ONLINE - Hubschraubermuseum Bückeburg
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HUBSCHRAUBERZENTRUM & MUSEUM BÜCKEBURG ONLINE +++r e p o r t AUSSER IRDISCH Ingenuity ist sicher in Bückeburg gelandet Erfolgreiche Landung auf dem Mars mit Helikopter an Bord Demnächst im Museum: Dauphin SA 365 von der Heli-Flight 75 Jahre – und noch gut in Form: Bell 47
e D a t e ! ! HRAUBERFORUM PTER FORUM t h SSaavvee the D a t e zentrum 32. 32 nd INTERNATIONALES INTERNATIONAL HUBSCHRAUBER HELICOPTER FORUM FORUM BÜCKEBURG 352 A7 BÜCKEBURG J–u8l,i 2002211 annover 7J.u–l8y. 7 2 A7 DIE WELTen THE WORLDs DES OF VERTIKALFLUGS VERTICAL FLIGHT
Liebe Mitglieder und Freunde des Hubschrauberzentrums! Herausgeber (v.i.S.d.P.) Guido Ziese eine digitale Ausgabe unseres Museums-Magazin, den Sie als FORUMreport jeweils zum Hubschrauber– und zum Rotor Hubschrauberzentrum e. V. Drone Forum als Papierausgabe kennen, kommt nun direkt Sablé-Platz 6 online zu Ihnen. D-31675 Bückeburg Das hat Gründe: fon: +49 (0)572 5533 1. Wegen der CoronaPandemie ist das 32. Internationale Hub- fax: +49 (0)572 71539 schrauberforum ausgefallen. info@hubschrauberzentrum.de 2. Die Absicht einen Helikopter auf dem Mars fliegen zu las- sen Leitung Hubschraubermuseum 3. Die vorgezogene Landung de Mars-Hubschraubers im Mu- Kerstin und Dieter Bals seum Redaktion ONLINEreport … Guido Ziese … Kim Braun redaktion@hubschrauberzentrum.de Mitgliederservice Kerstin Bals service@hubschrauberzentrum.de © Hubschrauberzentrum e. V. 2021 Vorstand – Präsident Dr. Klaus Przemeck – Vorsitzender Michael Wasser – Vorsitzender stv. Michael Nando Seitz – Schatzmeister Gerald Siegmann – Justiziar Matthias Werth – Schriftführer Dieter Bals – Pressereferent Guido Ziese – Museumsreferent Kim Braun – Bügermeister Reiner Brombach Werden Sie Mitglied im Hubschrauberzentrum e.V. Bückeburg! HZ +++online 1/2021 3
NEU im H ubschrauberzentrum : D er ONLINE report (OR) Impressum ........................................................................... 3 Editorial ................................................................................. 3 Inhalt ..................................................................................... 4 GRUSSWORT Museumsleitung .................................................................. 5 AKTUELL AUS DEM MUSEUM mit zoom: Der Zukunft voraus............................................... 6 INGENUITY – MIT EINFALLSREICHTUM … und Dieter Störig – Fragen an den Konstrukteur ............ 8 AUS DER RAUMFAHRT Die 5. NASA Expedition zum Roten Planeten....................... 10 AUS DER WISSENSCHAFT Lehrstuhl für Hubschrauber Technologie Interview mit Professor Dr. Manfred Hajek........................... 12 Der Mars-Helikopter “Ingenuity” aus Sicht der Hubschrauber Forschung................................ 16 Eine anspruchsvolle Aufgabe für einen Drehflügler.............. 19 DAMALS Just do it! Now!.................................................................... 15 15 Jahre HTH/FTH – Heavy/Future Transport Helicopter PROJEKTE Jugend forscht...................................................................... 20 Das Da Vinci Laboratorium.................................................... 21 ROTIERT & NOTIERT Pilot of the Year..................................................................... 22 HISTORY 75 Jahre Bell 47..................................................................... 24 Fotos & Grafiken: NASA, Bundeswehr, HZ e.V., HAI, TUM, Airbus, DRF, HeliFlight 4 HZ +++online 1/2021
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder und Freunde des Hubschraubermuseums! ... immer noch geschlossen, wir waren aber nicht untätig, neben dem Ingenuity haben wir die defekte Lichtschranke mit dem mp3 Player im Glasgang wieder repariert , so dass beim Vorbeigehen die Hubschraubergeräusche CH-53 wieder zu hören sind. Auch sind wir dran, dass die H-34 drei Druckschalter bekommt, wo 1. der Motorstartvorgang, und 2. das Flugge- räusch zu hören ist, der dritte Druckschalter ist zum Ausschalten. Natürlich muss ein 15 Zoll Bass-Tieftonlautsprecher die Töne übertragen wg der besonderen Wirkung und hoffentlich nervt es nicht zu sehr. Es wird bis zur Wiedereröffnung vorraussichtlich am Gründonnerstag 01.04.2021 (mit dem Bückeburger Schloss und dem Stadtmuseum so abgesprochen) eineWeitergestaltung des Raumes Ingenuity geben, weil auf der rechten Seite nochmal soviel Platz ist, wo wir die 6 terristrischen Brüder vom (Ingenuity Drohnen) platzieren wollen, somit ist das ein würdiger, in die Zukunft blickender Abschluss des Museumsrundgangs. Auch muss vor der Wiedereröffnung alles wieder auf Hochglanz gebracht werden und die Hygienemaßnahmen aktualisiert werden. Also noch genügend Arbeit bis wir die Tore wieder öffnen können. Die mündlich zugesagte Projektförderung aus dem Einzelplan 14 (Verteidigungshaushalt) wurde uns mitte letzter Woche per Mail bestätigt, mit dem fast nicht möglichen Zusatz, dass die Mittel 2021 verbraucht sein müssen. Es erscheint uns fast unmöglich, diese vielen Bedingungen, welche an die Förderung geknüpft sind, bis zum Jahresende zu erfüllen und komplett abzuschließen. Die Anfrage an den BMVg die Mittel zu schieben wurde vehemend verneint - hoffen wir also, dass das Räderwerk der Kostenvoranfragen, Bauvoranfragen, Genehmigungen und Ausführungen etc. funktioniert, so dass wir zu einem guten Abschluss kommen mit Verbrauch aller Mittel. Unsere Tabellenauflistung hab ich schon zugeschickt, wir werden kommende Woche Bescheid bekommen, was geht und was gar nicht geht; natürlich muss auch ne Trennung zwischen Bau- Renovierungsprojekten und Exponatprojekten/ Ausstellungsverbes- serung etc. gemacht werden. Kerstin und Dieter Bals Museumsleitung HZ +++online 1/2021 5
meeting „Ja, ohne Team wäre das alles nicht zu uns kommt … und welche Macht sich da Einfallsreichtum … Ingenuity, wobei wir Ende geführt worden …“, sagte Dieter aufgebaut hat und weiter aufbaut. wieder beim Thema sind. Und dieses Störig, während der Zoom Präsentation. Wegen der zeitlich bedingten straf- Mal aus wissenschaftlicher Sicht. Das Set war der „Rote Planet“. Und da fen Moderation, kam es kaum zu Dialo- Prof. Dr.