfügbar, sondern muss entsprechend modifiziert werden. Dieser Prozess wird als Stickstofffixierung bezeichnet und erfolgt entweder technisch, chemisch oder biologisch.21 Unter technischer Stickstofffixierung versteht man die Umsetzung von atmosphärischen Stickstoff (N2) mit Wasserstoff (H2) aus Erdgas (CH4) zu Ammoniak (NH3). Dieses Verfahren wird Haber-Bosch-Verfahren genannt. Neben der wissenschaftlichen Bedeutung sind besonders die Größenordnungen des industriellen Verfahrens beeindruckend: ca. 160 Mio. t Ammoniak wurden 2010 hergestellt und verbrauchten etwa 1-2 % des Weltenergiebedarfs, vor allem für die Herstellung des Wasserstoffs aus Erdgas. Vier Fünftel des produzierten Ammoniaks werden zu Düngemittelproduktion herangezogen, von der die Ernährung etwa der halben Weltbevölkerung direkt abhängt.22 Die chemische Stickstofffixierung erfolgt durch Blitzschlag bei Gewittern, bei Verbrennungsvorgängen (Verkehr, Hausbrand und Industrie) und bei vulkanischer Aktivität. Dabei entstehen aus Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2) der Luft Stickoxide (NOx), die mit Wassertröpfchen in der Atmosphäre zu Nitrat gelöst auf und in den Boden gelangen.23 Mittels biologischer Stickstofffixierung wird atmosphärischer Stickstoff (N2) in stickstoffhaltige Verbindungen (Nitrat NO3-, Nitrit NO2- und Ammonium NH4+) umgewandelt. Ammonium und Nitrat kann von den meisten Bakterien und den grünen Pflanzen als Stickstoffquelle genutzt werden, um Proteine, Nucleinsäuren und andere stickstoffhaltige Zellsubstanzen aufzubauen. Tiere und Menschen vermögen nur organisch gebundenen Stickstoff zu verwerten24. Die Stickstofffixierung erfolgt durch Mikroorganismen, die entweder frei leben (z.B. Azotobacter und Cyanobakterien) oder in symbiotischer Verbindung mit Leguminosen wie Erbsen, Sojabohnen, Klee oder Erdnüssen, wo Knöllchenbakterien (z.B. Rhizobia und Frankia) die 20 https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/stickstoffkreislauf-291 und https://hypersoil.uni-muenster.de/0/05/14.htm#Stickstoffkreislauf 21 vgl. https://www.chemie.de/lexikon/Stickstofffixierung.html 22 vgl. https://faszinationchemie.de/wissen-und-fakten/news/stickstoff-unverzichtbar-fuer-mensch-tier-und- pflanze/ 23 vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der- landwirtschaft/stickstoff#gefahren-fur-die-umwelt 24 https://www.spektrum.de/lexikon/biologie 12
Pflanzen mit Stickstoff versorgen und dafür die benötige Energie von den Pflanzen erhalten25 (siehe Abbildung 9). Abbildung 9 biologische Stickstoffkreislauf. Stickstoff wird von Bakterien aus der Atmosphäre gebunden und dient den Pflanzen als Stickstoffquelle zur Aminosäuresynthese. Tiere und Pflanzen werden von Destruenten in organisches Material abgebaut, welches zum Teil wieder in den Stickstoffkreislauf eingebunden wird, aber auch von denitrifizerenden Bakterien zu Stickstoff verwandelt und in die Atmosphäre abgegeben wird.26 Pflanzen nehmen die Stickstoffverbindungen aus dem Boden auf und verstoffwechseln diese zu Aminosäuren und weiter zu Proteinen. In der Natur wurden mehr als 700 verschiedenen Aminosäuren bisher entdeckt, von denen allerdings nur ein geringer Teil zu den so genannten proteinogenen Aminosäuren (siehe Tabelle 1) gehören.27 Tabelle 1 Proteinogene Aminosäuren. Mit * sind jene Aminosäuren gekennzeichnet, die essentiell sind. Kurz- Kurz- Kurz- Proteinname Proteinname Proteinname form form form Alanin Ala Glycin Gly Prolin Pro Arginin Arg Histidin His Serin Ser Asparagin Asn Isoleucin* Ile Threonin* Thr 25 vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/stickstoffkreislauf/63880 26 vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Stickstoffkreislauf 27 vgl. http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/16/schulmaterial/schulmaterial/aminosaeuren.vlu.html 13
