Neues Radio, neue Möglichkeiten - Studienentwurf zu Potenzialen und Akzeptanz von Webradio

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TECHNISCHE UNIVERSITÄT CHEMNITZ
Medienkommunikation
Bachelorarbeit
Semester: SS2005

 Neues Radio, neue Möglichkeiten
  Studienentwurf zu Potenzialen und Akzeptanz von Webradio

      Verfasst von Robert Piehler unter Betreuung von Dr. Ruth Geier

                              Robert Piehler

                              6. Semester
                         Medienkommunikation

                       Vetterstraße 64, Zimmer 311
                             09126 Chemnitz
                           Tel.: 0174 788 4076
               E-Mail: robert.piehler@s2002.tu-chemnitz.de
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                                                      1

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen.................................................................................... 3

1 Einleitung ................................................................................................................. 4
  1.2 UKW vs. WWW – Was ist neu am neuen Radio?.................................................................... 5

  1.3 Die Ausgangssituation des Projektes – Bisherige Forschungsergebnisse .............................. 9

  1.4 Vorgehensweise......................................................................................................................... 11

2 Die Methode der Studie - Der Fragebogen ......................................................... 15
  2.1 Klassisch vs. Probabilistisch – Quo vadis Fragebogen? ........................................................ 16
        2.1.1 Die Klassische Testtheorie – Der Klassiker unter den Testtheorien................................. 17
        2.1.2 Die Probabilistische Testtheorie - Wie kommen Antworten zustande?........................... 17
        2.1.3 Fazit und Konsequenzen für den vorliegenden Studienentwurf ....................................... 18

  2.2 Von der These zum Fragebogen – Trial and Error ............................................................... 19
        2.2.1 Phase 1 - Die Kleingruppen- und Einzelanalyse .............................................................. 21
        2.2.2 Phase 2 – Der Pretest........................................................................................................ 23

  2.3 Die Stichprobe........................................................................................................................... 24

3 Die Fragestellungen der Studie – Hörer und Motive......................................... 26
  3.1 Klassische Items der Radioforschung – Wer? Wie? Was? ................................................... 26
        3.1.1 Radiorepertoires bei Webradios ....................................................................................... 29
        3.1.2 Hörerverteilung nach Milieus und Lebensstil................................................................... 31

  3.2 Medienpsychologische Erklärungsansätze zur Rezeption –
       Theorien der Mediennutzung .................................................................................................. 35
        3.2.1 Uses-and-Gratification-Ansatz ......................................................................................... 36
        3.2.2 Mood Management........................................................................................................... 39

  3.3 Interaktivität ............................................................................................................................. 41

  3.4 Webradio als Meso-Medium.................................................................................................... 44
Robert Piehler                                                             2

4 Schlussbetrachtung ............................................................................................... 47

5 Literaturverzeichnis.............................................................................................. 49

6 Anhang ................................................................................................................... 54
  Anhang A: Der Fragebogenentwurf ............................................................................................. 54

  Anhang B: Die ausgefüllten Interviewleitfäden der Kleingruppenanalyse ............................... 68

  Anhang C: Die beigelegte CD-Rom............................................................................................... 73

7 Eidesstattliche Erklärung..................................................................................... 74
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Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1: Das modifizierte Sender-Empfänger-Modell nach Shannon/ Weaver....................................... 6
Abb. 2.1: Fragebogenitems C15 und C16 in der überarbeiteten Version............................................. 22
Abb. 2.2: Fragebogenitem C14 in der überarbeiteten Version............................................................ 22
Abb. 2.3: Das Item G12 in seiner endgültigen Fassung ....................................................................... 23
Abb. 3-1: Item B2 fragt nach Parallelbeschäftigungen bei der Nutzung von Webradio ...................... 28
Abb. 3-2: Die Items F3 und F6 als Indikatoren der Einstellung gegenüber Webradio ........................ 29
Abb. 3-3: Item F4 dient als Indikator für die Akzeptanz von Webradio-Inhalten................................ 29
Abb. 3-4: Item C8 fragt nach inhaltlichen Präferenzen in Bezug auf spezielle Interessen................... 31
Abb. 3-5: Die Musikauswahl als Kriterium für einen Senderwechsel ................................................. 31
Abb. 3-7: Studentisches Engagement als Bestandteil des individuellen Lebensstils im Fragebogen .. 34
Abb. 3-8: Item G8 erhebt das subjektive technische Interesse............................................................. 35
Abb. 3-9: Transaktionales Uses-and-Gratification-Modell nach McLeod/ Becker, 1981, S. 73.......... 37
Abb. 3-10: Eine Frage der Studie: Wird Webradio zur Erhöhung des Arousal-Niveaus bei schlechter
              Stimmung genutzt? ............................................................................................................ 40
Abb. 3-11: Item C29 untersucht, ob bei Webradiokonsum ein Excitation-Transfer-Effect
              wahrgenommen wird ......................................................................................................... 41
Abb. 3-12: Getrennte Befragung nach internen bzw. externen Interaktivitätsausprägungen ............... 43
Abb. 3-13: Item D4 erfragt die konkrete Inanspruchnahme von interaktiven Zusatzdiensten ............. 44
Abb. 3-14: Mithilfe von Item C13 soll die Bedeutung regionaler Inhalte herausgearbeitet werden .... 46
Robert Piehler                                             4

Neues Radio, neue Möglichkeiten – Studienentwurf zu Potenzialen
und Akzeptanz von Webradio

1 Einleitung
Noch vor ein paar Jahren wurden dem Webradio ungeheure Potenziale
zugeschrieben und für die begeisterten Macher stand fest: Online-Rundfunk ist die
neue Form des Radios in der Zukunft1. Heute wirkt die Bilanz eher ernüchternd, von
einer massenhaft-alltäglichen Nutzung kann noch keine Rede sein. Trotzdem liegen
in dem neuen Medium Potenziale versteckt, die nicht vollständig ausgenutzt werden.
Dies liegt zum einen an technischen Problemen, die jedes Medium zu bewältigen hat,
wenn es noch in den Kinderschuhen steckt. Erst nach und nach konnten sich
verlässliche Standards für Soft- und Hardware etablieren. Dies hat zunächst viele
potenziellen Nutzer abgeschreckt, aber das Problem scheint weitestgehend gelöst2.
Zum     anderen      fehlt    es    beim     Online-Rundfunk         oftmals     noch     an    der
medienspezifischen Programmgestaltung, die die neuen Möglichkeiten auch voll
ausschöpft. Der Großteil der Webradioprogramme könnte in gleicher Form
terrestrisch ausgestrahlt werden, sodass sich für den Rezipienten beim Konsum von
Webradioprogrammen kaum Vorteile ergeben. Faktoren wie anfallende Kosten und
mangelnde Bandbreite der Internetverbindung auf Seite der Rezipienten tragen
selbstverständlich ebenfalls zu einem eher verhaltenen Nutzungsverhalten in der
Gesamtbevölkerung bei.

