Netzwerk maschinelle Verfahren in der Erschließung
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Forum Elisabeth Mödden, Christa Schöning-Walter Netzwerk maschinelle Verfahren in der Erschließung Workshop 2020 mit dem untersucht und entwickelt damit nun einen Pro- Schwerpunktthema Annif totyp für die Klassifikation mit Sachgruppen und Kurznotationen der Dewey-Dezimalklassifikation Im Rahmen des »Netzwerks maschinelle Verfah- und die semantische Verknüpfung mit Schlagwör- ren in der Erschließung«1 führt die Deutsche tern der Gemeinsamen Normdatei (GND). Auch Nationalbibliothek (DNB) jährlich eine Fachver- andere Bibliotheken in Deutschland und Europa anstaltung durch. Allerdings musste der Infor- wie beispielsweise die Deutsche Zentralbibliothek mations- und Erfahrungsaustausch zu neuen Er- für Wirtschaftswissenschaften (ZBW), die Techni- schließungstechnologien 2020 als Online-Treffen sche Informationsbibliothek (TIB) und die Kö- stattfinden. Schwerpunktthema des Workshops nigliche Bibliothek der Niederlande prüfen die Anfang Dezember mit etwa 40 Teilnehmenden Eignung des Toolkits für ihre Anwendungszwecke war das Toolkit Annif. oder setzen Annif bereits produktiv ein. Annif 2 ist eine vielversprechende Softwareent- wicklung der Finnischen Nationalbibliothek. 2017 erstellte Osma Suominen den ersten Prototyp Werkstattberichte verschiedener einer niedrigschwellig nutzbaren Sammlung leis- Bibliotheken tungsfähiger Erschließungswerkzeuge, seit Februar 2021 steht das Release 0.51 quelloffen auf Github3 Diese Bibliotheken präsentierten am ersten Tag bereit. Das modulare und erweiterbare Toolkit ist des Workshops ihre Anwendungserfahrungen. So in Python implementiert. Es integriert existieren- entwickelt die Königliche Bibliothek der Nieder- de Verfahren für die maschinelle Verarbeitung der lande ein System zur Unterstützung der Sach- und natürlichen Sprache und bietet die Möglichkeit, Autor*innenerschließung. Für den Bericht wurde die Werkzeuge einzeln oder in Kombination ein- auf eine Aufzeichnung von Sara Veldhoen zurück- fach anzuwenden.4 Das schließt auch Verfahren gegriffen, weil die Referentin selbst nicht teilneh- der Künstlichen Intelligenz mit ein, beispielsweise men konnte. Berrit Genat aus der TIB veranschau- neuartige maschinelle Lernverfahren wie fastText, lichte in ihrem Bericht die aufwändigen Arbeiten Omikuji und Gensim. Annif ist sprachunabhän- einer Evaluierung, beginnend mit der Vorberei- gig und kann grundsätzlich für jedes Fachvokabu- tung des kontrollierten Vokabulars, der Trainings- lar eingesetzt werden. Für den einfachen Einstieg und Testkollektionen und der Werkzeuge bis zur stehen zahlreiche Annif-Tutorials5 mit Beispielda- Analyse der Testresultate. Anschließend stellte tensätzen, Übungen und kurzen Videopräsentati- Moritz Fürneisen das Nutzungskonzept der ZBW onen zur Verfügung. vor. Die ZBW begleitet die Entwicklung von An- Die DNB arbeitet daran, die intellektuelle und nif bereits seit einiger Zeit und verwendet das maschinelle Inhaltserschließung stärker miteinan- Toolkit für die Erschließung wirtschaftswissen- der zu verzahnen und das eigene Erschließungs- schaftlicher Publikationen mit dem Standard-Thes- system technologisch zu erneuern. In einem Inf- aurus Wirtschaft. Automatisiert generierte Schlag- rastrukturprojekt entsteht zurzeit eine sogenannte wörter werden in der ZBW teils als Vorschläge für Erschließungsmaschine mit modularer, service- die intellektuelle Erschließung genutzt und teils orientierter Architektur. Darin sollen geeignete direkt als Metadaten übernommen. Danach stellte Erschließungswerkzeuge eingebunden werden. In Sandro Uhlmann die Evaluierungsergebnisse der diesem Zusammenhang hat die DNB auch Annif DNB vor. Im Vergleich zu den Verfahren im pro- 20 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 CC BY-SA 3.0