Asparaginsäur Asp Leucin* Leu Thryptophan* Trp e Cystein* Cys Lysin* Lys Tyrosin* Tyr Glutamin Gln Methionin* Met Valin* Val Glutaminsäure Glu Phenylalanin* Phe Im engeren Sinn sind mit dem Begriff "proteinogen" die 20 verschiedenen Aminosäuren gemeint, aus denen die menschlichen Eiweiße (Proteine) zusammengesetzt sind. Aber auch eine Reihe von nicht-proteinogenen Aminosäuren übernehmen im Organismus wichtige Aufgaben. Die meisten der mehr als 250 bekannten nicht-proteinogenen Aminosäuren hat man bisher in Pflanzen oder Pilzen gefunden. In vielen Fällen ist ihre biologische Funktion noch nicht genau bekannt. Sie dienen z.B. als Stickstoff-Speicher für die Knospenbildung und Samenkeimung bei Pflanzen oder zeigen antibiotische Wirkung, indem sie als Aminosäure- Antagonisten wirken und die Aminosäure-Synthese oder die Proteinbiosynthese hemmen.28 Trotz der großen Vielfalt an Aufgaben sind alle Proteine nach einem einfachen Prinzip aufgebaut). Die einzelnen Aminosäuren sind wie Perlen an einer Kette hintereinander aufgereiht und miteinander verknüpft (siehe Abbildung 10). Abbildung 10 Ausschnitt aus der Primärstruktur (Abfolge der Aminosäuren) von menschlichem Insulin. Jede Aminosäure ist mit drei Buchstaben abgekürzt (siehe Tabelle 1). Wie sind Aminosäuren chemisch aufgebaut? Alle Aminosäuren verfügen über eine sogenannte Carboxyl-Gruppe (COO-) und eine Amino- (NH3+)-Gruppe sowie einer Seitenkette R, die für die chemische Eigenschaften der Aminosäure verantwortlich ist (siehe Abbildung 11) Abbildung 11 Struktur einer Aminosäure. Quelle: http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/8/bc/proteine/aminos_u_einleit/bild_aminosaeuren_1/aamodel.g if 28 vgl. http://www.chemgapedia.de/vsengine/tra/vsc/de/ch/8/bc/tra/as_protein.tra.html 14
Im Gegensatz zu Pflanzen und einer Reihe von Mikroorganismen, die alle für den Aufbau ihrer Zellproteine notwendigen Aminosäuren selbst synthetisieren können, sind Menschen nicht in der Lage, alle proteinogenen Aminosäuren zu produzieren. Diese essentiellen Aminosäuren müssen mit der Nahrung in ausreichender Menge zugeführt werden (siehe Tabelle 2). Tabelle 2 Bedarf essenzieller Aminosäuren für einen Erwachsenen laut WHO29 Aminosäure Tagesbedarf in Tagesbedarf einen 70 kg mg/kg schweren Erwachsenen in mg Isoleucin 20 1400 Leucin 39 2730 Lysin 30 2100 Methionin und Cystein 10,4 und 4,1 1050 Phenylalanin und Tyrosin 25 1750 Threonin 15 1050 Tryptophan 4 280 Valin 26 1820 Neben der mit der Nahrung zugeführten Proteinmenge ist die „Biologische Wertigkeit“ des Proteins von großer ernährungsphysiologischer Bedeutung. Bestimmte tierische Proteine sind in der Zusammensetzung dem menschlichen Eiweiß ähnlicher als Pflanzenproteine und enthalten somit die für den Menschen essentiellen Aminosäuren in ausreichender oder nahezu ausreichender Menge. Sie werden daher als „vollwertig“ eingestuft, d.h. ihre relative „Biologische Wertigkeit“ (BW) wird mit 100 % angegeben (Hühnereieiweiß). Eine geringere „Biologische Wertigkeit“ im Vergleich mit vollwertigen Eiweißen resultiert aus dem Mangel einer oder weniger essentieller Aminosäuren, die als limitierend bezeichnet werden. Bei verschiedenen Nahrungsstoffen limitieren jeweils andere Aminosäuren den biologischen Wert des Eiweißes, so dass eine vielseitige Ernährung grundsätzlich günstig ist. In Leguminosen sind vornehmlich die schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystin im Mangel; bei Getreide limitieren Lysin und danach Tryptophan.30 Im nächsten Kapitel wird näher darauf eingegangen, welche Aufgaben Proteine im Körper haben, wieviel Protein mit der Nahrung aufgenommen werden sollte und mit welchen Rezepten man die biologische Wertigkeit erhöhen kann. 29 vgl. https://www.who.int/nutrition/publications/nutrientrequirements/WHO_TRS_935/en/ 30 vgl. https://www.chemie.de/lexikon/Biologische_Wertigkeit; https://geb.uni- giessen.de/geb/volltexte/2000/320/original/bedeut.htm 15
