Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel
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Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel Die Gegend um den Neusiedlersee ist das Aushängeschild des Burgenlandes schlechthin. Rund um den Neusiedlersee findet man eine in Europa einzigartige asiatische Steppenflora mit interessanter Vogelwelt. Hier nisten Silberreiher, Löffler, Säbelschnäbler, Ibis u. v. a. Im Seewinkel gibt es an den Salzlacken eine Vegetation, wie sie sonst nur noch in Südrußland und Zentralasien heimisch ist. Salzkresse, Kampferkraut und viele andere Pflanzen haben hier ihre westliche Verbreitungsgrenze. Dieser See und sein Umland wurden zur Novität: Es entsteht hier ein grenzüberschreitender Nationalpark zwischen Österreich und Ungarn. Wir unterscheiden im Nationalgebiet 4 unterschiedliche, aber voneinander abhängige Lebensräume. 1) Der See: Der Neusiedlersee ist der einzige Steppensee West und Mitteleuropas. Er besitzt leicht salzhaltiges Wasser und ist 300 km² groß, wovon allerdings nur die Hälfte frei von Schilfbewuchs ist. Der Wind ist in der Lage, das meist weniger als 1,5 Meter tiefe Wasser bis auf den Grund ständig in Bewegung zu halten (wodurch sich das hauptsächlich anorganische trübe Material nicht am Seeboden absetzen kann und manche Badegäste zu der Bemerkung veranlaßt werden, daß der See eine riesige Drecklacke sei. Bei Sturm kann es sein, daß das Wasser von einem Ende weggeblasen wird und am anderen Ufer für Überschwemmungen sorgt. Dieses Mißverhältnis zwischen der großen Seefläche und der geringer Tiefe, die geringe Niederschlagsmenge und die starke Verdunstung infolge hoher Sommertemperaturen machen den See erst zum Steppensee. Zwar liefern kleine oberirdische Zuflüsse (Wulka und Kroisbach) etwas Wasser, die großen Brocken im Wasserhaushalt sind aber Grundwasserströme, Niederschlag und Verdunstung. In einem wettermäßig normalen Jahr verdampft der See eine Wassermenge, die seinem gesamten Inhalt entspricht, in heißen Jahren gar noch um 50 Prozent mehr. Diese gigantischen Mengen erklären die Funktion des Sees als Klima- und Feuchtigkeitsregulator, erst durch ihn ist hier Landwirtschaft auf Dauer möglich. Regnetes einige Jahre wenig, dann sinkt auch das Wasser im See und in den Lacken. Fallweise trocknet der See sogar ganz aus, zuletzt von 1864 bis 1870. Ende des 18. Jahrhunderts verfolgte man das erste Mal den Plan, das Wasser des Sees künstlich ausfließen zu lassen, um dadurch “6 Quadratmeilen festes Land” zu gewinnen. Knapp nach der Jahrhundertwende wurde auf ungarischer Seite ein künstlicher Abfluß des Sees fertiggestellt, der Einserkanal. Er kann Seewasser
über Rabnitz und Raab in die Donau ableiten und damit Hochwässer verhindern. Allerdings diente er auch der Entwässerung des sehr flachen südöstlichen Seeteiles bzw. des Niedermoorgebietes des Hansag. So ist heute der Neusiedlersee nur mehr halb so groß wie vor 200 Jahren. Heute sind im österreichischen Teil des Sees etwa 50 Berufsfischer tätig. Reusenfischerei steht bei weiten im Vordergrund. Zu Beginn dieses Jahrhunderts zählte man 30 verschiedene Fischarten im See, derzeit sind rund die Hälfte verschollen, verschwunden oder ausgerottet, vor allem durch das Aussetzen von hier nicht heimischen Aalen, die die Brut der anderen Fische auffressen. 2) Der Schilfgürtel: Noch bis vor hundert Jahren hatte der Neusiedlersee kaum Schilf. Seit der Einserkanal den Wasserspiegel des Sees konstant hält, und vor allem durch die starke Nährstoffanreicherung (Landwirtschaflicher Dünger/Abwässer von Seehütten und Booten) sind die Bedingungen für das Schilf besonders günstig geworden. Heute ist der der grüne Gürtel am Westufer bis zu 7km breit, und an manchen Stellen besonders im südlichen Seeteil erobert das Schilf Jahr für Jahr neue Wasserflächen. Lediglich bei Podersdorf am Ostufer hat der See einen freien Strand. Der Schilfgürtel hat auch Probleme für den See gebracht. Straßen mußten aufgeschüttet werden, um zur freien Wasserfläche zu gelangen, Parkplätze und Bootsanlegestellen wurden errichtet und schließlich mußte man erkennen, daß der Weißstorch im Schilf, das die feuchten Wiesen überwucherte sein Jagdgebiet verliert. Trotzdem darf nicht vergessen werden, daß hier ein neuer großer Lebensraum für Tiere und Pflanzen entstand. Reiher, Graugans, Rohrweihe oder Rohrsänger schätzen die Schilfzone als Brutplatz. Inwieweit das Schneiden von Schilf notwendig ist, um eine Verlandung des Sees zu verhindern, wird gerade eingehend erforscht. 