Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ

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Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ
Nachhaltige Proteinzukunft

Steiermark
Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ
Herausgeberin Steirisches Ernährungs- und Technologie Zentrum (STERTZ)

Idee: Mag. Lisa Maurer (STERTZ) und Prof. Simon Berner (FH JOANNEUM)

AutorInnen FH JOANNEUM:

Anna-Lena Aufschnaiter, Msc.

DI Monika Grasse

Dr. Marlies Hörmann-Wallner

Andrea Lienhard, Msc.

DI Stephan Pabst

Mit freundlicher Unterstützung von: Hartmut Derler und René Rehorska

Titelbild: Käferbohne, Phaseolus coccineus H. Zell CC BY-SA 3.0

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Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ
Vorwort
Die Versorgung mit Lebensmitteln ist ein globales Thema, das jedem von uns nahegeht, denn Essen ist
etwas, das alle Menschen gleichermaßen tun müssen um zu überleben. Es ist aber nicht nur eine
Notwendigkeit, sondern auch eine kulturelle Handlung, die mit Selbstwert und Geselligkeit verbunden
ist. Nicht umsonst heißt es „Du bist, was du isst“.

Wir wollen uns in dieser Broschüre dem Thema Proteine widmen, da diese ein essentieller Bestandteil
unserer Ernährung sind. Die Zukunft der Proteinversorgung ist essentiell für unsere menschliche
Existenz auf diesem Planeten. Es geht dabei nicht nur um die ernährungsphysiologische Bedeutung
von Proteinen bzw. die Frage welche Mengen und Arten von Proteinen gut sind (Kapitel 3), sondern
auch um die Produktion von Proteinen und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch (Kapitel 1).
Auch die chemische Zusammensetzung der Proteinbausteine interessiert uns und wie diese aus der
Atmosphäre auf unseren Teller gelangen (Kapitel 2). Abgerundet wird diese Broschüre mit einem
Überblick über die Proteinversorgung in der Steiermark, lokale Ernährungstrends und innovative
Produktentwicklungen – ganz nach dem Motto „Think globally – act locally“ (Kapitel 4). Wenn Sie bis
hierher gelesen haben und keine Zeit mehr haben, empfehlen wir die Abkürzung über unsere
Kurzfassung (Kapitel 5) und wünschen allen LeserInnen eine spannende Lektüre.

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Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................................................... 3
1.     Nachhaltige Proteinversorgung - Global gedacht ........................................................................... 5
2.     Wie kommt der Stickstoff aus der Luft auf den Teller?................................................................. 12
3.     Wieviel und welche Proteine braucht der Mensch? ..................................................................... 16
4.     Proteinquellen in der Steiermark – Regional versorgt .................................................................. 21
5.     Zusammenfassung ......................................................................................................................... 25
6.     Quellenverzeichnis ........................................................................................................................ 26

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Nachhaltige Proteinzukunft - Steiermark - STERZ
1. Nachhaltige Proteinversorgung - Global gedacht
Autor: Stephan Pabst

Wirtschaftliche Bedeutung historisch und Global

Weltweit gibt es eine Schieflage, die sich zwischen Hunger und unzureichender Versorgung mit
Proteinen sowie Überschussproduktion und Viehmast mit wertvollen Eiweißfuttermitteln erstreckt.
Zumeist ist einerseits die Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln in Krisenländern oft eingeschränkt
und auch die Möglichkeit Lebensmittel auf dem Weltmarkt einzukaufen für viele Staaten der Welt
schlicht zu teuer (1). Die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln wurde in Ländern des Südens im 20.
Jahrhunderts massiv zugunsten von Exporten von Industrierohstoffen wie Fette und Öle, Proteine und
Fasern nach Europa und in die USA eingeschränkt. Lebensmittellieferungen aus den USA haben viele
Entwicklungsländer in Afrika aber auch Asien davon abhängig gemacht, dass nicht angepasste
Lebensmittel wie Weizen und Soja den Speiseplan bestimmen. Subventionierte Agrarüberschüsse, die
auf Kosten der Ernährungssouveränität vieler Länder des Südens gehen, sind nach wie vor ein
immanenter Bestandteil des WTO-basierten Agrar- und Ernährungssystems.

Der Fleischkonsum ist am Beginn des 21. Jahrhunderts in den Industrieländern (69kg/Person/Jahr)
deutlich höher als in sogenannten Entwicklungsländern (25 kg/Person/Jahr, Tendenz steigend)1. Dabei
ist interessant, dass der Konsum von Schweinefleisch rückgängig ist und der Verzehr von Hühnerfleisch
und Rind- bzw. Kalbfleisch im Steigen begriffen ist2. Innerhalb Europas ist ein Trend zu weniger
Fleischkonsum in mitteleuropäischen Ländern zu beobachten, während der Fleischkonsum in den
osteuropäischen Ländern steigt.3

In dieser Broschüre fokussieren wir uns auf die Versorgung Österreichs und der Welt mit pflanzlichem
Eiweiß, das sowohl beim Fleischkonsum als auch bei pflanzlicher Ernährung die Grundlage für die
menschliche Ernährung darstellt. Wir WissenschaftlerInnen sehen es als unsere Pflicht diese
Missstände aufzuzeigen und Beiträge für eine längst überfällige Ernährungswende zu liefern

(1) Hätten Sie’s gewusst?

Bohnen zählen4 Für die Zutaten eines Tellers Bohneneintopf (600 kcal) muss ein New Yorker
Einwohner im Jahr 2018 ca. $ 1,20 oder 0,6% seines Tageseinkommens bezahlen, während ein
Bewohner des Süd-Sudans dafür $ 348,36 oder 200% seines Tageseinkommens zahlen müsste.

Wenn wir das für die Steiermark umrechnen, kommen wir bei einem durchschnittlichen Tages-
Nettolohn von € 53,145 auf einen Preis einer Portion Bohneneintopf von € 106,28 mit der Kaufkraft im
Süd-Sudan. Mit der Kaufkraft eines New Yorkers kommen wir auf ca. € 3, das entspricht ungefähr dem
Preis einer 400g Dose Käferbohnensuppe (352 kcal).

Die globale Bedeutung von Proteinen wird am ehesten in der Geschichte der Sojabohne deutlich, die
auch als das „Leitfossil der Globalisierung des Agrar- und Ernährungssystems seit etwa 1870“ gilt.

1
  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/161479/umfrage/pro-kopf-konsum-von-fleisch-nach-
laendergruppen-1980-und-2005/
2
  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/296612/umfrage/konsum-von-fleisch-weltweit-nach-fleischart/
3
  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/768884/umfrage/entwicklung-des-jaehrlichen-fleischkonsums-
pro-kopf-in-europa/
4 „Counting Beans“ ist eine Studie des World Food Programm 2017, die auf die Ungleichverteilung der weltweiten Kaufkraft
hinweist und anschaulich macht, wie schwer es für EinwohnerInnen wirtschaftlich schwacher und krisengeplagter Länder ist
sich über Importe auf dem Weltmarkt zu ernähren: https://cdn.wfp.org/2018/plate-of-food
5 1/14 des Nettojahreseinkommen der Arbeitnehmer lt. Lohnsteuerstatistik 2017:

https://www.landesentwicklung.steiermark.at/cms/dokumente/12658765_141979497/6c0c7b3b/Heft%2012-
2018%20Einkommensstatistik%202017.pdf

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„Die Sojabohne ist seit mindestens drei Jahrtausenden Teil […] ostasiatischer Ernährungskulturen. Da
sie roh ungenießbar und auch gekocht schwer verdaulich ist, wurde sie im Laufe von Jahrhunderten
durch Fermentieren, Keimen und Mahlen zu verschiedenen Speisen wie Tofu, Sojasauce und Natto
weiterverarbeitet.“6

