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               04 | 2018     IWO-Fachmagazin für den Wärmemarkt

ÖL-PV-HEIZUNG
Hybridlösungen sollten im
Energiesparrecht anerkannt werden

PROJEKT BioTfueL
Biokraftstoff der zweiten Generation

SHK-BRANCHE
Trendstudie 2019

Perspektive
Power-to-X
Synthetische Energieträger
bieten große Chancen für
die deutsche Wirtschaft
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Ölheizung
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                                                                          Die Digitalisierung                                                                I N H A LT                                       4 | News
                                                                                                                                                                                                             21 | Service

                                                                          bietet enorme Chancen                                                                 6
                                                                          D
                                                                                   ie Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und Wirtschaft in
                                                                                   rasantem Tempo. Das SHK-Handwerk ist gefordert, sich rechtzeitig
                                                                                   darauf einzustellen. Nicht nur Informationsflüsse, Planungs- und
                                                                          Betriebsprozesse, sondern auch die eingebauten Produkte werden
                                                                          zunehmend digitalisiert und damit „intelligent“. Das gilt für moderne
                                                                          Heizungssysteme in besonderer Weise.
                                                                             Daten werden zum Wert an sich. Wer über sie verfügt, kann über sie künftig
                                                                          Geschäftsmodelle aller Akteure der Wertschöpfungskette beeinflussen und
                                                                          Handel, Kundenberatung, Verkauf, Montage und Wartung im Heizungsmarkt
                                                                          steuern. Es werden immer größere Datenmengen verarbeitet und genutzt. Aus
                                                                                                                                                             POWER-TO-X
                                                                          der Verknüpfung von Daten können neue Dienstleistungen entstehen.                    Mit Ökostrom erzeugte synthetische Energieträger
                                                                                                                                                             sind ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz.
                                                                             Diese nicht aufzuhaltende Entwicklung stellt Unternehmen vor große Her-         Sie bieten zugleich große Wachstumschancen für
                                                                          ausforderungen. Sie bietet ihnen aber zugleich enorme Chancen für neue             Deutschland und künftige Energieexporteure
                                                                          Dienstleistungen und die Optimierung von Geschäftsprozessen. Für unser
                                                                          Handwerk bedeutet das: effizientere Prozesse bei Bestellungen und bei Ange-
                                                                          botserstellung, Abrechnung, Kalkulation, Produkt- und Lieferantenvergleichen
                                                                          sowie ein Aufbau von Expertise im Bereich smarter Technologien für Gebäude.
                                                                                                                                                             12
                                                                             Während digitale Kommunikationsmittel für die Handwerksbetriebe zum
                                                                          Pflichtprogramm zählen, ist der Einsatz digitaler Technologien bislang eher
                                                                          verhalten. Viele Betriebe tun sich schwer, eine Digitalisierungsstrategie zu

                                                                                                                                                                                                               18
                                                                          entwickeln, oder haben in der aktuellen Konjunkturlage schlicht keine Muße,
                                                                          sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es ist daher eine primäre Aufga-
                                                                          be unserer Verbandsarbeit, die Handwerksbetriebe auf ihrem Weg in das
                                                                          digitale Zeitalter zu unterstützen.                                                HYBRIDES HEIZEN BIOTFUEL
                                                                             Wir haben dazu in der „Digitalen Agenda SHK 4.0“ die Herausforderungen            Die Vorteile von                 Total will aus Pflanzen-
                                                                          der Digitalisierung für das SHK-Handwerk herausgearbeitet.                         Power-to-Heat-                   resten Biokraftstoffe der
                                                                             Entscheidend wird sein, wie die Betriebe zukünftig ihre Daten managen,          Hybridheizungen werden           zweiten Generation
                                                                                                                                                             bislang nicht anerkannt          gewinnen
                                                                          oder noch dezidierter: welche Datenhoheit das Handwerk für sich gewinnen
                                                                          kann. Der ZVSHK hat daher im Jahr 2017 unter anderem den Aufbau eines
                                                                          Open Datapools gestartet. Neben den Artikelstammdaten und Badplanda-               14      PRAXIS
                                                                          ten sollen damit auch Ausschreibungsdaten, Bilder, Montage- und Pflege-                       Hausbesitzer Stefan Korell hat seine
                                                                                                                                                                     PV-Anlage mit einer Wärmepumpe und einem
                                                                          anleitungen sowie Maßzeichnungen zentral verfügbar gemacht werden. Die                     Öl-Brennwertgerät verbunden
                                                                          Bereitstellung dieser Produktinformationen auf einer neutralen Verbands-
                                                                          plattform ist von hohem Nutzwert für unsere organisierten Betriebe. Der            22      SHK-BRANCHE
                                                                                                                                                                       Wie wird das Jahr 2019?
                                                                          kostenfreie, exklusive Service ermöglicht ihnen eine komfortable und vor                   Hans-Arno Kloep stellt die Ergebnisse
                                                                          allem zeitsparende Produktrecherche.                                                       seiner aktuellen Trendstudie vor
                                                                             Dies ist ein wichtiger Schritt. Weitere werden folgen, damit die Digitalisie-
Foto: ZVSHK, Adobe Stock /zhu difeng, Adobe Stock/Ingo Bartussek, Total