Obwohl sich mittlerweile Marktgrößen und Potenziale dieses neuen Mediums
realistischer ausgeprägt haben, gibt es in der Terminologie noch Unschärfen. Dies
liegt darin begründet, dass für den Terminusbestandteil >>Web
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                   5

Sendens, der Übertragung und des Empfangs von radioähnlichen Inhalten über eine
aktive Datenverbindung verstanden4.              Dabei werden fernsehähnliche Dienste
bewusst ausgeblendet ohne sich dabei auf genuine Radioangebote zu beschränken.
Weiterhin wird die digitale Übertragung eines linearen Programms mit
eingeschränkten Möglichkeiten zur Interaktion als >>Webcasting>Online-Rundfunk
Robert Piehler                                           6

Empfänger-Modell7 zeichnet er sich als konnektive Komponente zwischen Produzent
und Rezipient verantwortlich für die intermedialen Gemeinsamkeiten und
Unterschiede und prägt somit entscheidend auf konstituierende Weise das jeweilige
Medium8. Am offensichtlichsten wird diese Funktion des Kanals in Bezug auf die
Diversifikation der beim Rezipienten angesprochenen Sinne und damit verbunden
der benötigten kognitiven Ressourcen. Während beispielsweise der Hörfunk seine
Inhalte monomodal auditiv vermittelt, steht dem Fernsehen eine audiovisuelle
Kommunikationsplattform zur Übertragung von Informationen zur Verfügung.
Daraus ergeben sich logischerweise Restriktionen, das Format und die Präsentation
des Inhaltes betreffend. In der Konsequenz unterscheiden sich schließlich auch die
bei der Rezeption ablaufenden kognitiven Prozesse. Dieser Argumentationslinie
folgend, lassen sich demnach für verschiedene Medien auch distinkte Anforderungen
an   die    Produzenten       ableiten,     um     eine    optimale       Informationsvermittlung
sicherzustellen.

Abb. 1: Das modifizierte Sender-Empfänger-Modell nach Shannon/ Weaver

Die vorangegangenen theoretischen Betrachtungen spiegeln sich auch in einem
Vergleich von Webradio und UKW-Rundfunk wider. Bedingt durch die Nutzung des
Internets      als     Übertragungskanal          sowie       digitaler      Technologien         zur
Programmgestaltung lässt sich eine Verschiebung der Ressourcenbelastung für
Produzent und Rezipient feststellen.

7
  vgl. Abb. 1, Das Modell wurde interaktionistisch erweitert, da Kommunikation nur in Extremfällen
  unidirektional verläuft. In der hier vorliegenden Abbildung für Sender und Empfänger ist zudem je
  ein Zeichenvorrat integriert worden, der zur Kodierung bzw. Dekodierung von Informationen
  genutzt wird. In der Literatur lassen sich noch stärker ausdifferenziertere Varianten finden. Das
  Modell eignet sich vorrangig zur Darstellung rudimentärer Aspekte der Kommunikation, da der Grad
  der Vereinfachung sehr hoch ist. Im Gegenzug wird jedoch eine hohe Anschaulichkeit garantiert.
8
  vgl. Kloock/ Spahr, 2000, S. 7 – 12, Der Terminus Medium wird in dieser Arbeit als ein Instrument
  der Vermittlung definiert, das die Möglichkeiten der Kommunizierbarkeit von Informationen
  konstituiert. Dies ist ein sehr weit gefasster Medienbegriff, der sich in seiner Anwendung nicht nur
  auf bestimmte Techniken oder Übertragungswege beschränkt. Dennoch wird er aufgrund des
  Themas der vorliegenden Arbeit vorrangig für eine derartige Differenzierung genutzt werden.
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                    7

Terrestrische     Radioprogramme          stellen    hohe      technische      und     finanzielle
Anforderungen an den Produzenten, sie sind jedoch im Gegenzug für den
Rezipienten ohne großen Aufwand, der in diesem Kontext finanzielle und kognitive
Aspekte umfasst, nutzbar. UKW-fähige Radioempfangsgeräte sind weit verbreitet9
und können in ihren Basisfunktionen meist unkompliziert durch einen Großteil der
Bevölkerung bedient werden. Die Rezeption von Webradio ist dagegen komplexer.
Der potenzielle Hörer muss nicht nur über einen internetfähigen Rechner verfügen,
der in der Anschaffung per se teurer ist als ein Radiogerät, sondern er hat ebenfalls
die anfallenden Kosten der Internetverbindung10 zu tragen. Darüber hinaus ergeben
sich bei der Bedienung von Webradio höhere kognitive Barrieren. Es genügt nicht,
den Rechner nur anzuschalten und die Ein- bzw. Ausgabesysteme bedienen zu
können, sondern es muss auch ein grundlegendes Verständnis vom Interface11 des
jeweiligen Betriebssystems, der Playersoftware sowie unter Umständen einer
Senderdatenbank vorliegen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die
Rezipienten für die Nutzung von Webradio mehr Ressourcen aufbringen müssen als
bei einem Inhalt, der über das klassische UKW-Radio transportiert wird.

Demgegenüber erfordert der Betrieb eines UKW-Radiosenders einen nicht
unerheblichen Einsatz monetärer Mittel, da sowohl der Sendemast und die
Programmheranführung als auch ein professionelles Aufnahmestudio finanziert und
unterhalten werden müssen. Im Bereich des Webradios genügt es hingegen, einen
Server bereitzustellen, und bei der Produktion des Programms kann zudem ebenfalls
auf preiswertere Technik zurückgegriffen werden. Diese Vorgehensweise ist zwar
für den Produzenten weitaus günstiger, aber sie lässt sich, bezogen auf die
Produktionsqualität, nur in wenigen Fällen als qualitativ gleichwertig bezeichnen.
Des Weiteren nimmt der klassische Radio-Rundfunk durch seine ubiquitären und

9
   vgl. Meyen, 2004, S. 181, Etwa 99 % aller Haushalte verfügen über mindestens ein Radiogerät und
   2003 hörten im Durchschnitt 79% der deutschen Bundesbürger ca. 196 Minuten UKW-
   Hörfunkprogramm pro Tag.
10
   Dieser Aspekt ist von besonderer Bedeutung, da sich diese Kosten nach der Dauer der Nutzung
   richten, falls der Rezipient keine Internet-Flatrate nutzt. Die GEZ-Gebühren für den UKW-
   Rundfunk hingegen sind ein Festbetrag, der vom absoluten Betrag geringer ist und zur
   unbegrenzten Nutzung berechtigt.
11
   Nach Frieling/ Sonntag, 1999, S. 332 lassen sich Phänomene das Interface oder die
   Benutzungsschnittstelle betreffend unter dem Hyperonym der Mensch-Computer-Interaktion
   zusammenfassen.
Robert Piehler                                          8

mobilen Nutzungsmöglichkeiten eine Sonderstellung im Mediensystem ein12, die in
der Gegenüberstellung mit dem Webradio noch stärker deutlich wird. So wird
Radiohören während einer Autofahrt erst dadurch möglich, dass dem Empfänger
flächendeckend ein Sendesignal zur Verfügung steht, das nicht an eine Übertragung
per Datenkabel gebunden ist. Zwar sind auch beim Webradio prinzipiell kabellose
Informations- bzw. Datenübertragungen, zum Beispiel per WLAN, denkbar, doch
die entsprechende Sende- und Empfangsinfrastruktur steht dafür nicht bereit. Andere
neue Radioformen, wie das Digitalradio, müssen sich bei ihrer Etablierung ebenfalls
mit diesem Problem auseinandersetzen. Sie sind davon sogar in stärkerem Maße
betroffen, da sie entgegen dem Webradio speziell für diese Anforderungen
entwickelt worden sind13.