Ende des 19. Jahrhunderts hat der Pflanzenbauprofessor Friedrich Haberlandt an der BOKU in Wien
die direkte Versorgung der Bevölkerung mit pflanzlichen Proteinen vorhergesehen. Er führte nicht nur
das Saatgut aus Japan in Europa ein und machte zahlreiche Anbauversuche. Er regte auch eine
Rezeptur namens Sojenta an - eine aus Sojaschrot und Polenta bestehende Speise.7 Eine
Wirtschaftskrise und zwei Weltkriege haben diesem Ansinnen jedoch eine historische Wendung
verpasst: Sojaprodukte und andere Hülsenfrüchte wurden durch die Propaganda der
„Volksernährung“ als „Arme Leute Essen“ stigmatisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen
Verlauf Österreich zum Hauptanbaugebiet von Sojabohnen im „Dritten Reich“ wurde, fanden
Sojamehl, Erbsen und Lupinen statt direkt in die menschliche Ernährung Eingang zu finden,
hauptsächlich über den Umweg der Viehmast auf den Speiseplan. Nach Russland und Japan wurde die
USA und später Brasilien und Argentinien zu den größten Sojaexporteuren. Auf Basis dieses stetig
wachsenden Stroms an Sojaprodukten nach Europa entwickelte sich vor allem an den
nordwesteuropäischen Häfen ein industrieller Vieh-Mast-Komplex. Mittlerweile hat China Europa als
Hauptimporteur von Soja abgelöst.8

Abbildung 1 Weltsojahandel 20119

2018 hat die EU die Idee der Pflanzenproteine stärker gefördert und die Steigerung der pflanzlichen
Eiweißversorgung durch Anbau in Europa und Steigerung des direkten Konsums pflanzlicher Proteine
zum strategischen Ziel erklärt. Die sogenannte Veredelung von Pflanzeneiweiß durch Viehmast ist eine
Ressourcenschlacht, die auf Kosten von Wasserqualität, Gesundheit und Ethik geht und den
Landverbrauch für die menschliche Ernährung unnötig vervielfacht. Um den Schweinefleischverbrauch
der Industrienationen sowie die steigende Nachfrage in den Schwellenländern zu decken ist eine noch
weitere Ausweitung von Ackerflächen nötig. Das ist jedoch derzeit mit der Abholzung von

6
    (Langthaler, 2015)
7   (Pistrich, K. et al., 2014)
8
    (vgl. Pistrich et al., 2014; Langthaler, 2015)
9
    (Langthaler, 2015)

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Regenwäldern vor allem in Südamerika verbunden. Dadurch wird im Boden gebundenes CO2
freigesetzt, das die Erderwärmung zusätzlich anfacht.

Bis 2030 müsste es gelingen keine neuen Waldflächen für den Ackerbau zu roden. Eine große
Herausforderung unserer Zeit ist es, die Ernährungsgewohnheiten so zu verändern, dass pflanzliche
Rohstoffe nicht als „exotisch“, „gesund“ oder „Arme Leute Essen“ abgetan werden, sondern Produkte
zu entwickeln, die als nährstoffreich, schmackhaft und sexy angesehen werden.

(2) Hätten Sie’s gewusst?

Die Schwestern der steirischen Käferbohne:

Im Jahr 2018 waren nahezu 40 Hülsenfrüchte aus 8 EU-Staaten als regionale Besonderheiten (g.g.U.
oder g. A.) anerkannt: Spanien (z.B. Armuna Linsen), Italien, Frankreich (Grüne Linsen), Griechenland
(Santorini-Bohnen), Schweden, Lettland und Polen.

Abbildung         2        geschützte        Ursprungsbezeichnung       auf        Griechisch;          Bildquelle:
https://www.griechenland.net/media/k2/items/cache/dbbbfd5ec926fcc12e91510bf5b2491e_L.jpg

Abbildung 3 Santorini Fava g.U., Bildquelle:
https://www.yolenis.com/media/catalog/product/cache/4/thumbnail/390x520/9df78eab33525d08d6e5fb8d27136e95/t/r/
traditional-fava-pdo-santorini-santo-400g-open.jpg

Die Energieeffizienz der Ernährung

Die landwirtschaftliche Produktivität hat sich seit dem
19. Jahrhundert in einer radikalen Art gewandelt und die
Verhältnisse von Energie-Input zu Energie-Output
umgedreht. Dabei ist vor allem das Ergebnis der Studie
von Friedolin Krausmann zu nennen, die die
Produktivität     von     1980     und     1999    eines
durchschnittlichen Dorfes in einer Ackerbauregion
vergleicht.10 Dabei wird deutlich, dass sich die
Energieeffizienz zugunsten der Produktivität pro Fläche
und Arbeitskraft deutlich verschlechtert hat, nämlich
von einem Input/Output Verhältnis (GJ/ha/Jahr) von
1/5,5 im Jahr 1830 zu einem von 1/1,2 im Jahr 1999 (vgl.
Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden
werden.). Während in der gleichen Zeit die Extraktion         Abbildung 4 Energieeffizienz der Produktion von
von Biomasse um 87% gesteigert wurde hat durch den            Theyern im Jahr 1830 (linker Balken) und 1999 (rechter
Einsatz fossiler Energie die Effizienz der Umwandlung         Balken. I/O gibt das Input/Output Verhältnis von
                                                              Energie-Input (positive Werte) zu Energie-Output
von Energie in Nahrung deutlich abgenommen.
                                                              (negative Werte) an1.

10
     (Krausmann 2016)

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Während 1830 hauptsächlich menschliche und tierische Muskelkraft 5,5-mal so viel Nahrungsenergie
generieren konnte war es im Jahr 1999 die zehnfache Menge an fossiler Energie, die aber lediglich 1,2-
mal so viel Nahrungsenergie produzierte.

Einen weiteren Einfluss auf die Energieeffizienz der Ernährung hat das Produktionsmodell11. Bei einer
Ernährung, die zu 20% tierische und zu 80% pflanzliche Komponenten enthält, können
Veredelungsbetriebe mit Schweine- oder Rindermast ca. 8 Personen pro Hektar versorgen (5.722 MJ
VE/ha LN)12, Milchviehbetriebe können ca. 20 Personen pro Hektar versorgen (14.078 MJ VE/ha LN)
während Ackerbaubetriebe die höchste Flächeneffizienz aufweisen (20.317 MJ VE/ha LN). Die
pflanzliche Produktion kann 7 Personen pro Hektar mit 80% der nötigen Nahrungsenergie versorgen.

Ein weiteres Kriterium für die Bewertung der Effizienz in der Nahrungsmittelproduktion ist die Effizienz
der Umwandlung von Futtermitteln in tierische Nährstoffe (eng.: feed conversion ratio, FCR). Je
niedriger der FCR Wert, desto effizienter ist die Verwertung von Futtermitteln. Dabei gibt es unter den
Masttieren einen Spitzenreiter, nämlich das Masthuhn bzw. Legehennen für den menschlichen
Verzehr die eine FCR von rund durchschnittlich 2, je nach Berechnunggrundlage aufweist. Da die
zugrundeliegenden Bewertungen der Futterqualität, der Haltungsform und der Tierart sowie die Frage
welches Produkt als Output bezeichnet wird den Grad der FCR stark beeinflussen, ist es nur unter
streng verreinheitlichten Bedingungen als geeigneter Vergleichswert heranzuziehen. Berechnet man
den FCR von den Mehlkäferlarven (Mehlwurm) so kommt man auf einen ähnlichen FCR-Wert wie beim
Huhn, nämlich 1,7. Unschlagbar ist jedoch auch bei dieser Betrachtungsweise die Sojabohne bzw. Tofu
oder sojabasierter Fleischersatz, wo man auf einen FCR-Wert von lediglich 0,29 kommt.13

Abbildung 5 Energie- und Protein pro Quadratmeter Landnutzung für konventionelle und alternative Proteinquellen. Die
Unsicherheiten ergeben sich durch die Schwankungen des FCR und Nährstoffgehalts14

11
   (Farmlife 2015)
12
   Für den Menschen verdauliche Energie (VE) in Mega Joule (MJ) pro Hektar (ha) Landwirtschaftliche
Nutzfläche (LN)
13
   (Alexander 2017)
14
   Ebd.

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Der Europäische Protein-Markt

Die EU ist ein Nettoimporteur von Rohprotein. Von den 27 Mio. Tonnen, die in den Jahren 2016/17
nachgefragt wurden, waren 93% Futtermittel (siehe Abbildung 1). Der Selbstversorgungsgrad mit Öl-
und Eiweißpflanzen in der EU ist je nach Eiweißquelle unterschiedlich hoch. Bei Soja, das aufgrund
seines hohen Rohproteingehalts häufigste Viehfutter, liegt er bei lediglich 5%, bei Raps 79% und bei
Sonnenblumen 42%. Die Anbauflächen haben sich seit 2013 bei Soja nahezu verdoppelt auf 2,8
Millionen Tonnen im Jahr 2018.

