Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power

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Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
July 2021   WWEA Policy Paper Series (PP-01-21-DE)   Community
                                                        Power

             Frauen in der Bürgerenergie
              Durch Offenheit zur Vielfalt
Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
Autor*innen dieser Studie
Timo Karl arbeitet bei der World Wind Energy Association (WWEA) mit Hauptsitz in Bonn
als Projektmanager im Bereich der Bürgerwindenergie. Er promoviert, forscht und lehrt an
der Universität Bonn, wo er zuvor Politikwissenschaft studierte. Sein Themengebiet ist das
Konfliktfeld Energie- und Klimapolitik mit einem Schwerpunkt auf Partizipationsfragen in der
deutschen Energiewende.

Madeline Bode arbeitet als Referentin für Energiewirtschaft und Politik beim Landesverband
Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). Hier setzt sie sich für den landesweiten Ausbau
aller Formen regenerativer Energien zugunsten einer akzeptanzstarken und ganzheitlichen
Energiewende ein. Zuvor studierte sie Geographie an der Georg-August-Universität in Göt-
tingen und arbeitete im Bereich der nachhaltigen Energieversorgung.

Herausgeber
Stefan Gsänger leitet WWEA seit der Gründung im Jahr 2001 und ist Generalsekretär des
Verbandes. Er ist Vorsitzender der Bürgerenergie-Arbeitsgruppe bei der IRENA Coalition for
Action, Mitglied im Steering Committee von REN21, Ko-Vorsitzender der Global 100% Re-
newable Energy Plattform und Mitglied in der Steering Group der REN Alliance.

Projektpartner
Die World Wind Energy Association (WWEA) ist ein internationaler gemeinnütziger Ver-
band mit Hauptsitz in Bonn, Deutschland. WWEA arbeitet mit verschiedenen Regierungen
und internationalen Organisationen zusammen, um die Windenergie weltweit auszubauen.
Über ein Netzwerk von Verbänden und Mitgliedern in über 100 Industrie- und Entwicklungs-
ländern hat der Verband viele Regierungen bei der Entwicklung wirksamer Programme zur
Förderung von Erneuerbaren Energien unterstützt. Eines der Ziele von WWEA ist die Stär-
kung der Bürgerenergie und einer dezentraleren Energieversorgung innerhalb existierender
Regierungs-, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie bei internationalen Institutionen.

Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) ist die poli-
tische Interessenvertretung der Erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen, Deutsch-
lands bevölkerungsreichstem Bundesland. Der Verband setzt sich für den landesweiten
Ausbau aller Formen regenerativer Energien und einen starken Wirtschaftsstandort Nord-
rhein-Westfalen ein. Hierfür vertritt er die Erneuerbaren Energien spartenübergreifend ge-
genüber Politik und Öffentlichkeit. Sein Ziel ist, bis spätestens 2045 eine vollständig auf Er-
neuerbaren Energien basierende Energieversorgung voranzutreiben.

Die Japan Community Power Association ist ein Netzwerk von 53 Bürgerenergiegesell-
schaften in Japan.

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Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
Unterstützende Organisationen
Bündnis Bürgerenergie
BWE (Bundesverband WindEnergie e.V)
Global Women's Network for the Energy Transition
ISEP (Institute for Sustainable Energy Policy)
IZES (Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme)
LaNEG (Landesnetzwerk der BürgerEnergieGenossenschaften)
Netzwerk Energiewende Jetzt e.V.
REN21
Windfang eG

Projektbeirat
Rana Adib (REN21)
Krisztina André (Bündnis Bürgerenergie)
Claudia Bredemann ( EnergieAgentur.NRW)
Rabia Ferroukhi (IRENA)
Katherina Grashof (IZES (Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme)
Amina Günter (Netzwerk Energiewende Jetzt e.V.)
Katharina Habersbrunner (Women Engage for a Common Future Deutschland)
Tetsunari Iida (ISEP (Institute for Sustainable Energy Policy))
Susanne Korhammer (Windfang eG)
Christine Lins (Global Women's Network for the Energy Transition)
Memi Motosu (Japan Community Power Network and Nagoya University)
Beate Petersen (Bündnis Bürgerenergie)
Verena Ruppert (LaNEG (Landesnetzwerk der BürgerEnergieGenossenschaften)
Molly Walsh (Friends of the Earth Europe)

Ein sehr herzliches Dankeschön geht an alle Partner*innen, an die Mitglieder des Projektbei-
rates, unsere Interviewpartner*innen, an die Teilnehmer*innen der Befragungen und an die
Personen und Organisationen, die durch die Weiterleitung unseres Fragebogens das Stu-
dienergebnis in seiner jetzigen Form möglich gemacht haben.

Finanzielle Unterstützung
Für Forschung und Veröffentlichung dieser Studie danken WWEA und LEE NRW der Stif-
tung Umwelt und Entwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen für die finanzielle Unter-
stützung. Für die finanzielle Unterstützung bei der Gestaltung des Internationalen Bürger-
energie Symposiums am 3. März wird der Stiftung für Internationale Begegnung der
Sparkasse in Bonn gedankt.

© Copyright 2021 – Alle Inhalte, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken sind urheber-
rechtlich geschützt. Alle Rechte, einschließlich der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Bear-
beitung und Übersetzung, bleiben vorbehalten, [World Wind Energy Association].

Bildnachweis: BBWind Projektberatungsgesellschaft mbH, Münster und WWEA

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Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
Zusammenfassung
Frauen sind in der Bürgerenergie in NRW unterrepräsentiert. Lediglich 29 % der Anteilseig-
ner*innen sind Frauen, die 27 % der Anteile an den Bürgerenergiegesellschaften halten.
Damit sind die Zahlen im Vergleich zu früheren Erhebungen steigend, doch kann von einem
ausgewogenen Geschlechterverhältnis noch keine Rede sein. Eine nähere Analyse zeigt,
dass die Teilhabe zwischen den einzelnen Gesellschaftsformen variiert. In den Genossen-
schaften liegt diese mit 33 % deutlich höher als in den GmbH & Co KGs, wo nur 14 % der
Anteilseigner*innen Frauen sind. Eine gleichzeitige Erhebung in Japan zeigte, dass Frauen
dort noch stärker unterrepräsentiert sind und nur 20,5 % der Anteile an der dortigen Bürger-
energie halten. In den Leitungsgremien der japanischen Bürgerenergie werden 24,4 % der
Posten von Frauen bekleidet.

Generell bleiben Bürgerenergieakteur*innen eine eher homogene Gruppe, mit einer klaren
Dominanz männlicher Personen, die bereits im Ruhestand sind. Viele Anteilseigner*innen
verfügen über ein gutes Einkommen und einen hohen Bildungsabschluss und schätzen Bil-
dung und Einkommen auch als Faktoren ein, welche den Zugang zur Bürgerenergie erleich-
tern. In kleinen Bürgerenergiegesellschaften, mit weniger als vierzig Anteilseigner*innen, ist
die Partizipationsrate der Frauen besonders gering und liegt nur bei durchschnittlich 7 %.
Hier verstärken sich verschiedene Faktoren gegenseitig. Teilweise handelt es sich um Ge-
sellschaften aus dem Bürgerwindsektor, die oft aus bereits bestehenden „männerdominier-
ten“ Netzwerken hervorgehen und für deren Zugang ein gewisses Grundkapital unabkömm-
lich ist. Teilweise sind unter diesen kleinen Projekten Bürgerenergiegesellschaften aus dem
landwirtschaftlichen Sektor vorzufinden und somit aus einem Sektor, der ebenfalls sehr
männerdominiert ist. Die Studie zeigt auf der anderen Seite Beispiele für Projekte auf, die
sehr offen und partizipationsgerichtet mit der Gesellschaft interagieren und Frauen bewusst
in Führungspositionen gesetzt haben. Diese können auch eine überdurchschnittliche Teilha-
be von Frauen unter den Anteilseigner*innen aufweisen.

