Politik für alle! - Magazin vom Martinsclub - Wer was bewegen will, muss sich bewegen
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m unterwegs Foto: Catrin Frerichs Das m ist ja eigentlich immer gern unterwegs. Wegen Corona ist es aber viel weniger auf Reisen gegangen. Genau wie wir. Wie gut, wenn es schöne Orte ganz in der Nähe gibt. So, wie diesen Campingplatz an der Weser. Mit einer Tasse Kaffee und dem m in der Sonne sitzen – herrlich. Titelfoto: Frank Scheffka
moin! Liebe Leserinnen, liebe Leser! Früher war der Ausweis für Schwerbehinderte so groß wie eine Postkarte. Er sah aus wie ein grauer Lappen, ähnlich wie der alte Führerschein. Wenn man ihn herausholte, wusste jeder gleich: Da ist jemand behindert. Der Ausweis hat heute die Größe einer Scheckkarte. Das verdanken wir einer Gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung – aus Bremen. Etwas ändern – das können die Menschen in Deutschland auch bei der Bundestagswahl. Im September wählen sie die neue Regierung. Wählen zu gehen, ist wichtig, um mitzubestimmen. Etwas bewirken kann man aber auch in seiner Stadt oder seinem Wohnviertel. Unser Titelthema handelt von Menschen mit Beeinträchtigung, die etwas bewegen wollen. Dafür werden sie selbst aktiv, obwohl die Corona-Pande- mie vieles erschwert. Sie gehen auf die Straße und fordern ihr Recht auf Teilhabe. Sie schreiben Blogs über Menschen mit Downsyndrom im Inter- net. Sie setzen sich ein in politischen Parteien, im Werkstattrat oder beim Behindertenparlament. Die Beispiele zeigen: Wer gesehen wird, gehört dazu. Demokratie darf niemanden ausschließen. Überhaupt geht es in der aktuellen m-Ausgabe viel um das Miteinander. Wir stellen einen Ehrenamtlichen vor, der mit Bewohnern des Martinsclub Fußball spielt. In Vegesack ist in den vergangenen Monaten das größte Puzzle Deutsch- lands entstanden. 112 Menschen mit und ohne Behinderung haben mitge- macht. Das fertige Puzzle ist 2 mal 7 Meter groß. Die Aktion hat einen Preis bekommen: den Bremer Förderpreis „Ideen gegen Corona“. In Gröpelingen waren wir zu Besuch in einer besonderen Gärtnerei. Wo heu- te Blumen, Obst und Gemüse wachsen, war früher das Jugendgefängnis. Heute arbeiten im Blocklandgarten Menschen, die schon lange arbeitslos sind. Hier sollen sie den Weg zurück in einen festen Beruf finden. Damit trotz Corona keine Langeweile aufkommt, gibt es noch ein paar Hör- tipps. Welche Podcasts hören Sie am liebsten? Das hat die m-Reaktion bei einer Umfrage herausgefunden. Einen entspannten Sommer und viel Spaß beim Lesen wünscht Ihre m-Redaktion 1
In dieser Ausgabe 4 22 Politik für alle! Erde und Tschüss! Wer was bewegen will, Ein inklusives Filmabenteuer muss sich bewegen kommt auf die Kinoleinwand 12 23 „Gesehen zu werden, Mittendrin: Mit der Kamera den ist ganz wichtig“ Hafen entdecken Arne Frankenstein Fotoprojekt in der Übersee- über politische Teilhabe stadt endet mit einer für Menschen mit Ausstellung Beeinträchtigung 14 26 Gärtnern hinter Gittern Ein Herz, das Kraft schenkt Im Blocklandgarten werden Eine Bremerin näht Kissen arbeitslose Menschen für für Frauen, die an den Beruf fit gemacht. Die Brustkrebs erkrankt sind durchblicker fragten nach 18 28 Gemeinsam anpacken und „Man gewinnt und verliert ein tolles Fest feiern zusammen“ Beim Alle Inklusive Festival Bryana Newbern ist haben die Eventmacher ihre eine leidenschaftliche Finger im Spiel Handballerin 2
31 42 Puzzeln gegen die Pandemie Wissensdurst löschen! In Vegesack ist eine Gemein- Fortbildungen und Tagungen schaftsaktion gegen den vom m|colleg Corona-Frust entstanden 34 44 Mit ganzer Kraft Bereit zum Anpfiff Ein Film über die besondere Timo Leib engagiert Beziehung zwischen Vater sich ehrenamtlich beim und Sohn. duchblicker Martinsclub Frank-Daniel Nickolaus hat ihn angeschaut 36 47 Siehst du noch oder Demokratie braucht Inklusion hörst du schon? Ein Kommentar von Lieblingspodcasts Jürgen Dusel, Bundes- im Überblick behindertenbeauftragter 40 48 Experten mit Herz Autoren der Ausgabe Bestnoten für den Welches Buch ist eine gute Pflegedienst m|c Sommerlektüre? 3
Titelthema Lisa Peyer kennt sich mit Politik gut aus. Sie arbeitet bei der Landes- zentrale für Politische Bildung in Bremen. „Seit 2007 bin ich bei den durchblickern und schreibe für das m-Magazin. Ich engagiere mich für soziale und politische Themen. Wir Menschen mit haben die Polizei interviewt und waren bei der Beeinträchtigungen Union Brauerei. Ich kann aussuchen, über was protestieren auf dem Bremer Marktplatz. wir schreiben. Ich finde es wichtig, Journalisten Sie wollen für ihre Rechte und Barriere- und Interviewten eine Stimme zu geben.“ freiheit eintreten. Michael Peuser, durchblicker-Redaktion 4
Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Scheffka, Frank Pusch, Picture Alliance / empics Politik für alle! Wer was bewegen will, muss sich bewegen Etwas bewirken kann jeder, am besten mit an- Also organisierte das Kind einen Spendenlauf für deren zusammen. Egal wie alt man ist. Egal, MS-Kranke. Von ihrem Zuhause aus lief Rowan welche Beeinträchtigung man hat. Denn die Ge- bis zum Wohnhaus ihres Opas. Zu Fuß. Ihr Opa sellschaft zu gestalten, bedeutet mehr, als nur lebt im 32 Kilometer entfernten Ort Belsay. Für wählen zu gehen. „Nur wer gesehen wird, ge- Rowan war das eine Herausforderung, denn sie hört dazu.“ Das sagt die Schauspielerin Carina hat das Downsyndrom. „So weit ist sie noch nie Kühne, die das Downsyndrom hat. m will von gelaufen“, sagt ihr Vater Seth Ridley. Rowan teilte ihr und anderen Menschen erzählen, die etwas sich die Strecke in mehrere kürzere Etappen ein. bewegen. Im Großen und im Kleinen. Die lokale Tageszeitung berichtete über ihre Rowan Ridley ist 10 Jahre alt. Sie lebt in der nord- Idee. Aber nicht nur sie. Weitere 50 Zeitungen in englischen Küstenstadt Whitley Bay. Ihr Groß- England und ganz Europa schrieben Artikel. Auf vater Parky ist krank. Er hat MS. Die Abkürzung Facebook zeigt ihr Vater Bilder vom Spenden- steht für Multiple Sklerose. Manchmal hat der lauf. Zu sehen ist ein Mädchen mit gelbem Re- 82-Jährige Schmerzen und muss im Rollstuhl genmantel und Bärenmütze. Es blickt stolz in sitzen. Rowan vermisste ihren Opa, den sie wegen die Kamera, hinter ihm das weite Meer. Auf dem der Corona-Pandemie nicht sehen konnte. Aber letzten Wegstück überquerte Rowan 5 Flüsse. sie wollte etwas tun. Dann hatte sie es geschafft. Die Spendensumme liegt mittlerweile bei 3.200 Euro. Das ist weit mehr, als Rowan sich erhofft hat. Das Geld kommt einer Hilfsorganisation für „Wir gehören alle in die Mitte der MS-Kranke zugute. Was Rowan Ridley erreicht hat, erfordert Mut und Entschlossenheit. Es Gesellschaft, nicht an den Rand. zeigt auch: Man kann etwas bewegen. Das hat Ich bin beim Protesttag, weil nichts mit dem Alter oder irgendwelchen Beein- ich mich für unsere Rechte stark trächtigungen zu tun. ¢ machen will.“ Vanessa Giesenberg, Sprecherin der Athleten bei den Special Olympics Bremen Die 10-jährige Rowan Ridley bei einer Spazierfahrt mit ihrem Opa. Das Mädchen hat einen Spendenlauf für den MS-Kranken organisiert. 5
