Neue Mobilitätsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen: Eine Fallstudie

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Neue Mobilitätsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen: Eine Fallstudie
R. Reussner, A. Koziolek, R. Heinrich (Hrsg.)ȷ INFORMATIK 2020,
                  Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, Bonn 2021 1»9

Neue Mobilitätsdienste und ihre Auswirkungen auf
Unternehmensarchitekturen: Eine Fallstudie

Mark-Oliver Würtz,1 Kurt Sandkuhl             2

Abstract: Neue Mobilitčtslösungen (NML), wie Carsharing, City Bikes oder E-Scooter, werden
in Großstčdten immer beliebter und gewinnen zunehmend Einfluss darauf, wie sich Menschen im
Stadtgebiet fortbewegen. Mittelfristig ist zu erwarten, dass die Zunahme der NML-Kundenanzahl auch
auf öffentliche Verkehrsunternehmen und insbesondere deren IT-Landschaft Auswirkungen haben
wird. Das Ziel dieses Papiers ist, dieses Thema aus der Perspektive der Unternehmensarchitektur
(UA) zu beleuchten. Obwohl das UA-Management als relevant für öffentliche Verkehrsunternehmen
anerkannt ist, fehlt es an Untersuchungen darüber, wie die NML die UA verčndern. Der Zweck unserer
Forschung ist es, einen Beitrag zu diesem Bereich zu leisten, indem wir die Relevanz des Themas aus
der Geschčftsperspektive untersuchen. Der Hauptbeitrag unserer Arbeit ist (a) eine Literaturanalyse
der Nutzung von UA im ÖPNV und für die Integration der NML, (b) Anforderungen bei einer
NML-Integration aus Sicht von Betreiber, Kunde und Mobilitčtsdienstleister mit Relevanz für UA,
und (c) erste Anforderungen an die Integration von NML in UA.

Keywords: Digitale Transformation; Unternehmensarchitektur; ÖPNV; neue Mobilitčtslösungen

1     Einleitung

Carsharing, City Bikes, e-Scooter, Bike-Sharing und viele weitere Mobilitčtslösungen, die
in größeren Stčdten in Pay-as-you-go- oder Abonnement-Modellen angeboten werden, sind
immer beliebter geworden und haben auch begonnen, die Art und Weise zu beeinflussen,
wie sich Menschen innerhalb kurzer und mittlerer Distanzen in Stadtgebieten bewegen
[Ka16]. Diese Lösungen werden oft als neue oder innovative Mobilitčtslösungen (NML)
kategorisiert und waren Gegenstand der Forschung, z.B. im Hinblick auf neue Architekturen
[Pf16], Geschčftsmodelle [Hi15], Plattformen [Ma15], Akzeptanz bei den Kunden [Ka16]
oder erforderliche Standards. Wie sich neue Mobilitčtslösungen auf ÖPNV-Unternehmen
und insbesondere auf die IT-Landschaft in diesen Unternehmen auswirken, wurde bisher
jedoch kaum erforscht.

Das Unternehmensarchitektur-Management (UAM) ist eine etablierte Funktion in vielen
großen Unternehmen und zielt auf eine koordinierte und langfristige Entwicklung der
Geschčfts- und IT-Aspekte eines Unternehmens ab [La17]. Architektur-Denken soll dazu
beitragen, strategische Entscheidungen und nachhaltige Lösungen zu unterstützen [Wi1»].
1 Jellyco,
         Germany, mow@jellyco.de
2 Universityof Rostock, Institute of Computer Science, Albert-Einstein-Str. 22, 18057 Rostock, Germany,
 kurt.sandkuhl@uni-rostock.de,     httpsȷ//orcid.org/0000-0002-7»«1-8»12

cba doiȷ10.18»20/inf2020_15
150 Mark-Oliver Würtz, Kurt Sandkuhl

Obwohl UAM auch für den Bereich des ÖPNV als relevanter Ansatz anerkannt ist, fehlt es
an Forschung darüber, wie sich neue Mobilitčtslösungen auf die Unternehmensarchitektur
öffentlicher Mobilitčtsanbieter auswirken. Bislang gibt es nur wenige Leitlinien oder
Vorschlčge, wie Dienste und Informationssysteme, die NML erleichtern oder in eine
bestehende UA einbinden, am besten integriert werden können.
Das Ziel unserer Forschung ist es, einen Beitrag zu diesem Bereich zu leisten, indem wir
- in einem ersten Schritt - den Stand der Forschung sowie die Relevanz des Themas und
Merkmale des Problems untersuchen. Die Leitfrage für die hier vorgestellte Arbeit lautetȷ
Wie wirken sich neue Mobilitätslösungen auf die UA von ÖPNV-Organisationen aus? Der
Hauptbeitrag unserer Arbeit ist (a) eine Literaturanalyse der Nutzung von UA im ÖPNV und
für die Integration von NML, (b) Anforderungen bei einer NML-Integration aus Sicht von
Betreiber, Kunde und Mobilitčtsdienstleister mit Relevanz für UA, und (c) Anforderungen
an die Unterstützung der Integration von NML in UA.
Das Papier ist wie folgt strukturiertȷ Abschnitt 2 fasst den Hintergrund unserer Arbeit
zu NML und UAM zusammen. In Abschnitt « wird die genutzte Forschungsmethode
vorgestellt. In Abschnitt » werden verwandte Arbeiten zu UAM im ÖPNV diskutiert und die
zentralen Ergebnisse eines Experteninterviews dargestellt, dass in einem vorangegangenen
Arbeitsschritt geführt wurde. Abschnitt 5 konzentriert sich auf die Analyse von Auswirkungen
der NML-Integration auf UA im ÖPNV. Abschnitt 6 fasst Ergebnisse zusammen und
diskutiert zukünftige Arbeiten.

