Ok Google The End of Search as we know it - Sprachgesteuerte Websuche im Test - B.I.T.online
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Sünkler | Kerkmann | Schultheiß FACHBEITRÄGE 25 Ok Google … The End of Search as we know it – Sprachgesteuerte Websuche im Test Sebastian Sünkler, Friederike Kerkmann und Sebastian Schultheiß Sünkler | Kerkmann | Schultheiß 1. Einleitung ❱ „Hey Siri“, „Ok Google“ oder „Alexa…“ sind die Sprachsteuerungssysteme, die den Nutzer auf Zuruf unterstützen, werden im einleitenden Befehle, um auf Smartphones, Tablets Zuge der Verbreitung von Smartphones und Lautsprechersystemen wie Amazon oder Smart-Home-Systemen die dahinterliegenden Echo oder Google Home zunehmend populär. Eine der zentralen Anwendungen sprachgesteuerten Assistenten zu starten, die den dabei stellt die Suche in Websuchmaschinen dar. Wie aber funktioniert „goog- Nutzer auf Zuruf bei den verschiedensten Aufgaben len“, wenn der Nutzer seine Suchanfrage nicht schreibt, sondern spricht? Dieser Frage ist ein Projektteam der HAW Hamburg nachgegangen und hat im Auftrag unterstützen sollen. Solche Sprachsteuerungssys- der Deutschen Telekom untersucht, wie effektiv, effizient und zufriedenstellend teme gibt es bereits seit einigen Jahrzehnten, wobei Google Now, Apple Siri, Microsoft Cortana sowie das Amazon Fire OS arbeiten. diese bis dato ein Nischendasein führten. Durch die Ermittelt wurden Stärken und Schwächen der Systeme sowie Erfolgskriterien für rasante Verbreitung von Smartphones verändert eine hohe Gebrauchstauglichkeit. Diese Erkenntnisse mündeten in dem Prototyp sich dieses jedoch zunehmend. So sind die digitalen einer optimalen Voice Web Search. sprachgesteuerten Assistenten inzwischen nicht nur Voice control systems that support the user on call are becoming increasingly auf den gängigen Smartphones verfügbar, sondern popular since smartphones and smart speaker such as Amazon Echo and Google durchdringen mit Lautsprechersystemen wie Ama- Home have been launched. One of the most popular application is searching in zon Echo oder Google Home die Gesellschaft immer web search engines. But how does „googlen“ work if the user does not write his mehr. Aktuelle Studien zeigen, dass bereits jetzt je- search query, but gives voice commands instead? This question has been inves- der zweite Deutsche die Sprachsteuerung nutzt (Bit- tigated by a project team of HAW Hamburg on behalf of Deutsche Telekom. They analyzed how effective, efficient and satisfying Google Now, Apple Siri, Microsoft kom, 2016) und in den USA knapp 40% der Besitzer Cortana and the Amazon Fire OS work. Strengths and weaknesses as well as suc- auf die Eingabe von Befehlen per Sprache zurück- cess criteria for a high degree of usability were determined. These findings result- greifen (Parks Associates, 2016). Sprachsteuerung ed in a prototype of an optimal Voice Web Search. auf Smartphones wird dabei überwiegend im priva- ten Rahmen, z.B. beim Kochen oder während des Fernsehens genutzt (Google, 2014). Die populärsten Anwendungszwecke solcher Systeme sind dabei die 2016). Er definiert zunächst den Begriff der sprach- Suche bei Websuchmaschinen, Terminerinnerungen gesteuerten Websuche und grenzt damit den Unter- und Wettervorhersagen (Brandt, 2017). Schätzungen suchungsgegenstand des Projektes ab. Im Anschluss gehen davon aus, dass im Jahr 2021 knapp 2 Milliar- werden die eingesetzten Methoden, die Projektergeb- den