Pflanzen-geschichten - alpenverein.de - Deutscher Alpenverein
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Als langjähriger Partner kooperiert die Versicherungskammer Bayern bereits seit 1997 mit dem Deutschen Alpenverein und unterstützt eine Vielzahl von Projekten. Seit 2008 engagiert sich die Versicherungskammer Bayern als Partner im gesamten Bereich Hütten, Wege und Naturschutz des DAV. Infos: www.versicherungskammer-bayern.de Näheres zur UN-Dekade Biologische Vielfalt auf Seite 83 Impressum Herausgeber: Deutscher Alpenverein e.V. Von-Kahr-Str. 2-4 80997 München Tel. 089/140 03 - 0 Fax: 089/140 03 - 23 E-Mail: info@alpenverein.de Internet: www.alpenverein.de Konzeption und Autorin: Annette Saitner | Lektorat: Marion Pufahl | Schlussredaktion: Stefan Witty | Titelfoto (Gletscher-Hahnenfuß, Informationen auf Seite 52): DAV | Zeichnungen: Barbara Steinmetzer | Karte nach H. Ellenberg: Eva Schmidt-Speer | Gestaltung: Gschwendtner & Partner, München | Druck: Kastner & Callwey Medien GmbH, Forstinning | 7. Auflage: 5000 Exemplare, Juni 2016 | Alle Angaben zu den Pflanzengeschichten ohne Gewähr. | Nachdruck, auch auszugsweise nicht ohne vorherige Genehmi- gung durch den Herausgeber.
Vorwort Wer hatte nicht schon einmal den Wunsch, bei der Bergtour die eine oder andere Pflanze zu kennen? Zu verwirrend ist jedoch oft die Blütenpracht der alpinen Matten und Felsen für den interessierten Laien. Und, bis zum nächsten Sommer ist das mühsam bestimmte Pflänzchen wieder vergessen. Genau hier setzen die Pflanzengeschichten an: Denn wenn man weiß, dass das Kriechende Gipskraut früher als Feinwaschmittel, speziell für Wolle, verwendet wurde oder dass der Kleine Wiesenknopf noch heute als nussartiger Salat und als Gewürz für Suppen und Eintöpfe genutzt wird, dann kann man sich die Pflanzen auch leichter merken. Die in diesem Büchlein gesammelten Notizen zu verschiedenen Pflanzenarten sollen daher eine Ergänzung zu den üblichen Bestimmungsbüchern darstellen. Die Auswahl der Informationen erfolgte aufgrund langjähriger Erfahrungen bei vielen Exkursionen mit DAV-Gruppen. Durch aufmerksame Teilnehmer kristallisierten sich bestimmte Interes- sensgebiete heraus. Ihnen sei deshalb an dieser Stelle besonders gedankt. Die Broschüre umfasst nur Arten, die im Alpenraum und im Alpenvorland vorkommen. Sehr seltene Arten wurden ebenso wenig wie Wasserpflanzen und reine Kulturpflanzen aufgeführt. Die Artenliste wurde aus praktischen Erwägungen (Eindeutigkeit) nach dem Alphabet der botanischen Namen geordnet. Wo Informationen grundsätzlich für eine ganze Gattung gelten, wurden diese separat aufgeführt. Die jeweils wichtigsten Hin- weise zu den Pflanzen wurden thematisch geordnet: Besonderheiten des Aussehens, Anpassungen an die Umweltbedingungen, Pflanzensoziologie, Vermehrungs- und Ver- breitungsbiologie, Herkunft der Art, Duft, Namensherkunft, Giftigkeit, medizinische und volksmedizinische Anwendung, Nahrungsbedeutung für Mensch und Tier, Verwendung als Genussmittel, kosmetische Verwendung, handwerkliche und industrielle Verwen- dung, Brauchtum, Sagen, Aberglaube, Zauberkraft und Volksnamen. Ein großer Teil der Alpenpflanzen ist geschützt bzw. im Bestand gefährdet. Die Hinweise auf medizinische Verwendung oder Essbarkeit bedeuten nicht, dass ihr Abpflücken oder gar Ausgraben erlaubt ist. Weil aber in den Bundesländern und den Alpenstaaten die Regelungen unterschiedlich sind, wird in diesem Büchlein nicht darauf eingegangen. So, jetzt brauchen Sie nur noch eines der im Anhang aufgeführten Bestimmungsbücher und schon kann es losgehen. Haben Sie keine Angst vor der Vielfalt unserer alpinen Flora! Versuchen Sie sich auf jeder Bergtour lediglich zwei neue Pflanzen zu merken. Das sind dann bei zehn Touren in der Saison jedes Jahr 20 neue Pflanzen. Probieren Sie es einfach aus! Annette Saitner 2
Acer pseudoplatanus (Berg-Ahorn) A Aceraceae (Ahorngewächse) Maximal 30 bis 40 Meter hoch, wird bis 500 Jahre alt. In der Forstwirtschaft Umtriebszeit 120 bis 140 Jahre. Kennart des Aceri-Fraxinetum (Schluchtwald). Samen sind typische Schrau- benflieger, mit etwa 16 Umdrehungen pro Sekun- de. Blutungssaft des zeitigen Frühjahrs wurde früher zur Zuckergewinnung genutzt. Saft kann auch zu einem most- oder weinähnlichen Ge- Arnica montana tränk vergoren werden. Verwendung des Laubes (Echte Arnika, Bergwohlverleih) als Schaf- und Ziegenfutter und als Streu. Gutes Holz für Tischler- und Drechslerarbeiten (Werk- zeugstiele, Streichinstrumente, Parkettböden, Wirtshaustische…) und zum Schnitzen. Schon die Pfahlbauer der Stein- und Bronzezeit ver- wandten ihn häufig. An Straßen wegen großer Blätter relativ guter Lärmschutz, doch streusalz- empfindlich. So genannte Ahornböden auf Alm- wiesen sind durch Förderung der Art durch den Menschen entstanden. Achillea clavennae (Bittere Schafgarbe, Steinraute) Asteraceae (Korbblütler) Abies alba Enthält wie die meisten Schafgarbe-Arten äthe- (Weiß-Tanne, Edel-Tanne) rische Öle und die Bitterstoffe Achillein und Moschatin. Duftet aromatisch-würzig. Die Älpler Pinaceae (Kieferngewächse) benennen sie, wie andere Alpenblumen auch, Bis 60 Meter (maximal 75 Meter) hoch, wird bis Speik oder Weißer Speik. Wegen ihres bitter- 600 Jahre alt. In der Forstwirtschaft Umtriebs- würzigen Geschmacks wird sie auch Almwermut zeit 90 bis 130 Jahre. Pfahlwurzel/Herzwurzel. genannt. Seltener als die Moschus-Schafgarbe Nadelblätter mit zwei Wachsstreifen auf der Un- wird auch die Steinraute als Heilkraut bei Ma- terseite („Skispur“), dort die Spaltöffnungen: gen-, Darm- und Leberleiden sowie als Wund- besonderer Transpirationsschutz. Nadeln bei kraut verwendet. Steht als Zauberpflanze in gesunden Pflanzen etwa zehn bis zwölf Jahre hohem Ansehen: Die Älpler räuchern damit ihre alt werdend. Die vom Waldsterben am stärk- Almhütten und Ställe aus als Schutz vor den sten betroffene Baumart. Wertvolles Bauholz, Hexen. In manchen Gegenden auch Bestandteil sehr leicht. Der so genannte Grasbesen wurde des Viehschmucks zum Almabtrieb. In den fran- aus drei etwa 1,5 Meter langen Tannenästen ge- zösischen Alpen legt man Kindern die Blätter auf bunden, gut für große Kehrflächen und auch als die Augen, um ihnen einen friedlichen Schlaf Türvorleger. und schöne Träume zu sichern. 3