In Österreich hat sich die Sojaproduktion in den letzten zehn mehr als verdoppelt (94.543 Tonnen im
Jahr 2010 bzw. 215.277 Tonnen im Jahr 2019). Dazu hat sicherlich auch die Initiative Donau- bzw. Euro-
Soja beigetragen, eine Vermarktungsgemeinschaft von gentechnikfreiem Soja aus Europa. Auch bei
Hülsenfrüchten wie Futtererbsen und Ackerbohnen gibt es einen Wachstumstrend. Raps ist die am
häufigsten in Europa produzierte Ölsaat, deren Anbaufläche zwischen 2003 und 2018 um 66%
gewachsen ist – das Öl der rund 20 Millionen Tonnen Raps wird hauptsächlich für Biodiesel verwendet
und das Nebenprodukt Rapsschrot ist ein wichtiges Proteinfuttermittel in der Viehmast.15

Der Anteil des für Lebensmittel verwendeten pflanzlichen Proteins beläuft sich auf lediglich 7% des
gesamten Proteinmarktes. 2017 wurden in der EU knapp 3 Millionen Tonnen Erbsen, Ackerbohnen,
Linsen, Kichererbsen, andere Hülsenfrüchte und Sojabohnen konsumiert.

Der Umsatz von Käse- und Fleischersatzprodukten aus pflanzlichem Eiweiß stieg in der EU von 2013-
2017 um knapp die Hälfte an, die Tendenz ist steigend.

Tierfutter als Grundlage tierischer Lebensmittel

Es gibt zur Fütterung grundsätzlich mehrere Eiweißquellen: Raps, Sonnenblume, Getreideschlempe
(DDGS), Körnererbse und Ackerbohne. Daneben ist ein pilziges Abfallprodukt für die Proteinversorgung
interessant, nämlich die Bierhefe.

Der Verbrauch von Proteinfuttermitteln ist in der EU in den Jahren von 2004 - 2017 jährlich um 1%
gestiegen. Den höchsten Bedarf hat die Mästung von Schweinen (33%) und Geflügel (35%). Aufgrund
der Fördermaßnahmen der EU hat Österreich mit verschiedenen Maßnahmen die Anbaufläche für
Eiweißpflanzen erheblich vergrößert. Das liegt vor allem an der starken Nachfrage lokaler,
gentechnikfreier Futtermittel und durch Beratungsangebote wurde Soja zur viertwichtigsten
Anbaupflanze. Im Jahr 2020 wurden erneut mehr Körnerleguminosen angebaut16.

Gentechnisch veränderte Futtermittel machen EU-weit mengenmäßig zwar noch den Großteil der
Futtermittel aus. Allerdings gibt es Länder wie Schweden und Ungarn, in denen dieser sowohl bei
Geflügel, Rinder und Schweinefutter bei nahezu 100% liegt. In Österreich ist gentechnikfreies Futter
auch fast überall führend, jedoch drückt die Schweinemast diesen Schnitt, da hier nur 8% des Futters
gentechnikfrei ist. Weltweit werden nur 6% der Gesamthandelsmenge von Soja (9 Mio. Tonnen)
gentechnikfrei vertrieben. Da die Nachfrage nach gentechnik-freien Pflanzenproteinen steigt und diese
vorwiegend in der EU angebaut werden, bietet das neue Chancen für den Soja- und
Körnerleguminosen Anbau in der EU, vor allem in Osteuropa, wo die größten Anbaugebiete liegen.

Ernährung und Klimawandel

"Wie wir uns ernähren ist ebenso wichtig für unsere Gesundheit wie für den Klimaschutz. Die
eiweißhaltigen Hülsenfrüchte können zur Reduktion des Fleischkonsums beitragen, ganz im Sinne der

15
   COM (2018) 757 final. Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die
Entwicklung von Pflanzenproteinen in der Europäischen Union.
16
   https://www.agrarheute.com/markt/marktfruechte/landwirte-eu-ernten-mehr-huelsenfruechte-573842

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Ernährungsempfehlungen der Ärzte. Dann sinken die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen
um 40 bis 70%, auch ohne Vegetarier zu werden. Dass Hülsenfrüchte sich aufgrund ihrer großen Vielfalt
sehr gut an das sich ändernden Klima anpassen können, ist ein zusätzlicher Grund, sie anzubauen.“17
Prof. Helga Kromp-Kolb, führende Klimaforscherin Österreichs

Ernährungstrends und Nachhaltigkeit

Das Thema Proteine ist abgesehen von Regionalität und Frische ein populärer Lebensmitteltrend.
Sowohl der Verzicht auf Kohlenhydrate (low-carb) als auch die bewusste Auswahl pflanzlicher und
tierischer Eiweißquellen die gleichzeitig wenig Fett enthalten ist unter der steigenden Anzahl von
Ernährungstrends weit verbreitet18

Weltweit gibt es Ernährungspyramiden, die einen gemäßigten Fleischkonsum (max. 3 Mal wöchentlich)
und einen erhöhten Verzehr von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten empfehlen, so auch die steirische
Ernährungspyramide. Fakt ist, dass in den Industrienationen in den USA und Europa der Fleischkonsum
zu hoch ist und Schwellenländer wie Brasilien und China massiv aufholen.

Eiweißalternativen zu Fleisch und Milchprodukten sind stark im Kommen. Während Versuche Fleisch
und Gemüse in Hochhäusern und Labors zu züchten eine fragwürdige Energiebilanz aufweisen, ist die
Pilzzucht in geschlossenen Räumen auf Substraten, die sehr oft Reststoffe der Lebensmittelproduktion
darstellen, aus Nachhaltigkeitssicht interessant. Ob Maisspindeln, Getreidespelzen oder Kaffeesud, es
sind alles Rohstoffe, die keiner Verwendung als Nahrungsmittel oder Futtermittel zugeführt werden
können und mit der Pilzzucht noch eine Chance auf ein neues Leben bekommen. Die Vielzahl an
Fleischalternativen aus Pilzen ist groß – ein bekanntes internationales Beispiel ist „Quorn“, in
Österreich hat sich die Marke „Hermann“ etabliert.

Abbildung 6 Steirische Ernährungspyramide;       Bildquelle:   https://www.gesundheitsfonds-steiermark.at/gesunde-
ernaehrung/die-steirische-ernaehrungspyramide/

17
     https://www.arche-noah.at/sortenerhaltung/samenarchiv/huelsenfruechte
18
  https://www.nestleprofessional.de/news/ernaehrung/eiweiss-kraftpaket-und-ernaehrungstrend;
https://www.fitforfun.de/gesunde-ernaehrung/das-sind-die-food-trends-2020-402592.html

                                                                                                               10
(3) Hätten Sie’s gewusst?

Abbildung 7 Welttag der Hülsenfrüchte; Bildquelle: http://www.fao.org/typo3temp/pics/0807e06752.jpg

Die Vereinten Nationen haben den 10. Februar zum Welttag der Hülsenfrüchte erklärt. Die Arche Noah
hat zu diesem Anlass 2020 rund 600 unterschiedliche Bohnen aus ihrer europaweit einmaligen
Sammlung hervorgeholt und dazu aufgerufen sich Saatgut zu bestellen und anzubauen.

