Nutztierstrategie Zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland - Bundesministerium für Ernährung und ...

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Nutztierstrategie Zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland - Bundesministerium für Ernährung und ...
Nutztierstrategie
Zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland
Nutztierstrategie Zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland - Bundesministerium für Ernährung und ...
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

    Inhalt

                   1    Einleitung                                                  4

                   2    Nutztierhaltung in Deutschland
                        – eine Bestandsaufnahme                                     8

                   3 Zwischenbilanz – Ausgangspunkt                                12
                       3.1    Forschung/Modell- und Demonstrationsvorhaben         13
                       3.2    Förderung		                                          16
                       3.3    Eine Frage der Haltung/freiwillige Vereinbarungen    18
                       3.4    Zukunftsstrategie Ökologische Landwirtschaft         18
                       3.5    Spannungsfeld Tierwohl – Umweltschutz                19
                       3.6    Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats
                              zum Tierwohl		                                       20
                   4 Handlungsfelder                                               22
                       4.1    Bundesprogramm Nutztierhaltung                       23
                       4.2    Förderung		                                          28
                       4.3    Staatliches Tierwohlkennzeichen                      29
                       4.4    Tierzucht		                                          29
                       4.5    Ordnungsrecht		                                      30
                       4.6    Konsum von tierischen Erzeugnissen                   33
                       4.7    Internationaler Agrarhandel                          34
                       4.8    Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik/GAP   35
                       4.9    Grünlandstrategie		                                  35
                       4.10   Folgenabschätzung		                                  36
                       4.11   Weiteres Vorgehen		                                  37
                   5 Zusammenfassung                                               38

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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Liebe Leserinnen
und Leser,
die Haltung von Nutztieren, also von Schweinen,           könnten und werten hierzu die ersten Erfahrungen aus
Rindern, Ziegen, Schafen und Geflügel, gehört zur         sogenannten Modell- und Demonstrationsvorhaben
Landwirtschaft wie die Luft zum Atmen. Deshalb freue      aus. Experten und Landwirte aus der Praxis sind
ich mich, dass Sie sich für dieses wichtige Thema         eingebunden, unterstützen mit Fachwissen und Emp-
interessieren!                                            fehlungen.

Deutschland hat einen sehr hohen Tierschutzstandard.      Teil des Prozesses ist auch das staatliche Tierwohl­kenn­
Und wer mit Landwirten spricht, der merkt, dass sie       zeichen, das es für uns alle einfacher machen soll, selbst
nicht nur mit viel Herzblut bei der Sache sind, sondern   Einfluss auf das Thema Tierhaltung zu nehmen.
auch sensibel mit dem Thema Tierhaltung umgehen.          Einfach, indem wir an der Ladenkasse mit unserem
Ihnen ist bewusst, dass ihre Arbeit in der Gesellschaft   Geldschein entscheiden, wie viel uns das Tierwohl wert
intensiv begleitet und diskutiert wird: die Art und       ist.
Weise, wie moderne Tierhaltung funktioniert, die
Frage, welche Auswirkungen die Tierhaltung auf Klima      Mehr dazu und wie es weitergeht, erfahren Sie in dieser
und Boden hat.                                            Broschüre. Ich wünsche Ihnen eine informative
                                                          Lektüre!
Diese Diskussionen sind wichtig, denn sie tragen dazu
bei, dass sich Tierhaltung weiterentwickelt, noch         Mit herzlichen Grüßen
besser wird. Damit das gelingt, haben wir in meinem
Ministerium eine Nutztierstrategie erarbeitet, die den    Ihre
Weg weisen soll in eine Tierhaltung mit Zukunft. In
eine Nutztierhaltung, die breite Zustimmung in der
Gesellschaft findet und ökonomisch gut aufgestellt
ist. Deshalb nimmt die Strategie – neben dem Tier-
wohl – Umwelt- und Klimaschutz genauso in den
Blick wie Fragen der Wirtschaftlichkeit.

Im Moment sind wir dabei mitten in einem spannen-         Julia Klöckner
den Prozess. Wir testen, wie neue Ställe aussehen         Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft

                                                                                                                   3
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1   Einleitung

    Die Nutztierhaltung in Deutschland muss eine
    Zukunft haben.

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Die Landwirtschaft in Deutschland hat sich in den            Dieser positiven Entwicklung stehen allerdings große
zurückliegenden Jahr­zehnten zu einem starken,               Herausforderungen gegenüber. In Teilen der Gesell-
innovativen Wirtschaftssektor entwickelt. Land- und          schaft sinkt die Akzeptanz für die intensive Nutztier-
Forstwirtschaft und Fischerei erzielten 2015 einen           haltung. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz ist die
Produktionswert von 52 Mrd. Euro. Insgesamt waren            erfolgreiche Nutztierhaltung in Deutschland gefährdet.
über 630.000 Personen in diesem Sektor tätig. Inner-         Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen oft Platzbe-
halb des „Agribusiness“ nimmt die Landwirtschaft eine        darf, die Art der Haltung, Zuchtmerkmale, Fütterung
Schlüsselstellung ein: Einem landwirtschaft­lichen           der Tiere, nicht kurative Eingriffe und der Einsatz von
Arbeitsplatz stehen sieben weitere Arbeitsplätze in den      Antibiotika sowie die Emissionen aus der Tierhaltung.
vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen gegen-          Gleichzeitig wird der nationale und internationale
über.                                                        Wettbewerb tendenziell schärfer. Aufgabe der Politik
                                                             muss es deshalb sein, über bereits vollzogene Verände-
Das gesamte Agribusiness erbrachte 2015 einen                rungen zu sprechen und auf die ökonomischen Rah-
Produktions­wert von geschätzten 445 Mrd. Euro oder          menbedingungen hinzuweisen. Diese Rahmenbedin-
gut 8 % des gesamtwirtschaftlichen Produktionswer-           gungen sind so zu gestalten, dass die Gegensätze
tes. In den letzten Jahren ist es gelungen, diese Position   abgebaut und gesellschaftlich akzeptierte Produktions-
international auszubauen, Marktanteile zu gewinnen,          verfahren auch ökonomisch tragfähig sind. Das gesell-
die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Exportchancen          schaftlich Wünschenswerte muss mit dem ökonomisch
zu nutzen und dabei den heimischen Verbraucherinnen          Machbaren in Einklang gebracht werden. Der nationa-
und Verbrauchern qualitativ hochwertige Lebensmittel         len Nutztierstrategie kommt damit eine heraus­ragende
anzubieten. Die Tierhaltung hat an dieser Entwicklung        Bedeutung zu. Die Erzeugung von Milch, Fleisch und
des Agrarsektors einen entscheidenden Anteil.                Eiern gehört traditionell zur deutschen Landwirtschaft
                                                             und zum ländlichen Raum und ist unverzichtbar.
                                                             Verbraucher schätzen Qualität und Vielfalt der hoch-
                                                             wertigen Produkte.

       Das Bundesministerium für Ernäh-
       rung und Landwirtschaft setzt sich
       für eine zukunftsfähige und stabile
       deutsche Nutztierhaltung ein.