Nutzer auf solche Dienste zurückgreifen werden nisse dargestellt. Der Beitrag endet mit einem zusam- (Tractica, 2016). menfassenden Fazit, auch zu den Lernerfolgen der Mit der populärsten Anwendung, der sprachgesteu- Studierenden und einem kurzen Ausblick auf künftige erten Websuche, hat sich das Projekt „Ok Google… Entwicklungen und Forschungsbedarfe. The End of Search as we know it“ beschäftigt. Dabei ist das Projekt im Auftrag der Deutschen Telekom 2. Sprachgesteuerte Websuche AG den Fragen nachgegangen, wie effektiv, effizient Die Geschichte der modernen sprachgesteuerten und zufriedenstellend derzeitige Systeme speziell im Websuche oder Voice Web Search ist jung. Im Jahr Bereich der Websuche arbeiten, kurz: wie gut „goo- 2010 veröffentlichten Google und Apple ihre Dienste geln“ funktioniert, wenn der Nutzer seine Suchanf- Google Voice Search und Apple Siri; Microsoft brachte rage nicht schreibt, sondern spricht. Dafür wurden im Jahr 2014 Microsoft Cortana als Bestandteil von vier verschiedene Sprachassistenten evaluiert und Windows 8.1 auf den Markt. Diese Systeme sind aus den gewonnenen Erkenntnissen Handlungsemp- momentan – bedingt durch die starke Integration in fehlungen zur Gestaltung einer eigenen Voice Web die Betriebssysteme – Marktführer im Bereich der Search Anwendung für den Auftraggeber abgeleitet. Smartphones. Bei den Heimlautsprechern ist Amazon Der folgende Beitrag basiert in weiten Teilen auf dem Echo das am meisten genutzte System, das allerdings erarbeiteten Projektbericht (Sünkler & Kerkmann, auch erst seit 2016 erworben werden kann. Zur Ver- www.b-i-t-online.de 21 (2018) Nr. 1 online Bibliothek. Information. Technologie.
26 FACHBEITRÄGE Sünkler | Kerkmann | Schultheiß arbeitung der Spracheingaben nutzen diese Systeme auch wesentliche Bausteine des Projektmanage- vergleichbare Technologien. Sie sind selbstlernende ments und Sozialkompetenzen vermittelt. Durch Systeme, die auf Cloud-Server-Architekturen zugrei- diese Kombination werden die Teilnehmenden auf die fen, um die Eingaben per Stimme durch ihre Nutzer Komplexität der Berufswelt mit ihrem Bedarf an fä- zu verarbeiten und Websuchen durchzuführen. Die An- cherübergreifenden und problemlösungsorientierten bieter der Sprachsysteme setzten entweder auf Such- Arbeitsweisen vorbereitet2 (Modulhandbuch, 2013). maschinentechnologien, die sie selbst entwickeln (Google, Microsoft Bing), oder verwenden eine Kom- 3.1 Der Projektauftrag bination vorhandener Suchtechnologien (Apple nutzt Die Zielsetzung des Projekts „Ok Google… The End of Google, Bing, Yandex und weitere Suchmaschinen). Search as we know it“ bestand darin, die drei markt- Die Darstellung für den Nutzer und die Verarbeitung führenden Systeme zur sprachgesteuerten Websuche hängen dabei stark von der Integration der Websuch- Google Now, Apple Siri und Microsoft Cortana sowie maschinen in das Betriebssystem des Gerätes ab. So das inzwischen nicht mehr erhältliche Amazon Fire werden akustische Suchanfragen entweder in Text OS3 auf ihre Stärken und Schwächen hin zu evaluie- umgewandelt und als textuelle Anfrage/Antwort an ren. Ausgehend davon sollten Handlungs- und Gestal- die Suchmaschine/den Nutzer weitergeleitet oder tungsempfehlungen für die Entwicklung einer sprach- sie werden bezogen auf das System anderweitig wei- gesteuerten Websuche abgeleitet und eine optimierte terverarbeitet, z.B. indem eine unmittelbare akusti- Oberfläche konzipiert werden. Die