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Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
Frauen in der Bürgerenergie – Durch Offenheit zur Vielfalt

Inhalt
1. Einleitung ...........................................................................................................................1

2. Forschungsdesign .............................................................................................................3

3. Gesellschaftliche Partizipation und die Rolle des Geschlechts ...........................................5

4. Teilhabe von Frauen in der Energiewirtschaft und Energiepolitik .......................................8

5. Teilhabe von Frauen an der Bürgerenergie in NRW ........................................................11

    5.1. Teilhabe von Frauen in kleinen Bürgerenergiegesellschaften ....................................17

    5.2. Fördernde und limitierende Faktoren für die Beteiligung an Bürgerenergie ................19

    5.3. Zugänge zur Bürgerenergie und Außendarstellung....................................................23

6. Teilhabe von Frauen in der japanischen Bürgerenergie ...................................................28

7. Fazit und Ausblick ............................................................................................................31

8. Literatur ...........................................................................................................................34

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Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
Abkürzungsverzeichnis

BEG             Bürgerenergiegesellschaft

CDU             Christlich Demokratische Union Deutschlands

EU              Europäische Union

GbR             Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GmbH & Co. KG   Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie

                Kommanditgesellschaft

GWNET           Global Women's Network for the Energy Transition

kW              Kilowatt

LEE NRW         Landesverband Erneuerbare Energien NRW

mbH             mit beschränkter Haftung

MINT            Fachbereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik

NGO             Nichtregierungsorganisation

NRW             Nordrhein-Westfalen

PV              Photovoltaik

SPD             Sozialdemokratische Partei Deutschlands

taz             Die Tageszeitung

WWEA            World Wind Energy Association

                                                                                  5
Frauen in der Bürgerenergie Durch Offenheit zur Vielfalt - Community Power
1. Einleitung
Die Energiewende stellt den größten indust-              Teams haben, höhere Teamleistungen auf-
riellen Umbau der Wirtschaft seit der Indust-            zuweisen haben und sich stärker mit ihrem
rialisierung dar. Sie verändert Räume und                Team identifizieren (Buengeler/ Homann
Machtkonstellationen und wirkt sich auf das              2020). Ebenfalls weisen gemischt organi-
Verhältnis der Menschen untereinander in                 sierte Teams auch eine höhere Arbeitszu-
der Gesellschaft aus. Die zukünftige Ener-               friedenheit auf (was sich wiederum positiv
gieversorgung wird auf einem pluralisti-                 auf deren Produktivität auswirkt). Ein Um-
schen Energiesystem mit zahlreichen Er-                  stand, der mehrheitlich sowohl von Männern
zeugungspunkten basieren, bei denen Bür-                 als auch von Frauen so gewertet wird
gerinnen und Bürger in dezentralen Bürger-               (Deutsche Post 2019). Es gilt daher, diese
energieprojekten die Energiewende selbst                 Potenziale auch für die Energiewende zu
aktiv mitgestalten. Bürgerenergie kann nicht             heben.
nur einen wichtigen Beitrag zur regionalen
                                                         Frühere vereinzelte Studien deuten jedoch
Wertschöpfung und zur Bewältigung des
                                                         darauf hin, dass die Akteure der Bürger-
Strukturwandels darstellen – sie stärkt auch
                                                         energie sich aus einer tendenziell gesell-
die Akzeptanz der Energiewende vor Ort.
                                                         schaftlich homogenen Gruppe rekrutierten,
Dezentrale Strukturen bieten aufgrund ihrer
                                                         in   der    Frauen      unterrepräsentiert      sind
unmittelbaren räumlichen Nähe die Chance,
                                                         (Fraune 2015; Radtke 2016; Yildiz et al.
unterrepräsentierte Personengruppen ver-
                                                         2015). Es erscheint daher geboten, für
stärkt in Entscheidungspositionen zu brin-
                                                         NRW eine aktuelle Bestandsaufnahme vor-
gen und eine bessere Verteilung von öko-
                                                         zunehmen, in der weitergehend nach Zu-
nomischer Partizipation zu ermöglichen.
                                                         gängen zur Bürgerenergie und zur Interakti-
Es ist daher aus der Perspektive der Ge-                 on der Bürgerenergie mit der Gesellschaft
                          1
schlechtergerechtigkeit entscheidend, die-               gefragt wird.
se Prozesse aktiv mitzugestalten und für ein
                                                         In einem insgesamt zweijährigen Studi-
Mehr an Gleichberechtigung und Emanzipa-
                                                         enprojekt untersucht die World Wind Energy
tion zu nutzen. Dies lässt sich nicht nur mit
                                                         Association (WWEA) daher in Kooperation
dem demokratischen Anspruch begründen,
                                                         mit dem Landesverband Erneuerbare Ener-
dass Beteiligungsformate möglichst allen
                                                         gien NRW (LEE NRW) die Rolle von Frauen
Bürger*innen offenstehen sollten, sondern
                                                         in der Bürgerenergie in NRW. Parallel dazu
es ist auch nachgewiesen, dass gemischt
                                                         wurden von der Japan Community Power
organisierte Teams, die ein positives Be-
                                                         Association Daten zur Beteiligung von
wusstsein für die Stärken von diversen
  1
     In dieser Studie wird der deutsche Begriff „Geschlecht“ verwendet, nicht der englische Begriff „Gender“.
  Untersucht wird vornehmlich die soziale Dimension von „Geschlecht“, also geschlechterbezogene Verhal-
  tensweisen und Geschlechtermachtbeziehungen.
                                                                                                            1
Frauen in der Bürgerenergie in Japan erho-                  deutschen und dem japanischen Bürge-
ben. Übergreifendes Ziel des Projektes ist                  renergiesektor entsteht eine internatio-
es zu fragen, wie im Sinne der Erhöhung                     nale Perspektive darüber, wie sich zwei
der gesamtgesellschaftlichen Partizipation                  sehr differente Gesellschaftsentwürfe
einem Ungleichgewicht der Geschlechter                      auf den Bürgerenergiesektor und die
entgegengewirkt werden kann. Die darauf                     Teilhabe von Frauen in diesem auswir-
aufbauende Analyse wird im zweiten Schritt                  ken.
zeigen, wie die Energiewende dadurch im                    Die Motivation von Anteilseigner*innen
zweiten   Schritt     gesellschaftlich     gestärkt         bei der Beteiligung an Bürgerenergie
werden kann. Die Ergebnisse wurden stetig                   wird untersucht und die geschlechts-
an einen Projektbeirat rückgekoppelt, der                   spezifischen Folgewirkungen werden
aus nationalen und internationalen Bürger-                  betrachtet.
energieexpert*innen und Pionier*innen der                  Die Teilhaberate von Frauen unter den
Energiewende besteht, und so immer wie-                     Anteilseigner*innen und im Manage-
der in einen größeren Rahmen eingebun-                      ment wird unterschieden und zueinan-
den.                                                        der ins Verhältnis gesetzt.

Anhand     von      zwei   quantitativen     Erhe-         Die vorliegende Studie wird übergrei-

bungen,      sowohl     bei   Bürgerenergiege-              fend erste Erklärungsansätze liefern,

sellschaften (BEG) in NRW als auch bei                      welche BEGs aus welchen Gründen ei-

Anteilseigner*innen von BEGs sowie zu-                      nen höheren Anteil an weiblicher Parti-

sätzlichen qualitativen Interviews mit Prakti-              zipation verzeichnen können.

ker*innen2    aus der Bürgerenergie soll in                Auf dieser Basis werden bestehende
diesem Studienprojekt in mehrfacher Hin-                    Vorschläge zur Erhöhung des Frauen-
sicht ein Verständnisgewinn geschaffen                      anteils in der Erneuerbaren Energie-
werden. Folgende Aspekte erscheinen da-                     wirtschaft hinsichtlich ihrer Anwendbar-
bei besonders wichtig:                                      keit auf den Bürgerenergiesektor ge-
                                                            prüft.
   Die Probleme und Herausforderungen
    von Frauen bei der Teilhabe in Bürger-             Bereits in der Einleitung kann vorausgrei-

    energiegesellschaften werden präzisiert            fend festgehalten werden: Frauen sind trotz

    und mit aktuellen Zahlen aus BEGs in               gestiegener Teilhabezahlen in Bürgerener-

    NRW unterlegt.3                                    gieprojekten in NRW unterrepräsentiert. In

   Durch den Vergleich zwischen dem                   Japan ist die Teilhabe noch etwas geringer.
                                                       Da es sich um Energiewirtschaftsprojekte
2
  Die Wichtigkeit der Sichtbarmachung aller Personengruppen in der deutschen Sprache wird von den diese
Studie verantwortenden Organisationen anerkannt und unterstützt, doch scheint es noch keine Umsetzungslö-
sung zu geben, die nicht auch Herausforderungen mit sich bringt. In diesem Text wird die Schreibweise mit
Asterisk (*) verwendet, um sowohl weibliche als auch männliche Personen sowie alle anderen Menschen anzu-
sprechen, die sich nicht diesen Geschlechtern zuordnen.
3
  Weitere Details zur Vorgehensweise sind dem Kapitel Forschungsdesign zu entnehmen.

