Potenziale einer externen Kostenremanenzanalyse für das Controlling - Beck.de

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WISSEN

Potenziale einer externen
Kostenremanenzanalyse für das
Controlling
Am Beispiel der Luftfahrtindustrie
Kostenremanenz oder Cost Stickiness ist ein in den letzten Jahren häufig empi-
risch beforschtes Feld im Controlling. Bisher wenig Beachtung fand jedoch die
Nutzung der Kostenremanenzanalysen in der Praxis. Die Autoren zeigen am
Beispiel der Luftfahrtindustrie, wie die Methodik in die Praxis übertragen werden
kann und welche Handlungsempfehlungen sich für Unternehmen hieraus
ergeben.

Michael Graßmann, Stephan Fuhrmann und Thomas Günther
                                                                                                                  Michael Graßmann,
                                                                                                                  M.Sc., ist wissenschaft-
1. Cost Stickiness und ihre Bedeutung für                bei der Beschäftigungszunahme gestiegen sind. Die        licher Mitarbeiter am Lehr-
   die Unternehmenspraxis                                tatsächlichen Kosten verbleiben auf einem höheren        stuhl für Betriebliches
                                                         Niveau (K2 > K0; vgl. Tondock, 2011, S. 361). Cost       Rechnungswesen/Control-
In der traditionellen Kostenrechnung wird zwi-           Stickiness steht der Annahme linearer Kostenver-         ling an der Technischen
schen fixen und variablen Kosten unterschieden.          läufe somit konträr gegenüber. Der gegenläufige Ef-
                                                                                                                  Universität Dresden. E-Mail:
                                                                                                                  michael.grassmann@tu-
Dabei werden in der Praxis i. d. R. rein lineare Kos-    fekt, stärkerer Kostenrückgang beim Mengenabbau
                                                                                                                  dresden.de
tenverläufe angenommen, wobei sich variable Kos-         im Vergleich zum Kostenanstieg beim vorangegan-
ten bei Mengensteigerung um den gleichen Pro-            genen identischen Mengenaufbau, wird als Anti-
zentsatz erhöhen, wie sie bei Mengenabbau fallen.        Stickiness bezeichnet.
Die Symmetrie der variablen Kosten wird seit Jahr-          Cost Stickiness resultiert aus dem Verhalten
zehnten in der wissenschaftlichen Forschung kont-        von Managern, die Ressourcen im Falle eines
rovers diskutiert. Bereits 1925 erwähnte Hasenack        Nachfragerückganges langsamer nach unten an-
erstmals Trägheitserscheinungen bei Kosten (Kos-         zupassen, als im Falle eines Nachfrageanstiegs
tenremanenz; vgl. Hasenack, 1925 zitiert nach:           aufzubauen. Diese fehlende Reduktion führt zum
Beltz, 2014, S. 5). Bis heute diskutiert vor allem die   Aufrechterhalten ungenutzter Kapazitäten (vgl.
empirische, englischsprachige Accounting-Litera-         Anderson et al., 2003, S. 48; Günther et al., 2013,
tur die Problematik auf der Basis von Jahresab-          S. 303). Davon abgegrenzt werden müssen Entste-          Stephan Fuhrmann,
schlussdaten unter dem Begriff der Cost Stickiness.      hungsgründe, die für das Unternehmen zumin-              M.Sc., ist wissenschaft-
Cost Stickiness besitzt jedoch ebenso für die Praxis     dest kurzfristig nicht veränderlich sind, wie z. B.      licher Mitarbeiter am Lehr-
eine hohe Relevanz, da sich Unternehmen perma-           langfristig abgeschlossene Verträge (vgl. Tondock,       stuhl für Betriebliches
nent gezwungen sehen, Ressourcen im Falle eines          2011, S. 361). Die Literatur gruppiert die Entste-       Rechnungswesen/Control-
                                                                                                                  ling an der Technischen
Beschäftigungsrückganges kurzfristig anpassen zu         hungsgründe von Cost Stickiness in drei Dimen-
                                                                                                                  Universität Dresden. E-Mail:
können, ohne hierbei die zukünftige Wettbewerbs-         sionen:                                                  stephan.fuhrmann@tu-
fähigkeit bei einer sich erholenden Nachfrage zu           (1) Monetäre Anpassungskosten entstehen bei            dresden.de
gefährden (vgl. Beltz, 2014, S. 1).                             der Verringerung vorhandener Ressourcen
  Abb. 1 verdeutlicht das Konzept der Cost Sticki-              und sind eine ökonomisch begründbare Ur-
ness. Die Beschäftigung nimmt zunächst von x0 auf               sache für Kostenremanenz. Exemplarisch
x1 zu und anschließend wieder von x1 auf x2 (= x0)              lassen sich Abfindungszahlungen an freige-
ab. Es wird ersichtlich, dass die Kosten zwar zu-               setzte Mitarbeiter bei Abbau, sowie Installati-
nächst von K0 auf K1 steigen, jedoch nicht im glei-             ons- und Customizing-Kosten für das Anla-
chen Maße wieder abnehmen, wie sie im Vorfeld                   gevermögen bei Wiederaufbau nennen,

29. JAHRGANG 2017 · 3/2017                                                                                                                 39
POTENZIALE EINER EXTERNEN KOSTENREMANENZANALYSE FÜR DAS CONTROLLING

