AUSBLICK - DIAKONIEWERK ESSEN
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Das Jahresmagazin des Diakoniewerks Essen AusBlick 2019 Vielfalt gestalten: Die Leitung der Sozialen Dienste geschieht im Team 10 Jahre Kindertagespflege: Ausbildungsreform im Jubiläumsjahr Mobil und flexibel: Betreutes Wohnen im Wandel der Zeit Traumberuf Koch: Erfolgreiche Ausbildung im Restaurant Church ZusammenLeben gestalten Ehrenamt auf dem Fußballplatz: Student engagiert sich für Jugendliche
Impressum Herausgegeben vom Diakoniewerk Essen Bergerhauser Straße 17, 45136 Essen Telefon 0201 · 26 64 0, Telefax 0201 · 26 64 59 59 00 info@diakoniewerk-essen.de www.diakoniewerk-essen.de Redaktion: Julia Fiedler, Kathrin Michels, Bernhard Munzel Grafik Design: Q3 design, Dortmund, www.Q3design.de Druck: Brochmann GmbH, Essen Essen, Mai 2019 Möchten Sie unsere Arbeit unterstützen? Über Ihre Spende erhalten Sie selbstverständlich eine Spendenquittung. Unser Spendenkonto: Sparkasse Essen IBAN DE34 3605 0105 0000 2179 19 BIC SPESDE3EXXX Vielen Dank! 2 AusBlick 2019
Editorial „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Artikel 1 des Grundgesetzes Liebe Interessierte an der Arbeit des Diakoniewerks Essen! den Leitsatz in die Praxis umsetzen. Sie haben es sich Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik zur Aufgabe gemacht, das Selbstbewusstsein von Men- Deutschland offiziell verkündet. Seitdem sind die Grundrechte in schen in Notsituationen, mit psychischen Erkran- den Artikeln 1 bis 19 des Grundgesetzes die Magna Charta unse- kungen sowie mit geistigen oder körperlichen Ein- Pfarrer Andreas res staatlichen Lebens. Allen voran steht Artikel 1 des Grundge- schränkungen durch gezielte Betreuungsangebote zu Müller, Vorstands- setzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und stärken und ihnen ein möglichst selbstbestimmtes Le- vorsitzender des zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Im Jahr sei- ben zu ermöglichen. Die wachsende Anzahl derer, die Diakoniewerks Essen nes 70. Geburtstages wird vielen in unserem Land bewusst, welch begleitet werden, ist ein Indiz dafür, wie viel stärker zentrale Rolle das Grundgesetz für unsere Gesellschaft spielt. An- als früher sich die individuellen Freiheits-, Selbstbestimmungs- feindungen grundlegender Prinzipien im eigenen Land fordern und Persönlichkeitsrechte des Grundgesetzes in der sozialen Ar- ebenso wie die Infragestellung von Grundelementen der freiheit- beit heute niederschlagen. lichen Demokratie in anderen Staaten dazu heraus, das Grund- gesetz neu zu entdecken und gegen seine Verächter und Bekäm- Ähnliches lässt sich für die Fachberatung Kindertagespflege beob- pfer zu verteidigen. achten. Sie feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Die Kindertagespflege beim Diakoniewerk hat eine rasante Entwick- Unser freiheitlich demokratischer Rechtsstaat stellt den rechtli- lung hinter sich, Tendenz weiterhin steigend. Die fachliche Quali- chen Rahmen dar, innerhalb dessen unser demokratisches Ge- fizierung und Begleitung der Kindertagespflegepersonen garan- meinwesen gelebt, gestaltet und entwickelt werden soll. Die Evan- tiert diese professionalisierte Betreuung mit familiärem Charak- gelische Kirche in Deutschland hat im Jahr 1985 mit ihrer Denk- ter, vor allem für Kinder unter 3 Jahren. Die angestrebte bessere schrift „Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Auftrag“ Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat ebenso wie die Entwick- eine Neujustierung im Verhältnis des Protestantismus zur Demo- lung der frühkindlichen Bildung zu einer größeren Vielfalt an kratie vorgenommen. Ausgangspunkt dafür ist die Feststellung: Betreuungsformen geführt, so dass die Kindertagespflege inzwi- „Als evangelische Christen stimmen wir der Demokratie als einer schen neben den Kitas eine anerkannte Form der Kinderbetreu- Verfassungsform zu, die die unantastbare Würde der Person als ung geworden ist. Grundlage anerkennt und achtet.“ Das positive Bekenntnis zur Demokratie, um das lange gerungen wurde, wird mit der Ach- Lesen Sie unter dem Gesichtspunkt von Freiheit und Selbstbe- tung der Menschenwürde als einer Konsequenz aus der Gottes- stimmung auch einmal das Interview zu den Sozialen Diensten, ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Die Spiel- und Gestal- die vom Diakoniezentrum aus geleitet werden. Das ist ein Tätig- tungsräume, die das Grundgesetz bietet, gilt es zu nutzen, denn: keitsbereich, der nicht weniger als 14 Arbeitsfelder umfasst, in de- „Die politische Verantwortung ist im Sinne Luthers ‚Beruf‘ aller nen sich rund 125 hauptamtlich Mitarbeitende und mehr als 70 Bürger in der Demokratie.“ Honorarkräfte und Praktikantinnen und Praktikanten einbringen. Artikel 20 des Grundgesetzes bestimmt unser Land als sozialen „Mit anderen Bürgern und Politikern nehmen wir evangelische Bundesstaat. Evangelische Kirche und Diakonie gestalten diesen Christen die Demokratie als Angebot und Aufgabe an und scheuen Sozialstaat maßgeblich mit. Dabei wandeln sich die Formen der auch nicht die Konflikte, die entstehen, wo Positionen und Überzeu- sozialen Arbeit durch neue Erkenntnisse und veränderte Heraus- gungen klar vertreten werden.“ Dieses Statement aus der evangeli- forderungen. Das lässt sich an dieser Ausgabe des AusBlicks able- schen Denkschrift gilt mehr denn je. Gerade den Menschen, de- sen. Das Jahresheft widmet sich hauptsächlich einigen Arbeitsfel- nen schnell ihre Menschenwürde aberkannt wird oder die als dern, die im neuen Diakoniezentrum Mitte angesiedelt sind. Im nicht so wichtig abgestempelt werden, gilt in der Diakonie unsere August letzten Jahres hat das erste Diakoniezentrum des Diako- Aufmerksamkeit. Damit die Arbeit gelingen kann, braucht es Mit- niewerks in der Lindenallee in der Innenstadt seine Arbeit aufge- arbeitende, die den Einsatz für eine soziale Gesellschaft zu ihrem nommen. Dort befinden sich jetzt die vielfältigen Hilfeleistungen Anliegen machen. Zwei ganz verschiedene Beispiele werden an- für wohnungslose und gefährdete Menschen, die zuvor im So- schaulich geschildert. Zum einen geht es um den „Traumberuf zialzentrum Maxstraße ihren Ort hatten. Auf den fünf Etagen des Koch“, zum anderen um ein „Ehrenamt auf dem Fußballplatz“. Diakoniezentrums ist nun ebenfalls der Sitz der Hilfen zum Darüber hinaus finden Sie wie in jedem AusBlick die wichtigsten selbstständigen Wohnen und der Leitung der Sozialen Dienste Zahlen, Daten und Fakten zum Diakoniewerk Essen sowie einen samt der Koordination der Lernförderung. Zudem verfügen die kleinen Foto-Rückblick auf das letzte Jahr. Ich wünsche Ihnen Kindertagespflege und das Fortbildungsreferat des Diakonie- eine interessante und aufschlussreiche Lektüre. Sie darf gerne werks über eigene Räumlichkeiten. zum Nachdenken, Nachfragen, Staunen, Unterstützen und Mit- machen anregen. Im Leitbild des Diakoniewerks heißt es: „Unser Handeln richtet sich an der Würde aus, mit der Gott jeden Menschen in seiner Ein- zigartigkeit ausstattet.“ Lesen Sie beispielhaft, wie Mitarbeitende aus dem Arbeitsbereich „Hilfen zum selbstständigen Wohnen“ Pfarrer Andreas Müller, Vorstandsvorsitzender 2019 AusBlick AusBlick 2019 3