Abbildung 8 Bohnenvielfalt der Arche Noah. Der Verein hat eine Sammlung von 600 unterschiedlichen Bohnen weltweit. da
sind      andere      Hülsenfrüchte      wie      Erbsen       und    Linsen     noch       gar      nicht    dabei!
Bildquelle: https://www.arche-noah.at/index.php?rex_resize=480c__200h__0o__dsc_5842.jpg

Damit soll einmal mehr auf deren Beitrag zu einer gesunden, nahrhaften und sicheren Ernährung
aufmerksam gemacht werden. Hülsenfrüchte sind weltweit eine der wichtigsten Eiweißlieferanten und
Mineralstoffquellen. Sie sind köstlicher Verbündeter im Kampf gegen Mangelernährung und Hunger.
Genauso wertvoll ist ihr Beitrag für gesunde, nachhaltig fruchtbare Böden, da sie in der Lage sind,
Stickstoff aus der Luft zu binden und diesen als natürlichen Dünger den nachfolgenden Kulturen zur
Verfügung zu stellen. Das ist auch gut für das Klima, da die Herstellung künstlicher Stickstoffdünger viel
Energie verbraucht.19

19
  https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200207_OTS0004/welttag-der-huelsenfruechte-am-10-
februar-arche-noah-holt-einzigartige-bohnensammlung-an-die-frische-luft

                                                                                                                  11
2. Wie kommt der Stickstoff aus der Luft auf den Teller?
Autorin: Monika Grasser

Stickstoff kommt als Stickstoffmolekül (N2) zu 78% in der Luft vor. Der Gesamtstickstoffgehalt
der Erde beträgt ca. 1015 Tonnen, wobei 99% des Stickstoffs in der Atmosphäre zu finden ist.
Die restlichen ca. 1% verteilen sich auf die Hydrosphäre, Biosphäre und Lithosphäre. Stickstoff
ist für alle Lebewesen unverzichtbar. Er ist ein zentraler Bestandteil jeder Aminosäure und
aller Proteine, diese spielen bei allen Lebensprozessen eine Hauptrolle, weil sie die in den
Genen enthaltene Information in zelluläre Abläufe und Strukturen übersetzen. Sie regulieren
wichtige Funktionen wie die Gen-Expression oder den Stoffwechsel, dienen als Transporter
für kleinere Moleküle, oder wirken als Rezeptoren oder Botenstoffe bei der
Signalweiterleitung mit.20

Atmosphärischer Stickstoff ist zum größten Teil nicht direkt für lebende Organismen
verfügbar, sondern muss entsprechend modifiziert werden. Dieser Prozess wird als
Stickstofffixierung bezeichnet und erfolgt entweder technisch, chemisch oder biologisch.21

Unter technischer Stickstofffixierung versteht man die Umsetzung von atmosphärischen
Stickstoff (N2) mit Wasserstoff (H2) aus Erdgas (CH4) zu Ammoniak (NH3). Dieses Verfahren
wird Haber-Bosch-Verfahren genannt. Neben der wissenschaftlichen Bedeutung sind
besonders die Größenordnungen des industriellen Verfahrens beeindruckend: ca. 160 Mio. t
Ammoniak wurden 2010 hergestellt und verbrauchten etwa 1-2 % des Weltenergiebedarfs,
vor allem für die Herstellung des Wasserstoffs aus Erdgas. Vier Fünftel des produzierten
Ammoniaks werden zu Düngemittelproduktion herangezogen, von der die Ernährung etwa
der halben Weltbevölkerung direkt abhängt.22
Die chemische Stickstofffixierung erfolgt durch Blitzschlag bei Gewittern, bei
Verbrennungsvorgängen (Verkehr, Hausbrand und Industrie) und bei vulkanischer Aktivität.
Dabei entstehen aus Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2) der Luft Stickoxide (NOx), die mit
Wassertröpfchen in der Atmosphäre zu Nitrat gelöst auf und in den Boden gelangen.23

Mittels biologischer Stickstofffixierung wird atmosphärischer Stickstoff (N2) in stickstoffhaltige
Verbindungen (Nitrat NO3-, Nitrit NO2- und Ammonium NH4+) umgewandelt. Ammonium und
Nitrat kann von den meisten Bakterien und den grünen Pflanzen als Stickstoffquelle genutzt
werden, um Proteine, Nucleinsäuren und andere stickstoffhaltige Zellsubstanzen aufzubauen.
Tiere und Menschen vermögen nur organisch gebundenen Stickstoff zu verwerten24. Die
Stickstofffixierung erfolgt durch Mikroorganismen, die entweder frei leben (z.B. Azotobacter
und Cyanobakterien) oder in symbiotischer Verbindung mit Leguminosen wie Erbsen,
Sojabohnen, Klee oder Erdnüssen, wo Knöllchenbakterien (z.B. Rhizobia und Frankia) die

20
   https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/stickstoffkreislauf-291 und
https://hypersoil.uni-muenster.de/0/05/14.htm#Stickstoffkreislauf
21
   vgl. https://www.chemie.de/lexikon/Stickstofffixierung.html
22
   vgl. https://faszinationchemie.de/wissen-und-fakten/news/stickstoff-unverzichtbar-fuer-mensch-tier-und-
pflanze/
23
   vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-
landwirtschaft/stickstoff#gefahren-fur-die-umwelt
24
   https://www.spektrum.de/lexikon/biologie

                                                                                                             12
Pflanzen mit Stickstoff versorgen und dafür die benötige Energie von den Pflanzen erhalten25
(siehe Abbildung 9).

Abbildung 9 biologische Stickstoffkreislauf. Stickstoff wird von Bakterien aus der Atmosphäre gebunden und dient den
Pflanzen als Stickstoffquelle zur Aminosäuresynthese. Tiere und Pflanzen werden von Destruenten in organisches Material
abgebaut, welches zum Teil wieder in den Stickstoffkreislauf eingebunden wird, aber auch von denitrifizerenden Bakterien zu
Stickstoff verwandelt und in die Atmosphäre abgegeben wird.26

Pflanzen nehmen die Stickstoffverbindungen aus dem Boden auf und verstoffwechseln diese
zu Aminosäuren und weiter zu Proteinen. In der Natur wurden mehr als 700 verschiedenen
Aminosäuren bisher entdeckt, von denen allerdings nur ein geringer Teil zu den so genannten
proteinogenen Aminosäuren (siehe Tabelle 1) gehören.27
Tabelle 1 Proteinogene Aminosäuren. Mit * sind jene Aminosäuren gekennzeichnet, die essentiell sind.

                              Kurz-                                    Kurz-                                   Kurz-
     Proteinname                             Proteinname                              Proteinname
                              form                                     form                                    form
     Alanin                   Ala            Glycin                    Gly            Prolin                   Pro
     Arginin                  Arg            Histidin                  His            Serin                    Ser
     Asparagin                Asn            Isoleucin*                Ile            Threonin*                Thr

25
   vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/stickstoffkreislauf/63880
26
   vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Stickstoffkreislauf
27
   vgl.
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/16/schulmaterial/schulmaterial/aminosaeuren.vlu.html

                                                                                                                        13
Asparaginsäur
                             Asp            Leucin*                  Leu            Thryptophan*             Trp
       e
       Cystein*              Cys            Lysin*                   Lys            Tyrosin*                 Tyr
       Glutamin              Gln            Methionin*               Met            Valin*                   Val
       Glutaminsäure         Glu            Phenylalanin*            Phe

Im engeren Sinn sind mit dem Begriff "proteinogen" die 20 verschiedenen Aminosäuren
gemeint, aus denen die menschlichen Eiweiße (Proteine) zusammengesetzt sind. Aber auch
eine Reihe von nicht-proteinogenen Aminosäuren übernehmen im Organismus wichtige
Aufgaben. Die meisten der mehr als 250 bekannten nicht-proteinogenen Aminosäuren hat
man bisher in Pflanzen oder Pilzen gefunden. In vielen Fällen ist ihre biologische Funktion noch
nicht genau bekannt. Sie dienen z.B. als Stickstoff-Speicher für die Knospenbildung und
Samenkeimung bei Pflanzen oder zeigen antibiotische Wirkung, indem sie als Aminosäure-
Antagonisten wirken und die Aminosäure-Synthese oder die Proteinbiosynthese hemmen.28

Trotz der großen Vielfalt an Aufgaben sind alle Proteine nach einem einfachen Prinzip
aufgebaut). Die einzelnen Aminosäuren sind wie Perlen an einer Kette hintereinander
aufgereiht und miteinander verknüpft (siehe Abbildung 10).

Abbildung 10 Ausschnitt aus der Primärstruktur (Abfolge der Aminosäuren) von menschlichem Insulin. Jede Aminosäure ist
mit drei Buchstaben abgekürzt (siehe Tabelle 1).

Wie sind Aminosäuren chemisch aufgebaut?