Dieser Verschiebungsprozess der benötigten Ressourcen schafft gänzliche neue
Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Ein vormals durch die finanziellen Kosten
auf massenmediale Verbreitung ausgelegtes und beschränktes Programm kann über
den Kanal Internet jetzt auch ökonomisch vernünftig einer kleineren Zielgruppe zur
Verfügung gestellt werden14. Daraus folgt, dass sich zwischen der medialen Makro-
und Mikroebene auch Mesomedien finden lassen15. In diesem Kontext ist der
Übergang von der Frequenzknappheit zur Bandbreitenknappheit einzuordnen.
Während beim terrestrischen Rundfunk die Anzahl der Programme durch die
verfügbaren Frequenzen limitiert ist, sind beim Webradio unendlich viele Radio-
Stationen möglich, die parallel ihre Inhalte senden. Dies ist jedoch mit dem Nachteil
verbunden, dass die Anzahl der gleichzeitigen Hörer durch die Bandbreite der
Internetverbindung beschränkt ist. Beim UKW-Rundfunk hingegen ist es
übertragungstechnisch gesehen irrelevant, ob ein Programm von 500 oder 500000
Menschen      gehört     wird,   da    der    Bereitstellungsaufwand        sich   dabei     nicht
unterscheidet16. Weiterhin werden an den Rezipienten bei der Nutzung von
Webradioangeboten nicht nur höhere Anforderungen kognitiver und finanzieller Art
12
   Die umfassende mobile Nutzungsmöglichkeit, die diese Sonderstellung konstituiert, ist neben dem
   Radio nur bei Mobiltelefonen, die jedoch der Individualkommunikation dienen und kaum nebenbei
   für Paralleltätigkeiten genutzt werden, verbreitet. Vgl.: Lindner-Braun, 1998, S. 41 - 43
13
   vgl. Rein, 2001, URL: http://www.querfunk.de/dab/dab.html, letzter Zugriff: 22.06.2005
14
   Hierbei wird vereinfachend von einem 1-zu-1-Transfer des Programms vom UKW-Sendebereich
   auf den Online-Sektor ausgegangen ohne bei diesem Prozess webspezifische Programmelemente zu
   berücksichtigen.
15
   vgl. Kap. 3.4
16
   Es wird bei diesen Ausführungen von einem idealisierten Fall, wie er in einer Großstadt zu
   finden ist, ausgegangen. Wenn sich jedoch für die 500 und die 500000 Hörer das Sendegebiet der
   Größe nach unterscheidet, ist selbstverständlich auch der Bereitstellungsaufwand nicht gleich.
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                    9

gestellt, sondern auch der Grad der Partizipation an der Programmgestaltung ist
zumeist höher. Der Prozess der interaktiven Einbindung des Rezipienten kann direkt
über die Form der Programmbereitstellung17 geschehen oder indirekt über das
Angebot von Zusatzdiensten wie Chat oder Foren realisiert werden. Diese
Erkenntnisse bilden die Grundlage des vorliegenden Studienentwurfes und
nachfolgend wird ein kurzer Überblick über bereits durchgeführte Untersuchungen
das Thema stärker eingrenzen.

1.3 Die Ausgangssituation des Projektes – Bisherige Forschungsergebnisse
Im Verhältnis zu anderen Medien, insbesondere dem Fernsehen und Internet, sind
dem Hörfunk nur wenige wissenschaftliche Studien oder Untersuchungen gewidmet.
Die dafür kausal verantwortlichen Aspekte lassen sich wie folgt vermuten18: Der
Radio-Rundfunk ist zumeist ein Nebenbei-Medium und diese Feststellung
manifestiert sich auch im Image der Radioforschung, der nur eine sekundäre
Bedeutung eingeräumt wird. Außerdem kann das Radio in Bezug auf die Inhalte nur
eingeschränkt mit audiovisuellen Medien konkurrieren, denen bedingt durch die
„Macht der Bilder“19 eine größere Medienwirkung zugeschrieben wird. Des
Weiteren gab es in Deutschland bis in die 80er Jahre ein relativ starres
Rundfunksystem der öffentlich-rechtlichen Programme. Erst durch die Zulassung
privatwirtschaftlicher Rundfunkanbieter und der Einführung der Service-Wellen im
Hörfunkbereich begann auch für die Publikumsforschung wieder eine produktivere
Phase20. Jedoch werden die Forschungsetats für die Radioforschung nicht zuletzt
auch durch die relativ geringen Werbeeinahmen von Radioprogrammen begrenzt.

Bei den vorhandenen Untersuchungen zum UKW-Rundfunk handelt es sich darüber
hinaus oft um Auftragsforschung der Landesmedienanstalten21 oder privater
Anbieter, die nur Partikularinteressen zum Gegenstand hat22. Durch diese Umstände

17
   Dabei ist generell zwischen Streaming-Angeboten und Radio-on-Demand (ROD) zu unterscheiden.
   Während Erstgenannte, vergleichbar dem konventionellen Rundfunk, ihr Programm linear
   bereitstellen, kann der Nutzer bei ROD, zumeist über ein Web-Interface, direkt einzelne
   Programmteile anwählen. In der Praxis treten beide Formen häufig zusammen auf, indem z. B. ein
   Webradioanbieter sein aktuelles Programm per Stream bereitstellt und bestimmte Wortbeiträge als
   Download anbietet. Vgl. dazu auch: Goldhammer/ Zerdick, 2001, S. 35 - 37
18
   vgl. Meeyen, 2004, S. 178
19
   zitiert nach Stuiber, 1998 bei Meyen, 2004, S. 178
20
   vgl. Keller, 1992, S. 3 - 4
21
   vgl. Bessler, 1980, S. 123 - 126
22
   vgl. Lindner-Braun, 1998, S. 7
Robert Piehler                                        10

hat sich die traditionelle Radioforschung lange Zeit in hohem Maße auf die
Erfassung von Hörerdaten aus Sicht der Produzenten beschränkt. Erst spät wurde die
medienzentrierte       Sichtweise     in     diesem         Bereich   aufgegeben       und   um
rezipientenrelevante Faktoren erweitert. So wurde Potenzial verschenkt, da die
Ergebnisse       der   Forschungsarbeit          nur     eingeschränkte   Gültigkeit    besaßen.
Medienpsychologisch betrachtet, hat man sich übermäßig auf die Medienwirkung
konzentriert und die Mediennutzung weitestgehend vernachlässigt23. Diese
Konzentration hat jedoch nicht zu umfangreichen Erkenntnissen über die medialen
Auswirkungen des Hörfunkkonsums geführt, sondern beschränkte sich meist auf
relativ simple Reichweiten- und Einschaltquotenforschung. Erst seit Beginn der 90er
Jahre haben sich zunehmend auch Studien etabliert, die soziale, affektive und
medienpsychologische Komponenten berücksichtigen und so ein differenziertes Bild
der Hörfunknutzung ermöglichen24.