2     Hintergrund und verwandte Forschung
2.1   Unternehmensarchitektur-Management

Das Gebiet der Unternehmensarchitektur (UA) [La17, Nu19] wird seit mehr als einem
Jahrzehnt als eine Disziplin sowohl in der Forschung als auch für die praktische Unterstützung
entscheidungsunterstützender Funktionen und Modelle in Unternehmen und Organisationen
entwickelt [SFS14]. Ziel der Unternehmensarchitektur ist es, wichtige Zusammenhčnge
und Querbeziehungen zwischen Business und IT zu modellieren, abzustimmen und zu
verstehen, um so die Voraussetzung für einen gut angepassten und strategisch ausgerichteten
Entscheidungsrahmen sowohl für das digitale Business als auch für digitale Technologien
zu schaffen [NP17].
UA Management, wie es heute durch verschiedene Standards wie ArchiMate [Ar17] und
TOGAF [TO18] definiert ist, verwendet eine relativ große Anzahl unterschiedlicher Sichten
und Perspektiven für die Verwaltung und Dokumentation der Business-IT-Ausrichtung
(BITA) [SFS14]. UAM stellt einen Managementansatz dar, der ein kohčrentes Set von Richt-
linien, Architekturprinzipien und Governance-Regelungen festlegt, pflegt und verwendet,
die Orientierung und Unterstützung bei der Gestaltung und Entwicklung einer Architektur
bieten, um die Transformationsziele des Unternehmens zu verwirklichen. Ein effektiver
Neue Mobilitčtsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen 151

Architekturmanagement-Ansatz für digitale Unternehmen sollte zusčtzlich die Digitalisie-
rung von Produkten und Dienstleistungen unterstützen [UA19] und sowohl ganzheitlich als
auch leicht anpassbar sein. Dies erfordert oft verteiltes Arbeiten, z.B. in Projektform oder
auch mit unternehmens-externen Stakeholdern [HL18].

2.2   Neue Mobilitätslösungen

Neben dem klassischen Personennahverkehr, wie z.B. Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Fčhren und
Taxen, haben sich seit dem Beginn der Digitalisierung sogenannte Neue Mobilitčtslösungen
Services (NML) zum Teil im Rahmen von sogenannten Mobility as a Service-Ökonomien
(MaaS) etabliert. Diese erweiterten den klassischen Personennahverkehr um die Trans-
portkonzepte Car-Sharing, Ridesharing, Bike- und Scooter-Sharing. Zukünftig werden
hierzu auch noch neue Technologien hinzukommen, wie z.B. autonome Fahr- und Flug-
dienste. Diese Dienste haben in den letzten 2 Jahren in Deutschland (bzw. weltweit) einen
enormen Aufschwung erlebt. Grund für die schnelle Ausbreitung waren Innovationen,
die das Produkt durchlaufen hat. Intelligente Schlösser und Entwicklungen in der Geo-
Lokalisierungstechnologien haben dazu geführt, dass Fahrrčder und Tretroller nicht nur
stationčr an bestimmten Punkten angeboten werden können, sondern frei schwimmen-
de Flotten in den Stčdten entstanden sind, die ohne große zusčtzliche Infrastruktur voll
funktionsfčhig betrieben werden können.

Der Markt fčngt gerade, an NML-Transportkonzepte grob in die zwei Kategorien zu
unterteilen, stationsgebundene und nicht stationsgebundene Angebote. Dies kann man bei
allen oben vorgestellten Konzepten anwenden. Dabei basieren diese neuen Dienste auf
bestehenden Transportmitteln, die entweder mit Hilfe der Digitalisierung (a) von vielen
unterschiedlichen Personen zeitlich entkoppelt voneinander genutzt werden, oder (b) dass
individualisierte Angebot kurzfristig einer möglichst großen Zielgruppe transparent gemacht
wird und dazu führen, dass sich mehrere Personen ein Beförderungsmittel (Mitfahrdienste)
teilen. Dabei ist die Herausforderung, diese Dienste so einfach wie möglich zu gestalten
und in eine bestehende Mobilitčts-Informationsinfrastruktur zu integrieren, um möglichst
viele potentielle Kunden einer Region zu überzeugen bzw. zu erreichen. Im zweiten Fall
sind zukünftig im Besonderen die ÖPNV-Unternehmen gefordert, um diese Anforderung zu
realisieren. Erst mit einer weitreichenden Integration wird der Personennahverkehr in der
Lage sein, multimodale Mobilitčt für alle Anbieter und Kunden einfach und komfortabel zu
gestalten.
Bei Mobility-as-a-Service (MaaS) handelt es sich um einen integrierten Mobilitčtsdienst,
der verschiedene Formen von Verkehrsdiensten integriert. Dabei bietet MaaS dem Benutzer
einen Mehrwert, indem es für die Nutzung der Mobilitčt eine einzige Anwendung (App) zur
Verfügung stellt, die statt mehrerer unterschiedlicher Ticketing- und Zahlungssysteme (der
NML-Anbieter) die Möglichkeit eines einzigen Ticketing- und Zahlungssystem zur Verfü-
gung stellt. Dabei integriert der MaaS-Betreiber für die Kundenzufriedenheit verschiedenste
Transportoptionen unter seiner Plattform (z.B. als Mobility Plattform). Ein Erfolgsfaktor
152 Mark-Oliver Würtz, Kurt Sandkuhl