Titelthema Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Pusch, Frank Scheffka ¢ Schwer in Ordnung damaligen Behindertenbeauftragten in Berlin. Detlef Erasmy ist 63 Jahre alt. Der Bremer ist Das war 2008. Es dauerte noch weitere 5 Jahre, Sprecher einer Vereinigung für Menschen mit bis der neue Ausweis gültig war. Erst 2013 war geistiger Behinderung. Sie gehört zur Lebenshilfe deutschlandweit alles für den Umtausch der Aus- Bremen e. V. und heißt WIR. Das steht für „Wir sind weise organisiert. Inzwischen gibt es seit 6 Jahren die Aktiven und reden mit“. Die Aktiven haben viel nur noch den kleinen Schwerbehindertenaus- erreicht. Nämlich, dass der Schwerbehinderten- weis. Er wird auch „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ ausweis heute das Format einer EC-Karte hat. genannt. Seit 46 Jahren trägt Erasmy den Ausweis bei Schwer in Ordnung fand man die Aktion auch im sich. „Der alte Ausweis war so groß wie eine Bremer Rathaus. Im April 2014 bekamen Erasmy Postkarte“, erinnert er sich. Ein grauer Lappen, und Giesa dort die Bundesverdienstmedaille so ähnlich wie der alte Führerschein. Der alte überreicht. Die Auszeichnung verleiht die Bun- Ausweis war nicht nur unhandlich und passte in desrepublik Deutschland für besondere Leistun- keine Brieftasche. Er war auch auffällig, findet gen. Mit der Kutsche wurden die beiden vor dem Erasmy. Wenn man ihn irgendwo zeigen musste, Rathaus abgeholt. Dann ging es quer durch die wusste jeder: Der ist behindert. Stadt in ein Café im Bürgerpark. „Wir haben etwas für ganz Deutschland erreicht“, sagt Erasmy. Viele Ausweise bekamen ein neues, handliches Format. So wie der Führerschein und auch der Personalausweis. „Warum kann der Schwerbe- hindertenausweis nicht kleiner sein?“, fragte sich „Ich bin interessiert daran, Erasmy. Er rief beim Bremer Versorgungsamt an und bekam als Antwort: Geht nicht. Das wollten mitzubestimmen. Wir haben gezeigt: Erasmy und WIR-Mitglied Achim Giesa nicht hin- Wir können etwas durchsetzen.“ nehmen. 8 Jahre dauerte ihr Kampf um den klei- Detlef Erasmy, Sprecher von WIR. nen Ausweis. Sie sammelten 20.000 Unterschrif- Der Verein „Wir sind die Aktiven und reden mit“ ten in ganz Deutschland. Die überreichten sie der gehört zur Lebenshilfe Bremen. Klaus Lormes hat einen Aufkleber auf seinen Ausweis geklebt. „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ steht dort jetzt. Er und Detlef Erasmy setzen sich für ihre Rechte ein. 6
„Sich zeigen, an die Öffentlichkeit gehen: Wenn behinderte Menschen erlebbar sind, nimmt die Angst vor ihnen ab. Aus nicht kennen wird kennen.“ Bettina Fenzel, Teilnehmerin am Bremer Protesttag Für Erasmy und die Mitglieder von WIR geht es weiter. Sie wollen durchsetzen, dass Bus und Bahn in Bremen kostenlos werden. Und zwar für alle, die einen Schwerbehindertenausweis ha- ben. Viele von ihnen müssen nämlich einen Teil der Fahrtkosten bezahlen. Die Stimme erheben Klaus Lormes ist ebenfalls Mitglied bei WIR. Er findet es wichtig, dass behinderte Menschen auf ihre Rechte aufmerksam machen. Das passiert jedes Jahr am 5. Mai auf dem Bremer Markt- platz. Denn dann ist in Europa der Protesttag ge- gen Diskriminierung behinderter Menschen. Regen und Sturm waren angesagt – trotzdem sind 70 Menschen gekommen. Sie haben Reden Protesttag für die Rechte von gehalten und Plakate getragen. Klaus Lormes Menschen mit Behinderung war Ordner. Das heißt, er hat geguckt, ob sich alle an die Regeln halten. Wegen Corona. Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ist ein Aktions- Natürlich war die Pandemie ein wichtiges The- tag. Er wurde 1992 eingeführt. Das Ziel: ma an diesem Tag. Sie verhindert oder er- gesetzliche Grundlagen gegen die Diskriminie- schwert, dass behinderte Menschen teilhaben rung behinderter Menschen zu schaffen. Alle können. „Es muss sich ändern, damit wir nicht Menschen europaweit sollen gleichgestellt ständig diskriminiert werden wegen Corona. sein. Das Datum 5. Mai hat eine besondere Teilhabe ist ein Menschenrecht“, sagte etwa Bedeutung. An diesem Tag findet der Europatag Bettina Fenzel. Die Bremerin engagiert sich in des Europarates statt. In Bremen organisiert der Partei „Die Linke“. In ihrer Rede forderte sie der Arbeitskreis Bremer Protest den Tag. vor allem Veränderungen im Gesundheitswe- Das ist ein Bündnis von behinderten und sen. Mehr Gerechtigkeit. „Die wenigsten Men- nichtbehinderten Menschen. Mit dabei sind schen kommen behindert auf die Welt. Im Laufe auch Organisationen von und für behinderte des Lebens werden viele Beeinträchtigungen Menschen. erworben“, betonte sie. Etwa durch Unfälle, Krankheiten, Behandlungsfehler oder überar- Mehr dazu unter: beitetes Personal in Krankenhäusern. ¢ www.lags-bremen.de 7
Titelthema Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Scheffka, Georg Kliebhan, Conny Wenk ¢ Für alle sichtbar Eltern von Kindern mit Trisomie 21, also Down- Protestieren, die Stimme erheben, etwas for- syndrom, bedankten sich bei ihr. Sie bekam An- dern – all das bedeutet Mitgestalten. fragen, an Talkshows im Fernsehen teilzuneh- men. Sie sollte Vorträge zum Thema Inklusion an Kann das wirklich jeder? So sollte es sein, sagt Hochschulen halten. Und Kühne wurde zu Dis- die Schauspielerin Carina Kühne. Die 36-Jähri- kussionen eingeladen. „Alles Gelegenheiten, ge hat ebenfalls das Downsyndrom. Für ihre mich für Menschen mit Downsyndrom und ihr Hauptrolle im Film „Be my Baby“ hat sie 6 Preise Lebensrecht einzusetzen.“ bekommen. Im Film spielt sie eine selbstbe- wusste Frau mit Behinderung. Auch im wahren Leben setzt Kühne sich ein. Sie betreibt einen Blog im Internet. „Ich würde mir wünschen, dass unsere Angefangen hat alles mit einem Schreibwettbe- Meinung mehr gefragt wird. Es sollte werb. Dazu hatte der Bundesverband für kör- nicht über uns, sondern mit uns per- und mehrfachbehinderte Menschen aufge- rufen. Auch die Aktion Mensch ist beteiligt gesprochen und entschieden werden.“ gewesen. Carina Kühne schrieb ihre Lebensge- Carina Kühne, Schauspielerin und Bloggerin schichte auf und gewann dafür einen Preis. „Da- nach fragte mich Aktion Mensch, ob ich einen Blog schreiben möchte.“ Zunächst hatte sie Zweifel, ob sich jemand dafür interessieren wür- de. „Es war einfach überwältigend, wie viele Rückmeldungen ich bekommen habe.“ Carina Kühne ist Schauspielerin und Aktivistin. Für ihre Filmrollen hat sie viele Preise bekommen. Wie die beiden Biber beim Filmfest in Biberach. Die 36-Jährige schreibt in ihrem Blog über das Downsyndrom. 8