Forum Die Website im Dezember 2020 duktiven Betrieb erreichen die Annif-Backends lexikalischer und assoziativer Ansätze und die erfreulich gute Resultate. Das gilt insbesondere für Motivation für die Entwicklung eines neuen Ba- die sogenannten Ensemble-Verfahren. ckends. Die ZBW hat im vergangenen Jahr ein le- Am zweiten Tag vermittelten die DNB und die xikalisches Verfahren implementiert, das für den ZBW einen tieferen Einblick in die Funktionswei- Standard-Thesaurus Wirtschaft optimiert ist und se des Toolkits. Zunächst erläuterte Claudia Grote das in der ZBW im Vergleich zu Maui bessere den Aufbau von Annif, zeigte die Abläufe einer Resultate liefert. Es steht ebenfalls quelloffen auf Anwendung und stellte die Sprachanalysemodule, GitHub zur Verfügung. einige Backends und die Kommunikationsschnitt- stelle vor. Annif nutzt lexikalische und assoziative Verfahren, um Publikationen mit Erschließungs- Einsatzbereiche und daten anzureichern. Für die lexikalischen Ansät- Entwicklungspotenzial ze ist charakteristisch, dass Übereinstimmungen zwischen den relevanten Begriffen im Text und Welche Aufgaben wollen wir mit Annif bearbei- den Schlagwörtern des kontrollierten Vokabulars ten? Und können Schwierigkeiten durch Koopera- gesucht werden. Ein solches Verfahren ist Maui. tion überwunden werden? Im ersten Diskussions- Assoziative Verfahren sind lernende Verfahren. schwerpunkt wurde deutlich, dass die maschinelle Das heißt: Anhand von Trainingsbeispielen wer- Erschließung in Bibliotheken zunehmendes den Modelle berechnet. Zu den assoziativen Ver- Interesse findet. Allerdings verfügen bisher nur fahren gehören TF-IDF, fastText und verschiede- wenige Institutionen über Anwendungserfahrun- ne Omikuji-Verfahren. Daneben enthält Annif gen, da die organisatorischen, technischen und sogenannte Ensemble-Verfahren. Durch Kombi- personellen Voraussetzungen sehr hoch sind. Die nation der Einzelverfahren können spezifische Werkstattberichte haben zudem gezeigt, dass die Schwächen im Ensemble ausgeglichen werden, Verfahren an sich noch keine Gewähr für gute was sich in den Tests der DNB bestätigt hat. Erschließungsresultate bieten. Immer sind auch Moritz Fürneisen erläuterte in seiner Präsentati- aufwändige Evaluierungen und Anpassungen not- on die grundsätzlichen Stärken und Schwächen wendig. Die Heterogenität der Publikationen hat CC BY-SA 3.0 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 21
Forum außerdem zur Folge, dass bereits erprobte Konfi- Kooperation und Infrastruktur gurationen nicht unmittelbar auf andere Anwen- dungsfälle übertragbar sind. Möglichkeiten für Die Diskussionen am zweiten Tag wurden mit ei- eine Zusammenarbeit bietet der Digitale Assistent, nem Impulsvortrag von Elisabeth Mödden und der mittlerweile von zahlreichen Bibliotheken zur Christoph Poley eingeleitet. Der dritte Diskussi- Unterstützung der intellektuellen Inhaltserschlie- onsschwerpunkt des Workshops beschäftigte sich ßung genutzt wird. Die Vorschlagskomponente mit der Frage, wie die Bibliotheken im deutsch- des Digitalen Assistenten aggregiert Erschlie- sprachigen Raum die Entwicklung von Annif ßungsdaten aus