-Ing. Stefan Levedag ist Di- stand er – schon sicher gelandet – der gen und zu keinem wissenschaftlichen rektor des Instituts für Flugsystemtech- Ingenuity Mars-Hubschrauber: In Bücke- Diskurs. Das war sicherlich ein kleines nik beim DLR: Man brauche mehr Leis- burg, im Hubschraubermuseum … am Manko, nicht aber die Beiträge der Teil- tung – etwa um den Faktor zwei – um auf Rotor-Hub, dem Hubschrauber-Nabel der nehmer. dem Mars überhaupt fliegen zu können; Welt. Und seit dem 17. Februar 2021 Der Bürgermeister von Bückeburg, bei 1/3 der Gravitation und bei nur 1 % zeigt sich das Museum auch zuständig Reiner Brombach, gratulierte herzlich der Dichte der Erdatmosphäre. Der Ver- für außerirdische Hubschrauber-Angele- und stellte die Alleinstellungsmerkmale tikalpropeller drehe um den Faktor fünf genheiten. des Hubschraubermuseums in Europa bis zehn höher als bei einem normalen Entstanden ist das Projekt nach einer deutlich heraus. Nicht ohne die Begeis- Hubschrauber. Und da allein zwei Drittel Idee von General a.D. Reinhard Wolski, terung der Besucher in „seiner“ Hub- der Akkuladung benötigt werden, um der auch für die Zoom-Moderation ver- schrauberstadt Bückeburg zu erwähnen, die Systeme in der kalten Mars Nacht antwortlich zeichnete. Was direkt und die sich im Museum über die Entwick- in Betrieb zu halten, reiche eine Akkula- ohne Umwege zum Thema führt: di- lung der Drehflügler so umfassend – wie dung nur für etwa 90 Sekunden Flugzeit. gitaler Transfer von Informationen. Wo an keinen anderen Ort – informieren Herausfordernd auch, dass der Ingenui- Präsenz im Museum sonst eine gut könnten. Dass nun auch noch ein Hub- ty – wegen der langen Signallaufzeiten bürgerliche Pflicht der Community ge- schrauber aus Bückeburg – bevor er auf – komplett autonom fliegen müsse. Es wesen wäre, da hatte nun die Furcht vor dem Mars überhaupt angekommen ist – ginge also primär um eine Technologie- der Virenlast unserer Atem-Aerosole die im Hubschraubermuseum zu sehen ist, demonstration mit der Fragestellung: Regie übernommen. Kein Handschlag, sei ein weiteres Highlight und habe eine Kann man Hubschrauber auf dem Mars nichts geht mehr in freundschaftlicher enorme Werbewirksamkeit für das Hub- überhaupt betreiben? Dabei sei der Um- Umarmung. schrauberzentrum. gang mit „heiß und kalt“ – wie überall Aber man kann sich beim „zoomen“ Auch für die Stadt, möchte der Autor be- in der Raumfahrt – auch beim Mars-Hub- in die Augen schauen! Oder doch nicht? scheiden hinzufügen. schrauber ein großes Problem. Wie auch Diese Frage bedarf noch der Klärung und Abschließend wünschte der Bürger- der Staub, der sehr lange in der Luft blei- einer Antwort von „zoom“ aus Kaliforni- meister, dass man diesen Schwung mit- ben würde. Abschließend zollte er den en. Dabei fällt auf, dass fast ALLES im nähme in die Zukunft, unterstützt von Ingenieuren der NASA großen Respekt Bereich „Social Media“ aus den USA zu viel Einfallsreichtum! und wünschte, dass man in der Zukunft 6 HZ +++online 1/2021
viele wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Projekt gewinnen könne! Natürlich darf bei einem solchen Exkurs in die Wissenschaft der Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie an der Techni- schen Universität in München (s.a. Inter- view mit Prof. Dr.-Ing. Manfred Hajek) nicht fehlen. Zugeschaltet war aus seinem Team der Wissenschaftler Jonas John, der sich schon seit einiger Zeit mit der Techno- logie des Ingenuity auseinandergesetzt hat. Es sei auf der Erde kaum möglich, die Verhältnisse wie sie auf dem Mars vorzufinden sind, zu testen. Wie schon Prof. Levedag bezeichnet er den Inge- nuity als Technologieträger, um Daten zu sammeln für die wissenschaftliche Forschung. Wichtige Ziele für die Zu- kunft sieht er darin, die Nutzlast und die Dieter Störig hat den Mars-Hubschrauber nach Unterlagen der NASA im Maßstab 1:1 originalgetreu nachgebaut. Schon Reichweite zu erhöhen. (Siehe auch Ar- einen Tag vor der Landung der Perseverance-Mission hatte der Ingenuity im Museum roten Marsstaub unter dem Lande- gestell und wurde mit seinem Konstrukteur zum Hauptdarsteller der zoom-Konferenz, tikel Seite ……) Das Thema Reichweite und Nutzlast beim Hubschrauber ist aber nicht nur ein extraterrestrisches Thema. Damit gelingt die Überleitung zum Geschäftsführer von Airbus Helicopters Deutschland, der als Präsident des Hub- schrauberzentrums aus Donauwörth zugeschaltet war. Dr. Klaus Przemeck bedauerte die unter dem Coronaaspekt nachlassenden Flugaktivitäten am Him- mel. Er hob aber auch hervor, dass es im Bereich Hubschrauber im Vergleich dazu weniger an Rückgang gäbe. Mit Genugtun stellte er fest, dass nun auch die Hubschraubertechnologie mit Inge- nuity in der Raumfahrt angekommen sei. Er würdigte die technologische Leistung der NASA rund um den „Roten Plane- In der Animation bereitet sich der Mars-Hubschrauber Ingenuity auf den ersten außerirdischen Start eines Dreh- ten“. Fügte aber hinzu, dass sich der flüglers vor. Zwei Drittel seiner Akku-Energie benötigt das System um sich nachts warmzuhalten. Der Rest reicht für neunzig Sekunden Flugzeit.. Drehflügler auf dem Mars in den nächs- ten Wochen erst noch beweisen müsse. … nicht aber das Hubschrauberzentrum in Bückeburg, das habe mit seinem ei- genen – bereits im Museum gelandeten – Ingenuity und dem Team um Dieter Störig bereits Großartiges geleistet. Guido Ziese Werden Sie Mitglied im Hubschrauberzentrum e.V. Bückeburg! So verpackt – hier noch im NASA-Labor unter dem Boden des Rovers – kommt Ingenuity auf dem Mars an. Ein Schutz- schild sorgt dafür, dass bei der Landung nichts beschädigt wird. Durch ausgeklügelte Pyrotechnik und mechani- scher Unterstützung wird der Mini-Hubschrauber dann auf den Boden gesetzt.. HZ +++online 1/2021 7
Transmissionen in Drehung versetzt wurden. Dann entwickelten zwei weite- re französische Ingenieure einen „ech- ten“ Urahn des INGENUITY, indem sie, ohne auch nur einen Gedanken an den weit entfernten Mars zu verschwenden, einen Koaxialhubschrauber fertigstellten. Louis Breguet und Rene Dorand tauf- ten ihren „Demonstrator“, für die Hub- schraubertechnik auf den Namen ,,Gy- roplane Laboratoire“. Der erflog dann ab 1935 viele sensationelle neue Hub- schrauber-Weltrekorde! Wobei auch diese ebenfalls stark verwundenen Ro- torblätter fast genau der Blattform des heutigen INGENUITY entsprachen! OR: Was muss man mitbringen, was muss man – neben der Liebe zum De- INGENUITY, der Mars Helikopter tail – können, um solch ein Modell zum Fliegen zu bringen? und mehr … Fragen an Dieter Störig DS: Jeder einigermaßen gewiefte Mo- OR: Wo lagen die größten Schwierigkei- OR: Wie kam denn die NASA auf diese dellbauer, der seinen Hubschrauber vol- ten beim Bau des Mars-Hubschraubers? besondere Form der Rotorblätter? ler Liebe zu diesem Hobby auch noch selbst konstruiert hat, dürfte wohl grund- DS: Die größte Schwierigkeit gab‘s im DS: Die stark verwundenen Rotorblätter sätzlich in der Lage sein, den INGENUITY originalgetreuen Nachbau der Rotor- des INGENUITY hatten mehrere Vorläu- mit seinem Rotordurchmesser von 120 blätter, die von der NASA in der Form- fer aus längst vergangenen Jahrzehnten: cm flugfähig und ferngesteuert nachzu- gebung der heute überall herumschwir- Wobei diese ebenfalls stark verwunde- bauen! Das ist dann wohl vordringlich renden Quadro- und Multicopter aufge- nen Rotorblätter fast genau der Blattform eine reine Kostenfrage! Denn: Bei einem baut wurden. Hier halfen die scharfen des heutigen INGENUITY entsprachen! Rotordurchmesser von 120 cm und einer NASA-Fotos sehr weiter: Es waren die Hierzu hatte als erster der französische Drehzahl von ca. 1.300 bis 1.400 U/min Kohlefaser-Oberflächen, bestehend aus sind sondergewickelte Brushless-Moto- schachbrettartig angeordneten Gewebe- Anspruchsvoll: ren anzufertigen. (Wie auch beim NASA- Quadraten in der Größe von 20 X 20 mm sehr gut zu erkennen. So konnte je ein Der Nachbau der INGENUITY erfolgt!) Dazu sind funktions- fähige sondergefertigte Rotorblätter zu rechtslaufendes und ein linkslaufendes PositivFormteil nachvollzogen werden, Rotorblätter entwickeln, auch wenn eventuell serien- mäßige Blätter