Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis - Headache in Family Practice Jan Hendrik Oltrogge1, Silke Brockmann2, Martin Scherer1

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Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis - Headache in Family Practice Jan Hendrik Oltrogge1, Silke Brockmann2, Martin Scherer1
306 FORTBILDUNG / CONTINUING MEDICAL EDUCATION

      Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
      Headache in Family Practice
      Jan Hendrik Oltrogge1, Silke Brockmann2, Martin Scherer1

          Hintergrund: Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten                                 Background: Headache is among the most common
          Gesundheitsstörungen. Die Herausforderung für den kon-                              medical complaints. The challenge for the consulted
          sultierten Hausarzt besteht – neben einer rationalen Diag-                          family practitioner (FP) consists – in addition to rational
          nostik zum Erkennen von abwendbar gefährlichen Verläu-                              diagnostic procedures for the detection of avoidable dan-
          fen – in der Aufklärung des Patienten und dem patienten-                            gerous conditions – in an adequate patient education and
          zentrierten Einsatz nicht-medikamentöser und medika-                                the patient-centered use of non-drug and drug treatment
          mentöser Behandlungsstrategien.                                                     strategies.
          Suchmethodik: Der Artikel basiert zu großen Teilen auf                              Search method: This article is mainly based on chapter
          dem Kapitel 2 „Kopfschmerz“ des Lehrbuchs „Duale Rei-                               2 “Kopfschmerz” (“Headache”) of the German textbook
          he Allgemeinmedizin und Familienmedizin“ (5. Auflage,                               “Duale Reihe Allgemeinmedizin und Familienmedizin”, (5th
          2017). Zusätzlich wurden gültige nationale und auslän-                              edition, 2017). In addition, current national and foreign
          dische Leitlinien konsultiert und eine pragmatische Suche                           guidelines were consulted and a pragmatic search was
          unter dem Stichwort (medical subject heading) „headache“                            performed in the data bank Pubmed under the medical
          in der Datenbank Pubmed durchgeführt.                                               subject heading “headache”.
          Wichtigste Botschaften: An der Systematik der 2018                                  Main messages: Pragmatic diagnostic procedures for
          aktualisierten International Classification of Headache Dis-                        the FP can be based on the systematics of the updated
          orders (3rd edition, ICHD-III) für primäre und sekundäre                            International Classification of Headache Disorders (3rd
          Kopfschmerzformen kann sich ein pragmatisches diagnos-                              edition, ICHD-III). Medical history and clinical findings
          tisches Vorgehen des Hausarztes gut orientieren. Anamne-                            are often sufficient, and imaging is usually not necessary.
          se und klinische Befunderhebung sind häufig ausreichend,                            Medication-Overuse Headache (MOH; estimated 1–2 %
          eine diagnostische Bildgebung ist in den meisten Fällen                             of all patients with a chronic form of headache) is sus-
          nicht notwendig. Ein Medikamentenübergebrauch-Kopf-                                 pected if there is a headache occurring on 15 or more
          schmerz (an dem schätzungsweise 1–2 % aller Menschen                                days/month in a patient with a pre-existing headache
          mit chronischen Kopfschmerzen leiden) wird vermutet,                                disorder.
          wenn Patienten mit einer diagnostizierten Kopfschmerz-                              Conclusions: In patients with frequent headache, a care-
          erkrankung an / 15 Tagen pro Monat über mindestens                                  ful medical history should be taken by their family practi-
          drei Monate Kopfschmerzmittel einnehmen.                                            tioner despite other primary reasons for encounter. The
          Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit chronischen                                   use of the ICHD-III allows an effective, evidence-based
          Kopfschmerzen sollte trotz anderer primärer Beratungs-                              treatment of the most common acute and chronic forms
          anlässe eine sorgfältige Anamnese erhoben werden. Die                               of headache and reduces the risk of harmful medication
          Anwendung der Diagnosekriterien der ICHD-III ermöglicht                             overuse.
          eine evidenzbasierte Behandlung der häufigsten akuten
          und chronischen Kopfschmerzformen und vermindert das                                Keywords: headache; family medicine; migraine;
          Risiko für einen schädlichen Medikamentenübergebrauch.                              tension-type headache; medication-overuse headache

          Schlüsselwörter: Kopfschmerz; Allgemeinmedizin; Migräne;
          Spannungskopfschmerz; Medikamentenübergebrauch-
          Kopfschmerz

      1Institut für Poliklinik und Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
      2Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut, Bern
      DOI 10.3238/zfa.2018.0306–0312

  ■   © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)
Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis - Headache in Family Practice Jan Hendrik Oltrogge1, Silke Brockmann2, Martin Scherer1
Oltrogge, Brockmann, Scherer:
Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
Headache in Family Practice                                                                                                                                307

