Personen mit Persönlichkeitsstörungen in der therapeutischen Praxis erkennen - Dr. Robert Mestel - Median Kliniken
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Personen mit Persönlichkeitsstörungen in der therapeutischen Praxis erkennen Dr. Robert Mestel HELIOS Klinik Bad Grönenbach
Historische Persönlichkeitsstörungs Klassifikationen Kategorialer „medizinischer“ Ansatz (i. G. zum dimensionalen „psychologischen“ Ansatz) Kurt Schneider DSM-5 ICD-10 Emotional instabil Borderline Emotional instabil, Borderline und impulsiv Explosiv Antisozial Dissozial Selbstsüchtig Narzisstisch (narzisstisch) Depressiv (DSM-IV: Depressiv) Asthenisch Selbstunsicher Ängstlich-vermeidend Willensschwach Dependent Abhängig Fanatisch Hyperthym Zwanghaft Anankastisch Paranoid Paranoid Schizotypisch (schizotype Störung) Im Müllkorb der Diagnosen-Geschichte: „sadistisch“, „selbstschädigend“, „depressiv“, „passiv-aggressiv“ usw. 3
Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen (F6x.x) nach ICD-10 in der Praxis - 1 • Führte die Persönlichkeit oder Beziehungsgestaltung zur aktuellen Aufnahme, den Diagnosen? • PS-Screening: Arbeits-, Beziehungskonflikte, Mobbing, Prozesse, Einsamkeit, Gesetzesverstöße, häufiger Partnerwechsel, impulsives Verhalten • Kriterienexploration aufwendig ->Screening! Hohe Sensitivität=falsche Positive! Samuel et al., 2018 • Bester Screening-Fragebogen: ADP-IV! (screent auch „Störung“) • wichtig: Fragebogen messen/screenen meist nur (akzentuierte) Traits! 4 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen (F6x.x) (PS) • Voraussetzung: Diagnostik der klinischen Störungen (Ausschluss!) • Nach Fragebogenscreening: Positiv gescreente Persönlichkeitsstörungen nachexplorieren (ADP-IV: Kategoriale Auswertung = Steilvorlage!; dimensional: Verdacht) oder klinischer Verdacht besteht: 1. Halbstrukturierte Exploration der Kriterien (IDCL-Checklisten; Hiller u.a., 1995) 2. SKID-2 Halbstrukturiertes Interview mit 2-3 vorformulierte Fragen pro Kriterium: Problem: 95% der Items sind als (akzentuierte) Traits formuliert, d. h. man stimmt dem Kriterium zu und nennt einige Beispiele -> das erfasst als solches KEINE Störung! 3. IPDE-Interview (gleiches Validitätsproblem wie SKID-II) • Allgemeine Voraussetzungen bei Kriterienexploration immer beachten! - Normabweichend bzgl. Kognition, Affekt, Impulskontrolle, Beziehungen - unflexibel, unangepasst, unzweckmäßig über viele Menschen und viele Situationen - Persönlicher Leidensdruck (ich-dyston: v. a. Selbstunsicher, abhängig) oder Funktionsbeeinträchtigung - Abweichung stabil, langandauernd, seit später Kindheit (PS-Diag. ab 18 J.) - Nicht besser durch Syndrome oder Körpererkrankung erklärbar • PS-Diagnose sollte Pat. kommuniziert werden, er muss sie aber nicht „unterschreiben“! Fremdbeurteilung! • Cave ICD: Bei jeder F60.31 müsste man auch die F60.30 vergeben! (Unsinn!) 5 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
SKID-II ↑ das reicht nicht für eine Störung! - Leiden Sie selbst an diesem Neid/beneidet werden? - Umwelt jurist. relevant geschädigt (Porsche zerkratzt?) - Dysfunktional? „Weißer Neid“=Antrieb (US-Maxime!) vs. „schwarzer Neid“ = lähmend, Depression… 6 Dr. Robert Mestel Reliabilität und Validität von Persönlichkeitsstörungsdiagnostik 6
Allgemeine Kriterien zur Vergabe von Persönlichkeitsstörungen G-Kriterien der ICD-10 (Kommentare rot; z. B. Mestel 2014) G-Kriterien (ICD-10) sind kaum oder nur sehr zeitintensiv beurteilbar: JEDES einzelne PS-Kriterium ODER das „PersönlichkeitsMUSTER“ auf diese sechs Voraussetzungen zu prüfen! G1 Normabweichung vs. Kognition, Affekt.. (-> wie normabweichende Werte interpretieren!) G2 Unflexibel, unzweckmäßig: Für wen oder was? Frage stellen: Blockiert sich der Patient mit dem Verhalten/Denken/Gefühl wichtige Wünsche? Befriedigung von Grundbedürfnissen möglich? G3 Persönlicher Leidensdruck und/oder nachteiliger Einfluss auf soz. Umwelt Wichtigstes Kriterium: Klinisch relevanter Leidensdruck am Kriterium/seinen Folgen oder bedeutsame Funktionseinschränkung (wie im DSM) oder wenn dann juristisch relevante Schädigung der Umwelt, da dies Funktionsbeeinträchtigung darstellt! Vorher nur schwelende Akzentuierung, durch Stressoren -> PS „Man darf unbequem bzw. unverträglich sein!“ (Zitat: Peter Fiedler, 2013) „Die Person erleidet ja diesen Menschen freiwillig!“ G4 Langandauernde Abweichung und Beginn seit frühem Erwachsenenalter? Cave: PS sind nicht so andauernd wie gedacht! Kaum reliabel/valide klärbar! G5+G6 Spezifität (PS-Kriterien sollten unabhängig von klinischen Syndromen auftreten – oft kaum valide beurteilbar) 7