aus dem Hubschrauber- indem die Ränder der NASA-Quadrat- Ingenieur Etienne Oehmichen wichtige Modellbau verwendet werden könnten. Struktur so genau wie möglich erfasst Vorarbeit geleistet: Denn er hatte einen Die Steuerung wiederum könnte sicher- wurden. Von den Blatt-Positiven wurden flugfähigen, voll steuerbaren Hubschrau- lich leicht durch sechs serienmäßige Ser- dann von mir je zwei Negativ-Formen ab- ber entwickelt, mit dem er dann ab dem vos aus dem Modellbau erfolgen. Dann genommen. Jahr 1924 erste Weltrekorde erflog und gibt‘ s zur Flug-Stabilisierung heutzutage Mein Nachbau der vier Blätter ist eben- bis 1938 mehr als tausend Flüge durch- viele Kreiselsysteme, die das FLETTNER- falls in der NASA-KohlefaserEpoxyd- führte. System, Tandem-Hubschrauber usw. vor harz- Bauweise erfolgt. Die leichteste Seine Konstruktion: Geschweißtes Stahl- Abstürzen bewahren. Und leistungsfähi- „Schwierigkeit“ ergab sich beim Nach- rohrgerippe, kreuzförmig aufgebaut wie ge Modell-Akkus für die Steuertechnik bau der untergehängten „Kiste“ des ein heutiger „Quadrocopter“. Gesteuert gibt‘s reichlich auf dem Markt. INGENUITY, deren Sperrholzteile nur der durch vier stark verwundene Zweiblatt- Dazu kommt erleichternd, dass das So- altvertrauten Laubsäge bedurften. rotoren, die von einem Sternmotor über larmodul nicht zum Aufladen der Akkus wirklich gebraucht wird. Also ist das Ganze eine Sache der einzusetzenden „Flöhe“! OR: Es geht um die FLETTNER-Modell- hubschrauber mit wechselbarem „Funk- tionsblock“, die man öfter am Flugplatz des MFC Condor Bückeburg in der Luft sieht. Zum Beispiel einen Flettner Koli- bri und eine modifizierte CH 53, die mit demselben Flettner-System angetrieben 8 HZ +++online 1/2021
werden. Soll heißen: In beiden Hub- Kolibri im Modell-Maßstab 1:4,5, der im schraubern wird dasselbe austauschba- Internet-Video - ch53-flettner - einen fern- re Antriebsystem benutzt. Wäre diese gesteuerten Rundflug zeigt, wurden zwei „Einfachheit“ nicht auch ein Vorbild für serienmäßige Modell-Rotorköpfe ver- die Industrie? wendet. Rotordurchmesser: 150 cm, mit Eigenbau-Rotorblättern. Antrieb: 10 ccm DS: Dieser „Funktionsblock“ enthält, Verbrennungsmotor. Selbstentwickeltes quasi als Bau-Modul folgende Funktio- Getriebe mit Stahlritzeln und Unterset- nen: Den Antriebs-E-Motor, das Getrie- zungs-Delrin-Zahnrad mit integriertem be, die gegenläufigen Rotoren mit ihren Freilauf. (Ein elektrisch angetriebener Lagern, den mechanischen selbstkons- „Zwillingsbruder“ des FI 282 Kolibri steht truierten Mischer der Steuerung, sowie aufgespießt im Museum und dreht dort die Steuerelektronik, bestehend aus mit 30 U/min seine Rotoren.) dem Empfänger der Fernsteuerung, Kreisel und Servos. Alles sehr kompakt OR: Der Lehrstuhl für Hubschraubertech- in einem Block zusammengefügt und nologie der TUM forscht zusammen mit über nur zwei seitliche Verschraubun- dem DLR am Projekt „AREA-Drohne“ gen im Modell befestigt. Dann gibt‘ s (s.a.S. …): Eine Rotor-Drohne auf Basis eine dritte hintere Schraube, die gleich- Flettner Rotor, der für extrem große Hö- zeitig für die Vorneigung der Rotorach- hen – also für „dünne Luft“ – ausgelegt sen zuständig ist. ist. Wäre dieses Prinzip nicht auch effek- Inzwischen hat dieser „Funktions- tiver für den Ingenuity gewesen block“ in fünf völlig unterschiedlich DS: Das Projekt „AERA-Drohne“ basie- aufgebauten Modell-Hubschraubern die rend auf dem Flettner-Rotorsystem, ge- Luft des MFC Condor Bückeburg durch- dacht für extrem große Höhen könnte einandergewirbelt. Auch im manntra- sicherlich auch für die „dünne“ Luft“ genden Hubschrauberbau könnte m.E. der Mars-Mission erfolgreich konstruiert dies Prinzip in Form eines Bau-Moduls werden! selbstverständlich verwirklicht werden! Dagegen sprechen jedoch folgende Ar- - Kosten einsparend! gumente: Ein solches Hubschrauber-Modul könn- 1. Der Doppelrotor FLETTNER erzeugt te z. B. folgende Komponenten enthal- seitlich einen etwas größeren Rotor- ten: Zwei Turbinen, das Untersetzungs- durchmesser als ein Koaxialrotor. getriebe, die Steuerelektronik und den 2. Die ineinander kämmenden Rotorblät- Hauptrotor. ter des FLETTNER kommen durch die Das Modul wäre in allen Hubschrau- Seitenneigung von je 12 Grad näher in bern identischer Größe einsetzbar -und den Bodenbereich. schnell austauschbar! 3. Die zum Transport erforderliche paral- lele Stellung der beiden FLETTNER-Ro- OR: Was kann man bei einem solchen toren ist nur im Winkel von 45 Grad zum anspruchsvollen Modellbau auf dem Rumpf möglich. Das könnte unter dem Der kompakte „Funktionsblock“ kann binnen weniger Mi- Markt kaufen, was muss man selbst Bauch des Rovers zu Problemen führen. nuten in unterschiedlichen Modellen eingesetzt werden. herstellen? DS: Beim originalgetreuen Nachbau Der ONLINEreport sagt Dank! meines Flettner-Hubschraubers FI 282 Links: „Quadrocopter“ des französische Ingenieurs Etienne Oehmichen von 1924. Oben: ,,Gyroplane Laboratoire“ von L. Breguet und R. Dorand aus dem Jahr 1935. Hier 1:1 Modell aus dem Hubschraubermuseum Bückeburg HZ +++online 1/2021 9
Fünfte Mars-Mission präzise gelandet Am 18. Februar 2021 hat die NASA bung. Mit der 3D-Kamera Mastcam-Z ist Kilometern pro Stunde. Zwanzig Sekun- mit dem präzisen Anflug auf dem Ro- von einem zwei Meter hohen Mast die den nach der Entfaltung des Fallschirms ten Planeten eine perfekte Landung Aufnahme, Übertragung und Prozessie- wird der Hitzeschild abgesprengt und hingelegt. Die Raumsonde setzte den rung eines ersten farbigen 360-Grad-Pa- fällt nach unten weg, so dass für den Rover „Perseverance“ (Beharrlichkeit) noramas in 3D programmiert. Anschlie- weiteren Abstieg ein Radar und Kame- an Seilen schwebend im Krater Jezero ßend werden über mehrere Tage alle ras in Echtzeit gewonnene Informationen erfolgreich ab. Mit an Bord des Rovers Systemkomponenten geprüft, ehe die mit einprogrammierten Landkarten und der Marshubschrauber Ingenuity, der wissenschaftliche Mission beginnt.“ Geländemodellen vergleichen: Ein neuar- gut eingepackt unter dem Rover auf Zum „Ingenuity“ der ja bereits im Hub- tiges Autopilotsystem analysiert in Echt- seinen ersten extraterrestrischen Flug schraubermuseum gelandet ist : zeit die jetzt möglichen Landestellen und wartet. Perseverance ist mittlerweile „Technologisches Neuland beschrei- gleicht diese mit der aktuellen Position der fünfte Rover, den die NASA zum tet die NASA mit der Helikopterdrohne des Raumfahrzeugs ab, um dann die fi- Mars schickt. Ingenuity (Genialität): Erstmals in der nale Landestelle auf der Marsoberfläche Geschichte der Raumfahrt wird ein von zu bestimmen. Noch nie konnte in dieser Zusammenarbeit mit dem DLR der Erde mitgeführtes Fluggerät vom Präzision das am besten erreichbare und Das Deutsche Zentrum für Luft- und Boden eines anderen Planeten in die vor allem auch sichere Landeziel ausge- Raumfahrt (DLR, das im Wissen- Atmosphäre aufsteigen, kontrolliert die wählt werden. schaftsteam der Mars Mission 2020 Gegend überfliegen und auch wieder lan- vertreten ist, schreibt über das Projekt: den, um das Experiment mehrere Male Pyrotechnik im Spiel „Der bisher komplexeste Rover der zu wiederholen. Bei weniger als einem Etwa 2,1 Kilometer über dem Boden bei NASA trägt mehr Kameras als jede an- Hundertstel des irdischen Luftdrucks einer Abstiegsgeschwindigkeit von im- dere interplanetare Mission der Raum- musste Ingenuity extrem leicht gebaut mer noch rund 300 Kilometern pro Stun- fahrtgeschichte. 