verschiedenen Quellen und kann unterstützen können. Es bestand Konsens, dass auch maschinell gewonnene Erschließungsdaten diejenigen Institutionen die Federführung über- anzeigen. Funktionen zur Bewertung und Rück- nehmen sollten, die bereits eine Infrastruktur auf- kopplung der Erschließungsqualität sind bisher gebaut haben. Andere Bibliotheken sehen ihren allerdings noch nicht enthalten. Beitrag eher in einer Unterstützung, beispielsweise Eine andere Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Trainingsdaten. Die kooperative Normdaten- besteht darin, Trainingskollektionen für lernende pflege war in diesem Zusammenhang ein zentrales Verfahren kooperativ zu erstellen. Für die Mo- Thema. Werden die Regeln für die GND-Redak- dellierung werden möglichst viele qualitätsgesi- tion den heutigen Zielen gerecht, die inhaltliche cherte Erschließungsbeispiele benötigt. So will Erschließung von Publikationen und das Suchen, die DNB beispielsweise auch Dissertationen und Finden und Entdecken beim Retrieval optimal Hochschulschriften mit GND-Schlagwörtern an- zu unterstützen? Die Teilnehmenden sehen hier notieren. Für wissenschaftliche Publikationen in Entwicklungspotenzial. Außerdem besteht ein englischer Sprache verfügt sie aber nicht über aus- großes Interesse an einer modernen Redaktions- reichend Trainingsdaten. umgebung. Im zweiten Diskussionsschwerpunkt wurden An- Der vierte Diskussionsschwerpunkt beschäftigte satzpunkte für künftige Entwicklungen betrachtet. sich mit der Systeminfrastruktur. Hohe Anforde- Dazu gehört die Möglichkeit, Annif um neue Ba- rungen entstehen insbesondere durch die rechen- ckends zu erweitern. Das lexikalische Verfahren und speicherintensiven Trainingsprozesse. Bisher der ZBW für den Standard-Thesaurus Wirtschaft liegen kaum Erfahrungen vor, welche Hardware ist dafür ein Beispiel. Auch für die Erschließung ressourcen für die Modellbildung benötigt werden. mit der GND werden spezielle Verfahren benö- In diesem Zusammenhang wurde auch über die tigt, um die Informationen des Vokabulars voll Möglichkeit der Isolierung von Anwendungen in auszuschöpfen. Bisher ist kein Annif-Backend in Containern und deren Virtualisierung gesprochen. der Lage, die polyhierarchischen Strukturen der Ein weiteres Thema waren die Herausforderun- GND mit ihren Ober- und Unterbegriffen, ver- gen, die im Zusammenhang mit dem Vokabular wandten Begriffen und anderem mehr umfassend der GND zu bewältigen sind. Die GND bildet zu nutzen. Eine weitere Aufgabe ist die passende die Begriffe von Kultur und Wissen und deren Aufbereitung und Repräsentation des Vokabulars, Synonyme in einem einzigen deutschsprachigen beispielsweise im Format SKOS. Vokabular ab. Insgesamt 1,4 Millionen Normda- Außerdem hat die Vorverarbeitung der Texte tensätze sind für die inhaltliche Erschließung frei- einen großen Einfluss auf die Qualität der Er- gegeben, etwa 340.000 davon sind durch intellek- schließungsresultate. Dazu gehört die Textstruk- tuelle Erschließung mit Publikationen im Bestand turerkennung. Filter, die es ermöglichen, nur der DNB verknüpft. Viele GND-Begriffe sind al- bestimmte Textsegmente wie beispielsweise die lerdings nur ein einziges Mal als Schlagwörter ver- Abstracts weiterzuverarbeiten, könnten positive wendet worden. Für assoziative Verfahren werden Effekte haben. Auch fehlen noch Werkzeuge für mehr Trainingsbeispiele benötigt. Deshalb wurde die Verarbeitung der deutschen Sprache. angeregt, auch andere Optionen für das Training zu nutzen, beispielsweise die deutschsprachige Wi- kipedia. 22 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 CC BY-SA 3.0