Was ist eine „Störung“ nach ICD-10? (ersetzt den Begriff gestörtheit oder Ergestörtung): Einleitung (blaues ICD) „Die Verwendung des Störungsbegriffs im ICD-10 soll einen klinisch erkennbaren Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten anzeigen, die immer auf der individuellen und oft auch auf der Gruppen- oder sozialen Ebene mit Belastung und mit Beeinträchtigung von Funktionen verbunden sind. Soziale Abweichungen oder soziale Konflikte allein ohne persönliche Beeinträchtigung sollten nicht als psychische Störung im hier definierten Sinne angesehen werden.“ Kommentar: Die letzte Passage ist elementar für die Beurteilung von Persönlichkeitsstörungen! Diese Definition widerspricht dem Allgemein-Kriterium der PS G5 „Persönlicher Leidensdruck ODER nachteiliger Einfluss auf die soziale Umwelt (oder beides)“ Beste und in der Forschung verwendete Definition des DSM (seit 1980): „Das PS-Muster führt zu klinisch relevantem Leiden ODER Beeinträchtigung in wichtigen Funktionsbereichen (sozial, Beruf usw.)“ 8 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Was ist eine psychische Störung? Norbert Nedopil, 2017 S. 21: „Wer gilt eigentlich vor Gericht als psychisch gesund? Jeder erwachsene Mensch, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.“ S. 75: „Psychisch gestörte Straftäter erfüllen ihre Bedürfnisse dysfunktional. Doch Verbrechen werden viel häufiger von „unauffälligen“ Menschen begangen, die sich von einer bestimmten Situation überfordert sehen und keinen anderen Ausweg finden.“ S. 81f: „Aggression und Gewaltbereitschaft, sexuelle Grenzüberschreitungen, Übervorteilung anderer, Betrug und Raub gehören zu den Schattenseiten des menschlichen Daseins. Sie sind keine Hinweise dafür, dass Täter krank sind. Weder aus der Art des Verbrechens noch aus der Ausführung der Tat kann man auf eine Krankheit oder Störung schließen.“ … „Er hatte einen Streit mit einem ehemaligen Kollegen durch einen tödlichen Messerstich beendet, weil ihm die Argumente ausgingen – die Tat eines psychisch Gesunden. Um die Leiche unbemerkt aus der Wohnung zu schaffen, zersägte er sie, was ihm als gelernten Koch nicht schwer fiel.“ 9 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Ich-dystone Persönlichkeitsstörungen sind unproblematischer zu klassifizieren, da subjektiver Leidensdruck besteht! Ich-syntone Persönlichkeitsstörungen Narzisstisch wegen Ich-Syntonie hoch problematisch Paranoid wegen Ich-Syntonie hoch problematisch Dissozial (antisozial) kein Problem, da juristische Verstöße Passiv-aggressiv Schizoid Histrionisch Dependent (abhängig) Zwanghaft Depressive wegen Leidensdruck Allgemeinkriterien leicht diagnostizierbar Schizotype „ Borderline „ Ängstlich-vermeidende (selbstunsichere) „ Ich-dystone Persönlichkeitsstörungen Fydrich, 2002 10
Borderline PS: Im ICD-10 sehr impulsiv definiert (vs. DSM-5) -> Verwende DSM-5! (Mindestens 5 aus 9 Kriterien; rechts!) ICD-10 Definition von Borderline: 2 Schritte: (Niemand weltweit definiert BPS so!) F60.30 Impulsiver Typ (>2 dieser Kriterien): 1.Handelt ohne Berücksichtigung der Konsequenzen 2.Ständige Streitereien u. Konflikte mit And. 3.Wutausbrüche oder Gewalt; keine Kontrolle 4.Keine Handlungen, die nicht sofort belohnt werden 5.Unbeständige, launische Stimmung F60.31 Borderline Typ >2 der F60.30 Kriterien und mind. 2 hiervon: 1. Störung von Selbstbild oder „innerer Präferenzen“ 2. Intensive aber instabile Beziehungen 3. Übertriebene Bemühungen, Verlassen werden zu verhindern 4. Wiederholte Selbstbeschädigungs-Handlungen bzw. diesbzgl. Drohungen 5. Anhaltendes Gefühl der Leere 11
Diagnostik der narzisstischen Persönlichkeitsstörung Dr. Robert Mestel 12
