Potentielle Auswirkungen der Coronavirus-Krise (COVID-19) auf die österreichischen Beherbergungsbetriebe - Szenarienanalyse inkl. Exkurs ...
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Potentielle Auswirkungen der Coronavirus-Krise (COVID-19) auf die österreichischen Beherbergungsbetriebe Szenarienanalyse inkl. Exkurs Gastronomie Thomas Reisenzahn & Marco Riederer
Prolog Die Prodinger Beratungsgruppe wurde von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Fachverband Hotellerie, vertreten durch Mag. Maria Schreiner, beauftragt, verschiedene Auswirkungs-Szenarien der Coronavirus-Krise (Covid- 19) zu erstellen. Im Fokus steht die Berechnung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen von Beherbergungsbetrieben wie Umsatz, Nächtigungszahlen und Auslastung, sowie eine Einschätzung der kommenden Sommersaison 2020. 2
Ausgangssituation Seit dem Ausbruch des Coronavirus (COVID-19) in Europa und Österreich kämpfen viele Betriebe im Tourismus mit massiven Umsatzeinbrüchen. Es ist offensichtlich, dass Hotellerie und Gastronomie einen deutlichen Einbruch erleben werden. Nahezu alle Betriebstypen der Branche leiden unter den Betriebssperren und allen anderen Einschränkungen. Zunächst waren Hotels, Caterer und Gastronomiebetriebe mit Kongress-, Tagungs- und Veranstaltungsgeschäft in den Landeshauptstädten die Hauptbetroffenen. Seit den ersten behördlichen Betriebsschließungen von Beherbergungsbetrieben in Vorarlberg, Tirol und Salzburg und der Schließung der Skigebiete, beginnend mit 16. März 2020, waren die ersten Feriendestinationen in der gesamte Breite der Branche betroffen – ob Hotels, Restaurants oder Bergbahnen. In der Folge wurden auch in weiteren Bundesländern Beherbergungsbetriebe geschlossen. Die Bundesregierung hat am 30. März 2020 angekündigt, dass österreichweit alle Unterkünfte für Urlaubsgäste geschlossen werden. Dieser sehr hohe Anteil an Betriebsschließungen führte zu einem historischen Tiefstand der Auslastungen in der Hotellerie im März 2020. Es ist abzusehen, dass sich diese traurige Situation ebenfalls im April und Mai 2020 fortsetzen wird. Die Öffnung der Grenzen für Personen dürfte wohl als eine der letzten Maßnahmen auf dem Weg zu einer ersten Normalisierung der Reisefreiheit erfolgen. Zu sehr wurden nationale Grenzen in den vergangenen Wochen als ein Ort stilisiert, an dem Gefahren lauern – auch durch die Stationierung des Militärs. 3
Strukturdaten Die Prodinger Beratungsgruppe hat als Sample für die vorliegende Analyse das Beherbergungswesen und die Gastronomie herangezogen, in Summe rund 47.800 Unternehmen mit 320.000 Arbeitsplätzen und 21,3 Mrd. Euro Umsatz (Abweichung sind abgrenzungsbedingt möglich, vor allem, weil in den Daten der Strukturerhebung die Angaben für kleine Gastgewerbebetriebe fehlen). 2018 Beherbergungswesen Gastronomie (ÖNACE 55) (ÖNACE 56) Unternehmen 16.500 31.300 Beschäftigte 121.700 196.000 Umsatz, Mrd. € 10,3 11,0 Die Betriebe verfügen über eine aktive Gewerbeberechtigung und fallen in der Strukturanalyse unter Hotels, Hotels Garni, Gasthöfe, Pensionen, Heime, gewerbliche Apartments/Ferienwohnungen, etc.. 4
Annahmen - Allgemein Klassifikation der Wirtschaftstätigkeiten nach ÖNACE (55+56) Beherbergungswesen 2018: 10,3 Mrd. Euro Umsatz; 16.500 Betriebe Gastronomie 2018: 11,0 Mrd. Euro Umsatz; 31.300 Betriebe Allgemein wird eine Valorisierung von 5 % (Winter 2018/19 auf Winter 2019/2020, Sommer 2018 auf Sommer 2019) angenommen. Das Schaltjahr resultiert in einer Erlössteigerung von 3 % im Februar Der bargeldlose Zahlungsverkehr verzeichnete im Februar einen Umsatzzuwachs von 8,3 %. Im Sommer 2020 kommt es je nach Szenario zu einem angenommen Verfall der Preisdurchsetzung von 12 bis 18 %. Die meisten Hotels sind ab Mitte März geschlossen, was in 15 Öffnungstagen im März resultiert, und im April vollständig geschlossen, was in keinen Öffnungstagen im April resultiert. Ist-Werte (Nächtigungen) von November 2019 bis Februar 2020, darauf basierend der Forecast bis Oktober 2020. 5
Prognose Winter 2019/2020