In ihrem Blog schreibt Kühne, dass die Filmwelt Gemeinsam entscheiden die Gesellschaft widerspiegelt. „Nur wer gese- Kühne beschäftigte sich auch mit einem Bluttest hen wird, gehört dazu“, sagt sie. Ihr Wunsch: bei Schwangeren. Der Preana-Test ermittelt, ob mehr Filme und Theaterstücke, in denen Inklu- das ungeborene Baby eine Trisomie hat. Den sion selbstverständlich ist. Das lässt sich auf Test müssen werdende Eltern selbst zahlen. Vor alle anderen Bereiche des Lebens übertragen. 2 Jahren sollte das geändert werden. Die Kran- „Gerade in der Politik ist das wichtig. Dort wird kenkassen sollten den Test stattdessen bezah- über unser Leben entschieden. Ich würde mir len. Kühne kritisierte diese Auslese. „Der Test wünschen, dass unsere Meinung mehr gefragt hat keinerlei medizinische Notwendigkeit“, sagt wird. Es sollte nicht über uns, sondern mit uns sie. Sie hat dagegen demonstriert und an ver- gesprochen und entschieden werden.“ schiedenen Diskussionen teilgenommen. Auch im Bundestag wurde darüber gesprochen. Küh- ne saß auf der Tribüne mit betroffenen Men- schen. „Die meisten Abgeordneten haben uns ignoriert. Am liebsten hätte ich ihnen erzählt, dass mein Leben lebenswert ist. Mit Trisomie 21.“ Der Protest war erfolgreich. Die Kranken- kassen dürfen den Test heute nur in Ausnahme- fällen zahlen. Für Carina Kühne steht fest: Men- „Bei allen öffentlichen Aktionen schen mit Downsyndrom gehören dazu. „Sie machen unsere Welt bunter und schöner.“ ¢ muss Teilhabe möglich sein. Wir müssen klären: Was kann wer für wen auf welche Art abdecken.“ Gerald Wagner, Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Gerald Wagner fehlt auf behinderter Menschen Bremen e. V. kaum einem Prostesttag. In seinem Büro in Walle laufen viele Fäden zusam- men. Er berät unter anderem Menschen mit Behinderung. Matthias Meyer ist Mitglied der durchblicker-Redaktion. Auch er hat am 5. Mai vor der Bremischen Bürgerschaft demonstriert. 9
Titelthema Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Pusch ¢ Politisch interessiert? Wie groß ist das politische Interesse von Men- schen mit Behinderung? Wie kann politische Beteiligung im Stadtteil einfacher werden? 3 Mit- arbeiterinnen des Martinsclub haben ihre Wahlsprechstunden Nutzerinnen und Nutzer befragt. Sie haben auch mit Ortsämtern und Vereinen gesprochen. Aus Am 26. September wird in Deutschland der den Ergebnissen haben sie ein Konzept mit Ideen neue Bundestag gewählt. Dann bekommt das und Vorschlägen geschrieben. Das geht nun an Land eine neue Kanzlerin oder einen neuen die Sozialbehörde. Ein wichtiges Ergebnis: Das Kanzler. In einigen Stadtteilen in Bremen politische Interesse ist vorhanden. gehen auffallend wenig Menschen wählen. Die Landeszentrale für Politische Bildung wollte wissen, warum. 2019 sind Lisa Peyer und ihre Kollegen 2 Wochen lang in Gröpelingen gewesen. Sie sind „Wahlscouts“. Täglich klopften sie an 250 bis 300 Haustüren. Dabei kam heraus: Es gibt viele verschiedene Gründe. Manche Menschen sind unsicher. Sie wissen nicht genau, wie das Wählen geht. Deshalb gehen sie gar nicht hin, aus Angst, etwas falsch zu machen. Wie funktioniert eine Wahl? Wie kann ich per Briefwahl abstimmen? Der Martinsclub bietet 3 Sprechstunden an. Dazu gibt es viele Informationen in Leichter Sprache. Die Sprechstunden sind für alle offen. Beteiligt ist auch Lisa Peyer von der Landeszentrale für Politische Bildung. Die Termine sind: 6.9.21, 15 bis 17 Uhr Werkstatt Bremen, Georg-Gries-Straße 1 Telefon: 0171 9130454 7.9.21, 16.30 bis18.30 Uhr Quartierszentrum des Martinsclub in Vegesack, Zur Vegesacker Fähre 12 Telefon: 0160 5513465 9.9.21, 16 bis 18 Uhr m|Centrum, Buntentorsteinweg 24/26 Telefon: 0421 5374754 Wer wählt, kann mitbestimmen. Nur: Wie funktioniert das mit der Wahl? Lisa Peyer von der Landeszentrale Mehr dazu unter www.martinsclub.de für Politische Bildung kennt die Antworten. 10
„Die Menschen sind gut informiert. Sie lesen Zei- tung. Sie schauen Nachrichten wie Tagesschau und buten un binnen“, berichtet Jana Kolkowski. Sie arbeitet für den Martinsclub. Um selbst poli- tisch aktiv zu werden, benötigen sie aber mehr Unterstützung. „Viele wissen nicht, welche Mög- lichkeiten es überhaupt gibt. Sie wissen nicht, wo oder wen sie anrufen können.“ Ideen gibt es eini- ge: Aktionstage zu politischen Themen. Oder Spaziergänge durch die Stadtteile mit Politikern. Schulungen für Mitarbeitende in den Ortsäm- tern. Kurse für Menschen mit Beeinträchtigung. Jana Kolkowski, Hedwig Thelen und Martina Kiy arbeiten beim Martinsclub. Sie sind für Teilhabe sowie für Bildungs- und Einen solchen Kurs gibt es seit vielen Jahren in Freizeitangebote zuständig. Im Frühjahr haben sie Menschen Bremen-Vegesack. „Verstehen, was Politik ist“, in Bremen zu ihrem politischen Interesse befragt. heißt er. Er ist immer dienstags von 16.30 bis 18 Uhr. Kursleiter Günther Zdzieblo leitet die Teilnehmer beim Martinsclub in Vegesack an. Manchmal geht es um die Wahlprogramme der politischen Parteien. Haben sie ihre Verspre- chen eingehalten? Die Gruppe macht – wenn Für alle, die etwas bewegen wollen: möglich – Ausflüge ins Museum. Sie putzt auch schon mal Stolpersteine. Heute steht Covid-19 Politikkurs im Martinsclub e. V. im Mittelpunkt. Und die Frage: „Was vermisse Telefon: 0421 438188107 ich zurzeit?“ Klar, Leute treffen. Die Arbeit. Den E-Mail: kurse@martinsclub.de Rehasport. Internet: www.martinsclub.de Ein Teilnehmer hat Kaffee gekocht und schenkt LAGS – Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe allen ein. Das Gespräch kommt schnell in Gang. behinderter Menschen Bremen e. V. Bald geht es um den Mindestlohn und den ers- Telefon: 0421 3877714 ten Arbeitsmarkt. Um Werkstatt, Wohngeld und E-Mail: info@lags-bremen.de gerechten Lohn für Menschen mit Beeinträchti- Internet: www.lags-bremen.de gung. Zdzieblo schreibt vieles auf ein großes Blatt Papier. AK Bremer Protest Telefon: 0421 3877714 „Das nehme ich mit zum Behindertenparla- E-Mail: info@lags-bremen.de ment“, sagt Kursteilnehmer Jörg Hartmann. Er Internet: www.akbremerprotest.de zeigt auf das große beschriebene Blatt Papier. Das Behindertenparlament tagt einmal im Jahr Selbstbestimmt leben e. V. in der Bremischen Bürgerschaft. Dieses Jahr Telefon: 0421 704409 wahrscheinlich am 3. Dezember. Hartmann hat E-Mail: beratung@slbremen-ev.de dort schon vor allen geredet. Den Politikkurs Internet: www.slbremen-ev.de findet er gut. „Ich kann hier mein eigenes Wis- sen verbessern und komme auf neue Gedan- Landeszentrale für Politische Bildung ken.“ Das sieht Michael ähnlich. „Politik interes- Telefon: 0421 3612922 siert mich. Hier kann ich mich austauschen und E-Mail: office@lzpb.bremen.de weiterbilden.“ J Internet: www.lzpb-bremen.de 11