Forum Wie können Bibliotheken und andere Institutio- terhin immens und bieten auch Forschungsein- nen kooperieren und die Möglichkeiten der zu- richtungen, die in den Bereichen Data und Text nehmenden Digitalisierung für die Erschließung Mining oder Digital Humanities tätig sind, inter- ihrer Bestände nutzen? In der abschließenden Ge- essante Aufgabenfelder. samtschau waren sich die Teilnehmenden einig, Die DNB will für den deutschsprachigen Raum dass der Nutzen maschineller Erschließung evi- eine tragende Rolle übernehmen. Das Wiki zum dent ist. Annif wird in diesem Zusammenhang als »Netzwerk maschinelle Verfahren in der Erschlie- ein vielversprechendes Toolkit gesehen. Allerdings ßung« soll künftig auch Informationen zu Annif sind die technologischen Herausforderungen wei- bündeln. Anmerkungen 1 Hintergrund, Programm und Beiträge: 2 Suominen, O., 2019. Annif: DIY automated subject index-ing using multiple algorithms. In: LIBER Quarterly, 29(1), S.1–25. DOI: 3 4 5 CC BY-SA 3.0 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 23
Forum Renate Behrens RDA Toolkit Switchover Am 15. Dezember 2020 wurde eine neue Version des Mit der Weiterentwicklung des Grundlagenmodells RDA Toolkit1 veröffentlicht. Dieses Release markiert IFLA FRBR zum IFLA Library Reference Model das Ende des RDA Toolkit Restructure and Redesign (IFLA LRM)5 wurde eine Überarbeitung des Stan- Project, allgemein bekannt als das 3R Project. Mit dards RDA erforderlich. Hierfür legten die für die diesem Release wird das Beta-Toolkit zum offiziel- RDA verantwortlichen Gremien RDA Board6 und len RDA Toolkit, auf das unter access.rdatoolkit.org RDA Steering Committee (RSC)7 ein großangeleg- zugegriffen werden kann. Das ursprüngliche RDA tes Projekt, das RDA Restructuring and Redesign Toolkit wird weiterhing für alle Abonnent*innen un- Project (3R Project), auf. Dieses Projekt hatte zum ter original.rda.toolkit.org zugänglich sein. Die ur- Ziel, den Standard zu aktualisieren, zu einem mo- sprüngliche Website kann auch vom neuen Toolkit dernen Webtool weiterzuentwickeln und die Ge- aus über die Registerkarte »Resources« und über die samtorganisation der verantwortlichen Gremien Menüleiste im oberen Banner aufgerufen werden. an Kontinentalvertretungen auszurichten. Am 15. Mit diesem knappen Informationstext wurde im Dezember 2020 konnte das Projekt mit dem Er- deutschsprachigen RDA-Info-Wiki2 das Ende eines scheinen des neuen Toolkit erfolgreich abgeschlos- Projekts angekündigt, das über mehrere Jahre die sen werden. Bibliothekscommunity weltweit beschäftigt hat. Ein Prozess, der im Oktober 2015 begonnen wurde, kam hiermit zu einem offiziellen Abschluss, eröff- Grundprinzipien der nete aber gleichzeitig einen neuen internationalen überarbeiteten RDA Anpassungsprozess, der voraussichtlich ebenfalls einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Eine der wichtigsten Veränderungen, die mit der Überarbeitung angestoßen wurde, ist die konse- quentere Internationalisierung. Dieser Prozess Das internationale 3R-Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen und wird ein Schwerpunkt bei der Weiterentwicklung des Stan- Der internationale Standard Resource Descripti- dards in den nächsten Jahren sein. Hiermit geht on and Access (RDA) erschien im Jahr 2010 als einher, dass sehr viele Teile der RDA keine festen Nachfolger der Anglo-American Cataloguing