REPORT - Hans-Böckler-Stiftung
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REPORT Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 PRIVATE EQUITY MONITOR 2018 Die aktuelle Tätigkeit von Finanzinvestoren in Deutschland Christoph Scheuplein AUF EINEN BLICK –– Sektoral waren die zahlreichen Übernahmen in der Gesundheitsbranche auffällig. Gemeinsam mit der –– Der „Private Equity Monitor“ berichtet jährlich Branche Software / IT wies sie die meisten Buyouts über die Übernahmen (Buyouts) und Verkäufe auf (je 15 %) und konnte den ersten Platz nach der (Exits) von Unternehmen durch Private-Equity-Ge- Zahl der Beschäftigten (35 %) mit großem Abstand sellschaften und analysiert diese aus arbeitneh- vor den anderen Branchen einnehmen. merorientierter Sicht. –– Bei den Verkäufen zwischen Finanzinvestoren er- –– Die Zahl der Buyouts in Deutschland ist im Jahr gab sich eine Trendwende: Sie stellten im Jahr 2017 stark angestiegen auf 274 Unternehmen 2017 wieder den zweitwichtigsten Exit-Weg nach (plus 29 %). Gemeinsam mit der um ein Drittel er- der Anzahl der Verkäufe und den wichtigsten Typ höhten Zahl aktiver Investoren und den Höchst- nach der Anzahl betroffener Beschäftigter dar. ständen beim Kaufpreisvolumen war der Markt von einem Boom geprägt. –– Die jährliche Rendite der in Deutschland tätigen Fonds hat sich gegenüber dem Buyout-Jahr 2016 –– Die durchschnittliche Beschäftigungsgröße der um 4,8 Prozentpunkte auf 18,6 % erhöht. übernommenen Unternehmen sank demgegen- über auf nur noch 340 Mitarbeiter, so dass die –– Der Verkauf von Unternehmen durch einen Finan- Zahl der insgesamt von Übernahmen betroffenen zinvestor (Exit) stieg um 11 % auf 112 Verkäufe an. Beschäftigten gesunken ist auf 93.200 Arbeitneh- Auch bei diesen Transaktionen hat die Zahl der mer (minus 13 %). Beschäftigten deutlich nachgelassen (minus 36 %).
INHALT Vorwort – 2 6 Verkäufer bei Übernahmen – 12 1 Einleitung – 3 7 Private-Equity-Gesellschaften – 14 2 Wie Private Equity funktioniert – 3 8 Fonds – 15 3 Methodik – 4 9 Exits – 18 4 Übernahmen – 6 10 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen – 24 5 Mitbestimmungsvermeidung und -ignorierung – 11 VORWORT – Die Rolle von Mitbestimmungsvermeidung und Mitbestimmungsignorierung im Vorgehen der Die Private Equity-Branche boomt seit Jahren. Befeu- Investoren ert durch niedrige Zinsen und die hohe Verfügbarkeit – Die Nutzung von Fondskonstruktionen in von Anlagegeldern sind Beteiligungsgesellschaften Offshore-Finanzzentren im deutschen Markt für Unternehmensübernahmen – Der Weiterverkauf von Zielunternehmen äußerst aktiv. Für die übernommenen Unterneh- an chinesische Anteilseigner durch Private men und ihre Beschäftigten stellt der Einstieg eines Equity-Investoren solchen Finanzinvestors immer einen bedeutenden – Die stark angestiegene Zahl von Übernahmen Einschnitt dar. Die Perspektive des Investors fokus- durch Finanzinvestoren im Gesundheits- und siert sich v. a. auch auf den zeitlich absehbaren Wei- Pflegebereich terverkauf seines Investments. Die Maßnahmen, die er in der Zwischenzeit zur Steigerung seines Weiter- Insgesamt soll die Studie auch einen Hinweis darauf verkaufs-Erlöses einleitet, können die Beschäftigten geben, welche Aspekte bei der Gesamtwürdigung nicht selten vor große Herausforderungen stellen. des Geschäftsmodells Private Equity möglicherweise Man denke an Strategiewechsel, Reorganisationen, stärker berücksichtigt werden müssten. Diese betref- Abspaltungen, Kostensenkungsprogramme oder Zu- fen sowohl die Situation der betroffenen Beschäftig- käufe im Rahmen einer „Buy-and-Build“-Strategie. ten als auch den Wirtschaftsstandort Deutschland als Mit dem Private Equity Monitor Deutschland bie- Ganzes. tet das I.M.U. der Hans-Böckler-Stiftung seit Jahren einen systematischen Überblick über die Aktivitäten Alexander Sekanina von Private Equity-Investoren in Deutschland. Im Fo- Referat Wirtschaft kus steht dabei der gesamte Beteiligungszyklus vom Einstieg („Buyout“) des Investors, über die Beteili- Infobox 1 gungsphase bis zum Ausstieg („Exit“). Der Sozialwis- senschaftler Dr. Christoph Scheuplein analysiert, wel- che Unternehmen und welche Branchen besonders Weitere Publikationen zum Thema stark von den Aktivitäten der Investoren betroffen sind, welche Akteure an Private Equity verkaufen und Der von der Hans-Böckler-Stiftung herausgege- welche Akteure die Unternehmen wiederum beim bene „Private Equity Monitor“ berichtet jährlich späteren Exit übernehmen. Zudem werden u. a. Hal- über die Übernahmen und Verkäufe von Unter- tedauern, Renditen, Beteiligungsformen und Sitzlän- nehmen in Deutschland durch Private-Equity- der der Beteiligungsgesellschaften und ihrer Fonds Gesellschaften und analysiert diese aus arbeit- genauer unter die Lupe genommen. nehmerorientierter Sicht. Darüber hinaus beleuchtet die Publikation einige aktuell besonders auffällige Entwicklungen, die aus Private Equity Monitor 2017 Arbeitnehmerperspektive besondere Aufmerksam- Private Equity Monitor 2016 keit verdienen. Dazu gehören u. a.: Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 2
1 EINLEITUNG (Abschnitt 4) und der Gesamtbestand an Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten im Eigentum von Fi- „Private Equity – die wiedererstarkten Superhelden nanzinvestoren (Abschnitt 5) dargestellt. Im Anschluss der Finanzwelt“ titelte das Finance-Magazin im Mai werden die Verkäufer von Unternehmen (Abschnitt 6), 2017 und betonte die guten Aussichten für die Inves- die erwerbenden Finanzinvestoren (Abschnitt 7) so- toren dieses Anlagetyps (vgl. Hofman 2017). Während wie die von diesen kontrollierten Fonds (Abschnitt 8) der Buyout-Boom des Jahres 2017 in den Jahresrück- betrachtet. Danach wird untersucht, welche Unter- blicken der Private-Equity-Branche vor allem im Hin- nehmen von Private-Equity-Gesellschaften 2017 ver- blick auf die guten Renditeaussichten reflektiert wur- äußert wurden und welche neuen Eigentümer diese de (BVK 2018), betrachtet der von der Hans-Böckler- Unternehmen erhielten (Abschnitt 9). Abschließend Stiftung geförderte und regelmäßig herausgegebene werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein „Private Equity Monitor“ die Entwicklungen aus der generelles Resümee zum gegenwärtigen Stand des Perspektive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- deutschen Buyout-Marktes gezogen (Abschnitt 10). mer. Durch die häufig starken Eingriffe von Finanz- investoren in die übernommenen Unternehmen, durch die zeitliche Befristung ihres Engagements und durch ihre meist hohen Gewinnerwartungen werden die Beschäftigten vor besondere Herausforderungen 2 WIE PRIVATE EQUITY FUNKTIONIERT gestellt. Eine Übersicht über das Geschehen auf dem deut- Private Equity ist ein Geschäftsmodell, bei dem Un- schen Beteiligungsmarkt kann für die Arbeitnehmer- ternehmen mit dem Ziel des Wiederverkaufs erwor- vertreter in den Aufsichts- und Betriebsräten