                                                                          rung für das SHK-Handwerk zur Chance und weniger zum Risiko wird.
                                                                                                                                                             IMPRESSUM
                                                                                                                                                             raffiniert
                                                                                                                                                             IWO-Fachmagazin für den Wärmemarkt

                                                                                                                                                             HERAUSGEBER Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO)
                                                                                                                                                             Gemeinsam vertretungsberechtigt: Jörg Debus (Vorstandsvors.),
                                                                                                                                                             Volker Ebeling (Vorstand), Geschäftsführung: Adrian Willig,
                                                                                                                                                             Süderstraße 73 a, 20097 Hamburg, Tel. 040/23 5113-0, Fax
                                                                                                                                                             040/23 5113-29, E-Mail: info@iwo.de VERANTWORTLICH Adrian
                                                                                                                                                             Willig CHEFREDAKTION Alexander Fack AUTOREN DIESER
                                                                                                                                                             AUSGABE Rainer Diederichs, Christine Engel, Wolfgang
                                                                                                                                                             Kempkens, Hans-Arno Kloep, Frank Urbansky ANZEIGEN Andreas
                                                                                                      Helmut Bramann,
                                                                                                                                                             Fallinski LAYOUT/BILDREDAKTION Alphabeta GmbH, 20097
                                                                                                      Hauptgeschäftsführer Zentralverband
                                                                                                                                                             Hamburg/Dana Barthel VERLAG/DRUCK Verlag A. Fromm, 49074
                                                                                                      Sanitär Heizung Klima (ZVSHK)
                                                                                                                                                             Osnabrück. Der Stückpreis beträgt 4,00 Euro. Der Bezugspreis
                                                                                                                                                             ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nachdruck, auch
                                                                                                                                                             auszugsweise, nur mit Erlaubnis des Herausgebers und
                                                                                 Ihre Meinung ist uns wichtig: raffiniert@iwo.de
                                                                                                                                                             Quellenangabe.

                                                                          raffiniert 4 l 2018                                                                                                                           3
Raffi niert - epub @ SUB HH
NEWS
Gebäudestandards
Energieeffizientes Bauen zahlt sich nicht immer aus
    Im Kontext der Diskussion über gesetzliche Anforderungen zur Energieeffizienz von Gebäuden hat das Fraunhofer-Informations-
zentrum Raum und Bau (IRB) im Auftrag des Bauherrenschutzbundes (BSB) die Ergebnisse der wichtigsten Studien zur Wirtschaft-
lichkeit energetischer Investitionen beim Wohngebäudebau (Neubau und Bestand) verglichen und dabei große Abweichungen in den
Studienergebnissen festgestellt. Das Spektrum reicht von hoher Wirtschaftlichkeit der Effizienzmaßnahmen bis hin zur Feststellung,
dass die Investitionskosten in normalen Lebenszyklen kaum erwirtschaftet werden können. „Zusammengefasst lässt sich sagen,
dass eine seriöse Bewertung der Wirtschaftlichkeit energierelevanter Investitionen nur im Einzelfall möglich ist“, so die IRB-Experten.
Weder pauschale Aussagen, dass sich die Investitionen stets rechnen, noch solche, dass sie grundsätzlich unwirtschaftlich sind,
seien richtig. Über alle Studien hinweg zeige sich, dass ein höherer Energiestandard in der Regel zu höheren Baukosten führt. Der
BSB empfiehlt, alle Einzelmaßnahmen mit Expertenhilfe sinnvoll miteinander zu kombinieren: „Wer immer nur mehr dämmt und nicht
gleichzeitig die Heizanlage darauf abstimmt, wird am Ende kein Geld sparen.“ Bei Einsparvorgaben müsse die Finanzierbarkeit für
private Bauherren, Eigentümer und Mieter beachtet werden. Ein wichtiger Hebel hierfür sei die Technologieoffenheit.