Mobil und flexibel Einsatzgebiet Essen: Der stellvertretende Steigende Nachfrage, Gesetzesänderungen, Leiter Ralf Fritsch und Bereichsleiterin Katharina Schürmann (von links) optimieren Sozialraumorientierung: Strukturen und Vernetzungen, um die wach- Betreutes Wohnen im Wandel der Zeit sende Anzahl an Klientinnen und Klienten bestmöglich zu koordinieren. D er Arbeitsbereich „Hilfen zum selbstständigen Wohnen“, auch reichbarkeit ist der neue Standort nicht „Betreutes Wohnen“, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Selbst- nur für die Mitarbeitenden, sondern auch bewusstsein von Menschen in Notsituationen, Menschen mit psy- für die Klientinnen und Klienten ein ech- ter Gewinn. „Wir fühlen uns hier sehr chischen Erkränkungen sowie Menschen mit geistigen oder kör- wohl, auch, weil Synergien jetzt viel besser perlichen Einschränkungen durch gezielte Betreuungsangebote selbstbewuss- genutzt werden können“, erklärt mir Ka- ter zu machen und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Im Jahr tharina Schürmann zu Beginn unseres Ge- 2000 eingerichtet, hat der Bereich seitdem viele Änderungen erfahren. sprächs. Schon jetzt bestünde eine gute Vernetzung, etwa mit den Sozialen Diens- ten, die unter dem gleichen Dach sitzen. In einem Gespräch mit Bereichsleiterin wurde der Bereich von der Warthestraße Katharina Schürmann und dem stellvertre- in Essen-Bergerhausen hierher verlagert. Der Bereich „Hilfen zum selbstständigen tenden Bereichsleiter Ralf Fritsch möchte Hell und geräumig ist es hier, mit einem Wohnen“ ist seit den Anfängen stark ge- ich mehr über eben diese Veränderungen weiten Blick auf die Alfred-Herrhausen- wachsen. Sieben Teams arbeiten mittler- erfahren. Wir treffen uns in den neuen Brücke und den davor gelagerten Waldt- weile beim Betreuten Wohnen – zwei von Büros im Diakoniezentrum Mitte in der hausenpark – die Klientel quasi in Sicht- ihnen sind am Nebenstandort in der Essener Innenstadt. Eine räumliche Ver- weite. Dank der Nähe zum Hauptbahnhof Laarmannstraße in Essen-Borbeck unter- änderung, die sichtbar ist. Im August 2018 und der damit verbundenen guten Er- gebracht, eins davon unter der Leitung von 4 AusBlick 2019
Betreutes Wohnen Von Beginn an dabei: Im Jahr 2000 startete Bereichsleiterin Katharina Schürmann mit sechs Klienten. Heute betreut der Arbeits- bereich mehr als 300 Menschen. Ralf Fritsch. Jedes Team besteht aus etwa immer wieder mit neuen gesellschaftli- ren Ende dann Suchtproblematiken oder fünf bis sieben Personen, inklusive Team- chen Herausforderungen auseinanderset- psychische Auffälligkeiten rückten.“ Aber koordination. Zudem ist eine Qualitäts- zen und so den Veränderungsprozess mit auch hier ist der Dienst durch stetige Fort- management-Beauftragte für den gesam- innovativen Ideen maßgeblich positiv vor- und Weiterbildung der Mitarbeitenden gut ten Dienst eingesetzt. antreiben“, ergänzt Katharina Schürmann. gewappnet, um professionelle Beratung und Unterstützung anbieten zu können. Was alle 48 Fachkräfte, zehn Assistenz- Und auch bei den Klientinnen und Kli- Die positive Wahrnehmung der hohen kräfte und vier Verwaltungsfachkräfte enten hat es vielfältige Veränderungen Fachlichkeit der Mitarbeitenden zeigt sich miteinander verbindet, ist die riesige Ein- gegeben. Nicht nur, dass es immer mehr nicht zuletzt auch in der guten Nachfrage. satzbereitschaft. „Meine Mitarbeitenden Menschen werden, die Hilfe benötigen. brennen für ihren Job“, erklärt Katharina Auch die Diagnosen haben sich gewandelt. Alles Gründe dafür, dass im Laufe der Schürmann. So viel Engagement sei schon Waren es früher meist Einzeldiagnosen, letzten Jahre immer strukturierter und sehr besonders, fügt Ralf Fritsch zustim- hat man es heute mit mehreren, oft bis zu vernetzter gearbeitet wurde. „Früher ha- mend hinzu. „Die Strukturen sind heute vier Diagnosen gleichzeitig, zu tun. „Diese ben wir einfach geschaut, welche Kollegen ganz anders als früher“, erzählt er. „Im Komorbiditäten sind absolut keine Selten- freie Kapazitäten haben und die Klienten Laufe der Jahre hat es so einige Verände- heit mehr“, erläutert Ralf Fritsch. „Die danach auf die Betreuer verteilt. Dann sind rungen innerhalb der gesetzlichen Rah- Zahlen sind massiv gestiegen.“ Seiner Mei- unsere Mitarbeitenden an einem Tag teil- menbedingungen gegeben, die sich auf die nung nach spiegelt die Klientel sehr gut weise durch das ganze Stadtgebiet gefah- Arbeitsanforderungen des Dienstes ausge- unsere Gesellschaft wider: „Wir haben es ren“, erzählt Katharina Schürmann. Ir- wirkt haben“, so der stellvertretende Be- immer häufiger mit Menschen zu tun, die gendwann wurde das schlichtweg zu viel. reichsleiter. „Das uns die strukturellen Um- im Berufsleben standen und ihr Leben fest Zunehmende Verkehrsdichte, erhöhte ad- setzungen gut gelungen sind, ist nicht zu- im Griff hatten – bis ein schwerwiegendes ministrative Anforderungen und die Stei- letzt den Mitarbeitenden zu verdanken, Ereignis zum Einbruch führte, sie in über- gerung der Fallzahlen bei den einzelnen die sich auch anhand von Fortbildungen fordernde Lebensumstände brachte, an de- Mitarbeitenden erforderten auch hier eine Einsatzbereitschaft hoch 62: 48 Fachkräfte, zehn Assistenzkräfte und vier Verwaltungsfachkräfte arbeiten in insgesamt sieben Teams. AusBlick 2019 5