einer solchen Plattform ist die Integration vieler Beförderungskonzepte, wie z.B. öffentlicher
Personennahverkehr, Mitfahr-, Auto- oder Fahrradmitbenutzung, Taxi, Autovermietung oder
Leasing die entweder autark oder in Kombination zu berücksichtigen sind. Ein weiterer
Erfolgsfaktor ist die Schaffung von neuen Geschčftsmodellen und Möglichkeiten für die
Unternehmen, Betrieb und Organisation der Transportoptionen optimal zu gestalten. Dabei
steht der Zugang zu aktuellen bzw. besseren Informationen (ÖPNV-Daten, Verkehrsdaten,
Wetterdaten usw.) für den Kunden im Mittelpunkt der Betrachtung.
Ziel von MaaS ist es einen möglichst hohen Wertbeitrag für seine Nutzer zu leisten, damit
sie eine echte Alternative zur Nutzung eines PKWs bietet, die effizienter, nachhaltiger und
in vielen Fčllen auch günstiger sein kann. Wčhrend des laufenden Übergangs zur Mobilitčt
als Dienstleistung (MaaS) sind daher die Integration von möglichst vielen bzw. allen
Transportanbietern eines Stadtgebiets zu gewčhrleisten, um es dem Nutzer zu ermöglichen,
multimodale Stadtfahrten zu planen und durchzuführen.
Eine zentrale Herausforderung, die sich MaaS-Anbieter bzw. Unternehmen gemeinsamer
Mobilitčt stellen müssen, ist eine fragmentierte Regulierungslandschaft im kommunalen
Sektor. Diese macht es entsprechenden Unternehmen nicht einfach, neue Geschčftsmodelle
zu entwickeln und diese erfolgreich zu betreiben. Eine Förderung solcher MaaS-Ansčtze auf
lokaler Ebene als Best Practices zu fördern wčre daher sinnvoll. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass gerade im deutschsprachigen Raum die ÖPNV-Unternehmen zu meist Anstalten
öffentlichen Rechts - mit zumeist guten Beziehungen in die regionale Politik- sind und
in ihrer Region einen optimalen Überblick über den Personennahverkehr haben. Diese
Argumente sprechen dafür, dass Betreiber von MaaS-Ansčtzen in einer Region die ÖPNV-
Unternehmen selbst sind.

3   Forschungsmethodik

Die in diesem Beitrag vorgestellten Arbeiten sind Teil eines Forschungsprojektes, das auf
methodologische und instrumentelle Unterstützung für die Integration von NML in die UA
von ÖPNV-Organisationen abzielt. Das Projekt folgt dem Paradigma der konstruktions-
orientierten Forschung (Desgn Science Research - DSR) [JP1»]. Die in diesem Papier
vorgestellten Arbeiten behandeln die Analyse der Problemrelevanz und die Ermittlung
von Anforderungen an das zu entwickelnde Artefaktȷ eine UA-methodisch-technologische
Unterstützung für die Integration von NML. Der in diesem Beitrag vorgestellte Teil unserer
Forschungsarbeit ging von der folgenden Forschungsfrage aus, die auf der in Abschnitt
1 dargestellten Motivation beruhtȷ FF: Welche geschäftlichen Herausforderungen sind
im Zusammenhang mit der Einführung von NML in der betrieblichen Praxis sichtbar
und welche Anforderungen bestehen an eine methodisch-technologische Unterstützung zur
Integration von NML in UA?

Die zur Bearbeitung dieser Forschungsfrage angewandte Forschungsmethode ist eine
Kombination aus Literaturstudie, Fallstudie und argumentativ-deduktiver Arbeit. Ausgehend
Neue Mobilitčtsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen 15«

von der Forschungsfrage haben wir zunčchst entsprechende Literatur analysiert. Ziel der
Analyse war es, bestehende Ansčtze oder Theorien zur Unterstützung der NML-Integration
und Fallstudien aus der Praxis zu finden, die es uns ermöglichen, die Problemrelevanz
im Detail zu untersuchen. Da die Literaturstudie einen Mangel an etablierten Ansčtzen
zeigte (siehe Abschnitt ».1), haben wir mittels einer Fallstudie, in deren Rahmen auch
Experteninterviews durchgeführt wurden, das Problem und die daraus resultierenden
Anforderungen an eine Lösung analysiert (siehe Abschnitt ».2).
Das Experteninterview basierte auf Richtlinien und Fragen, die auf der Grundlage des
obigen FF entwickelt wurden. Der Interviewte war der Leiter des UAM einer ÖPNV-
Organisation in einer deutschen Großstadt. Die gewonnenen und dokumentierten Ergebnisse
wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [Ma10] unterzogen. Diese Methode
dient dem Zweck der empirischen Datenauswertung und enthčlt Empfehlungen für eine
systematische und überprüfbare Textanalyse. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus dem
Interview argumentieren wir, dass für eine erfolgreiche Integration der NML in die UA von
ÖPNV-Unternehmen methodische Unterstützung erforderlich ist. Um die Anforderungen an
diese Unterstützung zu ermitteln, haben wir die Sicht verschiedener Stakeholder im Rahmen
der Fallstudie zusammen mit dem Experten analysiert (s. Abschnitt 5). Diese Argumenta-
tion benötigt weiteres unterstützendes Fallmaterial, um unsere Schlussfolgerungen in der
zukünftigen Arbeit zu untermauern.