www.bsb-ev.de (studien/analysen-und-studien)

                                                            Oel-Waerme-Institut
                                                   20 Jahre Forschung für flüssige Energie

       Das Oel-Waerme-Institut (OWI) feiert 20. Geburtstag. Das
    gemeinnützige Forschungsinstitut wurde 1998 in Aachen
    gegründet und ist seit 2007 ein An-Institut der RWTH Aa-
    chen. OWI hat zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt,
    etwa im Kontext der Markteinführung von schwefelarmem
    Heizöl sowie von Bioheizöl. Heute arbeitet das Institut an
    technisch ausgereiften, treibhausgasarmen Lösungen für die
    Wärmeerzeugung und Mobilität von morgen. OWI konzent-
    riert sich dabei auf die Forschungsfelder alternative flüssige
    Energieträger und Effizienztechnologien. Der Fokus im Be-
    reich der Energieträger liegt derzeit auf Brenn- und Kraft-
    stoffen mit einem möglichst hohen CO2-Minderungspotenzi-
    al sowie auf deren Kompatibilität mit moderner Verbrennungs-
    und Motorentechnik. „Wir untersuchen beispielsweise den
    Einsatz von Brennstoffen aus Abfällen und Reststoffen bioge-
    ner Herkunft. Ein weiteres aktuelles Forschungsthema sind
    sogenannte E-Fuels, die mithilfe von regenerativ erzeugtem
    Strom synthetisch hergestellt werden“, erläutert OWI-Ge-
    schäftsführer David Diarra. Effizienztechnologien wie Brenn-
    stoffzellen, Heizsysteme und die Kraft-Wärme-Kopplung sind
    wichtige Forschungsthemen im Bereich Energiesysteme. OWI
    hat umfassendes Know-how im Bereich der Hochtempera­
    turtechnik aufgebaut und verfügt über langjährige Erfahrung
    auf dem Feld der Brennerentwicklung und Prüfung von hoch-
    temperaturbeständigen Werkstoffen.
                                                                     OWI hat zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt, etwa im Kontext der Markteinführung von schwefelarmem
                                                                     Heizöl sowie von Bioheizöl.

4                                                                                                                                                               raffiniert 4 l 2018
Raffi niert - epub @ SUB HH
M E INNEUW
                                                                                                                                                                                                                  NGS

                                                470.800
                                                470.800 neue Beschäftigungsverhältnisse
                                                bis zum Jahr 2050 und 36,4 Milliarden Euro
                                                                                                               deutsche Wirtschaft und den internationa-
                                                                                                               len Handel“ von Frontier Economics und
                                                                                                                                                                 Arbeitsplätze
                                                                                                                                                                 durch Power-to-X

                                                zusätzliche Wertschöpfungseffekte pro                          dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
                                                Jahr könnten sich durch die Produktion und                     Deutschland ist gegenwärtig führend bei
                                                den Export von Power-to-X-Anlagen für die                      den Schlüsseltechnologien und der größte
                                                deutsche Wirtschaft ergeben. Zu diesem                         Exporteur von Elektrolyseanlagen weltweit.
                                                Ergebnis kommt die Studie „Synthetische                        Mehr zur Studie ab Seite 6 in dieser
                                                Energieträger – Perspektiven für die                           raffiniert-Ausgabe.

                                                                                                                                                   IWO hat einen neuen Vorstand
                                                                                                                                            Die IWO-Mitgliedsunternehmen haben turnusmäßig
                                                                                                                                          den Vorstand für die nächsten zwei Jahre gewählt. Neben
                                                                                                                                          Jörg Debus (Shell) als Vorstandsvorsitzender wurde
                                                                                                                                          Martin Heins (UNITI) als sein Stellvertreter bestätigt. Ihre
                                                                                                                                          Arbeit im IWO-Vorstand fortsetzen werden zudem Christi-
                                                                                                                                          ane Giesen (BP), Holger Mark (AVIA), Jan Petersen (Total)
                                                                                                                                          und Rainer Scharr (GKG). Neu im Vorstand ist Volker
                                                  „Alle Technologien                                                                      Ebeling (Mabanaft). Er nimmt den Platz von Nikolaus
                                                                                                                                          Gehrs ein, der sich nicht wieder zur Wahl stellte. Die
                                              stehen im Wettbewerb zum                                                                    Modernisierungsquote von Heizungen zu erhöhen, ist aus
                                                                                                                                          Sicht der Mitglieder eine der zentralen IWO-Aufgaben in