Fallbeispiel                                  brauch (über drei Monate Dauer) eines           einmal pro Monat an Kopfschmerzen zu
                                              oder mehrerer Medikamente, die für eine         leiden [4]. Die meisten Betroffenen kon-
Ein 67-jähriger Patient, ehemaliger Berg-     akute und/oder symptomatische Be-               sultieren keinen Arzt und behandeln ih-
mann, stellt sich erstmals bei einer All-     handlung von Kopfschmerzen einge-               re Kopfschmerzen selbst. In der CON-
gemeinmedizinerin vor, da sein bisheriger     nommen werden können (Schmerz-                  TENT-Studie mit 104.065 Patienten aus
Hausarzt in den Ruhestand gegangen ist:       mittel, Triptane, Ergotamin). C: Der            31 Hausarztpraxen stellten Kopfschmer-
„Ich habe seit 22 Jahren Migräne. Jetzt       Kopfschmerz kann durch eine andere Di-          zen dementsprechend nur 1,7 % aller
wieder seit drei Tagen – durchgehend rechte   agnose nach ICHD-III nicht besser be-           Beratungsanlässe dar [5]. Gründe für
Gesichtsseite mit Übelkeit und Erbrechen.“    gründet werden.                                 den Arztbesuch sind bei älteren Patien-
Bei akuten Kopfschmerzen kombiniere er            Als weitere Hinweise auf einen              ten häufig mit dem Kopfschmerz ver-
immer ein Kombinationspräparat aus Er-        MOH werden genannt: die bevorzugte              bundene Komorbiditäten und bei jün-
gotamin und Ibuprofen 600. Zur Prophy-        Einnahme von Mischpräparaten (meist             geren Patienten häufig die Angst vor ei-
laxe nehme er seit Langem täglich 300 mg      ASS plus Paracetamol mit oder ohne              ner lebensbedrohlichen organischen
ASS und ein homöopathisches Kombinati-        Koffein) sowie die vorübergehende Zu-           Ursache der Beschwerden – im Besonde-
onspräparat ein. Er bittet um Rezeptierung    nahme der Schmerzstärke und -häufig-            ren die Angst vor einem Hirntumor. Der
aller genannten Präparate. Bei Durchsicht     keit nach Absetzen der Medikamente,             Leidensdruck der Patienten und die Arti-
der mitgebrachten Patientenunterlagen         die sich nach Beendigung des Überge-            kulation der Befürchtungen und Ängste
fällt ein erhöhtes Kreatinin von 1,34 mg/dl   brauchs (in der Regel innerhalb von             in Bezug auf lebensbedrohliche Ursa-
aus dem Vorjahr auf. Die Ärztin verordnet     zwei bis zehn Tagen) vollständig zurück-        chen der Kopfschmerzen kann dabei das
zunächst Paracetamol in Kombination mit       bilden. Der MOH wird mittlerweile als           Verhalten der behandelnden Hausärzte
MCP (Metoclopramid)-Tropfen zur Akut-         eine sehr relevante Differenzialdiagnose        beeinflussen und zu einem diagnosti-
therapie und kontrolliert die Nierenfunkti-   bei chronischen Kopfschmerzen ange-             schen Aktivismus führen [6]. Die Indika-
on. Der Kreatinin-Wert zeigt sich weiter-     sehen. Es wird geschätzt, dass 1–2 %            tion für eine Bildgebung wird bei Kopf-
hin erhöht und auch das Kalium ist mit        aller Patienten mit chronischen Kopf-           schmerzen häufiger gestellt als rein me-
5,1 mmol/l grenzwertig hoch. Die Ärztin       schmerzen an einem MOH leiden [2].              dizinisch notwendig wäre.
überweist zum Nephrologen zur Mit-            Die Therapievorschläge zum MOH vari-
beurteilung. Nach vier Wochen trifft ein      ieren in Abhängigkeit vom jeweiligen
Kurzbefund des Nephrologen ein: „Niere-       Setting und sind noch nicht ausrei-             Suchmethodik
ninsuffizienz im Stadium der voll kompen-     chend durch kontrollierte Studien gesi-
sierten Retention. Verdacht auf Fanconi-      chert. Über das Ziel der Beendigung             Der Artikel basiert zu großen Teilen auf
Syndrom bei tubulo-interstitieller Nieren-    des jeweiligen Medikamentenüberge-              dem Kapitel 2 „Kopfschmerz“ des Lehr-
schädigung durch jahrelangen Analgetika-      brauchs hinaus gibt es bis heute keinen         buchs „Duale Reihe Allgemeinmedizin
gebrauch.“ Bei der Befundbesprechung be-      internationalen Konsens über das the-           und Familienmedizin“ [7]. Zusätzlich
richtet der Patient, dass die neuen Migrä-    rapeutische Vorgehen bei MOH [3]. Das           wurden gültige nationale und auslän-
nemedikamente – nach anfänglicher Ver-        Absetzen oder Ausschleichen der Medi-           dische Leitlinien konsultiert und eine
schlimmerung der Schmerzen – gut gehol-       kamente kann unter Verwendung eines             pragmatische Suche unter dem Stich-
fen hätten. Er habe „nur zwei bis drei Mal“   Reserve-Analgetikums mit anderem                wort (medical subject heading) „headache“
(!) in den letzten vier Wochen Migräne-       Wirkstoff erfolgen und durch edukative          in der Datenbank Pubmed durch-
anfälle gehabt.                               Maßnahmen begleitet werden. Haus-               geführt.
     Handelt es sich bei diesen Be-           ärzten wird dabei eine wichtige Rolle
schwerden wirklich um eine Migräne            sowohl in der Prävention als auch in
oder vielleicht doch um einen Span-           der Rezidivprophylaxe zugeschrieben.            Antworten auf häufige Fragen
nungskopfschmerz? Von vielen Patien-          Das Erkennen und Ansprechen eines
ten wird der Begriff „Migräne“ oft syno-      Risikos für einen MOH bei Patienten             1. Wie werden Kopfschmerzen
nym mit „Kopfschmerzen“ genutzt. In           mit häufigen Kopfschmerzen und die              klassifiziert?
diesem Fallbeispiel besteht der dringen-      Fokussierung auf nicht-medikamentö-
de Verdacht auf einen Medikamenten-           se Strategien zur Bewältigung der               Seit 1988 gibt es eine weltweit einheitli-
übergebrauch-Kopfschmerz (engl.: Medi-        Schmerzen als typische primärmedizi-            che Klassifizierung von Kopfschmerzen,
cation-Overuse Headache, MOH). Als hin-       nische Strategien stehen hier im Vor-           die mittlerweile in ihrer dritten Version
weisgebend ist auch das Vorliegen einer       dergrund.                                       vorliegt: die International Classification
Niereninsuffizienz aufgrund eines jah-                                                        of Headache Disorders (3rd edition, ICHD-
relangen Schmerzmittelkonsums anzu-                                                           III) der International Headache Society
sehen. In der aktuellen International         Hintergrund                                     (IHS). Grundsätzlich wird zwischen
Classification of Headache Disorders (3rd                                                     primären Kopfschmerzen (fehlende
edition, ICHD-III) wurden für den MOH         Kopfschmerzen stellen in Deutschland            organische Ursachen/Begründungen)
neue Diagnosekriterien definiert [1].         mit einer Prävalenzrate von 50–90 % die         und sekundären Kopfschmerzen
Diese sind A: Kopfschmerzen an ≥ 15           häufigste aller Gesundheitsstörungen            (nachgewiesene/postulierte organische
Tagen pro Monat bei einem Patienten           dar. In einer aktuellen Befragung unter         Ursachen/Begründungen) unterschie-
mit einer vorbekannten Kopfschmerz-           deutschsprachigen Bundesbürgern ga-             den. Zusätzlich werden noch primäre
erkrankung. B: Regelmäßiger Überge-           ben 56 % der Befragten an, mindestens           und sekundäre Formen des Gesichts-