3. Wieviel und welche Proteine braucht der Mensch? Autorinnen: Anna Lena Aufschnaiter und Marlies Hörmann-Wallner Eine ausreichende Zufuhr an Proteinen ist essentiell für die menschliche Gesundheit. Es erlaubt eine intakte Zellfunktion sowie ein gesundes Immunsystem, während bei einem Mangel Erkrankungen auftreten können31. Mit dem übermäßigen Verzehr von tierischem Eiweiß, wie es in westlichen Industrienationen häufig der Fall ist, geht jedoch oftmals auch eine zu hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren einher, die das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen32. Dennoch haben tierische Eiweißlieferanten in der Regel eine höhere biologische Wertigkeit als pflanzliche Lebensmittel, weswegen letztere mit unterschiedlichen Eiweißquellen kombiniert werden sollten. Proteinquellen und Proteinqualität Proteine für die menschliche Ernährung sind von tierischer oder pflanzlicher Herkunft. Aber auch Pilze können Eiweiß liefern. Die Proteine sind, wie im Kapitel 2 beschrieben, unterschiedlich aufgebaut. Das führt zu einer unterschiedlichen sogenannten biologischen Wertigkeit, also wie wertvoll das Eiweiß in dem Lebensmittel für unseren Körper ist. Ausgegangen wird dabei vom Hühnerei, wobei der Körper hier aus 100 g Eiweiß auch 100 g körpereigenes Eiweiß herstellen kann. Tabelle 3 Proteingehalt und biologische Wertigkeit von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln sowie Pilzen. Proteinquelle in 100 g Biologische Lebensmittel Wertigkeit 333435 Hühnerei 11,8 100 Eiweiß 16,1 Dotter 11,1 Hühnerbrust/ Schweinefleisch 23,3 70-76 (mager bis mittelfett) Rindfleisch (mager) 26,7 83 Fisch Tierisches Eiweiß Saibling/Forelle/Lachs 19 - 21 75-83 Thunfisch Kabeljau 17,7 75 Garnele 18,6 70 Muscheln 10,5 Tintenfisch 16,1 Kuhmilch 3,4 84 Topfen (20% F.i.Tr.) 12,5 81 Schnittkäse/Bergkäse/Hartkäse 26-33 83-85 Camembert/Brie/Mozzarella 13-17 81-83 Joghurt (3,6% Fett) 3,5 83 Kartoffeln gekocht 2,9 86 Eiw anz lich eiß Pfl es Erbsen 25,7 31 (Vaupel und Biesalski 2017) 32 https://www.oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/fette 33 (Koerber und Leitzmann 2013) 34 (Elmadfa 2019) 35 (Hoffman und Falvo 2004) 16
Bohnen/Linsen/Kichererbsen 23-24 73/33/- getrocknet Bohnen/Linsen Konserve 6-9 Kichererbsen Konserve 19,8? Weizenmehl 12,7 47 Mais 3,1 76 Walnuss 16 Mandel 24 Erdnuss 26,9 Leinsamen/Sesam/Hanfsamen 21-26 Luzernen/Sojasprossen 4-7 (Alfalfa) Erbsen 5 Sojabohnen roh 39 84 Weizenkeime 30 Champignon/Steinpilz roh 4,1-5,4 Pilze Pilze getrocknet, dann gekocht 5-7,5 Die Werte sind dem österreichischen Lebensmittelschlüssel entnommen36. Die Kombination unterschiedlicher eiweißreicher Lebensmittel kann die biologische Wertigkeit dieser höher werden lassen. So kann auch pflanzliches Eiweiß optimal genutzt werden. Und beim Durchlesen kann man feststellen, dass die Kombinationen in vielen Rezepten Anwendung finden. Tabelle 4 Biologische Wertigkeit typischer Kombinationen von Lebensmitteln. Lebensmittel Biologische Wertigkeit (37,38) 1/3 Hühnerei + 2/3 Kartoffeln 136 3/4 Milch + 1/4 Weizenmehl 125 60 % Hühnerei + 40 % Soja 124 2/3 Hühnerei + 1/3 Weizen 123 1/2 Milch + 1/2 Kartoffeln 114 88 % Hühnerei + 12 % Mais 114 1/2 Bohnen + 1/2 Mais 99 Aufgaben von Protein im Körper Der menschliche Körper eines Erwachsenen besteht zu ungefähr 16% aus Proteinen, wobei ca. die Hälfte auf die Skelettmuskulatur entfällt. Der übrige Anteil liegt in Form von Enzymen, Transportproteinen oder aber auch Kreatinen der Haut, Haare und Nägel sowie Kollagen im Binde- und Stützgewebe vor. Proteine sind die wichtigsten Bestandteile für biochemische Vorgänge und Reaktionen im Körper: so fungieren ausgewählte Aminosäuren bzw. deren Syntheseprodukte beispielsweise als Neurotransmitter im Zentralnervensystem, als Regulatoren des menschlichen Säure-Basen-Haushalts, als Transportmittel von Stickstoff im Körper oder als Grundbaustein für Hormone (39, 40). 36 (Westphal et al.2003) 37 Ebd. 38 (Elmadfa 2019) 39 (Vaupel und Biesalski 2017) 40 (Westphal et al.2003) 17