19 Aufnahmesysteme werden und gleichzeitig sehr großflächi- de wird die Hülle mit dem Fallschirm befinden sich auf dem Rover selbst, ge, extrem schnell rotierende Rotorblät- abgesprengt und die Landetriebwerke hinzu kommen vier Kameras auf an- ter erhalten. Die Drohne hat eine Masse zünden. Diese steuern das Raumfahr- deren Teilen des Raumfahrzeugs, die von 1800 Gramm und Rotorblätter von zeug zur ausgewählten Landestelle und Aufnahmen des Eintritts, Abstiegs und 120 Zentimeter Spannweite. Eine Mini- bremsen es bis auf 2,7 Kilometer pro der Landung aufzeichnen. Nach der kamera wird Bilder aus 10 bis 15 Metern Stunde in 20 Metern über der Oberflä- Landung und Systemchecks beginnt Höhe liefern.“ che ab. sofort die erste Erkundung der Umge- An diesem Punkt leitet die Lande- Noch etwas zum Landevorgang: stufe das sogenannte „Sky Crane-Ma- Während des Eintritts in növer“ ein: Nach dem Ausklappen der die Marsatmosphäre er- sechs Räder wird der Rover von der hitzt sich der Schutzschild Größe eines Kleinwagens und einer des Raumfahrzeugs inner- Masse von 1025 Kilogramm an drei sich halb von drei Minuten auf abrollenden Nylonseilen 7,6 Meter von rund 1300 Grad Celsius. diesem „Himmelskran“ unter die Lan- Der Überschall-Fallschirm destufe abgesenkt. Wenn Perseverance mit einem Durchmesser Bodenkontakt zur Abstiegsstufe meldet von 21,5 Metern entfaltet und der Rover im Jezero-Krater steht, sich etwa vier Minuten durchtrennen pyrotechnisch gezündete nach dem Eintritt in eine Klingen die Seile. Die in der Luft verblie- Höhe von etwa 11 Kilome- bene Antriebseinheit fliegt davon, bevor tern und einer Abstiegs- sie in sicherer Entfernung auf der Mars- geschwindigkeit von 1512 oberfläche aufschlägt. Schon gelandet im Hubschraubermuseum Bückeburg OR 10 HZ +++online 1/2021
Für die Landung wählte die NASA den Jezero Krater. Hier soll es vor 3,5 Milliarden Jahren einen See gegeben haben. Das Landesystem analysiert autonom den bestmöglichem Landeplatz. Die Bremseinheit wird getrennt und geht in sicherer Entfernung zu Boden. Ende Juli 2020 startete die Mission Mars 2020 der NASA mit einer Atlas V-Rakete von Cape Cana- veral. Nach siebenmonati- gen Flug erfolgte die Lan- Nach dem Bodenkontakt des Rovers durchtrennen pyrotechnisch gezün- dete Klingen die Seile. Die Antriebseinheit entfernt sich. dung am 18. Februar 2021 Bis alle Systeme geprüft und eingerichet sind, bleibt der Ingenuity Hubschrauber noch am Rover in sicherer Verwahrung. HZ +++online 1/2021 11
Der Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie Interview mit Prof. Dr.-Ing. Manfred Hajek, Lehrstuhl für Hub- schraubertechnologie an der Technischen Universität München OR: Sie leiten den Lehrstuhl für Hubschrauber Technologie in OR: Im militärischen Bereich zeigt das Scheitern des schweren Deutschland. Als Stiftungslehrstuhl von der EADS (heute AIR- Transport Hubschraubers für die Bundeswehr ein bekanntes BUS) im Jahr 2010 eingerichtet. Ich war damals der Meinung: Dilemma: viel zu teuer! Auch wenn dabei die Bundeswehr über eine längst überfällige Maßnahme, denn Deutschland war und die BAIN Bürokratie offensichtlich wieder mal die üblichen Pro- ist noch immer ein Hubschrauberland – seit bald 100 Jahren. bleme offenbart. Gäbe es denn Alternativen? Und welche? Welche Bilanz ziehen Sie nach gut zehn Jahren Lehrstuhl an der TUM? MH: Ich bedaure nach wie vor, dass damals nicht eine deutsch- französische Entwicklung angestoßen wurde. Der Verweis auf MH: Das kann man von zwei Seiten betrachten: Wie ist Deutsch- die zweifellos aufgetretenen Verzögerungen in den Program- land zum Hubschrauberland geworden, ohne seinen Ingenieurs- men TIGER und NH-90 und das daraus abgeleitete mangelnde bedarf u.a. über einen Hubschrauberlehrstuhl zu decken? Wie Vertrauen in eine solche Lösungen war meines Erachtens der kritisch sind spezialisierte Lehrstühle und ihre Studiengänge für falsche Schluss. Militärische Entwicklungsprogramme leiden den industriellen Erfolg eines Landes? immer noch allzu häufig an unklaren oder übertriebenen An- Die Stiftung des Lehrstuhls lässt sich trotzdem, auch aus heu- forderungen seitens der Bedarfsträger – und leider auch an der tiger Sicht, immer noch rechtfertigen. Als Hubschrauberher- zu wenig reflektierten Annahme solcher Forderungen durch steller sah sich Eurocopter – heute Airbus Helicopters – stets die Industrie. Beispiele hierzu finden sich in Europa wie in den großer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt. Vor allem USA. Den Vorwurf „zu teuer“ müssen sich also beide Seiten die Autoindustrie, aber auch die Konzernmutter waren und sind gefallen lassen, im Fall des schweren Transporthubschraubers Hauptnehmer von Absolventinnen und Absolventen der Inge- musste man am Ende dann erkennen, dass selbst eine Kauf- nieurstudiengänge. Für das Unternehmen war die Stiftung ein lösung den Kostenrahmen sprengt. Eine Alternative kann nur wichtiger Schritt zur Gewinnung hochqualifizierter Kräfte, die gemeinsam definiert werden, von Industrie und militärischem aus ihrem Studium wesentliche Grundlagen der Hubschrauber- Auftraggeber. entwicklung mitbringen. Zudem wurde mit dem Lehrstuhl ein Partner mit einem Schwerpunkt in der Hubschrauberforschung „… eine Alternative kann nur gemeinsam definiert wer- geschaffen, was sich heute in erfolgreichen gemeinsamen For- den, von Industrie und militärischem Auftraggeber …“ schungsprojekten oder Studienarbeiten zeigen lässt. Das sagte Prof. Hajek zu dem (vorerst?) gescheiterten Projekt Die Bilanz fasse ich so zusammen: Ohne die Stiftung wäre der „Schwerer Transporthubschrauber“ der Bundeswehr Lehrstuhl nicht gegründet worden; von den derzeit 23 Doktoran- dinnen und Doktoranden wird der überwiegende Teil aus Dritt- mitteln finanziert, wir verfügen über eine hervorragende Infra- struktur mit leistungsfähigen Computerclustern, Simulatoren für Forschung und Lehre, einem Rotorprüfstand und sind fest im Curriculum der Fakultät verankert. Das wäre ohne die Stiftung so nicht gekommen! OR: Wie beurteilen Sie die moderne Rotorcraft Entwicklung in Donauwörth? Bleiben die Ressourcen, das Know-How weiter im Lande? MH: Hier beurteile ich die Situation mittlerweile als Außen- Die Chinook ist weltweit seit einem halben Jahrhundert am Himmel zu sehen. Acht stehender, trotzdem habe ich natürlich eine Position dazu. Das NATO-Länder fliegen die H-47. Insgesamt zählt Boeing 20 Länder, die den markanten Hubschrauber im Einsatz haben. Die ersten Hubschrauber wurden 1966 ausgeliefert. deutsch-französische Unternehmen hat vor einigen Jahren be- Das Boeing Foto zeigt die Chinook (optimistisch) schon in Bundeswehr Lackierung. gonnen, seine Ressourcen nicht mehr zu duplizieren, sogar den Schritt zu einer „Single DOA“ hat man gewagt. Letztendlich stellt sich die Frage, ob einer der beiden Standorte ohne den anderen heute noch überlebensfähig wäre. Aus meiner Sicht ist die Antwort einfach: Das Unternehmen stellt sich zunehmend komplementär auf, keiner ist mehr ohne den anderen imstande, einen neuen Hubschrauber im Alleingang zu entwickeln. Dafür sind Ressourcen und vor allem Know-How auf beiden Seiten notwendig, auch wenn sich die Verteilung geändert hat. Auch wenn sich der deutsche Unternehmensteil entschlossen hat, CH-53 KILO von Lockheed Martin ist ein komplett neuer Sikorsky Hubschrauber, der die Gesamtsystemkompetenz aufzugeben, so stellt er noch im- nach Angaben des Herstellers in den ersten zehn Einsatzjahren ohne kostspielige mer einen unverzichtbaren Teil des Unternehmens dar. Upgrade auskomme. Im Mai 2018 ging die erste CH-53K an das US MarineCorps. 12 HZ +++online 1/2021