                                                                                                                   5
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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Die Ansprüche zur Veränderung der Tierhaltung, die
immer wieder formuliert werden, müssen sich auch               Die Begriffe „Tierwohl“ und „Tiergerechtheit“
der kritischen Bewertung stellen, soweit sie nicht             verbinden die Bereiche Tiergesundheit, Tierverhalten
vom Ziel geleitet sind, die Veredelungswirtschaft in           und Emotionen. Wenn Tiere gesund sind, ihr Normal-
Deutschland insgesamt infrage zu stellen. Das BMEL             verhalten ausführen können und negative Emotionen
bekennt sich zu einer zukunftsfähigen und stabilen             vermieden werden (z. B. Angst und Schmerz) kann
deutschen Nutztierhaltung. Es sind dazu bereits                von einer guten Tierwohl-Situation, bzw. einer tier­
Maßnahmen in die Wege geleitet und umgesetzt.                  gerechten Haltung ausgegangen werden.
Dazu gehören verbesserte Haltungsstandards,
erhebliche Forschungsanstrengungen, eine zielge-
richtete Förderung und Vereinbarungen mit der
Wirtschaft. Die Tierhaltung ist damit in den vergan-        Deutschland soll Vorreiter im Umgang mit Nutztieren
genen Jahren unter Beteiligung von Wissenschaft,            werden. Das BMEL will eine Strategie, die auf den
Forschung, Ausbildung und Beratung kontinuierlich           Qualitätswettbewerb ausgerichtet ist. Tierwohl erhält
weiterentwickelt worden. Das betrifft die Verbesse-         eine besondere Präferenz. In einem umfassenden
rung der Haltung und Stall­technik, Entwicklung             Maßnahmenpaket werden die dafür notwendigen
aussagefähiger Tiergesundheits­parameter, die               Rahmenbedingungen entwickelt und stufenweise
Verringerung des Antibiotikaeinsatzes sowie die             umgesetzt. Dabei geht es nicht allein um die Weiterent-
Verbesserung der Futter und Flächeneffizienz. Dieser        wicklung des rechtlichen Rahmens und dessen frühzei-
Weg einer ständigen Verbesserung und regelmäßiger           tige Ankündigung. Mit flankierenden Maßnahmen zur
Kontakte mit den Stakeholdern wird fortgesetzt.             Produktdifferenzierung durch anspruchsvollere
                                                            Prozessqualitäten (staatliche Tierwohlkennzeichnung),
Nutztierhaltung ist eine langfristige Wirtschaftsform       einer fokussierten Förderung und ziel­gerichteter
mit Bedarf an Kontinuität. Die nationale Nutztierstra-      Forschung und Innovationen kann ein Beitrag zum
tegie soll auch durch einen stetigen EU-Bund-Länder-        Ausgleich bzw. zur Vermeidung von höheren Kosten für
Dialog weit­gehende administrative Sicherheit und           tier- und umweltgerechtere Formen der Tierhaltung
Planbarkeit bieten. Damit soll die Unsicherheit beseitigt   geleistet werden. Damit wird dauerhaft die Wettbe-
werden, der sich viele Tierhalterinnen und Tierhalter       werbsfähigkeit der Tierhaltung gesichert.
ausgesetzt sehen.

Mit der Novellierung des Düngegesetzes und der
Düngeverordnung ist im Frühjahr 2017 ein neues                 Ziel der Nutztierstrategie ist es, der Nutz-
Düngerecht in Kraft getreten. Dabei ist ein ausgewo-           tierhaltung in Deutschland eine Zukunft zu geben
gener Kompromiss zwischen den Umweltinteressen                 und sie als hochentwickelten Sektor weiterhin zu
und einer praxistauglichen Lösung für die Landwirt-            verbessern, in dem Tier- und Umweltschutz genauso
schaft gelungen. Das neue Düngerecht schützt vor               beachtete Kriterien sind wie Qualität bei der Produk-
Überdüngung und kommt dem Gewässerschutz 		                    tion und Marktorientierung. Dafür soll das Tierwohl in
und der Umwelt zugute. Mit dem Düngerecht                      der Nutztierhaltung weiter verbessert, die Wirkungen
schaffen wir auch eine spürbare Verminderung der               auf die Umwelt deutlich vermindert und gleichzeitig
Ammoniakemissionen. Es sind allerdings weitere                 die wirtschaftliche Grundlage für die Betriebe und die
entschlossene Schritte zur Verbesserung des Tier-              Versorgung der Verbraucher mit nachhaltig erzeug-
wohls und zur Reduzierung der Umweltbelastungen                tem Fleisch gesichert werden.
notwendig. Dem BMEL liegen dazu fundierte Vor-
schläge des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpo-            Damit soll eine breite Zustimmung in der Mitte der
litik und des Kompetenzkreises Tierwohl vor; diese             Gesellschaft erreicht und den Landwirten ein verläss-
sind wichtige Bausteine. Zukünftig soll ein starkes            licher Rahmen für eine akzeptierte und wettbewerbs-
Augenmerk auf die Praxis gerichtet werden, das                 fähige Tierproduktion in Deutschland abgesteckt und
Praktikernetzwerk wird einbezogen.                             Planungssicherheit zugesichert werden.

                                                               Deutschland soll Vorreiter im Tierwohl werden.

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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

2             Nutztierhaltung
              in Deutschland
              – eine Bestandsaufnahme
              Die Nutztierhaltung durchläuft einen permanenten
              Strukturwandel mit steigenden Bestandsgrößen und
              zunehmendem Einsatz von Technik.

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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Die Nutztierhaltung durchläuft einen permanen-          nicht ausreichend, sich nachhaltig im Wettbewerb zu
ten Strukturwandel. Die prägenden Merkmale des          behaupten. Hier sind branchenspezifische als auch
Wandels sind in allen Industrieländern ähnlich:         einzelbetriebliche Beratungsstrategien angezeigt.
Anstieg der durchschnittlichen Bestandsgrößen
und der Leistungen je Tier, ein zunehmender
Einsatz von Technik und zunehmende regionale            Milcherzeugung
Konzentration der Tierhaltung. Ein wichtiger
Treiber des Wandels waren und sind technologi-          Die nationale Milcherzeugung ist zwischen 2006 und
sche und züchterische Entwicklungen, die es             2016 von 28 Mio. Tonnen auf 32,7 Mio. Tonnen um 14 %
ermöglichen, dass je Arbeitskraft mehr Tiere            angestiegen. Seit Auslaufen der Quotenregelung zum
gehalten und höhere Tierleistungen erreicht             1. April 2015 hat die jährliche Milcherzeugung nach
werden. Zum anderen wird der Wettbewerb                 einem vorübergehenden Anstieg nicht weiter zuge-
zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben             nommen. Der Verbrauch wuchs ebenfalls, aber in
durch die weitgehende Integration in den Markt          deutlich geringerem Maße. Der deutsche Molkereisek-
und die Weltagrarwirtschaft bestimmt. Die               tor ist seit Jahrzehnten intensiv in den internationalen
zunehmenden internationalen Verflechtungen der          Handel eingebunden. Im Jahr 2014 wurden Milchpro-
wirtschaftlichen Beziehungen, die für alle Ak-          dukte im Wert von 9,1 Mrd. Euro exportiert, im Jahre
teure der Wertschöpfungskette Tier (Landwirt-           2016 in Höhe von 8,4 Mrd. Euro. Die Importe gingen
schaft – Verarbeitungsindustrie – Handel) gelten,       von 6,6 Mrd. Euro 2014 auf 5,9 Mrd. Euro 2016 zurück.
sind ein wichtiger Bestimmungsfaktor für den            Der weitaus größte Teil des Außenhandels vollzieht sich
Wettbewerb und damit für die wettbewerbliche            innerhalb des EU-Binnenmarktes.
Situation der Erzeuger tierischer Produkte, die am
Anfang dieser Wertschöpfungskette stehen.               Die Zahl der Betriebe mit Milchviehhaltung nimmt seit
Insbesondere dann, wenn sich dieser Wettbewerb          Jahrzehnten ab und entsprechend steigen die Betriebs-
als Kostenwettbewerb (Preisdruck) vollzieht (im         größen an. Mittlerweile steht ungefähr jede zweite
Unterschied zum Qualitätswettbewerb), hat er            Milchkuh Deutschlands in einer Herde mit mehr als
betriebliches Wachstum, Rationalisierung und            100 Kühen. Je nach Region und Betriebsgröße gibt es
steigende Tierleistungen zur Folge. In der Fleisch-     große Unterschiede im Produktionssystem. Im Jahr 2010
wirtschaft in Deutschland gibt es noch Potenzial        hielten noch 57 % der Milchviehbetriebe Deutschlands
im Bereich der Produkt- und damit Preisdifferen-        ihre Milchkühe in Anbindehaltung. Diese Haltungsform
zierung. In der Milchwirtschaft zeigen sich An-         ist agrarstrukturell bedingt vor allem bei kleineren
fangstendenzen einer Differenzierung. Hinzu             Betrieben in Süddeutschland noch verbreitet, aber
kommt, dass Anbieter vom Markt andere Signale           tendenziell rückläufig. Regelmäßigen Weidegang im
bekommen, als sie aus der gesellschaftlichen            Sommer haben 42 % der Milchkühe. Die Weidehaltung
Diskussion zu erwarten wären. Das BMEL freut            ist vor allem bei Bestandsgrößen zwischen 50 und 200
sich über die Unterstützung von Agrarkommissar
Hogan, die Stellung der Landwirtschaft in der
Wertschöpfungskette zu stärken.