3) Die Lacken: Im Osten des Sees liegt der sogenannte Seewinkel, Ein in etwa 120 Meter Meereshöhe gelegenes Flachland mit etwa 40 Lacken. Diese Lacken sind mit Wasser gefüllte niedere Mulden. Sie sind abflußlos und fallen manchmal ganz trocken. Das aufsteigende Wasser aus den tieferen Schichten reißt dann die Salze, die aus der Meeresvergangenheit des Gebietes stammen, mit an die Oberfläche. Weiße Ausblühungen von Sodaschnee sind dann weithin sichtbar. Neben Soda oder Natriumcarbonat, Na2CO3, enthalten die Lacken und die angrenzenden Böden oft auch noch Glaubersalz oder Natriumsulfat, Na2SO4, Bittersalz oder Magnesiumsulfat, MgSO4, und Kochsalz oder Natriumchlorid, NaCl. Sich in solcher Erde zu behaupten, gelingt nur angepaßten Spezialisten: Salzkresse, Gänsefuß, Kampferkraut, Queller, Strandbinse oder Zickgras, eine Vegetation, die sonst nirgendwo in West- und Mitteleuropa zu finden ist. Auch Vogelkundlern haben die Lacken allerhand zu bieten: Säbelschnäbler und
Seeregenpfeifer brüten auf den Salzböden. Kommt zuviel an Düngestoffen in die Lacken dann beginnen sie zunehmend zu verschilfen. Und so grasen seit einigen Jahren in Apetlon und Illmitz im Sommer wieder Kuhherden, um den Lebensraum für Störche und Flußseeschwalben zu garantieren, die ihm Schilf keine Nahrung finden. Gefahren für die Lackenwelt gibt es natürlich auch. Nährstoffeintrag und Verschilfung sind nur zwei davon. Noch gefährlicher ist es, der Lacke entweder das Wasser abzugraben (mit Entwässerungskanälen) oder sie mit Erdreich oder Müll zu füllen. Um die Jahrhundertwende wurden noch 116 Lacken gezählt, heute sind mindestens 2/3 davon verlandet, vertrocknet, planiert, verschüttet oder sonstwie vernichtet. 4) Die Puszta: Puszta läßt sich wörtlich aus dem ungarischen übersetzen und bedeutet "öd oder verwüstet". Man kann damit eine Art sekundäre Steppe beschreiben, also eine von Menschenhand baumfrei gehaltene, beweidete Landschaft. Es können auch Trockenrasengesellschaften so bezeichnet werden. Nach der Waldrodung diente das Land jahrhundertelang großflächig als Hutweide für viele Tierherden. Sie sorgten durch Tritt, Fraß und Dung für die Erhaltung eines einzigartigen, aber letztlich doch künstlichen Lebensraumes. Nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders ab 1960 wurde die Landwirtschaft ausgeweitet, Wein- und Gemüsebau vor allem. Viehhaltung war nicht rentabel genug. Die Puszta ist heute auf einen kleinen Rest in Apetlon westlich der Langen Lacke geschrumpft und daß diese noch vorhanden ist, verdanken wir dem WWF, der von 1965 - 1985 viele Millionen an Pacht dafür bezahlte. Auch heute noch erhält dort eine Rinderherde den Lebensraum wie seinerzeit. Hutweiden, Steppenwiese, oder Trockenrasen müssen erhalten und gepflegt werden, will man dem Frühlings- Adonis, den Kuhschellenarten oder der Zwergiris bzw. dem Ziesel, dem Wiedehopf oder dem Steppeniltis das Überleben sichern. Landschaftszerstörung und Landschaftsschutz War der Bau des Einserkanals der Anfang vom Ende des größten Niedermoorgebietes Mitteleuropas, so ging die Zerstörung am Steppensee erst in den Wiederaufbaujahren nach dem 2. Weltkrieg so richtig los, und die Geschwindigkeit der Zerstörung wurde größer und größer: Lacken entwässert und aufgefüllt, Sumpfland wo möglich unter dem Pflug, Weinbau soweit das Auge reicht, Gemüseplantagen mit erbohrten Grundwasser besprengt, Schweine Kühe und Gänse zurück in den Stall, später die Viehzucht ganz aufgegeben. Wer braucht jetzt noch Wiesen? Müll und Gerümpel in die Kiesgruben, Asphalt auf die Wege, man will ja nicht rückständig sein, jedem Bewohner auch sein Auto, Fremde sollen hier verkehren, je mehr Nächtigungen desto besser, der See dem Aal, dem Amur und dem Surfer, die Wildgans und die Ente ideales Jagdwild ----- mit einem Wort: Fortschritt überall. Zwar wäre es