Andere Aminosäuren wiederum haben antiinflammatorische, also eine entzündungshemmende sowie zellprotektive Wirkung. Wieder andere Proteinbestandteile haben antioxidative Eigenschaften und gelten folglich als Fänger freier Radikale. Auch für die Immunantwort nach beispielsweise Entzündungen oder bei Wundheilungen sind gewisse Aminosäuren unentbehrlich41. Täglicher Bedarf an Protein In unseren Breitengraden ist ein Eiweißmangel bei gesunden Erwachsenen eher selten anzutreffen. Für Jugendliche und Erwachsene gilt ein Eiweißbedarf von 0,8 g pro kg Körpergewicht als ausreichend, was umgerechnet bedeutet, dass beispielsweise eine Person mit 75 kg pro Tag 60 g Eiweiß zu sich nehmen sollte. Anders verhält es sich bei Säuglingen, Kindern und älteren Personen sowie in Schwangerschaft und Stillzeit. Im Säuglings- und Kleinkindalter ist der Eiweißbedarf um einiges höher als im Erwachsenenalter. So braucht ein Säugling nach der Stillzeit noch 1,3 g pro kg Körpergewicht. Während der Stillzeit ist der Bedarf sogar noch höher, wird jedoch durch Muttermilch oder Säuglingsanfangsnahrung ausreichend gedeckt. Ab dem 65. Lebensjahr steigt der Proteinbedarf auf 1 g pro kg Körpergewicht, bei Schwangeren und Stillenden steigt er auf 0,9 g bzw. 1,2 g pro kg Körpergewicht4243. Im Sport ist der Proteinbedarf hochindividuell und abhängig von Sportart, Trainingsumfang, dem persönlichen Ziel und weiteren Faktoren. Eine wissenschaftlich fundierte Obergrenze, ab welcher ein Zuviel an Eiweiß schädlich ist, gibt es bis dato nicht44. Der tägliche Proteinbedarf lässt sich leicht über sowohl tierische als auch pflanzliche Lebensmittel decken, wobei als Faustregel angenommen wird, dass ca. 30 g Eiweiß über den Tag verteilt über Lebensmittel aufgenommen werden, die nicht sofort als eiweißhaltig erkennbar sind. Dazu zählen beispielsweise Brot, Kartoffeln oder Teigwaren. Wird obiges Beispiel einer Person mit 75 kg und einem Eiweißbedarf von 60 g herangezogen, so bedeutet dies in der Praxis, dass, neben den erwähnten 30 g Eiweiß aus Brot, Kartoffeln, etc., noch 30 g Eiweiß zugeführt werden müssen. 10 g Eiweiß sind enthalten in45: 1 großem Ei 50 g rohem Fisch 50 g rohem Fleisch, Schinken oder Wurst 300 ml Milch 50 g Hart-, Schnitt- oder Weichkäse 100 g Frischkäse 150 g Erbsen (frisch oder tiefgekühlt) 180 g Hülsenfrüchten in Dosen 80 g Sojabohnen (frisch oder tiefgekühlt) 100 g Tofu 41 (Westphal et al.2003) 42 https://www.oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/eiweiss 43 https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein 44 https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/protein/#c5281 45 (Verband der Diaetologen Österreichs 2011) 18
Was ist bei der Zubereitung zu beachten? Wie vorhin schon erwähnt, kann man Kombinationen von Lebensmitteln nutzen um das enthaltene Eiweiß noch wertvoller zu machen. Hülsenfrüchte46 Alle Hülsenfrüchte müssen vor dem Verzehr immer erhitzt werden und dürfen keinesfalls roh gegessen werden. Sie enthalten das Gift Phasin, das zum Zusammenkleben der roten Blutkörperchen führen kann. Kinder sind hier besonders gefährdet, typische Symptome sind Erbrechen und Durchfall nach dem Verzehr. Getrocknete Bohnen, Sojabohnen und Kichererbsen am besten schon am Vortag/über Nacht einweichen. Getrocknete Linsen und Erbsen müssen vor dem Kochen nicht extra eingeweicht werden. Für eine weiche Schale beim Kochen 1 EL Natron dazugeben. Um die Hülsenfrüchte gut in Form zu belassen z. B. für Salate kann man etwas Säure (z. B. Zitronensäure oder Essig) in das Kochwasser geben und direkt nach dem Kochen das Wasser abgießen und auskühlen lassen.47 Das Einweichwasser beinhaltet Vitamine und Mineralstoffe und kann weiterverwendet und sollte dabei ebenfalls erhitzt werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass man das Einweichwasser von Fisolen, Lima- und Urdbohnen