Im internationalen Wettbewerb hat sich die deutsche                              42 %
Nutztierbranche in den zurückliegenden Jahren                                    der Milchkühe
erfolgreich behauptet. Mit hochwertigen Produkten
wird sie auch weiterhin Erfolg in kaufkräftigen
Märkten von EU- und Drittstaaten haben, zumal                                    haben im Sommer
weltweit eine Steigerung der Nachfrage zu erwarten                               regel­mäßigen Weidegang
ist

Die Erzeugerpreise und die Einkommen der Nutz-
tierhalter weisen von Jahr zu Jahr teilweise starke
Veränderungen auf. Der langjährige Trend der            Milchkühen häufig anzutreffen (über 50 %), während in
durchschnittlichen Einkommen zeigt keine eindeu-        der Bestandsgrößenklasse von mehr als 500 Milchkühen
tige Tendenz nach oben oder unten. Für jede Teil-       je Betrieb nur weniger als 10 % der Milchkühe auf der
branche (Milch, Schwein, Geflügel usw.) ist aber        Weide gehalten werden. Mit dem Milchmarktbericht
festzustellen, dass es innerhalb der Branche große      2017 hat das BMEL eine Bestandsaufnahme, Herausfor-
Einkommensunterschiede zwischen dem erfolg-             derungen und Handlungsfelder für die Milchwirtschaft
reichsten und dem wenig erfolgreichen Drittel der       und Milchpolitik auf nationaler und EU-Ebene vorgelegt
Betriebe gibt. Vielen Betrieben gelang es bisher        und mit der Branche diskutiert.

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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Fleischerzeugung
Während der Fleischverbrauch in Deutschland in den           Gemästetes Geflügel
vergangenen zehn Jahren relativ konstant blieb, hat
sich die Fleischerzeugung um fast 25 % erhöht. Seit
Mitte des vergangenen Jahrzehnts ist Deutschland             davon
Nettoexporteur. Im Jahr 2015 wurden ca. 4,3 Mio.                                                  5%
Tonnen Fleisch exportiert und ca. 2,5 Mio. Tonnen             25 %                                Enten+Gänse
Fleisch importiert. Der starke Anstieg der Exporte            Puten
vollzog sich vor allem bei Schweinefleisch und in
geringerem Umfang bei Geflügelfleisch; hingegen sind
die Exporte von Rindfleisch leicht rückläufig.

Bei Schweinefleisch stieg die Erzeugung stark an,
während der Verbrauch längere Zeit stagnierte und seit                                            70 %
2010 leicht rückläufig ist. Seit 2005 ist Deutschland                                             Masthühner
Nettoexporteur, inzwischen beträgt der mit Schweine-
fleisch erzielte Exportüberschuss fast 3 Mrd. Euro pro
Jahr. Das Wachstum der Branche vollzog sich allerdings
regional sehr unterschiedlich und war im Wesentlichen     Die durchschnittliche Bestandsgröße von Mastbullen
auf Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen be-             lag 2015 bei 13 Tieren. Nur 2 % der Betriebe haben
schränkt.                                                 Bestände von mehr als 100 Mastbullen, fast 28 % der
                                                          Mastbullen befinden sich allerdings in dieser Betriebs-
Der Strukturwandel führte dazu, dass inzwischen ca.       größenklasse.
70 % der Mastschweine in Beständen mit über 1.000
Mastschweinen gehalten werden, mehr als 10 % in           Etwa 70 % des gemästeten Geflügels entfällt auf Mast-
Betrieben mit mehr als 5.000 Mastschweinen. Über          hühner, auf Puten rund 25 % und 5 % auf Enten und
90 % der Schweine stehen in Warmställen auf Voll-         Gänse.
oder Teil­spaltenboden. Produktionsverfahren mit
Stroheinstreu oder Außenklimaställen weisen höhere        Bei Geflügelfleisch stieg die Erzeugung noch stärker an
Produktions­kosten auf; sie konnten sich bisher nur in    als bei Schweinefleisch. Bspw. ist der Bestand an Trut-
kleinen Marktsegmenten etablieren.                        hühnern seit dem Jahr 2000 um etwa 59 % auf gut
                                                          13 Mio. angestiegen. Der Verbrauch von Geflügelfleisch
Die deutsche Rindfleischproduktion ist stark mit der      nimmt, anders als bei Schweinefleisch, leicht zu. Nach-
Milchviehhaltung verflochten. Die nicht für die Be-       dem Deutschland früher ein starker Nettoimporteur
standsergänzung benötigten Tiere werden gemästet.         war, ist die Außenhandelsposition inzwischen nahezu
Die Mutterkuhhaltung spielt in Deutschland eine           ausgeglichen.
vergleichsweise geringe Rolle. Die Produktion von
Rindfleisch ist von rund anderthalb Mio. Tonnen im        Die regionale und betriebliche Konzentration hat ein
Jahr 1995 auf gut eine Million Tonnen im Jahr 2015        hohes Ausmaß erreicht. Mehr als drei Viertel aller
zurückgegangen. Auch der Rindfleischverbrauch ging        Masthühner Deutschlands stehen in Betrieben mit
in diesem Zeitraum zunächst zurück, hat sich aber in      mehr als 50.000 Tieren. Fast die Hälfte der nationalen
den letzten Jahren wieder erholt. Er lag 2015 bei 		      Erzeugung findet im südlichen Weser-Ems-Gebiet statt.
1,1 Mio. Tonnen (rund 13 kg Rind- und Kalbfleisch pro     Die Mast erfolgt in Bodenhaltung auf Einstreu. Die
Kopf). In den letzten 10 Jahren lag der Exportanteil an   Besatzdichte variiert je nach Produktionsverfahren
der Schlachtmenge zwischen 39 und 47 %. Insgesamt         (Kurz-, Mittellang-, Langmast) zwischen 14 und 23
ist die Handelsbilanz in etwa ausgeglichen.               Tieren je Quadratmeter.

10
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Eiererzeugung
Die Erzeugung von Konsumeiern nahm in Deutschland           Die Haltungsformen haben sich infolge des Verbots der
vor allem 2009/2010 stark ab. Ausschlaggebend hierfür       klassischen Käfighaltung stark verändert. Ungefähr
war das Verbot der Käfighaltung von Legehennen. Ab          63 % der Legehennen werden derzeit in Bodenhaltung
2010 kam es dann zu einem Wiederanstieg der Be-             gehalten, 18 % in Freilandhaltung und 9 % nach den
stände. Bei Schaleneiern und Eiprodukten ist Deutsch-       Richtlinien des ökologischen Landbaus. Dieser Wandel
land seit langem Nettoimporteur; derzeit werden             wurde zum einen durch die Nachfrage des Lebensmit-
jährlich ca. 19 Mrd. Eier verbraucht und ca. 13 Mrd. Eier   teleinzelhandels ausgelöst; diese machte es für tierhal-
erzeugt.                                                    tende Betriebe in Deutschland lohnend, in alternative
                                                            Haltungsformen zu investieren. Zwei weitere Faktoren
Ungefähr ein Drittel aller Legehennen werden in             traten unterstützend hinzu, zum einen das EU-weite
Beständen mit mehr als 100.000 Tieren gehalten. Laut        Verbot nicht ausgestalteter Käfige und zum anderen der
amtlicher Statistik war die Bedeutung der obersten          relativ hohe Zollschutz für Schaleneier. Beide Faktoren
Bestandsgrößenklassen für die nationale Produktion in       schränkten die Möglichkeit des Lebensmitteleinzel-
den letzten Jahren rückläufig; das stärkste Wachstum        handels und der Verbraucherschaft, auf billigere
verzeichneten die Bestandsgrößenklassen von 10.000          Schaleneier aus Drittländern auszuweichen, stark ein.
bis 100.000 Tieren. Bei der Interpretation dieser Zahlen
ist jedoch zu berücksichtigen, dass viele tierhaltende
Unternehmen dazu übergegangen sind, ihre Produk-
tion in mehrere selbstständige Betriebe aufzuteilen.