OR: Sie kooperieren mit dem DLR – u.a. beim Drohnen Projekt AREA. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Airbus Helicopter – Prof. Dr.-Ing. Manfred Hajek Ihrem Stifter? Gibt es gemeinsame Projekte? Wie stehen die Chancen für junge Absolventen? Prof. Hajek (*1956) leitet seit März 2010 den Lehrstuhl für Hubschraubertechno- MH: Wie schon erwähnt hat sich speziell bei den LuFo-geförder- logie, der damals als “EADS Stiftungs- ten Projekten eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt, lehrstuhlfür Hubschraubertechnologie” darüber hinaus konnten wir immer auf die Unterstützung des gegründete wurde. Unternehmens zählen. So wurden die Blätter der AREA-Droh- Nach dem Studium des Maschinenbaus an der TUM und ne – die im Übrigen komplett am Lehrstuhl entwickelt, gebaut der Promotion am Lehrstuhl B für Mechanik der TUM (1989) und getestet worden sind – in Donauwörth im Computertomo- war er in verschiedenen Bereichen der Hubschrauberent- graphen inspiziert und schließlich auch professionell lackiert. wicklung tätig, bis er von 1998 – 2006 die Entwicklungs- und Aus der Ausbildungswerkstatt haben wir einzigartige Exponate Forschungsaktivitäten bei Eurocopter Deutschland leitete. zur Verwendung in den Vorlesungen bekommen. Schwerpunkte der Forschungstätigkeit lagen auf dem Gebiet Für Absolventinnen und Absolventen ist häufig ein Praktikum der aktiven Lärmreduktion sowie der opto-elektronischen oder eine Studienarbeit der Einstieg ins Unternehmen. Über die Flugsteuerung von Hubschraubern. 2006 wechselte er zu Chancen entscheidet zwar immer die momentane Stellensitu- Airbus und war dort als Mitglied des oberen Führungskreises ation im Unternehmen, aber wir können unseren Studierenden u.a. mit der Leitung der Rumpfentwicklung betraut. oft das entscheidende Extra an Fachwissen mitgeben, das sie im Zweifel von den anderen unterscheidet. Lehrstuhl: OR: Welche Rolle werden in der Zukunft die Multi-Rotor-Droh- Der Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie der TU München nen in der bemannten Luftfahrt spielen? befasst sich in Lehre und Forschung mit dem Hubschrau- ber als Gesamtsystem. Aufbauend auf die Kenntnisse in MH: Sie werden sicher eine Rolle übernehmen, aber sie werden Mechanik, Thermodynamik, Aerodynamik und Regelungs- den Hubschrauber in seiner heutigen Konfiguration nicht ver- technik sowie den Fächern der Luft- und Raumfahrttech- drängen können. Dafür sprechen mehrere Gründe: Multi-Rotor nik sollen die Grundzüge der Hubschrauberauslegung, des bedeutet stets Multi-Propeller, d.h. diese Fluggeräte verzichten Systementwurfs und der Nachweisführung und Zulassung bewusst auf die Steuerungsmöglichkeit mittels Taumelscheibe vermittelt werden. In der Forschung legt der Lehrstuhl seine und verwenden stattdessen meist drehzahlgesteuerte Propel- Schwerpunkte auf drei Gebiete: Sicherheit, Umweltakzep- ler, um Auftrieb sowie Vortrieb zu steuern. Sinnvoll ist dieses tanz und Effizienz. Die Modellierung der aeromechanischen Konzept aber nur dann, wenn damit das Getriebe eingespart Phänomene, des dynamischen Verhaltens der Untersysteme werden kann. Damit sind diese Konzepte mehr oder weniger auf des Hubschraubers und die Optimierung im Rahmen des elektrische Antriebe festgelegt. In Geschwindigkeit und Reich- Gesamtentwurfs stehen dabei im Mittelpunkt der ingenieur- weite sind sie heutigen Hubschrauber noch immer deutlicher wissenschaftlichen Arbeit. unterlegen, daher konzentrieren sich die meisten Projekte auch auf den Bereich der Kurzstrecke. Forschungsgebiete am Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie: OR: Der Franzose Etienne Oehnichen hat schon Mitte der 19-Zwanziger Jahre einen QuadroCopter in die Luft gebracht. Hubschrauberauslegung und -entwurf Hätte man nicht diese „Einfachheit“, die wir heute bei den Mul- • Auslegungs- und Entwurfsmethodiken tiCoptern bestaunen, konsequenter verfolgen sollen/können? • Auslegung und Entwurf unbemannter Systeme • Hybride / elektrische Antriebskonzepte MH: Diese „Einfachheit“ zur damaligen Zeit zu verfolgen, hät- • CO2-Bilanz elektrischer VTOLs te nach einem geeigneten Steuerungskonzept verlangt. Jeder Hubschraubersysteme einzelne Propeller hätte individuell angesteuert werden müs- • Elektromechanische Aktuatoren in der Flugsteuerung sen, um die Lage des Fluggerätes zu kontrollieren. Hätte man • Faseroptische Messsysteme zur Flugzustandserken- dem Piloten dafür vier Bedienorgane gegeben? Sicherlich nicht, nung es hätte einer mechanischen Steuereinheit bedurft, nachdem Flugsimulation elektrische/elektronische Lösungen damals nicht verfügbar ge- • Echtzeitfähige Simulation der Rotorabwindströmung wesen wären. • Trainingssimulation Allwetterflug, boden- und hindernis- naher Flug • Pilotenassistenzsysteme Physikalische Modellierung • Aeroelastische Analyse von Rotorblättern • Instationäre Aerodynamik (Dynamic Stall) • Nichtlineares Strukturverhalten • Rotor-Struktur Kopplungsphänomene Flugregelung • Nichtlineare Adaptive Flugregelung Oehnichen Ouadrocopter • Flugweg- und Trajektorienoptimierung HZ +++online 1/2021 13
OR: Welche konventionellen zivilen Hubschrauber haben die OR: Das AREA Projekt von TUM und DLR (Autonomous Rot- besten Chancen unter veränderten Bedingungen am Markt zu orcraft for Extreme Altitudes) basiert auf dem Flettner System, bestehen? Und können die Hersteller damit noch Geld verdie- was offensichtlich in „extreme altidudes“, also auch in dünner nen? Luft noch für ausreichenden Auftrieb sorgt. Ein koaxiales Rot- orsystem hat auch der „Ingenuity“, der schon in Bückeburg MH: Hubschrauber werden entwickelt und gebaut, weil es gelandet ist (s.a. Bericht), aber seine Flugfähigkeit in den nächs- einen Bedarf an Missionen gibt, die nur von ihnen gedeckt ten Wochen in der extrem dünnen Mars-Luft (1% der Erdatmo- werden können. Diese einfache Antwort auf Ihre Frage lässt sphäre) erst noch beweisen muss. Welche Chancen geben Sie sich in eine Reihe von kritischen Anforderungen übersetzen, dem Experiment erster „außerirdischer“ Hubschrauber? beginnend mit der Klärung des tatsächlichen Bedarfs. Das lässt sich nur über eine ständige, möglichst tiefgehende Be- MH: Wir können zeigen, dass Hubschrauberflug in dieser At- obachtung und Analyse des Marktes ermitteln. Dazu gehören mosphäre möglich ist und arbeiten ebenfalls an einem solchen Flottenzusammensetzungen und -Alter, Kundenportfolio, ge- Projekt. Die Herausforderung