Neue U-Boote für Deutschland und Norwegen - Umfassende Kooperation der Marinen und der Industrie - DMKN
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Norwegen und Deutschland haben sich auf die Beschaffung von sechs auf der Klasse 212A basierenden U-Booten verständigt, davon vier für Norwegen und zwei für Deutschland Neue U-Boote für Deutschland und Norwegen Umfassende Kooperation der Marinen und der Industrie Bjørn Domaas Josefsen A nfang Februar 2017 gab die norwe- gische Regierung bekannt, dass man Deutschland als strategischen Partner ange- der neuen Einheiten. Die norwegische Sei- te legt großen Wert darauf, dass die Boo- te auf dem in Deutschland und Italien be- außerdem eine unterbrechungsfreie Ein- satzfähigkeit der norwegischen U-Boote der ULA-Klasse bis zur Außerdienststellung. sichts des Bedarfs an neuen U-Booten für die reits in Verwendung befindlichen Entwurf Königlich Norwegische Marine ausgewählt U 212A basieren und damit Konstruktions- U-Boote und mehr habe. Grundlage der Zusammenarbeit ist risiken beschränkt werden. Der Entwurf eine Vereinbarung für die gemeinsame Be- für die neuen Boote trägt die Bezeichnung Nur wenige Tage nach der Bekanntgabe der schaffung und den Betrieb identischer neuer U 212CD (Common Design). Entscheidung zugunsten Deutschlands als U-Boote. Norwegen wird damit die Einheiten Im August 2017 schlossen Norwegen strategischem Kooperationspartner gab die der ULA-Klasse ersetzen. und Deutschland eine Regierungsvereinba- norwegische Regierung eine Pressemitteilung Das Kooperationsmodell setzt eine breite rung, danach begannen die gemeinsamen heraus, die über eine Vereinbarung zur Be- und langfristige Zusammenarbeit der Mari- Verhandlungen mit der deutschen Werft schaffung des See- und Landzielflugkörpers nen beider Länder im Bereich von U-Booten thyssenkrupp Marine Systems (tkMS). Ge- NSM (Naval Strike Missile) der norwegischen und anderen maritimen Fähigkeiten von mäß gegenwärtiger Planung soll der Ver- Firma Kongsberg für die Deutsche Marie in- militärischer Relevanz voraus. Gegenstand trag für das gemeinsame U-Boot-Vorhaben formierte. ist unter anderem die Beschaffung identi- im Jahr 2019 geschlossen werden. Auf die- Allein die Beschaffung des NSM könnte ein scher U-Boote und die Zusammenarbeit bei ser Grundlage können die Boote zwischen Volumen von ca. 10 Mrd. Norwegischen Kro- Ausbildung, Übungen, Ersatzteilen, Instand- Mitte der 2020er-Jahre und 2030 ausgelie- nen umfassen, etwas mehr als 1 Mrd. Euro. haltung und dem Life-Cycle-Management fert werden. Diese Planung gewährleistet Diese Zahl wurde jedoch bislang nicht von 4 MarineForum 6-2018
deutsch-norwegische Kooperation in den Be- Norwegens reichen maritime Forschung und Technologie- U-Boot-Programm entwicklung vorgesehen. Bezüglich der neuen U-Boote umfasst die Partnerschaft der Mari- 2011 nen Ausbildung, Übung, Ersatzteilversorgung X Das norwegische Verteidigungsmi- und Betrieb. nisterium kommt im Rahmen einer Konzeptionsstudie zu dem Schluss, Norwegen hat den lang- dass U-Boote als Waffe unersetz- lich sind. ersehnten Partner gefunden Mehr als ein Jahrzehnt lang hat die norwe- 2012 gische Regierung nach einem geeigneten X Das norwegische Verteidigungsmi- Partner im Rahmen ihrer U-Boot-Planungen nisterium setzt ein Interessenbe- gesucht. Eine Zeit lang galten die Niederlan- kundungsverfahren für die zukünf- de als mögliche Kooperationsnation, die Be- tigen U-Boote in Gang. Angefragt wird bei: strebungen führten jedoch zu keiner Verein- – DCNS (heute Naval Group), Frank- barung. Dann wandte sich die norwegische reich Regierung Polen zu, aber hier ließ sich der Zeit- – Fincantieri, Italien plan für die Beschaffung neuer Boote nicht – Navantia, Spanien mit den norwegischen Vorstellungen in Ein- – thyssenkrupp Marine Systems klang bringen. (tkMS), Deutschland (zu diesem Aus norwegischer Sicht war das Finden des Zeitpunkt auch als Vertreter für richtigen Partners ein entscheidendes Kriteri- Kockums in Schweden) um. Bereits 2009 stellte ein hochrangiger Ma- – Daewoo Shipbuilding & Marine rineoffizier fest, dass für eine Nation, die vier Engineering (DSME), Südkorea oder fünf U-Boote kauft, die Entwicklungskos- ten dem Volumen der Beschaffungskosten 2014 gleichkämen. Demzufolge kann eine Menge X Die Regierung trifft die endgülti- Geld eingespart werden, wenn sich zwei oder ge Entscheidung für die Beschaf- mehr Nationen die Entwicklungskoten teilen. Foto: tkMS fung neuer U-Boote als Ersatz für Daneben eröffnet eine Kooperation auch die ULA-Klasse. Vorteile bei logistischer Unterstützung, War- 2016 Foto: Mats Grimsæth/FMS X Das norwegische Verteidigungs- ministerium reduziert den Bieter- kreis auf die französische DCNS und tkMS. Die schwedische Werft Ko- ckums fällt aus dem Rennen. 2017 X Die Regierung in Oslo entscheidet sich für thyssenkrupp Marine Sys- tems. 2019 X Erwartete Vertragsunterzeichnung. 2024–25 X Auslieferung der ersten Einheit. KNM „Utvær“, eines von sechs norwegischen U-Booten der ULA-Klasse das norwegische Vorhaben eine Schlüssel- deutscher Seite bestätigt. Die deutsche Re- tung, Ausbildung und der Beschaffung von funktion für den gesamten nordeuropäi- gierung hat jedoch ihre Bereitschaft erklärt, Simulatoren sowie zukünftiger Kampfwert- schen Markt. für die Beschaffung des norwegischen See-/ steigerung und Modernisierung von Booten Der Verlust des australischen U-Boot- Landziel-Flugkörpers eine umfassende Koope- und Subsystemen. Demzufolge war das Fin- Auftrags an die französische DCNS (heu- ration einzugehen und eine nennenswerte den eines Partners für eine kleine Nation wie te: Naval Group) war für die deutschen An- Stückzahl für die Marine zu kaufen. Norwegen ausschlaggebend. bieter ein Schock. Zur Begründung ließen Die Kooperationsvereinbarung umfasst au- die Australier verlauten, dass die deutschen ßerdem die Weiterentwicklung des NSM, wo- Wichtiger Auftrag für die Produkte den französischen in Bezug auf bei die Alternativen auch eine U-Boot-gestütz- deutsche Industrie die Geräuschentwicklung, insbesondere te Version nahelegen. bei hohen Geschwindigkeiten, deutlich un- Neben der Zusammenarbeit in den Be- Es gibt keine Zweifel daran, dass der norwe- terlegen seien. reichen U-Boote und Flugkörper ist im Rah- gische Auftrag für die maritime Industrie in Auch die deutsche Regierung sah sich men der Vereinbarung auch eine verstärkte Deutschland extrem wichtig ist. Dabei hat zum Handeln veranlasst, indem sie der nor- MarineForum 6-2018 5
Nach Auslieferung werden die U-Boote Die norwegische Marine: mindestens vier oder fünf Jahrzehnte in U-Boote seit mehr als 100 Jahren Dienst stehen. Daher wird jegliche Lö- Mit Indienststellung der KNM „Kobben“ im Jahr 1909 begründete die norwegische sung auf Basis einer veralteten Technolo- Marine ihre U-Boot-Tradition. Seitdem wurden einschließlich der aktuell sechs Einhei- gie schnell überholt sein und dazu führen, ten der ULA-Klasse 38 U-Boote betrieben, 28 davon wurden in Deutschland gebaut. dass schon sehr früh im Lebenszyklus der Die raue Küste Norwegens mit den tiefen Fjorden, Zehntausenden von Inseln und Boote zusätzliche Kosten für Modernisie- schwierigen Meerengen ist wie geschaffen für den Einsatz von U-Booten. Dort haben rungen entstehen. die norwegischen Boote seit dem Zweiten Weltkrieg ihre Effizienz in vielen NATO- Nur wenn die zukünftigen Boote auf dem Manövern unter Beweis gestellt. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurden sie seitens neuesten technologischen Stand sind, wer- der Manöverführer ausgeschlossen, weil durch ihre Effizienz ein aussichtsreicher Ein- den sich weitere Länder für den Entwurf satz „feindlicher“ Kräfte unmöglich war. Oftmals nahmen die Marineeinheiten der interessieren. Schon gelten Polen und die NATO-Partner den langen Weg nach Norwegen in Kauf, um bestimmte operationelle Niederlande als weitere potenzielle Inter- Elemente zu üben. Die norwegischen U-Boote hielten sie von der Durchführung der essenten und Partner. geplanten Operationen ab und ließen damit den Manöverführern keine andere Wahl, als mit erfundenen Verlautbarungen zu erklären, warum die norwegischen Boote Weitere Partnernationen und plötzlich erhebliche technische Mängel aufwiesen und deshalb ihre Beteiligung an Flugkörperentwicklung den Manövern abbrechen mussten. Die Marine ist sich seit Jahren der Effizienz von U-Booten bewusst. Daher verwun- Die deutsch-norwegische Kooperation um- dert es nicht, dass das kleine Norwegen mit seinen damals 4 Mio. Einwohnern zu Zei- fasst auch die gemeinsame Flugkörper- ten des Kalten Krieges mehr als 15 Einheiten im Bestand hatte. Heute betreibt die entwicklung. Verschiedentlich ist schon norwegische Marine sechs Boote der ULA-Klasse, die Anfang der 1980er-Jahre bei die mögliche Entwicklung einer U-Boot- Thyssen Nordseewerke in Emden gebaut wurden. Die Planungen der norwegischen gestützten Variante von Kongsbergs NSM Regierung sehen vor, diese durch vier Boote zu ersetzen, die auf der gegenwärtig von zur Bekämpfung von See- und Landzielen Deutschland und Italien betriebenen Klasse 212A basieren. Sie sollen zwischen 2025 angesprochen worden. Das könnte bedeu- und 2032 zulaufen. ten, dass die Boote der Klasse 212CD auch für den Unterwasserstart von Flugkörpern vorbereitet werden müssen. wegischen Marine u.a. die lang ersehnte gesehen, um der Industrie zu einem Rüs- Die Polnische Marine hat bereits klarge- Partnerschaft im U-Boot-Bereich anbot. tungsauftrag zu verhelfen.“ stellt, dass sie dies ebenfalls als eine we- Die Tatsache, dass die deutsche Regierung Für die deutsche U-Boot-Industrie ist der sentliche Fähigkeit zukünftiger U-Boote ihre Rüstungsplanungen änderte und die Vertrag offensichtlich ein Hilfsmittel, um sieht. Vor diesem Hintergrund könnte die Beschaffung von zwei weiteren U-Booten einen technologischen Rückstand gegen- Möglichkeit der Landzielbekämpfung von Foto: KNM Utsira/Sjøforsvaret/FMS Foto: Synne Emilie Svee Solberg/FMS Eine Fregatte der NANSEN-Klasse durch das Periskop der KNM „Utsira“ KNM „Utsira“ während einer Übung im Winter vorzog zeugt von ihrer Unterstützung der über den Franzosen und anderen Nationen getauchten U-Booten aus für Deutschland Industrie bei der Erlangung des Auftrags. zu schließen. Neue Entwicklungen bringen und Norwegen ausschlaggebend sein bei Zusätzlich hat die deutsche Regierung finanzielle und technologische Risiken mit der Gewinnung der Polen als Projektpart- ein industrielles Kooperationspaket ge- sich, andererseits besteht kein Zweifel da- ner. L schnürt, das weit über den Bau der Boo- ran, dass sowohl die deutsche als auch die te hinausgeht. Ein hochrangiger Offizier norwegische Marine erwarten, dass ihre Bjørn Domaas Josefsen ist Chefredakteur im BMVg sagte dazu: „Während meiner 30 neuen Einheiten im Hinblick auf opera- der norwegischen Fachzeitschrift „mili- Dienstjahre habe ich niemals zuvor ein sol- tionelle Kapazitäten und Technologieni- taerTeknikk – the Scandinavian Military ches Engagement der deutschen Regierung veau eine Führungsposition einnehmen. Magazine“. 6 MarineForum 6-2018
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