                                                                                                       Unternehmen eignen sich jedoch nicht zur Analyse
 Zentrale Aussagen
                                                                                                       der individuellen Betroffenheit einzelner Unter-
                                                                                                       nehmen. Anderson et al. (2003) nutzen bspw. eine
 䊏    Auf der Basis von externen Quartalsdaten lassen sich Cost Stickiness-Analysen für die Praxis
                                                                                                       Panelregression auf der Basis von 7.629 Unterneh-
      umsetzbar gestalten.
                                                                                                       men über einen Zeitraum von 19 Jahren, weshalb
 䊏    Die aus einer externen Kostenremanenzanalyse gewonnenen Daten müssen bezüglich ihrer
                                                                                                       sich lediglich statistische Schlussfolgerungen für
      Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund der spezifischen Situation eines einzelnen Unter-
                                                                                                       diese Grundgesamtheit ergeben. Ebenso verbleibt
      nehmens betrachtet werden.
                                                                                                       unklar, welchen Einfluss Strukturbrüche im Zeit-
 䊏    Externe Kostenremanenzanalyse kann das operative Controlling, insbesondere die Budgetie-
                                                                                                       verlauf (z. B. Veränderung der Geschäftsmodelle
      rung, das strategische Controlling, die Cashflow-Planung sowie die Gestaltung von Anreizsys-
                                                                                                       der Unternehmen in der Stichprobe) auf die Ergeb-
      temen bereichern.
                                                                                                       nisse haben. Eine Identifikation des konkreten
                                                                                                       Ausmaßes der Kostenremanenz im einzelnen Un-
                                    (2) Soziale Anpassungskosten beinhalten nicht-                     ternehmen ist jedoch notwendig, um die Er-
                                          monetäre Effekte, wie den Verlust von Ar-                    wünschtheit von Cost Stickiness einzuschätzen
                                          beitsmoral, den Abbau von Humankapital                       und hieraus Schlussfolgerungen für die Unterneh-
                                          durch Auflösung bestehender Teamstruktu-                     menssteuerung abzuleiten. Daher werden im Fol-
                                          ren sowie den Verlust von Unternehmensre-                    genden die regressionsbasierten Kostenremanenz-
                                          putation z. B. bei betriebsbedingten Kündi-                  analysen in eine praxisnähere, weniger datenauf-
                                          gungen,                                                      wändige, deskriptive Kostenremanenzanalyse
                                    (3) Empire Building bezeichnet ein Verhalten,                      übertragen. Auf der Basis extern verfügbarer Quar-
                                          das zum einen vermeidbar und zum anderen                     talsabschlussdaten ermöglicht der vorgestellte An-
                                          nicht unternehmerisch intendiert ist. Hie-                   satz die Identifikation von Cost Stickiness für ver-
Prof. Dr.
Thomas Günther ist                        runter fallen die Angst von Managern vor                     schiedene Kostenarten auf Einzelunternehmens-
Inhaber der Professur für                 Machtverlust oder Budgetkürzungen (vgl.                      ebene, indem die verhältnismäßigen Anstiege der
Betriebliches Rechnungs-                  Anderson et al., 2003, S. 49 f.; Günther et al.,             Kosten in Relation zum Umsatz in Quartalen mit
wesen/Controlling an der                  2013, S. 303 f.; Mahlendorf, 2009, S. 193 f.;                einem Umsatzanstieg den entsprechenden Werten
Technischen Universität                   Tondock, 2011, S. 361).                                      in den Quartalen mit einem Umsatzrückgang ge-
Dresden. E-Mail: thomas.
                                  Stufen Manager die anfallenden Anpassungskosten                      genübergestellt werden. Für diese deskriptive Re-
guenther@tu-dresden.de
                                  höher ein als die Kosten für die Aufrechthaltung                     manenzanalyse auf Basis externer Rechnungswe-
                                  nicht mehr benötigter Ressourcen, resultiert ggf.                    sendaten wird der Begriff externe Kostenrema-
                                  eine Cost Stickiness.                                                nenzanalyse eingeführt.
                                    Die aufgeführten Gründe wurden empirisch, auf                         Dieser Beitrag stellt einen Ansatz zur praxisna-
                                  Basis regressionsbasierter Analysen von Anderson                     hen Lösung des Problems hoher Datenanforderun-
                                  et al. (2003), teilweise nachgewiesen. Hierbei wer-                  gen bisheriger Remanenzanalysen vor. Abschnitt 2
                                  den die einzelnen Kostenarten mittels Datenbank-                     illustriert die Methodik der externen Kostenrema-
                                  daten für eine große Anzahl von Unternehmen den                      nanzanalyse für den Fall der Luftfahrtindustrie.
                                  entsprechenden Mengenänderungen, gemessen                            Abschnitt 3 zeigt Möglichkeiten und Einschrän-
                                  durch das Surrogat Umsatzerlöse, ökonometrisch                       kungen des Verfahrenseinsatzes im Unternehmens-
                                  gegenübergestellt. Derartige Querschnittsergebnis-                   alltag auf. Hierauf aufbauend verdeutlicht Ab-
                                  se für eine großzahlige Stichprobe verschiedener                     schnitt 4 interne und externe Handlungsempfeh-
                                                                                                       lungen. Ein Fazit und ein Ausblick in Abschnitt 5
                                                                                                       schließen den Beitrag ab.
     Kosten K
                                                                                                       2. Cost Stickiness am Beispiel der
                                                                                                          Luftfahrtindustrie
                                                     Geplante Kosten

      K1                                                                                               Die Luftfahrtindustrie als Repräsentant
                         Tatsächliche Kosten                                                           kostengeleiteter Strategietypen
                                                                                                       In nur wenigen Branchen treffen derartig unter-
      K2
            Cost Stickiness                                                                            schiedliche Strategien aufeinander wie in der
      K0                                                                                               Luftfahrtindustrie. Network-Airlines stehen hier-
                                                                                                       bei den Low-Cost-Airlines gegenüber. Schwer-
                                                                                                       punktmäßig unterscheiden sich beide Strategiety-
                                           x2          x1                                              pen vor allem in der Strenge ihres Kostenmanage-
                                           x0          x1                                              ments, weshalb diese Industrie für die Identifika-
                                                                                                       tion von Kostenremanenz mittels externer Kosten-
                                 x0=2                           x1                                     remanenzanalyse interessant erscheint. Innerhalb
                                                                           Beschäftigung x
                                                                                                       der Gruppe der Network-Airlines lassen sich als
Abb. 1: Visualisierung der Cost Stickiness (in Anlehnung an Tondock, 2011,                             Sonderfall die Golf-Airlines benennen, da diese
S. 361)                                                                                                im Besitz ihrer Heimatstaaten stehen. Hieraus re-