besteht in der Summe aller Anfor- flogene – und bezahlte – Missionen, aber auch die finanziellen derungen, beginnend mit dem „Auspacken“ des Fluggerätes, Grundlagen wie die Finanzierung von EMS-Diensten oder das einer geeigneten Steuerung und Regelung sowie der Reaktion Preisgefüge auf dem Offshore-Markt. auf unerwartete Ereignisse. Natürlich sind die Chancen eines Außerdem spielen die Kosten eine dominante Rolle: Hubschrau- Scheiterns hoch, aber diese höchst anspruchsvolle Aufgabe ber sind bekanntermaßen teuer in Anschaffung und Unterhalt, wird selbst dann Früchte tragen, wenn die Mission nicht so Wettbewerbsvorteile werden am Ende über Kostenvorteile für gelingen sollte wie geplant. Der Erkenntnisgewinn geht dabei den Operator erreicht. Ob diese mittels technologischer Fort- nicht verloren. schritte erreicht werden, ist dabei zweitrangig. Herzlichen Dank nach Müchen für das Interview und bis hof- OR: Wenn ich auf Ihre Lehrveranstaltungen schaue, dann sehe fenlich bald einmal wieder am Rotor-Hub in Bückeburg – dem ich dort u.a. „Urban Air Mobility“. Was sind die Hauptthemen Hubschraubernabel der Welt … mit außerirdischen Ambitionen. unter diesem Aspekt? MH: Die Grundlagen der Flugphysik und Technik des Hub- schraubers lassen sich weitgehend auf sogenannte eVTOLs Fotos der NASA nach der oder Flugtaxis übertragen. Die positive Reaktion unserer Studie- Landung auf dem Mars render auf die Verwendung solcher Beispiele in den Vorlesun- gen hat uns motiviert, bereits im Bachelorstudium ein soge- nanntes Projektseminar anzubieten, in dem wir Grundlagen der Auslegung, aber auch Flugsicherheit und Projektmanagement anbieten. Die Teilnehmer erarbeiten in Gruppenarbeit ein eV- TOL-Konzept und präsentieren es u.a. vor externen Experten, daraus sind bislang ein Sieg in einem Studentenwettbewerb und eine studentische Gruppe an der TUM hervorgegangen. Alle Unterrichte finden an der TUM zzt online statt. Wie be- werten Sie diese digitale Wissensvermittlung? MH: Wir waren vor einem Jahr gezwungen, sämtliche Lehr- veranstaltungen auf Online-Formate umzustellen. Als Studien- dekan der Fakultät für Maschinenwesen bestand meine Haupt- aufgabe darin, die Umstellung fristgerecht und in bestmöglicher Qualität zu gewährleisten. Bereits zu Beginn des ersten Online- Semesters begannen wir mit Evaluierungen, um die Rückmel- dungen der Studierenden für Verbesserungen nutzen zu kön- nen. Ein intensiver Erfahrungsaustausch sowie professionelle IT-Lösungen haben dazu beigetragen, dass seitens unserer Stu- dierenden vorwiegend positives Feedback gemeldet wurde. Der Preis für diese Umstellung ist zum einen ein wesentlich höherer Aufwand für die Erstellung von Online-Vorlesungen, zum anderen verlieren unsere Studierenden die Möglichkeit, Lerngruppen zu bilden oder soziale Kontakte aufzubauen. 14 HZ +++online 1/2021
DAMALS Just do it. Now! Ein Rückblick auf die ROTOR venden Warteschleife, seit- & RESCUE Konferenzen, die dem die Ausschreibung um der Ziese Verlag regelmäßig den „Schweren Transport auf der ILA veranstaltete, zeigt Hubschrauber“ (STH) über- schon früh das Engagement raschend gestoppt wurde. der Heeresflieger für ein Nach- Das liegt nach Berichten der folgemodell der CH-53. Süddeutschen Zeitung daran, Im Jahr 2006 konnte Ge- dass die gesamte Beschaffung neral a.D. Dr. Budde bei sei- zu teuer geworden sei – und nem Vortrag nicht ahnen, dass das für einen STH „von der seine „Requirements“ vom Stange“ sei noch hinzuge- Vor 15 Jahren: Konzeptstudie HTH zukünftigen „Heavy Trans- fügt. Dieser „fix und fertige Also nicht viel anders als bei sollte sich mit Partnern in den port Helicopter“ (HTH) sechs Hubschrauber“ wurde zum Tiger, NH90? USA, z.B. Sikorsky, verknüp- Jahre später zur Vorlage für Maß aller Dinge bei den Be- Die sind nach den bekann- fen. AgustaWestland – heute die Luftwaffe werden sollten. schaffern, nachdem man sich ten „Kinderkrankheiten“ im Leonardo Helicopters – blieb Denn gerade auf der ILA 2006 gegen einen Neubau entschie- Einsatz und bewähren sich. zurückhaltend, machte aber demonstrierten die Heeres- den hatten. Deshalb sei an dieser Stelle auch deutlich, dass man nicht flieger mit einer Flotte von Die Ausschreibung um CH- die Frage erlaubt: Wo ständen nur mit der EH101, sondern neun CH-53 und sechs Kampf- 53 „Kilo“ oder CH-47F hätte wir heute – nach mehr als 15 auch durch die Lizenzfertigun- hubschraubern Tiger ihre über nach Meinung der „Süddeut- Jahren – wenn die Industrie gen von CH-47 und S-61 als Jahrzehnte gewachsene Luft- schen“ preislich geklappt, wenn mit dem Projekt HTH zügig sehr erfahren in der Fertigung beweglichkeit in einem perfek- die Verantwortlichen nicht ver- weitergemacht hätte? großer Helikopter sei. ten Zusammenspiel mit den langt hätten, dass „Wartung, In- Damals gab es viel Be- Keep it simple! Und „just Bodentruppen. Sechs Jahre standhaltung sowie die Anpass- wegung bei den Hersteller: do it, now“! Das erste Zitat nach dieser vorbildlichen Leis- und Weiterentwicklung der AgustaWestland stellte erst- stammt von Bell das zweite tungsshow „verschob“ das Hubschrauber (Gesamtsystem, mals im HeliCenter der ILA von Bölkow. Beide erfolgrei- Verteidigungsministerium die insbesondere Hauptkomponen- aus und nahm neben Boeing, che Unternehmer. Und nun? CH-53 Flotte an die Luftwaffe ten)“ in Deutschland stattfinden Sikorsky, Mil und Eurocop- 5,6 Milliarden Euro wurden im – mit vielen Fragezeichen, von soll. Hinzu kommen noch die ter aktiv an der HTH Konfe- Jahr 2018 für neue Transport- denen einige bis heute noch Änderungswünsche, ohne die renz teil. Eurocopter sollte hubschrauber bereit gestellt. nachwirken. es wohl nicht geht, die ein Pro- als Prime Contractor für ei- Das Geld ist da. Was fehlt Seitdem ist die Luftwaf- jekt erheblich teurer, aber nicht nen Deutsch-Französischen denn noch? – in Deutschland? fe Operator der CH-53 und schneller einsatzfähig machen Schwerlast-Helikopter agie- Guido Ziese verharrt nun in einer ner- – wie wir aus Erfahrung wissen. ren. Europäische Kompetenz „… creating the helicopters of the future“ Vor neun Jahren …aus 4ROTORS 3/2012 At the time, Boeing and Eurocopter intend to share 50% of basis for a great potential of creative energy and engineering the project, and they agree to use off-the-shelf technologies art. When fusing with Aérospatiale to create Eurocopter he wherever possible. The consensus, Hans Weber, Eurocopter expanded that basis, and Donauwörth became a R&D location Vice-President HTH program, is that both will use state-of-the- of global significance. Today, Eurocopter is building a new De- art technologies that already exist. “This helicopter should not velopment Center in Donauwörth. be used as a technology platform. This makes it cheaper, and Dr. L. Bertling, CEO of Eurocopter explains, „We are conti- easier”, Weber added. nuing to invest in innovation and infrastructures by equipping Conclusion 2012 our development teams with the most modern and suitable A really new Heavy Lift Helicopter is not in the pipeline. Si- resources, enabling them to rise to the challenges of creating korsky’s CH-53K is expected to have its first flight in 2014, and the