                                                      Nichtstun“                                                                          2019. Um Hausbesitzer zum Einbau effizienter Öl-Brenn-
                                                                                                                                          werttechnik zu motivieren, sollen Online-Angebote ver-
                                                                                                                                          stärkt und neue Campaigning-Maßnahmen umgesetzt
                                              Die Diskussion über die Heizungssysteme für die Energiewende im Gebäudebestand              werden. Die Aktion „Besser flüssig bleiben“ wird fortge-
                                           verläuft aus Sicht von BDH-Präsident Manfred Greis auf einer sachlich schiefen Ebene:          setzt und bundesweit im Rundfunk beworben.
                                           „Es klingt immer so – ist es jetzt besser einen Ölkessel einzusetzen oder einen Pelletkessel
                                           oder die Wärmepumpe. Als wenn diese Technologien miteinander im Wettbewerb stünden.
                                           Das stimmt überhaupt nicht“, betonte Greis auf dem Heat-Kongress für mobile und spei-
                                           cherbare Wärme in Berlin. „Alle Technologien stehen im Wettbewerb zum Nichtstun, also
                                           die alte Anlage so zu belassen, wie sie heute ist.“ 550.000 neue Heizgeräte gingen jähr-
                                           lich in den Bestand, der noch rund 13 Millionen veraltete Anlagen aufweise. „Wenn wir
                                           wirklich das 2030er Ziel im Gebäudebereich schaffen wollen, dann müssen wir nahezu
                                           verdoppeln, das heißt, wir brauchen eine Million Wärmeerzeuger pro Jahr. Und da werden
                                           wir jede Wärmepumpe, jeden Pelletkessel und auch jeden Ölkessel benötigen“, sagte
                                           Greis. Wichtig seien eine technologieoffene Förderung und eine klare Kommunikation in
                                           Richtung Verbraucher. Zwang dagegen würde die Menschen eher abschrecken, als sie für
                                           neue Heiztechnik zu begeistern. Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU) will für
                                           den Erhalt der derzeitigen Förderung der Brennwerttechnik „kämpfen“. Klar sei jedoch
Fotos: Adobe Stock/artemegorov, OWI, IWO

                                           auch, dass der Wärmebereich effizienter werden müsse und der Anteil der erneuerbaren
                                           Energien steigen müsse. Daher könnten teurere Hybridsysteme eventuell eine höhere För-
                                           derung erhalten, sagte Bareiß auf dem von IWO und Uniti veranstalteten Heat-Kongress.
                                           Er schloss zugleich ordnungspolitische Zwangsmaßnahmen aus.

                                                                                                                                          Der neue IWO-Vorstand (v. l.): Volker Ebeling (Mabanaft), Holger Mark (AVIA),
                                                                                                                                          Martin Heins (UNITI), Christiane Giesen (BP), Rainer Scharr (GKG), Jan Petersen
                                                                                                                                          (Total) und Jörg Debus (Shell).

                                           raffiniert 4 l 2018                                                                                                                                                         5
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ENERGIEWENDE & KLIMASCHUTZ

Perspektive
Power-to-X
Synthetisch erzeugte Energieträger sind ein wichtiger
Baustein für den Klimaschutz. Sie bieten zugleich Wachstums-
chancen für Deutschland als Technologieanbieter wie auch
für Länder, die als künftige Energieexporteure infrage kommen.

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Sonnen- und windreiche Regionen, die Ökostrom
                                                                                                                                                    kostengünstig erzeugen können, bieten sich als
                                                                                                                                                           Produktionsstandorte für Power-to-X an.