„Verblindete“ Ratings von SKID-II Interview eines Pat. mit möglicher narz. Pers.stör.: 2 Ärzte, 11 Psychologen; 4 w, 9 m; 7 eher VT, 6 eher PSA; 7 Experten, 6 Kliniker Bewertungen aller 13 Diagnostiker: Zufallsübereinstimmung! DSM-IV Kriterien der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung nein evtl ja 1. grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit 7 3 3 2. Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit 10 1 2 3. glaubt, „besonders“ und einzigartig zu sein 3 3 7 4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung 5 2 6 5. Anspruchsdenken, übertriebene Erwartungen 5 2 6 6. in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch 7 2 4 7. Mangel an Empathie 6 3 4 8. Neidisch oder Andere neidisch auf ihn 6 0 7 9. arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen 2 3 8 Diagnose einer NPS (Verdacht bedeutet hier „PS nnb.“) 4 2 7 13
Gruppenunterschiede (Mestel, 2007; 2019) Teilgruppe Prozent: Narzisstische Pers.stör. Erfüllt: Experten 43% Kliniker (Ärzte, Psychologen) 67% Verhaltenstherapeuten 29% Psychodynamiker 83% Frauen 100% Männer 33% Hat der Patient nun eine narzisstische Persönlichkeitsstörung? Keine Ahnung! Wir wissen aber mehr über die Diagnostiker: Psychodynamiker, Praktiker und Frauen mögen die Diagnose einfach mehr! 14
Definition von „Störung“ im DSM und ICD-10: Subjektives Leiden oder Funktionsbeeinträchtigung! Alan Frances, 2017, Amerika auf der Couch. • „Die Definitionsmerkmale einer PS passen Trump wie ein Handschuh. Aber er muss nicht zwingend gestört sein, nur weil er ein Narzisst ersten Grades ist. Entscheidend ist, dass • die Verhaltensweisen klinisch signifikante Leiden oder Störungen verursachen. Andernfalls würden sich viele, wenn nicht gar alle Politiker und praktisch sämtliche Promis qualifizieren. Trump ist ein Mann, der andere in große Verzweiflung bringen kann, aber keinerlei Zeichen zeigt, selbst große Nöte zu empfinden. Seine Verhaltensweisen, so unerhört und verwerflich sie auch immer sein mögen, bringen ihm regelmäßig Ruhm, Reichtum, Frauen und nun auch noch politische Macht ein. Er ist reichlich belohnt worden für seinem Trumpismus, der ihn überhaupt nicht zu beeinträchtigen scheint. Trump ist eine Gefahr für die USA und die Welt, aber nicht, weil er klinisch verrückt wäre, sondern weil er zutiefst niederträchtig ist. (…) Die meisten Massenmörder, Terroristen, Vergewaltiger oder Diktatoren, die widerlichsten Blödmänner, die meisten Lügner oder Verschwörungstheoretiker sind nicht psychisch gestört. • Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass Trump psychisch gestört ist. (…) Er lässt unser Land schlecht dastehen, er setzt Amerikas Größe herab. Doch nichts davon macht ihn zu einem psychisch Gestörten“ 15 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
US Präsidentschaftsanwärter Donald Trump: Eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung? Akzen- Selbst ICD: Umwelt DSM Kriterien der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung tuiert leidet? juristisch rel. geschädigt? 1. grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit Abwarten… 2. Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit Abwarten… 3. glaubt, „besonders“ und einzigartig zu sein Abwarten… 4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung Abwarten… 5. Anspruchsdenken, übertriebene Erwartungen Abwarten… 6. In Beziehungen ausbeuterisch Abwarten… 7. Mangel an Empathie ? Abwarten… 8. Neidisch oder Andere neidisch auf ihn Abwarten… 9. arrogantes, überhebliches Verhalten Abwarten…
US Präsidentschaftsanwärter Donald Trump: Eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung? Allgemeine Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung: Das Muster … DSM/ICD … ist andauernd und Norm-/Kulturabweichend (bzgl. Affekt, Kognition, Sozialverhalten, Impulskontrolle (= „akzentuiert“ = selten, markant!) DSM/ICD … ist unflexibel und über viele Situationen ? DSM/ICD … ist stabil, langandauernd, seit frühem Erwachsenenalter ? DSM/ICD … ist nicht besser erklärbar durch andere Störung, Körperkrankheit, Substanzgebrauch DSM … führt zu klinisch relevantem Leiden ODER Beeinträchtigung (sozial oder beruflich oder andere wichtige Bereiche) ICD … führt zu persönlichem Leidensdruck ODER nachteiligem Einfluss auf die ? soziale Umwelt
Persönlichkeitsdimension „Verträglichkeit“ (Fünf Faktoren Modell; Costa & Mc Crae, 1992) unverträglich verträglich Ist es evolutionär zweckmäßig bzw. angepasst, dass alle Menschen vorwiegend „verträglich“ sind?