Berechnungs-Annahme Aufgrund der derzeitigen Situation geht man bei einer wirtschaftlichen Simulation von einem Auslastungsrückgang von 30 % im März 2020 (45 % Nächtigungsrückgang) und von einem Nächtigungsrückgang von 85 % im April 2020 aus. Dabei kommt es zu einer damit verbunden durchschnittlichen Preissenkung von 15 %. Es wurde dabei berücksichtigt, dass Hotels insbesondere in den Wintersportorten ab 16. März 2020 geschlossen und die meisten Betriebe im April 2020 nicht geöffnet sind. Insgesamt gehen wir in der Szenario Berechnung für das Winter-Tourismushalbjahr 2019/20 von einem Nächtigungsrückgang von 14,1 % aus. Der Nächtigungsrückgang zieht einen Auslastungsrückgang mit sich und führt automatisch zu einer schlechteren Preisdurchsetzung. 7
Prognose Winter 2019/2020 Die Winter-Hochrechnung (November-April) für die Beherbergungsbetriebe ergibt ein Nächtigungs-Minus von 14,1 %. Der Umsatz sinkt aufgrund der schlechteren Preisdurchsetzung gegen Ende des Winters sogar um 14,7 %. Prognose Winter Winter Nächtigungen 2019/2020 2018/2019 Rückgang 61,5 Mio. 72,7 Mio. 11,2 Mio. -14,1% Prognose Winter Planung vor Umsätze 2019/2020 Corona-Krise Rückgang 4,6 Mrd. € 5,5 Mrd. € 0,89 Mrd. € -14,7% 8
Szenario Ausblick Der heimische Tourismus kann trotzdem für die Monate Dezember 2019 bis Februar 2020 auf eine sehr erfreuliche Wintersaison 2019/20 zurückblicken. Diese Monate brachten ein deutliches Plus bei den Nächtigungen. Ebenfalls führte das Schaltjahr zu einer deutlichen Nächtigungssteigerung im Februar 2020. Auf der anderen Seite sorgte der hohe Anteil an Buchungs-Annullierungen für einen historischen Tiefstand der Auslastung in der Hotellerie zwischen Mitte März 2020 und April 2020. Im April wird österreichweit gerade noch mit einer Belegung von 13 % gerechnet. Das Ostergeschäft hat sich sowieso in Luft aufgelöst. Nach unseren ersten Schätzungen betragen daher die Gastronomieverluste im touristischen Winterhalbjahr 2019/20 (November bis April) 16,5 %. Ein konkreter Hoffnungsschimmer in unserer Berechnung ist durch die Tatsache begründet, dass der heimische Tourismus nach Krisenzeiten oft sehr gut funktioniert und sich gut erholt hat. In einer solchen Ausnahmesituation werden sich sehr viele Beherbergungsbetriebe vorerst auf den Heim- bzw. Nahmarkt konzentrieren. Dadurch werden im laufenden Jahr die vom einheimischen Tourismus getriebenen Destinationen weniger leiden als die international ausgerichteten. 9
Sommer 2020 in drei Szenarien
Best-Case Mai-November 2020 Szenario 1 (Best-Case): Ende April bzw. Anfang Mai dürfen einige Geschäfte und Dienstleister wieder öffnen. Zeitgleich nehmen auch Büros wieder ihre Arbeit auf. Flughäfen und Grenzen bleiben zwar noch geschlossen, aber langsam wird der Tourismus wieder hochgefahren. Hotels und Gastronomiebetriebe können voraussichtlich ab Mitte Mai stufenweise wieder öffnen. Zahlreiche Zweisaisonbetriebe, die letztendlich eine höhere Profitabilität im Winter aufweisen, werden hingegen im Sommer 2020 den Betrieb nicht aufnehmen und erst wieder zum Beginn der Wintersaison ihre Tore öffnen. Der Reisebetrieb läuft also ab Mitte Mai langsam und mit Einschränkungen an. Zunächst wird es Lockerungen bei Inlandsreisen geben. Reisebeschränkungen in anderen Ländern bleiben aber noch aufrecht, was die Nachfrage aus dem Ausland nachhaltig dämpfen wird. In einer weiteren Phase ist eine europäische bzw. eine kontinentale Lockerung denkbar. Erst in einer letzten Phase, wenn wirklich alle Restriktionen aufgehoben sind, werden touristische Interkontinentalreisen wieder möglich sein. 11
Szenarien-Übersicht Sommer 2020 In der Szenarien-Simulation wird angenommen, dass die verminderte Reisefreudigkeit aufgrund des Coronavirus (COVID-19) die Sommersaison 2020 wie folgt beeinflussen wird: Nächtigungsrückgang Sommer 2020 Ausländer Inländer Gesamt Szenario 1 Best Case -40,2% -20,6% -34,4% Szenario 2 Bad Case -50,5% -30,8% -44,7% Szenario 3 Worst Case -60,7% -40,6% -54,8% Bei den Szenarien 2 und 3 wird erwartet, dass die Krise und die damit verbundene konjunkturelle Situation innerhalb und außerhalb Europas bis Juli/August 2020 (oder sogar darüber hinaus) anhält. In diesen Szenarien gehen wir davon aus, dass die Nachfrage nach Urlaubsreisen noch stärker sinkt und durch die verringerte Einkommenssituation die Realwirtschaft noch länger negativ beeinflusst wird. Auch die Grenzschließungen und Reisebeschränkungen bleiben in diesen Szenarien länger aufrecht. 12