                                                                                         © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)   ■
Oltrogge, Brockmann, Scherer:
          Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
308       Headache in Family Practice

           I. Primäre Kopfschmerzen                               II. Sekundäre Kopfschmerzursachen                 III. kraniale Neuropathien, andere
                                                                      (potenziell gefährlich)                            Gesichtsschmerzformen

           Migräne                                                Trauma von Kopf-/Nackenregion                     Kraniale Nervenläsionen und anderer
                                                                  (Schleudertrauma, Schädel-Hirn-Trauma usw.)       Gesichtsschmerz (Trigeminusneuralgie,
           Spannungskopfschmerzen                                                                                   multiple Sklerose, idiopathischer
                                                                  Vaskuläre kraniale Erkrankungen (intrazerebrale   Gesichtsschmerz usw.)
           Trigeminoautonome Kopfschmerzen                        Blutungen/Ischämien, Aneurysmata, Arteriitis
           (TAK) (u.a. Clusterkopfschmerzen)                      temporalis, Vertebralarteriendissektion usw.)     Andere Kopfschmerzerkrankungen

           Andere primäre Kopfschmerzarten                        Nicht-vaskuläre kraniale Erkrankungen
           (z.B. bei physischer Anstrengung,                      (Neoplasien, Epilepsie,
           „cold-stimulus“-headache)                              Normaldruckhydrozephalus usw.)

                                                                  Medikamenten- oder substanzbedingt
                                                                  (Intoxikationen, Medikamentenübergebrauch
                                                                  – MOH, Entzug usw.)

                                                                  Infektbedingt (Grippe, Sinusitis, Meningitis,
                                                                  Herpes zoster usw.)

                                                                  Homöostasebedingt/metabolisch
                                                                  (art. Hypertonie, Schlafapnoe, Hypothyreose,
                                                                  Fasten, Flugreisen usw.)

                                                                  Nicht-traumatische Erkrankungen der Kopf-/
                                                                  Nackenregion (zervikogener Kopfschmerz,
                                                                  Glaukom, Zahnerkrankungen usw.)