Mobil und flexibel neue Ausrichtung. Eine Änderung musste oder Ausflüge lernen sich die Klientinnen Und eines ist auch sicher: Der Bereich der her: Verringerung der Fahrtzeit und eine und Klienten besser kennen, es ergeben „Hilfen zum selbstständigen Wohnen“ bezirksmäßige Aufstellung – so die Lö- sich Wir-Gefühle. Zusätzlich versuchen bleibt im Wandel, um auf Änderungen sung. „Wir haben geschaut, wo unsere Kli- die Bezugsbetreuerinnen und -betreuer, und neue Anforderungen adäquat reagie- enten wohnen“, erinnert sich Ralf Fritsch. grundlegende Bedürfnisse der einzelnen ren zu können. „Es gibt noch jede Menge Das war ein Prozess von ungefähr zwei Klientinnen und Klienten zu erkennen zu tun“, macht Ralf Fritsch am Ende unse- Jahren. Katharina Schürmann fügt hinzu: und sie bei der Umsetzung ihrer Ziele zu res Gesprächs deutlich. „Wir müssen wei- „Heute arbeiten fünf von sieben Teams unterstützen. Dann wird im Umfeld ge- ter an uns arbeiten und Strukturen flexibi- stadtteilorientiert – mit Ausnahme der so- schaut, was für einzelne Personen in ihrem lisieren, um wachsenden Veränderungen – zialpädagogischen Wohnhilfe. Anders ist Sozialraum möglich ist, um sie darüber etwa bei den rechtlichen Rahmenbedin- der starke Zuwachs gar nicht zu erledigen. zusätzlich zu vernetzen – etwa über den gungen – auch zukünftig gerecht werden Denn unsere Arbeit besteht ja eben zum Beitritt zu einem Sportverein oder eh- zu können.“ So sollen die Mitarbeitenden größten Teil aus Außendienst und admini- renamtliche Aufgaben. „Das bedeutet für noch stärker entlastet und die Sozial- strativen Tätigkeiten.“ uns jede Menge Schnittstellenarbeit und raumorientierung weiterentwickelt wer- Kooperation“, erklärt Ralf Fritsch. Dabei den. Aber sowohl Katharina Schürmann Diese Umorientierung hat viele Vorteile sind die seit 2010 mit eingesetzten Assis- als auch Ralf Fritsch blicken der Zukunft mit sich gebracht. Dank der Sozialraum- tenzkräfte eine wertvolle Ergänzung und positiv entgegen: „Wir haben motivierte, orientierung rücken auch die Klientin- Unterstützung. Und auch für die Zukunft engagierte Mitarbeitende und einen durch- nen und Klienten näher zusammen. Durch gilt es, den Sozialraum mit und für die Kli- weg guten Ruf“, sind sich die beiden einig, gemeinsame Aktivitäten wie Grillabende entinnen und Klienten zu erschließen und „von daher wird uns das ganz sicher ge- sie als mündige Bürgerinnen und Bürger lingen.“ Viele Themen und jede Menge Neuig- an Entscheidungsprozessen partizipieren Kathrin Michels keiten werden während der regelmäßigen zu lassen. Besprechungen im Großteam erörtert. 6 AusBlick 2019
Betreutes Wohnen Die eigene Einstellung ist entscheidend: „Sie schaffen das – auch ohne uns!“ Wenn die Zusammenarbeit so gut funktio- niert wie mit Lars Passmann, kann man viel Schulden, Depressionen, Angststörungen und Suchtproblematiken sind häufig erreichen. die Auslöser für eine Abwärtsspirale, an deren Ende man die Kontrolle über sich dass Ihr Leben Sie ein Stück weit aus und sein Leben verliert. Und dann? Die „Hilfen zum selbständigen Wohnen“ des der Bahn geworfen hat? Diakoniewerks kümmern sich genau um solche Fälle. Sie fängt ihre Klientinnen Lars Passmann: Bei mir waren haupt- und Klienten auf und hilft ihnen Stück für Stück zurück in den Alltag. sächlich private familiäre Probleme der Auslöser. Auch ein Grund dafür, dass ich Ich treffe mich mit Saskia Niemann, Di- entenstamm. Einer ihrer Klienten ist der schon mit 18 Jahren von Zuhause ausgezo- plom-Sozialarbeiterin und -pädagogin im 24-jährige Lars Passmann (Name von der gen bin. Das war für mich damals wirklich Bereich der sozialpädagogischen Wohn- Redaktion geändert). keine einfache Lebenssituation – sowohl hilfe und einem ihrer Klienten, um mehr familiär, als auch finanziell. Zudem hatte über diese Hilfeleistung zu erfahren – und Herr Passmann, erst einmal herz- ich 2013 meine Ausbildung zum Garten- zwar von beiden Seiten. lichen Dank dafür, dass Sie bereit und Landschaftsgärtner begonnen, die ich Saskia Niemann ist seit September 2006 sind, uns einen Einblick in Ihre der- dann aber wegen einer Handgelenksver- bei den Hilfen zum selbstständigen Woh- zeitige Lebenssituation zu gewähren. letzung abbrechen musste. Zweieinhalb nen. Die Teamleiterin hat einen festen Kli- Wie kam es denn überhaupt dazu, Jahre war ich mit einem eingegipsten Arm AusBlick 2019 7
Im Gespräch Erfolgserlebnis Selbstständigkeit: Viele Klienten von Saskia Niemann schaffen es, irgendwann ohne Betreuung zurechtzu- kommen. körperlich stark eingeschränkt, saß viel Zuhause rum. Das hat mich depressiv ge- macht. Hinzu kamen Suchtproblematiken und ein, sagen wir mal, gewisses Aggres- sionspotential. Irgendwann hat mich dann einfach alles überrollt und ich habe den Bezug zum Leben verloren: Ich hatte kein Geld mehr, konnte meine Miete nicht zah- len, steckte mehrfach in lebensbedrohli- chen Situationen. Hab’ halt dumme Sa- chen gemacht. Und dann haben Sie Kontakt zum Diakoniewerk aufgenommen? Lars Passmann: Nein, dazu war ich in dieser Zeit gar nicht in der Lage. Meine Mutter hat damals das Steuer für mich übernommen. Zum Glück! Sie hat ge- merkt, dass bei mir einiges schief lief. „Jetzt immer das Verhindern von Wohnungslo- Welche Ziele wurden denn von Ihnen ist Schluss“, meinte sie und hat ein Treffen sigkeit und die Anbindung ans soziale Sys- festgelegt, Herr Passmann? Können beim Diakoniewerk eingeleitet. tem, also quasi zurück zum Ursprung. Sie uns ein paar Beispiele nennen? Lars Passmann: Haushaltsführung und Und wie ging es dann weiter? Können Sie den Hilfeplan noch Renovierung der Wohnung gehörten zu Lars Passmann: Ich hatte ein Erstge- etwas näher beschreiben? meinen festgesteckten Zielen. Kurz vor spräch bei den „Hilfen zum selbststän- Wir machen den Klienten individuelle An- Weihnachten habe ich daher angefangen, digen Wohnen“, in dem ich von meinen gebote und Vorschläge und legen schrift- die Wohnung zu tapezieren und zu reno- Problemen erzählt habe. Dann wurde ein lich gemeinsam den Bedarf in Form von vieren. Allerdings musste ich die Renovie- Antrag gestellt und ich wurde vermittelt. Zielen fest. Unsere Aufgabe ist es vor allem, rungsarbeiten vorerst wieder auf Eis legen. Selbstständigkeit und Selbstbestimmung Mir fehlt derzeit einfach das Geld. Und dann kam Frau Niemann ins Spiel? zu fördern, zu stärken und zu unterstüt- Saskia Niemann: Die meisten unserer Saskia Niemann: Ja, so ungefähr (lacht). zen. „Schauen Sie mal, dass Sie das schaf- Klienten haben ein finanzielles Problem Das Aufnahmeverfahren geht in solchen fen“, kriegen die Klienten oft von uns zu und eine Vielzahl an Folgeproblemen, die sozialen Notlagen meist wirklich sehr hören. Sehr wichtig dabei ist auch, dass es sich daraus ergeben: Briefe werden nicht schnell, denn der Leidensdruck ist ja hoch. ein freiwilliges Angebot ist. geöffnet, Fristen versäumt, Rechnungen Die sozialpädagogische Hilfe ist eine Akut- nicht bezahlt, Gerichtstermine nicht einge- hilfe, die bei Notfällen wie Gewalt, Haft- Das heißt? halten und so weiter. Aus diesem Trott entlassung oder drohender Wohnungs- Saskia Niemann: Der Klient ist immer kommen die meisten alleine nicht mehr losigkeit greift. Die Prozeduren sind daher der Auftraggeber. Das macht was mit heraus. Sie haben einfach den Überblick zügig und prägnant. So können wir unsere einem. Er entscheidet selbst, ob er unsere verloren und schaffen es nicht mehr, alles Klienten nach Abschluss eines Betreu- Hilfe annimmt oder nicht. Die Zusam- zusammenzutragen, was von Ämtern oder ungsvertrags meist schon am gleichen oder menarbeit hängt also stark von der Mitar- Gerichtswegen von ihnen gefordert wird. darauffolgenden Tag Unterstützung und beit der Klienten ab. Ganz nach dem Uno- Viele benötigen deshalb zusätzlich auch ei- Betreuung anbieten. Etwa bei der Beantra- actu-Prinzip – ohne die Klienten geht gar ne gesetzliche Betreuung. gung von Sozialleistungen oder anderen nichts. Angelegenheiten, nachdem wir im Hilfe- Lars Passmann: Ja, stimmt, das war mir Wie kann ich mir Ihre Hilfe plan den Ist-Zustand und den daraus von Anfang an wichtig, dass die Selbststän- konkret vorstellen? resultierenden Bedarf ermittelt haben. digkeit gewahrt wird. Ich bin ja alt genug Saskia Niemann: Die Mitarbeitenden in Unser wichtigstes Ziel ist dabei zuallererst und vorschreiben lasse ich mir eh nichts. diesem Arbeitsbereich betreuen bei einer 8 AusBlick 2019