ein hilf- ben werden (vgl. Abbildung 1). Beim Erwerb strebt der reiches Instrument sein, um sich auf eine (mögliche) Finanzinvestor meist nach einer Mehrheit am Eigen- Unternehmensübernahme strategisch vorzubereiten. tum des Unternehmens („Portfolio-Unternehmen“), Zu diesem Zweck soll der „Private Equity Monitor“ häufig auch nach einer vollständigen Übernahme, eine umfassende und aktuelle Analyse zu den Akti- um seine operativen und strategischen Ziele leich- vitäten von Private-Equity-Investoren in Deutschland ter durchsetzen zu können. Wird ein börsennotier- bieten. Im Mittelpunkt des Berichts stehen unter an- tes Unternehmen übernommen, dann wird die Aktie derem die folgenden Fragen: nach der Übernahme in der Regel vom Börsenzettel genommen. Der Profit wird zum einen durch Einnah- – Welche Branchen sind für Private-Equity-Investo- ren besonders attraktiv? – Wer verkauft an Private-Equity-Gesellschaften? – Wie lange befinden sich die Unternehmen im Ei- gentum eines Finanzinvestors? Abbildung 1 – Welche Renditen bieten die Fonds der Private- Equity-Gesellschaften ihren Investoren? Geschäftsmodell einer fondsbasierten Private-Equity-Gesellschaft – Welche Typen an Private-Equity-Gesellschaften dominieren? Welche Gesellschaften sind die ak- tivsten in Deutschland? INSTITUTIONELLE – Wer sind die Käufer der Unternehmen, wenn der UND PRIVATE Finanzinvestor wieder aussteigt? INVESTOREN Der vorliegende vierte Jahresbericht des Projektes Kapitaleinlage Ausschüt- „Private Equity Monitor Deutschland“ folgt im We- tungen sentlichen der Struktur der Vorgänger-Berichte (vgl. Scheuplein 2018). Erstmals wird ein Ranking der be- Verwaltung schäftigungsstärksten Buyouts in Deutschland einge- PRIVATE-EQUITY- FONDS führt (vgl. Abschnitt 4). Zudem werden die Exit-Unter- GESELLSCHAFT Gebühren / Gewinnbeteiligung nehmen, die aus dem Eigentum einer Private Equity- Gesellschaft ausscheiden, separat betrachtet, um die Unterneh- merische Eigentumsrechte langfristigen Perspektiven nach dem Abschied von Tilgung Kredit Leitung Private Equity darzustellen. Mit zwei Kästen wird auf aktuelle Markttendenzen eingegangen: zum einen auf Gewinne den seit vielen Jahren teuersten Unternehmenskauf PORTFOLIO- („Der Bieterwettbewerb um Stada“) und auf die Exits KREDITGEBER UNTERNEHMEN an chinesische Käufer („Von Private Equity zum chine- sischen Investor“). Im Folgenden werden zunächst das Geschäftsmo- dell (Abschnitt 2) und die Methodik (Abschnitt 3) erläu- Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Fleming (2010, S. 14), Talmor / Vasvari tert. Danach werden die Übernahmen im Jahr 2017 (2011, S. 21–27), Gilligan / Wright (2014, S. 38) © I.M.U. 2019 Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 3
men während der Haltedauer des Unternehmens und bzw. in junge, wachsende Unternehmen investiert, zum anderen durch den Kaufpreis bei einem Wie- spricht man von Wagniskapital oder Venture Capi- derverkauf verdient. Ihr Kapital sammeln die Private- tal. Wird in bereits am Markt etablierte Unternehmen Equity-Gesellschaften überwiegend über geschlosse- investiert, so wird v. a. der Begriff Buyout verwen- ne Fonds ein. Für die Fondsverwaltung erhalten die det. Im Wagniskapital-Geschäft wird von einer stets Private-Equity-Gesellschaften eine Gebühr, zusätzlich schwierigen Informationslage und einem hohen Risi- werden sie ab dem Erreichen einer Gewinnschwelle ko ausgegangen, das durch eine intensive Betreuung am Gewinn beteiligt. Der restliche Profit fließt zurück mit Managementwissen, Minderheitsbeteiligungen an die Fondsinvestoren. Bei der Übernahme eines Un- und Beteiligungsrunden mit verschiedenen Investo- ternehmens werden häufig Verbindlichkeiten aufge- ren minimiert bzw. verteilt wird. Bei den Buyouts liegt nommen, die bis zu 70 % des Kaufpreises abdecken oft ein höherer Informationsstand über den Markt können. Hierdurch wird das Übernahmevolumen der und das Geschäftsmodell vor, so dass eine Mehr- Fonds erhöht, so dass sie mehr Unternehmen erwer- heitsbeteiligung angestrebt und die Steuerung des ben können. In vielen Fällen wird der Kredit nach der Unternehmens häufig ohne Managementpräsenz vor Übernahme auf das übernommene Unternehmen Ort und mit standardisierten Controlling-Systemen überwälzt. vorgenommen wird. Aus arbeitnehmerorientierter Sicht sind folgende Punkte des Private-Equity-Geschäftsmodells beson- ders kritisch: – Mit der Aufnahme von Krediten bietet sich für 3 METHODIK die Fondsinvestoren die Chance, dass sie die Verzinsung ihres Eigenkapitals erhöhen (Leverage- Der „Private Equity Monitor“ beruht auf Transaktions- Effekt). Zugleich können sie durch die Übernahme daten, die den Verkauf eines Unternehmens beschrei- unterschiedlicher Unternehmen ihr Risiko streuen. ben und üblicherweise Informationen zum Zielunter- Da die Kredite häufig auf die übernommenen Un- nehmen, zum Käufer und zum Verkäufer enthalten. ternehmen verlagert werden, belastet die Bedie- Dieser Datentyp ist in der internationalen Private- nung der Zinsen und die Rückzahlungspflicht die Equity-Forschung seit einigen Jahren zur Standard- Unternehmen, erhöht ihr Insolvenzrisiko und senkt Datenquelle geworden (vgl. Kaplan / Strőmberg 2009, somit die Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmer. Wood / Wright 2009, Talmor / Vasvari 2011, S. 6 – 13 – Da die Private-Equity-Gesellschaften ihr Kapital und diverse Beiträge in Cumming 2012). Die verschie- überwiegend über Fonds beschaffen, ist ihr Enga- denen Merkmale von Private Equity werden dabei in gement durch die Laufzeit des jeweiligen Fonds folgender Weise empirisch operationalisiert: begrenzt. Dadurch ist es für die Finanzinvestoren rational, den Geschäftsverlauf in einer kurzfristi- a Es werden nur Investoren berücksichtigt, für die gen Perspektive zu betrachten. Auf die Arbeitneh- der Geschäftsinhalt im Kauf und Verkauf von Un- mer kommt dagegen absehbar ein zweiter Eigen- ternehmen besteht, das heißt die vor allem einer tümerwechsel zu. finanziellen Logik folgen. Dabei können Finan- – Finanzinvestoren verfügen zumeist über keine zinvestoren auch auf eine oder wenige Branchen spezifischen Branchenkenntnisse, die für die Wei- beschränkt sein oder mehrere branchengleiche terentwicklung des Unternehmens hilfreich sein Firmen erwerben und zu einer größeren Un- können. Es besteht daher die Gefahr, dass sie all- ternehmenseinheit verschmelzen („Buy-and- gemeine Rendite-steigernde Maßnahmen wie die build-Strategie“). Dagegen werden strategische Veräußerung von Vermögenswerten, das Absto- Investoren, die ihre Akquisitionen in erster Linie ßen von Randaktivitäten, Outsourcing, Beschäf- nach einer industriellen Logik tätigen und auch tigtenabbau, Kostensenkungen gegenüber den dauerhaft in diesen industriellen Feldern tätig Zulieferern sowie diverse finanzwirtschaftliche sind, ausgeschlossen. Maßnahmen betreiben, ohne dass das Unterneh- b Berücksichtigt werden in der Regel