4     UAM im ÖPNV

Die aktuelle Situation zu UAM im ÖPNV und den Bedarf eventueller Verčnderungen haben
wir zum einen mittels einer Literaturanalyse untersucht (s. ».1). Zum anderen haben wir ein
Experteninterview in einem bei einem größten deutschen ÖPNV Anbieter durchgeführt,
um die Perspektive der Praxis in unsere Arbeiten zu integrieren (s. ».2).

4.1   Literaturanalyse

Am Anfang der Recherche stützten sich die Autoren auf die Veröffentlichung von Scholz
„IT-Systeme für Verkehrsunternehmen“ [Sc16], welches das Branchenmodell (Domain-
Modell) ITTC Core Model (dt. ITVU) für den ÖPNV beinhaltet. Dieses Modell beschreibt
Geschčftsprozesse und fundamentale Datenstrukturen (Klassen), die ineinander zugeordnet
in Paketen (Buildingblocks) dargestellt werden. Die Auseinandersetzung mit der Substitution
von ineffizienten Personentransportsystemen durch andere Verkehrsformen ist so alt, wie das
Auto selbst. Hervorzuheben ist, dass Heinze und Kill 199» in „Zukunftsfčhige Strategien
für den ÖPNV in Berlin-Brandenburg“ [HK9»] sowie Beutler und Brackmann in „Neue
Mobilitčtskonzepte in Deutschlandȷ ökologische, soziale und wirtschaftliche Perspektiven“
[BB99] schon Themen, die uns noch heute beschčftigen, diskutierten.
15» Mark-Oliver Würtz, Kurt Sandkuhl

Neben der Diskussion von NML sind Produkte auf Grundlage neuer Technologien entstanden,
die dem Ansatz eines „Mobility as a Service“ (MaaS) folgen. Diese Mobilitčtsintegration
wurde 2016 in [Ka16] kritisch bewertet. Ergebnis dieses Papiers war, dass MaaS eine
„. . . vielversprechende Mobilitčtslösung darstellt und voraussichtlich einen bedeutenden
Beitrag zur künftigen stčdtischen Reform darstellen wird.“ [Ka16]. Zudem haben [Hi15] ein
nachhaltiges Geschčftsmodell anhand einer Carsharing Dienstleistung skizziert. Dabei war
das Ziel des Papiers, ökonomische und ökologische Gesichtspunkte in einem alternativen
Geschčftsmodell mit zu vereinbaren. Eine Veröffentlichung mit čhnlicher Intention ist
[Al17].

In einem zweiten Schritt der Literaturanalyse wurde nach der Einordnung von NML,
MaaS und Mobility Plattform in das Enterprise Architecture Management Verbindung
stehenden IT-relevanten Themen gesucht. [Pf16] skizzieren die Architektur einer offenen
und modularen Dienstleistungsplattform für mobile Dienste für eine zukünftige Smart
City. Schlussfolgerung des Papiers ist, dass durch die Bereitstellung von Daten und
Diensten für den Betrieb von Mobility Services eine noch stčrkere Innovation bei den
Mobilitčtsdienstleistern ausgelöst wird. [Ba1«] beschčftigt sich mit dem Parken von Autos
im urbanen Umfeld und den möglichen Steuerungsmöglichkeiten in einem modernen
Mobilitčtskonzept. [Ma15] beschreibt eine intelligente Mobilitčtsplattform, welche als
Kernkomponente eine kartenbasierte Plattform besitzt. Die Veröffentlichung, die an das
Thema unserer Arbeit am nčchsten heranreicht, hat den Titel „Internet of Things within
the Service Architecture of Intelligent Transport Systems“ [LDI17]. Auf Grundlage von
IoT-System-Technik wird eine Enterprise Architektur für das St. Petersburger Lagezentrum
erörtert. Hierbei geht es primčr um Überwachung des Verkehrs und der Verkehrsteilnehmer
und es wird zumeist auf IT-Bestandteile und weniger auf Geschčftsprozesse verwiesen.
Alle hier aufgezeigten Artikel und Papiere beinhalten wichtige Teillösungen für das Managen
eines integrativen Mobility-Konzepts für Unternehmen des ÖPNV. Eine umfassende
Plattform, die alle wichtigen Funktionen umfasst, eine UA vorschlčgt, oder beantwortet, wie
ein ÖPNV-Unternehmen NML in seine bestehende Unternehmens-Architektur integrieren
könnte, wurde im Laufe der Recherche nicht gefunden.

4.2   Experteninterview

Durch die Literaturanalyse sehen wir unsere Vermutung bestčtigt, dass das Thema UAM
für den ÖPNV und insbesondere die Integration der NML in UAM bisher in der Forschung
keine nennenswerte Aufmerksamkeit erfahren hat. Ein Experteninterview mit dem UAM-
Verantwortlichen der Berliner Verkehrsbetriebe BVG hatte zudem bestčtigt, dass – zumindest
aus Sicht der BVG – Unternehmensarchitekturen eine wichtige Rolle bei der Integration
spielen können. Konkret wurden im Experteninterview vier Hypothesen untersucht und
bestčtigt (s. [WS20])ȷ
Neue Mobilitčtsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen 155