2
handelt, die in aller Regel im Rahmen von                Auf der anderen Seite bestehen durchaus
ehrenamtlichem       Engagement         begründet        auch noch Potenziale für die BEGs, durch
werden, muss der eigentlichen Analyse                    eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit und aktive
flankierend vorausgestellt werden, wie die               Interaktion mit der Gesellschaft die Beteili-
Rolle von Frauen im zivilen Ehrenamt, in der             gungsrate von Frauen zu erhöhen. Das Be-
(Erneuerbaren) Energiewirtschaft und in                  wusstsein für die Notwendigkeit einer ge-
angrenzenden Berufsfeldern zu bewerten                   schlechtergerechten Energiewende ist noch
ist. Hierbei wird deutlich, dass es immer                nicht bei allen Akteuren stark genug ausge-
noch eine Vielzahl an gesellschaftlichen                 prägt. Zur Stärkung dieses Bewusstseins
Restriktionen gibt, die Frauen von einer um-             möchte die vorliegende Studie einen Beitrag
fassenderen Teilhabe an BEGs abhalten.                   leisten.

2. Forschungsdesign
Die hier vorliegende Studie stellt den Ab-               beispielsweise BEGs mit einem Problem-
schluss des ersten Forschungsjahres dar.                 bewusstsein für das Thema oder mit Frauen
Kernelemente der Studienarbeit des ersten                im Vorstand eher an einer Befragung zu
Jahres sind zwei quantitative Erhebungen.                diesem Thema teilnehmen. In einem sol-
Ein Fragebogen wurde digital zwischen Ok-                chen Falle würden die weiblichen Beteili-
tober 2020 und Januar 2021 direkt an BEGs                gungszahlen vermutlich tendenziell positiver
in NRW versendet. Der andere Fragebogen                  ausfallen als in der Realität, was die Aussa-
wurde digital zwischen Oktober 2020 und                  gen dieser Studie noch weiter legitimieren
März 2021 an die Anteilseigner*innen ver-                würde, da dann die reale Geschlechterun-
schiedener BEGs versandt. Es wurden 29                   gleichheit als noch höher anzunehmen wä-
BEG-Fragebögen         und     347     Anteilseig-       re. Während des gesamten ersten Jahres
ner*innen-Fragebögen beantwortet, die im                 wurden die eigenen Studienergebnisse an-
                                                4
Anschluss ausgewertet werden konnten.                    hand einer fortlaufenden Dokumentenanaly-
                                                         se validiert und mit den bisherigen Erkennt-
Die Erkenntnisse der quantitativen Frage-
                                                         nissen aus der Gender- und Partizipations-
bögen wurden durch qualitative Interviews
                                                         forschung abgeglichen.
ergänzt, vertieft und die Ergebnisse wurden
bezüglich    ihrer   Kausalität      eingeordnet.5       Zielsetzung des BEG-Fragebogens war es,
Hinweise auf Verzerrungen in der Stichpro-               mittels einer aktuellen Bestandsaufnahme
be gibt es nicht, gleichwohl kann nicht voll-            zu überprüfen, wie umfangreich Frauen an
umfänglich ausgeschlossen werden, dass                   der Bürgerenergiewende partizipieren und

 4
   Auf der Basis der Projektliste Bürgerenergie.Atlas der Energieagentur.NRW, mit der umfangreichsten existie-
 renden Bürgerenergie-Projektausweisung in NRW, wurden 326 BEGs angefragt. Die BEGs wurden gebeten,
 einen zweiten Fragebogen an ihre Anteilseigner*innen weiterzuleiten, sodass (auch aus Datenschutzgründen)
 nicht nachvollzogen werden kann, in welcher BEG die jeweiligen Anteilseigner*innen sind.
 5
   Diese Methode wird in der Sozialwissenschaft als „explanatory sequential mixed-method design“ bezeichnet.
                                                                                                             3
welche Rollen sie dabei einnehmen. Zu die-                    schiedene Art und Weise für die Verbesse-
sem Zweck wurde u. a. gefragt, ob die                         rung weiblicher Partizipation in der Bürger-
Frauen lediglich stille Anteilseignerinnen                    energie eingesetzt. Die Interviews wurden
sind oder in welchem Umfang sie im Ma-                        geführt mit:
nagement von Bürgerenergiegesellschaften
                                                                  Krisztina André (Bündnis
tätig sind und welche Aufgabenfelder von
                                                                   Bürgerenergie)
ihnen übernommen werden. Weiterhin wur-
                                                                  Christoph Austermann (BBWind)
de erfragt, ob bereits ein Problembewusst-
                                                                  Katja Blumenberg (BürgerEnergie
sein für die Relevanz paritätischer Teilhabe
                                                                   Solingen eG)
in der eigenen BEG besteht6 und über wel-
                                                                  Ingeborg Friege (BürgerEnergie
che Wege Anteilseigner*innen gewonnen
                                                                   Solingen eG)
werden. Hintergrund ist die Annahme, dass
                                                                  Catharina Hoff (BürgerWIND
bestimmte Formen der (persönlichen) An-
                                                                   Westfalen)
sprache und der Öffentlichkeitsarbeit Män-
                                                                  Beate Petersen (Bergische
ner mit einer deutlich höheren Wahrschein-
                                                                   BürgerEnergieGenossenschaft und
lichkeit ansprechen als Frauen.
                                                                   BEG-58)
Im Anteilseigner*innen-Fragebogen wurden                          Barbara Rodi (Friedensfördernde
die persönliche Motivation und die Wege zur                        Energie-Genossenschaft)
Beteiligung in einer BEG thematisiert. Auch
                                                                  Heinz Thier (BBWind)
wurde der sozioökonomische Hintergrund
                                                                  Theresa Ungru (Bürgerwind
der Teilnehmer*innen erfragt, da vorherige
                                                                   Altenrheine)
Studien zeigen, dass sich dieser im hohen
                                                              Die Fragen in den Interviews zielten darauf
Maße auf die Teilhabewahrscheinlichkeit
                                                              ab, die in den Erhebungen wahrgenomme-
auswirkt       (Fraune 2015;         Radtke      2016).
                                                              nen geschlechtsspezifischen Unterschiede
Schließlich wurden auch die Hürden bei der
                                                              bei der Motivation zur Beteiligung und bei
Teilhabe an Bürgerenergieprojekten für alle
                                                              den Zugängen zur Bürgerenergie einordnen
Anteilseigner*innen und speziell für Frauen
                                                              zu können. Auch sollte in Vorbereitung auf
erfragt.
                                                              das zweite Projektjahr konkretisiert werden,
Die qualitativen Interviews schlossen an die
                                                              welche Potenziale auf dem Weg zu einer
quantitativen Erhebungen an und wurden im
                                                              höheren Beteiligung von Frauen an der
Stil     halbstrukturierter      Interviews     („semi-
                                                              Energiewende durch die BEGs selbst geho-
structured interview“) durchgeführt. Die be-
                                                              ben werden können, wie Frauen stärker
fragten Akteur*innen sind Entscheidungs-
                                                              aktiviert werden können und welche Fragen
träger*innen aus der Bürgerenergie. In vie-
                                                              durch veränderte gesellschaftliche und poli-
len Fällen haben sie sich schon auf ver-
    6
      Parität, bzw. ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gilt als ein wichtiges Mittel um im nächsten Schritt eine
    tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter umzusetzen (Manlosa/ Matias 2018).

4
tische    Rahmenbedingungen     beantwortet    wurden abschließend durch den Projektbei-
werden müssen. Die erzielten Ergebnisse        rat geprüft und bewertet.