nur Beteili- men strategisch auf neue Produkte oder Märkte gungen ab 25 % am Unternehmenseigentum. ausgerichtet wird. c Berücksichtigt werden nur Investoren, die übli- – Wenn sich Finanzinvestoren im operativen Ge- cherweise mit ihrem unternehmerischen Wissen schäft engagieren, verlieren die Geschäftsführun- auf die Strategie und das operative Geschäft des gen an Entscheidungskompetenz. Damit kann den Unternehmens Einfluss nehmen wollen. Damit Betriebsräten ihr Gesprächs- und Verhandlungs- werden z. B. Hedgefonds, die auf vielen anderen partner vor Ort verloren gehen und die betriebli- Geschäftsfeldern tätig sind, ausgegrenzt. che Mitbestimmung wird de facto ausgehöhlt. d Berücksichtigt werden nur Übernahme von etablierten Unternehmen (Buyouts), während Private Equity hat sich seit einigen Jahren als Oberbe- die Finanzierung junger bzw. in der Gründung griff von zwei Geschäftsbereichen etabliert, die nach befindlicher Unternehmen (Venture Capital) dem Lebenszyklus von Unternehmen unterschieden nicht aufgenommen wird. Umgesetzt wird diese werden. Wird in die Gründung von Unternehmen Einschränkung, indem nur Unternehmen mit Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 4
Infobox 2 einem Mindestalter von sechs Jahren betrachtet werden. e Beteiligungen am öffentlichen Kapitalmarkt wer- Enterprise Value den üblicherweise nur berücksichtig, wenn der Eigentumserwerb zu einem bestimmenden Ein- Der Enterprise Value ist definiert als Wert des Eigenkapitals und fluss des Finanzinvestors führt, das heißt in der des Fremdkapitals abzüglich des Finanzvermögens. Er bezeichnet Regel zu einem Eigentumsanteil von 75 %. den Gesamtwert aller Mittel, die für die Überlassung des Eigen- tums aufgebracht wurden. Dies schließt Darlehen ein, die auf dem Zeitlich steht in dieser Ausgabe des „Private Equity übernommenen Unternehmen lasten und ebenso Kredite, die vom Monitors Deutschland“ das Jahr 2017 im Fokus, an Erwerber für die Übernahme aufgenommen werden. Es wird so- diversen Stellen werden jedoch auch Daten zu den mit der gesamte Kapitaleinsatz einbezogen, unabhängig vom Ver- vorhergehenden Jahren einbezogen. Die räumliche schuldungsgrad. Der steuersenkende Effekt einer Fremdfinanzie- Eingrenzung wird über den Hauptsitz des erworbe- rung wird nicht berücksichtigt. nen Unternehmens vorgenommen. Erfasst werden sollen alle Unternehmen, deren Hauptstandort zum Zeitpunkt des Erwerbs in Deutschland lag. Da die Si- tuation der Beschäftigten in Deutschland von beson- derem Interesse ist, wird die Zahl der in Deutschland beschäftigten Personen ausgewiesen, wo immer die breite geschätzt, die durch die Angabe des FINANCE- Datenlage dies zulässt. Multiplikators mit einem maximalen und einem mini- Als empirische Ausgangsbasis dieser Studie dien- malen Wert unterstützt wird. Entsprechend werden ten die Transaktionsdaten der Informationsdienst- für beide Wertgrößen (Umsatz, EBIT) jeweils ein un- leister Bureau van Dijk (Zephyr), Majunke Consulting teres und ein oberes Transaktionsvolumen berechnet. (Deal News) und Preqin (Buyout Deal Analyst). Unter- Wo die Darstellung einfach gehalten werden muss, nehmensdaten u. a. zu den Beschäftigten, zum Um- wird im Folgenden auf den Minimalwert zurückge- satz und zum EBIT der übernommenen Unternehmen griffen, so dass eine bewusst konservative Schätzung wurden über die Datenbank DAFNE des Informations- der Transaktionsvolumina vorgelegt wird. dienstleisters Bureau van Dijk sowie über Recherchen Die recherchierten Informationen und Schätzun- in den Jahresabschlüssen, auf den Unternehmens- gen wurden in der folgenden Reihenfolge genutzt: Als homepages und in der Presse ergänzt. erste Wahl wurde auf die veröffentlichten Kaufpreise Die von Private Equity tatsächlich gezahlten Kauf- zurückgegriffen. Die zweite Wahl bestand im berech- preise waren in den Ausgangsdaten nur in 9 % der neten Transaktionsvolumen auf der Basis eines EBIT- Fälle von den Vertragsparteien öffentlich publiziert. Multiple. Die dritte Wahl bestand in der Berechnung Um den Wert der anderen Transaktionen zu ermit- auf der Basis des Umsatz-Multiple. Bei den 274 Trans- teln, wurde der Unternehmenswert (Enterprise Value, aktionen des Jahres 2017 konnte nur bei einer Trans- siehe Kasten) auf Grundlage von Schätzverfahren er- aktion keiner der genannten Wege gegangen werden. mittelt. Er wird wesentlich davon beeinflusst, wie im Insgesamt wurde das Transaktionsvolumen in 24 operativen Geschäft Gewinne erwirtschaftet werden. Fällen (9 %) durch die Akteure veröffentlicht und es Zur Schätzung des Unternehmenswertes wurde eine konnte in 87 Fällen (33 %) über das EBIT-Multiplikator- Multiplikator-Methode angewandt. Der Multiplika- Verfahren bzw. in 162 Fällen (59 %) über das Umsatz- tor beschreibt das Verhältnis z. B. des Marktpreises Multiplikator-Verfahren ermittelt werden. zu einer wirtschaftlichen Basisgröße wie z. B. dem Da die Käufer und die Verkäufer der Transaktio- EBIT oder dem Umsatz. Die Multiplikatoren werden nen mit ihrem jeweiligen Eigentumsanteil ermittelt üblicherweise aus den bekannt gewordenen Markt- wurden, kann für die beteiligten Akteure angegeben preisen vergleichbarer Unternehmen gewonnen. In werden, welches Transaktionsvolumen jeweils auf sie der vorliegenden Studie wird auf die Multiples der entfallen ist. Diese Berechnung des Transaktionsvolu- finanzwirtschaftlichen Zeitschrift „FINANCE“ zurück- mens wurde auch für den Wiederverkauf („Exit“) der gegriffen, in der vierteljährlich Umsatz- und EBIT- Zielunternehmen vorgenommen. Multiplikatoren für 16 Branchen sowie jeweils drei Die meisten Auswertungen beziehen sich direkt Unternehmensgrößenklassen publiziert werden. Die auf die übernommenen Unternehmen und ihre Merk- Multiples werden auf der Basis von Markteinschät- male. Da bei einigen Buyouts zwei oder drei Finan- zungen und Erfahrungswerten von Experten aus rund zinvestoren miteinander kooperieren, werden bei der 20 Beratungsgesellschaften für Merger & Acquisi- Auswertung zu den Private-Equity-Gesellschaften die tions berechnet. wirtschaftlichen Größen wie Beschäftigte oder Trans- Als Basis für die Unternehmensbewertung dienen aktionsvolumen mit dem Anteil gewichtet, den die in dieser Studie das EBIT und der Umsatz der Ziel- Gesellschaften erworben haben. Ein Buyout kann so- unternehmen. Hierzu wurden nach Möglichkeit die mit aus zwei oder drei „Buyout-Fällen“ bestehen, mit Daten aus den beiden Jahren vor der Transaktion he- deren Einbeziehung ein korrekteres Bild der Akteure rangezogen und diese gemittelt, um eventuelle Son- gezeichnet werden kann. dereinflüsse im Geschäftsjahr vor der Übernahme zu Die Darstellung der Konditionen und der Renditen glätten. Der Unternehmenswert wird mit einer Band- von Private Equity-Fonds, die in Abschnitt 8 präsentiert Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 5