Alle Aminosäuren verfügen über eine sogenannte Carboxyl-Gruppe (COO-) und eine Amino-
(NH3+)-Gruppe sowie einer Seitenkette R, die für die chemische Eigenschaften der
Aminosäure verantwortlich ist (siehe Abbildung 11)

Abbildung 11 Struktur einer Aminosäure. Quelle:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/8/bc/proteine/aminos_u_einleit/bild_aminosaeuren_1/aamodel.g
if

28
     vgl. http://www.chemgapedia.de/vsengine/tra/vsc/de/ch/8/bc/tra/as_protein.tra.html

                                                                                                                     14
Im Gegensatz zu Pflanzen und einer Reihe von Mikroorganismen, die alle für den Aufbau ihrer
Zellproteine notwendigen Aminosäuren selbst synthetisieren können, sind Menschen nicht in
der Lage, alle proteinogenen Aminosäuren zu produzieren. Diese essentiellen Aminosäuren
müssen mit der Nahrung in ausreichender Menge zugeführt werden (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2 Bedarf essenzieller Aminosäuren für einen Erwachsenen laut WHO29

       Aminosäure                               Tagesbedarf in               Tagesbedarf einen 70 kg
                                                mg/kg                        schweren Erwachsenen in
                                                                             mg
       Isoleucin                                                     20                          1400
       Leucin                                                        39                          2730
       Lysin                                                         30                          2100
       Methionin und Cystein                             10,4 und 4,1                            1050
       Phenylalanin und Tyrosin                                      25                          1750
       Threonin                                                      15                          1050
       Tryptophan                                                      4                          280
       Valin                                                         26                          1820

Neben der mit der Nahrung zugeführten Proteinmenge ist die „Biologische Wertigkeit“ des
Proteins von großer ernährungsphysiologischer Bedeutung. Bestimmte tierische Proteine sind
in der Zusammensetzung dem menschlichen Eiweiß ähnlicher als Pflanzenproteine und
enthalten somit die für den Menschen essentiellen Aminosäuren in ausreichender oder
nahezu ausreichender Menge. Sie werden daher als „vollwertig“ eingestuft, d.h. ihre relative
„Biologische Wertigkeit“ (BW) wird mit 100 % angegeben (Hühnereieiweiß).

Eine geringere „Biologische Wertigkeit“ im Vergleich mit vollwertigen Eiweißen resultiert aus
dem Mangel einer oder weniger essentieller Aminosäuren, die als limitierend bezeichnet
werden. Bei verschiedenen Nahrungsstoffen limitieren jeweils andere Aminosäuren den
biologischen Wert des Eiweißes, so dass eine vielseitige Ernährung grundsätzlich günstig ist.
In Leguminosen sind vornehmlich die schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystin im
Mangel; bei Getreide limitieren Lysin und danach Tryptophan.30

Im nächsten Kapitel wird näher darauf eingegangen, welche Aufgaben Proteine im Körper
haben, wieviel Protein mit der Nahrung aufgenommen werden sollte und mit welchen
Rezepten man die biologische Wertigkeit erhöhen kann.

29
  vgl. https://www.who.int/nutrition/publications/nutrientrequirements/WHO_TRS_935/en/
30
  vgl. https://www.chemie.de/lexikon/Biologische_Wertigkeit; https://geb.uni-
giessen.de/geb/volltexte/2000/320/original/bedeut.htm

                                                                                                       15
3. Wieviel und welche Proteine braucht der Mensch?
Autorinnen: Anna Lena Aufschnaiter und Marlies Hörmann-Wallner

Eine ausreichende Zufuhr an Proteinen ist essentiell für die menschliche Gesundheit. Es erlaubt eine
intakte Zellfunktion sowie ein gesundes Immunsystem, während bei einem Mangel Erkrankungen
auftreten können31. Mit dem übermäßigen Verzehr von tierischem Eiweiß, wie es in westlichen
Industrienationen häufig der Fall ist, geht jedoch oftmals auch eine zu hohe Zufuhr an gesättigten
Fettsäuren einher, die das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen32.

Dennoch haben tierische Eiweißlieferanten in der Regel eine höhere biologische Wertigkeit als
pflanzliche Lebensmittel, weswegen letztere mit unterschiedlichen Eiweißquellen kombiniert werden
sollten.

Proteinquellen und Proteinqualität

Proteine für die menschliche Ernährung sind von tierischer oder pflanzlicher Herkunft. Aber auch
Pilze können Eiweiß liefern.

Die Proteine sind, wie im Kapitel 2 beschrieben, unterschiedlich aufgebaut. Das führt zu einer
unterschiedlichen sogenannten biologischen Wertigkeit, also wie wertvoll das Eiweiß in dem
Lebensmittel für unseren Körper ist. Ausgegangen wird dabei vom Hühnerei, wobei der Körper hier
aus 100 g Eiweiß auch 100 g körpereigenes Eiweiß herstellen kann.
Tabelle 3 Proteingehalt und biologische Wertigkeit von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln sowie Pilzen.

 Proteinquelle                                                      in 100 g      Biologische
                                                                    Lebensmittel Wertigkeit 333435
                               Hühnerei                                      11,8                  100
                               Eiweiß                                           16,1
                               Dotter                                           11,1
                               Hühnerbrust/ Schweinefleisch                    23,3                      70-76
                               (mager bis mittelfett)
                               Rindfleisch (mager)                             26,7                          83
                               Fisch
           Tierisches Eiweiß

                               Saibling/Forelle/Lachs                       19 - 21                      75-83
                               Thunfisch
                               Kabeljau                                       17,7                           75
                               Garnele                                        18,6                           70
                               Muscheln                                       10,5
                               Tintenfisch                                    16,1
                               Kuhmilch                                        3,4                          84
                               Topfen (20% F.i.Tr.)                           12,5                          81
                               Schnittkäse/Bergkäse/Hartkäse                 26-33                       83-85
                               Camembert/Brie/Mozzarella                     13-17                       81-83
                               Joghurt (3,6% Fett)                             3,5                          83
                               Kartoffeln gekocht                              2,9                          86
     Eiw
     anz
     lich

     eiß
      Pfl

      es

                               Erbsen                                         25,7

31
   (Vaupel und Biesalski 2017)
32
   https://www.oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/fette
33
   (Koerber und Leitzmann 2013)
34
   (Elmadfa 2019)
35
   (Hoffman und Falvo 2004)

                                                                                                                  16
Bohnen/Linsen/Kichererbsen                          23-24   73/33/-
                          getrocknet
                          Bohnen/Linsen Konserve                                6-9
                          Kichererbsen Konserve                               19,8?
                          Weizenmehl                                           12,7       47
                          Mais                                                  3,1       76
                          Walnuss                                                16
                          Mandel                                                 24
                          Erdnuss                                              26,9
                          Leinsamen/Sesam/Hanfsamen                           21-26
                          Luzernen/Sojasprossen                                 4-7
                          (Alfalfa)
                          Erbsen                                                5
                          Sojabohnen roh                                      39          84
                          Weizenkeime                                         30
                          Champignon/Steinpilz roh                        4,1-5,4
           Pilze

                          Pilze getrocknet, dann gekocht                      5-7,5
Die Werte sind dem österreichischen Lebensmittelschlüssel entnommen36.

Die Kombination unterschiedlicher eiweißreicher Lebensmittel kann die biologische Wertigkeit dieser
höher werden lassen. So kann auch pflanzliches Eiweiß optimal genutzt werden. Und beim
Durchlesen kann man feststellen, dass die Kombinationen in vielen Rezepten Anwendung finden.
Tabelle 4 Biologische Wertigkeit typischer Kombinationen von Lebensmitteln.

 Lebensmittel                            Biologische Wertigkeit (37,38)
 1/3 Hühnerei + 2/3 Kartoffeln                                      136
 3/4 Milch + 1/4 Weizenmehl                                         125
 60 % Hühnerei + 40 % Soja                                          124
 2/3 Hühnerei + 1/3 Weizen                                          123
 1/2 Milch + 1/2 Kartoffeln                                         114
 88 % Hühnerei + 12 % Mais                                          114
 1/2 Bohnen + 1/2 Mais                                                99

Aufgaben von Protein im Körper

Der menschliche Körper eines Erwachsenen besteht zu ungefähr 16% aus Proteinen, wobei ca. die
Hälfte auf die Skelettmuskulatur entfällt. Der übrige Anteil liegt in Form von Enzymen,
Transportproteinen oder aber auch Kreatinen der Haut, Haare und Nägel sowie Kollagen im Binde- und
Stützgewebe vor.