Anderes Beeinträchtigungsbeurteilungssystem: Operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD-2) Integrationsniveaus der OPD-Struktur -> Trump gering integriert? Gute Integration Mäßige Integration Geringe Integration Relativ autonomes Selbst, Destruktivere intrapsych. Konflikte, Wenig entwickelter psych. Binnenraum, Selbstbild vertraut, strukturierter Selbstentwertende, autodestruktive Konflikte manifestieren sich interpersonell psych. Binnenraum für intrapsych. Tendenzen, Schwierigkeit, Selbstbild und statt intrapsychisch, Selbstreflexion Konflikte Identität zu gewinnen (flach, instabil) unglaubwürdig bzw. fehlt, Identitätsdiffusion Selbstreflexions- und Selbststeue- Übersteuerung; temporäre Intoleranz für negative Affekte, rungsfähigkeit gegeben, Toleranz Impulsdurchbrüche, eingeschränkte Impulsdurch-brüche, kein Bed.aufschub, für neg. Affekte und Selbstwertregulierung schwere Kränkbarkeit; Abwehr: Spaltung, Ambivalenzen Idealisierung, Entwertung Realitätsgerechte Wahrnehmung Objektbilder auf wenige Muster Unglaubwürdige, unrealist. schwarz-weiß- des anderen, Empathie eingeengt, wenig empathiefähig Schilderung v. anderen (Verfolger, Retter) Gute Nähe/Distanz-Regulation; Kommunikationsfähigkeit störbar, Fehlende Empathie, Kommunikationsab- affekt. Signale aussenden und fordernd, vorwurfsvoll, Affektvermei- risse, distanzlos, manipulativ, Missverständ- verstehen können dung, Ausdruck schwankend nisse, Schwierigkeiten, Signale zu verstehen Ausreichend gute innere Objekte Wenig gute innere Objekte, Dyadische Innere Objekte verfolgend und strafend; Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen Beziehungen vorherrschend andere in emot. Bedeutung austauschbar 19
Konkrete Beispiele (narzisstische PS-Kriterien): Selbst „gestört“ oder Umwelt juristisch relevant? Falls beides nein -> Trait/Akzentuierung DSM-IV Kriterium Störung Durchgängiges Muster von Gefühlen der eigenen Selbst leidet am Kriterium oder Folgen Funktionsbeeinträchtigung! Großartigkeit (in Phantasie, Verhalten), großem deutlich; Umwelt juristisch relevant geschädigt; Bedürfnis nach Bewunderung und mangelndem Angeklagt /verurteilt Einfühlungsvermögen. Mind. 5 Kriterien erfüllt: Beispiele Beispiele 1. Übertriebenes Selbstwertgefühl (überbetont eigene Leistungen und Fähigkeiten; erwartet, Umwelt zieht sich DESHALB massiv auch ohne entsprechende Leistung als überlegen zurück →Depression, einsam; Betrügereien, Heiratsschwindler usw. zu gelten) Verliert DESHALB Arbeits- stellen→Depression 2. Denken ist beherrscht von Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillianz, Schönheit Verträumt den Tag mit diesen oder vollkommene Liebe Phantasien→ finanzieller Absturz→ Veruntreut Gelder z. B. als Manager Depression; Bekommt nie die ideale Partnerin → Depression, einsam
Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 – radikale Revision Wichtigste Probleme der kategorialen PS in ICD-10 und DSM-III bis DSM-5 1. Mangelnde Objektivität der Kriterien (z. B. „unangemessen verführerisch“) 2. Kriterienüberlappung („innere Komorbidität“: z. B. schizoid/schizotyp; narzisstisch/histrionisch) 3. Beliebige Cut-off´s zur Kategorienbildung („nimm mehr als die Hälfte“) 4. WIE genau sind die PS Allgemein-Kriterien auf PS-Traits zu beziehen? (z. B. Mestel, 2014; S2-Leitlinie) 5. G-Kriterien sind kaum oder nur sehr zeitintensiv beurteilbar: Normabweichung (Wer kennt die Norm?), Unflexibilität/Dysfunktionalität (Für was? Wie stark?), Dauer (falsche Vorannahme, da PS viel temporärer als angenommen), Beginn (von was?), Spezifität (Ausschluss anderer Störungen: kaum beurteilbar) 6. Mangelnde Reliabilität der PS-Routinediagnostik (z. T. ohne Kriterien nachzulesen; sind narz. PS kränkbar?) 7. Mangelnde Kriteriumsvalidität (verschiedene PS-Instrumente stimmen kaum überein) 8. Keinerlei Übereinstimmung von Routine- und Forschungsdiagnosen 9. Mangelnde Validität von SKID-II: Misst meist Akzentuierung, nicht Störung! 10. Gestörtheit oder Vergehen (moralische statt klinische Kriterienbeurteilung; z.B. „Arroganz“ bei Narz. PS): Artikel 2 GG: Recht der Persönlichkeitsentfaltung: „Warum soll Arroganz per se gestört sein?“ 11. Umstritten, was eine „gesunde“ Persönlichkeit ist (siehe Buch „Normal“ von Alan Frances) 12. Kontextabhängigkeit: Wer beurteilt, was stört? (ICD-10: „Leiden der Umwelt“?) 21
Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 (Übersicht) Persönlichkeitsstörung (6D70) Persönlichkeits „Difficulty“ (Schwierigkeit; Akzentuierung; KEINE Diagnose!) 1. Leichte (mild; simple) Persönlichkeitsstörung (6D70.0) 2. Mäßige (moderate; complex) Persönlichkeitsstörung (6D70.1) 3. Schwere (severe) Persönlichkeitsstörung (6D70.2) 4. Persönlichkeitsstörung, Schweregrad unspezifiziert (6D70.Z) Optional: Spezifizieren der „Domains“ (Dimensionen; Mehrfachbenennungen!): • Zwanghafte Muster prominent (anankastisch; 6D80) • Detachment Muster prominent (soziale Vermeidung; 6D81) • Enthemmungs Muster prominent (Impulsivität; 6D82) • Dissoziales Muster prominent (6D83) • Negatives Affektivitäts Muster prominent (6D84) • Borderline-Muster (6D85) Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Geschätzte Prävalenz von Persönlichkeitsausprägungen nach ICD-11 (Tyrer et al., 2014) Persönlichkeitsausprägung Geschätzte Prävalenz Bevölkerung Keine Persönlichkeitsdysfunktion bzw. „unauffällige“ Persönlichkeit (in 45% keiner Domain „normabweichend“) Persönlichkeits „Difficulty“ (einige Persönlichkeitsprobleme in gewissen 48% Bereichen, aber nicht im Allgemeinen; in mindestens einer Domain auffällig, aber ohne klinisch relevante Funktionsbeeinträchtigung) Leichte Persönlichkeitsstörung 5,3% Mäßige Persönlichkeitsstörung 1,5% Schwere Persönlichkeitsstörung 0,2% Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen (ICD-11 ): Definition Übersetzung und Hervorhebungen durch R. Mestel Allgemeine Kriterien: PS werden charakterisiert durch… • Relativ andauernde und durchdrungene Beeinträchtigung, wie Menschen sich selbst, Andere und die Welt interpretieren. • Dies resultiert in fehlangepassten Mustern des Denkens, der emotionalen Erfahrung, des emotionalen Ausdrucks und Verhaltens. • Diese dysfunktionalen Muster sind relativ inflexibel und mit bedeutsamen Problemen im psychosozialen Funktionieren verbunden, besonders in interpersonellen Beziehungen. • Die Störung manifestiert sich über viele Personen und soziale Situationen. • Die Störung dauert lange an, typischerweise zumindest mehrere Jahre. • Meist hat sie die ersten Manifestationen in der Adoleszenz und ist im frühen Erwachsenenalter klar erkennbar. Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Schweregrad der ICD-11 Persönlichkeitsstörungen (Voraussetzung: Allgemeine Kriterien für PS erfüllt) Leichte Persönlichkeitsstörung (6D70.0) 1. Nur einige Domains sind betroffen, andere gar nicht (z. B. Probleme mit Impulsivität, aber nicht mit Empathie und Intimität) 2. Zumindest einige Beziehungen und Berufsrollen blieben erhalten bzw. stabil 3. Ist nicht typischerweise assoziiert mit deutlichem Schaden für das Selbst oder Andere Mäßige Persönlichkeitsstörung (6D70.1) 1. Multiple Domains sind betroffen (z. B. Identitätsprobleme und Empathie und Intimität) 2. Soziale Rollen sind spürbar beeinträchtigt, wenige Freundschaften erhalten; Arbeitsbeziehungen sind zerrüttet und dauerhafte und häufige Konflikte mit Anderen 3. Oft mit kurzfristigem Schaden für das Selbst oder Andere assoziiert Schwere Persönlichkeitsstörung (6D70.2) 1. Persönlichkeitsprobleme sind grundlegend, involvieren nahezu alle Funktionsbereiche 2. Keine Freundschaften, Berufsfunktionen schwerstgradig gestört; keine Verantwortlichkeit 3. Assoziiert mit deutlichem Schaden für das Selbst oder Andere in Vergangenheit/Zukunft Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Das „Periodensystem“ der Psychologie: Big Five (OCEAN); Fünf Faktoren Modell (Costa & Mc Crae, 1989); siehe Wikipedia! http://de.outofservice.com/bigfive/ 1. Neurotizismus Emotional stabil Emotional labil, nervös, ängstlich (vulnerabel für psych.Störungen) „Lizenz zum Glück“ 2. Extraversion Extravertiert Introvertiert 3. Offenheit f. Erfahrung Experimentierfreudig, Konventionell, konservativ wissbegierig (links) (rechts) 4. Verträglichkeit Altruistisch, verständnisvoll Egozentrisch, misstrauisch, wettbewerbsorientiert 5. Gewissenhaftigkeit Ehrgeizig, ordentlich, fleißig Nachlässig, unbeständig (höhere Lebenserwartung) Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Big Five Persönlichkeitsdimensionen: NEO-PI-R: Facetten! (Ostendorf & Angleitner, 2004; Gesunden T-Normen); ab 16 Jahre! Z. B. http://de.outofservice.com/bigfive/ Neurotizismus Extraversion Verträglichkeit Ängstlichkeit N1 Herzlichkeit E1 Vertrauen A1 Reizbarkeit N2 Geselligkeit E2 Freimütigkeit A2 Depression N3 Durchsetzungsvermögen E3 Altruismus A3 Befangenheit N4 Aktivität E4 Entgegenkommen A4 Impulsivität N5 Erlebnishunger E5 Bescheidenheit A5 Verletzlichkeit N6 Frohsinn E6 Gutherzigkeit A6 Offenheit für Erfahrungen Gewissenhaftigkeit Phantasie O1 Kompetenz C1 Ästhetik O2 Ordnungsliebe C2 Gefühle O3 Pflichtbewusstsein C3 Handlungen O4 Leistungsstreben C4 Ideen O5 Selbstdisziplin C5 Werte O6 Besonnenheit C6