40                                                                                            CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
WISSEN

sultieren Diskussionen in Bezug auf wettbewerbs-
belastende Subventionen (vgl. Lufthansa, 2016a,                                                           Dimension                                     Ausprägung
S. 1 f.). Die wesentlichen Charakteristika einer
                                                                                                          Ticketpreise                                     Niedrig
Low-Cost-Airline fasst Abb. 2 zusammen. Für Net-
work-Airlines ergeben sich spiegelbildliche Aus-                                                            Vertrieb                                        Direkt
prägungen.                                                                                                  In-Flight                 Einheitliche Serviceklasse, hohe Sitzdichte
  Während Network-Airlines sich an der Strategie
                                                                                                         Flugzeugtyp                 Einzelnes Modell mit hoher Nutzungsdauer
der Qualitätsführerschaft orientieren, liegt der Fo-
kus der Low-Cost-Airlines auf einer Kostenführer-                                                         Flugstrecke                Kurzstrecke, Punkt-zu-Punkt-Verbindungen
schaft (vgl. Doganis, 2006, S. 156; Groß/Schröder,
                                                                                                           Flughäfen                  Sekundäre Airports, schnelle Turnarounds
2005, S. 88 f.). Vor dem Hintergrund historisch ge-
wachsener Kostenstrukturen ist die notwendige                                                              Personal                              Geringer Personaleinsatz
Kostenflexibilität, die diese Strategie bedingt, bei
den Network-Airlines kritisch zu hinterfragen.                                                    Abb. 2: Charakteristika des Geschäftsmodells von Low-Cost-Airlines (in An-
  Die zu untersuchende Stichprobe umfasst je 20                                                           lehnung an Doganis, 2006, S. 157)
Quartalsberichte des Zeitraumes 2011 bis 2015. Die
Network-Airlines werden durch Air France und                                                      alle jährlichen Wachstumsraten (Compound Annu-                     Kostenremanenz-
Lufthansa vertreten, die Low-Cost-Airlines durch                                                  al Growth Rate, CAGR) dient als Trenngröße an der                  analysen über-
Ryanair und Easyjet, die Golf-Airlines durch Emi-                                                 Ordinate. Die Kreisgröße stellt die Höhe des Umsat-                wachen die Kosten-
rates.                                                                                            zes im Jahr 2015 dar.                                              flexibilität als
  Die Bedeutung des Kostenmanagements in der                                                         Die Network-Airlines besitzen noch immer eine                   strategischen
Luftfahrtindustrie soll in Vorbereitung auf die Dis-                                              historisch gewachsene starke Marktstellung, die je-                Erfolgsfaktor.
kussion der externen Kostenremanenzanalyse                                                        doch durch unterdurchschnittliche Wachstumsra-
durch Betrachtung der Marktdynamik untermauert                                                    ten gefährdet ist. Die Low-Cost-Airlines Ryanair
werden. Abb. 3 stellt ein auf der Basis von externen                                              und Easyjet zeigen eine überdurchschnittliche
Daten der Jahre 2011 bis 2015 erarbeitetes Markt-                                                 CAGR. Im Hinblick auf die im Folgenden vorge-
präsenz-Marktwachstums-Portfolio dar. Die An-                                                     stellte Methodik der externen Kostenremanenzana-
wendung eines Multiindikatorverfahrens für die                                                    lyse verdeutlicht die Portfolioanalyse, dass die Net-
relative Marktpräsenz ist notwendig, da eine ein-                                                 work-Airlines durch die stark wachsenden Low-
zelne Kennzahl der Komplexität dieser Branche                                                     Cost-Airlines, die durch ein striktes Kostenma-
nicht ausreichend Rechnung trägt. Ein Wert größer                                                 nagement gekennzeichnet sind, unter Druck gera-
als Eins ist als Marktdominanz zu interpretieren.                                                 ten.
Durch die Gewichtung mehrerer Einflussfaktoren
kann ein Multiindikatorverfahren dazu führen,                                                     Empirische Befunde der Fallstudie
dass keines der betrachteten Unternehmen einen                                                    62 % der von PwC in einer Studie befragten Vor-
Wert größer als Eins erreicht. Der Mittelwert über                                                stände von Luftfahrtgesellschaften betrachteten die

                                       25 %

                                                                                                 Emirates
  Compound Annual Growth Rate (CAGR)

                                       20 %
      des Umsatzes 2011 bis 2015

                                       15 %

                                                                                                              Easyjet
                                                                                                 Ryanair
                                       10 %

                                       5%
                                                                                   Lufthansa
                                                                                                 Air France
                                       0%
                                         1,40              1,20            1,00           0,80            0,60            0,40            0,20            0,00

                                       -5 %                                           Relative Marktpräsenz*

                                              * Berechnet auf der Basis von Umsatz 2015, Anzahl der Passagiere 2015, EBIT 2015, verkaufte Sitzkilometer 2015
                                                und Marge je angebotenem Sitzkilometer 2015 jeweils im Verhältnis zum erfolgreichsten Wettbewerber der betrach-
                                                teten Unternehmen. Die Kennzahlen gehen hierbei gleichgewichtet in die Berechnung der relativen Marktpräsenz ein.

Abb. 3: Marktpräsenz-Marktwachstums-Portfolio

29. JAHRGANG 2017 · 3/2017                                                                                                                                                           41
POTENZIALE EINER EXTERNEN KOSTENREMANENZANALYSE FÜR DAS CONTROLLING

