Nachhaltiges Personalmanagement in Zeiten knapper Ressourcen
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Nachhaltiges Personalmanagement in Zeiten knapper Ressourcen Es fehlt an Nachwuchs bei den Hebammen. Erfahrene Hebammen gilt es daher nachhaltig im Beruf zu halten. Das Competence Network Health Workforce liefert dazu wichtige Projektergebnisse. Das Beispiel von zwei Studien mit relevanten Resultaten für den Hebammenberuf verdeutlicht, dass sich das Personal management in Spitälern mit einer Vielzahl an He rausforderungen konfrontiert sieht, die es wirkungs voll anzugehen gilt. T E X T: K A R IN A NN E P E T E R , S U S A NN E G R Y L K A , C H R I S TO P H G O L Z , S A B IN E H A H N 8 12/2020 Obstetrica
Nachhaltiges Personalmanagement in Zeiten knapper Ressourcen T i t el t hema Antje Kroll-Witzer W eltweit fehlt es an Pflegeper- und zu evaluieren, wurde das Competence Erste Resultate der Studie geben Hinweise sonen und Hebammen. Auch Network Health Workforce (CNHW) von dazu, wie sich Arbeitsbelastung und deren die Schweiz ist davon betrof- der Berner Fachhochschule (BFH), der Ost- mögliche Folgen bei Schweizer Hebammen fen. Nicht ohne Grund wurde schweizer Fachhochschule, der Haute école zeigen. Für das Personalmanagement lie- dieses Jahr durch die Weltgesundheitsor spécialisée de Suisse occidentale, der Scuo- fert die STRAIN-Studie somit grundlegende ganisation zum Internationalen Jahr der la universitaria professionale della Svizzera Erkenntnisse zur Umgestaltung der Arbeits- Pflegefachpersonen und Hebammen aus italiana und der Zürcher Hochschule für An- bedingungen. erkoren. Studien weisen darauf hin, dass gewandte Wissenschaften (ZHAW) gegrün- mit einem nicht unerheblichen Mehrbedarf det. Nachfolgend werden Ergebnisse und an Hebammen bis 2030 zu rechnen ist (Kägi Empfehlungen für Leitungspersonen aus je et al., 2014; Rüesch et al., 2014). Ein Haupt- einem Projekt der BFH und der ZHAW prä- grund sind die 41,9 % frühzeitigen Berufs- sentiert. Weitere Ergebnisse sind auf der austritte. Zur Förderung des Verbleibs von Projektseite des CNHW1 publiziert. Zur Förderung des Hebammen sind wirkungsvolle Ansätze not- Verbleibs von Hebammen wendig. Das Umsetzen nachhaltiger Mass- Studie zur Arbeitsbelastung nahmen ist eine Kernaufgabe des Manage- bei Gesundheitspersonen sind wirkungsvolle ments. Nachhaltiges Personalmanagement Ziel der nationalen Studie «Work-related Ansätze notwendig. bedingt, dass den Entscheidungsträgerin- Stress among health professionals in Swit- nen und -trägern nützliche Instrumente zur zerland» (STRAIN) der BFH ist es, die Ar- Verfügung stehen, sodass sie der aktuellen beitsbelastung bei Gesundheitspersonen Situation bestmöglich begegnen können. zu erfassen und langfristig mit wirksamen Gefragt sind nun die Führungspersonen, Wichtig für eine gute Personalführung sind Massnahmen zu reduzieren. Die Daten wur- denn sie sind für die Umsetzung verant- auch alternative Versorgungsmodelle, die den mithilfe eines umfassenden Fragebo- wortlich und ohne ihr Engagement kann durch geringere Belastungen die krank- gens erhoben, der sich hauptsächlich aus keine wirkungsvolle Veränderung erfolgen. heitsbedingten Absenzen reduzieren und dem Copenhagen Psychosocial Question Die hier beschriebenen Resultate wurden in die Motivation sowie Arbeitszufriedenheit naire zusammensetzt (Peter et al., 2020a; der ersten von drei Messungen erhoben der Hebammen steigern. Um diese Ansätze Peter et al., 2020b). (September 2017 bis April 2018), bei der sich forschungsbasiert auf nationaler Ebene für 63 Hebammen aus mehreren Spitälern be- alle Gesundheitspersonen zu entwickeln 1 www.cnhw.ch teiligt haben. Obstetrica 12/2020 9