besser gewesen, zumindest für die Landschaft um den See, die Menschen hätten sich Zurückhaltung und Bescheidenheit auferlegt, aber wer will ernsthaft auf materielle Besserstellung verzichten, wenn als Ersatz nur ein altes Haus, eine staubige Straße und schlecht bezahlte Arbeit geboten wird. Erst 1962 wurde das gesamte Areal von 500 km2 Teilnaturschutz- und Landschaftsschutzgebiet. Allerdings wurde aus volkswirtschaflichem Interesse der gesetzliche Schutz immer wieder umgangen, wodurch wesentliche Flächen verloren gingen. 1965 pachtete der WWF die letzten Hutweiden an der Langen Lacke. Erst 1985 sprang das Land Burgenland als Pächter ein. 1971 wurde in Illmitz die biologische Station errichtet, die sich mit der Erforschung und Betreuung dieser einmaligen Region beschäftigt. Nach jahrzentenlangen Diskussionen bekannte sich 1988 die burgenländische Landesregierung zur Schaffung eines Nationalparks im Gebiet Neusiedlersee-Seewinkel. Aber erst 1992, ein Jahr nach Ungarn, wurde die entsprechende Nationalparkverordnung beschlossen. Jetzt wartet man auf die internationale Anerkennung des Nationalparks durch die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources). Das Burgenland zahlt jährlich 17 Millionen an Pachtgeldern zur Flächensicherung. Kerngebiet des Nationalparks ist das als Naturzone ausgewiesene Gebiet Sandeck-Neudegg: In dieser Zone strengsten Schutzes werden nur die allernotwendigsten Pflegemaßnahmen, die ihrer Erhaltung dienen, akzeptiert. Der ungarische und der österreichische Teil der Naturzone machen zusammen etwa 7300 ha aus. An die 300 Vogelarten werden hier gezählt, rund die Hälfte davon sind Brutvögel. Für Besucher wird dieses Nationalparkzentrum allerdings geschlossen bleiben. Schutzwürdige Naturlandschaften, in denen die altbäuerliche Kultur weiterleben muß, um eben ihren Gehalt zu garantieren, werden als Bewahrungszonen ausgewiesen. Das Mähen von Wiesen, das Ernten von Schilf, das Austreiben von Viehherden oder vielleicht auch der angepaßte Fischfang tragen hier zum Landschaftscharakter bei und sind somit bis zu einem gewissen Grad höchst notwendig. Alle Bewahrungszonen zusammengenommen machen in Österreich 3000 ha in Ungarn etwa 3300 ha aus. Im österreichischen Teil des Nationalparkes gibt es 5 Bewahrungszonen: a) Die östlichen Randbereiche des Gebietes Sandeck-Neudegg. b) Illmitz-Hölle: Mit mehreren Lacken, Salzpflanzenfluren und wertvollen Brutplätzen für viele Enten und Watvogelarten. Dort liegt auch die biologische Station von Illmitz, neben der ein Naturlehrpfad angelegt wurde. c) Lange Lacke und Umgebung: Ist die größte der Seewinkellacken, die auf einem Rundweg umwandert werden kann. Sie gilt immer noch als Vogelparadies ersten Ranges. Ganz besonders zur Zugzeit im Frühling und Herbst sind hier Silber- Purpur- und Graureiher, Löffler, Möwen,
Seeschwalben und viele Watvogelarten zu sehen. Allerdings sind mehr als die 50000 Touristen, die jährlich die Lange Lacke besuchen, wohl kaum mehr verträglich. Die ständigen Störungen und die Trockenheit der vergangenen Jahre ließen die Zahl der Vögel an der Langen Lacke dramatisch zurückgehen. d) Zitzmannsdorfer Wiesen: Eine Trockenrasengesellschaft, in der man noch botanische Kostbarkeiten wie den stengellosen Tragant, die Zwergiris, oder den österreichischen Salbei findet. e) Waasen oder Hansag: In den noch erhaltengebliebenen Sumpf- und Feuchtwiesen dieses Gebietes findet man noch die Großtrappe, den schwersten fliegenden Vogel der Welt. Auch Schreiadler, Wiesenweihe, Sumpfohreule und großer Brachvogel sind im Hansag zu beobachten. Für Erhaltung, Betrieb und wissenschaftliche Betreuung des neuen Nationalparks ist die Nationalparkgesellschaft verantwortlich. Sie muß auch Managementpläne ausarbeiten und in die Tat umsetzen: Wildstandregulierung, Schilfwirtschaft, Beweidung, Fischerei und natürlich Fremdenverkehr. Es bleibt zu hoffen, daß es gelingt, durch die Erklärung zum Nationalpark der Zerstörung dieser einmaligen Landschaft ein für allemal ein Ende zu setzen.
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