Achillea moschata Ajuga pyramidalis (Moschus-Schafgarbe) (Pyramiden-Günsel) Asteraceae (Korbblütler) Lamiaceae (Lippenblütler) Gehört zu den Schuttwanderern. Wächst auf Hochblätter im Blütenstand bilden wirksame kalkarmen Standorten und bildet mit der Schutzdächer für die Blüten gegen Regen, ihre Schwarzen Schafgarbe (A. atrata) auf Kalk ein rotviolette Farbe erhöht die Signalwirkung „vikariierendes Artenpaar“. Duftet aromatisch- der hellblauen Blüten. Zottige Behaarung des würzig, enthält Bitterstoffe wie Ivain, Moschatin, Kelches schützt die Blüte vor kleinen, krie- Achillein, Harzsäure und das stark aromatische, chenden Insekten. Nektar ist zusätzlich durch pfefferminzähnliche Ivaöl. In der Volksheilkunde einen steifen, nach oben gerichteten Haarring bei Appetitlosigkeit, Erkrankungen von Magen, gesichert. Früchte mit fleischigen, ölhaltigen An- Darm und Leber, bei Nervenschwäche und äu- hängseln (Elaisomen) werden von Ameisen ver- ßerlich als Wundmittel eingesetzt. Iva, der ro- schleppt, deshalb ungleichmäßiges Auftreten manische Volksname der Pflanze, leitet sich vom in verschiedenen Pflanzengesellschaften. Alte lateinischen Wort abgigere (= abtreiben) her Heilpflanze, als Wundmittel und bei Stoffwech- und deutet auf eine Verwendung als Abortivum. selstörungen. In der Schweiz wird daraus seit mehr als 100 Jah- ren ein Alpen-Kräuterlikör hergestellt („Ivabit- ter“). Weitere Volksnamen sind Jochkamille und Alchemilla vulgaris agg. Frauenraute. (Gemeiner Frauenmantel, Wiesen-Frauenmantel) Aconitum (Eisenhut-Arten) Rosaceae (Rosengewächse) Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse) Sammelart vieler, teils schwer unterscheidbarer Die Gattung Eisenhut gilt als arktische Gattung Kleinarten. Blätter mit Wasser abstoßender aus dem Tertiär, die sich von Sibirien aus über Wachsschicht. Scheidet in den Blattzahnwinkeln Europa, Asien und Amerika ausgebreitet hat, aktiv Wassertropfen aus (Guttation), besonders wobei als Auslöser der pflanzlichen Wanderung in schwülen Nächten, um den Saftstrom in Gang die Eiszeiten gelten. „Kraftblume“: Nur Hum- zu halten. Daher auch der Volksname Tauman- meln können die Oberlippe (Helm) hochdrü- tel. Die Guttationstropfen (das „himmlische cken. Eisenhut-Arten kommen nur im Verbrei- Wasser“) besaßen nach der mittelalterlichen tungsgebiet von Hummeln vor. Eisenhut-Arten Alchimie (botan. Name!) angeblich Wunderkräf- enthalten die Alkaloide Aconitin und Napellin, te, mit ihnen konnte man unedles Metall in Gold ersteres eines der stärksten bekannten Pflan- umwandeln. Wegen der Ähnlichkeit der Blätter zengifte, am meisten in den Wurzelknollen. Es mit einem Frauenmantel wurden sie schon früh wird bereits von der unverletzten Haut aufge- in der Frauenheilkunde verwendet und sind da- nommen und kann bei zarthäutigen Personen für nach wie vor bewährt. Im Mittelalter glaubte zur Nesselbildung führen. Schon wenige Gramm man sogar, dass ein Bad in Frauenmanteltee können für den Menschen tödlich sein. Giftigste verloren gegangene Jungfräulichkeit wieder her- Pflanze Europas. Das Rhizom wurde früher arz- stellen könne. Blätter gerbstoffreich, wirken zu- neilich (gutes Beruhigungsmittel, schmerzlin- sammenziehend. Wundkraut, fördert Heilungs- dernd) und für Pfeil- und Mordgift verwendet. prozesse, harntreibend, bei Darmbluten und Auch wichtig in der Homöopathie als wirksames Durchfall, verwendet als Herztonikum, bei Bin- Mittel bei Erkältungskrankheiten, Neuralgien dehautentzündung, inneren Verletzungen und und Gelenkserkrankungen. bei Akne. Auch als Tee bei Magen- und Darmver- 4
stimmungen. Blätter können auch als Gemüse Androsace chamaejasme und Beigabe für Salate verwendet werden. Auch altes Zauberkraut, das besonders gegen das (Zwerg-Mannsschild) A Verwünschen von Vieh wirksam sein sollte. Bei Primulaceae (Primelgewächse) den Germanen galt er der Göttin Freya geweiht, in Island gilt er noch heute als heilige Pflanze. Ausgesprochen wind- und kälteresistent, kann Das Christentum hat die kultische Bedeutung mit grünen Blättern und ausgebildeten Blü- dieser Pflanze übernommen und auf die Mutter- tenknospen auf schneefrei geblasenen Graten gottes übertragen (Liebfrauenmantel). Temperaturen von minus 38 Grad Celsius und Windstärken von 40 Metern pro Sekunde (= 144 Stundenkilometer) überleben. Nektar wird nur Allium victorialis bei günstigem Wetter abgesondert. Weiße Blü- (Allermannsharnisch, Siegwurz) te mit gelbem Schlund. Die Blüte wechselt nach der Bestäubung die Farbe: Die gelben Saftmale Alliaceae (Zwiebelgewächse) werden karminrot, die weißen Kronenzipfel ver- Blätter und Zwiebel früher als Beigaben zu Sa- färben sich rosenrötlich. lat und Gemüse oder als Gewürz verwendet. Uraltes Zauberkraut, dessen Zwiebel die Trä- Androsace helvetica ger hieb- und stichfest machen und zum Siege führen sollte. Anlass zu diesem Glauben war (Schweizer Mannsschild) wohl, dass die Zwiebel von zahlreichen netzig- Primulaceae (Primelgewächse) faserigen Hüllen umgeben, also „geharnischt“ ist. Soll auch Blut stillen und Frauen die Geburt Der botanische Name stammt von andros erleichtern. Wer die Zwiebel in der Hosentasche (= Mann) und sakos (= Schild), er wurde erst bei sich trägt, braucht die bösen Geister nicht im 16. Jahrhundert von einer Algenart auf die- zu fürchten. Kreuzweise über die Stalltüre ge- se Pflanze übertragen. Eine einzelne Pflanze nagelt, bewahrt sie das Vieh vor Hexen, und erreicht bis 15 Zentimeter Durchmesser und den Kindern in die Wiege gelegt, schützt sie vor ist dann mindestens 50 bis 60 Jahre alt. Schul- dem „Verschreien“. Ein menschenähnlich ge- beispiel für Polsterwuchs bei alpinen Pflanzen: formter Wurzelstock heißt Glücks-Heinzel oder Abgestorbene Blätter im Inneren bilden Humus, Galgenmännchen; wer ihn um den Hals trägt, der schwammartig Wasser aufsaugt. Das tro- ist gefeit gegen alle bösen Einflüsse, hat Glück ckene Polster kann bis zu 160 Prozent seines in der Liebe und im Spiel und bleibt verschont Eigengewichtes an Wasser aufnehmen. Blät- von dem Gift der giftigen Natter. Solche Wurzel- ter klein und behaart als Klimaanpassung. Hat stöcke heißen auch Alraun (echte Alraune von starke Pfahlwurzel, die tief in der Felsspalte Mittelmeerpflanze), noch heute wird so eine verankert ist. Bröckelt Gestein heraus, kann aus Allermannsharnisch-Alraune aus dem Besitz dem aufliegenden, halbkugeligen Polster eine Kaiser Rudolf II. in der Wiener Hofbibliothek auf- vollständige Kugel werden, die an der Pfahlwur- bewahrt. Eine Schweizer Sage erzählt, dass sich zel hängt. Die Verbreitung der Samen erfolgt im Zwerge auf dem Rückzug vor der Zivilisation in Winter durch den Wind, die Pflanze ist Frost- den Wurzelstock des Allermannsharnisch ver- keimer. Endemisch alpin, Nunatakker-Pflanze wandelt haben. (überdauerte die Eiszeiten auf schneefreien Gip- feln – Nunatakker heißen bei den Inuit die aus der Gletscherfläche herausragenden Felsgipfel). 5