3. Gesellschaftliche Partizipation und die Rolle des Geschlechts
Die Energiewende begann in Deutschland         Altersspektren 20 bis 40 Jahre und 55 bis
als eine Bottom-Up-Bewegung, die von en-       75 Jahre nachzuweisen sind (Radtke 2016).
gagierten Bürger*innen gestartet wurde und     Jörg Radtke verweist darauf, dass „die En-
später vorrangig von Bürgerenergiegesell-      gagementquote in unterschiedlichen Unter-
schaften und mittelständischen Unterneh-       suchungen stark schwankt“. Im Rückgriff auf
men weiter ausgestaltet wurde. Das ist aus     Rainer Geißler bilanziert er jedoch auch
vielen Gründen positiv zu bewerten. Es be-     weitergehend: „2010 waren in Westdeutsch-
deutet eine Demokratisierung, eine Aktivie-    land 5 % der Männer, aber nur 2 % der
rung der Zivilgesellschaft und einen Beitrag   Frauen Mitglieder einer politischen Partei“.
zum Klimaschutz. Es bedeutet aber auch         „Westdeutsche Frauen sind auch erheblich
die Ausbildung eines grundlegenden Ver-        seltener (8 %) Mitglieder einer Gewerk-
ständnisses von Energiefragen, eine Ent-       schaft als Männer (20 %), und auch in Bür-
monopolisierung und eine Pluralisierung der    gerinitiativen arbeiten sie seltener mit (Män-
ökonomischen Strukturen. Gerade der Bür-       ner 2 % – Frauen 1 %)“ (Geißler 2014, ge-
gerenergie kommt hierbei eine wichtige Rol-    funden bei Radtke 2016).
le zu. Jedoch zeigen ältere Studien, dass
                                               Die Gründe, warum Männer sich in be-
politische und wirtschaftliche Beteiligungs-
                                               stimmten Altersklassen häufiger freiwillig
möglichkeiten nicht von allen Bürger*innen
                                               engagieren, werden als vielfältig wahrge-
gleichermaßen     wahrgenommen       werden
                                               nommen: „Gerade in den älteren Geburts-
(Coffé/Bolzendahl   2010;   Fraune    2018;
                                               jahrgängen hatten Frauen oft schlechtere
Radtke 2016). „Vielmehr verstärkt sich die
                                               Bildungschancen. Bildung ist aber, sowie
soziale Ungleichheit um eine politische
                                               das damit verbundene Zutrauen in die eige-
Komponente und verleiht denjenigen mehr
                                               nen Fähigkeiten, eine wichtige Vorausset-
Gewicht und Gehör im politischen Willens-
                                               zung, um sich freiwillig zu engagieren. Eine
bildungsprozess, die ohnehin schon über
                                               weitere Ursache ist die weiterhin ungleiche
bessere     Einflussmöglichkeiten    und   -
                                               Verteilung von Aufgaben in der Familie:
ressourcen verfügen“ (Pickel 2012). Im Hin-
                                               Frauen bringen mehr Zeit für die Betreuung
blick auf die geschlechterbezogenen Unter-
                                               von Kindern und für die Pflege und Sorge
schiede beim allgemeinen Zivilengagement
                                               um Familienangehörige auf“– Zeit, die für
sieht man, dass die Unterschiede in der
                                               ehrenamtliche und freiwillige Tätigkeiten
Partizipation vor allen Dingen altersbezogen
                                               nicht mehr zur Verfügung steht („Zeitar-
auftreten und schwerpunktmäßig in den
                                                                                           5
mut“). Um mehr Frauen über den Lebens-          von Privatleben und Engagement eine ent-
lauf hinweg für freiwilliges Engagement zu      scheidende Komponente war: „Ich wollte
gewinnen, ist es also unter anderem not-        mich verstärkt engagieren. Dazu mussten
wendig, stereotype Geschlechterrollen und       wir aber den privaten Haushalt neu organi-
die traditionelle Arbeitsteilung im Privatbe-   sieren. Das haben mein Mann und ich dann
reich aufzubrechen“ (Deutsches Zentrum für      diskutiert“ (Expertengespräch 08.04.2021).
Altersfragen 04.12.2019). Diese Sachver-        In vielen Fällen scheitert der Wunsch nach
halte werden durch wissenschaftliche Stu-       mehr Beteiligung aber bereits an dieser
dien bestätigt. Hilde Coffé und Catherine       Stelle, da es einen fortbestehenden Gender-
Bolzendahl (Coffeé/Bolzendahl 2010) stel-       Care-Gap in Deutschland gibt. Frauen brin-
len diesbezüglich einige interessante Er-       gen täglich 87 Minuten mehr Zeit für Sorge-
kenntnisse zusammen, welche die ge-             arbeit auf als Männer (was 52,4 % mehr
schlechterspezifische politische Partizipati-   Zeitaufwand entspricht) und üben auch zwei
on unter verschiedenen Prämissen untersu-       Drittel der informellen Pflegedienstleistun-
chen, und erstellen auf deren Basis auch        gen aus (WECF/ BBEn 2020).
Hypothesen für ihre Studie, die in 18 westli-
                                                Unabhängig vom Geschlecht befinden sich
chen Demokratien, darunter auch Deutsch-
                                                politische Beteiligungsformen im Wandel.
land durchgeführt wurde: Frauen verbringen
                                                Die Mitgliederzahlen in Parteien weisen
in Industrieländern mehr Zeit mit Hausarbeit
                                                übergreifend betrachtet stark rückläufige
als ihre männlichen Partner, wenn beide
                                                Zahlen auf, besonders betroffen sind die
Vollzeit arbeiten gehen. Dies wirkt sich auch
                                                „Volksparteien“ CDU und SPD. Auch die
auf die freie Zeit aus, die von Frauen als
                                                Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen
geringer angegeben wird als die der Män-
                                                in Deutschland ist im Vergleich zu den 70er
ner. Ehe und Elternschaft wirken sich zu-
                                                Jahren erheblich zurückgegangen. Moritz
sammengenommen deutlich negativer auf
                                                Boddenberg und Herbert Klemisch machen
die Partizipationsrate von Frauen als auf die
                                                gar postdemokratische Entwicklungen aus,
der Männer aus. Andersherum wirkt sich
                                                im Rückgriff auf diesen von Colin Crouch
das Arbeiten auf einer Vollzeitstelle positiv
                                                geprägten Terminus (Boddenberg/Klemisch
auf das politische Engagement von Män-
                                                2018; Crouch 2008). Sie verweisen auf die
nern aus. Bei Frauen hingegen nicht, was
                                                rückläufige Entwicklung der Mitgliederzah-
mit den anderen Befunden zusammenhän-
                                                len in Parteien, auf den Bedeutungsverlust
gen wird. Die Auswirkungen der Arbeit auf
                                                von nationalen Parlamenten und darauf,
einer Vollzeitstelle und der Ehe werden von
                                                dass auch moderne Abstimmungs- und
Coffeé und Bolzendahl auch für ihre Fall-
                                                Demonstrationsformate von einem Teil der
studien bestätigt (Coffé/Bolzendahl 2010).
                                                Gesellschaft dominiert werden, dem „Bil-
Eine Expertin bestätigte im Interview, dass     dungsbürgertum“      (Boddenberg/Klemisch
auch für sie die Frage nach Koordination        2018).
6
Auf der allgemeinen Engagementforschung               und genutzt (Fraune 2017). Vorhergehende
aufbauend, soll die weibliche Beteiligung im          Studien enthielten jedoch bereits Hinweise
nächsten Schritt in der Klimabewegung er-             (Fraune 2015, Radtke 2016, Yildiz et al.
fasst werden. Der Fakt der dominanten Be-             2015), dass auch die deutsche Bürgerener-
teiligung     des     „Bildungsbürgertums“   trifft   gie tendenziell von einer homogenen Grup-
auch    auf     die    Demonstrant*innen     von      pe dominiert wird. Viele der sich beteiligen-
Fridays for Future zu. Rund die Hälfte der            den Personen waren gemäß einer Befra-
Demonstrant*innen gab in einer Befragung              gung männlich (80 %), verfügten oft über
an, über einen Studienabschluss zu verfü-             einen hohen Bildungsabschluss und über
gen oder diesen anzustreben. Weitere 10               vergleichsweise hohe finanzielle Mittel, wa-
Prozent hatten promoviert oder befanden               ren bereits im fortgeschrittenen Alter und
sich im Promotionsverfahren. Die 14- bis              übten zivilgesellschaftliches Engagement in
19-jährigen Demonstrant*innen waren eben-             mehr als einem Verein aus (Radtke 2016).
falls in vielen Fällen dem Bildungsbürgertum          Diese Personen üben eine wichtige Rolle
zuzurechnen. Bei 45,8 % der Befragten aus             bei der Umsetzung der Energiewende aus.
dieser Gruppe hatte die Mutter einen Hoch-            Gleichwohl wird durch diese Befunde deut-
schulabschluss, die Väter sogar in knapp              lich, dass Politik und Gesellschaft zusam-
50 % der Fälle (Haunns/ Sommer 2020).                 menarbeiten müssen, um die dezentrale
Jedoch ergab die Befragung des Instituts für          Energiewende mehr in die gesellschaftliche
Protest- und Bewegungsforschung im Hin-               Breite zu bekommen und mehr Personen-
blick   auf     die      Fridays   for   Future-      gruppen einzubinden. Die niedrige weibliche
Protestierenden auch, dass mit 59 % mehr              Beteiligung an Erneuerbaren Bürgerener-
Frauen als Männer an den Protesten teil-              gieanlagen muss als umso alarmierender
nehmen (ebd.).                                        eingestuft werden, führt man sich den zuvor
                                                      genannten Fakt vor Augen, dass Frauen in
Die Bürgerenergie selbst stellt eine weitere
                                                      der Klimaschutzbewegung sehr stark vertre-
Form der Bürger*innenbeteiligung dar, die
                                                      ten sind. Auch weisen Frauen ein höheres
im Zuge der Energiewende entstanden ist
                                                      Umweltproblembewusstsein auf als Männer
und die mit einem Anteil von über 40 % der
                                                      (Haunss/Sommer 2020). Sie befürworten
installierten Leistung der deutschen Erneu-
                                                      auch stärker als Männer den Ausstieg aus
erbaren Energien eine zentrale Rolle für
                                                      der Kernenergie, den Ausstieg aus den fos-
eine erfolgreiche Energiewende spielt (AEE
                                                      silen Energieträgern und eine Energiever-
15.01.2021). Aus emanzipativer Perspektive
                                                      sorgung    durch    Erneuerbare    Energien
erscheint es daher höchst bedeutsam zu
                                                      (WECF/BBEn      2020).    Frauen    sind   in
hinterfragen, wer an der Bürgerenergie teil-
                                                      Deutschland eher bereit zu recyclen, sie
nimmt. Prinzipiell werden neue, alternative
                                                      legen mehr Wert auf energieeffiziente Ver-
Formen der Beteiligung, wie es die Bürger-
                                                      kehrsmittel, nutzen auch häufiger öffentliche
energie ist, von den Bürger*innen angefragt
                                                                                                 7
Verkehrsmittel     und    kaufen      eher    Bio-      genteil anhaltender Forschungsbedarf, wa-
                                        7
Produkte als Männer (BBEn 2020). Mitnich-               rum Frauen bisher in Bürgerenergieprojek-
ten kann Frauen bei den Themen Energie-                 ten in Deutschland unterrepräsentiert sind
wende und Klimakrise also fehlendes Inte-               und wie sich die Teilhaberate entwickelt.
resse unterstellt werden. Es besteht im Ge-