                                          E
                                                 nergiewende total, das bedeutet das   der Herstellung der Kraft- und Brennstoffe
                                                 Aus für Autos und Laster, die mit     dem Kreislauf entnommen worden ist. Für
                                                 Benzin oder Diesel fahren, und        Energiehändler, Heizungshandwerker, Ge-
                                          auch für Heizungen, die mit Öl oder Erd-     rätehersteller und auch für den Verbraucher
                                          gas befeuert werden. Stattdessen werden      besteht die Aussicht, dass die Abkehr von
                                          die Fahrzeuge von Elektromotoren ange-       fossilen Brennstoffen sie nicht vor voll-
                                          trieben und Strom-Wärmepumpen wer-           kommen neue Herausforderungen stellt.
                                          den die Häuser beheizen. Wirklich?
                                             Die Studie „Synthetische Energieträ-
                                                                                       E-Fuels sind klimaneutral
                                          ger – Perspektiven für die deutsche Wirt-
                                          schaft und den internationalen Handel“       Was es dazu braucht, ist Power-to-X (PtX),
                                          des Instituts der deutschen Wirtschaft       also die Umwandlung von elektrischer
                                          (IW) und des Londoner Beratungsunter-        Energie in Kraft- und Brennstoffe, wobei
                                          nehmens Frontier Economics kommt zu          das X für „Liquid“ oder „Gas“ steht. Erd-
                                          einem anderen Schluss: „Synthetische         öl und Erdgas werden also nicht abgelöst
                                          Kraft- und Brennstoffe werden für eine       durch die direkte Nutzung von Sonne,
Fotos: Adobe Stock /zhu difeng, Sunfire

                                          CO2-neutrale Energieversorgung unver-        Wind, Wasser und Biomasse. Der Strom,
                                          zichtbar sein.“ Die Fahrzeuge würden also    den diese erneuerbaren Energiequellen
                                          weiterhin mit Benzin und Diesel betrieben    liefern, wird vielmehr genutzt, um alterna-
                                          und in Heizkesseln würden weiterhin Öl       tive flüssige und gasförmige Energieträger,
                                          und Gas verfeuert. Doch anders als heute     sogenannte E-Fuels, zu erzeugen. Mithilfe
                                          emittieren diese Verbrennungsanlagen nur     des grünen Stroms wird in Elektrolyseanla-    Aus Ökostrom, Wasser und CO2 synthetisch erzeugt:
                                          noch so viel Kohlendioxid (CO2), wie bei     gen Wasserstoff gewonnen. In einem ➜          treibhausgasneutraler flüssiger Energieträger.

                                          raffiniert 4 l 2018                                                                                                                                   7
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ENERGIEWENDE & KLIMASCHUTZ

Bis 2050 könnte der Leistungsbedarf von Elektrolyseuren, Methanisierungsanlagen sowie Reaktoren zur Herstellung flüssiger Kraft- und Brennstoffe ca. 8.000 Gigawatt betragen. In Deutschland sind
derzeit rund 100 Gigawatt an Solar- und Windkraft installiert.