Betreutes Wohnen Vollzeitstelle zwischen 15 und 17 Klienten. Dreimal in der Woche gehe ich zum Off- und 40 Jahre alt. Und: Die Probleme äh- Das bedeutet zwei Dienstleistungsstunden enen Treff im Diakoniezentrum. Es tut mir neln sich. Viele von ihnen haben Schulden pro Klient pro Woche – entweder per gut, mich mit anderen auszutauschen. Und und leiden unter Depression, Angststö- Hausbesuch oder manchmal auch nur via ich kann hier den Kopf freikriegen. rung oder Suchtproblematiken. Es geht ei- Telefonkontakt. Gerade in der Anfangszeit Saskia Niemann Den Offenen Treff bie- nem oft sehr nahe, welche Schicksale die können mehr Stunden in der Woche gelei- ten wir unseren Klienten zu festen Zeiten Menschen aus dem Leben gerissen haben. stet werden, da häufig viel zu erledigen ist. immer montags, donnerstags und freitags Manchmal sind es Krankheiten, aber auch Im weiteren Verlauf der Betreuung relati- hier in unseren Räumlichkeiten im Diako- der Verlust eines geliebten Menschen, im viert sich das meistens. Die bewilligten niezentrum Mitte an. Aber auch Leute, die schlimmsten Fall des eigenen Kindes. Da Dienstleistungsstunden für ein Jahr sind sich interessieren, sind willkommen – kann man den Schmerz regelrecht nach- als Kontingent zu verstehen, mit dem man meist wohnungslose oder aus der Haft ent- fühlen und die derzeitige Lebenslage ist haushalten muss. Im konkreten Fall von lassene Menschen. Die Teilnehmenden durchaus nachvollziehbar. Herrn Passmann öffnen und bearbeiten können sich austauschen oder auch Kon- wir in dieser Zeit zum Beispiel gemeinsam takt zu den Fachkräften vor Ort aufneh- Umso wichtiger ist da wahrschein- seine Post, schauen, was gefordert wird. Ich men, um mit ihnen etwa Briefe zu öffnen lich der soziale Kontakt mit Gleich- begleite ihn aber auch zu Ämtergängen, oder Fragen zu klären. Der Offene Treff ist gesinnten. Dass man merkt, dass zum JobCenter oder Ausbildungsterminen ebenfalls freiwillig und wird wirklich sehr man nicht alleine ist, oder? und erinnere ihn vorab an Unterlagen, die gut von unseren Klienten angenommen. Lars Passmann: Ganz genau. Der Offene er mitbringen muss oder helfe ihm bei Freitags gibt es immer ein Frühstück. An Treff tut mir wirklich gut, gibt mir ein Bewerbungsschreiben. Wir vereinbaren den anderen Tagen bieten wir Koch- oder Gefühl von Verbundenheit. Auch wenn ich diese Termine je nach Bedarf und wenn es Backangebote. Auch unsere Spielnachmit- mal keine Lust habe, hinzugehen, raffe ich zumindest einem von uns beiden notwen- tage sind sehr beliebt. Und ab und an ma- mich trotzdem auf. Letztens habe ich einen dig erscheint. Eben ganz individuelle Hilfe, chen wir schon mal einen gemeinsamen Bekannten mitgenommen. „Da kann man die von Jahr zu Jahr immer neu entschie- Ausflug. was gegen seine Probleme machen“, habe den wird. ich zu ihm gesagt. Ihm hat es dort auch ge- Was sind das für Menschen? Sind fallen. Und Ihr Tagesablauf, Herr Passmann, es die gleichen Problematiken? Saskia Niemann: Die Förderung sozialer wie sieht der momentan aus? Saskia Niemann: Die Gruppenzusam- Kontakte ist sehr wichtig und Teilziel des Lars Passmann: Ich stehe auf und gucke, mensetzung ist natürlich heterogen. Aber Hilfeplans. Außerdem strukturiert der Of- dass meine Wohnung in Schuss bleibt. der Großteil der Personen ist zwischen 35 fene Treff auch ein Stück weit den Tages- Hilfen zum selbstständigen Wohnen: Verteilung der Klientinnen und Klienten Gesamt: 313 Personen 238 Personen im Bereich der Eingliederungshilfe, davon 156 Menschen mit psychischer Erkrankung 65 Menschen mit Intelligenzminderung 13 Menschen mit Suchterkrankung 4 Menschen mit Hörbehinderung 75 Personen im Bereich der sozialpädagogischen Wohnhilfe Stand: März 2019 AusBlick 2019 9
Während des „Offenen Treffs“ im Diakonie- zentrum Mitte können die Klientinnen und ablauf unserer Klienten. Es wird oft unter- genauso wichtig. Apropos – ich finde ja, Klienten gemeinsam frühstücken, kochen schätzt, wie wichtig es ist, einen geregelten dass Sie sich Ihre Situation gerade passend oder einfach untereinander und mit den Alltag zu haben. vor Augen geführt haben, Herr Passmann, Betreuerinnen und Betreuern ins Gespräch Lars Passmann: Und die Gespräche. Psy- Stichwort „Selbstverantwortung“. Es sind kommen. chologengänge wären mir im Moment nämlich nicht immer die anderen schuld. echt zu viel. Ich hol mir die Therapie eher Diese Selbsterkenntnis ist wichtig, um sein ehemalige Klienten, denen es gut geht, die hier. Die Empathie und Menschenkennt- Leben wieder in den Griff zu kriegen. Denn etwa auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst ha- nisse der Mitarbeiter reichen völlig aus. nur, wenn unsere Klienten es auch selber ben, aber sagen; „Ich kenn da jemanden, Saskia Niemann: Wobei wir natürlich wollen, können sie es schaffen. der braucht dringend Hilfe.