werden, sollen aufzeigen, welche ökonomischen Be- Ertrag der Fondsinvestoren hat sich die Net Internal lastungen auf den erworbenen Unternehmen lasten Rate Of Return (Net IRR) eingebürgert (Harris / Jenkin- (können). Dabei wurde vor allem auf Angebote des son / Kaplan 2014, S. 1859). Die Net IRR beruht auf den Informationsdienstleisters Preqin zurückgegriffen. In realisierten Gewinnen (Rückzahlungen an die Fonds- einem ersten Schritt wurden die jeweiligen Fonds, die investoren) und den nicht realisierten Gewinnen, die an einem Buyout beteiligt waren, im Fall von interna- sich aus der Bewertung der Vermögensgegenstände tionalen Fonds mit Hilfe der Datenbank „Fund Profile“ des Fonds ergeben. Beides wird für einen bestimm- (Preqin) und im Fall von deutschen Fonds mit Hilfe ten Zeitpunkt berechnet. Die Summe der Gewinne des Handelsregisters recherchiert. wird auf das in den Fonds investierte Kapital bezo- In einem zweiten Schritt wurden die rechtlichen gen. Entsprechende Daten standen über die Daten- Standorte der Fonds identifiziert, wobei neben der bank „Performance“ (Preqin) zur Verfügung, auf der Datenbank „Fund Profile“ vor allem die Angebote von Marktteilnehmer freiwillig und unentgeltlich berich- OpenCorporates und der Global Legal Entity Iden- ten1. Die Validität dieser Daten wird kritisch diskutiert, tifier Foundation (GLEIF) sowie die Register diverser die simultanen Berichte von Investoren wie auch von Offshore-Finanzzentren (OFC) hilfreich waren. Es ist Fondsmanagern sorgen jedoch für einen Kontroll- zu beachten, dass Unternehmen für ihren Kapitalfluss mechanismus. Die Ertragsdaten sind immer im Kon- nicht nur ein Offshore-Zentrum einschalten, sondern text der jeweiligen Laufzeit der Fonds zu sehen und üblicherweise eine Kette aus mehreren OFCs mitein- wurden jeweils bezogen auf den Stichtag 30.9.2018 ander kombinieren (vgl. Garcia-Bernardo u. a. 2017). erhoben (bzw. auf das letzte verfügbare Datum). Für Diese Praxis verfolgen auch viele Private-Equity-Ge- Fonds, die erst seit ein bis zwei Jahren am Markt sellschaften. Allerdings kann diese gesamte Komple- tätig sind, sind üblicherweise keine Leistungsdaten xität nicht in dieser Studie abgebildet werden; viel- verfügbar. mehr wird hier nur ein Fondsstandort pro Fonds auf- Eine vertiefte Darstellung der meisten der metho- gelistet. Sofern ein OFC nachgewiesen werden kann, dischen Schritte, die hier angesprochen wurden, er- wird diesem der Vorzug in der Darstellung gegeben, folgt in dem Methoden-Überblick in Scheuplein / Teetz da hier die Verbindung von Private Equity zu den OFC (2017). im Vordergrund steht. Schließlich muss darauf hinge- wiesen werden, dass die Transparenz der OFCs unter- schiedlich ausgeprägt und sich aktuell unterschied- lich schnell verbessert. So sind in dieser Studie z. B. keine Fonds auf den Britischen Jungfraueninseln, den 4 ÜBERNAHMEN Bahamas und Mauritius erfasst, obwohl diese wichti- ge Rollen als OFC spielen. So muss vermutet werden, Im Jahr 2017 wurden 274 Unternehmen in Deutsch- dass die Fonds, für die Großbritannien als rechtlicher land durch Private-Equity-Gesellschaften übernom- Standort identifiziert wurde, vermutlich auch Stand- men. Dies stellt einen starken Zuwachs um 62 Unter- orte in OFCs haben, denn es handelt sich hier weit- nehmen (+29 %) gegenüber dem Vorjahr dar (vgl. Ab- gehend um (ehemalige) Private-Equity-Tochtergesell- bildung 2). Einen ähnlich starken Anstieg auf dem deut- schaften von internationalen Großbanken, von denen schen Buyout-Markt beobachtete auch der Branchen- nachgewiesen ist, dass sie ansonsten zahlreiche Ge- verband BVK (BVK 2018)2. Die bereits lange erwartete sellschaften an Offshore-Finanzplätzen betreiben. Zunahme der Übernahmen von Unternehmen durch In einem dritten Schritt wurden die Fondskonditi- Finanzinvestoren ist somit im Jahr 2017 eingetreten. onen (Mindestverzinsung, Managementgebühr) an- Ein wesentlicher Grund für diesen Trend liegt in den näherungsweise dargestellt. Da die Fonds ihre Kon- erheblichen Kapitalsummen, die Private Equity-Fonds ditionen in der Regel nur an ausgewählte Kunden in den vergangenen Jahren einsammeln konnten. Im gegenüber offenlegen, musste hier auf die Daten- Jahr 2017 wurde mit einem globalen Fundraising- bank „Fund Terms“ des Dienstleisters Preqin zurück- Ergebnis von 453 Mrd. US-$ ein neuer Rekordstand gegriffen werden, in denen die Konditionen für ein- erzielt (Preqin 2018a, S. 2; Bamberg 2017a). Auch das zelne Fonds anonymisiert dargestellt sind. Da diese Klima für das Fundraising auf dem deutschen Be- Fonds unter anderem durch den Fondstyp, das Jahr teiligungsmarkt erreichte Ende 2017 ein Allzeithoch der Markteinführung (Vintage Year), das Kapitalvolu- (KfW Research 2018, S. 1). Diese dadurch ausgelöste men des Fonds und die Zielländer bei Übernahmen Nachfrage nach Unternehmen trifft jedoch seit Län- charakterisiert sind, wurden diese Indikatoren für je- den der im Jahr 2017 aktiven Fonds erhoben. Danach 1 Vgl. zur Verwendung von Ertragsdaten in der Forschung wurde aus den anonymen Fonds der Daten ein aus- Talmor / Vasvari 2011, S. 8–14, Higson / Stucke 2012, Phalip- pou 2014, Gilligan / Wright 2014, S. 34; vgl. zur kritischen reichend großes Vergleichssample nach den Indika- Diskussion der Datenbasis: Talmor / Vasvari 2011, S. 52 f., toren jedes beteiligten Fonds gebildet und das arith- Appelbaum / Batt 2014, S. 163 – 181, Fleming 2010, S. 20 metische Mittel der verschiedenen Fondskonditionen f.; vgl. zum Vergleich mit anderen Datenbeständen: Har- ris / Jenkinson / Kaplan 2014, S. 1852 f. und Phalippou 2014, errechnet. Die Werte zu den Fondskonditionen sind S. 190. entsprechend als Durchschnittswerte zu betrachten. 2 Vgl. einen geringeren Anstieg bei EY (2017, S. 2) für den deutschen Buyout-Markt, bei Hedtstück (2018) für den das In einem vierten Schritt wurden die Erträge der mittlere Marktsegment und bei PwC (2018, S. 25) für den beteiligten Fonds ermittelt. Als zentrales Maß für den deutschsprachigen Raum. Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 6