Rules Vorgaben machen, sondern zahlreiche Optionen (AACR2). Er folgte dem IFLA-Grundlagenmodell anbieten. Die RDA bieten in Zukunft nur noch ei- Functional Requirements for Bibliographic Re- nen Rahmen für die Erschließung und keine festen cords (FRBR)3 und wurde erstmals in Form eines Regeln mehr an. Dies gibt den Anwendungsgemein- Webtools veröffentlicht. Der Anspruch war, einen schaften einen viel größeren Handlungsspielraum internationalen Standard für Ressourcen aus Bib- und die Chance, Regelungen an ihre Bedürfnisse liotheken und darüber hinaus zur Verfügung zu und ihre Materialien anzupassen. Gleichzeitig aber stellen. In den Jahren nach seinem Erscheinen do- bedeutet es, dass die jeweiligen Communitys aktiv minierten allerdings zunächst die anglo-amerikani- werden und Regelungen für ihre Anforderungen schen Anwendungsgemeinschaften, die bereits mit und Bedingungen ausarbeiten müssen. dem Vorgängerstandard vertraut waren. Sukzessi- Die europäischen Anwendungsgemeinschaften se- ve folgten weitere Communitys, vornehmlich aus hen in diesem Ansatz eine große Herausforderung Europa. Die deutschsprachige Bibliotheksgemein- für ihre jeweilige Katalogisierungspraxis, die einige schaft arbeitet seit 2012 in den RDA-Gremien aktiv Aufwände erzeugt und befürchten eine Verschlech- mit und der erste Umstieg auf RDA erfolgte Mitte terung im Datentausch. Viele Bedenken diesbezüg- 2014 für ihre Gemeinsame Normdatei (GND)4. lich wurden in den vergangenen Jahren geäußert 24 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 CC BY-SA 3.0
Forum und von der European RDA Interest Group (EU- Wie geht es in der deutschspra- RIG)8 gesammelt und an die Verantwortlichen wei- chigen Anwendungsgemeinschaft tergeleitet. Die EURIG als regionale Vertretung in weiter? den RDA-Gremien setzt sich in diesem Zusammen- hang für mehr Zusammenarbeit und gemeinsame Die deutschsprachige Anwendungsgemeinschaft Absprachen ein und koordiniert die Anforderun- hat durch ihre Mitgliedschaft im RSC und in der gen der Mitglieder diesbezüglich. EURIG die Weiterentwicklung des Standards RDA durch das internationale 3R-Projekt intensiv ver- folgt und sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt RDA in der deutschsprachigen mit dem aktualisierten Toolkit und den neuen Anwendungsgemeinschaft Konzepten vertraut gemacht. Zuständig hierfür ist die Fachgruppe Erschließung als Arbeitsgruppe des Der Umstieg auf RDA erfolgte in der deutschspra- Standardisierungsausschusses. In mehreren Work- chigen Bibliotheksgemeinschaft im Sommer 2014 shops sowie in den regelmäßigen, meist virtuellen für die Normdaten in der GND und für die bib- Zusammenkünften der Arbeitsgruppe wurde die liografischen Daten im Laufe des Jahres 2016. Dem Handhabung des neuen Toolkit erprobt, die neuen vorausgegangen war ein mehrjähriges RDA-Umset- Konzepte wurden besprochen und ihre Relevanz zungsprojekt, das kooperativ von den Mitgliedern und Tauglichkeit für die praktische Erschließung im Standardisierungsausschuss und seinen Arbeits- wurden bewertet. gruppen durchgeführt wurde. Hauptaufgabe die- Es wurde sehr schnell klar, dass das neue Toolkit ses Projekts war es, spezifische Regelungen für die mit seiner gänzlich anderen Struktur und die neuen DACH-Community auszuarbeiten, um möglichst Konzepte aus dem IFLA LRM nicht einfach auf gleiche Ergebnisse in der Katalogisierung zu erzie- die Katalogisierungspraxis im deutschsprachigen len und somit den Datentausch gewährleisten zu Raum übertragen werden