Proteine sind die wichtigsten Bestandteile für biochemische Vorgänge und Reaktionen im Körper: so
fungieren ausgewählte Aminosäuren bzw. deren Syntheseprodukte beispielsweise als
Neurotransmitter im Zentralnervensystem, als Regulatoren des menschlichen Säure-Basen-Haushalts,
als Transportmittel von Stickstoff im Körper oder als Grundbaustein für Hormone (39, 40).

36
   (Westphal et al.2003)
37
   Ebd.
38
   (Elmadfa 2019)
39
   (Vaupel und Biesalski 2017)
40
   (Westphal et al.2003)

                                                                                                17
Andere Aminosäuren wiederum haben antiinflammatorische, also eine entzündungshemmende
sowie zellprotektive Wirkung. Wieder andere Proteinbestandteile haben antioxidative Eigenschaften
und gelten folglich als Fänger freier Radikale. Auch für die Immunantwort nach beispielsweise
Entzündungen oder bei Wundheilungen sind gewisse Aminosäuren unentbehrlich41.

Täglicher Bedarf an Protein

In unseren Breitengraden ist ein Eiweißmangel bei gesunden Erwachsenen eher selten anzutreffen.
Für Jugendliche und Erwachsene gilt ein Eiweißbedarf von 0,8 g pro kg Körpergewicht als
ausreichend, was umgerechnet bedeutet, dass beispielsweise eine Person mit 75 kg pro Tag 60 g
Eiweiß zu sich nehmen sollte.

Anders verhält es sich bei Säuglingen, Kindern und älteren Personen sowie in Schwangerschaft und
Stillzeit. Im Säuglings- und Kleinkindalter ist der Eiweißbedarf um einiges höher als im
Erwachsenenalter. So braucht ein Säugling nach der Stillzeit noch 1,3 g pro kg Körpergewicht. Während
der Stillzeit ist der Bedarf sogar noch höher, wird jedoch durch Muttermilch oder
Säuglingsanfangsnahrung ausreichend gedeckt. Ab dem 65. Lebensjahr steigt der Proteinbedarf auf 1
g pro kg Körpergewicht, bei Schwangeren und Stillenden steigt er auf 0,9 g bzw. 1,2 g pro kg
Körpergewicht4243.

Im Sport ist der Proteinbedarf hochindividuell und abhängig von Sportart, Trainingsumfang, dem
persönlichen Ziel und weiteren Faktoren.

Eine wissenschaftlich fundierte Obergrenze, ab welcher ein Zuviel an Eiweiß schädlich ist, gibt es bis
dato nicht44. Der tägliche Proteinbedarf lässt sich leicht über sowohl tierische als auch pflanzliche
Lebensmittel decken, wobei als Faustregel angenommen wird, dass ca. 30 g Eiweiß über den Tag
verteilt über Lebensmittel aufgenommen werden, die nicht sofort als eiweißhaltig erkennbar sind.
Dazu zählen beispielsweise Brot, Kartoffeln oder Teigwaren.

Wird obiges Beispiel einer Person mit 75 kg und einem Eiweißbedarf von 60 g herangezogen, so
bedeutet dies in der Praxis, dass, neben den erwähnten 30 g Eiweiß aus Brot, Kartoffeln, etc., noch 30
g Eiweiß zugeführt werden müssen.

10 g Eiweiß sind enthalten in45:

        1 großem Ei
        50 g rohem Fisch
        50 g rohem Fleisch, Schinken oder Wurst
        300 ml Milch
        50 g Hart-, Schnitt- oder Weichkäse
        100 g Frischkäse
        150 g Erbsen (frisch oder tiefgekühlt)
        180 g Hülsenfrüchten in Dosen
        80 g Sojabohnen (frisch oder tiefgekühlt)
        100 g Tofu

41
   (Westphal et al.2003)
42
   https://www.oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/eiweiss
43
   https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein
44
   https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/protein/#c5281
45
   (Verband der Diaetologen Österreichs 2011)

                                                                                                   18
Was ist bei der Zubereitung zu beachten?
Wie vorhin schon erwähnt, kann man Kombinationen von Lebensmitteln nutzen um das enthaltene
Eiweiß noch wertvoller zu machen.

Hülsenfrüchte46

Alle Hülsenfrüchte müssen vor dem Verzehr immer erhitzt werden und dürfen keinesfalls roh
gegessen werden. Sie enthalten das Gift Phasin, das zum Zusammenkleben der roten Blutkörperchen
führen kann. Kinder sind hier besonders gefährdet, typische Symptome sind Erbrechen und Durchfall
nach dem Verzehr.

Getrocknete Bohnen, Sojabohnen und Kichererbsen am besten schon am Vortag/über Nacht
einweichen. Getrocknete Linsen und Erbsen müssen vor dem Kochen nicht extra eingeweicht
werden.

Für eine weiche Schale beim Kochen 1 EL Natron dazugeben. Um die Hülsenfrüchte gut in Form zu
belassen z. B. für Salate kann man etwas Säure (z. B. Zitronensäure oder Essig) in das Kochwasser
geben und direkt nach dem Kochen das Wasser abgießen und auskühlen lassen.47

Das Einweichwasser beinhaltet Vitamine und Mineralstoffe und kann weiterverwendet und sollte
dabei ebenfalls erhitzt werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass man das Einweichwasser von Fisolen,
Lima- und Urdbohnen weggeben soll.

Verträglichkeit

Um die Verträglichkeit der Hülsenfrüchte zu verbessern und Blähungen entgegenzuwirken, kann
Bohnenkraut, Fenchelsamen, Majoran, Anis oder Kümmel mitverarbeitet werden. Kleinere
Hülsenfrüchte und Keimlinge sind meist verträglicher als die Großen.

Keimlinge

Frische Keimlinge enthalten viele wertvolle Inhaltsstoffe und sollten max. nach 2-3 Tagen im
Kühlschrank verarbeitet werden. Wichtig ist, dass die Keimlinge vor dem Verzehr erhitzt werden.
Ausnahmen gelten auch hier: Mungobohnen-, Luzernen- und Linsenkeimlinge müssen nicht erhitzt
werden, jedoch sollte man auf Gartenbohnenkeimlinge ganz verzichten.

Fermentation

Die Fermentation ist eine alte Kulturtechnik um Lebensmittel haltbar zu machen und führt zu einer
besseren Verdaulichkeit der Eiweißverbindungen ihrer Ausgangsstoffe (Gemüse, Getreide, Milch,
Eiweißfrüchte etc.). Dabei bedient sie sich der enzymatischen und/oder mikrobiellen Umwandlung
von organischen Verbindungen.

Beim Fermentieren kommen Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze zum Einsatz, die sich zum Teil
bereits auf den Lebensmitteln befinden oder zum Beimpfen verwendet werden. Im Anschluss findet
dann eine gezielte Reife statt, die unterschiedliche Bedingungen benötigt.

Der empfehlenswerte und weitbekannte Klassiker ist das Sauerkraut, mit viel Vitamin C jedoch
proteinarm. Weiters finden Fermentationsprozesse bei der Herstellung vieler Milchprodukte
Anwendung (z. B. Sauermilch & Käse), beim Sauerteigbrot oder bei der Alkoholherstellung. 48

46
   https://www.bzfe.de/inhalt/huelsenfruechte-zubereitung-und-lagerung-4176.html
47
   https://www.huelsenreich.de/huelsenfruechte-richtig-kochen-so-beeinflusst-du-die-bissfestigkeit/
48
   ttps://www.wissen.de/fermentieren-das-steckt-hinter-der-uralten-kulturtechnik

                                                                                                      19
Fermentierte Produkte aus Eiweißfrüchten wie Soja z. B. Sojasoße, Miso und Tempeh sind dagegen
nur zum Teil bei uns bekannt. Für das proteinreiche Tempeh, werden gewaschene und erhitze
Sojabohnen mit Pilzkulturen versetzt und bei ca. 30 C für 2 Tage bebrütet bis ein weißer Rasen
entsteht und die Sojabohnen zu einer Einheit zusammenwachsen.49

Neben der verbesserten Verdaulichkeit von Eiweiß werden beim Fermentieren Inhaltsstoffe gebildet,
die die Abwehrkräfte und den Darm stärken können. Relevante Mikronährstoffe z. B. Vitamin B12
oder C können gebildet werden und die Verfügbarkeit für den Körper bei Eisen und Zink erhöhen.
505152

Soja und Gentechnik

Geht es um pflanzliche Proteinquellen und folglich auch um Soja, so sind Verbraucher und
Verbraucherinnen oftmals verunsichert. Mittlerweile wird in den Hauptanbauländern wie den USA und
Brasilien überwiegend gentechnisch verändertes Soja angepflanzt. 80% der Anbauflächen beinhalten
gentechnisch verändertes Soja. Eine EU-Verordnung regelt, dass gentechnisch veränderte Lebens- und
Futtermittel gekennzeichnet werden müssen. Davon ausgenommen sind jedoch tierische Produkte,
die ursprünglich mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden53. Somit ist für den
Endverbraucher/ die Endverbraucherin keine direkte Nachverfolgung mehr möglich.