   Haltungsformen Legehennen

   davon
   9%
   nach Richtlinien des
   ökologischen Landbaus

                                       63 %
                                       Bodenhaltung

   18 %
   Freilandhaltung

                                                                                                                  11
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

3             Zwischenbilanz -
              Ausgangspunkt
           Mit einem umfangreichen Maßnahmen-
           paket konnten Verbesserungen der Hal-
           tungsbedingungen für landwirtschaftliche
           Nutztiere erreicht werden.

12
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Außer im Bereich Rindfleisch haben Erzeugung und           Bestehende Haltungsverfahren sollen weiterentwickelt,
Bestände in den letzten Jahren zugenommen; in der          zukunftsfähig gemacht und Zielkonflikte, wie zwischen
Veredlung hat sich die regionale Konzentration fortge-     Tierwohl und Umweltwirkung der Tierhaltung, vermin-
setzt. Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket              dert werden. Es soll eine Brücke zwischen Ökonomie,
konnten gleichwohl Verbesserungen der Haltungsbe-          Umwelt und Tierwohl gebaut werden.
dingungen für landwirtschaftliche Nutztiere erreicht
werden (z. B. Verbot nicht ausgestalteter Käfige bei       Im Mittelpunkt der im Folgenden beschriebenen
Legehennen, Verzicht auf Schnabelkupieren bei Lege-        Förderbereiche stehen die Tierarten Schwein, Geflügel
hennenküken, Einführung der Gruppenhaltung von             und Rind.
Sauen im Warte­bereich, Verbot der betäubungslosen
Ferkelkastration ab 2021, wobei für die tierhaltenden      Entwicklung von Tierwohlindikatoren
Betriebe wirtschaftlich tragfähige Lösungen gesucht
werden, Rückgang der Anbindehaltung bei Milchkü-           Ziel dieser Forschungsvorhaben ist die Entwicklung
hen). Gleichzeitig hat das BMEL rund 132 Mio. Euro für     von Indikatoren zur Messung, Steuerung und Bewer-
Forschung und Innovation bereitgestellt und die            tung von Tierwohl. Dabei sollen in erster Linie
Einzelbetriebliche Investitionsförderung auf Tierwohl      bereits vorhandene Daten, z. B. aus der Milchkon-
ausgerichtet. Auf dieser Grundlage wird aufgebaut          trolle und den Schlachtbefunden, nutzbar gemacht
(vgl. Kap. 4).                                             werden. Umgesetzt in entsprechende Instrumente
                                                           werden sie der Betriebsleitung zur Verbesserung der
                                                           Bestandsführung, für die gesetzlich vorgeschriebene
                                                           betriebliche Eigenkontrolle sowie Beratungsstellen
3.1 Forschung/Modell- und                                  zur Unterstützung der Betriebe angeboten. Auf der
    Demonstrationsvorhaben                                 Grundlage geeigneter Indikatoren kann schließlich
                                                           über ein entsprechendes Monitoring der Erfolg der
Ziel der durch das BMEL finanzierten, breit angelegten     auf der Grundlage der Nutztierstrategie ergriffenen
Forschung ist es, technischen Fortschritt zu fördern,      Maßnahmen bewertet werden. Zwischenergebnisse
damit neue Erkenntnisse zu gewinnen und in die Praxis      der laufenden Forschung liegen seit Mitte 2018 vor,
zu tragen, um das Tierwohl deutlich zu verbessern.         die Abschlussberichte werden ab 2020 vorliegen.

Tabelle: 1: Forschungsförderung des BMEL zur Nutztierhaltung seit 2012

Förderbereich                            Fördervolumen       Stand
                                           (Mio. Euro)

Entwicklung von Tierwohlindikatoren             9            Zwischenergebnisse ab Mitte 2018, Abschlussberichte
                                                             ab Anfang 2020
Tiergesundheit                                 38            kontinuierlich neue Erkenntnisse aus laufenden Projekten
Tierschutz                                     21            kontinuierlich neue Erkenntnisse aus laufenden Projekten
Haltungsverfahren                              24            erste Zwischenberichte liegen vor , Abschlussberichte
                                                             ab 2018
Weidehaltung/Grünlandnutzung                    4            Bekanntmachung und Auswertung abgeschlossen,
                                                             neue Projekte ab Ende 2017
Nutztierhaltung und Umwelt                      6            kontinuierlich neue Erkenntnisse aus laufenden
                                                             Projekten, neue Projekte ab Anfang 2018
Verschiedenes (z. B. Ernährung,                30            kontinuierlich neue Erkenntnisse aus laufenden Projekten
Zucht, Aquakultur, Bienen)
Summe                                          132

                                                                                                                     13
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Tiergesundheit                                             Haltungsverfahren und Zucht

Ziel ist die Verbesserung der Gesundheit der Nutztiere.    Ziel dieser Maßnahmen sind schnelle Fortschritte in
Dadurch kann auch der Antibiotikaeinsatz weiter            bestehenden Haltungsverfahren. Mit der Entwicklung
vermindert werden. Im Gegensatz zu anderen wichti-         von Beschäftigungsmaterialien, der Verbesserung von
gen Produktionsländern (z. B. USA) ist der Einsatz von     Stalleinrichtungen und der Optimierung des Stallkli-
Antibiotika zur Leistungsförderung in der EU bereits       mas wird das Wohlbefinden der Tiere verbessert. Unter
seit über 10 Jahren verboten. Als G20-Vorsitzland hat      anderem ist die Weiterentwicklung der Haltungsbedin-
Deutschland den weltweiten „Einstieg in den Ausstieg“      gungen von Sauen nach der Zeit des Abferkelns und der
aus dieser abzulehnenden Praxis bis 2020 vereinbaren       Säugezeit ein wichtiges Tierwohlthema. Haltungsein-
können. Ziel der deutschen Antibiotikaresistenzstrate-     richtungen und -verfahren sollen verbessert und
gie (DART 2020) ist es, die Verbreitung von Antibiotika-   entsprechende Fortschritte in der Zucht erreicht
resistenzen weiter einzudämmen. 2014 wurde ein             werden. In der Milchviehhaltung werden insbesondere
Benchmarkingsystem eingeführt. Seitdem ist die             Robustheit und Gesundheit sowie ein ausbalancierter
Verwendung deutlich gesunken. Im Jahr 2015 betrug          Stoffwechsel als Züchtungsziele unterstützt. Auch in
die jährliche Abgabemenge 805 Tonnen; im Vergleich         der Geflügelhaltung erfolgt eine Verbesserung der
waren es im ersten Jahr der Erfassung (2011) noch über     Bedingungen u. a. durch die Optimierung der Fütte-
1.700 Tonnen. Weitere Themen sind die Erforschung          rung und Züchtung insbesondere für den ökologischen
von Zoonosen und die Entwicklung entsprechender            Landbau und durch Hilfsmittel zur Verbesserung des
Bekämpfungsmaßnahmen, die Früherkennung von                Managements.
Krankheiten, epidemiologische Untersuchungen und
die Entwicklung von Impfstoffen sowie von Manage-          Weidehaltung/Grünlandnutzung
ment- und Hygienemaßnahmen zur Minimierung sog.
Produktionskrankheiten.                                    Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher gehören
                                                           Weidegang und Milch­v iehhaltung zusammen. Das BMEL
Tierschutz                                                 hat das Thema „nachhaltige Grünlandnutzung“ deshalb
                                                           in einem Aufruf zum Einreichen von Projektideen
Ziel dieses Forschungsbereichs ist der Schutz der          aufgegriffen. Es sollen Forschungsvorhaben u. a. aus den
Unversehrtheit der Tiere. Ein Kernthema ist der            Bereichen der Tierzucht, Tierernährung und Tiergesund-
Verzicht auf nicht kurative Eingriffe am Tier. Dazu        heit zu den Themen Fleisch­vermarktungskonzepte,
gehört die Vermeidung des Schnabelkupierens in             Nutzungs- und Ma­nage­mentkonzepte für die Weide,
der Geflügelhaltung, des Schwänzekupierens beim            technische Entwicklungen für die Grünlandbewirtschaf-
Schwein und der betäubungs­losen Ferkelkastration,         tung, Inwertsetzung von Ökosystemleistungen, Bera-
sowie der schmerzhaften Enthornung von Rindern.            tungstools, Giftpflanzenbekämpfung sowie Erhöhung der
Ein besonderer Schwerpunkt der letzten Jahre lag           Biodiversität gefördert werden. Ziel dieses Maßnahmen-
auf der Vermeidung der Ferkelkastration. Mit einem         pakets ist es, Produktionsverfahren in diesem Bereich
breiten Ansatz von der Zucht über die Fütterung bis        unter ökonomischen, ökologischen sowie Tierwohl- und
zur automatisierten Geruchserkennung wurden                Tiergesundheitsaspekten weiterzuentwickeln und zu
bereits wesentliche Fortschritte erzielt.                  optimieren.