können. Im ersten Im- können. plementierungsschritt für die RDA hatte sich die Bereits 2014 begannen Spezialcommunitys sich mit DACH-Community an den Verfahrensweisen der den RDA auseinanderzusetzen und ihre Tauglich- anglo-amerikanischen Partner orientiert. Diese Pra- keit für weitere Ressourcenarten wie Archivmate- xis, die bis auf Weiteres immer noch die Basis für rialien und Objekte zu prüfen. Unter dem Dach die Katalogisierung bleibt, geht vom Text des RDA des Standardisierungsausschusses formierten sich Toolkit aus. Dieser wird durch Anwendungsricht- bislang sechs Sonderarbeitsgruppen. Hierbei ar- linien und Arbeitshilfen ergänzt, die überwiegend beiten Kolleg*innen aus Bibliotheken, Museen, direkt im Toolkit eingefügt werden. Das heißt, fast Archiven und weiteren Kultureinrichtungen zusam- alle Regelungen für die Erschließung von Ressour- men. Ein Ansatz, der in den kommenden Jahren cen werden direkt aus dem Toolkit bezogen. noch deutlich ausgeweitet werden wird. Hier gilt Diese Vorgehensweise wurde nach ausführlicher es auszuloten, wo Gemeinsamkeiten bestehen, Dif- Prüfung als nicht mehr durchführbar erachtet. Die ferenzen und unterschiedliche Herangehensweisen Struktur des neuen Toolkit, die sich sehr stark an vereinheitlich werden können oder besser getrennt einer Linked-Data-Umgebung orientiert, ist für die weiterverfolgt werden sollen. Die Gemeinsame aktuelle Form der Erschließung in Bibliotheken Normdatei ist hier ein essentieller und von allen nicht geeignet. Die Inhalte des Toolkit müssen Beteiligten akzeptierter Ausgangspunkt. Als ein ge- deshalb deutlich ausführlicher aufbereitet und für lungenes Beispiel für eine solche Zusammenarbeit die Bibliothekscommunity anwendbar gemacht kann die Aktualisierung der ehemaligen Regeln für werden. Auch andere Anwendungsgemeinschaften Nachlässe und Archivalien (RNA9) gesehen werden, wie die Library of Congress in den USA und die die den Fokus auf Normdaten sogar in ihrem neu- British Library sind zu der gleichen Einschätzung en Namen dokumentiert und sich seit 2019 Res- gekommen und haben ihre Anpassungsarbeiten sourcenerschließung mit Normdaten in Archiven entsprechend ausgerichtet. und Bibliotheken (RNAB10) nennt. CC BY-SA 3.0 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 25
Forum 3R-DACH-Projekt für Bibliotheken Aufgrund der ausführlicheren Beschreibungen im geplanten RDA-DACH-Handbuch wird es in Zu- Anfang 2020 wurde unter der Leitung der Deut- kunft keine Vollübersetzung aller Texte des RDA schen Nationalbibliothek ein Projekt aufgelegt, das Toolkit mehr geben. Eine Übersetzung der RDA kooperativ mit den Mitgliedsorganisationen des Registry, die die gesamte Terminologie der RDA Standardisierungsausschusses und seinen Arbeits- enthält, wurde bereits fertiggestellt und ausgewählte gruppen durchgeführt wird. In einem ersten Schritt Guidance Chapters werden ebenfalls übersetzt. Der wurde in der Fachgruppe Erschließung ein Konzept Standardisierungsausschuss hat diesem Verfahren für ein RDA-DACH-Handbuch entwickelt, das die im Dezember 2020 ebenfalls zugestimmt. künftige Erschließung mit dem neuen RDA Toolkit gewährleisten soll. Dieses Verfahren ist aufwändig sowohl was den Zeitaufwand als auch die benötig- Spezialmaterialien ten Personalressourcen betrifft. Die Fachgruppe Erschließung und die Projektleitung haben hierfür Die Mitarbeitenden in den Sonderarbeitsgruppen eine detaillierte Arbeits- und Ressourcenplanung des Standardisierungsausschusses12 haben sich