Titelthema Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Scheffka „Gesehen zu werden, ist ganz wichtig“ Arne Frankenstein über politische Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigung Arne Frankenstein ist seit Mai 2020 Behindertenbe- Das ist aber nicht so einfach. Demokratie und inklusive auftragter für das Land Bremen. Alle Menschen sollen Gesellschaft bedeuten, dass alle ohne Ausnahme ein- in gleichwertigen Verhältnissen leben. Dafür setzen er bezogen werden müssten. Ist das überhaupt möglich? und sein Team sich ein. Das betrifft alle Bereiche des Klar ist das möglich. Es heißt ja nicht, dass von vornher- Lebens. ein alle Voraussetzungen gegeben sein müssen. Wichtig ist zunächst, dass die Zugänge bestehen. Und es muss Wie kann man sich im Stadtteil einbringen? die Bereitschaft geben, dass es funktioniert und bezahlt Wie arbeitet man in Gremien wie zum Beispiel Aus- wird. Wir können Leistungen von Assistenzen nutzen, die schüssen mit? Das ist vielen nicht bekannt. Es trifft das Teilhabegesetz hergibt. Das Thema Teilhabe muss insbesondere auf Menschen mit geistiger oder aber noch mehr in den Vordergrund rücken. seelischer Beeinträchtigung zu. Wie sehen Sie das? Ja, ich glaube, das trifft zu. Es beginnt schon bei der eh- Wie kann das gelingen? renamtlichen Arbeit im Verein. Nehmen wir das Beispiel Teilhabe funktioniert, wenn wir einander begegnen. Das Ortspolitik. Beiräte und Ortsämter sind bereit, im Einzel- beginnt in der Krippe und der Kita. Im Wohnviertel muss fall Dinge möglich zu machen. Wenn es Interessierte mit es Orte geben, wo sich alle Menschen treffen können. Beeinträchtigung gibt, können manche Barrieren besei- Das ist ein wichtiger Baustein. Der muss mitgedacht tigt werden. Aber es ist nicht immer klar, dass jeder sich werden, wenn wir Quartiere und Teilhabe planen. Dann überall beteiligen kann. Ich glaube, es ist eine wichtige ist Inklusion von Kindesbeinen an selbstverständlich. Aufgabe, das zu verbessern. Gesellschaft und Politik Bei politischer Teilhabe gibt es Strukturen, die bereits müssen sicherstellen, dass alle sich beteiligen können. gut funktionieren. Der Werkstattrat zum Beispiel. Er ist „Wir leben in einer Demokratie. Demokratie und Inklusion sind 2 Seiten derselben Medaille.“ Jürgen Dusel, Bundesbehindertenbeauftragter 12
eine Interessenvertretung in den Werkstätten für behin- Sie müssen das Thema behandeln. Teilweise haben sie derte Menschen. Der Werkstattrat hat sich mehrfach Gruppen, in denen sich behinderte Menschen selbst öffentlich zu Wort gemeldet. Er hat Forderungen zur vertreten. Es gibt etwa in der SPD die Gruppe „Selbst Bezahlung von Beschäftigten. Diese werden nun in der aktiv“. Dort versuchen behinderte Menschen, Einfluss Bremischen Bürgerschaft diskutiert. Ein anderes Bei- auf die Politik ihrer Partei zu nehmen. spiel ist der Landesteilhabebeirat. Und in der großen Politik? Dessen Vorsitzender Sie sind. In den Landtagen und im Bundestag sind nur sehr we- Ja. Stimmberechtigte Mitglieder sind die Bremischen nige behinderte Menschen. Wie kann man eine gerech- Behindertenverbände. Sie überwachen, dass die welt- te Aufteilung zwischen den Geschlechtern hinbekom- weiten Rechte für Behinderte in Bremen umgesetzt men? Darüber wird oft gesprochen. Das finde ich werden. Der Landesteilhabebeirat entsendet auch be- wichtig. Genauso wichtig ist es, dass es Abgeordnete hinderte Menschen in andere Gremien. Über ihn organi- mit Behinderung gibt. Aus meiner Sicht könnte es eine siert sich ein kleines Netz an Beteiligung in der Politik. Quote für behinderte Menschen geben. Wir sind unge- Ein Thema ist seit langem die Assistenz im Krankenhaus fähr 10 Prozent der Bevölkerung, warum nicht 10 Pro- und wer sie bezahlt. Wir sind kurz davor, eine Lösung zent Abgeordnete mit Behinderungen? Die Politik soll- für ganz Deutschland zu finden. Dazu hat der Bremer te den nächsten Schritt gehen. Landesteilhabebeirat sehr viel beigetragen. Müsste es mehr Aktionstage und Protesttage wie den Wenn ich an Lösungen mitarbeiten will, muss ich in 5. Mai geben? Verbänden aktiv sein. Wie kriegt man die Leute denn Gesehen zu werden, ist ganz wichtig. Gerade solche Pro- vom Sofa und in die Verbände? testtage sind dazu geeignet. Unter den Corona-Bedin- Das ist ein Problem in der gesamten Gesellschaft. Es gungen ist es umso dringender erforderlich. Ich habe geht aber nicht darum, behinderte Menschen zu zwin- das Gefühl, dass behinderte Menschen eher unsichtba- gen, sich einzusetzen. Jeder hat ja auch das Recht, sich rer geworden sind. Es ist aber nicht die Aufgabe behin- nicht zu beteiligen. Hier sind auch die Parteien gefragt. derter Menschen allein. Es muss ein solidarisches Mit- wirken von anderen geben. Das heißt, alle müssen sich für gute Gesetze einsetzen. J Arne Frankenstein ist von Geburt an behindert. Seit Kindertagen nutzt er einen Rollstuhl und persönliche Assistenz. Schon sehr lange setzt er sich für die Rechte behinderter Menschen ein. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.behindertenbeauftragter.bremen.de 13
Zu Besuch bei Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Scheffka Gärtnern hinter Gittern In einem Betrieb in Gröpelingen werden Arbeitslose für das Berufsleben fit gemacht Plötzlich öffnet sich das Tor mit einem lauten Knirschen. Björn Kastens steht lachend am Ein- gang. Hinter ihm sieht man die alten Gebäude und Wachtürme. Die Natur hatte Zeit, sich wieder breitzumachen. Büsche und Ranken wuchern an den Zäunen. In luftiger Höhe aus einem Schorn- stein heraus wächst eine Birke. Kastens führt gern Gäste über das Grundstück. Schwalben bauen gerade in der Treckerhalle ihr Beete hinter hohen Mauern: Der Blocklandgarten war Nest. Sie schimpfen laut über die Besucher. früher ein Gefängnis. „Schon das Gefängnis hatte eine Gärtnerei und verschiedene Werkstätten“, erzählt er. Einige Hallen nutzt der Blocklandgarten nun weiter. Wo früher ein Jugendgefängnis war, befindet Kastens ist einer von 3 Anleitern. Es gibt noch sich heute der Blocklandgarten Gröpelingen. eine Bürokraft und Hêja. Er ist Vermittler für Dort wachsen Obst und Gemüse. Vor 15 Jahren Sprache und Integration. Er hilft denen, die nicht wurde das Gefängnis hinter der Autobahn ge- Deutsch sprechen können. Die Sprache lernt schlossen. Ein Bremer Verein hat einen Teil wie- man am besten beim Arbeiten. der flott gemacht. bras – arbeiten für Bremen heißt er. Dort beschäftigt er heute Menschen, die Nichts für Langschläfer schon lange arbeitslos sind. Sie wollen wieder in Die Arbeit der rund 20 Beschäftigten beginnt im das normale Berufsleben zurückfinden. Profis Sommer um 7.30 Uhr. Im Winter um 8 Uhr. helfen ihnen dabei. Pünktlich sein ist Pflicht. 15 bis 30 Stunden be- trägt die Arbeitszeit pro Woche. Es ist möglich, Die Straße im Blockland endet vor der Gefäng- mit wenig Stunden anzufangen und sich dann zu nismauer. Das große Tor ist verschlossen. Zum steigern. „Die meisten Mitarbeiter kommen aus Glück sind Mauer und Tor mit bunten Kreisen der Nähe“, sagt Kastens. Gärtner war zuvor fast und Tierköpfen bemalt. Sonst könnte Einem niemand. Nicht schlimm. Die tägliche Arbeit soll schon mulmig werden. Wer den Blocklandgar- den Menschen wieder eine feste Struktur geben. ten besucht, muss anrufen, denn eine Klingel Bis zu 3 Jahre können Teilnehmende dort arbei- gibt es nicht. Dann heißt es: warten. Solange, bis ten. Kaum jemand bricht den Job vorher ab. jemand vom hinteren Teil des großen Grund- „Wer die ersten 2 Wochen durchhält, der bleibt“, stücks angeradelt kommt. weiß der 38-Jährige. ¢ 14