Ergebnisse sollten sche Antwort auf eine Frage erfolgt, ohne dass der in einem Abschlussbericht aufgearbeitet und mit dem Zwischenschritt über die Websuchmaschine deutlich Auftraggeber in einem Workshop weiterentwickelt wird. Lautsprechersysteme wie Amazon Echo re- werden. agieren ausschließlich durch Sprachausgabe auf die Suchanfragen. Die sprachgesteuerte Websuche hebt 3.2 Methodisches Vorgehen sich von der traditionellen Suche dadurch ab, dass Eine Herausforderung des Projekts bestand darin, die Systeme zum Teil in der Lage sind, mit dem An- den Projektauftrag, Stärken und Schwächen der Sys- wender „zu sprechen“, indem sie in den Dialog tre- teme zu evaluieren, in messbare Qualitätskriterien ten und sich auf vorangegangene Suchen beziehen zu überführen. Als Ausgangsbasis wurden die Qua- können (z.B. „Wie heißt der Präsident der Vereinigten litätsdimensionen konventioneller Desktop-Suchma- Staaten?“ → Antwort → „Wie groß ist er?“ → Antwort).1 schinen nach (Lewandowski & Höchstötter, 2007) gewählt. Die Voice Web Search Systeme sollten so- 3. D as Projekt „OK Google… The End of mit anhand ihrer Treffer-Qualität, Recherche-Qualität Search as we know it“ sowie Usability beurteilt werden. Das Projekt „Ok Google… The End of Search as we Im nächsten Schritt galt es für jede Qualitätsdimen- know it – Sprachgesteuerte Suche im Test“ fand sion testbare Prüfpunkte zu definieren. Die Treffer- als studiengangsübergreifendes Projekt der beiden Qualität wurde anhand der Retrievaleffektivität der Studiengänge „Medien und Information“ und „Bib- Systeme, der Personalisierungsmaßnahmen sowie liotheks- und Informationsmanagement“ am Depart- der Ergebnispräsentation untersucht. Die Recherche- ment Information der Hochschule für Angewandte Qualität wurde über die Verarbeitung der Suchanfra- Wissenschaften (HAW) Hamburg im Wintersemester gen und die Dialogfähigkeit evaluiert. Für die Beur- 2015/16 statt. Auftraggeber war die Deutsche Tele- teilung der Usability wurden Kriterien zu Zugang, Be- kom AG. Insgesamt haben 15 Studierende unter der dienung, Barrierefreiheit und Hilfestellung durch die Leitung von zwei Verantwortlichen der Hochschule Systeme herangezogen. sowie einer Ansprechpartnerin seitens des Auftrag- Für die Durchführung der einzelnen Evaluationen gebers das Projekt durchgeführt. Die studiengangs- wurde den Studierenden ein Methoden-Set aus ver- übergreifenden Pflichtprojekte am Department Infor- schiedenen experten- und nutzerbasierten Verfahren mation geben den Studierenden im fünften Semester vorgegeben. die Gelegenheit, über Studiengangsgrenzen hinweg gemeinsam für einen realen Auftraggeber eine Auf- 2 Je Projekt ist ein Workload von 540 Stunden vorgesehen, so dass die Rah- gabenstellung des Berufsalltags zu bearbeiten. Dabei menbedingungen gegeben sind, tief in eine Thematik einzusteigen und auch zeitintensive Vorhaben zu bearbeiten. werden neben den entsprechenden Fachkenntnissen 3 Das Fire Phone von Amazon, dessen Sprachsteuerung keinen eigenen Namen trägt und von anderen sprachbasierten Amazon-Diensten wie bspw. Alexa 1 Eine detaillierte Darstellung des derzeitigen Entwicklungsstandes und Funkti- abzugrenzen ist, ist inzwischen nicht mehr käuflich erhältlich. Das Gerät, das onsumfangs zu allen untersuchten Geräten findet sich im Projektbericht, der durch Netlock ausschließlich an das Netz der Telekom gebunden war, dennoch unter http://searchstudies.org/ok-google/ online zur Verfügung steht. in den Test einzubeziehen, war Wunsch des Auftraggebers. online Bibliothek. Information. Technologie. 21 (2018) Nr. 1 www.b-i-t-online.de