T i t el t hema Abbildung 1: Anforderungen bei der Arbeit Competence Network Health Workforce (2020) Nie Selten Manchmal Oftmals Immer 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 63 55 Quantitative Anforderungen 57 (Workload) 53 63 44 64 Emotionale 52 Anforderungen 58 62 33 41 Physische 40 Anforderungen 23 21 Mittelwerte Standardabweichung Hebammen (n = 63) Pflege(fach)personen (n = 4746) Medizinisch-technische Berufe (n = 215) Medizinisch-therapeutische Berufe (n = 593) Ärztinnen/Ärzte (n = 511) Die quantitativen Anforderungen bei der Welches sind die auch auf deren Zufriedenheit und Sicher- Arbeit (bspw. schnelles Arbeitstempo) sind Langzeitkonsequenzen? heit am Arbeitsplatz auswirken. bei den Hebammen im Vergleich zu anderen Die verhaltensbezogenen (bspw. sich an- • Wertschätzung: Die Ergebnisse zeigen Berufsgruppen hoch (siehe Abbildung 1). triebslos fühlen) sowie kongitiven (bspw. hier einen klaren Nachholbedarf auf. Das Dafür scheinen die Hebammen von emotio- Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren) Management muss Raum für positives nalen Anforderungen (bspw. Konfrontation Stresssymptome zeigen sich bei den Heb- Denken und Wertschätzung im Arbeits mit Tod) sowie physischen Anforderungen ammen als am stärksten ausgeprägt. Die alltag schaffen. Den Fokus auf positive (bspw. Heben schwerer Lasten) weniger be- Befragten schätzten zudem ihren allgemei- Erfahrungen und gemeinsam erreichte troffen zu sein. nen Gesundheitszustand im Vergleich mit Erfolge zu richten, kann das generelle Die Entwicklungsmöglichkeiten bei der Ar- den anderen Berufen als am tiefsten ein. Ein Wohlbefinden sowie das Gemeinschafts- beit schätzten die Hebammen höher ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Ar- gefühl stärken und sich positiv auf als Mitarbeitende aus der Pflege und me beitszufriedenheit. Diese scheint bei den zwischenmenschliche Beziehungen aus- dizinisch-technisch-therapeutische Berufe. Hebammen am tiefsten zu sein (siehe Ab wirken. Zentral ist dabei, den Mitarbei- Den eigenen Einfluss auf die Arbeit (bspw. bildung 3). tenden gezielte und regelmässige Wert- Einfluss auf die Menge der Arbeit) schätzten Die Ergebnisse lassen aufhorchen! Sie lie- schätzung zu geben und dies in bereits die Hebammen im Vergleich zu anderen fern nicht nur einen ersten Eindruck, welche bestehenden Routinen zu verankern. Gesundheitspersonen eher tief ein. Auch Themenfelder zu bearbeiten sind, um mög- die erhaltene Wertschätzung bei der Arbeit liche Arbeitsbelastung von Hebammen zu sowie die Führungsqualitäten der direkten senken, sondern zeigen den Handlungsbe- Den eigenen Einfluss auf Vorgesetzten beurteilten die befragten darf auf. Hebammen als geringer. Die Vereinbarkeit • Quantitative Anforderungen: Die Arbeits- die Arbeit schätzten die von Arbeits- und Privatleben wurde von den last steht nicht im Einklang mit den vor- Hebammen im Vergleich Hebammen ebenfalls als schwieriger einge- handenen Ressourcen bei den Hebam- stuft. Nur der ärztliche Dienst schätzt dies men. Dies kann sich nicht nur negativ auf zu anderen Gesundheits noch schwieriger ein (siehe Abbildung 2). deren Gesundheitszustand, sondern personen eher tief ein. 10 12/2020 Obstetrica
Nachhaltiges Personalmanagement in Zeiten knapper Ressourcen T i t el t hema • Führungsqualitäten: Die Art der Führung zu fördern, sind die Erstellung von früh ser Veränderungen lösungsorientiert einbe- (positiv oder negativ) kann einen starken zeitigen und mitarbeiterfreundlichen zogen werden. Für die Umsetzung ist zudem Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit, das Dienstplänen (persönliche Präferenzen ein klares Engagement der obersten Füh- Wohlbefinden sowie die Krankheitsab- miteinbeziehen), niederschwellige Mög- rungsebene und eine Organisationskultur, wesenheit von Mitarbeitenden haben. lichkeiten für unbezahlten Urlaub sowie die Interventionen zur Stressreduktion zu- Führungspersonen sollten daher mit ei- flexible Arbeits- und Dienstplanmodelle lässt, ausschlaggebend. nem aktiven und unterstützenden Füh- zentral. Vielerorts wird mit neuen Model- rungsstil positive Reaktionen bei den len experimentiert, doch scheinen neue Projekt Mitarbeitenden auslösen und insgesamt Ansätze noch zu wenig verbreitet oder zu «Berufszufriedenheit Hebammen» zu einem guten Arbeitsklima beitragen. wenig tiefgreifend eingeführt. Die Ziele des ZHAW-Projekts «Berufskar • Vereinbarkeit von Arbeits- und Privat Eine positive Veränderung durch diese Emp- rieren und Berufsverweildauer Gesund- leben: Hier scheint ein grosser Nachhol- fehlungen ist besonders erfolgreich, wenn heitsberufe» waren einerseits, eine Be bedarf vorhanden zu