4. Teilhabe von Frauen in der Energiewirtschaft und
    Energiepolitik
Das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe              Beteiligung als im Durchschnitt der Erneu-
von Frauen in der Bürgerenergie ist eng                 erbaren-Branche. 21 % der Beschäftigten
verknüpft mit der Teilhabe von Frauen in der            sind Frauen, nicht einmal 8 % der Senior
Politik, der Wirtschaft allgemein, der (Er-             Management Positionen sind in weiblicher
neuerbaren) Energiewirtschaft und angren-               Hand (ebd.).
zenden Berufsfeldern. Um die Parität oder
                                                        Diese Unterrepräsentation ist nicht nur für
zumindest ein ausgewogenes Geschlech-
                                                        Deutschland nachweisbar, sondern bei-
terverhältnis ist es in der Wirtschaft allge-
                                                        spielsweise auch für Österreich. Dort beauf-
mein jedoch schlecht bestellt. Parität ist laut
                                                        tragte 2016 das Österreichische Bundesmi-
dem Weltwirtschaftsforum noch 257 Jahre
                                                        nisterium für Land- und Forstwirtschaft,
entfernt. Zu diesem Ergebnis kam der Gen-
                                                        Umwelt und Wasserwirtschaft eine Studie
der-Gap-Bericht im Jahr 2019 (World Eco-
                                                        zur Chancengleichheit der Geschlechter in
nomic Forum 2019). Auch im Sektor der
                                                        der Energiebranche. Für den Sektor der
Erneuerbaren Energien sind von den ca. 11
                                                        Erneuerbaren Energien kam man auf einen
Millionen Beschäftigten anteilig nur ca. 32 %
                                                        Frauenanteil von 29,6 %, für den Energie-
Frauen, und dieser Anteil nimmt noch ein-
                                                        sektor insgesamt nur auf 19,3 %. Auch bei
mal deutlich ab, wenn es um die Berufe aus
                                                        den Führungskräften fanden sich in Öster-
den Bereichen der Mathematik, Informatik,
                                                        reich im Bereich der Erneuerbaren Energien
Naturwissenschaften und Technik (MINT)
                                                        doppelt so viele weibliche Führungskräfte
geht (IRENA 2019). Die Zahlenwerte sind
                                                        als im sonstigen Energiesektor. Trotzdem ist
immerhin deutlich besser als in der traditio-
                                                        auch hier noch lange keine Parität erreicht.
nellen Energiewirtschaft, wo nur 22 % der
                                                        Zugleich kann der Studie entnommen wer-
Beschäftigten weiblich sind (ebd.). Blickt
                                                        den, dass in der Branche der Erneuerbaren
man auf den internationalen Windsektor, so
                                                        Energien deutlich mehr Beschäftigte unter
sieht man eine noch geringere weibliche
7
 Auch obliegt Frauen im privaten Bereich sehr häufig die Rolle der Energiemanagerin. Dahinter stehen gesell-
schaftlich tradierte Rollenmuster. Während diese aufgrund ihrer Prägekraft hinterfragt werden müssen, ist es
aber eben von entscheidender Bedeutung, wie Energie im privaten Bereich genutzt wird.

8
30 Jahren vorzufinden sind als im traditio-      den geringsten Frauenanteil aufzuweisen
nellen Energiesektor (31,7 % gegenüber           hat (Umweltbundesamt 2018). Das Euro-
16,4 %) (ÖGUT 2016). Ein Umstand, der die        pean Institute for Gender Equality verglich
Zukunftsträchtigkeit    der     Erneuerbaren-    2012 die Anteile der Frauen in ministeriellen
Branche unterstreicht und auf die Bedeu-         Entscheidungspositionen        mit      klimapoliti-
tung einer geschlechtersensiblen Ausgestal-      schem Bezug. Ergebnis: Deutschland lag
tung dieses Sektors hinweist.                    mit einem Anteil von unter 15 % in den Mi-
                                                 nisterien auf dem vorletzten Platz und weit
In   den   MINT-Studiengängen        sind   in
                                                 unter dem EU-Durchschnitt von 25,6 %. Nur
Deutschland in den letzten Jahren positive
                                                 Italien schnitt noch etwas schlechter ab
Entwicklungen zu verzeichnen. So hat sich
                                                 (EIGE 2012). Noch aktuellere Zahlen liegen
die Anzahl der weiblichen Studierenden
                                                 für die „Top-Posten“ der Ministerien vor.
zwischen 2008 und 2019 auf 26,4 % ver-
                                                 Gemeint         sind     Bundesminister*innen,
doppelt (Merkur 24.03.2021). Von einem
                                                 Staatsminister*innen, Staatssekretär*innen
ausgewogenen Geschlechterverhältnis kann
                                                 und Abteilungsleiter*innen, von denen 2018
jedoch auch hier noch keine Rede sein,
                                                 nur    29 %     Frauen    waren      (Zeit   Online
auch wenn zu erwarten ist, dass sich die
                                                 16.04.2018).
Anzahl der weiblichen Studierenden in die-
sen Fächern auf die Teilhabe von Frauen an       In der Generaldirektion Umwelt der Europä-
den Arbeitsplätzen in den Erneuerbaren           ischen Kommission werden 29 % der Posi-
Energien und auf die Teilhabe in der Bürge-      tionen von Frauen bekleidet. 2016 fast pari-
renergie auswirken wird. Gerade angesichts       tätisch besetzt war der Ausschuss für Um-
des Umstands, dass die Anzahl der Arbeits-       weltfragen, öffentliche Gesundheit und Le-
plätze bis 2050 laut Schätzungen auf ca. 29      bensmittelsicherheit des Europäischen Par-
Millionen ansteigen wird (ebd.) und der          laments, in dem 46 % der Mitglieder Frauen
Transformationsprozess der globalen Öko-         waren (EIGE 2016). Im Deutschen Bundes-
nomie die einmalige Chance bietet, viele         tag sind in der 19. Legislaturperiode ledig-
Berufsfelder   inklusiver   und   innovations-   lich   30,9 %    der     Abgeordneten        Frauen
freundlicher zu gestalten, ist es von enormer    (Deutscher Bundestag 2021). Der Anteil
Bedeutung, dass die Partizipationschancen        schwankt erheblich zwischen den einzelnen
von Frauen an dieser Transformation kri-         Fraktionen. Am höchsten liegt der weibliche
tisch geprüft und in letzter Konsequenz          Anteil in der Fraktion der Grünen, mit
wahrgenommen werden (GWNET 2019).                56,7 %. In der Alternative für Deutschland
                                                 sind hingegen nur 10,2 % der Abgeordneten
Für die Politik zeigt sich studien- und län-
                                                 Frauen (Statista 2021).
derübergreifend in der EU, dass Umwelt das
Politikfeld mit dem höchsten Frauenanteil        Im journalistischen Sektor, der für das
für Entscheidungspositionen in Ministerien       Agenda-Setting der Energiepolitik von ent-
ist, während der Energiesektor im Schnitt        scheidender Bedeutung ist, finden wir er-
                                                                                        9
neut männerdominierte Strukturen wieder.         ein ganz neues Fass auf“ (Blumenberg
Die vierzehn Chefredakteure in überregio-        04.05.2021). Zur Verbesserung der Gleich-
nalen Tages- und Wochenzeitungen ab ei-          stellung in der Energiewende hat das Global
ner Auflage von 50.000 waren allesamt            Women's Network for the Energy Transition
Männer. Im Printsektor erreichte nur die taz     (GWNET) einige strategische Ansatzpunkte
den von Pro Quote errechneten Frauen-            gebündelt (GWNET 2019):
machtanteil von 50,8 %. Bei der Bild-
                                                    Das Implementieren von Quoten
Zeitung, der meistverkauften Zeitung in
                                                    die MINT-Studiengänge attraktiver für
Deutschland liegt der Frauenmachanteil nur
                                                     Frauen und Mädchen machen
knapp über einem Viertel (Pro Quote 2019).
                                                    Einstellungspraktiken inklusiver gestal-
Die Fachpublikationen aus dem Erneuerba-
                                                     ten
re-Energien-Sektor werden ebenfalls bis auf
                                                    Strategien für inklusive Arbeitsplätze
sehr wenige Ausnahmen von Männern ver-
                                                     entwickeln
antwortet.
                                                    den Anteil der Frauen in Führungsposi-
Dort, wo überwiegend Männer in der Politik           tionen erhöhen
über die Rahmenbedingungen für die Ener-            Transparenz und Rechenschaftspflich-
giewende allgemein und die Bürgerenergie             ten erhöhen
im Speziellen entscheiden und dabei eben-           unternehmensinterne Ressourcen zur
so überwiegend von Männern aus den Me-               Förderung von Frauen nutzen, und
dien, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft
                                                    Unterstützung von Koalitionen, welche
beraten werden, dort werden androzentri-
                                                     daran arbeiten, die Inklusion im betref-
sche Strukturen reproduziert. Auf der ande-
                                                     fenden Sektor zu erhöhen
ren Seite dürfte die Umsetzung von eigenen
                                                 Die Ansatzpunkte erscheinen unterschied-
Bürgerenergieprojekten durch Frauen bei
                                                 lich gut auf Bürgerenergie anwendbar zu
höheren weiblichen Partizipationsraten in
                                                 sein. Auf der Basis der eigenen Erhebung
den energiewirtschaftlichen Berufen und
                                                 und Analyse sollen die strategischen An-
Studiengebieten deutlich wahrscheinlicher
                                                 satzpunkte im Fazit wieder aufgegriffen
werden: „Man knüpft im Ehrenamt an den
                                                 werden.
Themen an, zu denen man bereits einen
Bezug hat und macht eher seltener nochmal