Anzahl Anzahl 191 191 209 209 Tabelle Tabelle fürfür Grafik Grafik 1 b1 b Einheit: Einheit: Beschäftigte Beschäftigte 2013 2013 2014 2014 Beschäftigte Beschäftigte 117.080 117.080 110.071 110.071 gerem nicht auf eine adäquates Angebot, weshalb die Abbildung 2 Finanzinvestoren bereits in den vergangenen Jahren dazu übergegangen sind, vermehrt mittlere und klei- Buyouts von Unternehmen und deren Beschäftigten in Deutschland in ne Unternehmen zu erwerben. Dieser Trend hat sich den Jahren 2012 bis 2017 im Jahr 2017 noch einmal deutlich verstärkt. Nach- Unternehmen Unternehmen Beschäftigte Beschäftigte Tausende Tausende dem die durchschnittliche Beschäftigtengröße der Unternehmen Beschäftigte (Tausende) erworbenen Unternehmen bereits in den vier vorher- 274274 gehenden Jahren kontinuierlich gefallen war, kam es 117117 110110 im vergangenen Jahr zu einer auffälligen Absenkung 107107 107107 209 209 206 206 212212 93 93 um ein Drittel, d. h. von 504 auf 340 Beschäftigte 191191 pro Unternehmen. (Dabei werden jeweils nur die in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter in die Analy- se einbezogen). Im Ergebnis ist auch die Zahl der Be- schäftigten in den übernommenen Unternehmen um 13 % auf 93.200 Beschäftigte gesunken (Abbildung 2). Damit sank auch der Anteil der Beschäftigten in den übernommenen Unternehmen an den sozialversiche- rungspflichtig Beschäftigten von 0,34 % auf 0,29 %. Ein anderer Aspekt dieses „Verkäufermarkts“ sind 20132013 20142014 20152015 20162016 20172017 20132013 20142014 20152015 20162016 20172017 die steigenden Preise auf dem Markt für Unterneh- menskontrolle (Garbs 2017). Sie lassen sich an den steigenden Multiples für Portfolio-Unternehmen ab- Quelle: eigene Darstellung auf Basis von ZEPHYR und DAFNE / Bureau van Dijk, Deal lesen; so berichtete das Finance-Magazin über Lang- News / Majunke Consulting, Preqin und eigenen Recherchen (n=1.092 Unternehmen) zeithochs der Multiples in diversen Branchen (vgl. © I.M.U. 2019 zuletzt für die Branche Transport / Logistik, Finance-Quelle: Quelle: eigene eigene Darstellung Darstellung aufauf Basis Basis vonvon ZEPHYR ZEPHYR und undDAFNE/Bureau DAFNE/Bureau vanvaD Magazin 2017). Auch nach den Einschätzungen von Privat Equity-Managern auf dem deutschen Markt er- Abbildung 3 reichten die Kaufpreise Rekordstände (KfW-Research 2018, S. 2; Köhler 2017; Smolka 2018). Insbesondere Transaktionsvolumen und Anteil der Buyouts am BIP in Deutschland die gezahlten Preise bei den großen Buyouts wie z. B. in den Jahren 2013 bis 2017 von CeramTec und Stada (vgl. Infobox 3) wurden in der Branche als ein Anzeichen der Überhitzung diskutiert 30 0,90 (Maier 2017). Zusätzlich forciert wird die Preisent- 0,80 wicklung durch das weiterhin niedrige Zinsumfeld 25 Transaktionsvolumen in Mrd. € Anteil am BIP in v. H. und neue Finanzierungsangebote (Bamberg 2017b). 0,70 Das finanzielle Volumen der Transaktionen lag im 20 0,60 Jahr 2017 in einer Spannweite von 21,7 Mrd. Euro 0,50 (Minimum-Multiplikator) bis 24,5 Mrd. Euro (Maxi- 15 0,40 mum-Multiplikator) (vgl. Abbildung 3). Dabei stieg der 10 0,30 Minimum-Wert mit 15 % stärker an als der Maximum- Wert (7 %), so dass sich die Spannweite zwischen den 0,20 5 beiden Werten wie im Vorjahr weiter verringerte. Ge- 0,10 messen am Minimum-Wert zeigte das Jahr 2017 ei- 0 0,00 nen Rekord, zuvor lag der höchste Wert bei 21 Mrd. € 2013 2014 2015 2016 2017 im Jahr 2014. Der Maximum-Wert blieb knapp unter dem bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2015 (24,7 TV min Anteil TV min am BIP TV max Anteil TV max am BIP Mrd. €). Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt hat sich das minimale Transaktionsvolumen (TV) im Jahr 2017 auf 0,66 % und das maximale Transaktionsvolu- Quelle: eigene Darstellung auf Basis eigener Berechnungen und Daten des Statistischen Bundesamtes (n=1.092 Unternehmen) © I.M.U. 2019 men auf 0,75 % leicht erhöht. Dabei fiel diese Erhö- hung bei dem minimalen Transaktionsvolumen mit 10 % wiederum stärker aus als beim maximalen Trans- aktionsvolumen (3 %). Durch den verschärften Wettbewerb um die Kauf- Vorjahr. Zum anderen hat der Gesamtanteil am Unter- gelegenheiten ist vermutet worden, dass sich Finan- nehmen, den eine bzw. mehrere Kapitalbeteiligungs- zinvestoren zunehmend mit geringeren Anteilswerten gesellschaften am Unternehmen erworben haben, an den Unternehmen begnügen. Dies kann für das leicht zugenommen: Bei rund 89 % aller Firmenüber- Jahr 2017 nicht bestätigt werden. Zum einen blieb die nahmen erlangten die Finanzinvestoren einen Eigen- Zahl der Syndizierungen, bei denen mehrere Finanzin- tumsanteil von 75 % bis 100 % am erworbenen Unter- vestoren sich bei einer Übernahme zusammenschlie- nehmen. Damit ist der Anteil gegenüber dem Vorjahr ßen, bei rund 7 %, d. h. bei dem gleichen Wert wie im um 3 % gestiegen. Während der Anteil von Übernah- Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 7
Infobox 3 Exkurs: Der Bieterwettbewerb um Stada Die Übernahme des Pharmakonzerns Stada Arz- aufgrund der geringeren Annahmequote gezahlt neimittel AG aus Bad Vilbel, der Generika und werden mussten). Damit war dies der teuerste rezeptfreie apothekenpflichtige Arzneimitteln Kauf durch Finanzinvestoren auf dem deutschen herstellt, war die herausragende Übernahme ei- Markt seit dem Jahr 2007 (Hugo Boss für 5,3 nes börsennotierten Unternehmens durch Finan- Mrd. €) und erregte eine entsprechende Aufmerk- zinvestoren im Jahr 2017. Nachdem sich im Jahr samkeit in der Fachpresse (Fröndhoff 2017). 2016 aktivistische Investoren in das börsenno- Für die Finanzierung des Kaufpreises stand tierte Unternehmen eingekauft hatten und es zu ein Bankkredit bis zu einer maximalen Höhe von turbulenten Hauptversammlungen kam, begann 2,6 Mrd. € bereit (Bamberg 2017c). Dabei war der Stada-Vorstand einen strukturierten Bieter- Stada zum Zeitpunkt der Übernahme bereits mit wettkampf (Smolka 2017). Aus dem ging zunächst Schulden in Höhe von 1,1 Mrd. € belastet. Bain das Konsortium der beiden Private-Equity-Gesell- Capital und Cinven sind also eine riskante Wette schaften Bain Capital und Cinven im April 2017 als eingegangen, die sich nur rechnet, wenn die Pro- Sieger hervor. Allerdings wurde die von den Käu- fitabilität von Stada enorm ansteigt oder wenn sie fern geforderte Übernahme von mindestens 75 % einen späteren Käufer wieder von diesem Preis der Aktienanteile nicht erreicht. Erst in einem überzeugen können. zweiten Anlauf konnten die Investoren bis Mitte Aufgrund des hohen Kaufpreises für Stada hat August 2017 63 % der Aktien erwerben (Hogan der Betriebsrat die Übernahme bereits frühzeitig Lovells 2018). kritisiert (Koutoumanos 2017). Den Beschäftigten Stada hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 11.100 ist im Übernahmeprozess von Seiten der Finan- Mitarbeiter, von denen 1.250 in Deutschland be- zinvestoren zugesichert worden, die Tarifbindung schäftigt waren. Mit der Offerte des Bieterkon- und die Unternehmensmitbestimmung nicht an- sortium wurde das Unternehmen mit 4,1 Mrd. € zutasten. Es bleibt abzuwarten, ob diese Zusagen bewertet (von denen dann jedoch nur 2,6 Mrd. € erfüllt werden. men mit einem Eigentumsanteil von 50 % bis 74,9 % Beschäftigten eingenommen. Die weiteren Plätze be- stabil bei 9 % blieb, ist der Anteil von Übernahmen mit legten im Jahr 2017 die Branchen Transport / Logistik einer Beteiligung von 25 % bis 49,9 % leicht gesun- (13,5 %) und Fahrzeugbau (8,3 %), die auch im Vorjahr ken (minus 2 %). Berücksichtigt man die Beschäftig- vorne gelegen hatten. Die Traditionellen Industrien ten in den übernommenen Unternehmen, dann muss (8,2 %) kamen auf den vierten Rang. Für das hohe der vermutete Trend noch stärker abgelehnt werden: Beschäftigtenvolumen der Branche Transport / Logis- Nach diesem Kriterium stieg der Anteil von Übernah- tik war relevant, dass die Zeitarbeitsbranche hierzu