Björn Kastens ist ausgebildeter Lehrer. Jetzt leitet er Langzeit- arbeitslose an. Das Gelände des Blockland- gartens gehörte früher zum Jugendknast. Manchmal sind heutige Teilnehmer ehemalige Strafgefangene. „Früher mussten sie hier sein. Heute kommen sie gern hierher.“ Das findet Kastens gut. 15
Zu Besuch bei Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Scheffka Anleiterin Rebekka Runge steht mit ihrem Kollegen Hêja vor einem der Gewächshäuser. ¢ Im Blocklandgarten ist alles „bio“. Neues Saat- gut für Gemüse gewinnen die Beschäftigten aus den Pflanzen. Im Mai stehen lauter Töpfe mit kleinen Tomatenpflanzen im Gewächshaus. Andreas Lembeck ist 58 Jahre alt. Ihn hat Im Sommer wachsen sie dort bis zur Decke. die Arbeit an der frischen Luft abgehärtet. Bohnen, Zucchini, Sellerie oder Kürbisse wer- Er ist ein Frühaufsteher geworden. Sein Wecker klingelt morgens um 6 Uhr. Unkraut den aber nicht verkauft, sondern verschenkt. jäten, Bäume schneiden und Saatgut ziehen Über diese Spende freut sich zum Beispiel die machen ihm Freude. Initiative „Bremer Suppenengel“. Arbeiten ohne Leistungsdruck Die Teilnehmenden können den Garten mitge- stalten – ganz ohne Druck. Es gibt Platz für be- bras e. V. – arbeiten für Bremen sondere Dinge wie Blumenbeete und einen Schafstall. Den haben die Beschäftigten gebaut, Der Verein bras hilft arbeitslosen Men- ebenso wie die Weidenzäune und den Hühner- schen, eine dauerhafte Beschäftigung zu stall. Einer von ihnen ist Andreas Lembeck. Auch finden. Viele von ihnen sind schon sehr der 58-Jährige hatte keine Erfahrung als Gärt- lange arbeitslos. Das hat verschiedene ner. Früher mal hat er in einer Waschstraße für Gründe. Manche haben Vorstrafen. Andere LKW gearbeitet. Unkraut zupfen, verschiedene sind körperlich eingeschränkt. Manche Saaten aussäen, Bäume schneiden – „das fand sind aus einem anderen Land eingewan- ich gleich gut“. Der Job an der frischen Luft habe dert. Der Verein unterstützt sie beim ihn abgehärtet, sagt Lembeck. „Ich würde gern Wiedereintritt ins Berufsleben. Dabei für immer hierbleiben.“ J werden die Fähigkeiten jedes Einzelnen berücksichtigt. Gearbeitet wird nur in gemeinnützigen Einrichtungen. bras hat sehr viele Werkstätten und Betriebsstellen. Dazu gehören das Bremer Geschichten- haus, die Findorffer Torfkähne und der Blocklandgarten. bras will Menschen dabei helfen, sich selbst eine Arbeit zu suchen. Eine Arbeit, die zu der eigenen Persönlichkeit passt. Dabei werden sie von Profis unterstützt. Die Enten sorgen immer für gute Laune. Sie strecken ihre Hälse in die Luft und flitzen dann zusammen los. Mehr dazu im Internet unter : Der Blocklandgarten hat viele tierische Bewohner: www.bras-bremen.de Gänse, Hühner, Katzen, Schafe und Bienen. 16
Text: die durchblicker, Nina Marquardt, Catrin Frerichs „Artischocken finde ich toll!“ durchblicker-Interview mit Björn Kastens Seit wann gibt es den Blocklandgarten, und was nicht so gut konzentrieren kann, macht zwischendurch passiert hier? einfach eine Pause. Der Blocklandgarten ist eine Bio-Gärtnerei. Hier sind Langzeitarbeitslose beschäftigt. Sie werden vom Verein Was für Tiere habt ihr hier? bras betreut. Sie müssen Lust zum Gärtnern haben und Wir haben Gänse, Schafe und Hühner. Bei uns leben gern draußen arbeiten. Seit fast 10 Jahren gibt es den auch Bienenvölker, die ein Imker betreut. Er behält den Bio-Gemüsegarten schon. Honig. Wir brauchen die Bienen für die Bestäubung von unserem Obst und Gemüse. Unsere Enten fressen die Was für ein Gelände ist das hier, und was war da Nacktschnecken. Außerdem sind sie sehr lustig. Wenn früher? ich mal schlechte Laune habe, brauche ich sie nur an- Wir befinden uns im Blockland in Gröpelingen. Früher zuschauen. war hier das Jugendgefängnis. Man sieht es noch an dem Gefängnistor und dem hohen Zaun rundherum. Ei- Gibt’s hier auch mal Ärger zwischen den Beschäftig- nen Teil der alten Gebäude wie Werkstätten und Ge- ten, und was passiert dann? wächshäuser nutzen wir. Der andere Teil steht leer und Konflikte versuchen wir, möglichst früh zu lösen. Wir bleibt sich selbst überlassen. gucken genau hin, damit erst gar kein Streit entsteht. Haben Sie mal einen Tunnel gefunden, den Straf- Was ist Ihr Lieblingsgemüse? gefangene gebuddelt haben? Oder irgendetwas, Ich mag die verschiedenen Kohlsorten. Schwarzkohl das versteckt wurde? finde ich toll. Und meine Lieblingspflanze ist die Arti- Diese Frage bringt Björn Kastens zum Lachen. Einen schocke. J Tunnel oder ein Versteck haben wir noch nicht gefunden. Im Blockland ist der Boden sehr feucht. 2 Spatenstiche und du stehst im Wasser. die durchblicker … Können auch Menschen, die im Rollstuhl sitzen, hier arbeiten? … sind ein bunter Haufen Redakteure Nicht in allen Bereichen. Aber eigentlich ginge das schon. mit Beeinträchtigung. Wir schreiben zu Es gibt mobile Rampen für die Eingänge zu den Werk- Themen, die uns interessieren und die stätten und Gewächshäusern. Unkraut jäten in den auch für andere spannend sein können. Hochbeeten wäre kein Problem. Saatgut aus den Hülsen In der inklusiven m-Redaktion tauschen pulen auch nicht. Wir versuchen immer, die Leute so ein- wir uns regelmäßig aus. zusetzen, dass es ihren Neigungen entspricht. Haben Sie Ideen für Geschichten oder kennen Sie interessante Personen, die Was ist, wenn ich nur kurze Zeit arbeiten kann? wir mal besuchen sollen? Etwa, weil ich mich nicht lange konzentrieren kann? Dann nehmen Sie Kontakt auf: Bei uns arbeiten die Beschäftigten mindestens 15 Stun- den in der Woche. Das sind 3 Stunden am Tag. Wer sich m@martinsclub.de 17
Gemeinsam anpacken und ein tolles Fest feiern Die Eventmacher sind echte Profis im Organisieren. Beim Alle Inklusive Festival zeigen sie, was sie können Julia Thomann, Alexander Werner und Daecheol Kim haben den Sportgarten vorab besichtigt. An dieser Stelle soll beim Festival die Bühne stehen. 18