10
5. Teilhabe von Frauen an der Bürgerenergie in NRW
Frauen sind in der Bürgerenergie unterre-             Eine frühere Erhebung aus dem Jahr 2012
präsentiert. Dies bestätigt auch die vorge-           ergab beispielsweise einen Anteil von 20 %
nommene Erhebung in NRW, wobei hierbei                Frauen in deutschen Genossenschaften
etwas höhere weibliche Anteilszahlen zu               (Yildiz et al. 2015). Auch die bereits ange-
verzeichnen sind als in früheren Erhebun-             führte Studie von Jörg Radtke bestätigt den
gen in Deutschland (Fraune 2015; Radtke               prozentualen Anteil von Frauen in dieser
2016; Yildiz et al. 2015). 29 % der Anteils-          Höhe (Radtke 2016). Eine weitere Pilotstu-
eigner*innen in den befragten BEGs in                 die aus demselben Jahr bestätigt dieses
NRW sind Frauen, die 27 % der Anteile an              Geschlechterverhältnis       auch    für   andere
diesen halten. Auch wenn diese Zahlen nur             Formen der Bürgerenergie wie GmbH & Co.
im Bundesland NRW erhoben wurden, ge-                 KGs und GbRs (Fraune 2015). Hier zeigen
hen die Autor*innen aufgrund der Größe                sich bei der eigenen Erhebung jedoch Ent-
und Diversität dieses Bundeslands davon               wicklungen. Es lassen sich für die BEGs in
aus, dass die Tendenz leicht steigender               NRW nun beträchtliche Unterschiede bei
Anteile der Frauen auch für die deutsche              der Partizipation der Frauen in den einzel-
Bürgerenergie im Allgemeinen angenom-                 nen Gesellschaftsformen in NRW nachwei-
men werden kann.                                      sen. Den höchsten weiblichen Anteil weisen

                             29                                              27

                             71                                              73

               Zusammensetzung der BEG                           gehaltene Anteile der BEG
                                       Männer                    Frauen

   Abbildung 1: Allgemeine Teilhabe von Frauen und die tatsächlich gehaltenen Anteile der Frauen (in %);
   n=29

   Gestellte Fragen: Wie hoch ist der Anteil der Frauen unter den Anteilseigner*innen Ihrer BEG in absolu-
   ten Zahlen? (Stichtag 30.09.2020)/ Wie viel Prozent der Anteile Ihrer BEG werden von Frauen gehalten?
   (Stichtag 30.09.2020)

                                                                                                      11
Genossenschaften auf. 33 % der Anteils-                 darstellt, in der Befragung gerade von den
eigner*innen sind Frauen. Im Vergleich da-              weiblichen Anteilseigner*innen gestützt und
zu sind es nur 14 % in den GmbH & Co.                   auch stärker gewichtet als von den Männern
KGs (Abbildung 2). Auch zwischen den                    (44 % der Frauen sahen dies als wichtigen
Energieformen lassen sich Unterschiede                  Faktor, während nur 25 % der Männer so
ausmachen. So finden wir in der Windener-               antworteten).
gie nur einen Anteil von 21 % Frauen unter
                                                        Dieser ist im Regelfall bei einer Beteiligung
den Anteilseigner*innen vor, während es
                                                        an einer PV-Anlage deutlich niedriger als
37 % im Photovoltaiksektor sind (Abbildung
                                                        bei Windenergieanlagen. Ebenso liegt der
3). Die festzustellenden Unterschiede der
                                                        Beitragssatz bei Genossenschaften deutlich
weiblichen Beteiligung in den Energie- und
                                                        niedriger als bei dem Investment in einer
Gesellschaftsformen stehen in einer statisti-
                                                        Windenergie GmbH & Co. KG. Im Falle ei-
schen Korrelation wechselseitig zueinander
                                                        ner Investition ist das Geld mittelfristig ge-
im Verhältnis. Jede Beteiligung basiert auf
                                                        bunden und steht anderweitig nicht zur Ver-
einem gewissen finanziellen Beitrag. So
                                                        fügung, was sich auf die Partizipation von
wurde die Annahme, dass Geld eine Hürde
                                                        Frauen, die durchschnittlich über weniger
für die Beteiligung an der Bürgerenergie
                                                        Kapital als Männer verfügen, negativ aus-

                  71                               67
                                                                                    86

                  29                               33
                                                                                    14

       durchschnittliche BEG                      eG                        GmbH & Co. KG

                                      Frauenanteil      Männeranteil

 Abbildung 2: Frauenanteil unter Anteilseigner*innen nach Gesellschaftsform (in %); n=29

 Gestellte Fragen: Um welche Rechtsform handelt es sich bei Ihrer Bürgerenergiegesellschaft? Wie hoch
 ist der Anteil der Frauen unter den Anteilseigner*innen Ihrer BEG in absoluten Zahlen? (Stichtag
 30.09.2020)