Hätten Sie´s gewusst?

„Fast ein Drittel der in Europa direkt in der Nahrungsmittelproduktion verwendeten Sojabohnen
wachsen in Österreich!“ Verein Soja aus Österreich, 2020

49
   (Chilton et al. 2015)
50
   (Platel und Srinivasan 2016)
51
   (Anukam und Reid 2009)
52
   (Boye et al. 2012)
53
   https://www.bzfe.de/lebensmittel/vom-acker-bis-zum-teller/huelsenfruechte/huelsenfruechte-
verbraucherschutz/

                                                                                                 20
4. Proteinquellen in der Steiermark – Regional versorgt
Autorin: Andrea Lienhard, MSc.

Die globale Erwärmung, die abnehmende Bodenfruchtbarkeit und die steigenden Bevölkerungszahlen
machen es auch in der Steiermark notwendig die Proteinversorgung auf eine breitere, pflanzliche Basis
zu stellen. Die wichtigsten pflanzlichen Proteinquellen in der Steiermark sind derzeit Sojabohnen,
Käferbohnen, Raps, Sonnenblumen, Körnererbsen, Ackerbohnen, Süßlupinen, Linsen, Kichererbsen
und Grünerbsen. Hülsenfrüchte sind die wichtigste Quelle für pflanzliches Eiweiß und deren Verzehr
hat in der Steiermark eine gewisse Tradition, so gilt die Käferbohne als lokales Kulturgut und prägt die
Region der Südoststeiermark. Die Käferbohnenernte unterliegt extremen jährlichen
Ertragsschwankungen, da die Ernte stark von natürlichen Witterungsbedingungen abhängig ist. Das
Jahr 2013 hatte beispielsweise in der Steiermark weitgehend Totalausfälle zur Folge. Mit den
klimatischen Veränderungen wird es notwendig sein, neue, angepasste Leguminosen zu etablieren,
um den wachsenden Bedarf an Proteinen stillen zu können. Der Anbau von Leguminosen könnte eine
Alternative zu intensiv gedüngten Maisanbauflächen in der Steiermark darstellen und sich somit
positiv auf die Grund- und Trinkwasserqualität auswirken. Ein höherer Selbstversorgungsgrad mit
Leguminosen könnte weiters die weiten Transportwege von Importsoja vermindern und den CO2
Ausstoß reduzieren54. Alternativen zu tierischen Proteinen aus konventionellen Tierhaltungen sind
neben pflanzlichen Quellen, die Produktion von Pilzen, oder die Zucht von Insekten.

Die landwirtschaftlich genutzte Gesamtfläche der Steiermark beträgt ungefähr 400.000 Hektar, und
wird von Dauergrünlandflächen (~60 %) dominiert; das Ackerland nimmt zirka 35 % ein55. Im Jahre
2019 wurden ~95 % des steirischen Ackerlandes für den Anbau von Getreide, den Feldfutterbau
genutzt. Der Öl- und Eiweißfruchtanbau machte rund 13,17 % der Ackerfläche aus56. Beim
Getreideanbau werden wiederum rund 90 % für Futtergetreide verwendet, die restlichen
Getreideflächen für den Anbau von Brotgetreide. Anhand von Abbildung 1 ist ersichtlich, dass in der
Steiermark das Potential, den Eiweißpflanzenanbau zu forcieren, vorhanden wäre.

                            Nutzung des Ackerlandes in der Steiermark (2019)

                                       22,50%

                               4,14%                                                59,40%

                             12,78%

                                       0,79%            0,39%

       Getreide      Eiweißpflanzen       Hackfrüchte       Ölfrüchte      Sonstiges Ackerland      Grünfutterpflanzen

Abbildung 12 Nutzung des Ackerlandes in der Steiermark. Quelle: Statistik Austria. Eigene Darstellung.

54
   https://www.stertz.at/wp-content/uploads/2020/02/20190910-Zusammenfassung-der-Studienergebnisse_Analyse.pdf
55 Landesstatistik Steiermark, https://www.landesentwicklung.steiermark.at/cms/beitrag/12658776/142970621/
56 Statistik Austria,

https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/land_und_forstwirtschaft/agrarstruktur_flaechen_ertraege/boden
nutzung/index.html#:~:text=Weingartengrunderhebung%202015-
,Anbau%20auf%20dem%20Ackerland%202019,(58%2C6%25)%20ein.

                                                                                                                         21
Die traditionelle Käferbohne (Phaseolus coccineus)

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam die aus Mittelamerika stammende Bohne vermutlich nach
Mitteleuropa; in der Steiermark ist der Anbau für das 19. Jahrhundert nachgewiesen57. Etwa ein Drittel
der steirischen Gemüseanbaufläche machen Käferbohnen aus (sie werden als Gemüse und nicht als
Ackerfrucht definiert) und fast 95 % der österreichischen Gesamtproduktion an Käferbohnen werden
in der Steiermark geerntet. Vor allem die mineralhaltigen, humosen Lehmböden im Südosten der
Steiermark (mit 90 % der österreichischen Gesamtproduktion) bieten eine ideale Wachstumsgrundlage
für die Käferbohne. Die Käferbohne - ihr Anbau und ihre kulinarische Nutzung - haben im
Hauptanbaugebiet eine große Bedeutung und beeinflussen mehrere Wirtschaftszweige. So gilt die
Käferbohne als wertvolles traditionelles Produkt und wurde 2016 in das EU-Herkunftsregister
aufgenommen58. Das Siegel „Steirische Käferbohne g.U.“ garantiert, dass alle Produktionsschritte (vom
Anbau bis zur Verarbeitung) in der Steiermark erfolgen. Mittlerweile werden jährlich etwa 450 bis 650
ha Käferbohnen (2019: 480 ha) unter dem EU-Herkunftsschutz von ungefähr 190 landwirtschaftlichen
Betrieben angebaut (vgl. Tabelle 1).

Der Käferbohnenanbau in der Steiermark hat sich vom Anbau zu Selbstversorgungszwecken („Arme-
Leute-Essen“) zu einer wirtschaftlich bedeutsamen Kultur entwickelt. Mit dem wachsenden Interesse
an hochwertigen, heimischen Produkten wird in den letzten Jahren wieder vermehrt auf die
Käferbohne gesetzt.

Zirka 90 % der Steirischen Käferbohnen werden gemeinsam mit Mais kultiviert (Misch- oder
Stützkultur), dadurch ist eine wirtschaftliche Produktion möglich5. Mais und Bohnen werden
gemeinsam geerntet und nachträglich – basierend auf den unterschiedlichen Korngrößen – maschinell
getrennt. Der aktuelle Absatzmarkt für steirische Käferbohnen beschränkt sich vornehmlich auf
Österreich und den bayrischen Raum. In schwierigen Erntejahren kam es immer wieder zu einer
vermehrten Platzierung von Käferbohnen ausländischer Herkunft (fast ausschließlich aus China) die im
Rohwarenpreis weniger als ein Drittel der österreichischen Bohnen kosten59.