                                                                                                 Für die Lufthansa zeigt sich z. B. ein mittlerer
                                                                                              Anstieg der Materialkosten von 11,39 % in Quarta-
                                                                    Treibstoff                len mit einem Umsatzanstieg, der hierbei im Mittel
                                       Materialkosten             Treibstoffkosten
                                                                                              15,19 % betrug. Die Division beider Größen führt
                                       Treibstoffkosten
                                       Gebühren                                               zu einem mittleren Anstieg der Materialkosten von
     Operative Kosten                                               Gebühren
                                       Operatives Leasing                                     0,750 % pro Anstieg des Umsatzes um 1 % oder
     Materialkosten                                               Flughafengebühr
                                       Sonstige Materialkosten                                einer Kostensensitivität von 0,750. Für Quartale
     Personalkosten                                               Handling
     Abschreibungen                                                                           mit Umsatzrückgang ergibt sich pro 1 % Rückgang
                                                                  Navigationsgebühren
     Sonstige operative Kosten         Personalkosten                                         ein Materialkostenabbau von 0,721 %. Im Ver-
                                       Personalkosten
                                       (inkl. Sozialleistungen)                               gleich ist die lineare Kurve beim Aufbau steiler als
                                                                                              beim Abbau. Als Differenz ergibt sich ein Kostenre-
                                                                                              manenz-Effekt von 0,721–0,750 = -0,029. Das nega-
Abb. 4: Bestandteile der betrachteten Kostenarten                                             tive Vorzeichen impliziert, dass der prozentuale
                                                                                              Kostenanstieg beim Umsatzanstieg den entspre-
                                 Kontrolle der laufenden Kosten als oberste Priorität         chenden prozentualen Rückgang bei einem Um-
                                 (vgl. PwC, 2015, S. 7). Beispielhaft will Eurowings          satzrückgang übersteigt, was Cost Stickiness an-
                                 innerhalb des Zeitraums von 2015 bis 2020 die                zeigt. Bei einer positiven Differenz liegt Anti-Sti-
                                 Kosten pro angebotenem Sitzkilometer um 28 %                 ckiness vor und im Falle rein linearer Kostenver-
                                 senken (vgl. Lufthansa, 2016b, S. 29). Um hierbei            läufe beträgt die Differenz beider Koeffizienten
                                 Erfolge zu erzielen, ist aus Sicht des Controllings          Null.
                                 insbesondere die Stickiness zu untersuchen, um                  Die empirischen Ergebnisse der Fallstudie zeigt
                                 deren Ursachen und Erwünschtheit beurteilen zu               Abb. 5. Eine Betrachtung von Emirates ist nicht
                                 können. Basierend auf der vorgestellten Stichprobe           möglich, da ausschließlich Umsatzanstiege berich-
                                 und deren Unterteilung in die verschiedenen Stra-            tet wurden. Weiterhin verdeutlicht Abb. 5 im Ab-
                                 tegietypen erfolgt im Anschluss eine externe Kos-            schnitt „Wirtschaftliche Rahmenbedingungen der
                                 tenremanenzanalyse sowohl für aggregierte als                Unternehmen im Jahr 2015“ den deutlich höheren
                                 auch für zerlegte Kostenarten. Abb. 4 fasst die un-          Markterfolg der Low-Cost-Airlines.
                                 tersuchten Kostenarten sowie ihre Bestandteile zu-              Der Stickiness-Parameter ist als relatives Maß
                                 sammen.                                                      für die Fähigkeit eines Unternehmens zur Kosten-
Die Nutzung öffent-                 Die Daten für die externe Kostenremanenzanaly-            anpassung im Zeitverlauf zu sehen. Er erlaubt den
lich verfügbarer                 se wurden aus externen Quartalsabschlüssen (inkl.            Vergleich unterschiedlicher Kostenarten und Un-
Daten ermöglicht                 Anhangsangaben) je Unternehmen für die fünf Jah-             ternehmen. Seine absolute Größe unterstreicht die
Kostenremanenz-                  re 2011 bis 2015 entnommen. Bei internen Analy-              Notwendigkeit der Berücksichtigung von Cost Sti-
analysen mit                     sen kann wesentlich feiner auf Monatsabschlüsse              ckiness der jeweiligen Kostenart im Controlling,
geringem Aufwand.                zurückgegriffen werden. Die den Jahresabschlüs-              der strategischen Planung und der Unternehmens-
                                 sen entnommenen Daten sind rein definitorisch als            bewertung. Auf der Basis der Abschlussdaten von
                                 Aufwand zu bezeichnen, obwohl für die Kosten-                2015 für Lufthansa ist für einen hypothetischen
                                 analyse prinzipiell Kostendaten zugrunde zu legen            Anstieg des Umsatzes von 1 % in 2016 (+244,99
                                 wären. Aus der Sicht der Autoren ist die Verwen-             Mio. c) z. B. mit einem Anstieg der Personalkosten
                                 dung externer Jahresabschlussdaten als unbedenk-             von 0,366 % (+17,09 Mio. c) zu rechnen. Bei einem
                                 lich einzustufen, da, abgesehen von den Abschrei-            späteren Rückgang des Umsatzes um 1 % würden
                                 bungen, ausschließlich Grundkosten betrachtet                auf Basis der errechneten Sensitivitätskoeffizienten
                                 werden. Wir sprechen fortan vereinfachend von                die Personalkosten jedoch nur um 0,228 % (-10,66
                                 „Kosten“ statt von „Aufwendungen“.                           Mio. c) sinken. Damit ergibt sich für diese hypothe-
                                    Für die externe Kostenremanenzanalyse wird für            tische Gesamtbewegung des Umsatzes im Zeitver-
                                 jedes einzelne Quartal die prozentuale Kostenver-            lauf eine Mehrbelastung von 6,43 Mio. c gegenüber
                                 änderung einer betrachteten Kostenart zur prozen-            Ryanair, die bei der gleichen Umsatzfolge keine
                                 tualen Umsatzveränderung in Relation gesetzt, was            Stickinesseffekte (Sensitivitätskoeffizient 0,000)
                                 der Sensitivität der Kosten entspricht. Die Sensiti-         aufweisen würde.
                                 vitäten werden getrennt für Quartale mit wachsen-               Im Gesamtbild zeigt sich bei den Network-Air-
                                 den und schrumpfenden Umsätzen ermittelt. Da im              lines eine deutlich stärker ausgeprägte Stickiness
                                 Jahresabschluss nicht zwischen fixen und variab-             gegenüber den Vertretern der Low-Cost-Strategie
                                 len Kosten getrennt wird, liegen Vollkosten zu-              (schattierte Felder in Abb. 5). Bei Lufthansa und
                                 grunde, obwohl Cost Stickiness streng genommen               Air France verhalten sich, abgesehen von den
                                 nur die variablen Kosten betrifft. In den Regres-            Treibstoffkosten, alle Kostenarten zumindest leicht
                                 sionsanalysen wird dies vergleichbar gehandhabt              remanent. Im Gegensatz hierzu zeigt bei Ryanair
                                 (vgl. Anderson et al., 2003). Für externe Analysen           keine Kostenart eine Remanenz. Easyjet weist ne-
                                 ergibt sich damit eine begrenzte Möglichkeit zur             ben den Personalkosten lediglich in den operativen
                                 Berücksichtigung von Fixkostendegressionseffek-              Kosten eine minimale Stickiness auf. Dies kann als
                                 ten.                                                         Indiz dafür gesehen werden, dass die Low-Cost-

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WISSEN

 Sensitivität bei einem                       Lufthansa         Air France      Easyjet        Ryanair
 einprozentigen Umsatzanstieg
 Operative Kosten                                0,529             0,306          0,389          0,447
 Materialkosten                                  0,750             0,513          0,475          0,529
 Personalkosten                                  0,366             0,023          0,181          0,255
 Treibstoffkosten                                0,714             0,582          0,617          0,590
 Gebühren                                        0,674             0,651          0,499          0,551