Als    relativ     junges    Medium        ist     der     Online-Rundfunk      noch    seltener
Forschungsgegenstand als sein Pendant auf Frequenz. Es finden sich nur einzelne
Studien bzw. Teile von Studien, die Rückschlüsse auf die Rezeption von Webradio
zulassen. Am bekanntesten ist dabei sicherlich die ARD-Onlinestudie, die jährlich
veröffentlicht wird und verschiedene Einstellungen sowie Verhalten von
Internetnutzern abfragt. Dabei ist jedoch nur ein geringer Teil der Daten für
Untersuchung von Webradio relevant. Eine breitere Datengrundlage verwendet das
Arbeitspapier Heft Nr. 164 des Kölner Instituts für Rundfunkökonomie25. Neben der
Entwicklung des Online-Rundfunks finden sich auch medienpsychologische
Erklärungsansätze zur Nutzung. Die Arbeit erfasst die Nutzung nach Kriterien des
klassischen Rundfunks zwar relativ genau, die mediumsspezifischen Aspekte werden
jedoch nur unzureichend aufgezeigt. Bei der Nutzung von Webradio können neue
kommunikationswissenschaftliche            Phänomene         auftreten,   die   untersucht   und
integriert werden sollten. Die theoretischen Grundlagen dafür finden sich

23
   Die medienpsychologische Forschung als Hyperonym kann in zwei zentrale Fragestellungen
   gegliedert werden: „Was machen die Medien mit den Menschen?“, die den Bereich der
   Medienwirkung prägt, und „Was machen die Menschen mit den Medien?“, die grundlegend für die
   so genannte Mediennutzung ist. Vgl. dazu: Kap. 3.2 der vorliegenden Arbeit sowie Leffelsend/
   Mauch/ Hannover, 2004, S. 51 – 71. Mediennutzung kann darüber hinaus in
   die Prozesse Medienauswahl, Medienrezeption und Medienaneignung gegliedert werden. Vgl.
   auch: Hasebrink, 2003
24
   Die Veröffentlichungen von Keller (1992) und Weiss/Hasebrink (1994) sind in diesem Kontext
   besonders zu empfehlen.
25
   vgl. Jäger, 2003
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                     11

beispielsweise bei Goldhammer und Zerdick26, die in ihrer Veröffentlichung zwar
inhaltlich über den eigentlichen Online-Rundfunk hinausgehen, aber insgesamt einen
guten Einstieg in das Thema bieten.

1.4 Vorgehensweise
Um die Nutzung von Webradioangeboten valide zu erfassen und in einem zweiten
Schritt von einer deskriptiven Nutzungsstatistik explikativ zu Motiven der
Rezipienten zu gelangen, ist es notwendig, interdisziplinär Modelle und Ansätze zu
integrieren. Dabei ist es zweckmäßig, bisherige Forschungen zu berücksichtigen,
aber auch zielgerichtet eigene Ansätze zu konstruieren, wenn die konventionellen
Methoden       einen    Wissenszuwachs          verhindern.      Eine    ähnliche      Studie     zur
Mediennutzung für den UKW-Radio-Sektor ist beispielsweise von Michael Keller27
durchgeführt worden. Der Integrationsansatz ist folglich nicht neu, sondern
besonders im Bereich der Medien- und Kommunikationsforschung durchaus üblich.
Dabei ist die fachliche und personelle Nähe zwischen den Medienwissenschaften und
der Psychologie einem derartigen Vorgehen förderlich28.

Zunächst werden daher klassische Items der Publikumsforschung angewendet, die
primär nach der Nutzungszeit und -dauer von Webradio fragen. Dabei sollen jedoch
auch die Begleitumstände der Mediennutzung erfasst werden, da sie eine exaktere
Verortung des Webradiokonsums in der Gesamtnutzung von Medien erlauben.
Dieser Teil wird weitgehend konform zu den Erhebungen der Media-Analyse für den
UKW-Sektor konzipiert sein und kann durch Sekundärauswertungen der ARD-
Onlinestudie sowie der Studie von Jäger29 ergänzt werden. Bei der Erfassung der
Nutzung wird des Weiteren das Konzept der Radiorepertoires von Weiss &
Hasebrink30 in die Betrachtungen eingebunden, um zu klären, ob sich ähnliche
Kategorien auch für den Online-Rundfunk klassifizieren lassen. Einen weiteren
interessanten Ansatz in der Radioforschung verwenden die oben genannten Autoren
auch bei der Klassifizierung der Hörer. Neben den üblichen demografischen Daten
26
   vgl. Goldhammer/ Zerdick, 2001
27
   vgl. Keller, 1992, Eine Ähnlichkeit der beiden Studien liegt nur hinsichtlich der zugrundegelegten
   Hypothesen und Konstrukte vor. Methodik und Umfang weisen hingegen Unterschiede auf.
28
   vgl. Meyen, 2004, S. 9
29
   vgl. Jäger, 2003
30
   vgl. Weiss & Hasebrink, 1994. Weiss & Hasebrink prägten in ihrer Sekundäranalyse diesen Begriff
   für verschiedene Hörerkategorien, die sich gemäß ihrer sozialen Gruppenzugehörigkeit einen
   spezifischen Mix von Inhalten zusammenstellen und dabei bestimmte Sender präferieren.
Robert Piehler                                       12

wie Alter und Einkommen versuchen sie, soziale Milieus und Lebensstile zu
integrieren. Doch die unzureichende Datengrundlage der MA lässt diesbezügliche
Untersuchungen nur in eingeschränktem Maße zu. Bei der Konstruktion einer
eigenständigen Studie zum Thema Webradio können diese Faktoren hingegen stärker
berücksichtigt werden. So ergeben sich Rezeptionsmuster und Hörertypologien, die
die tatsächliche Situation besser repräsentieren und damit auch konkretere
Rückschlüsse auf Motive der Nutzung zulassen.

Durch Einbeziehung des Uses-and-Gratification-Ansatzes und der Theorie des
Mood-Management          sollen    Rezipientenentscheidungen          psychologisch      nach
Bedürfnissen erklärt werden. Im Besonderen soll dabei auf die Bedeutung der
sozialen Meso-Ebene eingegangen werden. Webradio ermöglicht es aufgrund des
neuen, finanziell günstigeren Übertragungskanals Internet, ein ursprünglich auf
Massenkommunikation ausgelegtes Medium auch für eine wesentlich kleinere
Zielgruppe zuzuschneiden. So können jetzt soziale Randgruppen sowie andere
Interessenvertreter ihre Informationen umfassend medial vermitteln und starre
Strukturen im Sinne eines „Kleinsten-Gemeinsamen-Nenner-Programmes (sic!)“31
sind nicht mehr zwangsweise notwendig. In diesem Zusammenhang sind die
Konzepte der Masscustomization, des Ich-Kanals und des so genannten Prosumers,
anstelle des klassischen Konsumenten, von besonderer Bedeutung. Der vorliegende
Studienentwurf soll prüfen, ob der Online-Rundfunk tatsächlich auf diese Art und
Weise genutzt wird oder ob sich trotz der veränderten Infrastruktur ähnliche Ziel-
und Hörergruppen wie im terrestrischen Radio ausgebreitet haben. Falls alte
Programmstrukturen32        tatsächlich     obsolet     geworden       sind,    stellt    dies
selbstverständlich neue Anforderungen an die Produzenten, die zum Beispiel über
einen stärkeren Regionalbezug versuchen könnten, den Trend aufzunehmen.
Eine Komponente, die ebenfalls in die Betrachtung einfließen soll, ist der Grad der
Interaktivität eines Webradioprogramms. Interaktivität ist keine Erfindung der neuen
Medien, denn auch die „alten neuen Medien“33 wie das Fernsehen bieten einen
gewissen Interaktivitätsgrad. Dies beschränkt sich nicht ausschließlich auf das Aus-
und Umschalten, sondern umfasst auch Sendeelemente, die den Zuschauer direkt