12
wirken wird und als Faktor an Gewicht ge-               gemeinschaftlich       arbeitenden       Vorstand,
winnt, je höher das benötigte Investment                denn als Geschäftsführerin. Beate Petersen
und das damit verbundene Risiko ausfällt                erklärte im Interview, dass dies vermutlich
(Fraune 2018; Gawel et al. 2016).                       mit benötigter Flexibilität zusammenhänge.
                                                        Ehrenamtliche      Aufgaben      könnten        auch
Auch in sämtlichen Führungsgremien in den
                                                        abends und am Wochenende erledigt wer-
befragten Bürgerenergiegesellschaften sind
                                                        den. Schwieriger sei es, wenn es ein Behar-
Frauen unterrepräsentiert, wenngleich zwi-
                                                        ren auf feste Fristen gebe und das Ver-
schen den Gremienformen deutliche Unter-
                                                        ständnis dafür fehle, dass Frauen auch ne-
schiede    auszumachen        sind.    Der    ver-
                                                        ben dem Ehrenamt viele familiäre und pri-
gleichsweise höchste Frauenanteil findet
                                                        vate Pflichten erledigen müssten (Petersen
sich im Gremienmodell Vorstand mit 35 %.
                                                        08.04.2021) Theresa Ungru (Landwirtin und
Im Falle einer Bürgerenergiegesellschaft mit
                                                        Geschäftsführerin bei Bürgerwind Altenrhei-
Geschäftsführung sind in dieser durch-
                                                        ne) erläuterte ihrerseits, dass auch die So-
schnittlich nur in 19 % der Fälle Frauen vor-
                                                        zialisierung entscheidend sei und dass
zufinden. Im Aufsichtsrat stellen Frauen
                                                        Frauen, die zu Hause keine Verantwortung
einen Anteil von lediglich 21 % dar. Festzu-
                                                        übernehmen und nicht mit hohen Geld-
halten ist also, dass Frauen, wenn sie Antei-
                                                        summen hantieren, dieses mit hoher Wahr-
le an einer BEG in NRW halten, durchaus
                                                        scheinlichkeit auch nicht alleinverantwortlich
nicht nur stille Anteilseignerinnen sind, son-
                                                        mit   Fremdkapital       tun    würden     (Ungru
dern auch Führungsaufgaben übernehmen.
                                                        06.05.2021).
Dieses allerdings deutlich häufiger in einem

                               79%

                                                                                             63%

                                                                         37%

           21%

     Anteile Frauen       Anteile Männer                           Anteile Frauen       Anteile Männer
      Windenergie          Windenergie                              Photovoltaik         Photovoltaik

    Abbildung 3: Anteil Frauen in der Bürgerenergie nach Technologien (in %); n= 26 (Multiple Choice)

    Gestellte Fragen: In welchen Sektoren und Technologien ist Ihre BEG aktiv? Wie hoch ist der Anteil der
    Frauen unter den Anteilseigner*innen Ihrer BEG in absoluten Zahlen? (Stichtag 30.09.2020)

                                                                                                          13
60
                         50              45               45               40              40

                                              Frauenanteil

 Abbildung 4: Aufgabenfelder von Frauen in den Leitungsgremien der BEGs (in %); n=20

 Gestellte Frage: Bei der Betreuung welcher Aufgabenfelder in Ihrer BEG sind Frauen vertreten?

Blickt man noch genauer auf die Aufgaben-              Das Problem der geringen Beteiligung von
felder, die von Frauen in den Vorständen               Frauen       wird        seitens    der   BEG-
der befragten BEGs begleitet werden, so                Repräsentant*innen durchaus wahrgenom-
ergeben sich gewisse Schwerpunkte. Frau-               men. Die befragten Repräsentant*innen
en sind am häufigsten im Marketing zu fin-             bewerten die Beteiligung von Frauen größ-
den (60 % der BEGs gaben das an). Wei-                 tenteils als nicht angemessen. 61 % sehen
terhin sind Frauen, wenn sie in verantwortli-          Frauen unter den Anteilseigner*innen als
cher Position tätig sind, in der Hälfte oder           unterdurchschnittlich repräsentiert an, nur
knapp der Hälfte der befragten BEGs im                 21 % betrachten diese als sehr angemes-
Aufsichtsrat, im Vorstand oder in der Mit-             sen repräsentiert (Abbildung 5). Noch deut-
gliederwerbung tätig. 40 % der BEGs ver-               licher gestaltet sich diese Einschätzung bei
meldeten aber auch, dass Geschäftsführung              der Repräsentation von Frauen in leitenden
oder   Finanzmanagement         durch     Frauen       Gremien. 68 % betrachten Frauen als unter-
ausgeübt werden, wohlgemerkt unter der                 repräsentiert, nur 11 % sehen diese hier als
Prämisse, dass Frauen überhaupt in den                 angemessen repräsentiert an (Abbildung 6).
Führungsgremien tätig sind (Abbildung 4).

14
21

                              61                                             18

               Sehr angemessen repräsentiert                   Durchschnittlich repräsentiert
               Unterdurchschnittlich repräsentiert

 Abbildung 5: Wahrnehmung der Teilhabe von Frauen bei den Anteilseigner*innen (in %); n=28

 Gestellte Frage: Wie bewerten Sie die Partizipation von Frauen unter den Anteilseigner*innen?

                                                               11

                                                                            21

                                 68

                         Angemessen         Durchschnittlich        Unterrepräsentiert

 Abbildung 6: Wahrnehmung der Teilhabe von Frauen in den leitenden Gremien (in %); n=28

 Gestellte Frage: Wie bewerten Sie die Partizipation von Frauen in Ihren leitenden Gremien?
Bei den weitergehenden Annahmen zu den                 abschreckend wirken, während diese Ein-
strukturellen Hürden für die Beteiligung von           schätzung nur 17,5 % der Frauen teilen. Auf
Frauen an der Bürgerenergie gehen die                  der anderen Seite wurden die fehlenden
Einschätzungen von Frauen und Männern                  finanziellen Mittel von den befragten Frauen
auseinander. So vermuten 26 % der Män-                 als Faktor deutlich stärker gewichtet als von
ner, dass technische Projekte auf Frauen               den Männern (43,7 % der Frauen und 24,5
                                                                                                 15
Sonstiges        18              16

                                    fehlende Zeit       15               25

 schwierige politische Rahmenbedingungen für
                                                          20                  22
                  Bürgerenergie

      technische Projekte wirken abschreckend                26                18

Projekte wirken (gerade für Frauen) nicht offen
                                                               29                   26
               für Partizipation

          fehlende finanzielle Mittel von Frauen             25                          44

                                                    0     10        20    30        40    50   60   70   80

                                             Männer      Frauen

 Abbildung 7: Angenommene Hürden für mehr Beteiligung von Frauen nach Geschlechtern (in %); n=319

 Gestellte Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden für eine Beteiligung in einer BEG?
% der Männer nannten diesen Grund). Auch                 Frauen in vielen Fällen anders einbringen.
die fehlende Zeit wird von Frauen stärker                So seien die Gesellschafterversammlungen
als Problem gesehen als von den Männern                  in ihr bekannten Kommandit-Gesellschaften
(25,2 % der Frauen, aber nur 15,2 % der                  stets durch männliche Beiträge dominiert. In
Männer gaben diese Einschätzung ab) (Ab-                 der Folge seien die Organe eben oft haupt-
bildung 7). Laut Catharina Hoff (Vorstands-              sächlich mit Männern besetzt und die Frau-
mitglied bei BürgerWIND Westfalen) macht                 en, die sich weniger mit „Fragen rund um
diese Zeit, die zur Verfügung steht, um sich             Jahresabschlüsse“ beschäftigen, seien in
mit einem Thema zu beschäftigen, einen                   ihren Beiträgen deutlich zurückhaltender
großen Unterschied. Als Folge würden sich                (Hoff, 29.04.2021).