helicopters of the future.” will replace the U.S. Marine Corps CH-53E. The old, but still Eurocopter has prepared for the succession of the CH-53 absolutely reliable Chinook, will most probably serve as exter- and is ready to take off. Every delay damages the Franco-Ger- nal design template for a new transport helicopter as seen in man position. And it is more difficult in Bavaria to retain jobs model form during last ILA 2010. than it is in France’s government supported factories. The “Kilo” will enter into service probably no earlier than in When looking at the potential based in Donauwörth, all the twenties. It is not exactly what NATO, France and Germany ingredients for hi-tech and highly qualified positions are availa- defined in their heavy-lift requirements, but it will be available, ble – still – the best capital to begin developing the FTH now. It when the German Air Force phased out their CH-53 fleet. carries with it an enormous market potential for years to come, And all this, right at Eurocopter´s door step. especially if a civilian integration is taken into consideration Ludwig Bölkow, inventor of the Bo105, who would be ce- right from the start. lebrating his 100th birthday these days, would find this de- Bölkow would say, “Just do it. Now!” velopment astonishing. With Bölkow-Blohm he put down the HZ +++online 1/2021 15
Der Mars-Helikopter “Ingenuity” aus Sicht der Hubschrauber Forschung „Ingenuity“ ist das erste extra-terrest- nete Oberfläche für Start und Landung die für das Fliegen auf dem Mars ein- rische Drehflügler-Fluggerät, das versu- von Starrflügler Konzepten vorhanden zigartig sind. Dazu gehört zu einem die chen wird von einem fremden Planeten ist. Die Möglichkeit zu schweben und mit Atmosphäre, die sich stark von der der mit Hilfe von aerodynamischem Auftrieb niedrigen Geschwindigkeiten zu fliegen, Erde unterscheidet. Des Weiteren gibt abzuheben. ermöglicht außerdem detaillierte Unter- es nur wenig Kenntnis darüber, wie sich In der wissenschaftlichen Communi- suchungen aus der Luft. Ein VTOL könn- diese Unterschiede auf die Flugdynamik ty ist die Idee, die Erforschung des Mars te Objekte aus weit entfernten Gebieten eines Hubschraubers auswirken. Eine zu beschleunigen, in dem man sich in die aufnehmen und sie zu einer Forschungs- vollständige Nachbildung der Umwelt- Lüfte erhebt allerdings nicht neu. Bereits station oder dem Lander zurückbringen. bedingungen des Mars ist auf der Erde seit Ende der 90er Jahre werden ver- Dadurch würde der Zugang zu Proben nicht möglich. Nur durch Modellierung schiedenste Konzepte dafür untersucht. aus entlegenen Gebieten ermöglicht, und Simulation in Kombination mit Tests, Darunter befanden sich so genannte die ein Rover niemals erreichen könnte. die unter großem Aufwand nur Teile der Flächenflugzeug- wie auch diverse Luft- Auch ist es denkbar, ein VTOL als Scout Umgebungsbedingungen widerspiegeln schiff Konfigurationen, also Systeme die für unbemannte Bodenmissionen einzu- können, konnten bisher weitere Erkennt- leichter als Luft sind, und selbstverständ- setzen um den Weg durch schwieriges nisse gewonnen werden. Vor allem in lich auch Drehflügler-Konzepte. Letztere Terrain zu weisen. [7] den Bereichen der Auftriebserzeugung, gewannen in der Forschung immer mehr dem Leichtbau, der Rotordynamik und Die Herausforderungen an Bedeutung. Spätestens zur Jahrtau- dem autonomen Fliegen wird der Hub- sendwende erkannte man die Vorteile Doch auch wenn ein solches Hubschrau- schrauber „Ingenuity“ erst auf dem des Drehflüglers bzw. der Vertical Take bersystem für den Mars viele Vorteile Mars seinem wirklichen Härtetest unter- Off and Landing Vehicles(VTOL) für die und eine hohe Flexibilität bietet, so stellt zogen. [7] Erforschung des Mars. Eines der wich- es die Hubschrauber Forschung auch Die vielen unterschiedlichen An- tigsten Argumente für dieses Konzept vor enorme Herausforderungen. Her- forderungen, die sich aus den anderen ist die Fähigkeit, vertikal zu landen und ausvorderungen, die eine signifikante Umgebungsbedingungen ergeben, er- zu starten. Dies ist für Mehrfachflüge auf Verschiebung der Grenzen des bisheri- fordern ein grundsätzliches Umdenken dem Mars notwendig, da keine gleeig- gen Standes der Technik erfordern und bei der Auslegung. Eines der größten 16 HZ +++online 1/2021
Probleme stellt die sehr geringe Dichte Hubschrauber auf der Erde in der Regel der Atmosphäre dar. Die Dichte geht da- zwischen 4 -16. Auf dem Mars sind dage- bei rechnerisch linear in den Auftrieb mit gen nur Werte zwischen 0.3 - 0.6 zu er- ein. Sie beträgt nur etwa 1-2 Prozent der warten. Diese geringen Werte erschwe- Dichte auf der Erde in Meereshöhe und ren die Steuerung des Hubschraubers ist damit vergleichbar mit dem Fliegen in und das System kann sehr leicht in einen einer Höhe von 30 km (100.000 ft). instabilen Zustand gebracht werden. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, muss sichergestellt werden, dass die Resonanzfrequenzen des Rotorsystems alle weit oberhalb der Bandbreite der Steuerungsfrequenzen liegen, wodurch Wechselwirkungen vermieden werden können. Dies ist in der Regel nur durch eine ungewöhnlich hohe Steifigkeit der Rotorblätter und des Rotorkopfes sowie weiterer Strukturkomponenten möglich. Dies führt wiederum zu einem schwe- Die Weltrekordhöhe im Hubschrau- reren Design und entsprechender Leis- berflug liegt dagegen nur bei 12,5 km, tungseinbußen. [4] geflogen von dem französischen Piloten Jean Boulet und dem Airbus SA 315 Hinzu kommt, dass das Fluggerät Lama im Jahr 1972. Wenn man dies eine Vielzahl weiterer Anforderungen er- bedenkt, wird deutlich, welche Heraus- füllen muss, wie z. B. hohe Lasten beim forderungen sich bei der Umsetzung Start, Unempfindlichkeit gegenüber eines solchen Vorhabens ergeben. Dazu elektro-magnetischer Strahlung und ex- kommen sehr niedrige Reynoldszahlen tremen Temperaturschwankungen. Es in Verbindung mit hohen Mach-Zahlen an muss Vakuum-tauglich sein und Sterili- den Rotorblättern. Dieser Aspekt redu- tätsvorgaben zum Schutz des Planeten ziert den Wirkungsgrad des Rotors signi- erfüllen. [2] fikant. Die hohe Mach-Zahl folgt aus der geringeren Schallgeschwindigkeit der Ein weiteres grundsätzliches Prob- überwiegend CO2-haltigen Atmosphäre. lem ist die Navigation des Fluggeräts. Dies erfordert entsprechend geringe, Eine live Steuerung ist aufgrund der Ent- maximale Rotorblattspitzengeschwindig- fernung nicht möglich. Des Weiteren keit um Leistungseinbußen durch Kom- gibt es auf dem Mars kein GPS oder ein pressibilitätseffekte gering zu halten. Die anderes Navigationssystem. Die einzige Tatsache, dass die Mars Schwerkraft nur Lösung ist das Gelände in Kombination etwa ein Drittel gegenüber der Erde be- mit anderen bodengebundenen Fahr- trägt, kann die schwierigen Flugbedin- zeugen und Stationen zur Orientierung gungen der Atmosphäre nicht kompen- zu nutzen. Dies erfordert eine vielzahl an sieren. Die Folge ist die Notwendigkeit verschiedenen Sensoren und stellt die Battery Pack eines absolut konsequenten Leichtbaus. Autonome Steuerung vor neue Heraus- [2, 3, 6] forderungen. [4] soll das VTOL mit einem Abfluggewicht