                                                                  Psychische Erkrankungen
                                                                  (Somatisierungsstörungen, Psychosen)

          Tabelle 1 Einteilung der Kopfschmerzarten mit Hervorhebung der hier besprochenen Formen (modifiziert nach der International Classification of
          Headache Disorders (3rd edition, ICHD-III [1])

          schmerzes in einer dritten Kategorie dif-                     von chronischen täglichen Kopfschmer-       bar und große kontrollierte Studien ha-
          ferenziert (Tab. 1).                                          zen in der Bevölkerung von 4 % angege-      ben gezeigt, dass degenerative Verände-
              Der gesicherte Nachweis einer orga-                       ben [2].                                    rungen der HWS bei Menschen mit und
          nischen Ursache oder Begründung ist                                                                       ohne Kopfschmerzen gleich häufig vor-
          im (haus-)ärztlichen Alltag natürlich                         2. Gibt es einen Unterschied                kommen. In der aktuellen Langfassung
          nicht immer umsetzbar. Die Klassifikati-                      zwischen Spannungskopfschmerz               der ICHD-III wird an mehreren Stellen
          on erscheint aber klinisch-pragmatisch                        und zervikogenen Kopfschmerzen?             darauf hingewiesen, dass die aufgeführ-
          sinnvoll, da sie hilft, zwischen harmlo-                                                                  ten Diagnosekriterien hinsichtlich der
          sen und potenziell gefährlichen Kopf-                         Die These, dass auch sog. zervikogene       reinen Schmerzcharakteristika nicht
          schmerzen zu unterscheiden. Dies hat                          Kopfschmerzen unterdiagnostiziert sei-      ausreichend spezifisch seien. Für eine
          im hausärztlichen Alltag eine große Be-                       en, da sie häufig mit anderen Kopf-         sichere Unterscheidung von (sekundä-
          deutung. Weiterhin gibt die Klassifikati-                     schmerzformen – insbesondere den            ren) zervikogenen Kopfschmerzen
          on einen guten Gesamtüberblick über                           Spannungskopfschmerzen – verwech-           (ICHD-III II.11) und (primären) Span-
          die bekannten Ursachen von Kopf-                              selt würden, ist nicht sicher belegbar.     nungskopfschmerzen (ICHD-III I.2)
          schmerz.                                                      Manche Autoren gehen so weit, den           (mit oder ohne tastbare myofasziale
              Erst seit Erscheinen einer internatio-                    zervikogenen Kopfschmerzen jegliche         Triggerpunkte) liegt derzeit keine aus-
          nal anerkannten Klassifikation durch                          Berechtigung abzusprechen. Die ICHD-        reichende Evidenz vor. Dementspre-
          die IHS können anhand vereinheitlich-                         III führt den Begriff „cervicogenic head-   chend unterscheiden sich die Empfeh-
          ter Diagnosekriterien vergleichbare Da-                       ache“ in der Oberkategorie II.11: sekun-    lungen zur symptomatischen Therapie
          ten zur Häufigkeit der verschiedenen                          däre Kopfschmerzen durch „nicht-trau-       von Spannungskopfschmerzen und se-
          Kopfschmerzformen erhoben werden.                             matische Erkrankungen der Kopf-/Na-         kundären zervikogenen Kopfschmer-
          Ältere Angaben zu den Häufigkeiten von                        ckenregion“ (Tab. 1). Für die Diagno-       zen nicht.
          beispielsweise Migräne (angeblich bis zu                      se zervikogener Kopfschmerzen
          27 % der deutschen Bevölkerung) oder                          wird ein klinischer oder labor-             3. Wie ist das diagnostische
          episodischem Spannungskopfschmerz                             chemischer oder durch Bild-                 Vorgehen, um die potenziell
          (angeblich bis zu 38 % der deutschen Be-                      gebung geführter Nachweis einer             gefährlichen sekundären
          völkerung) sind nicht gut belegbar. Bei                       Erkrankung der Kopf- oder Na-               Kopfschmerzformen zu erkennen?
          der Migräne wird daher – abhängig von                         ckenregion gefordert. Degenerative
          den jeweiligen Autoren – sowohl Über-                         Veränderungen der Halswirbelsäule           Die wichtigsten Warnsymptome (sog. red
          diagnostik als auch Unterdiagnostik ver-                      sind jedoch mit steigendem Lebens-          flags), die auf abwendbar gefährliche Ver-
          mutet. Für Europa wird eine Prävalenz                         alter bei fast allen Menschen nachweis-     läufe bei Patienten mit Kopfschmerzen

      ■   © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)
Oltrogge, Brockmann, Scherer:
Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
Headache in Family Practice                                                                                                                                   309

 Diagnostisches Vorgehen – Suche nach Hinweisen für sekundäre Kopfschmerzformen

 1. In der Anamnese ist zu fragen            2. Klinische Untersuchungen (symptom-                3. Beachtung von red flags und
    nach:                                       orientierte allgemeine körperliche                   typischen Befunden bei sekun-
                                                Untersuchung und Neurostatus)                        dären Kopfschmerzformen