16
5.1. Teilhabe von Frauen in kleinen Bürgerenergiegesellschaften
Die Teilhabe von Frauen in kleinen BEGs ist              weibliche    Beteiligung       unwahrscheinlicher
sehr niedrig. Sie stellen gerade einmal 7 %              werden, da Frauen, wie bereits gezeigt, in
der Anteilseigner*innen dar. Wichtig ist hier-           GmbH & Co. KGs deutlich unterrepräsen-
bei klarzustellen, dass eine Einteilung einer            tiert sind (14 % der Anteilseigner*innen sind
BEG in die Unterkategorie „kleine BEG“                   hier Frauen). Auch der Landwirtschaftssek-
dann erfolgte, wenn diese insgesamt weni-                tor bleibt männerdominiert. Ca. 36 % der
ger als vierzig Anteilseigner*innen aufzu-               Beschäftigten      im        deutschen   Landwirt-
                                 8
weisen hatte (Abbildung 8). Damit ist also               schaftssektor sind Frauen. Blickt man auf
noch nichts über das Investitionsvolumen                 die Entscheidungsstrukturen, verringert sich
der BEG ausgesagt.                                       dieser Anteil noch einmal. Nur 11 % der
                                                         Betriebsleitenden sind weiblich, obwohl häu-
Stichproben haben ergeben, dass viele die-
                                                         fig Frauen „Impulsgeberinnen für neue Be-
ser kleinen BEGs an landwirtschaftliche
                                                         wirtschaftungsweisen, Betriebszweige oder
Betriebe angeschlossen sind und oftmals
                                                         Vermarktungskonzepte auf den Höfen“ sind
GmbH & Co. KGs sind, die in Windenergie
                                                         (Deter 28.01.2021). Auch die Betriebsnach-
investieren. Alle diese Faktoren lassen

                           71

                                                                                 93

                           29

                                                                                 7
                durchschnittliche BEG                            BEG < 40 Anteilseigner*innen

                                       Frauenanteil       Männeranteil
    Abbildung 8: Der niedrige Frauenanteil in kleinen BEGs (in %); n= 29

    Gestellte Fragen: Wie viele Anteilseigner*innen weist Ihre BEG in absoluten Zahlen auf? (Stichtag
    30.09.2020)/ Wie hoch ist der Anteil der Frauen unter den Anteilseigner*innen Ihrer BEG in absoluten
    Zahlen? (Stichtag 30.09.2020)

8
  In der Datenauswertung der eigenen Stichprobe zeigten sich deutliche Sprünge für die Teilhaberate von Frau-
en, wenn die Gesamtzahl der Anteilseigner*innen über 40 lag.

                                                                                                          17
folge ist sehr männlich geprägt und geht im     mals feststehende Netzwerke, innerhalb
Falle der Hofnachfolge in der Regel auf den     derer gemeinsame, neue Windprojekte rea-
Sohn über (ebd.).                               lisiert werden. Der Einstieg für außenste-
                                                hende, potenzielle Gesellschafterinnen wür-
Eine Studie des Unternehmens AgriExperts,
                                                den somit bereits dadurch erschwert, dass
in der Frauen zu ihrer Rolle in der Landwirt-
                                                durch   die    vorhandene   Netzwerkstruktur
schaft befragt wurden, ergab zudem, dass
                                                stets ausreichend potenzielle Gesellschafter
Frauen sehr häufig über ihren Partner oder
                                                vorhanden seien und Kapital in vielen Fällen
ihre Familie in die Höfe eingebunden sind.
                                                nicht mehr „außen gesucht werden“ müsse.
Etwas mehr als die Hälfte dieser Frauen
                                                Auf diese Weise würde sich aber auch
trifft betriebliche Entscheidungen mit ihren
                                                nichts an dem geschlechterspezifischen
Partnern, knapp ein Drittel gibt an, dass der
                                                Verhältnis der Anteilseigner*innen ändern
Partner das letzte Wort bei diesen Ent-
                                                (Hoff, 29.04.2021).
scheidungen hat. Jede zehnte Frau hat gar
kein Mitspracherecht (AgriExperts 2019).        Ein weiterer ganz praktischer Grund ist laut
Für die Beteiligung an bäuerlicher Bürger-      Heinz Thier (Geschäftsführer bei BBWind
windenergie sind diese Daten von hoher          Projektberatungsgesellschaft   mbH),    dass
Relevanz. Denn wer das Land besitzt und         die Eintragung der Frau als Kommanditistin
die betrieblichen Entscheidungen trifft, der    einer Windenergieanlage in der Ehe sozial-
entscheidet wahrscheinlich auch darüber,        versicherungspflichtige Nachteile bedeuten
ob eine Windenergieanlage auf dem Land-         würde, sodass, um diese Benachteiligung
stück gebaut wird. Zwar sind nach der Ein-      zu verhindern, die Männer als Eigentümer
schätzung von Theresa Ungru Frauen sehr         eingetragen würden. Es kann also zumin-
häufig informell in den Familien in die Ent-    dest die These aufgestellt werden, dass,
scheidungen, die den Hof betreffen, einge-      wenn Männer das Haupteinkommen stellen
bunden, und das umfasst dann auch ein           und die Frau über den Ehemann kranken-
potenzielles   Windenergieprojekt     (Ungru    versichert ist, es eine logische Konsequenz
06.05.2021).   Wenn    sich   dann    jedoch    ist, diesen Mann auch als Kommanditisten
Grundstückseigentümer mit Nachbarn zu           für die Windenergieanlage eintragen zu las-
Interessensgemeinschaften formieren, um         sen. Als weiterhin zu untersuchende Vermu-
ein gemeinsames Bürgerwindenergieprojekt        tung äußerte Thier, dass dies ein wesentli-
zu starten, dann agieren formell häufig die     cher Unterschied zu Genossenschaften sei,
Männer mit- und untereinander. Catharina        da die dort gezahlte Dividende nicht der
Hoff setzt seit Jahren regionale Projekte mit   Beitragsbemessungsgrundlage bei der So-
Bürgerbeteiligung um. Sie berichtet, dass       zialversicherung      unterliege       (Thier
die Windenergiebranche in der Vergangen-        31.03.2021).
heit immer eine recht männerdominierte
                                                Potenzielle Lösungen müssten ganzheitlich
Branche gewesen sei. Hier bestünden oft-
                                                im landwirtschaftlichen Sektor ansetzen, um
18
sowohl der Bürgerenergie als auch der Par-      „selbst bauen und selbst machen wollte“
tizipation von Frauen an dieser förderlich zu   (Ungru 06.05.2021). Der Anreiz zum Sel-
sein. Die landwirtschaftlichen Flächen, die     bermachen müsste also gestärkt werden,
zur Nutzung von Windenergie infrage kom-        um mehr Bürgerenergieprojekte zu etablie-
men, sind sehr begehrt. Sobald Flächen an       ren. Die Kommunen sollten hierfür gemäß
fremde Dritte / externe Projektierer verpach-   Heinz Thier stärker in den Entscheidungs-
tet werden, stehen diese nicht mehr für ein     prozess integriert werden und die Projekte
lokales Bürgerwindkonzept zur Verfügung.        sollten gerade hinsichtlich der Teilhabemög-
Einfache Quotierungen für die Teilhabe von      lichkeiten der Bürger*innen der Region und
Frauen, zumindest wenn sie nicht anderwei-      der lokalen Wertschöpfung beurteilt werden.
tig weiter unterlegt werden, erscheinen da-     In einem solchen Modell könnten dann auch
her nicht anwendbar, da zunächst der oder       die Teilhabemöglichkeiten von Frauen fest-
die Eigentümer*in einer geeigneten Fläche       geschrieben werden (Thier, 31.03.2021).
über die Errichtung einer Anlage entschei-      Stand jetzt ist die Teilhabe als Frau an ei-
det (Thier/Austermann 31.03.2021). Statt-       nem    Erneuerbare-Energien-Projekt     noch
dessen müssen Lösungsmodelle zur Förde-         etwas recht Außergewöhnliches. Hierzu
rung der BEG und zur Förderung der Frau-        sagte Theresa Ungru: „Man wird zwangsläu-
enteilhabe miteinander verzahnt werden.         fig damit konfrontiert, dass es wenige Frau-
Theresa Ungru erklärte, dass die Angebote       en in diesem Bereich gibt. Ich möchte nichts
zur Pacht der landwirtschaftlichen Flächen,     Besonderes sein, doch es wird immer direkt
die ihr unterbreitet wurden, nicht attraktiv    bemerkt“ (Ungru, 06.05.2021).
genug waren und dass man stattdessen

5.2. Fördernde und limitierende Faktoren für die Beteiligung an
    Bürgerenergie
An BEGs in NRW beteiligen sich in der           lich 6,2 % der befragten weiblichen Anteils-
Mehrheit ältere Menschen, die bereits im        eignerinnen sind jünger als vierzig Jahre.
Ruhestand sind (51 % sind älter als 67 Jah-
                                                Dass gerade junge Frauen sehr selten Zu-
re alt). Junge Menschen bis vierzig Jahren
                                                gang zur Bürgerenergie finden, muss unter
haben an den BEGs in NRW lediglich einen
                                                paritätischen Gesichtspunkten kritisch hin-
Anteil von 4 %. Auch für die Teilhabe von
                                                terfragt werden. Bereits zuvor wurde auf die
Frauen lässt sich nachweisen, dass diese
                                                umfangreiche Teilnahme von jungen Frauen
im Regelfall älter als vierzig Jahre alt sind
                                                an den Demonstrationen von Fridays for
und dass mit 41,6 % ein signifikanter Anteil
                                                Future verwiesen. Gefragt nach den Grün-
ebenfalls schon über 67 Jahre alt ist. Ledig-
                                                dungszielen der eigenen BEG, gaben die

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