“ Das ist die keine Therapeuten sind! beste Mund-zu-Mund-Propaganda. Man Lars Passmann: Ja, aber ihr seid da, wenn Wie sieht es denn mit der sieht eben nicht nur Schicksale, sondern andere sich wegdrehen. Mir gibt das ein- Erfolgsquote aus? auch jede Menge Erfolge. fach Stabilität und es hilft mir sehr, zurück Saskia Niemann: Abbrüche sind durch- ins Leben zu finden. Und obwohl ich die aus keine Seltenheit. Und wir stehen auch So wie bei Herrn Passmann? Verantwortung für mein Handeln über- oft vor verschlossenen Türen. Aber es sind Saskia Niemann: Kann man so sagen. Im nehme, ist es trotzdem ein Miteinander. ebenso viele Menschen darunter, die es Gegensatz zu dem Punkt, als Herr Pass- Was ich auch sehr schätze: Man wird für irgendwann schaffen, ohne uns zurechtzu- mann das erste Mal zu uns kam, ist sein sein Verhalten nicht ständig kritisiert, be- kommen. Denn das ist ja unser eigentli- Leben mittlerweile sehr viel geregelter, mit kommt nicht nur den Finger in die Wunde ches Ziel. Darüber freut man sich dann Blick nach vorne. Und er macht eben nicht gelegt. natürlich sehr. Es gibt auch Klienten, da mehr alle anderen für sich verantwortlich. Saskia Niemann: Aber Schranken und bleibt der Kontakt bestehen, die rufen im- Türen haben wir durchaus angesprochen. mer mal wieder an und es kommt zum Ge- Das klingt nach Erfolg. Empfinden Da kann ich mich schon noch an Situa- spräch. Sympathien spielen dabei natür- Sie das auch so? tionen erinnern, wo wir einen Schluss- lich auch eine große Rolle. Lars Passmann: Doch, ich empfinde mich strich ziehen mussten: „Heute kommen auch als sehr viel zuverlässiger im Ver- wir so nicht voran. Wir machen morgen da Also nicht nur Frust, sondern auch gleich zu früher. Und ich bin mittlerweile weiter, wo wir heute aufgehört haben.“ viele positive Rückmeldungen? alleine erfolgreich, nicht nur wegen meiner Aber natürlich geben wir auch positive Saskia Niemann: Auf jeden Fall! Das Mutter. Das waren zwar mehr als schlechte Rückmeldungen, die sind ja mindestens schönste Lob ist für uns die Akquise durch sechs Jahre, aber die waren wahrscheinlich 10 AusBlick 2019
Betreutes Wohnen notwendig, um der Mensch zu sein, der ich sein, habe also noch jede Menge Ziele, die bung habe ich im BIZ gesehen und mit heute bin – oder besser, der ich zukünftig ich gemeinsam mit Frau Niemann errei- jeder Zeile wurde der Wunsch, genau das hoffentlich sein werde. chen will. Und ich will wieder arbeiten, am machen zu wollen, größer. liebsten irgendetwas mit Autos machen. Sie sind also noch nicht mit sich KFZ-Mechatroniker oder besser noch, eine Dann wünsche ich Ihnen für Ihre fertig. Wo sehen Sie sich denn in duale Ausbildung zum KFZ-Mechatroni- Zukunft alles Gute und bedanke naher Zukunft? ker und Personenwagentechniker verbun- mich bei Ihnen beiden für das Lars Passmann: Ich will aufwachen, auf- den mit einem Auslandsaufenthalt. Das offene Gespräch. stehen, nicht mehr so faul und chaotisch wäre mein Traum. Die Stellenbeschrei- Das Gespräch führte Kathrin Michels Hintergrund: Leistungsberechtigte und Aufnahmeverfahren Wer erhält die Hilfen zum selbstständigen Wohnen? Eingliederungshilfe Das Angebot der „Hilfen zum selbstständigen Wohnen“ bietet ambulante Einzelfallhilfen Im Bereich der Eingliederungshilfe verein- auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches XII an. Im Rahmen der Eingliederungshilfe baren die Personen oder die Kooperations- erfolgen die Dienstleistungen gemäß der Paragrafen 53ff, im Rahmen der sozialpädago- partner einen Termin für ein Informati- gischen Wohnhilfen gemäß der Paragrafen 67ff. onsgespräch. Neben umfänglichen Aus- künften zu den Dienstleistungen dient das Eingliederungshilfe Gespräch auch der Beratung und der Klä- Leistungsberechtigt sind Menschen, die infolge einer gesundheitlichen Störung in ihrer rung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, „wesentlich“ eingeschränkt sind. Hierzu zählen Häufig ergibt sich auch erst im Laufe des Menschen, bei denen eine körperliche und/oder geistige und/oder seelische Behinderung Gesprächs die Zuordnung zu dem entspre- vorliegt. Bei diesen und anderen Personenkreisen – wie etwa bei suchterkrankten Men- chenden Leistungsträger. schen – muss die wesentliche Behinderung durch ein fachärztliches Attest nachgewiesen Zurzeit existiert in diesem Bereich eine werden. Der Behinderungsbegriff und die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Teil- Warteliste. Während der etwa dreimonati- habe am Leben in der Gemeinschaft wird als Abweichung vom alterstypischen Zustand gen Wartezeit finden Stützgespräche statt, definiert. um den Kontakt zu halten und bei allen für den Bewilligungsprozess notwendigen Un- Sozialpädagogische Wohnhilfe terstützungsleistungen behilflich zu sein. Leistungsberechtigt sind Menschen, die sich in besonderen Lebensverhältnissen befinden, in denen die von der Gesellschaft als üblich angesehenen Mindeststandards unterschrit- Sozialpädagogische Wohnhilfe ten werden. Diese Lebensverhältnisse sind mit sozialen Schwierigkeiten verbunden, die Da es sich bei der Sozialpädagogischen nur überwunden werden können, wenn die besonderen Lebensverhältnisse beseitigt wer- Wohnhilfe aufgrund des Vorliegens einer den. Die soziale Notlage geht über die durch andere Sozialgesetzbücher abgedeckten sozialen Notlage um eine Akutmaßnahme Risiken des Lebens wie Krankheit, Behinderung, Einkommensarmut oder Arbeitslosig- handelt, darf es hier keine längere Warte- keit hinaus. Menschen, die diesem Personenkreis zugerechnet werden, befinden sich in zeit geben. Durch die räumliche Nähe zur einer existenziell bedrohlichen sozialen Lage und daher in einem Zustand besonderer Not Ambulanten Gefährdeten- und Woh- und Schutzlosigkeit. Es handelt sich daher um eine Akuthilfe, da sie aus eigener Kraft nungslosenhilfe im Diakoniezentrum Mit- nicht fähig sind, diese sozialen Notlagen zu überwinden. Daher müssen Bedarfe zügig te geschieht die Vermittlung falls möglich und zeitnah gedeckt werden. tagesaktuell. Der dreimal in der Woche stattfindende „Offene Treff“ bietet zusätz- Wie erhält man die Hilfen zum lich eine offene Sprechstunde, die gleich- selbstständigen Wohnen? zeitig eine sehr zeitnahe Unterstützung bei Neben der Vermittlung durch werksinterne Einrichtungen und Dienste werden die Hilfen der Antragstellung von entsprechenden zum selbstständigen Wohnen auch durch die Kontaktaufnahme externer Kooperations- Sozialleistungen ermöglicht. partner wie etwa dem Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes der Stadt Essen, den Sozialen Diensten der Krankenhäuser und den Tagesstätten für psyisch er- krante Menschen, der Bewährungshilfe, dem Ambulanten Sozialen Dienst des Jugend- amtes der Stadt Essen sowie durch gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer und auch auf- grund von Eigeninitiative initiiert. AusBlick 2019 11