weggeben soll. Verträglichkeit Um die Verträglichkeit der Hülsenfrüchte zu verbessern und Blähungen entgegenzuwirken, kann Bohnenkraut, Fenchelsamen, Majoran, Anis oder Kümmel mitverarbeitet werden. Kleinere Hülsenfrüchte und Keimlinge sind meist verträglicher als die Großen. Keimlinge Frische Keimlinge enthalten viele wertvolle Inhaltsstoffe und sollten max. nach 2-3 Tagen im Kühlschrank verarbeitet werden. Wichtig ist, dass die Keimlinge vor dem Verzehr erhitzt werden. Ausnahmen gelten auch hier: Mungobohnen-, Luzernen- und Linsenkeimlinge müssen nicht erhitzt werden, jedoch sollte man auf Gartenbohnenkeimlinge ganz verzichten. Fermentation Die Fermentation ist eine alte Kulturtechnik um Lebensmittel haltbar zu machen und führt zu einer besseren Verdaulichkeit der Eiweißverbindungen ihrer Ausgangsstoffe (Gemüse, Getreide, Milch, Eiweißfrüchte etc.). Dabei bedient sie sich der enzymatischen und/oder mikrobiellen Umwandlung von organischen Verbindungen. Beim Fermentieren kommen Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze zum Einsatz, die sich zum Teil bereits auf den Lebensmitteln befinden oder zum Beimpfen verwendet werden. Im Anschluss findet dann eine gezielte Reife statt, die unterschiedliche Bedingungen benötigt. Der empfehlenswerte und weitbekannte Klassiker ist das Sauerkraut, mit viel Vitamin C jedoch proteinarm. Weiters finden Fermentationsprozesse bei der Herstellung vieler Milchprodukte Anwendung (z. B. Sauermilch & Käse), beim Sauerteigbrot oder bei der Alkoholherstellung. 48 46 https://www.bzfe.de/inhalt/huelsenfruechte-zubereitung-und-lagerung-4176.html 47 https://www.huelsenreich.de/huelsenfruechte-richtig-kochen-so-beeinflusst-du-die-bissfestigkeit/ 48 ttps://www.wissen.de/fermentieren-das-steckt-hinter-der-uralten-kulturtechnik 19
Fermentierte Produkte aus Eiweißfrüchten wie Soja z. B. Sojasoße, Miso und Tempeh sind dagegen nur zum Teil bei uns bekannt. Für das proteinreiche Tempeh, werden gewaschene und erhitze Sojabohnen mit Pilzkulturen versetzt und bei ca. 30 C für 2 Tage bebrütet bis ein weißer Rasen entsteht und die Sojabohnen zu einer Einheit zusammenwachsen.49 Neben der verbesserten Verdaulichkeit von Eiweiß werden beim Fermentieren Inhaltsstoffe gebildet, die die Abwehrkräfte und den Darm stärken können. Relevante Mikronährstoffe z. B. Vitamin B12 oder C können gebildet werden und die Verfügbarkeit für den Körper bei Eisen und Zink erhöhen. 505152 Soja und Gentechnik Geht es um pflanzliche Proteinquellen und folglich auch um Soja, so sind Verbraucher und Verbraucherinnen oftmals verunsichert. Mittlerweile wird in den Hauptanbauländern wie den USA und Brasilien überwiegend gentechnisch verändertes Soja angepflanzt. 80% der Anbauflächen beinhalten gentechnisch verändertes Soja. Eine EU-Verordnung regelt, dass gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel gekennzeichnet werden müssen. Davon ausgenommen sind jedoch tierische Produkte, die ursprünglich mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden53. Somit ist für den Endverbraucher/ die Endverbraucherin keine direkte Nachverfolgung mehr möglich. Hätten Sie´s gewusst? „Fast ein Drittel der in Europa direkt in der Nahrungsmittelproduktion verwendeten Sojabohnen wachsen in Österreich!“ Verein Soja aus Österreich, 2020 49 (Chilton et al. 2015) 50 (Platel und Srinivasan 2016) 51 (Anukam und Reid 2009) 52 (Boye et al. 2012) 53 https://www.bzfe.de/lebensmittel/vom-acker-bis-zum-teller/huelsenfruechte/huelsenfruechte- verbraucherschutz/ 20