Revisionen der PS-Diagnostik im ICD-11 (Mulder et al., 2016; Tyrer, 2013) verglichen mit DSM-5 und den Big Five Persönlichkeitsdimensionen (1) ICD-11 DSM-5 PS-Anhang Big Five Negative Affektivität (viele belastende Emotionen wie Leere, Negative Affektivität Neurotizis- Angst, Ärger, Schuld, Irritabilität, Verletzlichkeit, Depression, (Ängstlichkeit, emotionale Labilität, mus + (ohne Kränkbarkeit (auf nichtige Anlässe), sozial gehemmt, extreme Gefühle, Trennungsangst, Impulsivität) konfliktscheu, minderwertig, Suizidalität, Identitätsstörungen Unterwürfigkeit) Detachment: Verschlossenheit; emotionale und Verschlossenheit (Anhedonie, Introversion interpersonelle Distanz; sozialer Rückzug; kaum Bindungen, Depressivität, Nähevermeidung, (negative) Freunde, Partner; Kälte, Reserviertheit, exzentrisch, wenig Misstrauen, sozialer Rückzug) Gefühlsausdruck, kaum Genuss Dissozial (Nicht Beachtung sozialer Konventionen und der Antagonismus (Rücksichtslos, Unverträg- Rechte und Gefühle von Anderen; kaltherzig, feindselig, unehrlich, grandios, manipulativ) lichkeit Empathiemangel, aggressiv; reuelos, sehr gutes Selbstbild, Berechtigung, manipulativ, ausbeuterisch Enthemmtheit (impulsiv, kaum Belohnungsaufschub, keine Enthemmtheit (ablenkbar, Wenig Berücksichtigung der langfristigen Konsequenzen, impulsiv, verantwortungslos, gewissenhaft, unverantwortlich, Ablenkbarkeit unperfektionistisch, riskantes N+ (impuls.) Verhalten) 28
Revisionen der PS-Diagnostik im ICD-11 (Mulder et al., 2016; Tyrer, 2013) verglichen mit DSM-5 und den Big Five Persönlichkeitsdimensionen (2) rot=nicht abgebildet im Manual ICD-11 DSM-5 PS-Anhang Big Five Zwanghaft (Kontrolle von Selbst und Umwelt; risikoscheu, - (Enthemmtheit negativ gepolt!) Gewissen- Andere Normen unterwerfen, Perfektionismus, beharrlich, haft gehemmt, stur, ordnungsliebend, Regeleinhaltung, Detail verliebt, übergewissenhaft Schizotype Störung im Kapitel Schizophrenie Psychotizismus (Exzentrizität, Sehr offen für Denk/-Wahrnehmungsstörungen, Erfahrungen ungewöhnliche Überzeugungen) Borderline-Muster - N+, G-, V- Geringe Big Five Ausprägung Hohe Big Five Ausprägung Geringer Neurotizismus Negative Affektivität, Borderline Verschlossenheit Hohe Extraversion Enthemmtheit Zwanghaftigkeit Dissozialität Hohe Verträglichkeit Geringe Offenheit für Erfahrungen (Psychotizismus (DSM-5) 29
Übersetzung der Persönlichkeitskategorien in ICD-11 Domains Bach et al., 2017 Cluster ICD-10/DSM-5 ICD-11 Domains Persönlichkeitsstörungen A Paranoid Verschlossen, negative Affektivität, dissozial Schizotypisch Schizotype Störung (psychotizistisch, verschlossen) Schizoid Verschlossen, geringe negative Affektivität B Borderline Borderline (Neg. Affektivität, Enthemmung, Dissozial) Narzisstisch Dissozialität Histrionisch Enthemmung, negative Affektivität, geringe Verschlossenheit, Dissozialität Antisozial-dissozial Dissozialität, Enthemmung, geringe negative Affektivität C Ängstlich-vermeidend Negative Affektivität, Verschlossenheit, geringe Dissozialität Abhängig-dependent Negative Affektivität, geringe Dissozialität Zwanghaft-anankastisch Zwanghaftigkeit, geringe Enthemmung, negative Affektivität 30 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
HiTOP (Hierarchical Taxonomy of Psychopathology; Koslov et al., 2017) Fünf ICD-11 Domains Denk- Enthemmt Feindselig, Bindungslos, Internalisierung störungen Externalisierend externalisierend detached Sexuelle Ess- Substanz- Dissoziales Furcht Kummer Probleme Probleme missbrauch Verhalten Major Depression Trennungs- Trotzvh. gestörtheits- angst Angst Störung explosibel zwanghaft 31
Was wird im ICD-11 aus der Borderline Persönlichkeitsstörung? 1. Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (ca. 30-50% v. BPS) Vorläufige ICD-11 -Kriterien: 1. Multiple und chronische Traumatisierungen aller Art 2. Affektregulations Probleme (Gewaltausbrüche, Selbstverletzung, Dissoziationen, emot. Taubheit usw.) 3. Wertlosigkeitserleben, tiefste Scham, Schuld, Versagen 4. Schwierigkeiten Beziehungen aufrechtzuerhalten oder sich anderen nahe zu fühlen 2. Persönlichkeitsstörung mit Negativer Affektivität („internalisierend“) 3. Persönlichkeitsstörung mit Enthemmung („externalisierend, impulsiv“) Dazu wird aus Traditionsgründen noch eine sechste Domain angeboten! 4. Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Muster 32 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsakzentuierung vs. Störung: Domain Negative Affektivität (ICD-11 ) Akzentuierung („pers. difficulty“) Persönlichkeitsstörung Betroffene erlebt häufige Stimmungs- Betroffener leidet deutlich an seinem wechsel privat oder in der Arbeit. Sie wird Minderwertigkeitserleben und dem Gefühl, er vom Partner als auch den Kollegen deshalb wisse nicht, wer er sei. Auf kleinste Anlässe als sehr anstrengend erlebt, muss häufiger hin reagiert er mit Angst oder eingegrenzt werden wegen Reizbarkeit. Sie Hoffnungslosigkeit. Er fühle sich Frauen ist andererseits sehr leicht kränkbar, fühlt gegenüber sehr gehemmt, könne kaum eine sich sofort zurückgesetzt und reagiert darauf ansprechen oder mit ihr ausgehen. Er mit Rückzug und depressiver Verstimmung. wünsche sich eine Familie, aber denke Sie hat einen lebendigen Freundeskreis, häufig, er sei zu „schwierig“ dazu. Er könne manche gehen ihr aus dem Weg, weil sie so kaum über seinen Schatten springen und empfindlich und labil ist. Ihr Partner steht zu kaschiere seine Unsicherheiten über seinem „Sensibelchen“, bei ihm findet sie „Avatare“ in Online-Rollenspielen, was ihn Sicherheit und Geborgenheit. jedoch nicht wirklich erfülle und „leer“ lasse. Er kommt mit Depression und Symptomen der Sozialphobie in Psychotherapie. 33 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsakzentuierung vs. Störung: Domain Detachment/Verschlossenheit (ICD-11 ) Akzentuierung („pers. difficulty“) Persönlichkeitsstörung Der Betroffene ist äußerst schüchtern und Sie hatte mit 40 Jahren noch keinen festen gefühlsgehemmt. Er möchte nicht, dass Partner oder eine Liebesbeziehung, obwohl sie Andere „in ihn hineinschauen“, er mag am insgeheim doch „romantisch“ veranlagt sein. liebsten „sein Ding“ machen. Fast alle Hobbies Sie fürchte sich zu sehr davor, vom Partner betreibt er alleine und Freunde hätte er kaum. überfordert oder vereinnahmt zu werden. Beziehungen sind ihm zu anstrengend, Schließlich käme sie sehr gut mit sich selbst Menschen nerven ihn schnell. aus und hätte ein gutes Verhältnis zu ihrer Einmal hätte er kurzzeitig eine Freundin Schwester und ihrer Mutter, denen sie wirklich gehabt, sei aber von ihren Nähebedürfnissen vertrauen könne. In den letzten Jahren hätte abgeschreckt gewesen – auch Sex sei für ihn sie sich jedoch zunehmend einsamer gefühlt, nur eine eher lästige und ziemlich eklige als ob sie von Menschen entfremdet sei, zu Angelegenheit. Kinder oder eine Familie seien einer anderen „Spezies“ gehöre. Dies ihm nicht wichtig, in seiner Arbeit schätze ihn deprimiere sie inzwischen immer mehr. Sie sein Chef als konzentrierten und kreativen suche Anschluss zu Menschen über Vereine Informatiker, dem man seine Eigenheiten und Geselligkeiten, könne jedoch nicht über lassen müsse. ihren Schatten springen 34 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsakzentuierung vs. Störung: Domain Dissozial (ICD-11 ) Akzentuierung („pers. difficulty“) Persönlichkeitsstörung Der Betroffene ist erfolgreicher Jurist in einer Der Betroffene belog schon als Kind sehr Kanzlei. Er hat sich mit Ellenbogen sehr hoch häufig seine Eltern, klaute Geld, dealte früh gearbeitet und ist bei seinen beruflichen mit Drogen und hatte Alkoholexzesse. Er Gegnern aufgrund seiner Aggressivität machte sich über Schwächere lustig, geriet gefürchtet. Er scheint über „Leichen zu immer wieder in Schlägereien und sah die gehen“, wenn es ihm nutze. Beliebt ist er Schuld stets bei anderen. Schäden seiner nirgendwo, eher gefürchtet. Privat ist seine Opfer reuten ihn nicht. Alles musste ihm zum Ehe einigermaßen intakt, seine Frau genieße Vorteil gereichen. Eine Ausbildung hätte er die Privilegien, auch wenn sie nach außen nicht nötig, das sei „bürgerlicher Opfergang“ wenig „zu sagen hätte“. Ihren Kinderwunsch und nicht sein Ding. Jugendstrafen folgten, um hätte er abgelehnt, Kinder würden seine sich zu finanzieren, da seine Eltern den Freiheiten einschränken und seien bedürftig. Kontakt mit ihm gerichtlich unterbunden Dann müsse sie sich eben für Familie oder hatten. Mehrere weitere Verurteilungen mit einen höheren Lebensstandard entscheiden. Strafhaft folgten. Der Knast hätte ihn sehr Offenkundig prahlt er gerne, wirkt häufig belastet, da er frei sein wolle – das sei alles arrogant – Freunde seien ihm nicht so wichtig. ungerecht. Frauen hätte er ab und zu gehabt, ihre Anhänglichkeiten nervten ihn jedoch. 