31
   Goldhammer/ Zerdick, 2001, S. 11
32
   Umfassende Ausführungen zu Programmstrukturen und Produktionstechniken des terrestrischen
   Rundfunks finden sich bei Wilby/ Conroy, 1996. Zur Formatierung von UKW-Radioprogrammen
   sei an dieser Stelle zudem auf die Veröffentlichung von Prüfig, 1993 verwiesen.
33
   Piehler, 2005 (unveröffentlicht), S. 1
Neues Radio, neue Möglichkeiten                          13

einbinden wie zum Beispiel eine Ratgebersendung, in der man gegebenenfalls
telefonisch Fragen stellen kann. Die traditionellen Printmedien Zeitung und Buch
fordern vom Rezipienten ebenfalls einen interaktiven Umgang, indem er
beispielsweise Texte selektiert oder Abbildungen einzelnen Inhaltsentitäten zuordnet.
Die verschiedenen Medien unterscheiden sich also nicht hinsichtlich der Frage, ob
Interaktivität vorliegt, sondern lediglich nach dem Maß, in dem sie ausgeprägt ist.
Mithilfe geeigneter Items soll geklärt werden, welche Auswirkungen der erhöhte
Interaktivitätsgrad bei Webradios auslöst und ob damit ein verändertes
Rezeptionsverhalten verbunden ist. Die Erfassung dieser Phänomene gestaltet sich
jedoch problematisch, da es in den verschiedenen Formen des Webradios erhebliche
Unterschiede bezüglich interaktiver Elemente gibt, die sich zudem sowohl im
Programm als auch in Zusatzdiensten manifestieren können34.

Als Methode zur Erhebung der erforderlichen Rohdaten greife ich auf eine
quantitative Fragebogenkonstruktion zurück. Eine exploratorische Studie impliziert
zwar zunächst vorrangig den Einsatz qualitativer Methoden, um das Forschungsfeld
einzugrenzen, jedoch wird im vorliegenden Entwurf ein großer Wert auf die
Vergleichbarkeit mit Ergebnissen zum UKW-Radio gelegt. Für diesen Sektor lässt
sich bereits eine Reihe von quantitativen Untersuchungen finden. Auch für die
Nutzung von verschiedenen Internetdiensten und –angeboten sowie den damit
verbundenen Nutzungshypothesen existieren standardisierte Befragungen, wie zum
Beispiel die ARD-Online-Studie. Daher wird in der vorliegenden Arbeit ebenfalls
ein quantitativer Forschungsansatz gewählt. Der Studienentwurf ist dabei aus
Gründen der Durchführbarkeit zunächst speziell für Studenten angelegt35. Daraus
ergeben sich organisatorische Vorteile für den Pretest und eine eventuelle spätere
Durchführung der Studie, aber selbstverständlich auch Nachteile, die Aussagekraft
der Ergebnisse betreffend. Dies ist zum einen verbunden mit Einschränkungen, die
der Fragebogen als Messinstrument per se mit sich bringt, und zum anderen mit
solchen, die durch die gewählte Stichprobe entstehen. Es liegt auf der Hand, dass die
Studentenschaft einer Universität nicht als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung
angesehen werden kann, doch sie ist als Stichprobe der Untersuchung auch aus
einem anderen Grund problematisch: Durch ihren Bezug zu Forschung und Lehre ist
ihr Antwortverhalten a priori verzerrt. Dies ist ein Problem der gesamten
34
     vgl. Kap. 3.3
35
     vgl. Kap. 2.3
Robert Piehler                                          14

empirischen         Hochschulforschung,         die    „größtenteils    Studentenforschung        im
doppelten        Sinne     [ist,   der   Autor]:      Studierende    sind    sowohl     interessante
Untersuchungsobjekte als auch interessierte Untersuchungssubjekte.“36 Dennoch
kann der gefundene Kompromiss insgesamt als angemessen betrachtet werden. Die
Konstruktion des Fragebogens wird modular gestaltet sein, sodass z. B. durch den
Austausch der soziodemographischen Module eine Anwendung für weitere
Bevölkerungsgruppen durchaus möglich ist. Für die Umsetzung des Fragebogens
wurde Microsoft Word verwendet, da mit dieser Software Änderungen im
Itemdesign schnell und unkompliziert durchgeführt werden können. Für das
endgültige Fragebogendesign ist jedoch aus ästhetischen und praktischen Gründen
eine Umsetzung in einem speziellen Programm zur Formularerstellung wie Adobe
Designer durchaus angemessen. So kann durch optische Mittel und variable
Möglichkeiten zur Bearbeitung37 des Fragebogens die Rücklaufquote erhöht werden.
Der Kodierungsplan zur Auswertung der erhobenen Daten ist mit der Software SPSS
in der Version 13 erstellt worden. Nachfolgend soll intensiver auf den Aufbau des
Fragebogens sowie die damit verbundenen Konsequenzen eingegangen werden.

36
     Kirchhoff/ Kuhnt/ Lipp/ Schlawin, 2001, S. 9
37
     Neben dem traditonellen Weg der postalischen Befragung wird durch das Programm auch eine
     Online-Variante bereitgestellt. Der Testperson wird dabei die Möglichkeit gegeben den Fragebogen
     direkt am Rechner auszufüllen und dann per E-Mail oder ausgedruckt per Post zurückzusenden.
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                     15

2 Die Methode der Studie - Der Fragebogen
Ein großer Teil der Studie wird sich auf Fragen beziehen, die das Medium Webradio
unter Aspekten der Mediennutzung als Subkategorie der Medienpsychologie
untersuchen.      In     diesem      Forschungsbereich         spielen      fragebogenbasierte
Untersuchungen eher eine untergeordnete Rolle. Inhaltsanalysen, telemetrische
Verfahren oder laborexperimentelle Methoden, die „in der Psychologie oft als der
Königsweg der Erkenntnis“38 gelten, scheinen unter Medienpsychologen wesentlich
beliebter zu sein als die im Vergleich unspektakuläreren Befragungen. Es muss
natürlich ebenfalls beachtet werden, dass Fragebögen nur eine eingeschränkte
Aussagekraft haben. Durch für die Testpersonen selbstreflexive Items, die
methodisch auf Introspektion zurückgreifen, besteht immer eine potenzielle
Verzerrung       durch     Missverständnisse,        verfälschte     Erinnerungen,        soziale
Erwünschtheit und ähnliche Phänomene39. Dass an dieser Stelle dennoch dieser
Methode der Sozialwissenschaft der Vorzug gegeben wurde, hängt mit mehreren
Faktoren zusammen.

Zum einen ist es die Zielstellung dieses Studienentwurfes, Theorien und Konstrukte
verschiedener Forschungsrichtungen zusammenzuführen, die eine gemeinsame
methodische Grundlage notwendig macht. Um Ideen der Kommunikations- und
Publikumsforschung in einen medienpsychologischen Rahmen einzubetten, ist ein
Fragebogen als kleinster gemeinsamer Nenner relativ unkompliziert umzusetzen.
Zum anderen sind auch die verfügbaren Ressourcen ein entscheidendes Kriterium für
die Wahl der Methode. Für den Rahmen dieser Arbeit ist es finanziell nicht möglich,
ein Labor samt Belegschaft bereitzustellen oder eine Vielzahl von Haushalten mit
Pocket-People-Metern40 zur genauen Messung der Mediennutzung auszustatten.
Doch auch bezüglich der notwendigen Durchführungszeit sowie der Human
Ressources bietet der Fragebogen entscheidende Vorteile. Nachteile wie eine
möglicherweise geringere Reliabilität oder Validität werden dabei in Kauf
genommen, denn „Forschung ist immer eine Sache der Entscheidungsfindung“41.