men mit einem Eigentumsanteil von 75 % und mehr gezählt wird. Mit der Übernahme von fünf Zeitar- erstmals über die Marke von 90 %. beitsunternehmen (die eine Belegschaft von 500 bis Sektoral wurden die meisten Buyouts im Jahr 2017 zu 2.500 Mitarbeitern aufwiesen) war dieser Einfluss in den Branchen Gesundheit sowie Software, IT und aber nicht mehr so ausschlaggebend wie im Vorjahr. Internet (je 15,3 %) getätigt, gefolgt von der Branche Der Aufstieg der Gesundheitsbranche zeigt sich Maschinen- und Anlagenbau und den Traditionel- auch bei der Betrachtung der zehn beschäftigungs- len Industrien (9,9 %) 3 (Tabelle 1). Während die letzt- stärksten Unternehmen (gelistet nach der Zahl der genannten drei Branchen auch im Vorjahr die TOP 3 Beschäftigten in Deutschland), unter denen fünf Un- besetzten, stellt die starke Übernahmetätigkeit in ternehmen dem Gesundheitsbereich zuzurechnen der Gesundheitswirtschaft eine neue Entwicklung sind, wobei vier Unternehmen zur Pflegebranche dar. Die Gesundheitsbranche vereinigte im Jahr 2017 zählen (Tabelle 2). Weitere Schwerpunkte bildeten auch die meisten Beschäftigten auf sich (34,7 %) mit Zeitarbeitsunternehmen und Dienstleister für die Au- großem Abstand zu den anderen Branchen. Im Vor- tomobilwirtschaft mit je zwei Unternehmen. Von die- jahr hatte sie noch auf Platz vier nach der Zahl der sen beschäftigungsstarken Unternehmen wurde ein Unternehmen von einer Private-Equity-Gesellschaft 3 Hierzu zählen die Holz- und Möbelindustrie, die Metallgewin- aus Deutschland übernommen, ansonsten sind In- nung und -bearbeitung, die Druckindustrie, die Textil- und vestoren aus Großbritannien (3), den USA, den Nie- Bekleidungsindustrie, die Nahrungs- und Genussmittelindus- trie und sonstige Bereiche des produzierenden Gewerbes, die derlanden und Luxemburg (je 2) vertreten sowie aus nicht in einer anderen Branche separat aufgeführt sind. Frankreich und Schweden. Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 8
Tabelle 1 Übernahmen und Beschäftigte in den übernommenen Unternehmen im Jahr 2017 nach Branchen Branche Buyouts Beschäftigte Anzahl in v. H. Anzahl in v. H. Bau / Handwerk 11 4,0 3.188 3,4 Chemie / Kunststoff 13 4,7 5.526 5,9 Dienstleistungen 16 5,8 4.103 4,4 Elektrotechnik / Elektronik 14 5,1 2.103 2,3 Energie / Umwelt 1 0,4 128 0,1 Fahrzeugbau 19 6,9 7.720 8,3 Finanzdienstleistungen 4 1,5 569 0,6 Gesundheit 42 15,3 32.374 34,7 Handel 11 4,0 3.974 4,3 Maschinen- / Anlagenbau 40 14,6 5.513 5,9 Medien 3 1,1 499 0,5 Pharma 11 4,0 1.944 2,1 Software, IT und Internet 42 15,3 5.344 5,7 Telekommunikation 0 0,0 0 0.0 Traditionelle Industrie 27 9,9 7.609 8,2 Transport / Logistik 20 7,3 12.574 13,5 Summe 274 100 93.168 100 Quelle: eigene Darstellung auf Basis von DAFNE / Bureau van Dijk, Deal News / Majunke Consulting, Preqin und eigenen Recherchen © I.M.U. 2019 Tabelle 2 TOP-10 Buyouts in Deutschland nach der Zahl der Beschäftigten Nr. Unternehmen Bundesland Beschäftigte Beschäftigte Branche Investor Headquarter Deutschland weltweit 1 Alloheim NRW 14.500 14.500 Seniorenheime Nordic Capital 2 Vitanas Berlin 6.150 6.150 Pflegeheime Oaktree 3 EMVIA Living Schleswig-H. 3.500 3.500 Pflegeheime Chequers 4 AB Zeitpersonal NRW 2.400 2.400 Zeitarbeit Gilde Equity Dienstleister für Luxempart S. A., 5 ARWE HOLDING Bayern 2.360 4.400 Autovermietung BIP Investment 6 compassio GmbH Baden-Würt. 1.900 1.900 Pflegeheime Waterland 7 CeramTec Baden-Würt. 1.900 3.230 Keramik BC Partners 8 Gess & Partner NRW 1.800 1.800 Zeitarbeit AUCTUS Capital Dienstleister für 9 Formel D NRW 1.300 4.400 3i group plc Automobilbranche Arzneimittelher- Bain Capital, 10 Stada AG Hessen 1.250 10.532 steller Cinven Quelle: eigene Darstellung auf Basis von ZEPHYR und DAFNE / Bureau van Dijk, Deal News / Majunke Consulting, Preqin und eigenen Recherchen (n=274 Unternehmen) © I.M.U. 2019 Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 9
Beschäftigte Beschäftigte 20132013 20142014 20152015 20162016 20172017 Industrieller Industrieller Kernsektor Kernsektor 31.541 31.541 38.790 38.790 23.395 23.395 31.451 31.451 20.862 20.862 Traditionelle Traditionelle Industrie Industrie17.35217.352 15.774 15.774 16.529 16.529 7.666 7.666 7.6097.609 I+K/Medien I+K/Medien 13.070 13.070 4.3914.391 4.5234.523 4.051 4.051 5.8435.843 Dienst- Dienst- leistungen leistungen 35.512 35.512 31.013 31.013 42.462 42.462 31.697 31.697 21.220 21.220Abbildung 4 Sonstige Sonstige Branchen Branchen 19.605 19.605 20.103 20.103 19.810 19.810 32.003 32.003 37.634 37.634 Summe Summe 117.080 117.080 Anzahl der Buyouts und Beschäftigte 110.071 110.071 der Zielunternehmen 106.719 106.719 in Deutschland 106.868 106.868 nach Branchengruppen 93.168 in den Jahren 93.168 2013 bis 2017 Übernahmen Beschäftigte Übernahmen Übernahmen Beschäftigte Beschäftigte 100% 100% 100% 100% 90% 90% Sons]ge Branchen Sons]ge Branchen 90% 90% 80% 80% 80% 80% 70% 70% Dienstleistungen Dienstleistungen 70% 70% 60% 60% 60% 60% 50% 50% I+K/Medien I+K/Medien 50% 50% 40% 40% 40% 40% 30% 30% Tradi]onelle Tradi]onelle Industrie Industrie 30% 30% 20% 20% 20% 20% 10% 10% Industrieller Industrieller Kernsektor Kernsektor 10% 10% 0% 0% 0% 0% 2013 20132014 20142015 20152016 20162017 2017 2013 20132014 2014 2015 20152016 20162017 2017 Sonstige Branchen Traditionelle Industrie Dienstleistungen Industrieller Kernsektor I+K/Medien Quelle: eigene Darstellung auf Basis von ZEPHYR und DAFNE / Bureau van Dijk, Deal News / Majunke Consulting, Preqin Quelle: Quelle: eigene sowie eigene eigenen Darstellung Darstellung Recherchen auf (n=1.092 Basis auf Basis von Unternehmen) von ZEPHYR © I.M.U. ZEPHYR 2019 undund DAFNE/Bureau DAFNE/Bureau van van Dijk,Dijk, DealDeal News/Majunke News/Majunke Consulting, Consulting, Preqin Pr Damit längerfristige Trends besser erkennbar der Tat ist die Zahl der erworbenen Unternehmen in werden, wurden die oben untersuchten Branchen der kleinsten Umsatzklasse (1 Mio. bis 10 Mio. € Um- in fünf große Bereiche gruppiert (vgl. Abbildung 4). satz) am stärksten gestiegen (plus 60 %, vgl. Tabelle 3). Hierzu wurden die vier export- und innovationsstar- Damit befand sich ein Drittel aller Portfolio-Unterneh- ken Branchen der deutschen Industrie – Chemie und men in dieser Klasse. Den zweithöchsten Anstieg mit Kunststoff, Elektrotechnik und Elektronik, Fahrzeug- plus 23 % erzielte die Umsatzklasse von 10 Mio. € bis bau sowie Maschinen- und Anlagenbau – zum In- 50 Mio. €, die somit ihre führende Position behalten dustriellen Kernsektor aggregiert. In diesem Sektor konnte (36 %). Insgesamt hat sich der Anteil der drei wurden im Jahr 2017 erneut die meisten Buyouts ge- unteren Umsatzklassen von 66 % auf 75 % erhöht, tätigt (32,4 %), allerdings nahm seine Bedeutung um während sich der Anteil der drei oberen Umsatzklas- neun Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr ab. Nach sen entsprechend reduzierte. In der obersten Um- der Zahl der Beschäftigten fiel