 – Beginn                                    – Allgemeiner körperlicher Status mit Puls- und      – Auffälligkeiten bei Erhebung des
 – Dauer                                      Blutdruckmessung                                      Neurostatus (neurologische Ausfälle)
 – Häufigkeit                                – Pupillenweite und -reaktion                        – Deutlich verschlechterte
                                             – Hirnnervenstatus                                     Kopfschmerzen und/oder neu
 – Lokalisation                                                                                     aufgetretene Kopfschmerzen bei
 – Charakter                                 – Reflexstatus                                         Patienten < 5 Jahren oder > 50 Jahren
 – Intensität                                – Armvorhalte- und Finger-Nase-Versuch               – neu aufgetretene Kopfschmerzen bei
 – Begleiterscheinungen                      – Unterberger-Tretversuch                              Schwangeren, Patienten mit maligner
                                             – Orientierung (zeitlich, örtlich, zur Person)         Grunderkrankung und/oder immun-
 – Auslösern der Kopfschmerzen                                                                      suppressiver Therapie
 – einem vorangegangenen Trauma              – Beweglichkeit der Hals- und Brustwirbelsäule
                                                                                                  – Veränderung des Schmerzmusters
 – Vorerkrankungen                           – Augenhintergrund
                                                                                                  – plötzlich einsetzende Attacken
                                                                                                    (z.B. aus dem Schlaf heraus?)
                                                                                                  – Auslösung der Kopfschmerzen durch
                                                                                                    Anstrengung/sexuelle Aktivität/
                                                                                                    Valsalva-Manöver

 4. Falls nach Bewertung von 1. bis 3. für nötig gehalten:

 – Labor: Blutbild, Elektrolyte, TSH, Nieren- und Leberwerte (bei Medikamentengebrauch), BSG (bei V.a. Arteriitis temporalis)
 – Schädel-MRT
     – Vorteile: gute Weichteilauflösung, keine Strahlenbelastung, sagittale Schnitte
     – Nachteile: große Schichtdicke, knöcherne Strukturen schlechter beurteilbar
 – Schädel-CT
     – Vorteile: kleine Schichtdicke, knöcherne Strukturen besser beurteilbar
     – Nachteile: Strahlenbelastung, schlechte Weichteilauflösung
 – EEG: nur bei V.a. Anfallsleiden, nicht als Routinediagnostikum

Tabelle 2 Diagnostisches Vorgehen im Falle des Beratungsanlasses Kopfschmerz (modifiziert nach [7], TSH = thyreoidstimulierendes Hormon,
BSG = Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit)

hindeuten, sind in der Regel durch eine         Spannungskopfschmerz) [8]. Im Ver-               kardiovaskulären Risikoprofils abzuraten.
Anamnese und nicht-apparative Unter-            gleich zu den episodischen Verlaufsfor-          Für eine Behandlung von akuten
suchungen erkennbar. Ein diagnostisches         men erfordern die chronischen Verlaufs-          Kopfschmerzen mit Opiaten gibt
Vorgehen ist in Tabelle 2 aufgeführt.           formen ein anderes therapeutisches Vor-          es keine überzeugende Evidenz.
                                                gehen. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über        Von ihrem Gebrauch ist auf Grund
4. Wie werden die primären                      die Merkmale der häufigen primären               des Nebenwirkungsprofils und
Kopfschmerzformen eingeteilt?                   Kopfschmerzformen.                               insbesondere wegen des Abhän-
                                                                                                 gigkeitspotenzials abzusehen [9].
Gemäß der ICHD-III werden die primä-            5. Wie werden akute Spannungs-
ren Kopfschmerzformen in vier Katego-           kopfschmerzen therapiert?                        6. Wie sind chronische Spannungs-
rien eingeteilt: 1. Migräne, 2. Spannungs-                                                       kopfschmerzen definiert und was
kopfschmerzen, 3. Trigeminoautonome             Gesicherte Wirksamkeit für akute Span-           gibt es bei der Therapie zu beachten?
Kopfschmerzen (TAK) (mit Clusterkopf-           nungskopfschmerzen:
schmerzen als häufigste Form), 4. andere        • Acetylsalicylsäure (ASS) 500–1000 mg           Chronische Spannungskopfschmerzen
primäre Kopfschmerzformen (als Sam-               p.o., Paracetamol 500–1000 mg p.o.,            sind Kopfschmerzen vom Spannungs-
melkategorie). Sämtliche primäre Kopf-            Ibuprofen 200–600 mg p.o.                      typ, die an mindestens 15 Tagen pro Mo-
schmerzformen können einen episo-               Nicht wirksam:                                   nat und an mindestens 180 Tagen im
dischen und chronischen Verlauf haben.          • Muskelrelaxanzien und Benzodiazepine           Jahr auftreten. Die Therapie ist mit jener
Chronische Verlaufsformen sind defi-            Einschränkungen bestehen für ASS bei             von akuten Spannungskopfschmerzen
niert als Kopfschmerzattacken, die an           Kindern unter 16 Jahren (orale Gabe) und         identisch. Ziel ist eine Einnahme von
mehr als 15 Tagen im Monat über eine            unter 18 (parenterale Gabe) wegen der            Schmerzmitteln an nicht mehr als zehn
Dauer von mindestens drei Monaten be-           Gefahr eines Reye-Syndroms und für Ibu-          Tagen pro Monat. Wird dieses Ziel nicht
stehen (engl. chronic daily headache,           profen und Diclofenac bei Kindern unter          erreicht, sind Maßnahmen zur Prophy-
CDH). Chronische Kopfschmerzen ent-             sechs Monaten aufgrund der einge-                laxe indiziert:
wickeln sich bei 92 % der Patienten aus         schränkten Nierenfunktion. Bei Diclofe-              Nicht-medikamentöse Prophylaxe der
einer primären episodischen Kopf-               nac ist besonders von einer Dauereinnah-         chronischen Spannungskopfschmerzen:
schmerzform (bei 72 % aus einer Migräne         me wegen des unter allen NSAR (nichtste-         • Empfohlen, aber kaum Evidenz: Ent-
und bei 20 % aus einem episodischen             roidalen Antirheumatika) ungünstigsten             spannungsübungen nach Jacobson,