Interview Auf zum nächsten Klienten: 70 % ihrer Arbeitszeit ist Teamleiterin Bogumila Pogrzeba unterwegs. und psychischen Störungen. Viele von ih- nen waren zuvor lange Zeit in stationärer Unterbringung und haben das Alltags- leben regelrecht verlernt oder sind nicht in der Lage, alleine zu wohnen, etwa auf- grund mangelnder Intelligenz. 3. Was reizt Sie an Ihrer Arbeit? Ganz eindeutig: Der Mensch! Das hat mich mit 36 Jahren dazu bewogen, in diesem Bereich tätig zu werden und fasziniert mich auch weiterhin. Bei den Sozialpäda- gogen herrscht im Allgemeinen ja die Überzeugung, alle drei bis vier Jahre den Bereich zu wechseln. Aber: In meinem Job gibt es keine Langeweile oder negative Mo- tivation. Weil kein Klient und kein Tag dem anderen gleicht. 4. Es gibt aber doch bestimmt auch ein paar alltäglich zu erledigende Aufgaben? Klar, der Großteil unserer Arbeit besteht aus Face-to-Face-Kommunikation. Aber wenn Sie jetzt vielleicht denken, wir sitzen in unseren Büros und unsere Klienten kommen hierher – so ist es nicht. Meine Kollegen und ich sind immer auf dem Sprung. Unser Arbeitsplatz ist das Auto. Wir sind ständig unterwegs, fahren von Klient zu Klient, etwa von Huttrop nach Kettwig und zurück zur Dienststelle in der Lindenallee. Dort findet ja zum Beispiel auch der Offene Treff statt. Ich habe keine geregelten Arbeitszeiten, aber ich bin Immer auf dem Sprung: 10 Fragen schätzungsweise 70 % meiner Arbeitszeit unterwegs und nur etwa 30 % verbringe an Bogumila Pogrzeba ich im Büro. Was die alltägliche Arbeit mit unseren Kli- Die gebürtige Polin ist Diplom-Sozialpädagogin und Teamleiterin der Einglie- enten anbelangt, würde ich es so ausdrü- derungshilfe bei den „Hilfen zum selbstständigen Wohnen“. Mit 29 Jahren kam cken: Wir greifen ihnen unter die Arme sie nach Deutschland, war zunächst als Medizinisch-technische Assistentin tä- und unterstützen sie im Alltag. Dabei müs- tig und wollte dann etwas ganz anderes: Für und mit Menschen arbeiten. sen wir sehr organisiert vorgehen. Es ist nämlich die Struktur, die unseren Klienten 1. Frau Pogrzeba, seit wann arbeiten also seit den Anfängen dabei. Und ich ver- fehlt: Briefe türmen sich oft bergeweise in Sie beim Diakoniewerk Essen? rate Ihnen gerne, dass ich einen meiner den Schränken. Es fällt schwer, da den Ich bin seit März 1997 beim Diakoniewerk ersten Klienten heute immer noch betreue. Überblick zu behalten. tätig, das damals noch Ev. Heimstätten- Auch Einkaufs- oder Arztbegleitungen werk hieß. Zuerst als Praktikantin im An- 2. Wer sind denn Ihre Klientinnen gehören zu unserem beruflichen Alltag. erkennungsjahr im Wilhelm-Becker-Haus und Klienten? Und das bedeutet für uns als Betreuer und nachher als Leitung der dortigen Ver- Es sind vielfach Menschen mit geistiger nicht, im Wartezimmer zu sitzen und in selbstständigungsgruppe, aus der im März Behinderung, darunter einige mit Mehr- Zeitschriften zu blättern. Unsere Klienten 2000 dann die „Hilfen zum Selbststän- fachdiagnosen, Hörgeschädigte, aber auch leiden vielfach unter Phobien und Angst- digen Wohnen“ entstanden sind. Ich bin Menschen mit psychischen Erkrankungen störungen. Ein Arztbesuch wird da schnell 12 AusBlick 2019
Betreutes Wohnen zum Martyrium. Sie brauchen dafür eine die wohl wichtigsten Eigenschaften für gezielte und geschulte Unterstützung. die Arbeit mit unseren Klienten. Hinzu Auch der Vorstellung, dass Menschen mit kommt eine große Portion Engagement geistiger Behinderung sich einfach leiten und, ganz wichtig, Einfühlungsvermögen. lassen, muss ich widersprechen. Es sind Wir arbeiten hier mit Menschen – auf sie Menschen wie Sie und ich, Menschen mit muss man eingehen können. Das hängt Zielen, Höhen und Tiefen. Nur die Metho- natürlich auch stark davon ab, ob die Che- mente, immer dann, wenn Fortschritte zu dik der Zusammenarbeit ist eine andere. mie zwischen Betreuer und Klient stimmt. sehen sind. Aber natürlich auch jede Men- Deshalb arbeite ich selbst auch nicht mit ge Elend. Man trifft auf Menschen in Ex- 5. Welche Ziele wollen Sie gemeinsam jedem Klienten. Wenn es nicht passt, dann tremsituationen, Menschen mit schweren mit Ihren Klientinnen und Klienten macht es keinen Sinn, dafür ist die Zusam- psychischen Problemen – da fällt es un- erreichen? menarbeit einfach zu eng. heimlich schwer, loszulassen. Aber ich ha- Unsere Klienten leben in ihrem eigenen be mit der Zeit gelernt, ganz strikt Beruf angemieteten Wohnraum – alleine oder in 7. Wo sehen Sie noch Grenzen? und Privatleben zu trennen. Das gelingt WG‘s. Hauptziel ist es daher, möglichst Grenzen sehe ich zum Beispiel in der zeit- mir wirklich gut. Der regelmäßige Aus- selbstständig leben zu können. Um das zu lichen Strukturierung. Man betreut ja tausch mit den Kolleginnen und Kollegen, erreichen, ist Tagestrukturierung die wich- nicht nur einen Klienten, sondern mehrere Reflexionsgespräche und Fortbildungen tigste Maßnahme. Unsere Klienten müs- Klienten gleichzeitig. Man muss Termine helfen zusätzlich. Außerdem haben wir sen lernen, ihren Alltag zu meistern. Denn koordinieren und versuchen, den Zeit- zehn mal Supervision im Jahr. Für alles das Menschen, die einen festen Tagesablauf mangel zu kompensieren, indem man muss man allerdings auch Zeit finden. Zeit, haben, erkranken seltener und sind in der Zwischenräume reduziert. die man manchmal einfach nicht hat. Lage, das eigene Leben bewusst zu gestal- Schwierig wird das zum Beispiel, wenn ten und zu organisieren. Wichtig dabei ist man auf bestimmte Zeiten angewiesen ist. 9. Wie holen Sie sich Ausgleich? auch das Zusammenspiel aus sinnvoller Wenn man etwa Termine auf dem Amt Ich genieße mein Privatleben. Ich reise Beschäftigung und gezielten Freizeitakti- hat, mit Öffnungszeiten von 8.00 bis 13.30 gerne und viel. Meinen Urlaub verbringe vitäten. Deshalb versuchen wir zunächst, Uhr, und der Klient berufstätig ist. Folglich ich meist an der Ostseeküste in meiner unsere Klienten in einen Arbeits- oder Be muss er sich einen Tag Urlaub nehmen, Heimat Polen. Auch in Europa kenne ich schäftigungsprozess zu involvieren. um die Angelegenheiten persönlich erledi- mich mittlerweile gut aus. Ich mache viele Gleichzeitig ist es wichtig, ihnen zu zeigen, gen zu können. Wenn dann noch lange Städtetrips mit meinem Mann oder mei- wofür es sich zu leben lohnt – Stichwort Wartezeiten vor Ort hinzukommen, an ner Tochter. Meine Familie, meine Enkel- „Freizeitgestaltung“. Sie müssen sich vor- deren Ende man erfährt, dass der betreu- kinder und meine Freunde sind einfach die stellen, dass viele unserer Klienten früher ende Mitarbeiter Urlaub hat und man ei- besten „Batterienfüller“, die man sich vor- in betreuten Wohnheimen untergebracht nen neuen Termin vereinbaren muss, dann stellen kann. waren. Beschäftigungen und Aktivitäten ist das einfach nur frustrierend – für den wurden für sie organsiert. Jetzt müssen sie Klienten, aber auch für mich. Da kann 10. Die eine Hälfte Ihres Lebens haben selbst aktiv werden und lernen: Was mache man sich nämlich noch so gut strukturie- Sie in Polen gelebt, die andere Hälf- ich am Wochenende? Was ist Urlaub? Wie ren. Das ist dann einfach nur vergeudete te leben Sie jetzt schon in Deutsch- entspanne ich? Auch dabei helfen wir, ge- Zeit. Zeit, die für wichtige Belange anders- land; 2019 sind es ziemlich genau hen mit unseren Klienten zum Beispiel in wo fehlt. 