Die extreme Ausrichtung der Zucht von Legehennen­          Beim Julius Kühn-Institut hat das BMEL eine Stabsstelle
rassen auf die Eiererzeugung hat dazu geführt, dass die    Grünland eingerichtet. Mit der Stabsstelle wird gemein-
männlichen Tiere dieser Linien ökonomisch wertlos          sam eine Grünlandstrategie erarbeitet (vgl. Kap. 4.9). Das
geworden sind. Ihr Wachstum und damit ihr                  Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Biodiversi-
wirtschaft­licher Nutzen bleiben weit hinter den Tieren    tät und genetische Ressourcennachhaltigkeit und die
von Mast­linien zurück. Derzeit werden diese Tiere         Forschungsstrategie Grünland der Deutschen Agrar-
deshalb nach dem Schlüpfen getötet. Diese Praxis muss      forschungsallianz (DAFA) fließen in die Arbeiten ein.
so schnell wie möglich abgestellt werden. BMEL hat
deshalb in den letzten Jahren erhebliche Mittel in die     Nutztierhaltung und Umwelt
Forschung zur Geschlechtsbestimmung im Ei inves-
tiert. Erfolgversprechende Verfahren sind inzwischen       Diese Forschungsmaßnahmen haben zum Ziel, die Um-
marktreif. Daneben wird der Einsatz eines Zweinut-         weltbelastungen durch Tierhaltung deutlich zu redu-
zungshuhns erprobt. In begrenztem Umfang werden            zieren. Dazu gehören die Quantifizierung von Emissio-
Eier und Fleisch von Zweinutzungsrassen im Handel          nen aus Tierhaltungsanlagen und die Entwicklung von
bereits angeboten.                                         Minderungsmaßnahmen. Zusätzlich zu den laufenden

14
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Projekten wurden Ende 2016 Bekanntmachungen zur            Production - Susan) mit Forschungsprojekten u. a. zu
Emissionsminderung von klimarelevanten Gasen               den Themen Tierwohl, Umwelt und Ökonomie entwi-
sowie zur Anpassung der Produktionsverfahren an den        ckelt.
Klimawandel veröffentlicht. Mit Ergebnissen aus den
Projekten ist ab 2020 zu rechnen.                          Deutsche Agrarforschungsallianz

EU-Ebene                                                   Zur Unterstützung der vielfältig angestoßenen For-
                                                           schungsaktivitäten ist das Fachforum Nutztiere der
Das BMEL ist auch auf europäischer Ebene in wichtigen      Deutschen Agrarforschungsallianz in die kontinuierliche
Forschungsaktivitäten engagiert und stellt den Vorsitz     Nachverfolgung und Bewertung des Erkenntnisfort-
in der gemeinsamen Arbeitsgruppe für nachhaltige           schritts eingebunden. Aufgabe wird es sein, den Fort-
Tierhaltung, einer Gruppe des Ständigen Agrarfor-          schritt der vom BMEL geförderten Projekte und auch
schungsausschusses. Ziel ist die Initiierung und Koordi-   weitere national und international erzielte Erkenntnisse
nierung gemeinsamer Forschungsaktivitäten auf              auszuwerten. Aus der gemeinsamen Bewertung der
europäischer Ebene. Die Arbeitsgruppe hat einen            laufenden Forschungsprojekte sollen Schlussfolgerungen
Vorschlag für ein europäisches Forschungsnetzwerk          und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der For-
„nachhaltige Tierhaltung" (era-net sustainaible animal     schungsförderung zur Nutztierhaltung abgeleitet werden.

       Das Bundesministerium für Ernäh-
       rung und Landwirtschaft hat in den
       letzten Jahren erhebliche Mittel in
       die Forschung zur Geschlechtsbe-
       stimmung im Ei investiert.

                                                                                                                  15
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Modell- und Demonstrationsvorhaben                          Falle von Stallbauinvestitionen – zusätzlich im Bereich
                                                            Tierschutz erfüllt werden. Investitionen in Stallbauten
Motivation und Bereitschaft vieler Landwirte für            werden nur noch gefördert, wenn besondere Anforde-
Verbesserungen sind groß. Ziel der Modell- und De-          rungen im Bereich Tierschutz erfüllt werden. Die
monstrationsvorhaben ist die zeitnahe Einführung von        Anforderungen gehen über die gesetzlichen Mindest-
Forschungsergebnissen und neuen Entwicklungen in            anforderungen hinaus und sind tierartenspezifisch in
die Praxis. Modell- und Demonstrationsvorhaben              der Anlage 1 des AFP-Fördergrundsatzes definiert.
„Tierschutz“ sind Teil der Tierwohl-Initiative „Eine        Differenziert wird zwischen der Basisförderung, für die
Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“            ein Zuschuss in Höhe von bis zu 25 % gewährt werden
(vgl. Kap. 3.3). Es wurden bundesweit ca. 250 Betriebe in   kann, und der Premiumförderung mit einem Zuschuss
acht Beratungsinitiativen (z. B. Verzicht auf Schwänze-     von bis zu 40 % für besonders tiergerechte Haltungs-
kupieren bei Schweinen, Verzicht auf Schnabelkürzen         verfahren. Die Anforderungen in der Premiumstufe
bei Geflügel) durch kostenlose Intensivberatung             sind z. B:
gefördert; weitere Projekte sollen folgen. Die Beratung
sieht zunächst eine Status-quo-Analyse vor. Gemein-         →→ Außenauslauf oder regelmäßiger Weidegang
sam mit den landwirtschaftlichen Betrieben werden              bei Milchkühen,
alle relevanten Faktoren wie Haltungssystem, Manage-
ment, Besatzdichte, Fütterung und Stallklima analy-         →→ mehr Platz für Mastbullen (bis 350 kg Lebendge-
siert. Auf dieser Basis werden wirtschaftliche Hand-           wicht mind. 3,5 m2/Tier, darüber hinaus mind.
lungsempfehlungen konzipiert und in die Produktions-           4,5 m2).
prozesse integriert. In der Umstellungsphase erfolgt
eine intensive Betreuung. Derzeit werden ca. 50 De-         →→ 20 % mehr Stallfläche als rechtlich vorgeschrieben
monstrationsbetriebe in Netzwerken bei dem Wissen-             für Sauen, Absatzferkel und Mastschweine, in
stransfer und der Umsetzung von neuen Verfahren in             Verbindung mit drei verschiedenartigen Beschäfti-
die landwirtschaftliche Praxis unterstützt. Bisherige          gungselementen
Erfahrungen zeigen, dass betriebsindividuelle Ansätze
sehr erfolgreich bei der Lösung von Tierschutzproble-       →→ mindestens 6 m2 große Abferkelbuchten für Jung-
men sind. Die Identifizierung von Schwachstellen               und Zuchtsauen, deren Schutzkörbe nach dem
durch externe Fachleute sowie die kontinuierliche              Abferkeln dauerhaft geöffnet werden können,
Beratung von Betrieben sind wichtige Komponenten in
der Erarbeitung von Lösungsansätzen. Auch der               →→ reduzierte Besatzdichte bei Puten, Masthühnern
Austausch von Wissen und Erfahrung zwischen                    und Legehennen sowie ausreichend große Kalt-
Landwirten bringt Fortschritte.                                scharrräume für Puten und Hennen.