Text: Ludwig Lagershausen| Fotos: Frank Scheffka Wo gibt es Barrieren, wo kann welcher Programmpunkt stattfinden? Der Sportgarten bietet optimale Bedingungen für das Alle Inklusive Festival. Laute Musik, dichtes Gedränge vor der Bühne, die Leute tanzen zusammen. Kinder lachen, alle haben viel Spaß. So wünschen wir uns das „Alle Inklusive Festival“ auch dieses Jahr. Mo- ment mal, ein Festival zu Corona-Zeiten? Aber Bei guter Musik kommt Festivalstimmung auf. ja, denn aufgeben kommt für den Martinsclub In diesem Jahr sollen vor allem Schülerbands nicht in Frage. Und so laufen die Vorbereitun- auftreten. gen schon. Mittendrin: die Veranstaltungsprofis „Eventmacher“. Viele verschiedene Menschen begegnen sich. schen mit Beeinträchtigungen. Durch das Projekt Alle tauschen sich aus und haben eine tolle Zeit „Teile dein Wissen“ haben die Mitglieder zueinan- zusammen. Das soll unser Alle Inklusive Festival dergefunden. Seit 2019 trifft sich die Gruppe re- möglich machen. Doch wie lässt sich eine solche gelmäßig. Unter der Anleitung von Alexander Veranstaltung im Moment organisieren? Schließ- Werner lernen die Mitglieder, Veranstaltungen zu lich müssen genau solche Begegnungen wegen planen. Mittlerweile sind sie echte Profis, wahre Corona vermieden werden. „Es ist in diesem Jahr Organisationstalente. Die Eventmacher wissen, tatsächlich ein Drahtseilakt“, erzählt Projektlei- was es braucht, damit ein Festival erfolgreich ter Marco Bianchi. „Eigentlich hätte das Festival verläuft. „Dieses Wissen und die Erfahrung wol- im Mai stattgefunden. Das ging wegen der Coro- len wir unbedingt nutzen“, unterstreicht Bianchi. na-Situation natürlich nicht. Neuer Termin ist „Das fördert unseren inklusiven Gedanken. Au- Samstag, der 11. September. Wir glauben, dass ßerdem können wir jede Hilfe gebrauchen.“ Des- sich die Lage bis dahin verbessert. Immer mehr halb dürfen die Eventmacher beim Alle Inklusive Menschen werden geimpft, das macht uns Hoff- Festival auf keinen Fall fehlen. Sie haben auch nung. Wir haben natürlich trotzdem ein Hygiene- schon einige Ideen. konzept. Nun laufen die Planungen.“ „Ich möchte die Bands betreuen. Da gibt es viel Inklusion zu Ende gedacht zu tun“, findet Julia Thomann. „Es gibt einen Auf- Ganz wichtig beim Alle Inklusive Festival ist – na- enthaltsraum für sie, den zeige ich den Bandmit- türlich – die Inklusion. Die soll aber nicht nur gliedern. Dort können sie sich umziehen und ihre draufstehen, sondern auch drin sein. Deshalb ist Sachen lagern. Und ich begleite sie zur Bühne, auch das Team, das alles organisiert, inklusiv. Mit damit sie die Instrumente aufbauen können. Die dabei ist auch dieses Jahr die Gruppe „Eventma- Musik ist doch das wichtigste beim Festival.“ Als cher“ vom Martinsclub. Sie besteht aus Men- DJ kennt Thomann sich mit Musik bestens aus. ¢ 19
Text: Ludwig Lagershausen| Foto: Frank Scheffka ¢ Kathrin Baschulewski dagegen möchte lieber Vorfeld Werbung machen und Flyer verteilen“, beim Aufbau helfen und das Gelände schmü- erklärt sie. Doch damit nicht genug. Während cken. „Es muss am Tag des Festivals alles gut des Festivals möchte sie auch den Info-Stand aussehen. Mir ist es wichtig, dass der Veranstal- betreuen. Dort können die Gäste Auskünfte zum tungsort schön dekoriert wird. So eine Feier ist Alle Inklusive Festival und zum Martinsclub be- ja auch etwas fürs Auge. Zudem müssen alle kommen. Besucherinnen und Besucher zum Festival fin- den. Deshalb muss der Sportgarten gut ausge- An alle muss gedacht werden schildert sein. Wir werden also Schilder und In Sachen Technik warten ebenso allerlei Aufga- Plakate aufhängen. Außerdem werden wir im ben auf die Eventmacher. Dafür ist Gregor Mehr- tens der Experte. „Wenn auf der Bühne Musik gespielt wird, muss die Technik einwandfrei funktionieren. Die Boxen müssen angeschlos- sen und eingestellt werden“, sagt Mehrtens. Gelungene Inklusion „Manche Bands verwenden auch Lichteffekte, dafür werden Scheinwerfer benötigt. Die Strom- Die Geschichte der Eventmacher versorgung muss sichergestellt werden. Wenn ist eine von unzähligen. Seit vielen die Technik streikt, muss jemand da sein, um sie Jahren begleitet der Martinsclub zu reparieren. Bei all diesen Dingen kann ich Menschen mit Beeinträchtigungen. unterstützen.“ Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Ein wichtiges Kennzeichen für ein inklusives Festival ist die Barrierefreiheit. Dabei ist die Er- Spenden und helfen Sie! fahrung der Eventmacher besonders wichtig. Spendenkonto: Schließlich wissen Menschen mit Beeinträchti- Martinsclub Bremen e. V. gung am besten, wo Hürden und Stolperfallen Sparkasse Bremen lauern. Dies kennen sie aus ihrem Alltag nur zu IBAN: gut. „Besonders wichtig ist das Gelände. Dort DE72 290 501 01 00 1068 4553 sollte es möglichst keine Stufen und Treppen BIC: SBREDE22XXX geben. Auch Toiletten für Menschen mit Roll- Verwendungszweck: stühlen sind ein Muss. Schön wäre es auch, Spenden und Helfen wenn es Informationen in einfacher Sprache gibt. Zum Beispiel eine Beschreibung für die An- Werden Sie Mitglied! reise. Oder Pläne, die eine Übersicht über das Mit einer Mitgliedschaft im Gelände und das Programm geben. Vielleicht Martinsclub unterstützen Sie kann auch ein Übersetzer für Gehörlose organi- uns regelmäßig. Mit einem siert werden. Das Festival soll ja für alle sein. kleinen Jahresbeitrag machen Deshalb sollte vorher auch an alle gedacht wer- Sie Inklusion möglich. den. Je mehr Menschen teilnehmen können, des- to besser“, finden die Eventmacher übereinstim- Interessiert? Wenden Sie sich an: mend. Vorab haben sie sich das Gelände bereits j.renke@martinsclub.de einmal genau angesehen. So konnten sie mögli- 0421 53747799 che Hindernisse schon im Vorfeld feststellen. 20
Ein Teil des inklusiven Organisations- teams hat sich den Sportgarten vorher genau angesehen. Die Vorbereitungen für das Festival laufen auf Hochtouren. DIE EVENTMACHER Die Eventmacher sind Teil des Projekts „Teile dein Wissen“. Seit 2019 treffen Inklusion schlägt Corona sie sich regelmäßig, um Veranstaltungen Neben den Eventmachern sind noch viele ande- und Festivals zu planen. Das Projekt re Leute an der Organisation beteiligt. Einem er- wird von „Aktion Mensch“ unterstützt. folgreichen Festival steht also nichts mehr im Wege. Eigentlich. Denn ob alles wie geplant Infos erteilt Kursleiter Alexander Werner stattfinden kann, bleibt abzuwarten. „Wir gehen Telefon: 0151 18931380 davon aus, dass alles klappt. Aber durch Corona E-Mail: a.werner@martinsclub.de ist das alles etwas unsicher. Wenn die Behörden das Festival verbieten, werden wir uns dem na- türlich fügen. Auch wenn das sehr schade wäre“, ALLE INKLUSIVE FESTIVAL sagt Marco Bianchi. Wann? 11.9.21, 11 bis 17 Uhr So oder so, unterm Strich bleibt ein Projekt, das Wo? Sportgarten in der die Inklusion vorantreibt. Genau das wollen die Pauliner Marsch Veranstalter. Ein Fest, das durch und durch in- Osterdeich 800, 28205 Bremen klusiv ist. Nicht nur am Tag des Festivals selbst, E-Mail: aif@martinsclub.de sondern vom Beginn bis zum Schluss. Men- schen mit Beeinträchtigung können dabei mit- machen. Sie können gleichberechtigt ihre Ideen einbringen und ihre Bedürfnisse durchsetzen. Sie gestalten die gesamte Planung mit. Die Eventmacher sorgen dafür, dass diese Idee ver- wirklicht wird. J 21