29 Jahre. Wie sieht es mit den kom- die Gruga oder veranstalten Grillnachmit- menden 29 Jahren aus? Haben Sie tage. So lernen sie auch ihr soziales Umfeld 8. Wie nah lassen Sie die Arbeit Pläne? kennen und können Kontakte knüpfen, denn generell an sich heran? Schwierige Frage. Meine Mutter und Teile das A und O der Freizeitbeschäftigung. Als Betreuer dringen wir stark in das meine Familie leben in Polen. Weil ich be- Ansonsten werden natürlich ganz indi- Privatleben unserer Klienten ein. Wir müs- ruflich immer sehr eingebunden bin, wür- viduelle Ziele im Hilfeplan festgelegt, die sen uns dabei immer hinterfragen: Wie de ich liebend gerne mehr Zeit mit ihr in wir gemeinsam mit unseren Klienten erar- weit dürfen wir gehen? Wann lässt man Polen verbringen. Aber dann sind da auch beiten. sich etwa duzen und wann werden damit noch meine verheiratete Tochter, meine Grenzen überschritten? All das hängt Enkelkinder und Freunde. Sie leben hier 6. Was ist Ihrer Meinung nach die natürlich vom Klienten ab und muss ganz in Deutschland. Auf keinen Fall möchte wichtigste Voraussetzung für individuell entschieden werden. Zu stark ich getrennt von ihnen leben. Wahrschein- Ihren Job? entgegengebrachtes Vertrauen birgt näm- lich geht’s je nach Lebenssituation weiter Neben dem Fachwissen, das man durch lich immer auch eine Gefahr für die wie bisher – mal hier mal da, da ich mich Ausbildung und Studium mitbringen Mitarbeiter. Die Arbeit ist einfach sehr in beiden Länder beheimatet fühle. muss, sind Strukturiertheit und Flexibilität intensiv. Wir erleben viele freudige Mo- Das Interview führte Kathrin Michels AusBlick 2019 13
Rasante Entwicklung: 60 Kinder sind 10 Jahre Kindertagespflege: Professionalisierte im Jahr 2009 durch die Fachberatung in Kindertagespflege vermittelt worden. Betreuung mit familiärem Charakter 2018 waren es schon mehr als 800, Tendenz weiterhin steigend. Z ehn Jahre betreut und qualifiziert die Fachberatung Kindertages- pflege des Diakoniewerks Kindertagespflegepersonen und ist zu- ser Ansatz war von Anfang an“, so Anja gleich Ansprechpartner für Eltern, die einen Kindertagespflege- Wolff, „dass wir uns nicht als allwissende pädagogische Instanz über unseren Tages- platz für ihr Kind suchen. Aus den zwei Köpfen, die sich 2009 in den pflegepersonen verstehen, sondern auf Anfängen eine Vollzeitstelle geteilt haben, ist mittlerweile ein zwölfköpfiges Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Tages- Team geworden – Tendenz: wachsend. pflegepersonen an der Basis, wir Fachbera- terinnen und Fachberater als Ansprech- Die Pionierarbeit haben damals Anja Wolff Kinder in die Vermittlung zu bekommen, partner und Vermittler dahinter.“ und Wilfried Kasper-Palmer geleistet. Anja war die Zielmarke des ersten Jahres. Denn Wolff hatte zuvor das Freizeitreferat gelei- diese Zahl entsprach den Vorgaben für Kindertagespflege wird zunehmend tet, Wilfried Kasper-Palmer war für die eine Vollzeitstelle in der Fachberatung. auch für pädagogische Fachkräfte at- Ambulanten Hilfen zur Erziehung tätig. „Wir hatten durchaus Sorge, dass wir das traktiv Beide mit Lust im Gepäck, sich auf etwas so schnell nicht erreichen würden“, erzählt Ein bis zwei Qualifizierungskurse hat die Neues einzulassen und einen Bereich ganz Anja Wolff. Doch es lief besser als erwartet. Fachberatung ab 2010 jährlich angeboten. neu aufzubauen. „Manchmal jedoch“, gibt Schon 2010 konnte das Diakoniewerk mit Da sorgfältig ausgewählt wird und nur Anja Wolff lachend zu, „habe ich mich dem ersten eigenen Qualifizierungskurs Teilnehmende aufgenommen werden, die schon gefühlt wie im ersten Lehrjahr.“ 60 starten. Es gab tatsächlich Nachfrage. „Un- auch eine Eignung für diesen Beruf mit- 14 AusBlick 2019
Fachberatung Kindertagespflege bringen, ist der Stamm der Tagespflegeper- pädagogen sowie Sozialpädagoginnen und aus Berufen am Bau, hatten aber festge- sonen, die alle auf einem annähernd glei- Sozialpädagogen in die Tagespflege. Sie stellt, dort einfach nicht mehr reinzupas- chen Qualifizierungsstand sind, kontinu- schätzen die Arbeit in übersichtlichen sen. Im zur Ausbildung gehörenden Kol- ierlich gestiegen. Viele haben nach der Gruppen und kleinen Teams, was viel kre- loquium hat der vorherige Beruf aber Qualifizierung in der Tagespflege eine ative Gestaltungsfreiheit lässt. „Back to the dann doch kreative Verwendung gefunden, echte Jobperspektive gefunden, von der roots, wieder wirklich mit Kindern arbei- nämlich in Form eines selbst entwickelten sich leben lässt. So zum Beispiel Sabine ten“ – das ist es, was viele sich wünschen. Fingerspiels über einen Bagger. Lemm aus der in Kooperation mit der Adolphi-Stiftung geführten Kindertages- Auch Männer entdecken den Beruf immer Kindertagespflege ist mittlerweile ein pflege „Elfenwald“, die auf dem Gelände mehr für sich. Von den aktuell 216 Tages- professionalisiertes und etabliertes Be- des Paulusquartiers an der Steeler Straße pflegepersonen sind 26 männlich. Für die treuungsangebot für kleine Kinder in Essen-Huttrop liegt. Tagespflegestellen ist das oft ein Segen. Kindertagespflege ist schon lange aus der Gemischte Teams erfüllen den Anspruch Nische raus und hat sich von dem Vor- Für sie ist Kindertagespflege wirklich der an eine familiennahe Tagesbetreuung noch urteil befreit, so etwas wie eine Notlösung Beruf geworden, den sie mit Herzblut aus- einmal anders. „Männer spielen auf ihre für nicht ausreichend vorhandene Krip- übt und gegen keinen Beruf der Welt mehr Weise mit den Kindern, haben andere penplätze zu sein. Der Trend geht auch in eintauschen möchte. Aktuell bildet sie Ideen und die Kinder lieben diese Vielfalt“, der Kindertagespflege zunehmend weg sich im 100-Stunden-Kurs „inklusive Ta- berichtet Anja Wolff. Die Hintergründe, von der Betreuung im privaten Umfeld hin gespflege“ fort. Zunehmend wechseln aber warum Tagespflegepersonen den Beruf zu einer Betreuung in angemieteten Räu- auch bereits ausgebildete Erzieherinnen wechseln, sich neu qualifizieren lassen, men, oft auch im Verbund, in sogenannten und Erzieher, Heilpädagoginnen und Heil- sind vielfältig. Zwei Teilnehmende kamen Großtagespflegestellen. Derzeit arbeiten nur noch 74 vom Diakoniewerk betreute Mittlerweile sitzt das Team der Fachberatun Kindertages- Tagespflegepersonen in Privaträumen zu pflege in der Kreuzeskirchstraße in der Essener City. Hause, 33 allein in angemieteten Räumen AusBlick 2019 15