                                                            Landwirtinnen und Landwirte nutzen die Fördermög-
3.2 Förderung                                               lichkeiten und investieren in mehr Tierwohl. Von den
                                                            insgesamt 2016 in Deutschland neu bewilligten rund
Investitionsförderung                                       900 Stallbauvorhaben erfüllen gut 80 % den Premium-
                                                            Standard und rund 20 % den Basis-Standard. Dabei ist zu
Neue Ställe und Modernisierungen werden mit und             berücksichtigen, dass Schleswig-Holstein, Niedersachsen
ohne staatliche Förderung realisiert. Die Ausgestaltung     und Nordrhein-Westfalen zur Zeit nur die Premiumvari-
kann – neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen –           ante anbieten. Zudem liegt der Förderschwerpunkt mit
naturgemäß von Seiten des Bundes nur bei geförderten        rund zwei Dritteln aller Förderfälle im Bereich Milch-
Ställen beeinflusst werden. Im Rahmen der Gemein-           viehhaltung.
schaftsaufgabe zur „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ (GAK) sind einzelbetriebliche       Markt- und standortangepasste sowie umweltge-
Investitionen in Stallbauten im Agrarinvestitions-          rechte Landbewirtschaftung einschließlich Ver-
förderungsprogramm (AFP) generell förderfähig. Bund         tragsnaturschutz und Landschaftspflege (MSUL)
und Länder beschließen gemeinsam den Förderungs-
grundsatz. Für die Umsetzung der Förderung sind die         Derzeit werden im Rahmenplan der GAK 2017-2020 für
Länder zuständig. Die „Charta für Landwirtschaft und        Honorierung von Tierwohlleistungen vier Maßnahmen
Verbraucher“ hat im Jahr 2014 eine Neuausrichtung des       angeboten:
AFP bewirkt. Danach wird eine Investitionsförderung
nur noch unter der Voraussetzung gewährt, dass beson-       →→ Sommerweidehaltung von Milchkühen, deren
dere Anforderungen in mindestens einem der Bereiche            Nachkommen in der Aufzuchtphase oder von
Verbraucher-, Umwelt- oder Klimaschutz und – im                Mastrindern.

16
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

                                                          →→ Haltung von Milchkühen, Rindern zur Aufzucht,
   900                                                       Mastrindern oder Schweinen in Laufställen bzw.
   neu bewilligte Stallbauvorhaben                           Gruppenbuchten mit planbefestigten oder teilperfo-
   2016 in Deutschland                                       rierten Flächen jeweils mit Außenauslauf sowie
                                                             Aufstallung mit Stroh.

   davon                                                  Mit den Vorgaben der Maßnahme können gute Bedin-
                                                          gungen für die Ausführung des Normalverhaltens der
   20 %                                                   Tiere geschaffen werden. Um Verbesserungen im
   Basis-                                                 Bereich der Tiergesundheit zu erreichen, wäre die
   Standard                                               Einbeziehung ergebnisorientierter Ansätze notwendig.

                                                          Neben tiergerechten Haltungsverfahren können im
                                                          Rahmen der GAK auch die Berücksichtigung von
                                80 %                      Merkmalen für Gesundheit und Robustheit landwirt-
                                Premium-Standard          schaftlicher Nutztiere in Leistungsprüfung und Zucht-
                                                          wertschätzung sowie die Zucht gefährdeter einheimi-
                                                          scher Nutztierrassen gefördert werden.

→→ Haltung von Milchkühen, von Rindern zur Auf-           Die Maßnahmen werden derzeit nur von wenigen
   zucht, von Mastrindern in Laufställen oder Schwei-     Bundesländern angeboten. Die Ursachen sind viel-
   nen in Gruppenbuchten mit planbefestigten oder         schichtig. Die Länder scheuen in erster Linie den
   teil­perforierten Flächen und mit Weidehaltung.        oftmals hohen Kontroll- und Verwaltungsaufwand und
                                                          damit verbundene Anlastungsrisiken. Die Vorausset-
→→ Haltung von Milch- oder Mutterkühen, Rindern zur       zungen für eine höhere Inanspruchnahme müssen
   Aufzucht, Mastrindern in Laufställen oder Schwei-      verbessert werden (vgl. Kap. 4.2).
   nen in Gruppenbuchten mit planbefestigten oder
   teil­perforierten Flächen und Aufstallung mit Stroh.

      Im Rahmen der GAK werden tierge-
      rechte Haltungsverfahren gefördert.

                                                                                                             17
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

3.3 Eine Frage der Haltung/                                 3.4 Zukunftsstrategie ökologische
    freiwillige Vereinbarungen                                  Landwirtschaft
Leitprinzip der Initiative des BMEL „Eine Frage der         Die Nachfrage nach ökologischen Produkten wächst
Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl“ ist die              dynamisch. Das gilt auch für Milchprodukte, Eier und
„freiwillige Verbindlichkeit“. Sie setzt zunächst auf die   Fleisch. Die Nachfrage nach ökologischer Konsummilch
Eigeninitiative der Wirtschaft. Wo das Engagement           stieg 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 8,8 % auf einen
der Wirtschaft nicht zu den notwendigen Verbesse-           Anteil von 6,8 % der privat nachgefragten Milch in
rungen führt, kann aber auch eine Änderung des              Deutschland. Die Einkaufsmenge bei Bio-Eiern nahm im
Rechtsrahmens erforderlich sein. In der Legehennen-         Vergleich zum Vorjahr um 3,6 % zu. 2016 stammten
haltung konnte die Lösung von drei wesentlichen             damit rund 12 % der von deutschen Privathaushalten
Tierschutzproblemen vorangetrieben werden. Im               eingekauften Eier aus ökologischer Erzeugung. Die
Sommer 2015 hat Bundesminister Christian Schmidt            Nachfrage nach ökologischem Geflügel entwickelte sich
eine freiwillige Vereinbarung mit der Geflügelwirt-         im Jahr 2016 mit einem Plus von 12 % im Vergleich zum
schaft abgeschlossen. Diese hat dazu geführt, dass seit     Vorjahr besonders dynamisch. Sie macht damit einen
August 2016 in den Brütereien bei den für die deutsche      Anteil von 1,4 % der privaten Nachfrage aus. Der Anteil
Legehennenproduktion vorgesehenen Küken keine               von ökologischem Rind- und Schweinefleisch an der
Schnäbel mehr kupiert werden. Der Ausstieg aus der          privaten Nachfrage lag 2016 bei 2,4 % bzw. 1,2 %. Die
Käfighaltung wurde durch Verordnung besiegelt und           privaten Haushalte kauften damit 4,2 % bzw. 5,5 % mehr
die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbe-            Bio-Rind- und Schweinefleisch als 2015. Wir können von
stimmung im Ei steht vor der Praxisreife.                   einem Anhalten dieses Trends ausgehen.

Im Bereich der Rinder- sowie der Schweinehaltung ist        Die Anforderungen an die Tierhaltung liegen bei der
es noch nicht gelungen, freiwillige Vereinbarungen          ökologischen Wirtschaftsweise über den schon ambiti-
abzuschließen, obwohl auch in diesen Bereichen              onierten in der konventionellen Landwirtschaft. Für
Tierschutzprobleme bekannt sind. Die Modell- und            Nutztiere wird grundsätzlich Weidegang bzw. Auslauf
Demonstrationsvorhaben Tierschutz haben sich als            vorgeschrieben. Den Tieren steht mehr Fläche in den
wertvolles Instrument erwiesen, um Erkenntnisse aus         Ställen zur Verfügung und die Ausstattung ist an-
der Forschung in die Praxis zu überführen, Landwirte        spruchsvoller. Stroh in den Liegebereichen steigert den
zu unterstützen, Innovationen umzusetzen und                Komfort für die Tiere.
Tierschutzprobleme in den Betrieben zu lösen.
(vgl. Kap. 3.1)                                             Gleichwohl gibt es auch in der ökologischen Tierhal-
                                                            tung Tierschutzprobleme. Die Anbindehaltung in der
Eine wichtige, aus der Initiative „Eine Frage der Hal-      Milchproduktion ist weiter verbreitet als in konven-
tung“ hervorgegangene Maßnahme ist die Initiative           tionellen Betrieben. Nicht kurative Eingriffe werden
zur Einführung eines staatlichen Tierwohlkennzei-           auch in einigen ökologisch wirtschaftenden Betrie-
chens (s. Kap. 4.3).                                        ben durchgeführt.