Text: Benedikt Heche | Foto: Frank Scheffka | Plakat: Steven Lackmann, selbstverständlich GmbH Ein inklusives Kinoabenteuer Es ist das Jahr 2035. Große Fluten bedrohen die Küsten. Im Lan- desinneren herrscht große Dürre. Die Wälder und Moore stehen in Flammen. Die Tage der Menschen auf der Erde sind gezählt. Astronautin Isa ist mit Ihrem Raumschiff in den Weiten des Welt- alls unterwegs. Doch ihre Reise endet mit einer Bruchlandung. Sie kracht direkt in einen kleinen Bremer Buchladen. Ganz klar: Wo kann man Da muss jemand nachgeholfen haben. Denn plötzlich ist auch der den Film ansehen? Geheimdienst hinter ihr her. Was hat die Umweltministerin damit zu tun? Und gibt es noch eine Zukunft für die Menschheit? Ge- Die Premiere von Erde und meinsam mit ihren Weggefährten beginnt für Isa ein spannendes Tschüss! läuft im Herbst 2021. Abenteuer. Sie ist im Kino City 46 zu sehen. Birkenstraße 1, 28195 Bremen. „Erde und Tschüss“ ist ein Filmprojekt vom Martinsclub. Klima- schutz und Freundschaft sind darin die bestimmenden Themen. Informationen zum Filmprojekt Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie wollen wir zusammen leben? gibt es auf www.martinsclub.de/ Diese Frage behandelt das Filmteam mit viel Herz und Humor. erde-und-tschüss und unter Den Film haben Menschen mit und ohne Behinderung erschaffen. www.compagnons-film.com Von der ersten Idee bis zur letzten Klappe arbeiteten sie daran ge- meinsam. Die Produktion leitete Elizabeth Dinh. Jürgen J. Köster Wir bedanken uns ganz herzlich war verantwortlich für Regie, Kamera und Schnitt. Beide gehören bei „Aktion Mensch“ für die zu „Compagnons cooperative inklusiver Film“. Unterstützt wurde Unterstützung! das Team von den Bremer Schauspielern Manni Laudenbach und Mateng Pollkläsener. J 22
Text: Benedikt Heche, Kim Langer | Fotos: Frank Scheffka, 4er-WG im BlauHaus Kunstwerk! Fotograf F uppe rank Sche e r b li c k : Die Gr ffka hat d Projekt an as in der Mit Wes Stadtte il. geleitet. Unterwegs mit Kameras k u n d et ihren e r Bremer Überseestadt. Mittendrin: Mit der Kamera den Hafen entdecken Fotoprojekt vom Martinsclub und dem Hafenmuseum Der Fotograf Hans Brockmöller hat 30 Jahre lang die Kamera. Der Bremer Fotograf Frank Scheffka zeigt ih- Bremer Häfen fotografiert. Dabei war er mit seiner Ka- nen dabei verschiedene fotografische Techniken. So ent- mera stets nah dran an den Menschen. Und natürlich standen eigene Blickwinkel auf das Quartier im Wandel. an ihrer Arbeit. Was war typisch für die verschiedenen Scheffka selbst hat die Ausstellung vorbereitet. Berufe im Hafen? Was war einzigartig in den Gesichtern der Arbeiter? Brockmöller konnte dies besonders Anfang Mai ging dann eine weitere Gruppe durch die einfangen. Seine Fotografien zeichnen sich darüber Überseestadt. Diesmal unterstützte Frank Scheffka hinaus durch ungewöhnliche Perspektiven aus. Von eine Wohngemeinschaft aus dem BlauHaus. Diese WG- seinen Berufskollegen wurde er als „der Artist“ be- Bewohner sind noch neu in dem Wohngebiet. Dabei er- zeichnet. Für ein gutes Foto kletterte Brockmöller wiesen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als schon mal auf Schuppendächer oder Kranausleger. ausgesprochen wetterfest. Es pustete tüchtig. Dafür wurden sie mit spektakulären Wolkenbildern belohnt. Der Fotograf Hans Brockmöller lebte von 1911 bis 1977. Seine Bilder sind ab Juli in einer Doppel-Ausstellung zu Ein beliebtes Motiv war der Molenturm am Wendebecken. sehen. Sie heißt „Der Artist“ und wird in 2 Häusern ge- Er markierte schon zu Brockmöllers Zeiten die Einfahrt zeigt. Zum einen können Bilder im Hafenmuseum in den Überseehafen. Heute steht zwar noch der Turm – „Speicher XI“ besichtigt werden. Den zweiten Teil gibt der Hafen ist längst zugeschüttet. Auch der Waller Sand es im Kulturhaus Walle „Brodelpott“. am Ufer wurden aus verschiedenen Perspektiven er- kundet. Auf der anderen Seite des Beckens gab es einen Bereits im März begaben sich Jugendliche auf Brock- imposanten Anblick. Hier steht die riesige Anlage für möllers Spuren. Die Gruppe vom Jugendhaus in der Getreide. Sie regte die Gruppe zu vielen Fotos an. ¢ Ratzeburger Straße erkundete das Hafengebiet mit der 23
Kunstwerk! Text:Fotos: Benedikt Patrick Heche, Schulze Kim Langer | Fotos: Frank Scheffka, 4er-WG im BlauHaus Alle m a Grup l hersehe penfo n: No to un d we ch ein Steife Brise: iter g Es weht ein t eht’s hts) gib . heftiger Wind. effka (rec Dafür scheint Frank Sch die Sonne. Tipps. wertvolle Nah am Stillleben mit Möwe: dIe Wolken Industrie Wasser g ebaut: d hafen an er ein Waller sind beeindruckend. der Wes Der Molenturm ist er. Wahrzeichen. ¢ Anne Schweisfurth vom Hafenmuseum begleitete die „Die Teilnehmenden hatten unterschiedliche Erfahrung Exkursion. Sie berichtet von Möwengeschrei und vielen mit Fotografie“, berichtete Frank Scheffka. Einige ha- Klicks. „Das war ein fröhlicher Nachmittag mit steifer ben schon häufig fotografiert. Für andere war es noch Brise“, sagt sie. „Ich glaube, es hat allen Teilnehmerin- ungewohnt, mit der Kamera umzugehen. Auch die Fotos nen und Teilnehmern viel Spaß gemacht.“ dieser Gruppen werden ausgestellt. Sie sind Teil der 24
Blick über die Schulter: Anne Schweisfurth (links) vom a de Len pe. Hafenmuseum ist auch dabei. u s z u bilden G r up HEP-A begleitet die eit Rosek Strand ohne Badegäste: kurze Pause am Waller Sand. Wo gibt’s die Fotos zu sehen? Hafenmuseum Speicher XI Am Speicher XI 1, 28217 Bremen Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr www.hafenmuseum-speicherelf.de Das Pier Stillleben mit Pfeiler. 2 in der Nähe de Kulturhaus Walle – Brodelpott e. V. Einkaufs s zentrum s Waterfr Schleswiger Str. 4, 28219 Bremen ont. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 14 bis 18 Uhr www.kulturhauswalle.de Informationen zum Fotoprojekt Brockmöller-Ausstellung im Brodelpott und dem Ha- Claudia Seidel fenmuseum. Los geht’s am 17. Juli. Telefon: 0421 3038279 Mobil: 0175 8964179 Die STIFTUNG Sparda-Bank Hannover und die Sparkasse E-Mail: seidel@hafenmuseum- Bremen haben die Foto-Workshops unterstützt. J speicherelf.de 25