Sünkler | Kerkmann | Schultheiß FACHBEITRÄGE 27 Tab. 1 zeigt die eingesetzten Methoden sowie ihre jeweilige Zielsetzung in der Übersicht: Ziel inhaltlich Methode Ziel methodisch Qualitätsdimension Literaturrecherche State of the Art Kennenlernen des Systems/Ge- räts, Einüben von wissenschaft lichem Arbeiten Heuristik Identifikation von ‚bedeutenden‘ / ‚katastrophalen‘ Kennenlernen des Systems/ Usability-Problemen, Vergleich der Geräte Geräts, Usability Einüben der Methode Szenarienbasierter Identifikation von Usability-Problemen aus Nutzer- Kennenlernen der jeweils ande- Walkthrough sicht, Hineinversetzen in verschiedene Nutzertypen ren Systeme/Geräte, und Nutzungsszenarien Einüben der Methode + Persona- Entwicklung Usability Retrievaltest quantitative Analyse der Retrievaleffektivität unter Einüben der Methode Laborbedingungen, Vergleich der Geräte Treffer-Qualität Vorabbefragung Erfassung demographischer Daten und Vorerfahrung Einüben der Methode, „Angst vor dem Nutzer verlieren“ nutzerbasiert unter Realbedingungen Teilnehmende Identifikation von Stärken und Schwächen unter Einüben der Methode eobachtung B realen Bedingungen Recherche-Qualität, Treffer-Qualität, Usability Retrospective Thinking Identifikation von Stärken und Schwächen unter s.o. Aloud realen Bedingungen Recherche-Qualität, Treffer-Qualität, Usability SUS-Fragebogen 4 quantitative Analyse der Gebrauchstauglichkeit, s.o. Vergleich der Geräte Usability Nachbefragung Identifikation von Stärken und Schwächen in der s.o. Rückschau Recherche-Qualität, Treffer-Qualität, Usability Tab. 1: Eingesetzte Methoden und Ziele Voraussetzung für Walkthrough, Retrievaltest und chen sind im Gegensatz zur Suche an stationären Ge- Nutzerstudie waren realistische Suchanfragen, die räten praktisch von überall möglich und damit stärker tatsächliche Suchszenarien der Nutzer abbildeten. Zu von Spontanietät und Ungeduld der Nutzer getrieben. diesem Zweck entwickelten die Studierenden aus ih- Dieses Verhalten bilden die Micro-Moments ab, in- rem eigenen Alltag heraus Suchanfragen, die sich je- dem sie die verschiedenen Momente, in denen ein weils an den von Google formulierten Micro-Moments Nutzer mit seinem Smartphone suchen kann, und die (Google, 2015) orientierten, um so die verschiedenen sich daraus ergebenden Suchbedürfnisse beschrei- Suchintentionen, die im mobilen Kontext auftreten ben. Tab. 2 zeigt die vier genutzten Micro-Moments können, gleichmäßig zu berücksichtigen. Mobile Su- in der Übersicht: Micro-Moment Suchintention Beispiel WANT-TO-KNOW informationsorientierte Suche Nutzer will sich über ein Produkt informieren, das er in diesem Moment in einer TV-Werbung sieht WANT-TO-GO lokale Suche Nutzer sucht nach einem italienischen Restaurant in seiner Nähe WANT-TO-DO Howto-Suche Nutzer sucht nach einem Rezept für einen Apfelkuchen WANT-TO-BUY transaktionsorientierte Suche Nutzer befindet sich einem Geschäft und nutzt die Suche als Ent- scheidungshilfe beim Produktkauf Tab. 2: Micro-Moments 4 Der System Usability Scale (SUS) ist ein von John Brooke entwickelter technologieunabhängiger Fragebogen, mit dessen Hilfe sich die Gebrauchstauglichkeit eines Systems verhältnismäßig einfach bewerten lässt. www.b-i-t-online.de 21 (2018) Nr. 1 online Bibliothek. Information. Technologie.