Anemone (Anemonen-Arten) Anthyllis vulneraria Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse) (Echter Wundklee) Der Name geht auf die Antike zurück; Plini- Fabaceae (Schmetterlingsblütler) us bringt ihn mit dem griechischen anemos Gehört zu den wichtigsten Rohbodenfestigern, (= Wind) in Verbindung. So zart diese Blumen Pionier auf Erdabrissen und Lawinenanrissen, erblühen, so rasch vergänglich ist ihre Schön- auf Straßenböschungen vielfach angebaut. heit. Dazu Ovid: „Doch kurz nur freust Du Dich Symbiose mit Stickstoff bindenden Bakterien ihrer: Locker haftend und allzu leicht zum Fallen in Wurzelknöllchen. Wird in der Volksmedizin geneigt, wird bald von dem Wind, der den Na- zur Heilung von Wunden und als Hustenmit- men ihr gibt, verweht die Blüte“. Nach der grie- tel benutzt. Verwendet werden die Blüten, die chischen Mythologie sollen Anemonen aus den Tränen der Aphrodite entsprossen sein, als die- Saponine, Gerbstoffe, Schleim und Farbstoffe se den Tod des Adonis beweinte. Alle Arten im enthalten. Der frische Absud wird zum Heilen frischen Zustand durch Protoanemonin schwach von Wunden und schlecht heilenden Geschwü- giftig, deshalb früher für Pfeilgift verwendet. ren bei Mensch und Vieh eingesetzt. Der Ge- Beim Trocknen und Kochen wird das enthaltene brauch als Wundmittel geht vermutlich auf die Gift in das ungefährliche Anemonin umgewan- Signaturenlehre zurück, wonach im Mittelalter delt. Im frischen Futter können Anemonen Ver- vom Aussehen einer Pflanze auf ihre Wirkung giftungen beim Vieh hervorrufen. Im Mittelalter geschlossen wurde (Blütenknospe oft rot über- waren die meisten Anemonen als Heilpflanzen in laufen). Als Tee getrunken, wirkt er leicht abfüh- Gebrauch, später arzneilich als blasenziehendes rend, magenstärkend und blutreinigend, auch in und hautreizendes Mittel. Heute Verwendung Kräuterteemischungen. Ist auch ein altes Zau- des frisch gepressten Safts in der Homöopathie. berkraut, das in die Gruppe der Beruf- oder Be- schreikräuter gehört. Kleinen Kindern legte man es in die Wiege, um sie vor dem „Verschreien“ Antennaria dioica zu schützen (Schreiklee). Der Bekanntheitsgrad (Gemeines Katzenpfötchen) der Pflanze spiegelt sich in ihren vielen Volksna- Asteraceae (Korbblütler) men: Schöpfli, Wollklee, Bärenpratzen, Hasen- klee, Katzenklee, Katzenbratzerl, Muttergottes- Die Blütenkörbchen sind von trockenhäu- Schühlein, Frauenkapperl, Taubenkröpferl usw. tigen, kahlen Hochblättern umhüllt. Bei den männlichen Pflanzen sind sie meist weiß, bei den weiblichen meist rosa. Botanischer Name Aquilegia (Akelei-Arten) kommt vom lateinischen Wort antenna (= Füh- Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse) ler). Die Haarenden der Blütenhaarkronen sind wie die Fühler der Tagfalter keulenförmig ver- Giftverdächtig. Wurzeln, Blüten und Samen wur- dickt. Der Blütenstand ähnelt der Unterseite den im frühen Mittelalter gegen Geschwüre, einer Katzenpfote. Alte Heilpflanze, vor allem Ausschläge und Krebs angewandt, in der Renais- bei Gallenbeschwerden. „Katzenpfötchentee“ sance auch als Aphrodisiakum. Angeblich gutes stammt von einer anderen Pflanze. Auch an Kü- Viehheilkraut gegen das Aufblähen; heilt Fisteln, sten wachsend, dort das „Edelweiß der Dünen“ Grind und Ausschläge. Der Samen sollte gut ge- genannt. gen Gelbsucht sein. Wirkt gegen Verzauberung durch Nestelknüpfen. Die auffallende Blüten- form gab Anlass zu vielen Volksnamen wie Zi- geunerglocken, Teufelsglocken, Kaiserglocken, Narrenkappen und Tintenglocken. 6
Armeria alpina Artemisia (Beifuß-, Wermut- (Alpen-Grasnelke) und Eberrauten-Arten) A Plumbaginaceae (Bleiwurzgewächse) Asteraceae (Korbblütler) Rund 200 Grasnelken-Arten weltweit, davon Fast alle Arten der Gattung enthalten viele Bit- nur zwei in höheren Alpengebieten. Die Alpen- terstoffe und ätherische Öle. Schon in der An- Grasnelke ist in den Alpen selbst entstanden, wo tike als Heil- und Gewürzpflanzen bekannt. Der sie in den Randrefugien der Ost- und Südalpen Name Artemisia soll auf die Göttin Artemis, die (dort noch heute Hauptvorkommen) und ver- Geburtshelferin, zurückgehen. Echter Wermut einzelt auch auf Nunatakkern in den Nordalpen (Artemisia absinthium), wichtiger Bestandteil die Eiszeiten überstanden hat. Dazu befähigte von Absinth, ist in größeren Mengen schädlich. sie ihre ausgeprägte Frosthärte sowie ihre Vor- Alle Artemisia-Arten sind rein weißmagische liebe für steile Südhänge. Fruchtstände sind Kräuter und wurden zum Schutz gegen Blitz und Wintersteher. Blüte strömt einen zarten Cuma- Hagel für Haus und Feld und als Zaubermittel für ringeruch aus. Der Volksname Schwundkraut Rituale verwendet oder in den Schuhen getra- erinnert an Verwendung als Heilpflanze gegen gen. Beifuß galt als Liebeszaubermittel und wur- Lungenschwindsucht. Der in Südtirol gebräuch- de gern als Gürtel getragen, um Freundschaft zu liche Name Schlernhexen bezieht sich wohl auf erlangen. Sollte auch als Räuchermittel gegen ihre im Bergwind raschelnden Fruchtköpfchen. die Mächte der Finsternis sehr wirksam sein. Arnica montana Artemisia umbelliformis (Echte Arnika, Bergwohlverleih) (Echte Edelraute) Asteraceae (Korbblütler) Asteraceae (Korbblütler) Mit zwei bis drei gegenständigen (!), sitzenden Als Schmuck- und Heilkraut begehrt, dadurch Blattpaaren eine Ausnahme unter den Korbblüt- selten geworden und teils ausgerottet. Die Berg- lern. Gelbe Blütenfarbe durch Karotinoide. Seit bauern verwendeten sie als Hausmittel gegen alters her geschätztes Heilmittel. Eine Salbe Fieber, Lungen- und Rippenfellentzündung, als daraus hilft gegen Verstauchungen, Rheuma- magenstärkendes Mittel und zum Würzen von tismus oder zur Wundheilung bei Verletzungen. Likör. Hautreizungen und Allergien sind bei äußer- licher Anwendung nicht selten. Das Vieh meidet die Pflanze, vermutlich wegen ihres Gehaltes an Bitterstoffen. Arnikatee wurde früher bei Herz- beschwerden getrunken, doch Vorsicht bei inne- rer Anwendung: Außer ätherischen Ölen (duften aromatisch, harzig-würzig) ist stark giftiges He- lenalanin enthalten (Herzgift, bei Überdosierung Todesfälle). Auch in Haarwaschmitteln und Ba- dezusätzen. Früher für Räucherungen und Räu- cherkerzen verwendet. 7