sein. Um die Ver betroffene Hebammen sowohl bei der Ent- standesaufnahme der Berufssituation der einbarkeit von Arbeits- und Privatleben wicklung wie auch bei der Umsetzung die- Hebammen im Kanton Zürich zu erstellen, Abbildung 2: Arbeitsorganisation und Beziehungen Competence Network Health Workforce (2020) In sehr geringem Mass Zum Teil In sehr hohem Mass 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 76 70 Entwicklungs- 73 möglichkeiten 74 77 44 49 Emotionale 40 Anforderungen 62 53 48 58 Erhaltene 55 Wertschätzung 56 59 57 65 Führungs qualitäten 60 Vorgesetzte/-r 64 62 38 Vereinbarkeit 30 von Arbeits- 25 und Privat 23 leben 45 Mittelwerte Standardabweichung Hebammen (n = 63) Pflege(fach)personen (n = 4746) Medizinisch-technische Berufe (n = 215) Medizinisch-therapeutische Berufe (n = 593) Ärztinnen/Ärzte (n = 511) Obstetrica 12/2020 11
T i t el t hema Abbildung 3: Langzeitkonsequenzen Competence Network Health Workforce (2020) In sehr geringem Mass / sehr unzufrieden Zum Teil In sehr hohem Mass / sehr unzufrieden 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 32 Verhaltens 26 bezogene 23 Stress 25 symptome 29 33 26 Kognitive Stress 25 symptome 27 26 74 79 Allgemeiner Gesundheits- 82 zustand 80 79 65 69 Arbeits 70 zufriedenheit 72 73 Mittelwerte Standardabweichung Hebammen (n = 63) Pflege(fach)personen (n = 4746) Medizinisch-technische Berufe (n = 215) Medizinisch-therapeutische Berufe (n = 593) Ärztinnen/Ärzte (n = 511) und andererseits, die Entwicklung der Be- zwei Privatkliniken und zwei Geburtshäuser Legen eines venösen Zugangs (20,0 % ver- rufszufriedenheit rund um die Einführung zusammen. Hebammengeleitete Geburten sus 81,8 %, p = 0,036). eines hebammengeleiteten Projekts zu eva wurden in fünf Einrichtungen (31,3 %) ange- Es zeigt sich, dass hebammengeleitete Be- luieren. boten, in drei Spitälern und in den beiden treuungsmodelle im Kanton Zürich selten Für die Bestandsaufnahme der Berufs si Geburtshäusern. Hebammen, die in Insti sind und dass sich die Arbeit von Hebam- tuation der Hebammen wurde von Juni bis tutionen mit hebammengeleiteter Geburts- men in Einrichtungen mit hebammengelei- September 2017 ein Onlinefragebogen in hilfe arbeiteten, konnten mehr Kontinuität teter Geburtshilfe von denjenigen, die aus- alle 17 Institutionen mit einer Geburten in der Betreuung anbieten. So kannten ge- schliesslich Standardversorgung anboten, abteilung inkl. der Geburtshäuser des Kan- bärende Frauen ihre Hebamme häufiger deutlich unterschieden. Das Fördern von tons Z ürich verschickt. Pro Institution wur- schon vor Geburtsbeginn (60,0 % versus hebammengeleiteten Betreuungsmodellen de die Umfrage einmal ausgefüllt, entweder 9,1 %, p = 0,063). Sie trugen zudem mehr könnte für die Hebammen mehr Kontinuität von der Leitenden Hebamme oder der Lei- Verantwortung und führten z. B. häufiger in der Betreuung, weniger verordnete Routi- tung Pflege der Frauenklinik. selbstständig und eigenverantwortlich nemassnahmen, mehr Verantwortung und Austrittsuntersuchungen durch (60,0 % ver- mehr Entscheidungskompetenzen bedeuten. Hebammengeleitete Geburtshilfe sus 9,1 %, p = 0,063). Beide Ergebnisse wa- verbessert Arbeitssituation ren allerdings aufgrund der kleinen Stich- Hebammengeleitetes Die Rücklaufquote der Umfrage lag bei probe knapp nicht signifikant. Weiter Projekt eingeführt 94 %, d. h. 16 Institutionen nahmen teil wurden in Einrichtungen mit hebammenge- Im zweiten Teil des Projekts «Berufszufrie- (Grylka-Baeschlin et al., 2020). Diese setz- leiteter Geburtshilfe seltener routinemässi- denheit Hebammen» wurde am Universitäts- ten sich aus zwölf öffentlichen Spitälern, ge Interventionen durchgeführt, z. B. das Spital Zürich ein Projekt entwickelt, das Kri- 12 12/2020 Obstetrica
Nachhaltiges Personalmanagement in Zeiten knapper Ressourcen T i t el t hema terien der hebammengeleiteten Geburtshilfe • Teilbereich «Berufliche Entwicklung» erfüllte (Aubry & Cignacco, 2015). Es fördert zwischen t0 und t1 (0,77, 95 % KI [0,55, die Kontinuität in der Betreuung, stellt die 0,99], versus 0,40, 95 % KI [0,15, 0,64], Bedürfnisse der Frauen in den Mittelpunkt, p
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