35 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsakzentuierung vs. Störung: Domain Enthemmtheit (ICD-11 ) Akzentuierung („pers. difficulty“) Persönlichkeitsstörung Die 44-jährige Betroffene fiel schon als Kind Der Betroffene war „immer schon“ ein Mann auf, dass sie leicht ablenkbar war und impulsiv der Tat, was er sich in den Kopf setzte, musste (ADHS Diagnose). Auch im frühen er sofort haben. In diesem Zuge ging er als Erwachsenenalter flog sie wegen einem Erwachsener ständig fremd, alle Beziehungen Gefühlsausbruch einmal aus einer Lehrstelle zerbrachen daran, was ihn wegen seinem (Beleidigung des Vorgesetzten). Sie konnte Wunsch nach eigenen Kindern deutlich belaste. eine andere Lehre jedoch abschließen und Auch hatte er massive private Schulden durch suchte sich einen Nischenbereich, in dem ihre Glücksspiel (Online und Automaten) Impulsivität kaum auffiel, da sie durch angesammelt, er habe einfach keine Kontrolle Kollegen aufgefangen wurde. Privat neigt sie über seine Impulse. Selbst seine Eltern hätten zu Übergewicht durch starken Konsum von dem einzigen Sohn schon sehr viel Geld leihen Süßigkeiten – sie könne einfach nicht müssen, dass er nie mehr zurückzahlen könne widerstehen. Sie bewege sich zu wenig und – ihn plagten zunehmend Schuldgefühle. In ihre Ärzte hätten ihr schon häufig ins Gewissen der Arbeit kam er nie über ungelernte geredet. Ihr Freund liebe jedoch ihre Pfunde Tätigkeiten hinaus, da er nichts durchhalten und sei ebenso übergewichtig. könne. Dadurch hätte er kein Geld. 36 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsakzentuierung vs. Störung: Domain Zwanghaftigkeit (ICD-11 ) Akzentuierung („pers. difficulty“) Persönlichkeitsstörung Der Betroffene ist verheiratet, seine Frau Für die Betroffene geht Ordnung über alles. An schätze sein Pflichtbewusstsein und dass er ihren potentiellen Liebespartnern störte sie sich akribisch um Haus und Garten kümmere. immer irgendetwas, vor allem, wenn sie sich Manchmal sei sie und ihre Familie von seiner nicht „normal“ verhielten. Dadurch blieb ihr der Genauigkeit genervt und davon, dass er alles Familienwunsch unerfüllt, keiner hielt es länger selbst machen müsse, nur er könne die bei ihr aus. Mit Nachbarn verstreitet sie sich Geschirrspülmaschine einräumen. Früher sei ständig wegen der Hecken, dem Schnee räumen er mit seiner Familie mit anderen Familien in im Winter oder den Mülltonnen. In der Freizeit den Urlaub gefahren, die anderen zogen sich hätte sie befriedigende Hobbies mit Leuten, die jedoch aufgrund seines Perfektionismus und rechtschaffen seien. In der Arbeit ist sie wegen seiner Rechhaberei zunehmend zurück. In der ihrer Penibilität gefürchtet – ständig machte sie Firma sei er als Buchhalter geschätzt, ab und auch unbezahlt Überstunden, als an bekäme er einen Rüffel, er arbeite zu Abteilungsleiterin wurde sie jedoch abgesetzt langsam und uneffizient – aber sein Chef und bei einer Umstrukturierung der Firma nicht toleriert es noch. mehr übernommen. Verbittert darüber suchte sie Hilfe beim Psychotherapeuten. 37 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsakzentuierung vs. Störung: Domain Borderline (ICD-11 ) Akzentuierung („pers. difficulty“) Persönlichkeitsstörung Die Betroffene ist immer mal wieder Die Betroffene kann Beziehungen gar nicht gegenüber Kollegen oder Freunden pampig halten, zerstreitet sich umgehend mit Freunden und impulsiv, einige haben sich deshalb von oder Liebespartnern. Einerseits sucht sie viel ihr distanziert. Von anderen wird sie für ihre Nähe, hält diese dann gar nicht aus. Ihr Direktheit geschätzt. Sie hat einige Selbstbild ist sehr instabil, sie weiß nicht, was Ausbildungen abgebrochen aber jetzt mit 30 sie will, welchen Beruf. Sie leidet seit Jahren Jahren doch die Ergotherapie-Ausbildung deutlich an ihren Stimmungsschwankungen von beendet. Beziehungen wechselt sie nach depressiv, ängstlich hin zu Wutanfällen und einigen Monaten, weil ihr die Männer zu starkem Leere-Erleben mit chronischer Suizi- langweilig werden und zu wenig auf sie dalität. Immer wieder verletzt sie sich selbst, um eingehen. Sie will sich aber noch nicht fest sich zu beruhigen, hat Essanfälle und wahllosen binden. Für ihre Umwelt ist sie wegen ihrer Sex. Freunde zogen sich von ihr zurück, Liebes- Launen und Gefühlsschwankungen ziemlich partner werden durch ihre starke Nähesuche anstrengend, aber auch liebenswert. abgeschreckt – es kam mehrmals vor, dass Sie Ex-Liebhaber mit Suizid erpresst hat. 38 Dr. Robert Mestel – ICD-11 Persönlichkeitsstörungen
Danke für Ihre Aufmerksamkeit! robert.mestel@helios-gesundheit.de
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