4. Proteinquellen in der Steiermark – Regional versorgt Autorin: Andrea Lienhard, MSc. Die globale Erwärmung, die abnehmende Bodenfruchtbarkeit und die steigenden Bevölkerungszahlen machen es auch in der Steiermark notwendig die Proteinversorgung auf eine breitere, pflanzliche Basis zu stellen. Die wichtigsten pflanzlichen Proteinquellen in der Steiermark sind derzeit Sojabohnen, Käferbohnen, Raps, Sonnenblumen, Körnererbsen, Ackerbohnen, Süßlupinen, Linsen, Kichererbsen und Grünerbsen. Hülsenfrüchte sind die wichtigste Quelle für pflanzliches Eiweiß und deren Verzehr hat in der Steiermark eine gewisse Tradition, so gilt die Käferbohne als lokales Kulturgut und prägt die Region der Südoststeiermark. Die Käferbohnenernte unterliegt extremen jährlichen Ertragsschwankungen, da die Ernte stark von natürlichen Witterungsbedingungen abhängig ist. Das Jahr 2013 hatte beispielsweise in der Steiermark weitgehend Totalausfälle zur Folge. Mit den klimatischen Veränderungen wird es notwendig sein, neue, angepasste Leguminosen zu etablieren, um den wachsenden Bedarf an Proteinen stillen zu können. Der Anbau von Leguminosen könnte eine Alternative zu intensiv gedüngten Maisanbauflächen in der Steiermark darstellen und sich somit positiv auf die Grund- und Trinkwasserqualität auswirken. Ein höherer Selbstversorgungsgrad mit Leguminosen könnte weiters die weiten Transportwege von Importsoja vermindern und den CO2 Ausstoß reduzieren54. Alternativen zu tierischen Proteinen aus konventionellen Tierhaltungen sind neben pflanzlichen Quellen, die Produktion von Pilzen, oder die Zucht von Insekten. Die landwirtschaftlich genutzte Gesamtfläche der Steiermark beträgt ungefähr 400.000 Hektar, und wird von Dauergrünlandflächen (~60 %) dominiert; das Ackerland nimmt zirka 35 % ein55. Im Jahre 2019 wurden ~95 % des steirischen Ackerlandes für den Anbau von Getreide, den Feldfutterbau genutzt. Der Öl- und Eiweißfruchtanbau machte rund 13,17 % der Ackerfläche aus56. Beim Getreideanbau werden wiederum rund 90 % für Futtergetreide verwendet, die restlichen Getreideflächen für den Anbau von Brotgetreide. Anhand von Abbildung 1 ist ersichtlich, dass in der Steiermark das Potential, den Eiweißpflanzenanbau zu forcieren, vorhanden wäre. Nutzung des Ackerlandes in der Steiermark (2019) 22,50% 4,14% 59,40% 12,78% 0,79% 0,39% Getreide Eiweißpflanzen Hackfrüchte Ölfrüchte Sonstiges Ackerland Grünfutterpflanzen Abbildung 12 Nutzung des Ackerlandes in der Steiermark. Quelle: Statistik Austria. Eigene Darstellung. 54 https://www.stertz.at/wp-content/uploads/2020/02/20190910-Zusammenfassung-der-Studienergebnisse_Analyse.pdf 55 Landesstatistik Steiermark, https://www.landesentwicklung.steiermark.at/cms/beitrag/12658776/142970621/ 56 Statistik Austria, https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/land_und_forstwirtschaft/agrarstruktur_flaechen_ertraege/boden nutzung/index.html#:~:text=Weingartengrunderhebung%202015- ,Anbau%20auf%20dem%20Ackerland%202019,(58%2C6%25)%20ein. 21
Die traditionelle Käferbohne (Phaseolus coccineus) Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam die aus Mittelamerika stammende Bohne vermutlich nach Mitteleuropa; in der Steiermark ist der Anbau für das 19. Jahrhundert nachgewiesen57. Etwa ein Drittel der steirischen Gemüseanbaufläche machen Käferbohnen aus (sie werden als Gemüse und nicht als Ackerfrucht definiert) und fast 95 % der österreichischen Gesamtproduktion an Käferbohnen werden in der Steiermark geerntet. Vor allem die mineralhaltigen, humosen Lehmböden im Südosten der Steiermark (mit 90 % der österreichischen Gesamtproduktion) bieten eine ideale Wachstumsgrundlage für die Käferbohne. Die Käferbohne - ihr Anbau und ihre kulinarische Nutzung - haben im Hauptanbaugebiet eine große Bedeutung und beeinflussen mehrere Wirtschaftszweige. So gilt die Käferbohne als wertvolles traditionelles Produkt und wurde 2016 in das EU-Herkunftsregister aufgenommen58. Das Siegel „Steirische Käferbohne g.U.