28 FACHBEITRÄGE Sünkler | Kerkmann | Schultheiß Diese Methodenvielfalt diente dabei sowohl dem eine Aussage über die Retrievaleffektivität auf Doku- konkreten Erkenntnisgewinn als auch dem intensiven mentebene nicht möglich war. Kennenlernen der Systeme aus unterschiedlichen Bei den Nutzertests konnte der Grundsatz, Proban- Perspektiven. Zusätzlich sollten die Studierenden ein den die zu evaluierende Anwendung ausschließlich breites Repertoire an Methoden erlernen. mit dem eigenen Endgerät testen zu lassen, um Be- dienfehler mangels Erfahrung ausschließen zu kön- 3.3 Methodenkritik nen, nicht berücksichtigt werden. Hintergrund war Der genutzte Methodenmix war der Versuch, etab- zum einen die geringe Verbreitung des Microsoft- und lierte Verfahren der Suchmaschinen- und Usability- Fire-Phones, zum anderen hätten Verzerrungen durch Evaluation für ein hoch innovatives Anwendungsfeld individuelle Personalisierungsmaßnahmen auf dem zu adaptieren und miteinander zu kombinieren. Da- eigenen Gerät nicht systematisch ausgeschlossen bei kam es zu einigen Methodenschwächen, so dass werden können. die Ergebnisse (s. 3.4.) zum Teil nur bedingt aussa- gekräftig sind und als vorläufig betrachtet werden 3.4 Projektergebnisse müssen. Eine große methodische Herausforderung in Wie in der Darstellung des methodischen Vorgehens dem Projekt bestand im Fehlen etablierter Standard- beschrieben, wurden vielfältige Methoden für die methoden für die Evaluierung von sprachgesteuerter Durchführung des Projekts gewählt. Die Teilergeb- Websuche bzw. in einer Nicht-Übertragbarkeit von nisse der einzelnen Untersuchungsschritte wurden Methoden bspw. zur Evaluierung von Websuchma- für eine abschließende Bewertung der Systeme so- schinen oder der Usability von Webseiten. Da keine wie für die Ableitung von Handlungsempfehlungen geprüfte Heuristik für den Anwendungsfall existiert, zusammengefasst. wurde eine eigene Heuristik entwickelt, die zwar rele- vante Problembereiche (Zugang/Einstieg, Bedienung, 3.4.1 H euristische Evaluation und Verarbeitung der Suchanfragen, Personalisierung, szenarienbasierter Walkthrough Barrierefreiheit, Ergebnispräsentation und Hilfestel- Für die heuristische Evaluation der Systeme wurde lung (Sünkler & Kerkmann, 2016)) abprüfte, jedoch ein eigener Leitfaden verwendet, der 46 Kriterien u.a. selbst nicht auf ihre Tragfähigkeit hin validiert wurde. zu Zugang/Einstieg, Barrierefreiheit, Ergebnispräsen- Auch bei der Durchführung des Retrievaltests muss- tation abprüfte. Um dabei auch Besonderheiten, wie ten Einschränkungen akzeptiert werden, da die klas- z.B. das Verständnis der Spracheingabe bei Dialekten sische Methodik zu Information-Retrievalstudien berücksichtigen zu können, entwickelten die Studie- nicht übertragbar war. So waren den Juroren die renden ergänzend 4 Szenarien sowie 4 Personas, die Systeme bei der Bewertung bekannt. Außerdem va- als Rahmenhandlung zugrunde gelegt wurden. Die so riierte die Darstellung bzw. Ausgabe der Ergebnisse identifizierten Usability-Mängel wurden anschließend (akustisch vs. herkömmliche Trefferdarstellung mit mit Hilfe des Stufenmodells nach Nielsen gewichtet Ergebnisliste) so stark zwischen den Systemen, dass (s. Tab. 3): Stufe Bezeichnung Priorität – Kein Problem – 1 Kosmetisches Problem Muss nicht behoben zu werden, außer der Projektrahmen stellt ge- nügend Zeit dafür zur Verfügung. 2 Geringfügiges Usability-Problem Der Behebung sollte untergeordnete Priorität eingeräumt werden. 3 Bedeutendes Usability-Problem Es ist wichtig, das Problem zu beheben. 4 Usability-Katastrophe Es ist ein Muss, dieses Problem zu beheben, bevor das Produkt ausgeliefert wird. Tab. 3: Gewichtung von Usabilityproblemen (nach Nielsen, 1994) Im Ergebnis zeigte sich in diesem Untersuchungs- ten, d.h. mit den meisten Usability-Katastrophen und schritt, dass Google Now zum Zeitpunkt der Unter- den wenigsten Nicht-Problemen schnitt das Amazon suchung die wenigsten Usability-Probleme aufweist Firephone ab (s. Abb. 1). und weit vor den Mitbewerbern liegt. Am schlechtes- online Bibliothek. Information. Technologie. 21 (2018) Nr. 1 www.b-i-t-online.de