Umsatzeinbußen Sommer 2020 (Beherbergung) Umsatzeinbußen Sommer Gesamt Entwicklung (Beherbergung) (vgl. zu VJ) (vgl. zu VJ) Szenario 1 Best Case -2,2 Mrd. € -42,2% Szenario 2 Bad Case -2,8 Mrd. € -53,0% Szenario 3 Worst Case -3,3 Mrd. € -62,8% 13
Prognose Tourismusjahr 2019/2020
Nächtigungsprognose Beherbergung Tourismusjahr 2019/2020 (Nov.-Okt.) Nächtigungsprognose Prognose Winter Beherbergung 2019/2020 Sommer 2020 % zum VJ Szenario 1 Best Case - 14,1 % - 34,4 % - 24,6 % Szenario 2 Bad Case - 14,1 % - 44,7 % - 30,0 % Szenario 3 Worst Case - 14,1 % - 54,8 % - 35,2 % 15
Umsatzprognose Beherbergung Tourismusjahr 2019/2020 (Nov.-Okt.) Umsatzprognose Prognose Winter Beherbergung 2019/2020 Sommer 2020 Gesamtrückgang % zum VJ Szenario 1 Best Case -0,81 Mrd. € -2,2 Mrd. € -3,0 Mrd. € -28,9% Szenario 2 Bad Case -0,81 Mrd. € -2,8 Mrd. € -3,6 Mrd. € -34,3% Szenario 3 Worst Case -0,81 Mrd. € -3,3 Mrd. € -4,1 Mrd. € -39,3% 16
Schlussfolgerungen
Gastronomie In der Gastronomie-Berechnung gehen wir vom Best-Case-Szenario (siehe Folie 11) aus. In den ersten 9 Wochen des Jahres 2020 hat sich demnach das Geschäft wie im Vorjahr entwickelt. Mit Auftreten der ersten Coronavirus-Fälle (Ende Februar) kam es aufgrund von beginnenden Verunsicherungen und Veranstaltungsausfällen bereits zu Umsatzeinbußen in der Gastronomie. Jahresumsätze Entwicklung Gastronomie Umsatz zu VJ 2018 11,0 Mrd. € 2019 11,4 Mrd. € 4,0% 2020 8,1 Mrd. € -28,8% Ab KW 12 (Restaurantschließungen) waren nur noch rund 10 % der Gesamtumsätze zu erwirtschaften (Lieferservice, etc.). Im Best-Case wird ab Mitte Mai von einem gastronomischen Re-Start (vorerst Mittagsgeschäft) ausgegangen. In den folgenden Monaten erholt sich der Gastronomiesektor bis KW 40 nach und nach. Auf die ganze Gastronomiebranche hochgerechnet kann man von Umsatzverlusten in der Höhe von rund 3,3 Milliarden Euro (-28,8 %) im Vergleich zu 2019 ausgehen. 18
Schlussfolgerung Ergebnis: Umsatzverluste in Milliardenhöhe Ausgehend vom geschätzten jährlichen Gesamtumsatz von 10,6 Milliarden Euro kommt die österreichische Beherbergungsbranche (16.500 Betriebe) im Best-Case auf einen Umsatzverlust von 3,1 Milliarden Euro (minus 29 % zum Vorjahr), wobei die Summe der Ausgaben der Tagesgäste noch nicht eingerechnet ist. Der Nächtigungsrückgang für das Tourismusjahr 2019/2020 beläuft sich im Best-Case auf minus 25 %. Im Durchschnitt (Best-Case) verringert sich der Erlös jedes Beherbergungsbetriebs um 190.000 Euro im Tourismusjahr 2019/2020. Im Best-Case werden 85 % der über 16.500 Beherbergungsbetriebe im laufenden Jahr in die Verlustzone rutschen. Bei Eintreten des Worst-Case-Szenarios würden die Umsätze der Beherbergungsbetriebe wieder auf das Niveau von 2008 zurückfallen. 19
Anhang
Auszug der Berechnungen 21
Thomas Reisenzahn Marco Riederer Prodinger Tourismusberatung Professor-Ferry-Porsche-Straße 28, 5700 Zell am See Parkring 12/80b, 1010 Wien Tel: +43 1 890 730 9 tourismusberatung@prodinger.at, www.prodinger.at Die Prodinger Beratungsgruppe ist Mitglied in mehreren Netzwerken. Die Prodinger Steuerberatung ist unabhängiges Mitglied der GGI Geneva Group International.
„Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“ Oscar Wild Prodinger Tourismusberatung Professor-Ferry-Porsche-Straße 28, 5700 Zell am See Parkring 12/80b, 1010 Wien Tel: +43 1 890 730 9 tourismusberatung@prodinger.at, www.prodinger.at Die Prodinger Beratungsgruppe ist Mitglied in mehreren Netzwerken. Die Prodinger Steuerberatung ist unabhängiges Mitglied der GGI Geneva Group International.
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