Fachberatung Kindertagespflege und 109 in Großtagespflegestellen. Als „Verband der Verbünde“ wird das Werk daher schon bezeichnet. Während eine Kindertagespflegeperson allein bis zu fünf Kinder betreuen darf, werden in der Groß- tagespflege zu zweit oder zu dritt bis zu neun Kinder betreut. Fachberatung ist auch Ansprechpart- ner für Eltern und Kinder Die Fachberatung Kindertagespflege ist nicht nur für die Tagespflegepersonen da, sondern übernimmt auch den Erstkontakt zu den Eltern. Hier finden die Vermitt- lungsgespräche statt, hier werden die Ver- träge vorbereitet. Aber auch Eltern von Kindern, die bereits in der Tagespflege Sabine Lemm hat in der Kindertagespflege „Elfenwald“ ihre Berufung gefunden. sind, können sich jederzeit mit Fragen, Zunehmend entdecken auch Männer den Beruf des Kindertagespflegers für sich. Sorgen und Schwierigkeiten bezüglich der Betreuung ihrer Kinder an die Fachberate- die über das Kindertagespflege-Netzwerk Know-how sowohl in die Qualifizierungs- rinnen und -berater wenden. des Diakoniewerks betreut werden. kurse einfließen lässt, als auch bei Bedarf die Kindertagespflegepersonen vor Ort Auch auf die Sorge vieler Eltern, was pas- Das Team der Fachberatung ist über die beraten kann, wenn noch einmal ein an- siert, wenn die Tagespflegeperson krank Jahre nicht nur gewachsen – auch die Zu- derer therapeutischer Blick auf eine Situ- wird, kann entgegnet werden. Für solche ständigkeiten sind ausgefeilter und klarer ation gefragt ist. Fälle gibt es das Vertretungsteam, das von geregelt worden. Monika Schwientek küm- Sabrina Soling organisiert wird. Und es mert sich um alle Fragen rund um das Am 21. September 2019 wird die Fachbe- gibt eine Vertretungsgruppe, die im Herbst Anmeldeportal „Little Bird“, Fortbildun- ratung Kindertagespflege in der Apostel- 2018 in neue Räumlichkeiten in die Savig- gen und kollegiale Beratungen, während kirche in Essen-Frohnhausen ihr zehnjäh- nystraße 71 in Essen-Frohnhausen gezo- zum Beispiel Yvonne Petereit die Ansprech- riges Jubiläum feiern. Anja Wolff hat die gen ist. Ausgestattet mit einer Bewegungs- partnerin für die Qualifizierungskurse ist. „Lehrjahre“ überstanden, ist geblieben landschaft nach Emmi Pikler sind hier Extern gibt es eine Kooperation mit der und Teamleiterin geworden. Wilfried Kas- übergangsweise alle Kinder willkommen, Ergotherapeutin Annette Wolff, die ihr per-Palmer hat sich nach der Anfangszeit anderen Aufgaben zugewandt, doch auch Das Vertretungsteam springt dann ein, wenn die Tagespflegeperson mal krank wird. er ist der Kindertagespflege verbunden ge- blieben, leitet immer noch den Männer- stammtisch und bringt sich als Supervisor in den Fortbildungen ein. Julia Fiedler Zahlen: Aktuell werden 216 Tagespflegepersonen vom Diakoniewerk koordiniert, die rund 800 Kinder betreuen – bis Jahresende könnte die 1000er-Marke überschritten werden. 74 Kindertagespflegepersonen ar- beiten in ihren eigenen Räumen zu Hause, 33 Kindertagespflegepersonen allein in angemieteten Räumen, 109 Kindertages- pflegepersonen in Großtagespflegestellen. Das Diakoniewerk Essen ist mit seiner Fachberatung Mitglied im Bundesverband Kindertagespflege. 16 AusBlick 2019
Hintergrund: Zehn Jahre Fachberatung Kindertagespflege im Überblick 2009 ist die Stadt Essen an das Diakonie- Teamgröße freigestellt werden können und nach dem neuen Qualifizierungshandbuch werk mit dem Auftrag herangetreten, eine die Kindertagespflegeberatungen einen und umfasst damit 300 Stunden nach dem Fachberatung für Kindertagespflege aufzu- Verwaltungskräfteanteil bekommen. Die Curriculum des Deutschen Jugendinstituts bauen. Hintergrund war der ab 2013 in Qualifizierung neuer Kindertagespflege- (dji). Das ist zwar noch nicht verpflich- Kraft tretende Rechtsanspruch von Eltern personen soll generell auf ein 300-Stun- tend, aber das Team der Fachberatung hat auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder, den-Curriculum ausgeweitet und der Wei- sich entschlossen, schon jetzt danach zu die ihr erstes Lebensjahr vollendet haben. terbildungskurs „Inklusion“ unbedingt arbeiten. Neu daran ist eine Ausbildung in Es war absehbar, dass der Kitaausbau nicht fortgeführt werden. Zudem sollen auch in zwei Blöcken. Block 1 umfasst wie gehabt so schnell würde voranschreiten können, der Kindertagespflege Sprachmittlerin- 160 Stunden Unterricht inklusive Praktika, um diesem Rechtsanspruch zu genügen. nen und -mittler zum Einsatz kommen Hausarbeit und Abschlussarbeit. Das Prak- Was zunächst also eher als eine Übergangs- dürfen. tikum absolvieren die Teilnehmenden lösung geplant war, ist mittlerweile eine ei- beim Diakoniewerk möglichst in einer gene, fest etablierte und aus der Betreu- Die Qualifizierung – Wer kann Kinder- Kindertagesstätte, um auch die Arbeit dort ungslandschaft nicht mehr wegzudenken- tagespflegeperson werden? kennenzulernen. Ist der erste Block bestan- de Säule in der Betreuung von kleinen Kin- Um in der Kindertagespflege zu arbeiten, den, können die Teilnehmenden bereits dern geworden. Viele Eltern entscheiden ist es nicht zwingend nötig, eine pädagogi- ihre Pflegeerlaubnis beim Jugendamt be- sich ganz bewusst für eine Tagespflege – als sche Vorbildung mitzubringen. Wohl aber antragen und loslegen. Nach den ersten eine Form der Betreuung für kleine Kin- eine Eignung zum Beruf. Um am Qua- Monaten Berufserfahrung folgt dann der der, die familiennäher ist, einen kleineren, lifizierungskurs des Diakoniewerks – der neue Block 2 mit weiteren 140 Stunden, geborgenen Rahmen bietet und starke seit vergangenem Herbst 300 Stunden der sich inhaltlich an den Fragen orien- Bindungen ermöglicht, auf die es in der umfasst – teilzunehmen, ist zunächst eine tiert, die meist erst im Berufsalltag entste- Elementarpädagogik in ganz entscheiden- normale Bewerbung mit Lebenslauf not- hen. Fachlich dranzubleiben ist ohnehin dem Maße ankommt. wendig. Anschließend folgen eine Eig- verpflichtend. Zwölf Fortbildungsstunden nungsüberprüfung im Team, ein Hausbe- pro Jahr sollten es sein. Darüber hinaus Im April 2019 wurde eine einvernehmlich such durch zwei Mitarbeitende der Fach- gibt es die gern genutzte Möglichkeit zur unter allen Verbänden mit dem Jugendamt beratung und eine Infoveranstaltung. Im kollegialen Beratung. Der Qualifizierungs- ausgehandelte Vorlage vom Jugendhilfe- Anschluss an dieses Prozedere müssen die kurs selbst ist für die Teilnehmenden bis ausschuss genehmigt, die für das Jahr 2020 Bewerberinnen und Bewerber noch ein- auf einen kleinen Eigenanteil kostenlos. signifikante Qualitätsverbesserungen in mal aktiv bekunden, an der Ausbildung Aussicht stellt: Dazu gehört, dass Leitun- teilnehmen zu wollen. An dem eigentli- gen der Kindertagespflegeberatung ähn- chen Kurs können bis zu 20 Personen teil- lich wie Kita-Leitungen ab einer gewissen nehmen. Er richtet sich seit diesem Jahr AusBlick 2019 17
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