Reaktor reagiert dieser mit Kohlendioxid.                          aus erneuerbaren Energien, in verschiede-                           sin und Benzin kommen dagegen auf
Je nachdem, wie diese Reaktion abläuft                             nen Sektoren wie dem Luft- und Seever-                              das Zwanzigfache. In verflüssigter Form
(Methanisierung, Methanolsynthese oder                             kehr, unverzichtbar“, stellen die Autoren                           oder unter hohem Druck ist auch die
Fischer-Tropsch-Synthese), entstehen                               der Studie fest, die vom Institut für Wärme                         Energiedichte von Methan und Wasser-
chemische Energieträger wie Methangas,                             und Oeltechnik (IWO), der Mittelstän-                               stoff deutlich höher als die von Batterien.
Methanolalkohol oder synthetische Kraft-                           dischen Energiewirtschaft Deutschland                               Nicht zuletzt wegen dieser grundlegen-
und Brennstoffe, deren Eigenschaften mit                           (MEW) und dem UNITI Bundesverband                                   den chemisch-physikalischen Eigenschaf-
denen von heutigem Benzin oder Diesel                              mittelständischer Mineralölunternehmen                              ten basiere der Endenergieverbrauch in
vergleichbar sind.                                                 in Auftrag gegeben wurde.                                           Deutschland derzeit zu rund 70 Prozent
Das benötigte Kohlendioxid kann aus                                Lithium-Ionen-Batterien, die als direkte                            auf chemischen Energieträgern, heißt es
industriellen Prozessen stammen oder di-                           Stromspeicher infrage kommen, haben                                 in der Studie.
rekt aus der Luft (CO2 Direct Air Capture)                         eine Energiedichte von weniger als einer                               Die Experten sehen als entscheiden-
gewonnen werden. Wird beispielsweise                               Kilowattstunde pro Liter. Diesel, Kero-                             den Vorteil der synthetischen Kraft- und
synthetisches Heizöl verbrannt, wird
die Menge CO2 freigesetzt, die beim Po-
wer-to-Liquid-Prozess zuvor verwendet
wurde. Es kommt also kein neues Koh-                                                                                      Power-to-X
lendioxid hinzu, sodass ein geschlossener                                 Unter Power-to-X sind all jene Verfahren zu verstehen, die Ökostrom in chemische Energieträger oder
Kohlenstoffkreislauf ohne klimaschäd-                                     Grundstoffe für die Chemieindustrie umwandeln. Mit Power-to-X lassen sich beispielsweise Diesel,
liche Wirkung entsteht. Zudem weisen                                      Benzin, Heizöl oder Kerosin für Flugzeuge sowie synthetisches Gas herstellen. Grundlage für
E-Fuels deutlich geringere Luftschad-                                     Power-to-X ist die Elektrolyse. Mithilfe von Ökostrom werden zwei Wassermoleküle (H2O) in ein
stoffemissionen auf als fossile Kraft- und                                Sauerstoff- sowie zwei Wasserstoffmoleküle aufgespalten (2H2O -> 2H + O2). Der so gewonnene
Brennstoffe.                                                              grüne Wasserstoff kann über weitere chemische Prozesse (Fischer-Tropsch-Synthese, Methanol­
                                                                          synthese oder Methanisierung) mit Kohlendioxid CO2 zu neuen langkettigen Kohlenwasserstoffver­
                                                                          bindungen verbunden werden, die wiederum zu flüssigen oder gasförmigen Kraft- und Brennstoffen
Energiewende braucht chemische                                            oder Grundstoffen für die Chemieindustrie verarbeitet werden können. Beide Verfahren werden unter
Energieträger                                                             dem Oberbegriff „Power-to-X“ zusammengefasst, wobei das X wahlweise für „Gas“ oder „Liquids“,
                                                                          also gasförmige oder flüssige Kohlenwasserstoffe, steht.
„Die hohe Energiedichte macht den Einsatz
von chemischen Energieträgern, hergestellt

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Brennstoffe auch deren einfache Lager-
                                               und Transportfähigkeit. Gas wird seit
                                               Jahrzehnten durch Rohrleitungen zum
                                               Kunden transportiert, flüssige Kraft- und
                                               Brennstoffe seit noch längerer Zeit durch
                                               Pipelines und per Tankwagen. Diese teure
                                               Infrastruktur müsste also nicht verändert
                                               werden, wenn es einen Umstieg auf syn-
                                               thetische Quellen gäbe. Dadurch könnten
                                               „Akzeptanzgrenzen für die Transforma-
                                               tion des Energiesystems überwunden              Power-to-X ist ein wichtiger
                                               und Kosten reduziert werden“, sagen die         Baustein für die
                                               IW-Autoren Manuel Fritsch und Thilo
                                               Schaefer.                                       Entwicklung eines
                                                                                               diversifizierten, globalen
                                               Infrastruktur für Energiespeicherung            und CO2-neutralen
                                               ist vorhanden                                   Energiesystems.“
                                               Ohne die Möglichkeit, Ökostrom – des-           Dr. Jens Perner,
                                               sen Produktion weitgehend vom Wetter            Frontier Economics
                                               abhängt – für nachfragestarke Zeiten zu
                                               speichern, könne die Energiewende nicht
                                               gelingen, so die Studienautoren. Die Infra-
                                               struktur für Öl und Gas sei in Deutschland     stunde sind eine Milliarde Kilowattstun-      den könnte, halten die Experten aller-
                                               so weit ausgebaut, dass „eine hochdyna-        den). Das entspricht 62 Prozent der jährli-   dings für ausgeschlossen. Das ergebe sich
                                               mische landesweite Momentan-Nachfrage          chen Nachfrage nach flüssigen Kraft- und      bereits aus der begrenzten Standortver-
                                               nach Energie jederzeit zuverlässig bedient     Brennstoffen. Bei den Gaskavernen sind        fügbarkeit für Anlagen zur Ökostromer-
                                               werden kann“. Wenn also irgendwo zu            es 260 Terawattstunden oder ein Drittel       zeugung. Schon jetzt mehren sich die
                                               einem bestimmten Zeitpunkt ein hoher           des Jahresverbrauchs. Alle anderen Strom-     Widerstände gegen neue Windenergie-
                                               Bedarf an Strom oder Wärme anfalle, lasse      speicher in Deutschland, vor allem Pump-      anlagen. Deutschland werde also synthe-
                                               sich dieser jederzeit decken. Das gelte auch   speicherkraftwerke, erreichen zusammen        tische Kraft- und Brennstoffe im großen
                                               für saisonale Nachfrageschwankungen.           gerade mal 0,04 Terawattstunden. Zum          Stil importieren müssen. Was aber kein
                                               Die in Deutschland existierenden Speicher      Vergleich: Deutschlands Primärenergie-        Nachteil zu sein brauche. Es könnten so
                                               für flüssige Energieträger summieren sich      verbrauch liegt bei 3.760 Terawattstunden.    nämlich die Kostensenkungspotenziale
                                               auf 535 Terawattstunden (eine Terawatt-        Dass Deutschland energieautark wer-           bei der PtX-Herstellung im Ausland ➜