Hypothese 1: Digitalisierungsvorhaben, wie NML wirken sich auf die UA von ÖPNV-
Unternehmen aus.
Die Einführung von NML in einem ÖPNV-Gebiet führen, ob nun selbst durch das ansčssige
ÖPNV-Unternehmen oder durch einen Fremdanbieter initiiert, immer zu einem Impakt auf
das ÖPNV-Unternehmen selbst - und wenn es nur zu Neu- bzw. Umplanung im Angebot des
ÖPNV-Unternehmen führt. Dabei ist die Frage, ob dies schon einen signifikanten Einfluss
auf die Geschčftsprozesse bzw. IT-Prozesse hat und somit die Enterprise Architektur
betrifft. Grundsčtzlich konnte festgestellt werden, dass durch die Digitalisierung folgende
Bereiche bei der BVG anfangs besonders betroffen warenȷ Vertrieb (inkl. Angebot), IT und
Verwaltung. Zusehends wurde davon auch das Kerngeschčft (Fahrdienstleistungenȷ U-Bahn,
Straßenbahn, Bus) und Personal erfasst.
Hypothese 2: NML bilden einen disruptiven Ansatz gegenüber dem klassischen ÖPNV.
Ob dem Kerngeschčft der BVG mit der Einführung weiterer NML, wie z.B. UBER, (zukünftig)
Flugtaxen oder auch White Sharing-Anbieter wie z.B. Fleetbird mit Emmy, ein disruptiver
Einbruch droht, wollte der Experte nicht bestčtigen bzw. bezog dazu keine klare Stellung.
Anders sieht der Befragte dies bei B2B-Geschčftsmodellen, wie z.B. Mobilitčtsplattformen
mit eigenen Preismodellen. Hier sieht der Bereichsleiter sehr wohl Gefahren auf den ÖPNV
zukommen, da wenn man sich z.B. die Anbieter „. . . anschaut, zum Beispiel die NOW-
Gruppe mit Transdev zusammen, die im B2B-Geschčft ganz neue Preismodelle anbieten,
dann ist das, aus . . . “ seiner „. . . Einschčtzung heraus, eine unmittelbare Bedrohung, des
originčren BVG Geschčftsmodells.“ [Me20].
Hypothese 3: UAM hilft bei der Digitalisierungsvorhaben, bzw. bei der Einführung neuer
NML, in ÖPNV-Unternehmen.
UAM und im speziellen TOGAF als EAM-Framework stellen nach Aussage des Befragten
ein gutes Hilfsmittel dar, um strategische Applikationen bzw. IT-Landschaften zu managen.
Es bringt die IT und die Fachbereiche zusammen und ist ein probates Mittel, um zu einer
gemeinsamen Sicht (IT und Fachabteilung) zu gelangen. Darüber hinaus erzeugt es die
Transparenz zwischen der aktuellen Situation (IST) und dem zukünftig vom Business
benötigten (SOLL) in der IT - so dass das IT-Alignment im Unternehmen nach den
Vorgaben der Geschčftsstrategie gesteuert und gewčhrleistet werden kann. Dabei spielt es
keine Rolle, ob die Applikationen/IT-Landschaft im Haus oder außer Haus betrieben wird.
Auch außen gehostete Applikationen werden durch Betreuung/Prozesse bzw. spčtestens auf
Prozessebene im EAM „Fußabdrücke“ hinterlassen.

5   Herleitung von Anforderungen an UAM zur Integration von NML
Durch die Literaturanalyse (s. ».1) sehen wir unsere Vermutung bestčtigt, dass das Thema
UAM für den ÖPNV und insbesondere die Integration der NML in UAM bisher in der
Forschung keine nennenswerte Aufmerksamkeit erfahren hat. Das Experteninterview mit
156 Mark-Oliver Würtz, Kurt Sandkuhl

dem CIO der Berliner Verkehrsbetriebe BVG (s. ».2) hat zudem bestčtigt, dass – zumindest
aus Sicht der BVG – Unternehmensarchitekturen eine wichtige Rolle bei der Integration
spielen können. Wir konzentrieren uns daher in diesem Kapitel darauf, die sich aus der NML-
Integration ergebenden Auswirkungen auf UA herauszuarbeiten. Dazu werden im ersten
Schritt wichtige Stakeholder bei der NML-Integration (Betreiber, Mobilitčtsdienstleister,
Kunde) analysiert, um im zweiten Schritt die daraus resultierenden Anforderungen herleiten
zu können.