“ garantiert, dass alle Produktionsschritte (vom Anbau bis zur Verarbeitung) in der Steiermark erfolgen. Mittlerweile werden jährlich etwa 450 bis 650 ha Käferbohnen (2019: 480 ha) unter dem EU-Herkunftsschutz von ungefähr 190 landwirtschaftlichen Betrieben angebaut (vgl. Tabelle 1). Der Käferbohnenanbau in der Steiermark hat sich vom Anbau zu Selbstversorgungszwecken („Arme- Leute-Essen“) zu einer wirtschaftlich bedeutsamen Kultur entwickelt. Mit dem wachsenden Interesse an hochwertigen, heimischen Produkten wird in den letzten Jahren wieder vermehrt auf die Käferbohne gesetzt. Zirka 90 % der Steirischen Käferbohnen werden gemeinsam mit Mais kultiviert (Misch- oder Stützkultur), dadurch ist eine wirtschaftliche Produktion möglich5. Mais und Bohnen werden gemeinsam geerntet und nachträglich – basierend auf den unterschiedlichen Korngrößen – maschinell getrennt. Der aktuelle Absatzmarkt für steirische Käferbohnen beschränkt sich vornehmlich auf Österreich und den bayrischen Raum. In schwierigen Erntejahren kam es immer wieder zu einer vermehrten Platzierung von Käferbohnen ausländischer Herkunft (fast ausschließlich aus China) die im Rohwarenpreis weniger als ein Drittel der österreichischen Bohnen kosten59. Karl Bajano (Gourmet und Weinsommelier) über die Steirische Käferbohne: „Ein Hauch Widerstand durch die dünne Schale, danach eröffnet sich ein sinnliches Bohnenvergnügen. Fein und cremig schmeichelt der Kern dem Gaumen, beinahe schmelzend mit einer eleganten Anmutung von feinem Maronipüree, begleitet vom reizvollen Biss der Haut. Ganz zarte nussig-pfeffrige Nuancen und angedeutete Süße ergeben den perfekten Nachgeschmack.“60 Nicht zu verwechseln ist die Käferbohne mit der - jahrzehntelang traditionell in der Steiermark angebauten - Ackerbohne (Vicia faba), die auch als Pferde- oder Saubohne bekannt ist. Die Namensgebung deutet darauf hin, dass man dieser Bohne wenig kulinarische Wertschätzung entgegenbrachte; durch den kräftigen Geschmack und die feste Schale wurde sie von der Gartenbohne abgelöst und verkam zu einer Futterpflanze61. Die zur Gattung der Wicken gehörende Ackerbohne verzeichnet auch in den letzten Jahren einen Rückgang der Anbauflächen in der Steiermark (Tabelle 1). 57 (Adam et al. 2015) 58 https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/spezialkulturen/steir_kaeferbohne.html 59 https://www.oststeiermark.com/fileadmin/user_upload/Download/Kaeferbohne_Wissensrecherche_klein.pd f 60 https://www.steirische-spezialitaeten.at/kulinarik/steirische-kaeferbohne.html 61 https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Feuerbohnen%2C_Saubohnen 22
Der Spitzenreiter - die Sojabohne (Glycine max) Im Jahre 1982 schrieb Wolffhardt: „Es ist aber nicht zu erwarten, dies gilt zumindest für Österreich, dass in einer Zeit, in der es genügend Fleisch gibt, die Sojabohne für die menschliche Ernährung größere Bedeutung erlangt.“ (Seite 10162) Dieses Zitat von Wolffhardt kann nicht bestätigt werden – die Hälfte der österreichischen Sojabohnen werden als wertvolles Nahrungsmittel verwendet63. Die ersten Sojabohnen-Anbauversuche von Friedrich Haberlandt in wärmebegünstigten Gebieten der Steiermark fanden in den 1920er Jahren statt. In den 1970er Jahren gab es weitere Versuche in Gleisdorf, Halbenrain und Radkersburg9. Im Zuge einiger Phasen von Nahrungs- bzw. Eiweißknappheit (siehe Kapitel 1) in denen Fleisch nicht leistbar war, und in den letzten Jahren, ist ein deutlicher Anstieg der Soja-Anbaufläche in der Steiermark zu verzeichnen (Tabelle 1). Die Sojabohne ist der Spitzenreiter unter den heimischen Eiweißpflanzen mit einer Anbaufläche von über 6.000 ha (2019). Als Alternative zu Soja könnten die eiweißreichen Samen der Lupinen dienen. Sie wurden im 19. Jahrhundert hauptsächlich als Gründüngung eingesetzt und erst in den 1920er Jahren führten Züchtungserfolge zu höheren Erträgen und zum Einsatz als Tierfutter. Von diesen, als „andere Hülsenfrüchte“ aufgelisteten Eiweißpflanzen wurden in der Steiermark 118 bzw. 139 ha Anbaufläche (in den Jahren 2018 bzw. 2019) verzeichnet. Der Anbau von Grünerbsen macht in der Steiermark einen sehr geringen Anteil aus – und sinkt stetig. Im Jahr 2005 wurden noch 5 ha Anbaufläche ausgewiesen im Jahr 2019 war es