Tierschutz sollte vor allem auch auf EU-Ebene vorange-      Das Handeln des BMEL orientiert sich am Prinzip:
bracht werden. Damit werden mehr Tiere erreicht und         Konventioneller und Öko-Landbau erfahren beide
gleichzeitig werden Wettbewerbsverzerrungen im              Unterstützung. Konventionelle Landwirtschaft ist
Binnenmarkt vermieden. Derzeit gibt es aber keine           agrarstrukturell nach wie vor dominant. Das BMEL hat
weiteren ambitionierten Tierschutzprogramme auf             mit Wissenschaft, Wirtschaft und der Branche eine
EU-Ebene. Deshalb hat sich Deutschland mit den              Zukunftsstrategie zur Stärkung des ökologischen
Niederlanden, Dänemark, Schweden und Belgien zu
einem Bündnis zusammengeschlossen. Auf Initiative
dieses Bündnisses wurde eine EU-Tierschutzplattform
eingerichtet, die im Juni 2017 erstmals tagt. Konkrete
                                                                                    Anstieg der Nachfrage
Forderungen des Bündnisses an die Europäische
Kommission zur EU-Tierschutzrechtsetzung im Be-                                     um
reich Schweinehaltung, Transport, Junghennen- und                                   12 %
Putenhaltung wurden bisher nicht aufgegriffen. Das
Bündnis wird die Verbesserung des Tierschutzes in der                               nach Geflügel aus
EU weiter einfordern. Die Tierschutzplattform ist ein                               ökologischer Erzeugung
erster, aber wichtiger Schritt, um Fortschritte auf
EU- Ebene zu erreichen.

18
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Landbaus entwickelt. Im Mittelpunkt der Zukunfts-          3.5 Spannungsfeld Tierwohl –
strategie stehen fünf Handlungsfelder, die als nationale       Umweltschutz
Schlüsselbereiche für ein stärkeres Wachstum identifi-
ziert wurden und zentrale Herausforderungen der
Öko-Branche ansprechen:                                    Tierhaltungsverfahren und Emissionen

1. den Rechtsrahmen zukunftsfähig und kohärent             Im Spannungsfeld Tierwohl – Umweltschutz liegt eine
   gestalten,                                              besondere Herausforderung für Tierhalter. In nicht
                                                           auflösbaren Fällen von gegensätzlichen Interessen muss
2. die Zugänge zur ökologischen Landwirtschaft             das Vorrangprinzip dem Tierschutz und nicht dem
   erleichtern,                                            Umweltschutz gelten. Haltungsverfahren mit höherem
                                                           Tierkomfort beinhalten in der Regel ein größeres
3. die Leistungsfähigkeit ökologischer Agrarsysteme        Platzangebot für die Tiere und/oder eine freie Lüftung
   verbessern,                                             bzw. die Möglichkeit eines Auslaufs sowie Einstreu. Bei
                                                           einem größeren Platzangebot und Außenklimakontakt
4. das Nachfragepotenzial voll ausnutzen und               ist im Grundsatz davon auszugehen, dass auch die
   weiter ausbauen sowie                                   Emissionen – insbesondere Ammoniak – zunehmen.
                                                           Gegenüber zwangsbelüfteten Ställen mit Abluftreini-
5. die Umweltleistungen angemessen honorieren.             gung weisen Außenklimaställe insbesondere mit
                                                           Auslauf höhere Gesamtemissionen auf. In den BMEL-
Zentrale Finanzierungsinstrumente zur Verwirkli-           Forschungsvorhaben EmiDat und EmiMin werden die
chung der Vorhaben der Zukunftsstrategie werden            Emissionsfaktoren für verschiedene Haltungsverfah-
weiterhin die Titel des Bundesprogramms Ökologischer       ren in der Milchviehhaltung und Schweinemast derzeit
Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirt-           überprüft und entsprechende Messungen vorgenom-
schaft (BÖLN) sowie der Eiweißpflanzenstrategie (EPS)      men. Dies schließt die Messung von Haltungsverfahren
sein. Die Mittel des BÖLN werden 2019 auf 30 Mio. Euro     mit Auslauf ein. Darauf aufbauend sollen Möglichkei-
aufgestockt und die Mittel für die EPS in den kommen-      ten identifiziert werden, Emissionen in den verschiede-
den Jahren auf dem derzeitigen Niveau von 6 Mio. Euro      nen Haltungssystemen effizient zu minimieren. Dazu
pro Jahr weiter fortgeführt.                               läuft bereits ein Forschungsprojekt.

Die Maßnahmen der kommenden Jahre sind in einer            NERC-Richtlinie
Roadmap zusammengefasst. So ist es vorgesehen, 2019
eine erste Zwischenbilanz zu ziehen und 2022 einen         Die europäische Richtlinie über nationale Emissions-
Fortschrittsbericht zu verfassen, der den Umsetzungs-      minderungsverpflichtungen (NERC) ist am 31.12.2016 in
stand der einzelnen Maßnahmen beurteilt. Darauf            Kraft getreten. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich
aufbauend beabsichtigt das BMEL, eine erste Neufas-        dort verpflichtet, bestimmte Luftschadstoffe innerhalb
sung der Strategie für den Zeitraum 2023 bis 2030 zu       definierter Zeiträume zu reduzieren. Um die Minde-
erarbeiten.                                                rungsverpflichtungen für Schadstoffe aus der Landwirt-
                                                           schaft zu erfüllen, müssen weitere Maßnahmen auch im
Mit der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau wird        Tierhaltungssektor umgesetzt werden. Die Ammoniak-
auch ein wirkungsvoller Beitrag zur Verbesserung der       (NH3-)Emissionen sollen bezogen auf das Referenzjahr
Nutztierhaltung in Deutschland geleistet. Dazu gehö-       2005 ab 2020 um 5 % und ab 2030 um 29 % gemindert
ren auch Lösungsansätze für die in der ökologischen        werden. Hierfür müssen gegenüber dem Jahr 2014 ca.
Tierhaltung bestehenden Probleme. Gerade im Bereich        235 Kilotonnen/Jahr NH3-Emissionen eingespart
der Nutztierhaltung gilt es, die Erfahrungen aus der       werden. Ein großes Potenzial besteht in Maßnahmen zur
konventionellen und ökologischen Landwirtschaft            emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdüngern.
auszutauschen und voneinander zu lernen.                   Je nachdem, wie ambitioniert Maßnahmen ergriffen
                                                           werden, lassen sich zwischen 100 und maximal 160
                                                           Kilotonnen NH3/Jahr einsparen. Bei der Lagerung von
                                                           Wirtschaftsdüngern und der Ausbringung von Mineral-
                                                           düngern besteht das Potenzial zur Einsparung von 50 bis
                                                           60 Kilotonnen/Jahr NH3. Von diesem Senkungspotenzial
                                                           werden mit den Maßnahmen der neuen Düngeverord-
                                                           nung bis 2030 rund 110 Kilotonnen NH3/Jahr Ammo-
                                                           niak dauerhaft reduziert.