 Sensitivtät bei einem                        Lufthansa         Air France      Easyjet        Ryanair
 einprozentigen Umsatzrückgang
 Operative Kosten                                0,499             0,293          0,384          0,508
 Materialkosten                                  0,721             0,437          0,536          0,591
 Personalkosten                                  0,138            -0,130          0,097          0,255
 Treibstoffkosten                                0,724             0,610          0,640          0,650
 Gebühren                                        0,661             0,598          0,561          0,628

 Stickiness-Parameter der Kostenart           Lufthansa         Air France      Easyjet        Ryanair

 Operative Kosten                               -0,030            -0,013          -0,005         0,061
 Materialkosten                                 -0,029            -0,076          0,061          0,062
 Personalkosten                                 -0,228            -0,153          -0,084         0,000
 Treibstoffkosten                                0,010             0,028          0,023          0,060
 Gebühren                                       -0,013            -0,053          0,062          0,077

 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen            Lufthansa         Air France      Easyjet        Ryanair
 der Unternehmen im Jahr 2015
 Umsatzrendite                                   2,57 %           -1,14 %        14,70 %        18,45 %
 Umsatzwachstum                                  6,81 %            4,59 %         9,22 %        15,60 %
 Market-to-Book Ratio                            1,17             -5,62           3,07           5,51
 Total Shareholder Return                        5,06 %          -11,85 %         6,86 %        58,39 %
Abb. 5: Ergebnisse zur Sensitivität der einzelnen Kostenarten

Airlines ihre Kostenpositionen strikter steuern und      durch eine konsequente Kostensenkung mit Maß-        Low-Cost-Airlines
Kostenvorteile durch einen konsequenten, teilwei-        nahmen wie Leistungseinschränkungen, Nachver-        zeigen eine striktere
se überlinearen Kostenabbau im Falle rückläufiger        handlungen mit Geschäftspartnern sowie entspre-      Kostensteuerung
Umsätze erreichen.                                       chenden Stilllegungen von Flottenteilen begegnet     und flexiblere
   Die Treibstoffkosten zeigen für beide Kategorien      wird. Bei Network-Airlines ist im Gegensatz hierzu   Kostenstrukturen.
erwartungsgemäß ein nahezu lineares Verhalten            eine Aufrechterhaltung von Strecken und Service-
mit leichter Tendenz zu einer Anti-Stickiness. Die       standards häufiger zu beobachten, um ein Gesamt-
durchgehende Remanenz der Personalkosten bei             angebot von Zubringerflügen zu Hubs inklusive
allen Gesellschaften außer Ryanair ist vor dem Hin-      grundlegender Servicestandards zu gewährleisten.
tergrund langfristiger Arbeitsverträge sowie ent-        Diese Überlegungen spiegeln sich ebenso in den
sprechender Sozialstandards im Bilde einer sozial        Materialkosten wider, bei denen Lufthansa und Air
erwünschten Stickiness zu sehen. Im Falle von Ry-        France wiederum ein Remanenzverhalten zeigen,
anair spiegelt sich der umstrittene Einsatz selbst-      während Easyjet und Ryanair eine Anti-Stickiness
ständiger Piloten in dem nahezu komplett linearen        aufweisen. Auch bei der Kostenposition der Ge-
Verhalten der Personalkosten wider. Auf der über-        bühren spricht die Stickiness der Network-Airlines
geordneten Ebene der operativen Kosten zeigt sich        dafür, dass diese im Falle sinkender Umsätze län-
für Easyjet ein annähernd lineares Kostenverhal-         ger an kostenintensiven Strecken festhalten, um
ten, für Ryanair eine Anti-Stickiness. Bei Lufthan-      ein Gesamtnetz aufrechtzuerhalten, während Low-
sa und Air France hingegen existieren Anzeichen          Cost-Gesellschaften konsequent kostensenkendes
einer leichten Stickiness. Es ist davon auszugehen,      Verhalten im Rahmen von Nachverhandlungen der
dass Umsatzrückgängen bei den Low-Cost-Airlines          Gebühren oder auch Streckeneinstellungen betrei-

29. JAHRGANG 2017 · 3/2017                                                                                                       43
POTENZIALE EINER EXTERNEN KOSTENREMANENZANALYSE FÜR DAS CONTROLLING

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                                                                                                          Network-Airlines: Anti-Sticky
                                                                                                         Low-Cost-Airlines: Anti-Sticky

                                                                    Materialkosten
                                                                  Network-Airlines: Sticky
                                                                Low-Cost-Airlines: Anti-Sticky
                             Operative Kosten
                                                                                                                 Gebühren
                             Network-Airlines: Sticky
                                                                                                           Network-Airlines: Sticky
                         Low-Cost-Airlines: Nicht eindeutig
                                                                                                         Low-Cost-Airlines: Anti-Sticky
                              (Tendenz Anti-Sticky)
                                                                   Personalkosten
                                                                  Network-Airlines: Sticky
                                                              Low-Cost-Airlines: Nicht eindeutig
                                                                     (Tendenz Sticky)