Artemisia vulgaris Astrantia major (Gewöhnlicher Beifuß) (Große Sterndolde) Asteraceae (Korbblütler) Apiaceae (Doldenblütler) Alte Heilpflanze: gegen Bronchitis, Steißlagen, Sternförmige Hüllblätter täuschen eine einzige Ermüdung der Füße, menstruationsfördernd. große Blüte vor, was für Doldenblütler ganz Hilfsmittel bei Epilepsie und anderen Krämp- untypisch ist, ebenso dass die kleinen Einzel- fen. Bedeutender Heuschnupfenerreger. Häufig blüten noch einen deutlichen Kelch besitzen. gebrauchtes Küchengewürz mit herbwürzigem Bei einbrechender Dunkelheit krümmen sich Geruch, z.B. für Gänsebraten, fördert die Ver- die Doldenstiele nach unten, so dass der Pollen dauung. Weniger giftig als vorige Art. Ist eines vor Feuchtigkeit geschützt ist. Der Wurzelstock der „Johanniskräuter“ und wird zu Johanni zum früher als „Radix sive nigrae“ offizinell, wird Sonnwendgürtel gegen Zauberei und böse Dä- noch heute in der Volksheilkunde als magen- monen um Bauch oder Hüfte gewunden. Schützt stärkendes Mittel verwendet. Die Almbauern Mensch und Vieh gegen Zaubereien aller Art, mischen ihn als appetitanregendes Mittel unter auch für Liebeszauber. das Viehfutter. Die hübsche Pflanze wurde von Albrecht von Haller (1729) in seinem berühmten Lehrgedicht „Die Alpen“ folgendermaßen be- Astragalus (Tragant-Arten) schrieben: „Dort wirft ein glänzend Blatt, in Fabaceae (Schmetterlingsblütler) Finger ausgekerbt, auf einen hellen Bach den grünen Widerschein; der Blumen zarter Schnee, Die Gattung ist mit 1600 Arten über den größten den matter Purpur färbt, schließt ein gestreifter Teil der nördlichen Halbkugel verbreitet. Minde- Stern in weißen Strahlen ein.“ Der Ähnlichkeit stens zwölf, meist in Vorderasien beheimatete ihrer Blätter mit dem Sanikel verdankt die Art Arten liefern den Tragant-Gummi, der in der In- den Volksnamen Schwarzer Sanikel (nach dem dustrie, vor allem aber in der Medizin verwendet schwarzen Wurzelstock). Weitere Volksnamen wird. Gebrauch als Heilmittel schon im Altertum, sind Sternblume, Stränze, Moister, Rietdolden später bei Arabern bekannt, z.B. bei Augen- und und Holznägeli. Brustleiden. Heute vor allem als Bindemittel für Pillen und Klistiere, aber auch gegen Husten, Nieren- und Blasenleiden verwendet. 8
intensiv gebildet, da die durch Assimilation ge- bildeten Zucker nachts wegen oft zu niedriger Temperaturen von vielen Pflanzen nicht mehr in Stärke umgewandelt werden könnnen, sondern nur noch in diese Farbstoffe. Nicht nur ihr deut- B scher, sondern auch ihr botanischer Name soll an Trauer erinnern: Altmeister Linné benannte die düstere Pflanze zum Gedenken an seinen Freund, den deutschen Kolonialarzt und Natur- forscher Johann Bartsch, der im Alter von 28 Jahren in Surinam/Südamerika dem tropischen Klima zum Opfer fiel. Biscutella laevigata Biscutella laevigata (Brillenschötchen) (Brillenschötchen) Brassicaceae (Kreuzblütler) Die Schote sieht aus wie eine winzige Brille. Der botanische Name kommt vermutlich von den Worten bi (= zwei) und scutum (= Schild) sowie laevis (= glatt). Hat reich entwickeltes Wurzelsy- stem, so besonders auf beweglichem Schutt. Bistorta officinalis (= Polygonum bistorta) (Schlangen-Knöterich) Polygonaceae (Knöterichgewächse) Der botanische Name stammt aus dem Griechi- schen: bistorta von bis (= zweimal ) und torta (= gedreht); hat zweimal gedrehten Wurzelstock. Wegen der schlangenartig gebogenen Rhizome galt die Pflanze als Mittel gegen Schlangenbiss (nach mittelalterlicher Signaturenlehre), wurde Bartsia alpina (Alpenhelm, außerdem gegen Pest und Blutkrankheiten be- Alpen-Trauerblume) nutzt. Das Rhizom wurde früher als Gerbstoff- droge verwendet, auch heute noch volksmedizi- Scrophulariaceae (Rachenblütler) nisch gegen Durchfall und bei Entzündungen der Halbschmarotzer, bildet gleich nach der Keimung Mundschleimhaut eingesetzt. Die jungen Blät- Haustorien (Saugorgane), mit denen sie sich an ter sollen ein ausgezeichnetes Gemüse liefern die Wurzeln benachbarter Pflanzen heftet. Dun- (Salat und Wildspinat). Viele Volksnamen, z.B. kle Färbung des Blütenstands kommt von Antho- Otternzunge, Lämmerzunge, Hammelschwanz, cyanen (blauroten Farbstoffen), die hier sogar in Lampenputzer. Volksglauben: Das Kraut wurde den oberen Laubblättern das Chlorophyll über- den Kühen gereicht, damit die versiegte Milch lagern. Sie werden im Alpenklima besonders wiederkehrt. 9
Bistorta vivipara (= Polygonum viviparum) (Lebendgebärender Knöterich, Knöllchen-Wiesenknöterich) Polygonaceae (Knöterichgewächse) Pseudoviviparie: Besitzt direkt unter dem Blü- tenstand Brutknospen (mit Stärke gefüllte Knöll- chen). Aus den Knöllchen treiben im Sommer kleine Blättchen aus, im Herbst fallen sie als fertige Pflanzen auf den Boden oder werden „zufällig“ über den Kropf von Schneehühnern verbreitet, deren Lieblingsspeise sie sind. Ist eine alte Glazialpflanze, deren Reste in eiszeit- lichen Ablagerungen (den Silberwurz-Tonen) gefunden wurden. Knöllchen wurden in Island zum Brotbacken verwendet. Wird vom Weide- vieh verschmäht. Galt in alten Zeiten als Zauber- pflanze: Wenn die Kühe verhext waren und keine Milch mehr gaben, verfütterten die Sennen die- ses Kraut und die versiegte Milch floss wieder; daher die Namen „Bring ma’s wieder“, „Wieder- kumm“ und „Verloren-Kehrwieder“. 10
Clematis alpina (Alpenrebe, Alpen-Waldrebe) C Calamintha alpina (= Acinos alpinus) (Alpen-Steinquendel) Lamiaceae (Lippenblütler) Ganze Pflanze aromatisch pfefferminzähnlich duftend. Enthält dieselben wirksamen Inhalts- stoffe (hauptsächlich ätherische Öle) wie das verwandte Bohnenkraut, wenn auch in gerin- gerem Ausmaß. Gelegentlich brauchen ihn die Älpler noch zum Würzen von Käse oder in der Volksmedizin als magenstärkendes und nerven- stimulierendes Mittel. Caltha palustris (Sumpf-Dotterblume) Calluna vulgaris Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse) (Heidekraut, Besenheide) Bei Regen sind die Blüten geöffnet und fül- Ericaceae (Heidekrautgewächse) len sich mit Wasser. Staubbeutel und Narben Wird nur zehn bis 15 Jahre alt. Die ledrigen Roll- stehen auf gleicher Höhe wie der Wasserspie- blätter stellen eher eine Anpassung an stick- gel, so dass es zur Selbstbestäubung kommt stoffarme Böden dar als an Trockenheit. Schau- (Regenbestäubung). Aufschlagende Regentrop- wirkung durch gefärbte Kelchblätter, Kronblätter fen schleudern die Samen heraus: Regenballist. unscheinbar. In der Volksmedizin als harntrei- Angaben zur Giftigkeit sind widersprüchlich. Im bendes und blutreinigendes Mittel und bei rheu- Mittelalter als angebliches Mittel gegen Gelb- matischen Erkrankungen verwendet. Ehemals sucht benutzt. Die gelben Blüten wurden früher wichtig zur Herstellung von Besen. Orakelpflan- zum Färben der Butter gebraucht. Die gekochten ze des Winters: Es gibt einen strengen Winter, und in Essig eingelegten Blütenknospen wurden wenn das Heidekraut bis in die Spitzen blüht. als Kapernersatz gegessen. 11