                                                                                                                19
NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

Um die restlichen Emissionsminderungen zu erzielen         s. o.). Hier muss der Tierschutz als grundsätzlich be-
und eine deutlich Reduzierung der Nutztiere zu ver-        stimmender Faktor auch bei Erweiterung/Änderung
meiden, sind neben einer Verbesserung der Stickstoff-      bestehender Anlagen gelten.
effizienz bei der Düngung und Fütterung auch emissi-
onsmindernde Maßnahmen in den Ställen zu ergreifen.        Bestrebungen zur Förderung des Tierwohls und tierge-
In zwangsgelüfteten Ställen steht derzeit die Abluftrei-   rechter Ställe bzw. Modernisierung des Anlagenbestan-
nigung im Fokus. Berechnungen ergaben, dass eine           des (Neubau und Sanierung) würden erheblich er-
Abluftreinigung für alle zwangsbelüfteten Ställe ab        schwert, wenn die entsprechenden immissionsschutz-
2.000 Mastschweinen, 750 Sauen und 40.000 Mastgeflü-       rechtlichen Regelungen über die geltenden
gel das Potenzial zur Minderung der NH3-Emissionen         Anforderungen hinaus verschärft werden sollten. Die
um 15 Kilotonnen/Jahr hat. Bei Haltungsverfahren mit       Regelungen der aktuell geplanten Neufassung der
Auslauf sind dagegen steigende Emissionen zu erwar-        Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA
ten. Geeignete Minderungsmaßnahmen stehen bisher           Luft) sind daraufhin genau zu prüfen und entspre-
nicht zur Verfügung. Potenziale zur Minderung von          chend anzupassen.
NH3-Emissionen zum Schutz von Umwelt und Gesund-
heit sind in der Landwirtschaft also vorhanden. Diese      Baurechtliche Privilegierung
müssen stärker ausgeschöpft werden. Hier müssen die
Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zur              Tierhaltungsbetriebe, die über ausreichend landwirt-
Emissionsminderung deutlich verstärkt werden. Ziel         schaftliche Flächen verfügen, um den größten Teil des
muss sein, auch bei tiergerechten Haltungsverfahren        Futters selbst zu erzeugen, sind unabhängig von ihrer
die Emissionen möglichst stark zu reduzieren (vgl. Kap.    Größe nach dem Baurecht privilegiert: Sie benötigen
4.1). Von der Erkenntnis ausgehend, dass Nahrungsmit-      im Außenbereich für ein Stallbauvorhaben keinen
telproduktion nie völlig klimaneutral sein kann, gilt      Bebauungsplan. Dies gilt nicht für sog. gewerbliche
das Gebot der praktikablen Reduzierung.                    Tierhaltungsanlagen ohne ausreichende eigene Futter-
                                                           grundlage. Diese sind immissionsschutzrechtlich
Tierhaltungsverfahren und Immissionsschutz                 genehmigungsbedürftig. Sie können seit einer Bau-
                                                           rechtsänderung im Jahr 2013 ein Bauvorhaben nur mit
Errichtung und Betrieb von Ställen sind genehmi-           einem Bebauungsplan realisieren. Bereits existierende
gungspflichtig entweder nach Baurecht oder für             gewerbliche Betriebe haben Bestandsschutz. Würde die
größere Betriebe, z. B. ab 1.500 Mastschweineplätze,       Privilegierung auch für landwirtschaftliche Betriebe
nach Immissionsschutzrecht. Auch Änderungen von            eingeschränkt, die nur baurechtlich genehmigungsbe-
Stallanlagen sind genehmigungspflichtig. Dies gilt auch    dürftig sind, würde dies zwar die Einflussmöglichkei-
für Maßnahmen , die dem Tierwohl dienen, wie               ten der Gemeinden und der Anwohner stärken; aller-
Stallerweiterungen um Ausläufe, den Umbau eines            dings die flächengebundene Tierhaltung schwächen.
zwangsgelüfteten Stalles zu einem frei gelüfteten Stall,
weil damit höhere Emissionen und Umwelteinwirkun-
gen durch Gerüche und Ammoniak verbunden sein              3.6 Empfehlungen des Wissenschaft-
können. Der Schutz der Nachbarschaft und der Umwelt            lichen Beirats zum Tierwohl
vor diesen Einwirkungen ist eine wesentliche Voraus-
setzung für die Genehmigung. Ställe müssen – abhän-        Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA)
gig von Größe, Emissionen sowie der Windverteilung         beim Bundesministerium für Ernährung und Land-
– ausreichend große Abstände zur Wohnbebauung oder         wirtschaft hat in seinem Gutachten „Wege zu einer
empfindlichen Biotopen einhalten.                          gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ eine
                                                           kritische Bestandsaufnahme der derzeitigen Haltungs-
Die als besonders tiergerecht eingestuften Haltungsfor-    bedingungen vorgelegt und Empfehlungen für eine
men mit freier Lüftung und Auslauf haben im Ver-           gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung entwi-
gleich zur konventionellen Tierhaltung deutlich höhere     ckelt. Der WBA hält den zentralen Zielkonflikt zwi-
Anforderungen an den Standort: Aufgrund der höhe-          schen Wettbewerbsfähigkeit und Tierschutz für lösbar.
ren Emissionen und deren bodennaher Freisetzung            Im Bereich des Tierschutzes nennt er folgende wichtige
sind regelmäßig größere Abstände zu Schutzgütern           Punkte als Leitlinien für die Entwicklung einer zu-
nötig. Bei der Änderung bestehender Betriebe hin zu        kunftsfähigen, in weiten Teilen der Bevölkerung akzep-
mehr Tierwohl ist daher in der Regel der Bestand           tierten Tierhaltung:
abzustocken, wenn die Abstände nicht ausreichen. Das
Ausmaß hängt davon ab, inwieweit emissionsmin-             1. Zugang aller Nutztiere zu verschiedenen Klimazo-
dernde Maßnahmen verfügbar sind (Forschungsbedarf,            nen, vorzugsweise Außenklima,

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NUTZTIERSTRATEGIE – ZUKUNFTSFÄHIGE TIERHALTUNG IN DEUTSCHLAND

2. Angebot unterschiedlicher Funktionsbereiche mit        Der WBA schätzt die Mehrkosten für die Umsetzung
   verschiedenen Bodenbelägen,                            der Leitlinien auf 3 bis 5 Mrd. Euro jährlich. Er sieht
                                                          diese Kostensteigerung zwar im Rahmen der von
3. Angebot von Einrichtungen, Stoffen und Reizen          einem großen Teil der Bevölkerung vorhandenen
   zur artgemäßen Beschäftigung, Nahrungsauf-             Zahlungsbereitschaft; befürchtet aber vor dem
   nahme und Körperpflege,                                Hintergrund fehlender Finanzierungskonzepte und
                                                          der internationalen Marktintegration der deutschen
4. Angebot von ausreichend Platz,                         Tierhaltung die Abwanderung von Teilen der Pro-
                                                          duktion in Länder mit geringeren Tierschutzstan-
5. Verzicht auf Amputationen,                             dards. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der WBA
                                                          einen Poltikmix sowie eine Finanzierungsstrategie,
6. routinemäßige betriebliche Eigenkontrollen an-         die ein staatliches Tierschutz­label und einen starken
   hand tierbezogener Tierwohlindikatoren,                Ausbau staatlicher Tierwohlprämien umfasst.

7. deutlich reduzierter Arzneimitteleinsatz,              Das BMEL sieht in den Empfehlungen Ansatzpunkte
                                                          für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung. Es ist Aufgabe
8. verbesserter Bildungs-, Kenntnis- und Motivations-     der Politik, die Vorschläge hinsichtlich ihrer politi-
   stand der im Tierbereich arbeitenden Personen und      schen und ökonomischen Machbarkeit zu bewerten.
                                                          Die Herausforderungen liegen darin, konkrete Politik-
9. eine stärkere Berücksichtigung funktionaler            maßnahmen zu entwickeln, die zu den notwendigen
   Merkmale in der Zucht.                                 Fortschritten in der Nutztierhaltung führen und
                                                          gleichzeitig die ökonomische Tragfähigkeit für die
                                                          landwirtschaftlichen Betriebe sichern.

      Die Herausforderungen liegen darin,
      Fortschritte in der Nutztierhaltung
      zu erzielen und gleichzeitig land-
      wirtschaftlichen Betrieben die öko-
      nomische Tragfähigkeit zu sichern.

                                                                                                                21
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