Sünkler | Kerkmann | Schultheiß FACHBEITRÄGE 29 Abb. 1: Ergebnisse der heuristischen Evaluation 3.4.2 Nutzertest när (ja/nein) sowie auf einer aufsteigenden 5er-Skala Für den Nutzertest wurden insgesamt 25 Probanden (0=nicht relevant; 4=sehr relevant) bewertet. Bedingt rekrutiert, die ein sehr heterogenes Probandenfeld durch die in Abschnitt 3.3. beschriebenen Methoden- abbildeten (z.B. durch eine Altersspanne von 8-46 mängel können die so erhobenen Erkenntnisse zwar Jahren). Die Probanden wurden dabei im Feld ge- lediglich als Tendenzen verstanden werden, nichts- testet; sie lösten verschiedene Suchaufgaben u.a. in destotrotz zeigte sich auch in diesem Untersuchungs- einem Shopping-Center, um die Fähigkeit der Geräte schritt ein Qualitätsgefälle: Die besten, d.h. relevan- zu testen, trotz Hintergrundgeräuschen richtig auf die testen Suchergebnisse liefert Google; der Verlierer Anweisungen zu reagieren. Mit Hilfe der Retrospective ist der Dienst Siri von Apple. Amazon Fire OS und Mi- Thinking Aloud Methode54 wurden die Kommentare crosoft Cortana liegen in Bezug auf die Beantwortung der Probanden bei der Gerätenutzung im Nachhinein in etwa gleich auf, unterscheiden sich allerdings in der erfasst und ausgewertet. Zusätzlich wurden die Studi- Qualität ihrer Antworten. Hier ist Cortana dem Dienst enteilnehmer zu ihrem Eindruck der Systeme befragt. von Amazon in allen Micro-Moments überlegen. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden anschließend anhand der Kriterien aus der Heuristik systematisiert. 3.4.4. Z usammenfassung der Ergebnisse und Auch bei den Nutzertests zeigte sich eine Überlegen- Prototypentwicklung heit von Google Now im Vergleich zu den anderen Im direkten Stärken- und Schwächenvergleich konnte Systemen sowohl bei der Recherchequalität als auch das System von Google überzeugen, wobei – mit Aus- in der Gebrauchstauglichkeit. nahme des Amazon Firephones – auch die übrigen ge- testeten Sprachsteuerungen eine überwiegend solide 3.4.3 Retrievaltest Usability und Suchqualität bieten. Um neben der Qualität der Gestaltung und Usability Die Vielfalt der angewandten Methoden und die da- auch die Güte der ausgelieferten Ergebnisse bzw. die mit gewonnene Vielzahl an identifizierten Stärken und Effektivität des Suchsystems beurteilen zu können, Schwächen machten es zudem möglich, übergrei- wurde ein Retrievaltest durchgeführt. Dazu wurde die fende Erfolgsfaktoren abzuleiten, die künftig heran- Relevanz von den Ergebnissen zu 20 Suchanfragen bi- gezogen werden können, um bestehende Systeme in ihrer Gebrauchstauglichkeit zu beurteilen oder um ein 5 Klassisches Thinking Aloud während der Bearbeitung einer Suchaufgabe hätte optimiertes System zu konzipieren. Tab. 4 zeigt die ggf. die Sprachsteuerung aktiviert und somit zu Komplikationen geführt. Daher gesammelten Erfolgskriterien in der Übersicht: musste auf die Variante des Retrospective Thinking Aloud, also dem lauten Denken in der Rückschau auf eine Aufgabe, zurückgegriffen werden. www.b-i-t-online.de 21 (2018) Nr. 1 online Bibliothek. Information. Technologie.