Karl Bajano (Gourmet und Weinsommelier) über die Steirische Käferbohne: „Ein Hauch Widerstand
durch die dünne Schale, danach eröffnet sich ein sinnliches Bohnenvergnügen. Fein und cremig
schmeichelt der Kern dem Gaumen, beinahe schmelzend mit einer eleganten Anmutung von feinem
Maronipüree, begleitet vom reizvollen Biss der Haut. Ganz zarte nussig-pfeffrige Nuancen und
angedeutete Süße ergeben den perfekten Nachgeschmack.“60

Nicht zu verwechseln ist die Käferbohne mit der - jahrzehntelang traditionell in der Steiermark
angebauten - Ackerbohne (Vicia faba), die auch als Pferde- oder Saubohne bekannt ist. Die
Namensgebung deutet darauf hin, dass man dieser Bohne wenig kulinarische Wertschätzung
entgegenbrachte; durch den kräftigen Geschmack und die feste Schale wurde sie von der Gartenbohne
abgelöst und verkam zu einer Futterpflanze61. Die zur Gattung der Wicken gehörende Ackerbohne
verzeichnet auch in den letzten Jahren einen Rückgang der Anbauflächen in der Steiermark (Tabelle
1).

57
   (Adam et al. 2015)
58
  https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/spezialkulturen/steir_kaeferbohne.html
59
  https://www.oststeiermark.com/fileadmin/user_upload/Download/Kaeferbohne_Wissensrecherche_klein.pd
f
60
  https://www.steirische-spezialitaeten.at/kulinarik/steirische-kaeferbohne.html
61
  https://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Feuerbohnen%2C_Saubohnen

                                                                                                   22
Der Spitzenreiter - die Sojabohne (Glycine max)

Im Jahre 1982 schrieb Wolffhardt: „Es ist aber nicht zu erwarten, dies gilt zumindest für Österreich,
dass in einer Zeit, in der es genügend Fleisch gibt, die Sojabohne für die menschliche Ernährung
größere Bedeutung erlangt.“ (Seite 10162)

Dieses Zitat von Wolffhardt kann nicht bestätigt werden – die Hälfte der österreichischen Sojabohnen
werden als wertvolles Nahrungsmittel verwendet63. Die ersten Sojabohnen-Anbauversuche von
Friedrich Haberlandt in wärmebegünstigten Gebieten der Steiermark fanden in den 1920er Jahren
statt. In den 1970er Jahren gab es weitere Versuche in Gleisdorf, Halbenrain und Radkersburg9. Im
Zuge einiger Phasen von Nahrungs- bzw. Eiweißknappheit (siehe Kapitel 1) in denen Fleisch nicht
leistbar war, und in den letzten Jahren, ist ein deutlicher Anstieg der Soja-Anbaufläche in der
Steiermark zu verzeichnen (Tabelle 1). Die Sojabohne ist der Spitzenreiter unter den heimischen
Eiweißpflanzen mit einer Anbaufläche von über 6.000 ha (2019).

Als Alternative zu Soja könnten die eiweißreichen Samen der Lupinen dienen. Sie wurden im 19.
Jahrhundert hauptsächlich als Gründüngung eingesetzt und erst in den 1920er Jahren führten
Züchtungserfolge zu höheren Erträgen und zum Einsatz als Tierfutter. Von diesen, als „andere
Hülsenfrüchte“ aufgelisteten Eiweißpflanzen wurden in der Steiermark 118 bzw. 139 ha Anbaufläche
(in den Jahren 2018 bzw. 2019) verzeichnet. Der Anbau von Grünerbsen macht in der Steiermark einen
sehr geringen Anteil aus – und sinkt stetig. Im Jahr 2005 wurden noch 5 ha Anbaufläche ausgewiesen
im Jahr 2019 war es nur mehr 1 Hektar.
Tabelle 5 Anbauflächen von Eiweißpflanzen in der Steiermark. Daten basierend auf Landesstatistik.steiermark.at und
Statistik Austria. Eigene Darstellung.

          Eiweißpflanzen                     Anbaufläche in Hektar in der Steiermark
                                   2005 2007 2009 2010 2013 2015 2017 2018                                       2019
 Körnererbsen                        709 462   276    219      83       83      89    85                            66
 Sojabohnen                        1.289 777 1.233 1.386 3.360 5.267 7.049 8.383                                 6.230
 Ackerbohnen                         629 431   377    380     390      608     535   372                           289
 Käferbohnen                          95 110   250    700     450      600     700   520                           480
 Raps                                    956   837    717     664      124     170   259                           208

Fisch – ein kulinarisches Erbe Österreichs

Als regionstypische Lebensmittel zur Proteinversorgung bzw. als kulinarisches Erbe Österreichs sind
der „Steirischer Teichland Karpfen“ im Süden der Steiermark, der „Ausseerland Seesaibling“ und die
traditionelle Zucht und der Fang von See-, Bach-, und Regenbogenforellen in Österreich zu nennen.
Die Karpfenzucht kann in der Steiermark bis ins Mittelalter rückverfolgt werden. Das „Steirisches
Teichland“ um Deutschlandsberg und Leibnitz, gehörten seit dem 10. Jahrhundert zum Einflussbereich
der Salzburger Erzbischöfe. Aufgrund des hohen Eigenbedarfs an Fischen und ihrer großen Bedeutung
als Fastenspeise wurden zahlreiche Teiche angelegt64. In der Steiermark werden Karpfen in Teichen
von etwa 1.000 Hektar Teichfläche gezüchtet. Bereits 1280 gibt erste Erwähnung der Fischerei von
Saiblingen in Seen der Region Aussee65. Die traditionellen Seenfischereien sind bekannt dafür, dass sie
im Einklang mit der Natur arbeiten und für ihr nachhaltiges Management der Fischpopulation.

62
     (Wolffhardt 1982)
63
     (Schilly 2017)
64https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/fisch/karpfen.html
65
 https://www.bmlrt.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/fisch/ausseerl_seesaibling.html

                                                                                                                     23
Trends in der Steiermark – alternative Proteinquellen

Das feucht-warme steirische Klima bietet sich an, die Produktion von Pilzen auf Ackerflächen zu
etablieren, damit könnte zusätzlich die Verrottung von schwer abbaubaren Materialien beschleunigt
werden. Es gibt bereits etliche steirische Pilzzuchten in Graz, Gleisdorf, Fürstenfeld, Judenburg, Leibnitz
und Feldbach. Diese Pilze werden allerdings „industriell gefertigt“ und sind somit derzeit (noch) nicht
als landwirtschaftliche Produktion registriert (d. h. die Daten wurden in der Steiermark nicht gesondert
erhoben). Pilzzuchten könnten eine Alternative für kleine landwirtschaftliche Betriebe oder Betriebe
in ungünstigen Lagen darstellen.

Eine weitere Alternative zur klassischen Tierzucht stellt die Insektenzucht dar. Im Projekt spi³
(Sustainable Protein: Integrierte Insekten Innovationen) an der FH JOANNEUM in Graz wird an der
nachhaltigen Erzeugung von Proteinen aus Larven der Mehlkäfer, (Tenebrio molitor) geforscht. Die
Larven bieten hochwertige Proteine (alle essenziellen Aminosäuren), haben einen geringen
Platzbedarf, sie vermehren sich schnell, haben eine bessere Futterverwertung als konventionelle
Nutztiere, und produzieren des Weiteren weniger Treibhausgase66. Im ersten Schritt dieses Projektes
wurden nachhaltige, regionale Stoffströme (Beiprodukte der menschlichen Ernährung), die zur
Fütterung von T. molitor geeignet sind, identifiziert und im Anschluss an die Insekten verfüttert.

Einen Proteinquellentrend könnten weitere Tiere setzen, die Garnelen. In der Steiermark werden
bereits „Steirische Gebirgsgarnelen“ oder „Steirer Shrimps“ angeboten. Eine regionale Versorgung mit
Proteinen könnte auch auf Kürbiskern-, Hanf-, Leinsamen- oder Sonnenblumenprotein basieren, diese
Produkte werden ebenso angeboten.

Um den Konsum von Fleisch zu reduzieren und dennoch genügend Proteine durch die Nahrung
aufnehmen zu können und zusätzlich positive Aspekte auf Umwelt, Klima und Gesundheit zu erreichen,
wird es auch in der Steiermark notwendig sein, eiweißreiche Alternativen zu finden.

66   (Oonincx et al. 2012)

                                                                                                        24
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