                      Abb. 6: Ergebnisse der Cost Stickiness-Analyse je Kostenart

Kostenremanenz-       ben. Abb. 6 fasst die Ergebnisse grafisch zusam-              pro Passagierkilometer geprägt. Wird dieser Er-
analysen dienen als   men.                                                          lösrückgang nicht durch einen entsprechenden
wirksames Tool zur      Im Gesamtbild zeigt die Fallstudie der Luftfahrt-           Auslastungsanstieg kompensiert, führt dies zu
Wettbewerberana-      industrie, dass anhand einer geringen Anzahl ex-              einem Umsatzrückgang, der jedoch ohne ent-
lyse.                 tern verfügbarer Quartalsberichte mittels der Me-             sprechende Kostensenkungsprogramme nicht
                      thode der externen Kostenremanenzanalyse Auf-                 zu sinkenden Kosten führen kann, da kein Ab-
                      schlüsse sowohl über die eigenen Kostenrema-                  sinken des Volumens vorliegt. In Branchen, die
                      nenzstrukturen als auch die Positionen möglicher              durch eine hohe Preisdynamik gekennzeichnet
                      Konkurrenten gewonnen werden können. Derartige                sind, sollte die Verwendung einer Cost Sticki-
                      Ergebnisse bieten aufbauend auf die strategische              ness-Analyse differenziert nach Mengen- und
                      Portfolioanalyse einen Ansatzpunkt zur Einschät-              Preiseffekten erfolgen.
                      zung wachstumsstarker Konkurrenten. Bei der In-            䊏  Ein unterproportionaler Kostenanstieg kann
                      terpretation dieser Einschätzungen sollten jedoch             auch auf Fixkostendegressionseffekte, wie
                      folgende Einschränkungen der Methodik Beach-                  bspw. eine Verteilung der Fixkosten pro Flug auf
                      tung finden:                                                  eine höhere Ticketanzahl, die in höheren Um-
                      䊏  Ausreißer, ausgelöst z. B. durch eine plötzlich            satzerlösen resultiert, zurückzuführen sein.
                         ausbleibende Nachfrage, wirken durch die im             Insbesondere vor dem Hintergrund dieser Ein-
                         Gegensatz zu einer Regressionsanalyse begrenz-          schränkungen ist in der Praxis darauf zu achten,
                         te Fallzahl verzerrender.                               die gewonnenen Einblicke nicht ohne die Beach-
                      䊏  Wie bei Regressionsanalysen zur Cost Stickiness         tung des jeweiligen Umfeldes in Handlungen um-
                         (vgl. u. a. Anderson et al., 2003) werden Men-          zusetzen. Die Ergebnisse der Fallstudie müssen da-
                         genveränderungen über den Umsatz gemessen.              her beispielhaft sowohl in Bezug auf die eingangs
                         Umsatzänderungen können sich jedoch sowohl              vorgenommene strategische Analyse, jedoch auch
                         aus Preis- als auch aus Mengenänderungen erge-          im weiteren unternehmerischen Gesamtkontext be-
                         ben. Ein physikalisches Mengenmaß (z. B. Sitz-          trachtet werden, wozu Abschnitt 3 ausgewählte
                         kilometer) ist, falls verfügbar, vorzuziehen. Da        Anknüpfungspunkte bietet.
                         viele Luftfahrtgesellschaften sowohl ein Passa-
                         gier- als auch ein Cargo-Geschäft betreiben,            3. Bedeutung der fallspezifischen
                         musste in der Fallstudie auf den Umsatz zurück-            Interpretation der Ergebnisse
                         gegriffen werden. Es sei jedoch darauf hingewie-
                         sen, dass zwischen dem Umsatz und den ver-              Im Rahmen der externen Kostenremanenzanalyse
                         kauften Sitzkilometern z. B. bei Lufthansa eine         zeigen sich im Fallbeispiel Unterschiede hinsicht-
                         Korrelation von +0,88 und bei Ryanair von               lich des Ausmaßes der Cost Stickiness. Hieraus
                         +0,98 besteht, sodass die Annäherung in der             sollten jedoch keine vorschnellen Schlüsse auf
                         Fallstudie angemessen erscheint.                        Wettbewerbsvorteile oder -nachteile gezogen wer-
                      䊏  Die Stickiness einzelner Kostenpositionen muss          den. Der Aufbau von Überkapazitäten und die da-
                         vor dem Hintergrund der Modellvereinfachung             mit einhergehende Stickiness kann beabsichtigt
                         gesehen werden. Der derzeitige Luftfahrtmarkt           sein, z. B. als strategisches Mittel im Verdrän-
                         ist von stark sinkenden Durchschnittserlösen            gungswettbewerb, aber auch das Resultat eines

44                                                                     CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
WISSEN