be- vorgelegt. Diese Planungen waren die Basis für die reits seit einiger Zeit mit der Weiterentwicklung Entscheidungen des Standardisierungsausschusses des Standards RDA beschäftigt und sehen hier und konnten aufgrund einer engen Zusammenar- durchaus neue Möglichkeiten für ihre Materialar- beit der beiden Gremien bereits Ende 2020 zur Ab- ten. Die bisherigen Regelungen der RDA waren in stimmung kommen. vielen Fällen restriktiv, stark bibliotheksbezogen So hat der Standardisierungsausschuss in seiner und boten wenig Spielraum für die Anwendung in letzten Sitzung am 3. Dezember 2020 das An- Kultureinrichtungen die sich z. B. mit der Erschlie- passungsprojekt für die Bibliotheken im deutsch- ßung von Archivalien oder Objekten befassen. Die sprachigen Raum und die Erstellung eines RDA- Neuentwicklung des Standards RDA hin zu einem DACH-Handbuchs grundsätzlich befürwortet Rahmenmodell wird dort begrüßt und als eine gute und die Projektleitung konnte direkt mit der Möglichkeit gesehen, die Anwendbarkeit in weite- Umsetzung der Arbeiten beginnen. Ab Februar ren Kultureinrichtungen und Implementierungssze- 2021 wurde mit der Erstellung der Texte für das narien zu ermöglichen. So hat die Arbeitsgruppe Erschließungshandbuch in Arbeitsgruppen be- Bild bereits ein Anwendungsprofil für Bildmateria- gonnen und es wird mit einem Ende der Arbeiten, lien ausgearbeitet, welches bewusst die unterschied- einschließlich der Nacharbeiten, im Herbst/Win- lichen Anwendungsszenarien in Kultureinrichtun- ter 2022 gerechnet. gen berücksichtigt. Darüber hinaus gilt für alle Ziel des Projekts ist es, den Ist-Stand der Erschlie- Sonderarbeitsgruppen ein grundsätzlich deutliche- ßung in den Bibliotheken abzubilden und neue rer Ansatz hin zu internationalen Lösungen. Konzepte nur aufzunehmen, wenn sie einen deut- lichen Mehrwert mit sich bringen. Neue Regelun- gen für Spezialmaterialien werden erst zu einem Application Profiles späteren Zeitpunkt ausgearbeitet, bereits existie- rende Festlegungen aus diesen Bereichen werden Nicht nur im deutschsprachigen Raum wird seit jedoch aufgearbeitet und ins Handbuch über- längerem darüber diskutiert, sogenannte Appli- führt. Nach Beendigung des Projekts werden An- cation Profiles für RDA auszuarbeiten. Da der passungsschulungen für alle Anwendungsgemein- Standard aktuell sehr viele optionale Regelungen schaften im deutschsprachigen Raum angeboten. vorsieht, müssen die Anwendungsgemeinschaften Hierfür gibt es zurzeit noch keine konkreten Pla- verbindliche Aussagen darüber treffen, welche nungen. Grundsätzlich gilt, dass bis zu den erfolg- Elemente für ihre Erschließungspraxis verbind- ten Anpassungsschulungen auf dem alten Stand lich oder optional sind. Dies können Application der DACH-Anwendungsrichtlinien und im alten Profiles (dt. Anwendungsprofile) leisten. Sie listen Toolkit (original.rda.toolkit.org11) gearbeitet wird. die benötigten Elemente auf und ordnen ihnen 26 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 CC BY-SA 3.0