Campanula barbata Capsella bursa-pastoris (Bärtige Glockenblume) (Hirtentäschel) Campanulaceae Brassicaceae (Kreuzblütler) (Glockenblumengewächse) Eines der hartnäckigsten und unangenehmsten Die bis zu fünf Millimeter langen Haare innen an Unkräuter, pro Jahr bis vier Generationen mög- den Lappen der Blumenkrone sind wahrschein- lich, pro Pflanze bis 64 000 Samen. In den Alpen lich zur Abwehr gegen Honig raubende, aufkrie- bis 3000 Meter Höhe. Die Früchte gleichen in der chende Insekten (Ameisen, Ohrwürmer). Die Form einer Tasche, wie sie die Hirten früher tru- Blüte dient als Herberge für kleine Insekten, die gen. Der botanische Name kommt aus dem La- Differenz zur Außentemperatur kann einige Gra- teinischen: capsa (= Tasche), bursa (= Tasche) de betragen. Charakterart der Borstgrasrasen. und pastor (= Hirt). Heilpflanze bei Blutungen, Ein isoliertes Vorkommen in Süd-Norwegen ist Wirkung umstritten. Junge Blätter als Beigabe vermutlich auf die Eiszeiten zurückzuführen. Die zu Salat und Gemüse, Samen als Pfefferersatz. nicht selten vorkommende, rein weißblütige Mu- Aus den Samen wurde ein gut brennendes Öl tante heißt in Kärnten „Mähderkraut“ und gilt gepresst. auf dem Hut der Mähder als Zeichen besonderer Tüchtigkeit. Weitere Volksnamen wie Kuhglocke, Cardamine pratensis Himmelsglöckle und Muttergottesglöckle. (Wiesen-Schaumkraut) Campanula thyrsoides Brassicaceae (Kreuzblütler) (Strauß-Glockenblume) Name: Am Stängel sieht man häufig weiße Schaumklümpchen, in denen die grünen Larven Campanulaceae der Schaumzikade leben. Sie saugen aus der (Glockenblumengewächse) Pflanze Saft, der durch die Atemluft schaumig Zweijährig, einzige gelb blühende Glockenblu- aufgetrieben wird; Schaum wird „Kuckucks- me. Besiedelt gerne die „halbschürigen“ Mäh- speichel“ genannt und das Wiesen-Schaum- der der Kalkalpen, die nur alle zwei Jahre gemäht kraut deshalb auch Kuckucksblume. Kressege- werden und dadurch ihrem zweijährigen Lebens- schmack; enthält Senfölglykoside, Bitterstoffe rhythmus entgegenkommen. Ist eine alttertiäre und Vitamin C. Volksmedizin: Tee gegen Rheuma Art der südeuropäischen Gebirge. Ihre Stand- und andere Schmerzzustände. Junge Blätter und orte auf offenem Boden sowie ihre ungleichmä- Blütensprosse sind roh oder gekocht verwert- ßige Verbreitung lassen sie nicht als Reliktpflan- bar. Belebende Wirkung, regt die Körperdrüsen ze, sondern als Wanderpflanze erkennen. zur erhöhten Produktion an. 12
Carlina acaulis (Silberdistel) Centaurium erythraea Asteraceae (Korbblütler) (Echtes Tausendgüldenkraut) Trockenheitsanpassungen: Dornige Blätter und Gentianaceae (Enziangewächse) tief reichende Pfahlwurzel. Während der Nacht Alte, hoch geschätzte Arzneipflanze (Name: so und bei großer Luftfeuchtigkeit schließen die Hüllblätter zum Schutz der Blüten nach oben, daher die Namen Sonnenblume und Wetterdi- viel wert wie tausend Gulden). Verwendung als Tee gegen Magen-, Leber- und Gallenleiden, C stel. Ein Engel soll Karl dem Großen im Traum bei Appetitlosigkeit, Magersucht und Fieber so- die Silberdistel als wahres Heilmittel gegen die wie zur Blutreinigung. Die Bitterstoffe (bis drei Pest gezeigt haben; in dessen Heer verwendet. Prozent) wirken schon bei Berührung mit der Daher angeblich der Name Carlina bzw. Karls- Mundschleimhaut, indem sie heilende Reflexe blume. Wahrscheinlicher ist die Ableitung des auslösen, danach durch direkte Aufnahme in Namens von Cardulina (= kleine Distel). Das Rhi- den Körper tonisierend und stimulierend auf alle zom enthält ätherisches Öl, besonders das an- Verdauungsvorgänge. tibakterielle Carlinaoxyd. Die Wurzel wurde als Grippemittel, harntreibendes Mittel und gegen Greisenbrand gesammelt, in der Tiermedizin als Cephalanthera damasonium Mast- und Brunstpulver verwendet (Name Eber- (Weißes Waldvöglein) wurz). Die Blütenböden wurden früher ähnlich wie Artischocken gegessen (bei Almhirten Ja- Orchidaceae (Orchideen) gerbrot genannt), schmecken nussähnlich. Ma- Ernährung der zunächst unterirdisch wachsen- gische Wirkung bei Schlangenbissen. Der Name den Pflanze lange Zeit durch den Mykorrhizapilz. Irrwurz stammt von dem Glauben, dass jemand, Etwa im neunten Jahr wird das erste Laubblatt der darauf tritt, sich anschließend verirrt. gebildet, Beginn der Blühreife etwa ab zehntem Jahr. Blüten öffnen sich erst bei Temperaturen Carum carvi (Wiesen-Kümmel) über 25 Grad Celsius weit. Selbstbestäubung. Apiaceae (Doldenblütler) Zweijährig, trittfest. Früchte mit drei bis sieben Cerastium latifolium Prozent ätherischen Ölen, Hauptkomponen- (Breitblättriges Hornkraut) te Carvon. Alte Nutz- und Heilpflanze, schon Caryophyllaceae (Nelkengewächse) in Pfahlbauten gefunden, Anbau vor allem in Holland und Ostdeutschland. Arzneilich als Vereinigt die Eigenschaften von Schuttdeckern, magenstärkendes und krampflösendes Mittel. Schuttwanderern und Schuttüberkriechern: Mit Zum Würzen und zugleich zur Verbesserung der bis zu 80 Zentimeter langer Pfahlwurzel im Ge- Verträglichkeit blähungstreibender Speisen, röll verankert. Von einer unterirdischen Grund- Verwendung zu Brot, Salaten und Suppen. Wur- achse gehen unbewurzelte „Schopftriebe“ und zelrübe und junge Blätter als Gemüse geeignet. bewurzelte „Wandertriebe“ aus und kriechen Auch zur Likör- und Branntweinherstellung ver- durch den Schutt. Oberirdische Teile, die dem wendet. Ausräuchern des Hauses mit Kümmel Schutt aufliegen, können sich noch als „Wan- soll vor Flöhen, Läusen, Wanzen und Ameisen dertriebe“ bewurzeln. Auf Kalkschutt; bildet schützen. zusammen mit dem Einblütigen Hornkraut (C. uniflorum) auf kalkarmem Untergrund ein vikari- ierendes Artenpaar. Deutscher Name: Frucht ist hornförmig, gekrümmte Kapsel. 13
Chenopodium bonus-henricus Cirsium acaule (Guter Heinrich) (Stängellose Kratzdistel) Chenopodiaceae (Gänsefußgewächse) Asteraceae (Korbblütler) Ursprünglich in Wildlägern der Alpen, später als Botanischer Name kommt aus dem Griechi- Kulturfolger in das Flachland in dörfliche Rude- schen: kirsos (= Krampfader; wurde schon im Al- ralgesellschaften eingewandert. Ist durch Ver- tertum dagegen benutzt) und acaule (a = ohne; städterung der Dörfer stark zurückgegangen, kaulos = Stängel). Rote-Liste-Art. Der Name soll entweder an die Legende vom aussätzigen, armen Heinrich er- innern oder stammt von den althochdeutschen Cirsium spinosissimum Wörtern Heimrich, Heim (= Hofstatt) und rich (Alpen-Kratzdistel) (= häufig); gut essbar. Heilpflanze, die als ab- Asteraceae (Korbblütler) führend, blutreinigend und erweichend gilt, enthält Eisen und Vitamin C. Früher arzneilich Heißt übersetzt „Kratzigste aller Kratzdisteln“. gegen Hauterkrankungen verwendet. Die noch Kommt nur in den Alpen vor, sonst in keinem nicht blühenden jungen Pflanzen werden für Hochgebirge. Die bleichen, dornigen, ornamen- Spinat (anderer Name: Wilder Spinat) verwen- talen Hochblätter verstärken die