                                                                                            © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)   ■
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          Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
310       Headache in Family Practice

                                                       Migräne                              Spannungskopfschmerzen              Clusterkopfschmerzen
                                                                                                                                (häufigste Form der TAK)

           Als Behandlungsanlass in                    Keine einheitlichen Daten            Am häufigsten                       Selten
           der Primärmedizin

           Lokalisation                                Meist einseitig, selten beidseits    Stirn, ganzer Kopf, beidseits,      Periorbital, Orbita und Stirn,
                                                                                            auch einseitig bei zervikogener     immer einseitig
                                                                                            Genese

           Dauer der Schmerzattacken                   4 – 72 Stunden                       Stunden bis Tage                    Sekunden bis Stunden
           Häufigkeit                                  1 – 6 Episoden/Monat                 Gelegentlich bis täglich            Täglich
           Schmerzintensität                           Mittel bis Schwer                    Leicht bis mittel                   Schwer
           Schmerzcharakter                            Pochend, hämmernd,                   Dumpf drückend, ziehend,            Heftigste paroxysmale
                                                       pulsierend                           konstant mit überlagernden          Schmerzen
                                                                                            Attacken

           Begleitsymptome                             Bei ca. 45 % autonome                Keine vegetativen Begleitreak-      Häufig autonome Begleit-
                                                       Begleitreaktionen (Auge, Nase),      tionen (insbes. kein Erbre-         reaktionen (Augentränen,
                                                       Übelkeit, Erbrechen, Licht- und      chen!), eventuell Flexion/          Nasenlaufen, Ptosis, Miosis,
                                                       Lärmempfindlichkeit                  Extension der HWS gestört           Gesichtsrötung)

           Provokation/Auslöser                        Nahrungsmittel, Stress,              Stress, Wetterwechsel,              Alkohol (kleine Mengen),
                                                       Hormonschwankungen,                  Kopfdrehen, Husten                  Wetter
                                                       Wetterwechsel

           Sonstiges                                   Aufsuchen dunkler,                   Bei Einschränkung der HWS-          Fast nur Männer, nächtliche At-
                                                       ruhiger Räume                        Beweglichkeit/Myogelosen            tacken, dabei Bewegungsdrang
                                                                                            overlap mit zervikogenen
                                                                                            sekundären Kopfschmerzen

          Tabelle 3 Merkmale der häufigsten primären Kopfschmerzformen (modifiziert nach [7]; TAK = Trigeminoautonome Kopfschmerzen)