38
   Nieding/ Ohler, 2004, S. 356
39
   Vgl. Schnell/ Hill/ Esser, 1999, S. 330 – 333, Die Autoren bilden 10 Kategorien von
   Antwortverzerrungen, die auch als >>Response Errors
Robert Piehler                                            16

Doch mit der Auswahl des Fragebogen-Verfahrens als Methode war diese
Entscheidungsfindung keinesfalls abgeschlossen. Für die Konstruktion einer
Befragung stehen im Wesentlichen zwei Testtheorien zur Verfügung, die Klassische
und die Probabilistische, die in Kapitel 2.1 erörtert werden. Für nachfolgende
Studien kann der vorliegende Fragebogen zumindest als Grundlage dienen, um
mithilfe     anderer       Methoden        weiterführende         Ergebnisse        zu     ergänzen.
Inhaltsanalysen42, die Webradioprogramme mit den Programmen des terrestrischen
Rundfunks vergleichen, sind dabei genauso vorstellbar wie Laborexperimente zum
Umschaltverhalten in Bezug auf Online Rundfunk. Da das Medium Webradio
innerhalb der Medienpsychologie bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat,
sind noch viele Felder unbearbeitet und demzufolge auch Untersuchungen
verschiedenster Art denkbar.

2.1 Klassisch vs. Probabilistisch – Quo vadis Fragebogen?
Die Notwendigkeit einer Testtheorie ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Selbst
bei konstanten Testbedingungen lassen sich für einen einzelnen Probanden variable
Ergebnisse feststellen. Diese beruhen auf unkontrollierbaren Bedingungen, wodurch
„die Kenntnis eines einzelnen Wertes zu falschen Schlussfolgerungen führen“43
kann. Daher ist es notwendig, mehrere Messgelegenheiten bereitzustellen. Dies kann
über die Vorgabe mehrerer Items oder Testwiederholungen realisiert werden. Für
Leistungstests ist es zudem relevant, Items unterschiedlicher Schwierigkeit
vorzugeben und die Leistungsfähigkeit des Probanden anhand von Mittlung der
Ergebnisse, Summenleistung oder Trefferzählung zu bestimmen.                              Dies kann
entweder gemäß der Klassischen oder der Probabilistischen Testtheorie geschehen.
Unabhängig von der dem Test zugrunde liegenden Theorie müssen jedoch die
Haupt- und Nebengütekriterien erfüllt werden. Die Hauptgütekriterien umfassen die
Kategorien      Objektivität,     Reliabilität     und     Validität,    während         Normierung,
Vergleichbarkeit, Nützlichkeit und Ökonomie Nebengütekriterien darstellen44.

42
   vgl. Bente/ Krämer, 2004, S. 2004 – 206, Inhaltsanalysen eignen sich ebenfalls für exploratorische
   Studien um große Datenmengen zu systematisieren und Materialstichproben zu selektieren.
43
   Bühner, 2004, S. 20
44
   vgl. ebd., S. 28 - 34
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                       17

2.1.1 Die Klassische Testtheorie – Der Klassiker unter den Testtheorien
Nach Rost45 dient diese Theorie als Grundlage des Testverfahrens für etwa 95% aller
Tests. Ihr Name, der ursprünglich gewählt wurde, um auszudrücken, dass es sich
dabei um die erste Theorie zur Beschreibung der Konstruktion von psychologischen
Tests handelt, hat damit eine gewisse Doppeldeutigkeit erreicht.

Ihr größter Vorteil liegt in der einfachen Anwendbarkeit, und verbunden mit einer
Bewährtheit der erzielten Testergebnisse, lässt sich wahrscheinlich darin auch der
Grund für ihren anhaltenden Erfolg sehen. Da es sich bei der Klassischen Testtheorie
um eine Messfehlertheorie handelt, besteht ihr zentrales Konzept aus der
Zusammensetzung eines beobachteten Messwertes aus Wahrem Wert (T) und
Messfehler (E). Über den Modus der Itembeantwortung und die Ursachen der
Testleistung sind jedoch keine Aussagen möglich46, d.h. es wird keine Verbindung
zwischen einem Merkmal und der Itembeantwortung hergestellt. Der Messfehler
entsteht aus systematischen Übungs- und Transfereffekten, unsystematischen
äußeren sowie unsystematisch inneren Einflüssen. Diese können auch in
Kombination auftreten. Ziel ist es nun, über mehrere beobachtete Testergebnisse in
Verbindung mit Mittelwerten den Messfehler zu ermitteln und so auf den wahren
Wert zu schließen. Die vorangegangen Ausführungen dürfen selbstverständlich nur
als ein grob skizziertes Konzept dieser Theorie verstanden werden. Für ein tief
greifendes Verständnis ist die Rezeption weiterer Fachliteratur unerlässlich47, deren
Darstellung jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist.

2.1.2 Die Probabilistische Testtheorie - Wie kommen Antworten zustande?
Die theoretisch besser fundierte Alternative zur Klassischen Analysemethode stellt
die Probabilistische Testtheorie dar. Als psychologische Testtheorie zeigen sich nach
MacDonald & Paunonen ihre Vorzüge im Besonderen bei der Optimierung der
Itemauswahl anhand von Itemdiskriminationsparametern für Items mit hohen und
geringen Schwierigkeitsgraden. Die Autoren verweisen jedoch auch darauf, dass in

45
    Rost, 1999, S. 140
46
    vgl. Fischer, 1974, S. 124
47
    Dabei sei zum einen nochmals auf Bühner (2004) verwiesen, der eine gut verständliche Einführung
   in das Thema bietet. Zum anderen sind die Veröffentlichungen von Bortz (1999), Bortz
   & Döring (2002) sowie Steyer & Eid (2001) zu empfehlen. Als Einführung in statistisch-
   mathematische Verfahren allgemein ist Zöfel (2003) gut geeignet, da der relativ trockene Stoff hier
   aufgelockert und so weit wie möglich unkompliziert dargelegt wird.
Robert Piehler                                             18

einer Vielzahl von Studien insgesamt keine entscheidenden Vorteile für die
Probabilistische Methode festgestellt werden konnten.48

Die zentrale Annahme dieser Testtheorie besagt, dass die Antworten auf einzelne
Items Indikatoren für latente Fähigkeiten darstellen. Die Lösungswahrscheinlichkeit
für ein Item setzt sich demnach aus der Fähigkeit oder Merkmalsausprägung des
Probanden, dem Personenparameter, sowie der Schwierigkeit des Items, dem
Itemparameter, zusammen. Diese Analysemethode macht somit im Gegensatz zur
Klassischen      Testtheorie      „Annahmen         über      das    Zustandekommen           von
Itemantworten“49. Für das Testdesign steht eine große Anzahl von probabilistischen
Modellen zur Verfügung. Daher sind bei der Auswahl des geeigneten Modells
Faktoren wie die Skalenqualität, die Anzahl der Antwortkategorien oder das
Vorkommen von Rateparametern zu beachten.