Der „Ingenuity“ Die geringe Dichte der Atmosphäre von 1.8 kg bis zu 10 m/s horizontal und 3 hat noch einen weiteren Nachteil. Die Die NASA hat sich all diesen Heraus- m/s vertikal bis zu 90 Sekunden bei gu- aerodynamischen Kräfte am Rotorblatt forderungen mit enormem Aufwand ge- ten Wetterverhältnissen fliegen können. liefern in der Regel einen hohen Beitrag stellt. Mithilfe der Entwicklung von spe- Auch wenn das im ersten Moment nach zur sogenannten Schlagdämpfung des ziellen Rotorblättern, maximalem Leicht- nicht viel klingen mag, handelt es sich Rotorsystems. Die Schlagbewegung bau und aufwendigen Tests in speziellen hierbei bereits um einen Meilenstein für beschreibt die Auf- und Abbewegung Druckkammern, um die Mars Atmosphä- die Hubschrauber Forschung, voraus- der Rotorblätter. Aufgrund der niedrigen re zu simulieren wurden das Design des gesetzt der “Ingenuity“ wird tatsächlich Dichte reduziert sich somit auch diese Ingenuity ermittelt. von der Marsoberfläche abheben. Denn Dämpfung drastisch. Als Vergleichswert Das koaxiale Rotorkonzept mit den das Ziel ist es, vor allem überhaupt ein- dient hier die Lock-Zahl, eine in der Hub- jeweils zweiblättrigen, gelenklosen mal auf dem Mars zu fliegen. schrauber Forschung wichtige Kennzahl Rotoren ermöglicht einen einfacheren für die Vergleichbarkeit der Rotordämp- Transport durch kompakteres Design im Da es nicht möglich ist, die Verhält- fung. Sie stellt das Verhältnis der aerody- Gegensatz zu einem Heckausleger Kon- nisse des Mars auf der Erde nachzustel- namischen Kräfte und der Trägheitskräf- zept. Mit einem Rotorradius von 0.605 m len wird die jetzige Version des MAVs te des Rotors dar und beträgt bei einem und einer Rotordrehzahl von 2800 UPM (Martian Aerial Vehicle) vor allem als HZ +++online 1/2021 17
se aus der Erforschung des Mars Hub- schraubers relevant. So konnten wäh- rend der Entwicklung von „Ingenuity“ unter anderem zum Beispiel ein neues numerisches Verfahren für die Struktur Analyse von Rotorblättern entwickelt werden [1]. Des Weiteren werden signi- fikante Fortschritte im Bereich des Struk- turleichtbaus und der aerodynamischen Auslegung von Rotoren vorangetrieben. Auch gibt es parallelen zum Hubschrau- berflug in großen Höhen auf der Erde, wo ähnliche Herausforderungen ge- meistert werden müssen. Damit können die neuen Erkenntnisse auch relevant für Drohnen sein, die in diesem Bereich agieren sollen. Dazu gehört zum Beispiel die AREA Drohne die gemeinsam vom Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie der TUM und dem DLR entwickelt wur- de. Diese Drohne, die für den Einsatz in Demonstrator dienen und soll damit toren asymmetrisch angeströmt und es extremer Höhe ausgelegt ist weißt mit beweisen, dass Fliegen auf dem Mars kommt zu weiteren Effekten, die eine ihrem Flettner Rotor Konzept in ihrem Grundsätzlich möglich ist. Vor allem der Trimmung des Fluges erschweren. Tran- Design gewisse Ähnlichkeiten mit dem Vorwärtsflug bereitet den Forschern und sitionsbereiche zwischen Schwebeflug „Ingenuity“ auf. Forscherinnen dabei noch Probleme, da und Vorwärtsflug-Konfiguration bereiten dieser fast gar nicht auf der Erde getes- bereits auf der Erde der Hubschrauber- Zusammenfassend wird der erste extra- tet werden kann. Aus diesem Grund hat entwicklung Probleme. terrestrische, aerodynamische Flug des man sich bei der NASA auf das eher kon- „Ingenuity“ ein erster großer Schritt für servative Design der “Ingenuity“ fest- Das NASA Jet Propulsion Laboratory die Erforschung des roten Planeten aus gelegt. Mit den ersten Erfahrungen, die (JPL), NASA Ames Research Center und der Luft. Doch bis MAVs ihr volles Po- hier im Optimalfall gesammelt werden, die University of Maryland entschieden tenzial entfalten können, ist es noch ein sollen weitere Erkenntnisse gewonnen sich deswegen weiterhin für ein reines References werden um so die Entwicklung weiterer Drehflügelkonzept für kommende Mis- [1] Anubhav Datta. Retrieved from https://vertipe- MAVs voranzutreiben. [2] sionen. Hierbei werden aktuell zwei ver- dia.vtol.org/biographies/getBiography/biography- schiedene Versionen untersucht. Dar- ID/493. Die Zukunft der MAVs [2] B. Balaram, T. Canham, Duncan, C., Golombek, unter ein weiterer koaxial Hubschrauber M., Håvard F. Grip, J. Maki, A. Quon, R. Stern, and Während der Ingenuity innerhalb des sowie ein Hexakopter Design. Mit der D. Zhu, Eds. 2018. Mars helicopter technology demonstrator. Perseverance Rovers auf dem Mars ge- Hilfe von besseren Flügelprofilen und [3] FAI Records. Retrieved February 15, 2021 from landet ist und sich dort bald zum ersten Blattgeometrien, erweiterter Batterie- https://archive.vn/20150301211934/http://www.fai. org/fai-record-file/?recor. Mal entfalten wird, steht die weitere Er- technologie und mehr Erfahrung aus den [4] Håvard F. Grip, Ed. 2018. Guidance and control forschung der Mars Hubschrauber nicht Daten des Ingenuity-Fluges, soll hierbei for a Mars helicopter. still. Verschiedene Institute versuchen die Reichweite erhöht und die Nutzlast [5] Wayne Johnson, Shannah Withrow-Maser, Larry Young, Carlos Malpica, W. Koning, Kuang auf Basis der bereits bekannten Infor- auf ca. 2kg erhöht werden. Damit wäre WJF, Mireille Fehler, Allysa Tuano, Athena Chan, mationen weitere Konfigurationen zu der Marshubschrauber dann auch in der and Anubhav Datta. 2020. Mars Science Helicopter Conceptual Design. National Aeronautics and entwickeln, bei denen die Reichweite Lage wissenschaftliche Geräte für Unter- Space Administration, Ames Research Center. und/oder die Payload drastisch erhöht suchungen mitzuführen. [5] [6] Witold J. F. Koning, Wayne Johnson, and Håvard F. Grip. 2019. Improved Mars helicopter aerodyna- werden soll. Zusammenarbeit mit DLR mic rotor model for comprehensive analyses. AIAA Ein Ansatz hierfür ist die vorwärts Ge- Journal 57, 9, 3969–3979. schwindigkeit immer weiter zu erhöhen Auch am Lehrstuhl für Hubschrauber- [7] Larry A. Young. 2000. Vertical lift-not just for ter- restrial flight. National Aeronautics and Space Admi- und sogar eine Transition in eine Flächen- technologie wird gemeinsam mit dem nistration Moffet Field CA Ames Research Center. flug-Konfiguration durchzuführen. Bei- Deutschen Zentrum für Luft und Raum- spiele dafür sind Tilt-Wing oder Tail-Sitter fahrt(DLR) innerhalb eines Forschungs- Designs. Die Überlegung ist, die Vorteile projektes der VaMEx Initiative an Konzep- von Senkrechtstartern mit denen von Fixed-Wing Konfigurationen zu kombi- ten zur Erhöhung der Nutzlast und der Reichweite der MAVs gearbeitet. Hierbei Werden Sie Mitglied im nieren. Dafür sind aber vergleichsweise sehr hohe Geschwindigkeiten erforder- wird die Möglichkeit der Exploration des Valles Marineris auf dem Mars mit Hilfe Hubschrauberzentrum e.V. Bückeburg! lich. Genau dieser hohe Geschwindig- eines kooperativen Schwarms und einer keitsbereich ist es jedoch bei dem noch Scout-Flugdrohne untersucht. viele Fragen bezüglich der Rotordynamik Auch für die Hubschrauber For- offen sind. Im Vorwärtsflug werden Ro- schung auf der Erde sind die Erkenntnis- 18 HZ +++online 1/2021
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