            regelmäßiges Ausdauertraining und                             Valproinsäure, Moclobemid, Topira-             (Cave: MCP ist kontraindiziert bei
            Stressbewältigungstraining.                                   mat, Mirtazapin, Sulpirid, Gabapentin          Kindern (< 18 Jahre), Schwangeren,
          • Nicht-gesicherte Wirksamkeit: Physio-                         zeigten zum Teil widersprüchliche Er-          Epilepsiepatienten, Prolaktinompa-
            therapie mit Training der HWS- und                            gebnisse.                                      tienten.)
            Schultermuskulatur, manuelle Thera-                         • Nicht wirksam: Paroxetin (selektiver         Leichte bis schwere Migräneattacke:
            pie, verschiedene Formen der Biofeed-                         Serotonin-Wiederaufnahmehemmer,              • ASS 1000 mg p.o. oder Ibuprofen
            backtherapie in Kombination mit Ent-                          SSRI), Muskelrelaxanzien, Botulinum-           400–600 mg p.o. oder Paracetamol
            spannungstechniken.                                           toxin-Injektion.                               (PCM) 1000 mg p.o. Die Wirksamkeit
          • Für die Akupunktur bei akuten und                                                                            aller drei Wirkstoffe ist gut belegt [13,
            chronischen Spannungskopfschmer-                            7. Wie wird eine akute                           14, 15]. In aktuellen nationalen und
            zen sieht ein Cochrane-Review aus                           Migräneattacke therapiert?                       ausländischen Leitlinien wird aller-
            2016 einen Effektivitätsnachweis bei                                                                         dings mittlerweile die Evidenz zur Ef-
            moderater Evidenzqualität [10].                             Grundsätzlich erfolgt die Beurteilung            fektivität von PCM im Vergleich zu
          Medikamentöse Prophylaxe der chro-                            des Ansprechens auf therapeutische               ASS und Ibuprofen als schwächer ein-
          nischen Spannungskopfschmerzen:                               Maßnahmen anhand von drei Parame-                geschätzt [12, 16].
          • Gesicherte Wirksamkeit: Nachweis ei-                        tern [12]:                                     • Die zusätzliche Gabe von MCP 10 mg
            ner kurzfristigen Besserung der Dauer                       1. Besserung der Schmerzen innerhalb             p.o./rektal oder Domperidon 10 mg
            und Häufigkeit von Attacken durch                              von zwei Stunden                              p.o. (ggf. 15–20 Min. vorher ver-
            Amitriptylin 25–150 mg p.o. (langsam                        2. Sistieren der Schmerzen innerhalb             abreicht) vermindert Übelkeit und
            einschleichen, maximal 10–15 mg pro                            von zwei Stunden                              kann in diesem Fall die Resorption und
            Woche, eine Wirkung ist erst nach 4–8                       3. Andauern der Schmerzen > 24 Stun-             Wirkung der Analgetika verbessern. Ei-
            Wochen abschätzbar).                                           den                                           ne routinemäßige Gabe von MCP ist
          • Multidisziplinäre    Behandlungspro-                        Notfall-Akutmedikation bei sehr schwe-           jedoch nicht indiziert [17].
            gramme, die Elemente der kognitiven                         rer Attacke:                                   Keine ausreichende Evidenz und keine
            Verhaltenstherapie mit einer wirk-                          • Lysin-Acetylsalicylsäure 1000 mg i.v.        Zulassung für die Migränetherapie be-
            samen Pharmakotherapie kombinie-                              oder Sumatriptan 6 mg s.c. + MCP (Me-        stehen für Celecoxib, Ketoprofen, Dex-
            ren, wirken effektiver als Einzelmaß-                         toclopramid) 10 mg i.v.                      ketoprofen, Kombinationspräparate.
            nahmen [11].                                                • Die Gabe von Metoclopramid i.v.                   Vom Gebrauch von Kombinations-
          • Nicht gesicherte Wirksamkeit: Thera-                          vermindert vegetative Begleitsymp-           präparaten (ASS+PCM+Koffein) wird
            piestudien mit Fluoxetin, Venlafaxin,                         tome wie Übelkeit und Erbrechen.             aufgrund von Hinweisen für ein erhöh-

      ■   © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)
Oltrogge, Brockmann, Scherer:
Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
Headache in Family Practice                                                                                                                              311