Text: Catrin Frerichs | Fotos: Frank Scheffka Ein Herz, das Kraft schenkt Projekt „Herzen gegen Schmerzen“ macht Frauen Mut, die an Brustkrebs erkrankt sind Er ist bestimmt 6 Meter lang und hat eine glatte Ober- Die beiden Flügel des Kissens sind etwas länger. Sie fläche. Diese ist mintgrün. Die Farbe ist ausgeblichen. schmiegen sich an beide Seiten der Achsel. So tut die Der Tisch ist perfekt für Gaby Schellhorns Pläne. Sie Wunde nicht ganz so weh. Denn das Herz nimmt den möchte eine Nähgruppe mit einigen Nachbarinnen Druck und federt die Operationsnähte ab. Beim Auto- gründen. Sie brauchen Platz für Nähmaschinen und fahren reiben die Sicherheitsgurte dadurch nicht so um Stoffe zu schneiden. Sie wollen zusammen Herzen stark. nähen. Und zwar ganz besondere. Aber die Kissen transportieren noch viel mehr. Sie Die Herzkissen sind für Frauen gedacht, die eine Ope- spenden Trost und Zuversicht. Sie geben den Betroffe- ration hatten. Eine Brustkrebsoperation. „Herzen ge- nen das Gefühl, nicht allein zu sein. An den Herzen gen Schmerzen“ heißt die Bewegung. Eine dänische hängen persönliche Nachrichten, die Mut machen sol- Krankenschwester hatte die Idee aus Amerika mitge- len. Brustzentren in Krankenhäusern und Kliniken er- bracht. Heute nähen Frauen für andere Frauen in ganz halten die Herzen als Spende. So soll es auch in Bre- Europa diese Kissen. Sie tun das in ihrer Freizeit. Es men sein. gibt viele Gruppen in Deutschland. Und bald auch eine neue in der Überseestadt. Alle an einem Tisch „Wir stehen mit unserem Projekt am Anfang“, sagt Als eine der ersten Bewohnerinnen zog Schellhorn Schellhorn. Wegen Corona konnte sich die Gruppe noch 2019 ins Blauhaus. Das ist ein besonderes Wohnprojekt nicht oft treffen. Viele Gespräche liefen online per Video- in der Überseestadt. Junge und alte Menschen mit und konferenz. Stoffe, Garne und einen großen Karton Watte ohne Beeinträchtigung unterstützen dort einander. Im hat Schellhorn selbst gekauft. Um richtig loslegen zu Quartierszentrum, der Blauen Manege, steht der mint- können, benötigt die Gruppe Spenden. Bunter Stoff aus grüne Tisch. An dem sitzt Gaby Schellhorn jetzt. Vor ihr guter Baumwolle und Nähmaschinengarne. Stoffsche- liegen viele genähte Herzen. ren und Schneidmesser. Oder auch Geld, damit die Gruppe das Material selbst besorgen kann. Ein Trost in schwieriger Zeit Vor 8 Jahren, 2013, hat man ihr mitgeteilt, dass sie Es geht um das Miteinander, findet Gaby Schellhorn. Brustkrebs hat. Damals musste sie in ein Krankenhaus Nachbarn aus dem Blauhaus können beim Nähen der in der Nähe von Dortmund. „Die Krankenschwester Kissen helfen. Zuschneiden, abstecken und heften. Mit zeigte mir ein Regal voller bunter Herzkissen“, erinnert der Nähmaschine alles zusammennähen und die Kis- sich Schellhorn. Sie suchte sich eines aus und war sen mit Füllwatte ausstopfen. „Ich sehe uns hier mit 20 überwältigt von der Geste. „Für mich war das spekta- Frauen sitzen“, sagt sie. Ihr Herz und der mintgrüne kulär. Mein Kissen hat mich viele Jahre begleitet. Es hat Tisch sind auf jeden Fall groß genug. J mir Kraft gegeben.“ 26
Auf dem großen Tisch liegen viele Herzen. Die hat Gaby Schellhorn genäht und zeigt sie der m-Redakteurin Catrin Frerichs. Das Kissen schmiegt sich an beide Seiten der Achsel. Dort lindert es nach einer Brustoperation So können Sie spenden den Wundschmerz. Und es federt die Materialspenden und Geldspenden an: Operationsnähte ab. Büro der Blauen Karawane Kommodore-Johnsen-Boulevard 11 in der Bremer Überseestadt Spendenkonto: Projektleiterin Gabriele Schellhorn Postbank IBAN: DE30 1001 0010 0306 3711 17 Verwendungszweck: Herzkissen Fragen an: schellhorngaby@gmail.com 27
Text: Jörn Neitzel | Fotos: Frank Scheffka, privat, Santiago Russo „Man gewinnt und verliert zusammen“ Eine Leidenschaft für Handball Bryana Newbern ist 27 Jahre alt. Sie ist in den USA geboren und in Bremen aufgewachsen. Neben ihrer Arbeit beim Martinsclub spielt sie Handball für den SV Werder Bremen. Sie spielt so gut, dass sie auch für die amerikanische Nationalmann- schaft aufläuft. Wie sind Sport, Beruf und Leben miteinander zu vereinbaren? Das erzählt sie dem m im Interview. Bryana Newbern hat einen kleinen Hund. Mit ihm verbringt die 27-Jährige gern Zeit draußen. 28
Bryana Newbern hat als Handballerin schon viele sportliche Erfolge erzielt. Sie steht auch im Tor für die Nationalmannschaft der USA. Ihr Vater hat sie zum Handball gebracht. Frau Newbern, wie sind Sie zum Handball gekommen? Wie kam es, dass Sie Nationalspielerin geworden sind? Durch ein Plakat im Schaukasten. Da war ich 4 oder 5 Das Handballspielen lernte ich bei der HSG Vegesack/ Jahre alt. Mein Vater fragte mich, ob ich Handball ein- Hammersbeck in Bremen-Nord. In der Jugend spielte mal ausprobieren möchte. ich unter anderem für den TV Oyten. Die Mannschaft war damals in der höchsten Spielklasse. Wir hatten so- Ihr Vater hat Sie als Betreuer oder Trainer begleitet. gar Chancen auf die Meisterschaft. 2016 zog es mich War er strenger mit Ihnen als zu Ihren Mitspielerinnen? nach Amerika. Ich wollte unbedingt eine Zeit in meinem Als Kind fand ich es toll, dass er immer dabei war. Ir- Heimatland verbringen. Ich habe die doppelte Staats- gendwann wurde das dann etwas anstrengend. Aber er bürgerschaft und Teile meiner Familie leben in Chicago. behandelt mich wie alle anderen. Er setzt mich nicht Auf Handball wollte ich nicht verzichten. Ich suchte mir unter Druck. den Kontakt eines Trainers und schrieb ihn an. Statt in einem Verein landete ich jedoch in einem Förderpro- Warum sind Sie Torhüterin? Und welche besonderen gramm für Talente. So führte eins zum anderen. Fähigkeiten benötigt man auf dieser Position? Das habe ich mir nicht freiwillig ausgesucht. Ich war War das eine große Überraschung für Sie? Und gibt als Kind ziemlich groß und wurde deswegen ins Tor ge- es Unterschiede zum Handball in Deutschland? stellt. Mir gefiel aber, dass man nicht so viel laufen Die Unterschiede sind gewaltig. In den USA gibt es ins- musste. Wichtig ist, dass man keine Angst vor dem har- gesamt nur 16 Frauenteams. Die spielen in Deutsch- ten Ball hat. Und man muss gute Reaktionen haben. land allein in einer Liga. So lässt sich meine Berufung in die Nationalmannschaft auch ganz gut einordnen. In Handball ist eine harte Sportart. Was begeistert Sie Amerika haben Baseball oder Football eine viel größe- daran? re Bedeutung. Aber so langsam tut sich auch was beim Mir gefällt vor allem, dass es ein Mannschaftssport ist. Handball. Das liegt vor allem an den Olympischen Spie- Man gewinnt und verliert zusammen. Handball wird nie len. Die finden ja 2028 in Los Angeles statt. ¢ langweilig. Ein Spiel kann vor dem letzten Pfiff immer noch einmal eine Wendung nehmen. Um jedes Tor wird gekämpft. Dabei bleiben Verletzungen nicht aus. Ich wurde mit 13 Jahren zum ersten Mal am Knie operiert. 29
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