nur mehr 1 Hektar. Tabelle 5 Anbauflächen von Eiweißpflanzen in der Steiermark. Daten basierend auf Landesstatistik.steiermark.at und Statistik Austria. Eigene Darstellung. Eiweißpflanzen Anbaufläche in Hektar in der Steiermark 2005 2007 2009 2010 2013 2015 2017 2018 2019 Körnererbsen 709 462 276 219 83 83 89 85 66 Sojabohnen 1.289 777 1.233 1.386 3.360 5.267 7.049 8.383 6.230 Ackerbohnen 629 431 377 380 390 608 535 372 289 Käferbohnen 95 110 250 700 450 600 700 520 480 Raps 956 837 717 664 124 170 259 208 Fisch – ein kulinarisches Erbe Österreichs Als regionstypische Lebensmittel zur Proteinversorgung bzw. als kulinarisches Erbe Österreichs sind der „Steirischer Teichland Karpfen“ im Süden der Steiermark, der „Ausseerland Seesaibling“ und die traditionelle Zucht und der Fang von See-, Bach-, und Regenbogenforellen in Österreich zu nennen. Die Karpfenzucht kann in der Steiermark bis ins Mittelalter rückverfolgt werden. Das „Steirisches Teichland“ um Deutschlandsberg und Leibnitz, gehörten seit dem 10. Jahrhundert zum Einflussbereich der Salzburger Erzbischöfe. Aufgrund des hohen Eigenbedarfs an Fischen und ihrer großen Bedeutung als Fastenspeise wurden zahlreiche Teiche angelegt64. In der Steiermark werden Karpfen in Teichen von etwa 1.000 Hektar Teichfläche gezüchtet. Bereits 1280 gibt erste Erwähnung der Fischerei von Saiblingen in Seen der Region Aussee65. Die traditionellen Seenfischereien sind bekannt dafür, dass sie im Einklang mit der Natur arbeiten und für ihr nachhaltiges Management der Fischpopulation. 62 (Wolffhardt 1982) 63 (Schilly 2017) 64https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/fisch/karpfen.html 65 https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/fisch/ausseerl_seesaibling.html 23
Trends in der Steiermark – alternative Proteinquellen Das feucht-warme steirische Klima bietet sich an, die Produktion von Pilzen auf Ackerflächen zu etablieren, damit könnte zusätzlich die Verrottung von schwer abbaubaren Materialien beschleunigt werden. Es gibt bereits etliche steirische Pilzzuchten in Graz, Gleisdorf, Fürstenfeld, Judenburg, Leibnitz und Feldbach. Diese Pilze werden allerdings „industriell gefertigt“ und sind somit derzeit (noch) nicht als landwirtschaftliche Produktion registriert (d. h. die Daten wurden in der Steiermark nicht gesondert erhoben). Pilzzuchten könnten eine Alternative für kleine landwirtschaftliche Betriebe oder Betriebe in ungünstigen Lagen darstellen. Eine weitere Alternative zur klassischen Tierzucht stellt die Insektenzucht dar. Im Projekt spi³ (Sustainable Protein: Integrierte Insekten Innovationen) an der FH JOANNEUM in Graz wird an der nachhaltigen Erzeugung von Proteinen aus Larven der Mehlkäfer, (Tenebrio molitor) geforscht. Die Larven bieten hochwertige Proteine (alle essenziellen Aminosäuren), haben einen geringen Platzbedarf, sie vermehren sich schnell, haben eine bessere Futterverwertung als konventionelle Nutztiere, und produzieren des Weiteren weniger Treibhausgase66. Im ersten Schritt dieses Projektes wurden nachhaltige, regionale Stoffströme (Beiprodukte der menschlichen Ernährung), die zur Fütterung von T. molitor geeignet sind, identifiziert und im Anschluss an die Insekten verfüttert. Einen Proteinquellentrend könnten weitere Tiere setzen, die Garnelen. In der Steiermark werden bereits „Steirische Gebirgsgarnelen“ oder „Steirer Shrimps“ angeboten. Eine regionale Versorgung mit Proteinen könnte auch auf Kürbiskern-, Hanf-, Leinsamen- oder Sonnenblumenprotein basieren, diese Produkte werden ebenso angeboten. Um den Konsum von Fleisch zu reduzieren und dennoch genügend Proteine durch die Nahrung aufnehmen zu können und zusätzlich positive Aspekte auf Umwelt, Klima und Gesundheit zu erreichen, wird es auch in der Steiermark notwendig sein, eiweißreiche Alternativen zu finden. 66 (Oonincx et al. 2012) 24
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