Mit diesen Modellen lassen sich zwar Testkonstruktionen entwerfen, die im
Vergleich zu Konstruktionen der Klassischen Testtheorie zumindest auf gleichem
oder höherem Level Fähigkeiten bzw. Merkmalsausprägungen messen, jedoch ist
dies mit einem stark erhöhten Aufwand verbunden. So ist es beispielsweise nicht
immer problemlos möglich Items zu generieren, die das Kriterium der
Modellkonformität erfüllen. An dieser Stelle sei erneut auf entsprechende
Fachliteratur verwiesen, da eine angemessene Darstellung im Rahmen dieser Arbeit
nicht vollzogen werden kann.50

2.1.3 Fazit und Konsequenzen für den vorliegenden Studienentwurf
Nach einem Prozess des Abwägens von Pro und Contra ist für den vorliegenden
Studienentwurf die Klassische Testtheorie als Grundlage ausgewählt worden. Dies
ist vor allem auf die integrativen Ansätze in der Studie und die zum Teil
exploratorischen Thesen, die diesen zugrunde liegen, zurückzuführen. Bei dieser Art
von unzureichend definierten Konstrukten ist es relativ schwierig, modellkonforme
Items zu erzeugen. Der Studienentwurf soll daher dazu dienen, eine vorläufige
Datenbasis zu schaffen und weiterführende Fragen aufzuwerfen. In dieser frühen

48
   vgl. MacDonald & Paunonen, 2002 in Bühner, 2004, S. 40
49
   Bühner, 2004, S. 41
50
   Einen guten Überblick über probabilistische Modelle gibt Moosbrugger (2002). Sehr umfassende
   Ausführungen zur gesamten Probabilistischen Testtheorie finden sich hingegen bei Rost (1996).
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                19

Phase der Forschung ist ein probabilistisches Testdesign beschwerlich und eher
hinderlich. Die verfügbaren Ressourcen zur Erstellung des Entwurfes und der
Durchführung von Pretests zur Validierung des Designs legen ebenfalls einen
Studienentwurf nach Klassischer Testtheorie nahe. Daher wird der Annahme, dass
„eine sorgfältige Testkonstruktion nach Klassischer Testtheorie sinnvoller ist als
unkritisch gebildete Skalen“51, Rechnung getragen. Nachdem diese grundlegende
Entscheidung getroffen war, konnte mit der Erarbeitung und Optimierung des
Fragebogens begonnen werden. Der Verlauf dieses Prozesses wird nachfolgend
dargestellt.

2.2 Von der These zum Fragebogen – Trial and Error
Zu Beginn des Projektes stand eine umfangreiche Einarbeitung in die Thematik, um
den aktuellen Stand der Forschung in Bezug auf Webradioangebote einschätzen zu
können. Daran schloss sich eine systematische Analyse der gefundenen Definitionen,
Thesen und Konstrukte sowie deren Operationalisierung und Transformulierung in
geeignete Items an. Dabei handelt es sich um einen „Arbeitsgang, für den es keine
wissenschaftlich ausgearbeiteten Prinzipien gibt, sondern der zumeist auf
Erfahrungsregeln basiert.“52 Dennoch ist eine erhöhte Sorgfalt in dieser Phase der
Entwicklung notwendig, um einen späteren Mehraufwand bei der Auswertung zu
vermeiden. Außerdem muss, um eine angemessene Inhaltsvalidität53 des Tests zu
generieren, eine repräsentative Itemmenge zu jedem der zu untersuchenden
Merkmale bereitgestellt werden. Die auf diese Weise gewonnenen Items sind auf
eine subjektive Informationsgewinnung per Selbstbeurteilung durch die Probanden
angelegt. Jedoch waren die Fragestellungen zu Beginn des Projektes verbal noch sehr
nah an den zugrunde liegenden Modellen und Konstrukten orientiert. Um für die
Teilnehmer der Studie eine bessere Verständlichkeit und damit verbunden auch eine
höhere Rücklaufquote sowie eine geringere Wahrscheinlichkeit des fehlerhaften
Ausfüllens zu erreichen, wurden die Items nochmals in ihrem Wortlaut bearbeitet

51
   Bühner, 2004, S. 41
52
   Kirchhoff/ Kuhnt/ Lipp/ Schlawin, 2001, S. 21
53
   Die Inhaltsvalidität gibt an, inwiefern ein Test bzw. Testitem ein zu messendes Merkmal
   hinreichend genau erfasst.
Robert Piehler                                          20

und Filterfragen54 integriert. Dadurch wurde der Prozess der Bearbeitung der
Befragung für die Testpersonen einfacher und ökonomischer gestaltet.

Außerdem wurden zu diesem Zeitpunkt auch die Skalen zur Beantwortung der
Fragen gebildet. Bei einer Unterteilung eines Items in Frage und Antwortformat
stellen sie das Antwortformat dar, das für den Prozess des so genannten Messens55
relevant ist. Im Test kommen eine fünfstufige Ordinalniveau-Skala zur Erfassung der
Zustimmung und eine zweistufige Skala56 für dichotome Items zum Einsatz. Damit
werden Meinungs- und Faktfragen in geschlossenem Format abgebildet. Weiterhin
werden einige Daten, wie z.B. die Angabe der Universität, als offene oder
geschlossene Fragen nominalskaliert erfasst. Eine Variable nach Ordinalniveau
versieht die verwendeten Kodezahlen mit einer empirischen Relevanz, d. h. man
kann die Antworten nach einer Wertigkeit ordnen. Die Differenzen zwischen zwei
Kodezahlen bleiben davon jedoch unberührt. Folglich ist festzuhalten, dass keine
Aussagen darüber möglich sind, wie stark sich die Zustimmung eines Probanden
unterscheidet, je nachdem ob er beispielsweise bei der Beantwortung des
Fragebogens „trifft kaum zu“ oder „trifft teilweise zu“ bzw. „trifft teilweise zu“ oder
„trifft zu“ auswählt. Der absolute Differenzwert in der Kodierung beträgt jeweils 1,
aber die Definition der Begriffe ist zu vage, um daraus sinnvolle Rückschlüsse
abzuleiten57. Im Gegensatz dazu ist die Zuordnung von Ziffern zu den Ausprägungen
einer Variablen bei Skalen nach Nominalniveau ohne empirische Bedeutung. Die
oben exemplarisch genannte Angabe der Universität, an der man immatrikuliert ist,
lässt sich nicht in eine Ordnungsrelation bringen. Daher erfolgt die Zuordnung der
Kodezahlen willkürlich.

Nach der Operationalisierung wurde zur Überprüfung des Fragebogens mit einer
mehrstufigen Testphase begonnen. Die erste Fassung des Studienentwurfes wurde
dabei zunächst zwei Kleingruppen mit je fünf Teilnehmern vorgelegt, die den
Fragebogen einzeln in einem Think-Aloud-Interview zuerst beantworten mussten

54
   Filterfragen erheben das Vorliegen eines separierenden Merkmals, das deutlich macht, ob ein
   Fragekomplex für einen Befragten relevant ist oder nicht. Dadurch wird der Testperson ein
   unnötiger Aufwand erspart. Vgl. dazu: Schnell/ Hill/ Esser, 1999, S. 321
55
   vgl. Zöfel, 2003, S. 18, „Das Messen einer Variablen ist die Zuordnung von Zahlen zu den
   einzelnen Fällen.“
56
   Dichtome Variablen bilden terminologisch exakt betrachtet eine Ausnahme in der
   Messniveauklassifizierung. Sie stehen zwischen Nominal- und Ordinalniveau.
57
   vgl. Zöfel, 2003, S. 21 -22
Neues Radio, neue Möglichkeiten                                   21

und im Anschluss daran Kritik zum Frage-Design in einem gemeinsamen
Brainstorming         vorbringen        konnten.        Dabei        wurden        verschiedene
Tagesordnungspunkte, wie kritische Fragebogenteile oder das Verständnis einzelner
Wörter, durch den leitenden Interviewer vorgegeben58. Des Weiteren wurden
einzelne Personen, die im Umgang mit statistischen Erhebungen erfahren sind,
gezielt zu Änderungsvorschlägen bezüglich der Item-Formulierungen an dem
Studienentwurf befragt. Nach dieser ersten Phase der Optimierung schloss sich die
Ausarbeitung des Pretests an. Die Durchführung wurde jedoch aus dem Umfang
dieses Projektes ausgelagert. Diese Vorgehensweise ist gewählt worden, um die
Qualität der Befragung sicherzustellen, da mehrere Pretest-Durchläufe technisch und
zeitlich nicht realisierbar waren. Bei der Erprobung des Entwurfes bestätigte sich
dennoch die Erkenntnis: „Fragebogen-Konstruktion ist Teamarbeit.“59 Ohne die
vielfältigen Anregungen und berechtigte konstruktive Kritik wäre der Fragebogen in
seiner vorläufig endgültigen Form nicht vorstellbar gewesen.