der Industrielle Kern- satzklasse mit mehr als 500 Mio. Umsatz gab es nur sektor auf den dritten Rang ab (22,4 %). Ein zweiter noch sieben Übernahmen, so dass sich ihr Anteil auf Sektor umfasst die wichtigsten Dienstleistungsbran- 2,6 % fast halbierte. Aufgrund ihrer Größe bleibt die chen (höherwertige Dienstleistungen, Finanzdienst- wirtschaftliche Bedeutung dieser Unternehmen hoch, leistungen, Handel und Transport / Logistik). Dieser wobei der Anteil der höchsten Umsatzklasse am ge- Sektor erreichte im Jahr 2017 den dritten Platz nach samten Umsatzvolumen von 55 % auf 29 % sank. Da- der Zahl der Buyouts (18,6 %) und den zweiten Platz gegen dehnte sich der Anteil der Umsatzklasse von nach dem Beschäftigtenvolumen (22,8 %). Der Sektor 100 bis 500 Mio. € Umsatz am Umsatzvolumen auf „Sonstige Branchen“, dem die Gesundheitsbranche 41 % aus. (neben Pharma / Medizintechnik, Energie / Umwelt und In eine ähnliche Richtung weist die Entwicklung Bau / Handwerk) zugeordnet ist, schob sich erstmals der Beschäftigtengrößenklassen (Tabelle 3). Der An- auf den zweiten Platz nach der Anzahl der Buyouts teil der kleinsten Beschäftigtengrößenklasse (1 bis 99 (23,7 %) und den ersten Platz nach der Zahl der Be- Beschäftigte) erhöhte sich um mehr als zwei Fünftel schäftigten (40,4 %). auf 45 %, während der Anteil der zweiten Beschäf- Die oben dargestellte sinkende durchschnittliche tigtenklasse (100 bis 249 Beschäftigte) um die Hälfte Beschäftigtengröße der Buyouts 2017 ist ein Hinweis auf 30 % stieg. Damit betrug der Anteil dieser bei- darauf, dass vermehrt mittlere und kleinere Unterneh- den Beschäftigtenklassen ebenfalls 75 %. Reduziert men von den Finanzinvestoren erworben wurden. In wurde vor allem der Anteil der beiden mittleren Be- Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 10
Tabelle 3 Zielunternehmen 2017 nach Umsatz- und Beschäftigtengrößenklassen Umsatzklassen Beschäftigtenklassen Beschäftige* Klasse Anzahl Anteil in v. H. Klasse Anzahl Anteil in v. H. absolut (in Tsd.) Anteil in v. H. 0 bis < 1 Mio. € 16 5,8 1 bis 99 124 45,3 6,4 6,8 1 bis < 10 Mio. € 91 33,2 100 bis 249 82 29,9 12,6 13,5 10 bis < 50 Mio. € 101 36,9 250 bis 499 29 10,6 10,8 11,6 50 bis < 100 Mio. € 28 10,2 500 bis 999 17 6,2 11,7 12,5 100 bis < 500 Mio. € 31 11,3 1000 bis 4.999 20 7,3 31,0 33,3 > 500 Mio. € 7 2,5 > 5.000 2 0,7 20,6 22,2 Summe 274 100 Summe 274 100 93,1 100,0 *Beschäftigte in der jeweiligen Beschäftigtengrößenklasse Quelle: eigene Darstellung auf Basis von DAFNE / Bureau van Dijk, Deal News / Majunke Consulting, Preqin und eigenen Recherchen © I.M.U. 2019 schäftigungsklassen zwischen 250 und 999 Beschäf- diesen Trend verstärken. So lassen bereits typische tigten, der von 26 % auf 16 gesunken ist. Der Anteil Unternehmensstrategien von Private Equity-Gesell- der beiden oberen Beschäftigungsklassen (mehr als schaften wie etwa das Abspalten und Veräußern von 1.000 Beschäftigte) verringerte sich leicht von 10 auf Geschäftsaktivitäten oder ihre Verlagerung ins Aus- 8 %. Auch hier gilt wiederum, dass die größten Unter- land erwarten, dass das inländische Beschäftigungs- nehmen für das Beschäftigungsvolumen bedeutend volumen gesenkt und die relevante Mindestschwelle bleiben. 22 % der Beschäftigten befanden sich in der an Beschäftigten unterschritten wird. obersten Klasse mit mehr als 5.000 Beschäftigten Aus diesem Grund wird hier der Bestand an Un- und weitere 33 % in der Klasse mit 1.000 bis 4.999 ternehmen im Eigentum von Private Equity mit mehr Beschäftigten. als 2.000 Beschäftigten dokumentiert. Hierzu wurden alle Unternehmen, die im Zeitraum der Jahre 2006 bis 2017 von einer Beteiligungsgesellschaft übernom- men worden sind, daraufhin überprüft, ob sie sich im ersten Quartal 2018 noch in signifikantem Maß in der 5 MITBESTIMMUNGSVERMEIDUNG UND Eigentümerschaft einer Private-Equity-Gesellschaft befanden. Es wurden nur die in Deutschland beschäf- -IGNORIERUNG tigten Arbeitnehmer einbezogen, da nur deren Zahl Die Zahl der Unternehmen, die in Deutschland der pa- für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes ritätischen Mitbestimmung unterliegen, ist seit dem entscheidend ist. Zusätzlich wurde aufgrund der Ex- Jahr 2002 kontinuierlich zurückgegangen; erst für pertise des Instituts für Rechtstatsachenforschung das Jahr 2016 konnte jedoch eine gegenläufige Ent- der Friedrich-Schiller-Universität Jena der Status der wicklung festgestellt werden (Ehrenstein 2017). Dies Mitbestimmung der Unternehmen bestimmt. Dabei ist weniger auf ein tatsächliches Absinken der inlän- wurde zwischen vier Kategorien unterschieden (vgl. dischen Beschäftigung unter die gesetzlich vorgege- Hoffmann 2016): bene Grenze von 2.000 Beschäftigten zurückzuführen als auf Strategien der Unternehmensleitung zur Um- 1 Das Unternehmen ist paritätisch mitbestimmt im gehung der mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben Sinne des Mitbestimmungsgesetzes 1976. (Sick 2015, Bayer 2015, Bayer / Hoffmann 2015). Es 2 Das Unternehmen ist von den Regelungen des steht jedoch in Frage, ob Beteiligungsgesellschaften Mitbestimmungsgesetzes 1976 ausgenommen, Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 11
z. B. weil es sich um einen Tendenzbetrieb gen, dies betraf knapp 92.000 inländisch beschäftigte handelt. Personen in den Unternehmen (53 % der Beschäftig- 3 Die Mitbestimmung wird vermieden oder (z. B. ten in den erfassten 39 Unternehmen). Zwar strebt die durch Nutzung einer KGaA) nur in abgeschwäch- Studie von Bayer (2015) keine deutschlandweite Ge- ter Form angewandt (Mitbestimmungsvermei- samterfassung aller Mitbestimmungsignorierungen dung bzw. Mitbestimmungsreduzierung). an und aufgrund fehlender Transparenz zum Zusam- 4 Die gesetzlichen Bestimmungen der Mitbe- menhang von Unternehmen und ihren inländischen stimmung werden durch die Unternehmens- Beschäftigten bleiben auch alle Darstellungen der leitung trotz abstrakter Mitbestimmungs- Mitbestimmungsvermeidung unabgeschlossen, aller- pflicht (Soll-Mitbestimmung) nicht angewandt dings kann gesagt werden, dass die genannte Quote (Mitbestimmungsignorierung). der Mitbestimmungsvermeidung und –ignorierung der Private Equity-geführten Unternehmen vermut- Es konnten 39 Unternehmen im Eigentum von Private lich mit dem Durchschnitt der Unternehmen aller Ei- Equity identifiziert werden, die eine inländische Be- gentümer in Deutschland korrespondiert. Wenn die schäftigtenzahl von mehr als 2.000 Mitarbeiter über- Zahl von 139 Unternehmen, in denen nach der Studie schritten (Abbildung 5). Davon war ein Unternehmen als von Bayer (2015, S. 115), die Mitbestimmung vermie- Tendenzbetrieb zunächst mitbestimmungsfrei. In 17 den bzw. ignoriert wird, die – unbekannte – Gesamt- Unternehmen wurde die paritätische Mitbestimmung zahl alle Fälle von Mitbestimmungsvermeidung und praktiziert. Dagegen wurde in 18 Unternehmen die -ignorierung träfe, dann läge die Verantwortung von gesetzliche Vorgabe offenbar ignoriert und in 3 Un- Beteiligungsgesellschaften als Eigentümer bei knapp ternehmen wurde die Mitbestimmung in Folge der einem Sechstel aller Fälle in Deutschland. rechtlichen Ausgestaltung vermieden, z. B. durch die Eine Aussage über den Stand der drittelparitäti- Einschaltung einer Holding in der Form einer Societas schen Mitbestimmung kann hier nur in Bezug auf die Abbildung Europaea. 