30 FACHBEITRÄGE Sünkler | Kerkmann | Schultheiß Zugang/ Bedienung Suchanfrage- Personali- Barrierefrei- Ergebnis Hilfe Einstieg Verarbeitung sierung heit präsentation stellung Eindeutig als Lange Sprech Akzente und Standort Grafiken in Sprachausgabe bei Fehlermel- Sprach- pausen möglich Dialekte werden wird bei der den Ergebnis- Faktenrecherche dungen sind steuerung korrekt erkannt Suchanfrage sen werden in hilfreich erkennbar einbezogen ausreichender Größe darge- stellt Brauchbare Englische Ausgabe- Die Schrift- Akustisches Aktive Ergebnisse bei Anfragen werde sprache größe bei den Feedback zu den Unterstüt- Stichwortsuchen korrekt erkannt wird der Ergebnissen ist Ergebnissen nach zung bei der Eingabe- ausreichend der Suchanfrage- Bedienung sprache verarbeitung angepasst Interaktion mit Unbekannte Kontrast bei Sprachausgabe Links zur Suchergebnissen Abkürzungen der Ergebnis- direkt zu den Hilfe sind per Sprache können inter- darstellung ist Suchergebnissen vorhanden möglich pretiert werden angemessen wird unterstützt und gut sichtbar Suchverarbeitung Korrekte Akustische Passende Dar- Hilfestellung per Sprache Erkennung der Wiedergabe aller stellungen zu den in Textform beenden Anfrage Suchergebnisse Micro-Moments wird ange- boten Unterstützung Autorkorrektur Schriftvergrö- Die Quellen der Hilfe bei von Dialogen wird unterstützt ßerung wird Suchergebnisse Null-Treffer- unterstützt sind immer er- Seiten und kennbar nicht ver- standenen Anfragen Echtzeitfeedback Keyword in Con- bei der Verarbei- text wird unter- tung stützt Zuverlässige Die Treffer-be- Erkennung bei schreibungen sind lauten Umge- verständlich bungsgeräuschen Die Ergebnisse sind auf dem aktu- ellen Stand Tab. 4: Erfolgsfaktoren für eine sprachgesteuerte Websuche Abb. 2: Ablauf des optimalen Such- einstiegs online Bibliothek. Information. Technologie. 21 (2018) Nr. 1 www.b-i-t-online.de
Sünkler | Kerkmann | Schultheiß FACHBEITRÄGE 31 Dieser Prüf- und Gestaltungskatalog für gebrauchs- In Bezug auf die Lernerfolge der Studierenden wurden Abb. 3: Prototyp taugliche Voice Web Search Systeme wurde dem auf Ebene der Methoden- und Sozialkompetenz Pro- eines Tutorials (1) sowie einer Anlei- Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Zusätzlich ent- jektmanagement-Kenntnisse und der professionelle tung (2) wickelten die Studierenden den Prozessablauf einer Umgang mit Auftraggeber und Studienteilnehmern optimalen Voice Web Search. Der Ausschnitt aus dem eingeübt. Sprache wird als Instrument zur Steuerung Flussdiagramm (Abb. 2) zeigt, wie ein Sprachsteue- von Informations- und Kommunikationstechnologien rungssystem beim Sucheinstieg reagieren sollte, um immer relevanter und damit in Zukunft auch in Infor- dem Nutzer ein optimales Sucherlebnis zu bieten. mationseinrichtungen und Bibliotheken präsent(er). Zusätzlich wurden Nutzerinterfaces skizziert, wel- Die Studierenden als künftige Anwender und Multi- che die Einzelschritte innerhalb des Prozesses unter plikatoren konnten daher mögliche Hemmungen der- Berücksichtigung der Erfolgsfaktoren visualisieren. artigen Steuerungssystemen gegenüber verlieren und Abb. 3 illustriert beispielhaft die Oberflächen für ein lernen, mit diesen als Nutzer umzugehen sowie sie als interaktives Tutorial sowie eine schriftliche Anleitung Experten zu evaluieren. für den Nutzer, der die sprachgesteuerte Websuche Die Themen Sprachsuche und digitale Assistenten erstmals nutzt. liegen momentan stark im Trend. Während Amazon Echo seit dem letzten Jahr auf dem deutschen Markt 3. Fazit und Ausblick verfügbar ist, ziehen andere große Unternehmen wie Während traditionelle Suchmaschinen-Evaluierung Google und Apple dieses Jahr mit eigenen Lautspre- (bislang) vielfach auf „harten“, quantifizierbaren Fak- chern nach. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Nut- ten basiert, zeichnen sich Usability-Analysen durch zung immer weiter zunimmt und auch Einzug in Biblio- eine überwiegende Nutzung „weicher“ subjektiver theken und Informationseinrichtungen findet. Daher qualitativer Kriterien aus, was zugleich jeweils Stärke ist es wichtig, dieses Thema stärker in Forschung und und Schwäche dieser Methoden ist. Die Herausfor- Lehre zu berücksichtigen und dabei auch eine wis- derung des Vorhabens „Ok Google...“ bestand darin, senschaftlich fundierte und robuste Methodik für die beide Felder miteinander zu kombinieren und für den systematische Evaluierung zu entwickeln. Die Metho- Anwendungsfall der sprachgesteuerten Websuche dik auf dem Projekt „Ok Google…“ bietet dafür erste anzupassen. Trotz Methodenschwächen konnte das Vorschläge, die aber in weiteren Forschungsvorhaben Projekt einen Überblick zu den Stärken und Schwä- vertieft und ausgearbeitet werden müssten. chen der marktführenden sprachbasierten digitalen Assistenten in Bezug auf die Fähigkeiten der Voice Web Search liefern. www.b-i-t-online.de 21 (2018) Nr. 1 online Bibliothek. Information. Technologie.