unternehmerisch nicht intendierten Empire Buil-
                                                            Implikationen für die Praxis
dings sein. In der Praxis ist daher stets auf eine fall-
spezifische Interpretation der Koeffizienten zu ach-        䊏   Auf der Basis öffentlich verfügbarer Daten kann die Methodik der externen Kostenremanenz-
ten. Folgende Faktoren können Schlussfolgerungen
                                                                analyse ohne große Komplexität vereinfacht und praxisgerecht umgesetzt werden.
aus einer externen Kostenremanenzanalyse beein-             䊏   Externe Kostenremanenzanalysen bieten sowohl für das Controlling als auch für die Jahres-
flussen:
                                                                abschlussanalyse, Unternehmensbewertung, strategische Planung und die Risikobewertung
Gesamtwirtschaftliche Entwicklung (vgl. Ander-
                                                                vielfältige Potenziale.
son et al., 2003, S. 61)                                    䊏   Die externe Remanenzanalyse macht deutlich, ob kostenbasierte Strategietypen im Wettbe-
䊏  Informationen über das gesamtwirtschaftliche
                                                                werb umsetzbar sind.
   Umfeld, wie Wachstum und Inflation, sind für             䊏   Cost Stickiness sollte unter Abwägung von möglichen zukünftigen Nachfrageerholungen, An-
   das Unternehmen eine wichtige Planungsgröße.
                                                                passungskosten sowie immateriellen Effekten betrachtet werden, was u. U. zu gewünschter
䊏  Starkes makroökonomisches Wachstum führt
                                                                Remanenz führen kann.
   aufgrund positiver Zukunftserwartungen (z. B.
   mehr Fluggäste) i. d. R. zu höherer Stickiness.
䊏  Folge: Intendierte Stickiness, da Kapazitäten           gung des asymmetrischen Rückganges der Kosten                      Ergebnisse der
   (z. B. bei saisonalen Schwankungen) bereits             nach einem Kapazitätsaufbau. Hieraus folgen als                    Kostenremanenz-
   jetzt für zukünftiges Wachstum bereitgestellt           Handlungsempfehlungen:                                             analyse sind
   werden.                                                 䊏  Nutzung der Daten zur Kostenremanenz zur                        kontextspezifisch
Anlagenintensität (vgl. Anderson et al., 2003,                proaktiven Steuerung und Sensibilisierung für                   zu interpretieren.
S. 61)                                                        Kostenremanenz in Zeiten starken makroökono-
䊏  Anlagevermögen kann einen wesentlichen Pro-                mischen oder unternehmensspezifischen Wachs-
   duktionsfaktor darstellen.                                 tums,
䊏  Ein hohes Verhältnis des Anlagevermögens zum            䊏  Schneller Abbau überschüssiger Kapazitäten
   Umsatz begünstigt Stickiness, da eine Anpas-               im Rahmen unrentabler Überangebote, die über
   sung von Anlagevermögen zu Veräußerungskos-                eine Remanenzanalyse im Zeitverlauf identifi-
   ten und einem Verlust investierter Installations-          ziert werden können,
   kosten führt (z. B. operatives Leasing vs. Besitz       䊏  Ableitung realistischer Kostenplanungen bei er-
   der Flugzeuge).                                            warteten Umsatzveränderungen durch die Nut-
䊏  Folge: Intendierte Stickiness, da hohe Wieder-             zung berechneter Sensitivitätskoeffizienten.
   aufbaukosten der Kapazität bei möglicher späte-         Im Rahmen des strategischen Controllings ist ins-
   rer Erholung der Nachfrage (z. B. Erneuerung            besondere eine Plausibilisierung der Langfristpla-
   der Flotte).                                            nungen auf der Basis historischer Erfahrungen vor-
Managementanreize (vgl. Brüggen/Zehnder, 2014;             zunehmen, woraus sich folgende Handlungsemp-
Wiersma, 2010)                                             fehlungen ergeben:
䊏  Starke Corporate Governance fördert i. d. R. ein        䊏  Beachtung von realistischen Kostensenkungs-
   effizientes Kostenmanagement.                              potenzialen bei der Planung von Umsatzrück-
䊏  Stickiness steigt mit der Fristigkeit des Vergü-           gängen zur Vermeidung von a priori unrealisti-
   tungssystems, da kurzfristig kein Anreiz besteht           schen Kostensenkungszielen,
   Ressourcen abzubauen, aber langfristig Vorteile         䊏  Stärkere Berücksichtigung der Zusammenhänge
   aus möglicher Nachfrageerholung (z. B. Auf-                zwischen Kostenverhalten und strategischer
   rechterhaltung des Gesamtnetzes bei Network-               Ausrichtung insbesondere bei bestehendem
   Airlines) bestehen.                                        oder drohendem Kostenwettbewerb,
䊏  Folge: Intendierte Stickiness bei realistisch zu        䊏  Berücksichtigung von Kostenremanenz vor In-
   erwartender Nachfrageerholung, jedoch nicht                vestitionsentscheidungen und systematische
   intendierte Stickiness bei Empire Building-                Eruierung von Alternativen für Kapazitätsauf-
   Überlegungen des Managements (z. B. Saisonef-              bau (Lohnfertigung, Outsourcing, Franchising
   fekt vs. Verluststrecke).                                  etc.).
                                                           Im Bereich der Corporate Governance sollte stär-
4. Handlungsempfehlungen                                   ker auf eine differenzierte Betrachtung des Kosten-
                                                           verhaltens eingegangen werden, was folgende
Aufbauend auf die fallspezifische Interpretation der       Handlungsempfehlungen impliziert:
Sensitivitätskoeffizienten ergeben sich verschiede-        䊏  Sensibilisierung des Managements für Cost Sti-
ne Zielgruppen, für die die externe Kostenrema-               ckiness und aktive Suche durch Geschäftsfüh-
nenzanalyse relevant ist. Die folgenden unterneh-             rung und Aufsichtsgremien nach Wachstumsop-
mensinternen und -externen Handlungsempfehlun-                tionen zur Vermeidung von Unterauslastung,
gen zeigen konkrete Einsatzmöglichkeiten auf:              䊏  Vorgabe erreichbarer Ziele in Anreizsystemen
                                                              und Zielvereinbarungen unter Beachtung inten-
Interne Handlungsempfehlungen                                 dierter Stickiness, wobei insbesondere für die
Im Rahmen des operativen Controllings ergibt sich             interne Steuerung eine Trennung der Mengen-
die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichti-               und Preiseffekte vorzunehmen ist,

29. JAHRGANG 2017 · 3/2017                                                                                                                              45
POTENZIALE EINER EXTERNEN KOSTENREMANENZANALYSE FÜR DAS CONTROLLING