2.2.1 Phase 1 - Die Kleingruppen- und Einzelanalyse
In dieser Phase konnten offensichtliche Mängel beseitigt werden, die sich sowohl in
sprachlich-inhaltlichen Kontexten als auch in formalen Aspekten fanden.
Konzeptuelle Probleme konnten aufgrund des Umfangs hingegen nicht festgestellt
werden. Im Zuge der Auswertung der Kleingruppenanalyse mussten einige Items
überarbeitet werden. So war es beispielsweise für ein besseres Verständnis
zuträglich, die Reihenfolge bestimmter Items zu ändern60. Abbildung 2.1 soll dies
exemplarisch verdeutlichen: In der Fragebatterie zu Aspekten der Interaktivität
befand sich vor der Überarbeitung Item C16 vor C15. Daraus ergab sich als
Konsequenz, dass einige Testpersonen die in C15 genannten Zusatzdienste zuvor
schon der interaktiven Einflussnahme aus C16 zugerechnet hatten. Ein
Zusammenhang dieser Art war jedoch nicht vorgesehen, da mit den Items
verschiedene Konstrukte erfasst werden. Die veränderte Frageanordnung sowie eine
ausdifferenziertere Formulierung konnten das Problem weitgehend beseitigen.

58
   Die ausgefüllten Interviewleitfäden dazu befinden sich im Anhang.
59
   Kirchhoff/ Kuhnt/ Lipp/ Schlawin, 2001, S. 27
60
   vgl. Bühner, 2004, S. 59, Die so genannten Reihenfolgeeffekte können die Antwort des Probanden
   auf ein Item beeinflussen.
Robert Piehler                                             22

C15 Durch Chats mit den Moderatoren oder das Betrachten von
    Webcambildern wird bei Webradioangeboten eine größere Nähe zum
    Zuhörer hergestellt. Bei der Nutzung spielen diese Zusatzdienste für mich
    eine große Rolle.

       trifft nicht zu   trifft kaum zu     trifft teilweise zu     trifft zu   trifft voll zu
              O                O                     O                 O             O

C16 Für mich ist ein entscheidendes Kriterium beim Hören von Webradio,
    dass ich interaktiv das Programm beeinflussen und so zum Beispiel
    bestimmte Musiktitel wählen kann.

       trifft nicht zu   trifft kaum zu     trifft teilweise zu     trifft zu   trifft voll zu
              O                O                     O                 O             O

Abb. 2.1: Fragebogenitems C15 und C16 in der überarbeiteten Version

Für einige Fragen war es zudem notwendig, Termini oder unpassende Ausdrücke zu
eliminieren       bzw.   komplexe         Sachverhalte      durch     Beispiele      zu     illustrieren.
Stellvertretend sei dafür das Item C14 in der unten stehenden Abbildung 2.2 genannt,
bei dem sowohl die „Präsentation des Programms“ anhand der Beispiele „Jingles,
Moderation und Musik“ spezifiziert wurde als auch der teilweise negativ konnotierte
Begriff >>cool
Neues Radio, neue Möglichkeiten                   23

eine gewisse Affinität zum Lesen erwartet wird. Das Problem wurde dadurch gelöst,
dass die Antwortkategorien neu geordnet worden sind. Der Wert >>Keines
Robert Piehler                                          24

Folglich lässt sich bisher nur für einzelne Items bestenfalls eine bestimmte Tendenz
für die Fähigkeit zur Abbildung von Indikatoren einzelner Eigenschaften oder
Zustände erkennen. Zur Klassifikation der Testpersonen65 kann das multivariate
Verfahren der Clusteranalyse zum Einsatz kommen, da dessen zentrale Aufgabe
darin besteht, „Klassen von Objekten zu finden, die sich ähneln.“66 Als nachteilig
kann sich dabei lediglich die hohe Interpretationsbedürftigkeit der Ergebnisse
erweisen, da die Validität der gefundenen Cluster in weiteren Analysen anderer
Datensätze bestätigt werden muss.

Dem Pretest sollte als Pilotstudie, genau wie bei der endgültigen Untersuchung, für
die Stichprobe eine Zufallsauswahl zugrunde liegen. Das bedeutet, dass die Auswahl
der Testpersonen nicht bewusst erfolgt, denn aus einer solchen Vorgehensweise
würden sich weitere Verzerrungen ergeben. So weisen beispielsweise Testpersonen
aus dem persönlichen Umfeld der durchführenden Personen des Studienpretests67
potenziell eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, ähnliche Verhaltensweisen oder
Einstellungen68 zu zeigen. Aber auch bei anderen Vorgehensweisen, die sich wie das
Quota-Verfahren strukturell näher an einer Zufallsauswahl befinden, können besagte
Verzerrungseffekte auftreten69.

2.3 Die Stichprobe
Der vorliegende Studienentwurf ist in seiner endgültigen Form nur auf die
Teilpopulation der Studentenschaft als angestrebte Grundgesamtheit aussagefähig.
Diese Restriktion bei der Erhebung zieht weitere Einschränkungen bei der
Auswertung nach sich: Mithilfe der Studie werden fast ausschließlich Personen
jungen Alters erfasst, bei denen zudem von einem relativ hohen Bildungsstand
65
   Dieser Aspekt ist im Kontext der Lebensstil-, Milieu- und Radiorepertoirebetrachtungen von
   besonderer Bedeutung und daher auch zentral für Datenanalyse des Studienentwurfs. Vgl. Kap. 3.11
   sowie Kap. 3.1.2
66
   Schnell/ Hill/ Esser, 1999, S. 428
67
   Eine solche Vorgehensweise der bewussten Auswahl wird in der Literatur als Schneeball-Verfahren
   bezeichnet.
68
   Nach Asendorpf, 1999, S. 224 sind Einstellungen „individuelle Besonderheiten in der Bewertung
   konkreter Objekte der Wahrnehmung und Vorstellung“. Mann, 1999, S. 165 stellt über dies fest,
   dass es sich dabei um „eine Hauptorientierungsgröße des Individuums seiner sozialen und
   physikalischen Umwelt einschließlich sich selbst gegenüber“ handelt. Diese Definitionen werden
   für die vorliegende Arbeit übernommen. Dies trifft im Besonderen für das Kap. 3.1 zu.
   Tiefergreifende Ausführungen zu dem Konstrukt der Einstellungen finden sich in den eben
   genannten Veröffentlichungen, die das Thema aus Sicht der Persönlichkeits- bzw.
   Sozialpsychologie behandeln.
69
   vgl. Schnell/ Hill/ Esser, 1999, S. 283 - 284
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