5.1   Anforderungen der Stakeholder Betreiber, Mobilitätsdienstleister, Kunde

In diesem Absatz werden die zentralen funktionalen Anforderungen an eine Mobili-
tčtsplattform geordnet nach den drei wichtigsten Stakeholdern Betreiber der Plattform,
Mobilitčtsdienstleister (z.B. ÖPNV-Unternehmen) und Kunde (der Mobilitčtsplattform)
aufgeführt. Aus diesen drei Rollen wird bespielhaft eine ausgewčhlt und im Kontext des
EAM beleuchtet. Nicht-funktionale Anforderungen bleiben in diesem Papier unbeachtet, da
diese Punkte, wie Flexibilitčt, Robustheit usw. beinhalten und in einer spčteren gesonderten
Betrachtung für beispielsweise die Skalier-Fčhigkeit des Modells einer Mobilitčtsplattform
herangezogen werden.
                  Tab. 1ȷ Beispiele für Anforderungen aus Sicht des Betreibers
 Bereitstellung      einer   Bereitstellung einer APP, die den Kundenanforderungen entspricht
 Kundenschnittstelle         (siehe Kundenanforderungen);
 Debitoren Verwaltung        Kundenverwaltung
 Kreditoren Verwaltung       Mobilitčtsdienstleister (Lieferantenverwaltung)
 Service Bereitstellung      Unterstützung des Kunden bei allen Transaktionen
 Faktura                     Fakturierung der vom Kunden gebuchten Verbindungen.
 Rechnungsdaten              Abrechnen des Produkts/Tarif, der vom Kunden genutzten Verbindun-
                             gen mit dem externen Mobilitčtsdienstleister. (Vertraglich hinterlegte
                             Preisinformationen)
            Tab. 2ȷ Beispiele für Anforderungen aus Sicht des Mobilitčtsdienstleister
 Tarifdaten                  Eigene Tarifdaten für Mobilitčtsplattform bereitstellen.
 Kundendaten                 Abgleich mit der Mobilitčtsplattform.
 Verbindungen                Bereitgestellte Verbindungen und Einsatz-/Aussetzpunkte
 Geleistete Einsatzdaten     Geleistetȷ Einsatzort, Einsatzzeit und Fahrtziel
 Rechnungsdaten              Für die Faktura des Mobilitčtsdienstleisters.

Ein klassisches ÖPNV-Unternehmen kann einerseits als reiner Mobilitčtsdienstleister bzw.
zusčtzlich mit der Rolle als Betreiber einer Mobilitčtsplattform am Markt auftreten. Es
wird schwer darstellbar sein, dass ein Trčger öffentlichen Rechts, was ein großer Teil der
ÖPNV-Unternehmen ist, nur die Rolle als Mobilitčtsplattformbetreiber innehat.
In unserem Fall betrachten wir ein ÖPNV-Unternehmen, welches die Kombination aus
Mobilitčtsdienstleister und Mobilitčtsplattformbetreiber darstellt bzw. darstellen möchte.
Neue Mobilitčtsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen 157

              Tab. «ȷ Beispiele für Anforderungen aus Sicht des Kunden/Fahrgčste
 Informieren über:          Tarife, Produkte und Verbindungen (von-/nach-; Uhrzeit);
                            Verkehrssituation/-prognose; Parkplatzsituation/-prognose; Ergčn-
                            zende Mobilitčtsdienste; angrenzende Produkte des Fernverkehrs;
 Registrieren / Einloggen   Kunde muss sich beim (ersten) Aufruf des Service registrieren/bzw.
                            einloggen.
 Buchen                     Einer Verbindung bzw. eines Mobilitčtsmittel/-angebot.
 Zahlen                     Zahlung der ausgesuchten Verbindung.
 Reisebegleitung            Mitfahrregeln (bei einigen Produkten), Gruppenangebote usw.
 Nach-Reise Service         z.B. Fundsachen, Kundenzufriedenheit, usw.

Hierbei ist vorrangig gemeint, dass mit dem Betrieb der Mobilitčtsplattform primčr der
Support und der „fachliche Betrieb“ gemeint sind. Der technische Betrieb kann intern mit
eigenen Ressourcen oder extern durch ein Full-Service Provider erfolgen. Auch wenn der
Betrieb durch ein Full-Service Provider erfolgt, muss die IT des ÖPNV-Unternehmens
wissen, wie die (technische) Architektur aussieht, um eine erfolgreiche Integration in eine
bestehende Architektur Landschaft vollziehen zu können.

5.2   Auswirkungen auf die UA im ÖPNV

In der UA des betrachteten Unternehmens ist deutlich erkennbar, dass Daten- und Anwen-
dungsarchitektur vor allem bei speziellen Funktionen der Betriebsführung und -abrechnung
einem Transformationsprozess unterzogen werden müssen, der vor allem durch fehlende
Schnittstellen und erforderliche Anpassungen in der Datenarchitektur verursacht wird. Am
Beispiel des App-Hauptprozess Mobilitčtsplattform, aus Sicht der Kunden dargestellt,
werden im Folgenden die Auswirkungen auf eine Architektur, die keine Mobilitčtsplattform
betreibt, aufgezeigtȷ

1.     Registrieren/Einloggenȷ Standard Vorgehen (wie bei vielen Apps) - Da in der
       App/Homepage personenbezogene Daten (inkl. Kontodaten) ausgetauscht werden,
       sollte das Frontend und das Backend besonders gut gesichert sein.
2.     Verbindung suchenȷ Hierfür muss der Mobilitčtsplattform aller angeschlossenen
       Partnern deren Tarif- bzw. Produktinformationen vorliegen. Ein System, welches
       nicht die gewünschten Verbindungen des Kunden suchen, auflisten und preislich
       darstellen kann, wird so gut wie keine Akzeptanz beim Kunden erlangen.
«.     Verbindung buchenȷ Entscheidet der Kunde (Fahrgast) sich für eine passende Verbin-
       dung, so kann er diese direkt -aus der Verbindungsansicht heraus- buchen.
».     Beförderung (be-) zahlenȷ Nach der Buchung wird eine Zahlungstransaktion ausgelöst.
       Hat der Kunde bei der Registrierung seine Zahlungsdaten noch nicht angegeben, so
       wird er nach der ersten Buchung aufgefordert, dieses nachzuholen.
158 Mark-Oliver Würtz, Kurt Sandkuhl

5.    Service bewertenȷ Nach der Nutzung der Verbindung (Fahrt) besteht die Möglichkeit,
      dass der Kunde die Verbindung (im Ganzen) bewertet.
6.    Fahrschein Kontrolleȷ Eine (Digitale- oder Sicht-) Kontrolle eines vom Kunden
      erworbenen digitalen Fahrausweis muss gewčhrleistet sein.