                    䊏   Begrenzung von Empire Building von Mana-            in die Kostenflexibilität von Konkurrenzunter-
                        gern,                                               nehmen ermöglicht. Insgesamt eröffnet das aufge-
                    䊏   Berücksichtigung sozial erwünschter Aufrecht-       zeigte Vorgehen Fortschritte für das operative und
                        erhaltung von Kapazitäten (z. B. beim Personal),    strategische Controlling, ebenso wie für Finanz-
                    䊏   Gezielte Vermeidung von Reputationsrisiken          analysen, Ratings oder Unternehmensbewertun-
                        durch zu radikale oder volatile Anpassungen         gen sowie die Corporate Governance und das Risi-
                        (inkl. Berücksichtigung der dadurch von Mana-       komanagement. Aus Sicht der Autoren sollte der
                        gern nicht abbaubaren Kosten).                      externen Kostenremanenzanalyse daher eine
                                                                            deutlich stärkere Bedeutung beigemessen werden,
                    Externe Handlungsempfehlungen                           um die Prognosegüte bei Planungsrechnungen zu
Kostenremanenz-     Neben der Anwendung im Controlling zur Selbst-          erhöhen.
analysen erhöhen    analyse birgt auch die unternehmensexterne An-
die Prognosegüte    wendung der Kostenremanenzanalyse vielfältige           Literatur
von Planungsrech-   betriebswirtschaftliche Potenziale:
nungen.             䊏  Klare Berücksichtigung der Sensitivitätskoeffi-      䊏   Anderson, M. C./Banker, R. D./Janakiraman, S.,
                       zienten in der Unternehmensbewertung bei der             Are Selling, General, and Administrative Costs
                       Erstellung von Cashflow-Planungen zur Vermei-            „Sticky“?, in: Journal of Accounting Research,
                       dung zu optimistischer Schätzungen in Peri-              41. Jg. (2003), H. 1, S. 47–63.
                       oden mit Umsatzrückgängen,                           䊏   Beltz, P., Analyse des Kostenverhaltens bei zu-
                    䊏  Berücksichtigung der Sensitivitätskoeffizienten          rückgehender Beschäftigung in Unternehmen,
                       in der externen Jahresabschlussanalyse als Maß           Wiesbaden 2013.
                       unternehmerischer Flexibilität, als Indikator für    䊏   Brüggen, A./Zehnder, J. O., SG&A cost stickiness
                       die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens               and equity-based executive compensation: Does
                       und als Risikofaktor bei konjunkturellen Schwan-         empire building matter?, in: Journal of Manage-
                       kungen,                                                  ment Control, 25. Jg. (2014), H. 3–4, S. 169–192.
                    䊏  Stärkere Plausibilisierung erstellter Analysten-     䊏   Doganis, R., The airline business, 2. Aufl., Lon-
                       prognosen durch die Ermittlung von branchen-             don-New York 2006.
                       spezifischen Sensitivitätskoeffizienten,             䊏   Groß, S./Schröder, A., Low Cost Airlines in Eu-
                    䊏  Abbildung des Erfolgsrisikos aus der begrenzten          ropa: eine marktorientierte Betrachtung von Bil-
                       Kostenabbaubarkeit in Zeiten rückläufiger Um-            ligfliegern, Dresden 2005.
                       sätze über die Aufnahme der Sensitivitätskoeffi-     䊏   Günther, T. W./Riehl, A./Rößler, R., Cost sticki-
                       zienten in Diskriminanzanalysen bei Bonitäts-            ness: state of the art of research and implicati-
                       und Going Concern-Analysen sowie als Indika-             ons, in: Journal of Management Control, 24. Jg.
                       tor in Risikobewertungen des Risikomanage-               (2013), H. 4, S. 301–318.
                       ments,                                               䊏   Hasenack, W., Betriebskalkulationen im Bankge-
                    䊏  Nutzung der Sensitivitätskoeffizienten als Key           werbe, Berlin 1925.
                       Performance Indikator (KPI) in Balanced              䊏   Lufthansa, Expert Session Eurowings. Manage-
                       Scorecards oder zur strategischen Unterneh-              ment Presentation, 2016b, https://investor-rela-
                       mens- oder Wettbewerbsanalyse.                           tions.lufthansagroup.com/de/veranstaltungen/
                    Die vielfältigen unternehmensinternen und -exter-           konferenzen-roadshows/praesentation-2016-06-
                    nen Einsatzbereiche und Handlungsempfehlungen               10.html, Stand: 16.09.2016.
                    untermauern, dass eine sachgerechte Interpretation      䊏   Lufthansa, Politikbrief 2/2016. Für Entscheider
                    der Kostenremanenz Unternehmen aller Größen-                in Politik, Medien und Wirtschaft, 2016a,
                    klassen und Branchen bereichern kann. Im folgen-            https://www.lufthansagroup.com/fileadmin/
                    den Abschnitt sollen die vorgestellten methodi-             downloads/de/politikbrief/02_2016/epaper/#/0,
                    schen Ansatzpunkte zusammengefasst werden.                  Stand: 07.11.2016.
                                                                            䊏   Mahlendorf, M., Sticky Cost Issues – Kostenre-
                    5. Fazit                                                    manenz bei Nachfrageschwankungen, in: Con-
                                                                                trolling & Management, 53. Jg. (2009), H. 3,
                    Cost Stickiness stellt ein in der Literatur bereits         S. 193–195.
                    seit langem diskutiertes Phänomen dar, wurde je-        䊏   PwC, 2015 PwC Global Airline CEO Survey,
                    doch trotz seiner weitreichenden Relevanz bisher            2015,     http://www.pwc.com/us/en/industrial-
                    unzureichend in betriebswirtschaftliche Analysen            products/publications/assets/pwc_2015_glo-
                    der Praxis aufgenommen (vgl. Günther et al.,                bal_airline_ceo_survey.pdf, Stand: 07.11.2016.
                    2013, S. 315 ff.). Der vorliegende Beitrag verdeut-     䊏   Tondock, R., Kostenremanenz, in: Zeitschrift für
                    licht, dass eine Analyse der Kostenremanenz ver-            Controlling, 23. Jg. (2011), H. 7, S. 361–363.
                    schiedener Unternehmen auf der Basis von Daten          䊏   Wiersma, E., The Impact of the Reward Structu-
                    des externen Rechnungswesens umsetzbar ist. Die             re on Stickiness, 2010, http://papers.ssrn.com/
                    Analyse der Luftfahrtindustrie zeigt, dass die ex-          sol3/papers.cfm?abstract_id=1668758,        Stand:
                    terne Kostenremanenzanalyse konkrete Einblicke              18.08.2016.

46                                                                 CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
WISSEN

Literaturtipps aus dem Online-Archiv
http://elibrary.vahlen.de
                                                                     Die Säulen der
    Harald L. Schedl und Patric Heß, Ertragssteige-
                                                                    Kostenrechnung.
䊏

    rungen durch effektives Preismanagement, Aus-
    gabe 08–09/2010, S. 471–478.
䊏   Peter Hoberg, Modifizierte Kalkulation von
    Preisuntergrenzen, Ausgabe 01/2017, S. 4–11.

Stichwörter

# Erfolgskennzahl # Fallstudie # Luftfahrt
# Kostenmanagement # Kostenremanenz

Keywords

# Aviation # Case Study # Cost Management
# Cost Stickiness # Key Performance Indicator

Summary

Until today, cost stickiness remains a research field
that is often addressed. However, there is currently
almost no practical guidance for an inclusion into
daily business practice. By taking the example of       2017. VIII, 415 Seiten. Gebunden € 59,–
the airline industry, the authors demonstrate how a     ISBN 978-3-8006-5287-7
cost stickiness analysis can be transferred into cor-
                                                        Portofrei geliefert: vahlen.de/16487873
porate practice and derive recommendations for
corporate usage.

                                                        Dieser außergewöhnliche Band
                                                        stellt die zentralen Argumentationslinien zusam-
                                                        men, die für die heutige Kostenrechnung grundle-
                                                        gend sind. Treffsicher, markant, aber auch unter-
                                                        haltsam zeigen sie Ihnen,
                                                        ■   wie wertvolle Basisüberlegungen der Kostenrech-
                                                            nung oft entwaffnend einfach formuliert werden
                                                            können,
                                                        ■   dass längst geklärte und nach wie vor offene Fra-
                                                            gen deutlicher auseinandergehalten werden kön-
                                                            nen, als dies in methodischen Detaildiskussionen
                                                            bisweilen den Anschein hat,
                                                        ■   worin die Problematik scheinbar naheliegender
                                                            Rezepte liegen kann und
                                                        ■   wie sich generell erfolgversprechende Wege von
                                                            bereits erprobten Irrwegen abgrenzen lassen.

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29. JAHRGANG 2017 · 3/2017                                                                                                        47
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