Schauwirkung det. Etwa zwölf Zentimeter lange Triebe werden der Blüten. Sie dienten schon als Vorlagen für wie Spargel zubereitet. Im Balkan stellt man aus mittelalterliche Brokatstickereien und gotische den zerstoßenen Rhizomen ein wie Erdnussbut- Zierrate. Aus jungen Trieben werden Spinat und ter schmeckendes Konfekt her. Frühlingskräutersuppen bereitet, die dicken Wurzeln werden gekocht als Gemüse gegessen. In manchen Alpentälern auch als Schweinefutter Cicerbita alpina gekocht. Gilt als Weideunkraut, nur von Klein- (Alpen-Milchlattich) vieh werden die jungen Blütenköpfe gerne ge- fressen. Distel allgemein gilt in der Symbolspra- Asteraceae (Korbblütler) che der Blumen als Sinnbild der Wehrhaftigkeit. Bei Bergbauern sehr beliebt, weil er angeb- lich die Milchleistung der Kühe steigert, zahl- reiche Volksnamen wie Milchkraut, Milchdistel, Clematis alpina Schmettenwurz (Schmetten = Rahm), Chal- (Alpenrebe, Alpen-Waldrebe) berchernechrut beziehen sich darauf. Wird in Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse) manchen Gegenden der Westschweiz als Tzou- gras eigens zu Futterzwecken gesammelt. Die Die einzige Liane der Alpen, Alpenklima eher Lappen essen die bitter schmeckenden Stängel ungünstig für rankende Lebensformen (Lianen in Rentiermilch gekocht als Gemüse. Als Schma- brauchen hohe Luftfeuchte und Lichtmangel). rotzer gelegentlich mit Unmengen von grünlich schillernden Blattkäfern, die die Blätter bis auf die Blattrippen kahlfressen. 14
Colchicum autumnale Crepis (Pippau-Arten) (Herbst-Zeitlose) Asteraceae (Korbblütler) Colchicaceae (Zeitlosengewächse) Das Wort crepis bedeutet Schuhsohle (Form der Der Pollenschlauch benötigt Monate bis zum Blätter). Pippau kommt aus dem Slawischen (polnisch = pepewa) und galt für das verwandte Eindringen in die Samenanlage, die Befruch- tung erfolgt im Winter, Fruchtreife im Juni/Juli Pfaffenröhrlein/Löwenzahn (Taraxacum offici- nale). C des folgenden Jahres. Stark giftig in allen Teilen, besonders in den Samen und Wurzeln durch das jahrelang beständige Zell- und Kapillargift Crepis aurea (Gold-Pippau) Colchicin. Bereits 20 Milligramm dieses Alkalo- ids bzw. etwa ein bis fünf Gramm Samen sind Asteraceae (Korbblütler) für den Menschen tödlich. Wirkung erst nach Im Köpfchen oft über 100 Einzelblüten. Bei trü- Stunden, Tod nach ein bis zwei Tagen. Arzneilich bem Wetter Köpfchen geschlossen. Die orange- gegen Gicht, Hauterkrankungen, als Abführ- und gelben Blüten werden mit Vorliebe von ähnlich Brechmittel sowie in der Homöopathie verwen- gefärbten Schmetterlingen (Kleiner Fuchs, Du- det. Wirkt stark depressiv. Die Pflanze wird vom katenfalter, Perlmutterfalter) besucht, mögli- Vieh gemieden. Vergiftungen auch über die cherweise aus Tarnungsgründen. In der Schweiz Milch der weniger empfindlichen Schafe und werden die Blüten heute noch gelegentlich zum Ziegen. Colchicin hemmt die Mitose und wird in Färben von Butter und Käse verwendet. der Pflanzenzüchtung zur Erzeugung polyploider Zellen benutzt. Convallaria majalis (Maiglöckchen) Convallariaceae (Maiglöckchengewächse) Auch der botanische Name bezieht sich auf die Blütezeit im Mai: lateinsch majalis (= im Mai). Alle Teile der Pflanze giftig (Digitalis-Glykoside und Saponine), schon einige Beeren können tödlich sein. Die Beeren werden als Wintersteher evtl. entgiftet. Wegen der herzwirksamen Digita- lis-Glykoside alte, noch heute wichtige Arznei- pflanze. Aufgrund des Saponingehaltes waren die getrockneten Blüten Niesreiz erregender Bestandteil des früher beliebten „Schneeberger Schnupftabaks“. Alte Modepflanze der Jahrhun- dertwende. Parfumpflanze. 15
Crocus albiflorus (= vernus) Cypripedium calceolus (Frühlings-Krokus, (Gelber Frauenschuh) Weißer Safran) Orchidaceae (Orchideen) Iridaceae (Schwertliliengewächse) Die Ernährung erfolgt zuerst jahrelang über den Benötigt relativ nährstoffreiche (gedüngte) Wie- Wurzelpilz. Das erste grüne Blatt wird im vierten sen, auch in Lägerfluren. Blätter haben Bohr- Jahr angelegt, die Blühreife erfolgt erst vom 14. spitze aus verdickten Zellen zum Durchstoßen bis zum 17. Jahr an. Blätter durch Längsfalten der Schneedecke. Blüten reagieren schon auf versteift, die das Wasser zum Stängel hin ablei- Temperaturschwankungen von 0,2 Grad Celsius, ten. Oft ausgerottet, z.B. durch Ausgraben. Duf- schließen schon bei größeren vorbeiziehenden tende Blüte mit der Form eines Frauenschuhs. Wolken. Pflanze bildet im Boden kugelige Knol- „Kesselfallenblume“: Insekten, besonders Bie- len, jedes Jahr eine neue, die der alten aufsitzt. nen, dringen durch das Loch an der Labellumba- Der Crocus sativus (Safran) ist seit dem Altertum sis in den Kessel ein oder fallen in den Kessel, Heil-, Gewürz- und Färbepflanze (Narben werden dessen glatte und glänzende Wände (mit Öl- verwendet, enthalten Crocetin, ein Carotino- überzug) einen Ausstieg verhindern. Bietet den id). Färbwirkung noch in einer Verdünnung von unfreiwilligen Gästen eiweiß- und zuckerhaltige 1:100 000. Eines der teuersten Gewürze: Für ein Futterhaare, die sie abweiden. Der einzige Weg Kilogramm benötigt man die Narben von etwa aus der Falle führt über den Geschlechtsappa- 150 000 Blüten. Das typische Aroma entwickelt rat (Gynostenium) hinweg zu einer fensterartig sich nach dem Trocknen. Gut zum Kochen in ge- durchsichtigen Wand, die eine Öffnung vor- ringsten Dosen; in höheren Dosen giftig, bereits täuscht. Auf diese Weise wird zuerst die Narbe fünf bis zehn Gramm führen zu ernsten bis töd- und dann zumindest eine der beiden klebrigen lichen Vergiftungen. Der goldgelben Farbe des Pollenmassen berührt. Zuweilen lauern Raub- Safrans wegen war der Krokus in der christlichen spinnen (z.B. Krabbenspinnen) in den Kesseln Literatur Symbol des Goldes und der höchsten und machen diese dann zur tödlichen Falle. Tugend, der Liebe. Aphrodisiakum. Krokuskrän- ze sollen vor Trunkenheit schützen. Cyclamen purpurascens (Wildes Alpenveilchen) Primulaceae (Primelgewächse) Wohlriechend durch ätherische Öle. Knolle durch Saponine (Cyclamin) stark giftig, für den Menschen sollen schon zehn Gramm tödlich sein. Für Schweine nicht, für Fische jedoch sehr giftig. Die als Topfpflanzen gezogenen Alpenveil- chen gehen auf die Art Cyclamen persicum (z.B. im Kaukasus) zurück. 16