In der Prozesslandschaft (Level 0) eines ÖPNV-Unternehmens (siehe Abb. 1) stehen
traditionell primčr entsprechende Änderungen im Bereich der Verkehrsleistungen bzw.
in dessen Betriebsführung im Fokus. Sieht man sich nun den (IST-) Geschčftsprozess
in Abhčngigkeit zu den ÖPNV-Produkten an und ordnet diesen die verwendeten IT-
Systeme zu, so kann man erkennen, welchen Impakt die Erweiterung des Verkaufsweg
mit Fremdprodukten an welcher Stelle hat. In Abb. 2 ist beispielhaft der Ergebnistyp
„Geschčftsprozess/ Produkt zu IT-System“ grafisch dargestellt.
                                                                       Führungsprozesse

             Strategie- und
                                  Unternehmens-                Management-
             Unternehmens-                                                            Personalführung               Controlling        Revision
                                   grundsätze                    systeme
              entwicklung

                                                                         Kernprozesse

                                                                Verkehrsleistung
                                                     Omnibus - Straßenbahn - U-Bahn - Fähre
                                                                                                                                            Verkehrs-
                    Verkehrs-                                                                                            Verkehrs-
                                                                                                                                             service &
                    marketing                                                                Betriebs-                   steuerung
                                             Betriebs-                Betriebs-                                                             -sicherheit
                                                                                           steuerung &
                                             planung                durchführung
                                                                                           Abrechnung
                                                                          !

                                                              Verkehrsinfrastruktur

                                  Finanz-                  Facility-              IT-           Beschaffung/               Fahrzeug-      rechtliche
              Personal
                                management               management           Management       Materialwirtschaft         management      Beratung

                                                                 Unterstützungsprozesse

                   Abb. 1ȷ Prozesslandschaft eines ÖPNV-Unternehmens (Level 0)

An Abbildung 2 lčsst sich schnell erkennen, welches ÖPNV-Produkt und dem dazugehörigen
Prozess vom IT-System unterstützt wird. Hiermit ist das IT-Management in der Lage schnell
zu erkennen, welches IT-System betroffen ist. Das IT-Management ist mit Hilfe der jeweiligen
Experten (im Haus/Extern) in der Lage, ob die neuen Anforderungen an das IT-System
erfüllt werden kann oder obȷ (a) das IT-System erweitert/angepasst bzw. (b) ein neues
IT-System beschafft/erstellt werden muss. Dabei ist zusčtzlich gewčhrleistet, dass man
sofort erkennt, ob die Änderung weitere Auswirkungen auf andere bzw. weitere, vom selben
IT-System unterstützte, Prozesse hat. Enterprise Architecture Management bietet hierdurch
die Transparenz, um kurzfristig Entscheidungen hinsichtlich der Gesamtarchitektur treffen
zu können.

Im obigen Fall würde das IT-Management die Rolle des Mobilitčtsplattformbetreibers
und deren Anforderungen der Produkt-Prozess-IT-System Matrix gegenüberstellen. Dabei
kann man erkennen, dass z.B. im Quadranten „Self Service Verkauf“ und „Mobiles Ticket“
Neue Mobilitčtsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen 159

schon eine App (IT-System) vom analysierten ÖPNV-Unternehmen betrieben wird. Um
das Produkt und den Prozess bedienen zu können wird im aktuellen Szenario noch zwei
weitere IT-Systeme benötigȷ SAP PT120-Kontokorrent (Nebenbuchhaltung) und PTcom
(Importschnittstelle für Buchhaltungsdaten). Die Anforderungen, die an einen Mobilitčts-
plattformbetreiber gestellt werden, können nun gezielt auf die Bestandssysteme „gemappt“
werden. Hierbei steht außer Frage, dass die bis jetzt verwendete App, die bisher die Verwal-
tung und Abrechnung eines Mobilitčtsdienstleister ermöglichte, nicht die Anforderungen
erfüllt, die an einem Betreiber (ggf. auch in Kombination als Mobilitčtsdienstleister) gestellt
werden. In Tabelle » werden beispielhaft die Auswirkungen auf die IT-Systeme skizziert
und grob bewertet.

    Abb. 2ȷ Bsp. Geschčftsprozess „Fahrscheinverkauf“ (Level 2) eines ÖPNV-Unternehmens

Zusammengefasst führen gegenseitige Abhčngigkeiten zwischen Geschčfts-, Daten- und
Anwendungsarchitektur zu Transformationsbedarf in bestimmten Ausschnitten der UA.
So kann, z.B. die Flexibilisierung von Ticketlösungen (Erwerb einer Fahrerlaubnis) dazu
führen, dass nicht nur klassische ÖPNV-Fahrberechtigungen, z.B. in Form einer Waben-
oder Zonenstruktur verarbeitet werden muss, sondern auch Fremdanbietersysteme, wie z.B.
Taxen, Car-Sharing, Bike-Sharing usw., die pro Mieteinheit, bzw. Entfernung oder in einer
Kombination aus Beiden abgerechnet werden müssen. Dies führt in diesem Fall nicht nur zu
Anforderungen an das IT-System, sondern auch an die Datenstruktur und an die Prozesse.
Denn einerseits müssen unterschiedlichere Daten gehalten, verarbeitet und gelöscht werden
sowie andererseits müssen Personen diese unterschiedlichen Informationen auch prüfen
können, welches zur Folge hat, dass z.B. ein eigener Prozess für die Klčrung von Störungen
in Fremddaten (externen Anbietern) geschaffen werden muss.
160 Mark-Oliver Würtz, Kurt Sandkuhl