tes Risiko für Medikamentenüberge-              Dr. med. Jan Hendrik Oltrogge …
brauch-Kopfschmerz abgeraten.
                                                                 … arbeitet seit 2015 als Allgemeinmediziner und wissenschaftli-
     Bei wiederholten schweren oder
                                                                 cher Mitarbeiter am Institut und der Poliklinik für Allgemeinme-
sehr schweren akuten Attacken oder bei
                                                                 dizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Medizin-
Therapieresistenz mit den vorher ge-
                                                                 studium und Promotion an der Georg-August-Universität Göt-
nannten Mitteln:
                                                                 tingen 2009, Facharzt für Allgemeinmedizin 2017.
• Sumatriptan ist am besten untersucht:
  6 mg s.c./20 mg nasal/25 mg rektal
  (schneller Wirkungseintritt) oder
  50–100 mg p.o. (späterer Wirkungsein-
  tritt, dafür länger anhaltend).
• Falls die Monotherapie mit Triptanen      • Vermeidung auslösender Faktoren               • Lidocain nasal ist in Deutschland
  nicht ausreicht (keine Besserung der      • Ausdauersport                                   nicht für diese Indikation zugelassen.
  Schmerzen nach zwei Stunden), kön-        • Entspannungsübungen, Hypnose,                 Zur Prophylaxe ist Lithiumkarbonat ge-
  nen Triptane mit den o.g. NSAR kom-         Biofeedback                                   eignet und in Deutschland zugelassen.
  biniert werden. Triptane wirken besser,   • kognitive Verhaltenstherapie
  je früher sie bei einer Attacke einge-    • Coping-skills-Training                        10. Was ist die Rolle des Hausarztes
  nommen werden. Sie sind aber zu je-       • Anwendung von Akupunktur                      in der Behandlung von
  dem Zeitpunkt bei einer Attacke noch                                                      Kopfschmerzen?
  wirksam [12]. Für Kinder ab 12 Jahren     Sowohl die Scheinakupunktur mit be-
  ist einzig Sumatriptan-Nasenspray 10      liebigen Nadelstichen als auch die ech-         Kann ein Patient bei einer ersten ärzt-
  mg in Deutschland zugelassen.             te Akupunktur sind wirksam. Für die             lichen   Konsultation    sein    Kopf-
Ergotamine haben in der akuten Migräne-     echte Akupunktur werden mittlerweile            schmerzproblem offen darlegen, gibt
attacke aufgrund ihres Nebenwirkungs-       leichte klinische Vorteile gesehen [10].        er nach sechs Wochen häufiger einen
profils und der häufigen Assoziation mit        Medikamentöse Maßnahmen zur                 besseren Umgang mit seiner Sympto-
einem        Medikamentenübergebrauch-      Migräneprophylaxe:                              matik an. Nach einem Jahr kann er
Kopfschmerz keinen Stellenwert mehr.        • 1. Wahl ist Propranolol in steigender         dann mit höherer Wahrscheinlichkeit
     Metamizol ist aufgrund des unkla-        Dosierung (Beginn mit 40 mg p.o.)             berichten, dass die Kopfschmerzen
ren Risikos für schwere Nebenwirkun-          oder Metoprolol in steigender Dosie-          kein Problem mehr darstellen [19].
gen (Agranulozytose) nur als absolute         rung (Beginn mit 50 mg p.o.).                 Hier wird deutlich, dass einer ver-
Reserve anzusehen.                          • 2. Wahl ist Flunarizin (5–10 mg zur           ständnisvollen Begleitung von Patien-
     Opioide sollten nicht zur Therapie       Nacht) oder Amitriptylin (25–75 mg            ten mit Kopfschmerzen durch den
der akuten Migräne verwendet werden.          p.o.).                                        Hausarzt eine große Bedeutung zu-
In Studien zeigten sich keine klinischen    • Wenn eine Behandlung mit anderen              kommt. Wenn nach der häufig ergeb-
Vorteile gegenüber NSAR und Triptanen         Arzneimitteln nicht vertragen wurde           nislosen Diagnostik die Beschwerden
sowie ein höheres Risiko für Rezidivatta-     oder nicht erfolgreich war: Topiramat         weiter bestehen und eine primäre
cken [18].                                    in steigender Dosierung (Beginn mit           Kopfschmerzform vorliegt, ist der
                                              25 mg p.o. bis 100 mg p.o.).                  Hausarzt als „Experte des Niedrigprä-
8. Wann ist eine Migräneprophylaxe          Die medikamentöse Prophylaxe sollte             valenzbereichs“ gefragt. Durch eine
indiziert und welche Therapie-              immer einschleichend vorgenommen                patientenzentrierte Therapie, beru-
optionen stehen zur Verfügung?              werden. Die Wirksamkeit (Reduktion              hend auf nicht-medikamentösen und
                                            der Migränetage ≥ 50 %) kann nach zwei          adäquaten medikamentösen Maßnah-
Eine Anfallsprophylaxe ist indiziert,       Monaten evaluiert werden. Valpro-               men, kann insbesondere dem Risiko
wenn Anfälle häufiger als 6–8 Mal pro       insäure, Timolol und Triptane haben in          für die Entstehung eines Medikamen-
Monat vorkommen und/oder kein An-           Deutschland für die Migräneprophylaxe           tenübergebrauch-Kopfschmerzes vor-
sprechen auf die Akuttherapie oder          keine Zulassung. Valproinsäure sollte           gebeugt werden.
sonstige komplizierende Faktoren vor-       auch aufgrund der teratogenen Wirkung
liegen. Die Einleitung prophylaktischer     nicht angewendet werden.                        Interessenkonflikte: keine angege-
Maßnahmen muss in besonderem Ma-                                                            ben.
ße dem Risiko für die Entwicklung ei-       9. Wie werden Clusterkopf-
nes Medikamentenübergebrauch-Kopf-          schmerzen (aus dem Formenkreis
schmerzes (MOH) bei Patienten mit           der trigeminoautonomen
                                                                                                  Korrespondenzadresse
häufigen Migräneattacken Rechnung           Kopfschmerzen) therapiert?
tragen. Cave: Im Fall der Triptane gilt                                                          Dr. med. Jan Hendrik Oltrogge
für die Entstehung eines MOH bereits        Akute Attacken:                                      Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin
eine Schwelle ≥ zehn Einnahmetagen          • Sauerstoff 100 % 7–12 l/min für 15 Mi-             Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
pro Monat (über drei Monate) [12].            nuten.                                             Martinistraße 52
    Nicht-medikamentöse Maßnahmen           • Mittel der 1. Wahl sind auch Sumatrip-             20246 Hamburg
(eventuell in Kombination mit medika-         tan 6 mg s.c. und Zolmitriptan 5–10                j.oltrogge@uke.de
mentöser Therapie):                           mg nasal.

                                                                                       © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)   ■
Oltrogge, Brockmann, Scherer:
          Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
312       Headache in Family Practice

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                                                                 Ständig aktualisierte Veranstaltungstermine von den
                                                                   „Tagen der Allgemeinmedizin“ finden Sie unter

                                                            www.tag-der-allgemeinmedizin.de

      ■   © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2018; 94 (7-8)
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