Dryas octopetala (Silberwurz) D Dactylorhiza majalis (Breitblättriges Knabenkraut) Orchidaceae (Orchideen) Knollen sind zusammengedrückt und dreiteilig- handförmig; Name aus dem Griechischen: dac- tylos (= Finger) und rhiza (= Wurzel). Samen- Daucus carota (Wilde Möhre) keimung an spezifischen Wurzelpilz gebunden, Apiaceae (Doldenblütler) im Jugendstadium Pilzparasit. Knollen werden In der Mitte der Blütendolde befindet sich oft als Schleimdroge verwendet, vor allem in der eine durch Anthocyane schwarzrot gefärbte Kinderheilkunde. Im Aberglauben galten die am „Möhrenblüte“: Kontrastfärbung, die Insekten Johannistag ausgegrabenen Knollen („Johannis- zur scheinbaren Blütenmitte lockt. Urform von händchen“) als Glücksbringer. Möhren bzw. Karotten. Die orangerote Färbung stammt von weitgehend auskristallisierten Karo- Daphne mezereum tinen. Alte, schon den Germanen bekannte Kul- turpflanze. Ist reich an Zuckern, Vitamin B und (Gemeiner Seidelbast) C sowie Provitamin A (= Beta-Karotin). Frischer Thymelaeaceae (Seidelbastgewächse) Möhrensaft wird in der Säuglingsernährung, bei Einzige heimische Art mit Blüten direkt am Vitamin A-Mangel und als schwaches Wurmmit- Stängel (bei Tropenpflanzen sehr verbreitet). tel verwendet. Stark duftend. Alle Teile sind giftig, schon we- nige Früchte tödlich. Name Kellerhals vom wür- Dianthus (Nelken-Arten) genden Gefühl bei Vergiftungen. Bei Berührung der frischen Zweige sind Hautreizungen und Caryophyllaceae (Nelkengewächse) blasige Geschwüre möglich. Bachstelzen und Nelken begleiten den Menschen seit alter Zeit. Drosseln sind gegen das giftige Fruchtfleisch Medizinische Anwendung bei Magenverstim- anscheinend immun und speien die Steinkerne mung und Fieber. Nelkenduft wurde für Essig, wieder aus, sie tragen dadurch zur Verbreitung Bier, Wein, Saucen und Salate verwendet, Blü- bei. ten kandiert. 17
Dianthus carthusianorum rührung sind bekannt. Der Wirkstoff wird heute vor allem von der balkanischen Art D. lanata (Karthäuser-Nelke) gewonnen. In der nordischen Mythologie war Caryophyllaceae (Nelkengewächse) der Fingerhut den Elfen zugeordnet. Wenn sie im Mondschein ihren Reigen tanzten, setzten sie Durch Rückgang der Schafweide gefährdet. Duft seine Blüten als Hüte auf. sehr angenehm durch das ätherische Öl Euge- nol, das auch in der Gewürznelke (gehört zu den Myrtengewächsen) vorkommt und im arzneilich Doronicum grandiflorum verwendeten Nelkenöl enthalten ist. (Großblütige Gämswurz) Asteraceae (Korbblütler) Dictamnus albus (Diptam) Gehört zum Typus der Schuttstrecker, die sich Rutaceae (Rautengewächse) durch das lose Material durcharbeiten, ohne Gefährdet durch Ausgraben und Rückgang des ihm jedoch erheblichen Widerstand zu leisten. Niederwaldbetriebes, da die Pflanze offenbar Wächst auf Kalk und bildet zusammen mit der kaum länger als 20 Jahre auf vollschattigem Zottigen Gämswurz (D. clusii) auf Silikatgestei- Waldboden überdauern kann. Zitroniger bis nen ein vikariierendes Artenpaar. Kraut, Wur- zimtartiger Duft (selbe Pflanzenfamilie wie Zi- zelstock und Blüten enthalten einen Süßstoff, trusfrüchte), enthält sehr viele ätherische Öle. weshalb die Pflanze gern von Gämsen, Hirschen Die Ausdünstung ist so stark, dass man die und Ziegen gefressen wird (Volksnamen: Hirsch- Duftwolke gelegentlich mit dem Streichholz an- wurzen, Zigerchrut). Die Sennen verwenden das zünden kann; die Pflanze nimmt dabei keinen Kraut zum Würzen des Kräuterkäses. Da die Schaden. Brennender Busch der Bibel. Früher Pflanze von Gämsen so gerne gefressen wird arzneilich verwendet (Magenmittel). und diese schwindelfrei sind, erhofften sich zu- mindest Gämsjäger, Wilderer und Dachdecker vom Verzehr der Wurzel Schwindelfreiheit. Sie Digitalis purpurea sollte darüber hinaus sogar noch kugelsicher (Roter Fingerhut) machen, wenn sie an einem Freitag bei Neu- mond und vor Sonnenaufgang gegraben würde. Scrophulariaceae (Rachenblütler) Als Mittel gegen Schlaflosigkeit müsse sie bei Zweijährig. Die dunklen, hell umrandeten Fle- zunehmendem, gegen Schlafsucht bei abneh- cken auf der Blütenunterseite sind wohl Staub- mendem Mond gegraben werden. beutelattrappen, die Hummeln anlocken. Der botanische Name stammt aus dem Lateinischen: Draba aizoides digitale (= Fingerhut). Unangenehmer Geruch und stark bitter schmeckend. Wurde erst spät (Immergrünes Felsenblümchen) als offizinell erkannt. Die Entdeckung der Digi- Brassicaceae (Kreuzblütler) talis-Glykoside als Herzmittel für die moderne Medizin ist dem englischen Arzt William Withe- Gehört zum Grundstock der nivalen Flora und ist ring (1741–1799) zu verdanken, der als Arzt im an extreme Standorte ausgezeichnet angepasst: Allgemeinen Krankenhaus Birmingham diese immergrüne, ledrige Blätter; die im Herbst vor- Pflanze zehn Jahre eingehend prüfte und seine gebildeten Blüten können auch ohne Schnee- Ergebnisse dann 1786 veröffentlichte. Vergif- schutz überwintern; bei schlechtem Wetter tungen durch Überdosierung nicht selten, schon Selbstbestäubung möglich; Früchte reifen erst 0,3 Gramm getrocknete Blätter sind für Erwach- im Winter nach (Wintersteher). sene giftig. Sogar Vergiftungen durch bloße Be- 18
Drosera (Sonnentau-Arten) Dryas octopetala (Silberwurz) Droseraceae (Sonnentaugewächse) Rosaceae (Rosengewächse) „Fleischfressende“ (karnivore) Pflanzen. Der Der markanteste Typus eines „Spalierstrau- Tierfang dient vor allem der zusätzlichen Ge- ches“. Kann bis 100 Jahre alt werden, Jahresringe winnung von Stickstoffverbindungen auf nähr- oft nur 0,1 Millimeter breit. Weißfilzige Behaa- salzarmen Böden. Die Fangblätter sind am Rand rung der Blattunterseite als Transpirationsschutz mit langgestielten, durch Eiweißstoffe reizbaren für die außerdem nach innen verlagerten Spalt- Drüsenzotten (Tentakeln) besetzt. Diese schei- den an der Spitze einen zähflüssigen, glän- öffnungen. Trieb- und Blütenknospen werden schon in der vorhergehenden Vegetationspe- D zenden (Name Sonnentau!), duftenden Tropfen riode angelegt. Hat Wurzelknöllchen mit Luft- ab, der unter anderem Eiweiß spaltende Enzyme stickstoff bindenden Actinomyceten und einen und Ameisensäure enthält. In der Blattmitte be- symbiotischen Wurzelpilz, der bei der Wasser- finden sich kurzstielige Verdauungsdrüsen. Win- aufnahme hilft. Oft ausgezeichnet fossil erhal- zige Insekten, z.B. kleine Mücken, werden vom ten; Blüten, Früchtchen und Pollen haben in Fangschleim festgehalten. Die gereizten Tenta- eiszeitlichen Tonablagerungen zigtausende von keln neigen sich zur Blattmitte hin und das Blatt Jahren überstanden. War mit Ausklingen der Eis- beginnt sich einzukrümmen. Nach mehreren Ta- zeit über ganz Deutschland verbreitet (Nachweis gen ist die Verdauung beendet und die Blätter über Pollenanalysen), danach wurde diese Zeit krümmen sich zurück. Nur der Chitinpanzer wird Dryas-Zeit (Silberwurzzeit) genannt. Bildet heu- nicht verdaut. Die Gattung hat ihre Hauptver- te z.B. in Nordschweden zusammen mit Moosen breitung in Südost-Australien, wo sogar halb- und Flechten die Hauptvegetation der Tundra. strauchig kletternde Arten vorkommen. Wird Oft mit den Flüssen herabgeschwemmt. Wurde arzneilich als Bestandteil von Hustenmitteln im 16. Jahrhundert Chamaedrys genannt, bedeu- verwendet, wobei der Bedarf vor allem durch Im- tet Zwergeiche; von den griechischen Worten porte gedeckt wird. In der Volksmedizin als Saft chamei (= zwergartig) und drys (= Eiche); die gegen Warzen, Asthma und als Aphrodisiakum Blättchen sind am Rand eichenähnlich einge- für Haustiere („Bullenkraut“) angewandt. kerbt. Carl von Linné gab ihr im 19. Jahrhundert den Gattungsnamen Dryas; lateinisch octopeta- la (= achtblättrig; meistens acht weiße Blüten- blätter). Hilft laut Kräuterpfarrer Künzle gegen Schlaganfall. 19