                     Tab. »ȷ Beispiele für Anforderungen aus Sicht des Betreibers
    IT-System        Auswirkung                                               Aufwandsabsch.
    App              Eine allen Anforderungen gerecht werdende App muss       Hoher Aufwand
                     für diesen Fall neu entwickelt bzw. eingeführt werden.   (> 200 PT)
                     Neu-Entwicklung.
    SAP PT-120 PT-120 verfügt über die Funktionalitčt, Multibetreiber         Mittlerer Aufwand
    Kontokorrent     Plattformen und Abrechnungen von Kunden jeglicher        (< 200 PT)
                     Art zu managen sowie über eine Tarifverwaltung, die
                     die benötigten Tarifdaten/Anbieter verwalten könnte.
                     Konfiguration und kleinere Erweiterungen.
    Ptcom            Die Schnittstelle zu SAP-PT120 müsste um einen weite-    Geringer Aufwand
                     ren Vertriebskanal angepasst werden. Da Feldinforma-     (< 50 PT)
                     tionen variabel anlegbar sind, können auch komplexe
                     Abrechnungskonzepte abgebildet werden.
                     Konfiguration.
    Zusätzlich benötigte Funktion (Tarif- bzw. Produktinformationen)
    SAP-PT120        Das PT-120 System (Module Baseline) verfügt darüber      Mittlerer Aufwand
    Baseline         hinaus über eine Tarif-verwaltung aus der man die        (< 200 PT)
                     benötigten Tarifdaten/Anbieter verwalten könnte.
                     Konfiguration und kleinere Erweiterungen.

6      Schlussfolgerungen

Die dargestellten Ergebnisse führen zum Schluss, dass die erfolgreiche Einführung von neuen
Mobilitčtsdienstleistungen z.Z. weniger bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben stattfindet,
sondern von Newcomer (wie z.B. Emmily u.w.) etabliert werden. Dabei sind die Themen,
die die etablierten ÖPNV-Unternehmen treibt eher die Ausrichtung am klassischen ÖPNV-
Geschčft. Damit ÖPNV-Unternehmen auch langfristig überleben können, müssen sie selber
in der Lage sein, Mobilitčtsplattform in ihr Unternehmen zu integrieren und zu managen.
Hierbei ist es egal, ob sie selbst den Betrieb machen oder dies durch Dienstleister übernehmen
lassen. Wichtig hierbei ist, dass die „Owner-Schaft“ für die ÖPNV-Unternehmen gesichert
sein muss. Für dieses Ziel sollten die klassischen ÖPNV-Unternehmen wissen, wie eine
mögliche Zielarchitektur für Mobilitčtsplattformen im Idealfall aussehen, welche Prozesse
damit verbunden sind und wie sie die Schnittstellen, Produkte und Dienstleistung so offen
gestalten, dass jederzeit weitere Anbieter von Mobilitčtssystemen mit einsteigen können.
Das oben dargestellt Bespiel soll zeigen, dass gerade in Zeiten der Digitalisierung EAM Me-
thoden zur Verfügung stellt, die das IT-Management in die Lage versetzt, diese Komplexitčt
effizient zu „managen“. Dies wiederum trčgt dazu bei, dass die Unternehmen (hierȷ ÖPNV)
in der Lage sind, Anpassungsbedarf, der durch die Strategie bzw. Governance gefordert
wird, schnell zu erkennen und nötige Maßnahmen für eine Umsetzung ggf. zügig einzuleiten.
In diesem Fall heißt das, IT-Systeme, über die Eingrenzung von Prozess und Produkt, zu
identifizieren, die von neuen Anforderungen betroffen sind und für ein systematisches EA
Content Management zu sorgen [Zi19].
Neue Mobilitčtsdienste und ihre Auswirkungen auf Unternehmensarchitekturen 161

Im Kontext der vorgestellten Flexibilisierung von Ticketlösungen wurde dargestellt, dass
nicht nur die Darstellung von IT-Systemen und Prozessen den ausschließlichen Vorteil
des Enterprise Architecture Management darstellt, sondern auch die Wechselwirkung
zu Datenstrukturen, Infrastrukturelementen u.w. Informationen, die es ermöglichen, die
Komplexitčt der Verčnderung, die durch die Digitalisierung angestoßen wird, zu beherrschen.
Dabei ermöglicht das EAM den Beteiligten die Beantwortung wichtiger Fragen, wie z.B.ȷ
Woraus speisen sich die IT-Komplexitčtstreiber? Oder Welche Maßnahmen benötigen wir
zur Bewčltigung der technischen Komplexitčtsbeherrschung?
Diese zwei Fragen sollten in einer weiteren Studie untersucht werden. EAM bietet darüber
hinaus noch viele weitere Methoden, die das „managen“ der Gesamtarchitektur vereinfacht
bzw. erst ermöglicht. Eine entsprechende Referenzarchitektur über den entsprechenden
(Funktions-) Bereich würde zusčtzlich die Identifikation der Änderungspunkte deutlich
erleichtern und dem jeweiligen ÖPNV-Unternehmen eine am „Best Practice“ orientierte
Lösungsarchitektur vorschlagen.

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