32 FACHBEITRÄGE Sünkler | Kerkmann | Schultheiß 4. Danksagung Sünkler & Kerkmann (2016): Ok Google… The End of Search as we know it. Projektbericht zum Studienprojekt „Ok Der Deutschen Telekom AG, insbesondere Sonja Google… The End of Search as we know it. Sprachgesteu- Quirmbach, danken wir für den Projektauftrag und für erte Suche im Test“, http://searchstudies.org/ok-google/ ihre Bereitschaft, uns inhaltlich sowie durch die Be- Tractica (2016): The Virtual Digital Assistant Market Will reitstellung der Smartphones und die Übernahme der Reach $15.8 Billion Worldwide by 2021. – URL: https:// www.tractica.com/newsroom/press-releases/the-vir- Probandenvergütung zu unterstützen. Bei den Studie- tual-digital-assistant-market-will-reach-15-8-billion-world- renden bedanken wir uns für ihre Offenheit und enga- wide-by-2021/ gierte Mitarbeit, ohne die das Vorhaben nicht hätte erfolgreich durchgeführt werden können. Bei der Jury des TIP-Awards bedanken wir uns ganz herzlich für die Auszeichnung des Projekts. ❙ 5. Literaturverzeichnis Bitkom (2016): Sprachsteuerung setzt sich bei Smartphones Friederike Kerkmann durch. – URL: https://www.bitkom.org/Presse/Pressein- formation/Sprachsteuerung-setzt-sich-bei-Smartphones- Hochschule für Angewandte durch.html Wissenschaften Hamburg Brandt, Mathias (2017): Würden die Deutschen Siri und Co. Fakultät Design, Medien und nutzen. – URL: https://de.statista.com/infografik/8757/ Information art-der-nutzung-von-digitalen-sprachassistenten/ Department Information Google (2014): Google. (2014). OMG! Mobile voice survey Finkenau 35, 22081 Hamburg reveals teens love to talk. – URL: https://googleblog. friederike.kerkmann@haw-hamburg.de blogspot.de/2014/10/omg-mobile-voice-survey-reveals- teens.html Sebastian Sünkler Google (2015). Micro-Moments Your Guide to Winning the Wissenschaftlicher Mitarbeiter Shift to Mobile. – URL: https://think.storage.googleapis. com/docs/micromoments-guide-to-winning-shift-to-mo- Hochschule für angewandte bile-download.pdf Wissenschaften Hamburg Lewandowski, Dirk & Höchstötter, Nadine (2007). Quali Fakultät Design, Medien & Information tätsmessung bei Suchmaschinen – System- und nutzer- Department Information bezogene Evaluationsmaße. Informatik Spektrum, 30(3), Finkenau 35, 22081 Hamburg 159-169. sebastian.suenkler@haw-hamburg.de Modulhandbuch (2013). Modulhandbuch Bibliotheks- und Informationsmanagement/Library and Information Sci- ence. Bachelor of Arts. Stand 2013-10-02. URL: https:// Sebastian Schultheiß www.haw-hamburg.de/fileadmin/user_upload/DMI-I/Stu- Hochschule für Angewandte dium/Studiengaenge/BIM/BIM2013ModulHandbuch4-1. Wissenschaften Hamburg pdf Fakultät Design, Medien und Nielsen (1994). Heuristic evaluation. In Nielsen, J., and Mack, Information R.L. (Hrsg.), Usability Inspection Methods. John Wiley & Department Information Sons, New York, NY. Finkenau 35, 22081 Hamburg Parks Associates (2016): Almost 40% of U.S. smartphone ow- sebastian.schultheiss@haw-hamburg.de ners use voice recognition software. – URL: http://www. parksassociates.com/blog/article/pr-01272016 www.b-i-t-online.de www.libess.de www.fachbuchjournal.de online Bibliothek. Information. Technologie. 21 (2018) Nr. 1 www.b-i-t-online.de
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