europa (dort nördliche Stammart mit größeren und aromatisch schmeckenden Beeren) in Men- gen verzehrt, besonders nach Frost. Die Lappen lassen sie in Milch einfrieren als Vorrat für den Winter, die Inuit essen sie als Delikatesse ver- mischt mit breiartig zerschlagener Dorschle- ber, in Island bewahrt man sie in saurer Milch auf oder trinkt den Fruchtsaft und auf Grönland verzehrt man sie mit Seehundspeck vermengt. In Norwegen bereitete man im Mittelalter Wein daraus. Equisetum (Schachtelhalm-Arten) Equisetaceae (Schachtelhalmgewächse) Der Name Schachtelhalm rührt daher, dass man die Sprossachse aus der von den Blättern gebil- deten Scheide herausziehen und wieder zurück- stecken kann. Rhizome werden bis sechs Meter Euphrasia (Augentrost-Arten) lang. Vermehrung durch Ausläufer und sogar durch einzelne, zerhackte Sprossstücke. Pflanze enthält bis zu sieben Prozent Kieselsäure. Arz- Empetrum nigrum neilich werden die unfruchtbaren Sommerwe- del des Acker-Schachtelhalms (E. arvense) als (Schwarze Krähenbeere) harntreibendes Mittel verwendet, bei Rheuma, Empetreaceae (Krähenbeerengewächse) Entzündungen, Nierenleiden, Harngrieß; früher auch bei TBC. Nach Kneipp sehr zusammenzie- Wird über 80 Jahre alt. Blattrand umgerollt, so hende Kraft, reinigt Blut, Magen, Nieren und dass die unterseitigen Spaltöffnungen nur durch Blase, auch äußerlich reinigend und zusammen- einen schmalen Spalt mit der Außenluft in Ver- ziehend bei Ausschlag und Wunden. Der alte bindung stehen. Dies ist wohl eher eine Anpas- Volksname Zinnkraut bzw. Scheuerkraut weist sung an Mineralsalzarmut des Bodens (wegen auf seine frühere Verwendung zum Scheuern beschränkter osmotischer Variabilität?) als an von Pfannen hin. Trockenheit. Legt Blüten schon im Spätsommer für das kommende Jahr an. Der Name bezieht sich auf die Verdauungsverbreitung durch Krä- Erigeron (Berufkraut) hen und andere Vögel. Früchte schmecken säu- Asteraceae (Korbblütler) erlich bitter und wirken wegen ihres Gehaltes an Andrometoxin leicht berauschend und Schwin- Der deutsche Name kommt von berufen (= be- del erregend, Pflanze wird auch Rauschbeere schreien). Der Name verweist auf die Vorstel- genannt. In der Volksmedizin wurden Beeren lung, die Pflanze würde gegen das „Berufen“ wegen ihres hohen Gehaltes an Vitamin C gegen durch Hexen und Zauberer schützen. Dort wo Skorbut und dank ihres Gerbstoffgehaltes gegen man Krankheiten als Folge der Berufung seitens Durchfall verwendet. Die Früchte sind roh und böser Leute annahm, wurden Waschungen oder gekocht essbar und werden vor allem in Nord- Räucherungen mit so genannten Berufkräutern 20
oder Berufskräutern vorgenommen, unter de- Euphorbia (Wolfsmilch-Arten) nen auch die Gattung Erigeron gebräuchlich war. Besonders kleinen Kindern legte man es in Euphorbiaceae (Wolfsmilchgewächse) die Wiege, es sollte aber auch vor Wetterschä- Gattung umfasst weltweit etwa 2000 Arten, den bewahren und das Vieh vor Hexen schützen. auch kakteenähnliche. Alle Wolfsmilch-Arten Dazu mischte man es unter das Futter, gab es in enthalten Milchsaft, der unter Druck steht und das Trinkwasser oder steckte es in die Stalltür. bei Verletzung sofort austritt, Funktion: Wund- Der botanische Name stammt aus dem Griechi- verschluss und Fraßschutz. Die meisten Arten schen: eri (= früh) und geron (= Greis). Er be- durch hautreizende Diterpenester im Milchsaft zieht sich auf die bald nach der Blüte erschei- stark, eventuell sogar tödlich giftig. Werden vom nenden weißen Haare der Früchte. Vieh gemieden, doch sind Vergiftungen durch Eritrichium nanum Heu möglich. Der Milchsaft wird gelegentlich als Mittel gegen Warzen verwendet, doch sollte man E wegen der Giftigkeit davon unbedingt Abstand (Himmelsherold) nehmen, zumal eine entsprechende Wirkung oh- Boraginaceae (Raublattgewächse) nehin umstritten ist. Blüten mit feinem, primelähnlichem Duft. Selten, zwischen 2500 und 3390 Metern auf kalkarmem Euphorbia cyparissias Gestein. In Europa einzige Art der Gattung, Ur- (Zypressen-Wolfsmilch) sprung wohl in Asien. Das lückige Vorkommen in den Alpen lässt darauf schließen, dass die Art Euphorbiaceae (Wolfsmilchgewächse) das Gebiet schon vor den letzten Eiszeiten be- Oft missgebildet (mit kleinen ovalen statt line- siedelte und diese auf den eisfreien Gipfeln als alen Blättern) durch Infektion mit dem Erbsen- Nunatakkerpflanze überdauert hat. Ausgespro- rostpilz (Uromyces pisi). chen hochalpine Nivalpflanze: Hat Pfahlwurzel und Polsterwuchs, zottiger Haarmantel schützt vor Verdunstung. Wird bis 30 Jahre alt. Euphrasia (Augentrost-Arten) Scrophulariaceae (Rachenblütler) Eryngium alpinum Halbschmarotzer, der mit Hilfe von Saugwurzeln dem Xylem der Wirtswurzeln Wasser und Nähr- (Alpen-Mannstreu) salze entzieht. Können im Gegensatz zu anderen Apiaceae (Doldenblütler) Halbschmarotzern auch leben ohne zu parasitie- ren. Samen keimen nur im chemischen Einfluss- Doldengewächs im Gewand einer Distel. Schö- bereich des Wirts. Kann bei Massenauftreten nes Beispiel für extrafloralen Schauapparat: den Weideertrag und damit die Milchleistung amethystfarbene Hochblätter. Dornige Blüten- beträchtlich mindern, hat deshalb auch Volks- hülle schließt sich bei Nässe und Dunkelheit namen wie Woaddieb und Millidiab. Der bota- und wehrt Schnecken, Raupen und das Weide- nische Name kommt vom griechischen Wort eu- vieh ab. Der Gattungsname Mannstreu soll von phrosie (= Freude, Frohsinn). Abkochungen des der Verwendung des nahe verwandten Feld- Krautes werden in der Volksmedizin bei Augen- Mannstreu (E. campestre) als Aphrodisiakum leiden angewandt. Der Gebrauch geht auf die und Liebeszauberwurzel herrühren. mittelalterliche Signaturenlehre zurück (die Blü- ten ähneln Augen und Wimpern). Da tatsächlich eine gewisse entzündungshemmende Wirkung vorliegt, war die Augenähnlichkeit vermutlich Merkhilfe für die Verwendung. 21
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