5:Damit Unternehmen waren mehr mit alsmehr als 2.000 die Hälfte Beschäftigte aller Un- Übernahmenim Eigentum des Jahresvon 2017Private Equity getroffen und werden. ihr Beschäftigte Auch ternehmen der paritätischen Mitbestimmung entzo- in diesem Fall wurde der Status der Mitbestimmung Unternehmen Beschäftigte wiederum vom Institut für Rechtstatsachenforschung Paritätisch mitbestimmt 17 78.266 eingeschätzt. Von den 28 Unternehmen, die in die Mitbestimmungs-frei 1 3.017 Spanne von 500 bis zu 1.999 inländischen Beschäf- Abbildung 5 tigten fallen, waren nur drei drittelparitätisch mitbe- Ignorierung der Mitbestimmung 18 66.143 stimmt. Dagegen lag bei 11 Unternehmen eine Igno- Vermeidung der Mitbestimmung 3 25.561 Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigte im Eigentum von rierung und bei 14 Unternehmen eine Vermeidung der Gesamtergebnis 39 172.987 Private Equity und ihr Beschäftigtenvolumen nach dem Status Mitbestimmung vor. Zusammengenommen wurde der Mitbestimmung (in v. H.) damit 89 % aller Unternehmen die arbeitnehmersei- tige Mitbestimmung vorenthalten. Dies betraf rund 25.000 Beschäftigte in Unternehmen mit einer Private Equity-Übernahme allein in diesem Jahr. Eine verglei- 100% chende Einordnung bietet in diesem Fall nur die Stu- 90% die von Bayer / Hoffmann (2015), die sich jedoch nur Vermeidung der Mitbestimmung auf Unternehmen der Rechtsform GmbH bezieht. Ge- 80% messen an dem Anteil von etwas mehr als der Hälfte 70% aller Unternehmen, die bei dieser Rechtsform von der 60% drittelparitätischen IgnorierungMitbestimmung der Mitbestimmung ausgeschlossen sind, liegt die Ausschlussquote der PE-geführten Un- 50% ternehmen deutlich höher. 40% Mitbestimmungs-frei 30% 20% 10% 6 VERKÄUFER BEI Paritätisch ÜBERNAHMEN mitbestimmt 0% Der Markt für Unternehmenskontrolle hat sich in den Unternehmen Beschäftigte vergangenen Jahren zu einem Verkäufermarkt ent- wickelt. Private-Equity-Gesellschaften müssen sich Vermeidung der Mitbestimmung daher den Zuschlag der Verkäufer in einem immer Quelle: eigene Darstellung Ignorierung auf Basis von DAFNE/Bureau der Mitbestimmung van Dijk, stärkeren Deal News/Majunke Wettbewerb mit anderen Consulting, Preqin, eigenen Käufern sichern. Mitbestimmungs-frei Die Verkäufe durch natürliche Personen, z. B. Grün- Paritätisch mitbestimmt der, Familien und Erbengemeinschaften, haben sich im Jahr 2017 um fast die Hälfte erhöht (Abbildung 6). Quelle: eigene Darstellung auf Basis von DAFNE / Bureau van Dijk, Damit konnte dieser Eigentümertyp seine Position als Deal News / Majunke Consulting, Preqin, eigenen Recherchen und wichtigster Verkaufskanal mit einem Anteil von 54 % Angaben von Walter Bayer / Thomas Hoffmann © I.M.U. 2019 noch ausbauen. Einen ähnlich hohen Anstieg erleb- Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 12
80% 2013 2014 2015 2016 2017 70% Unternehmen öff.-rechtl. Finanzwirtschaft 29 0 0 1277 0 60% private Finanzwirtschaft 65625 55170 50% 48968 37655 44213 natürliche Personen Streubesitz 275 4018 40% 1423 2039 2087 Streubesitz natürliche Personen 23252 20003 30%27379 31610 35623 Abbildung 6 Unternehmen 21905 22758 20%22153 32998 8513 private Finanzwirtschaft Gläubiger 5994Beschäftigte in8122 Übernommene Unternehmen und deren 10% 6796 Deutschland 2013 1289 bis 2017 nach dem Eigentümertyp 2732 des Verkäufers öff.-rechtl. Summe 117080 110071 106719 0% 106868 93168 Finanzwirtschaft 2013 2014 2015 2016 2017 Übernahmen Beschäftigte Übernahmen Beschäftigte 100% 100% 90% 90% Gläubiger 80% 80% 70% Unternehmen 70% 60% 60% natürliche Personen 50% 50% 40% 40% Streubesitz 30% 30% 20% private 20% 10% Finanzwirtschaft 10% öff.-rechtl. 0% 0% 2013 2014 2015 2016 2017 Finanzwirtschaft 2013 2014 2015 2016 2017 Gläubiger Streubesitz Beschäftigte Unternehmen Private Finanzwirtschaft 100% natürliche Personen öff.-rechtl. Finanzwirtschaft 90% 80% 70% Quelle: eigene Darstellung auf Basis von DAFNE / Bureau van Dijk, Deal News / Majunke Consulting, Preqin und eigenen Recherchen 60% (n=1.092 Unternehmen) © I.M.U. 2019 50% 40% 30% 20% 10% 0% 2013 2014 2015 2016 2017 ten die Verkäufe von Finanzinvestoren, die sich mit geringer als bezogen auf die Verkäufe selbst. Hierbei einem Anteil von 23 % erstmals seit dem Jahr 2013 spielt die Entlassung von Beschäftigten, die während wieder auf dem zweiten Platz etablieren konnten. Da- der Insolvenz vorgenommen werden, eine Rolle. mit ist der Rückgang an Secondary Buyouts (siehe Die Verkäufer von Zielunternehmen hatten in den Kasten) vor allem im Jahr 2015 wieder wettgemacht. vergangenen Jahren stets zu etwa drei Vierteln ihren Den dritten Platz nahmen die strategischen Verkäufer rechtlichen Unternehmenssitz in Deutschland, wobei ein, d. h. in der Regel Konzerne, die sich von einem der Anteil in den letzten beiden Jahren leicht ange- Unternehmensteil trennten. Sie waren wie im Vorjahr stiegen ist. Verantwortlich für diesen hohen Wert war an einer sinkenden Zahl an Verkäufern (-11 %) beteiligt unter anderem die große Menge an natürlichen Per- und kamen so im Jahr 2017 noch auf einen Anteil von sonen als Verkäufer. Zudem ist die Zahl der Finanzin- 17 %. Aus der Insolvenzmasse wurden wie im Vorjahr rund 5 % aller Unternehmen erworben. Infobox 4 Bezieht man die Anzahl der betroffenen Beschäf- tigten in den verkauften Unternehmen ein, dann konnten die Finanzinvestoren ihre führende Position Secondary Buyout als Verkäufer mit einem Anteil von 47 % noch ausdeh- nen (Abbildung 6). Sie knüpfen damit wieder an die Jah- Der Verkauf eines Unternehmens zwischen Private-Equity-Ge- re bis 2015 an, in denen sie immer mehr als die Hälfte sellschaften wird Secondary Buyout genannt. Während nach der der Beschäftigten auf sich vereinigten konnten. Dane- ersten Übernahme meist Kostensenkungen, der Verkauf von Rand- ben haben sich die natürlichen Personen mit einem aktivitäten und eine Optimierung des Einkaufs umgesetzt werden, Anteil von 38 % wieder auf den zweiten Platz gescho- muss für eine gute Rendite beim zweiten Verkauf häufig eine neue ben. Der Abstieg der strategischen Investoren, deren Unternehmensstrategie gefunden werden. Secondary Buyouts be- Anteil an Beschäftigten von 31 % auf 9 % gesunken deuten daher nicht Kontinuität, sondern häufig neue Veränderun- ist, ist dagegen auffällig. Der Anteil der Verkäufe gen im Unternehmen. aus einem Insolvenzverfahren blieb bezogen auf die Beschäftigten mit 2 % wie in den Vorjahren deutlich Mitbestimmungsreport Nr. 49, 03.2019 Seite 13
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