Forum bestimmte Eigenschaften zu. Eine Arbeitsgruppe liotheksverbünden des DACH-Raums. Es wird von der drei Nationalbibliotheken im DACH-Raum der Deutschen Nationalbibliothek geleitet. hat einen ersten Entwurf für ein allgemeines Mi- Auf der internationalen Ebene besteht weiterhin die nimal-Set für eine einfache Monografie erarbeitet. Möglichkeit, Community-spezifische Regelungen di- Die Sonderarbeitsgruppe Bild hat dies ebenfalls rekt als Policy Statements im Elemente-Teil des Tool- getan und definiert sowohl ein Minimal- als auch kit zu dokumentieren. Im Rahmen der gewünschten ein erweitertes Set für Bildmaterialien. Diese Pro- deutlicheren Internationalisierung des Standards zesse sollen in Zusammenarbeit mit der Fachgrup- wurden alle Regelungen, die einer Anwendungsge- pe Erschließung fortgesetzt werden und fließen meinschaft zuzuordnen sind (zurzeit ist das nur für gleichzeitig in die internationale Weiterarbeit am die anglo-amerikanische Community der Fall) nicht Standard RDA ein. mehr im eigentlichen Text der RDA eingebracht. Im Zuge der Überarbeitung wurden solche Textstellen herausgenommen und in einer Community Zone Dokumentation abgelegt. Dieser Ansatz ist nur der Beginn eines Arbeitsprozesses, der in den nächsten Jahren ein Bislang verteilen sich die für die Erschließung mit Schwerpunkt der Arbeit des RSC sein wird und für RDA relevanten Dokumente im deutschsprachigen den die europäische Anwendungsgemeinschaft mit Raum über unterschiedliche technische Plattformen ihrer kulturellen und sprachlichen Diversität wichti- wie das RDA-Toolkit und verschiedene Wiki-Seiten ge Anstöße geben kann. der DNB. Einige Sonderregelungen sind auch in Wikis von Partnern des Standardisierungsausschus- ses abgelegt. Weiterhin führen die Verbundpartner Meilenstein und Neubeginn eigene Dokumentationen zu spezifischen für den Verbund gültigen Regelungen und Anleitungen für Wenn auch der 15. Dezember 2020 einen wichti- die eigene Katalogisierungsumgebung. Diese he- gen Meilenstein in der Geschichte des Standards terogene Dokumentation soll nun im Zuge der An- RDA darstellt, muss er gleichzeitig als ein Anfang passungsarbeiten für RDA, der Öffnung der GND gesehen werden. Die Überarbeitung ist abgeschlos- (Projekt GND4C), der Überarbeitung der Regeln sen, die Weiterentwicklung hat jedoch erst richtig für die Schlagwortkatalogisierung (RSWK13) und begonnen. Die nächsten Monate und Jahre werden dem allgemeinen Bedürfnis nach einer stringente- zeigen, ob und an welchen Stellen die neuen Kon- ren digitalen Dokumentation verändert werden. zepte praxistauglich sind und wie stark sich die Im Rahmen des Projekts DACH-Dokumentati- jeweiligen Anwendungsgemeinschaften damit aus- onsplattform wird ein technisches, strukturelles einandersetzen werden bzw. wollen. Die Offenheit Grundkonzept für die gesamte Dokumentationsar- der neuen RDA verlagert viel Abstimmungsarbeit beit entwickelt und als Arbeitsumgebung bereitge- in die Communitys und erzeugt einen hohen Auf- stellt werden. Als technische Basis dient Wikibase. wand bei den Anwender*innen. Gleichzeitig liegt Das Projektteam besteht aus Mitgliedern der Fach- hier eine Chance, den Fokus spartenübergreifend gruppe Erschließung, des GND-Ausschusses und auf weitere Kultureinrichtungen zu legen und die weiteren Expert*innen aus Bibliotheken und Bib- Erschließung insgesamt zu modernisieren. Anmerkungen 1 2 3 4 5 CC BY-SA 3.0 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 27
Forum 6 7 8 9 10 11 12 13 FAUST 9 LAND Software Entwicklung Datenbank und mehr. Archiv Erschließung • Strukturierung • Ingest Bibliothek Katalogisierung • Ausleihe • Verwaltung Museum Inventarisierung • Ausstellungsplanung iServer Internet Präsentation • digitaler Lesesaal Besuchen Sie uns im Netz www.land-software.de Land Software-Entwicklung, Magdeburger Str. 2, 90522 Oberasbach, Tel: 0049-(0)911-69 69 11, info@land-software.de 28 Dialog mit Bibliotheken 2021/1 CC BY-SA 3.0
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