                                                                                        Funktionsweise Power-to-Liquids (PtL)
                                                                                    Synthese nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren
Fotos: iStock/ictor, Frontier Economics, IWO

                                               raffiniert 4 l 2018                                                                                                                 9
Raffi niert - epub @ SUB HH
ENERGIEWENDE & KLIMASCHUTZ

                                          Mögliche Beschäftigungseffekte in Deutschland durch den
                                              Export von Anlagen zur PtX-Produktion bis 2050

  Quelle: Destatis (2018), OECD (2018), UN (2018), WIOD (2016), Frontier Economics/IW: Synthetische Energieträger – Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel; Grafik: IWO

genutzt werden. Solarstrom etwa ist in                               gengestellt werden. Diese liegen bei 746                               profitieren kann. Deutschland sei an den
sonnenreichen Ländern oft nicht mal halb                             Milliarden Euro pro Jahr. Die Studie zeigt                             weltweiten Exporten von Elektrolyseuren
so teuer wie in Deutschland. Ähnlich                                 auf, dass Deutschland von PtX nicht nur                                mit einem Anteil von 19 Prozent beteiligt.
sieht es bei der Windenergie aus.                                    ökologisch, sondern auch wirtschaftlich                                Damit nehme das Land die Spitzenposition
                                                                                                                                            ein. Im Anlagenbau sehe es ähnlich güns-
                                                                                                                                            tig aus. Hier liege der deutsche Anteil bei
PtX-Industrie könnte neue                                                                                                                   16 Prozent. Für die deutsche Wirtschaft
Arbeitsplätze schaffen                                                                                                                      ergäben sich bis 2050 zusätzliche Wert-
Die Autoren erwarten einen gigantischen                                                                                                     schöpfungseffekte in Höhe von insgesamt
neuen Markt. „Die weltweite Nachfrage                                               Lagerung von Rohöl/                                     rund 36,4 Milliarden Euro jährlich. Zudem
nach PtX könnte bis zum Jahr 2050 leicht                                              Ölprodukten in                                        würden insgesamt gut 470.000 neue Stel-
Größenordnungen von 20.000 Terawatt-
                                                                                       Deutschland                                          len geschaffen.
stunden erreichen“, heißt es in der Studie.
                                                                                        >535 TWh
Das entspreche der Hälfte des derzeitigen
weltweiten Rohölmarktes. Elektrolyseure,
                                                                                                                                            PtX schafft internationale
Methanisierungsanlagen sowie Reaktoren,
                                                                                                                                            Win-Win-Situation
in denen flüssige Kraft- und Brennstoffe
hergestellt werden, könnten auf einen Leis-                                                                                                 Doch nicht nur die Industrieländer wür-
tungsbedarf von ca. 8.000 Gigawatt kom-                                                                                                     den von PtX profitieren. Investitionen in
men. Zum Vergleich: In Deutschland sind                                                    Gasspeicher                                      Anlagen zur Erzeugung von synthetischen
derzeit rund 100 Gigawatt an Solar- und                                                  in Deutschland                                     Kraft- und Brennstoffen und deren Export-
Windkraft installiert.                                                                      >260 TWh                                        potenziale können aufgrund der zukünf-
Die finanziellen Herausforderungen sind                                                                                                     tigen weltweiten Nachfragemärkte an den
zwar groß, halten sich aber in Grenzen, so                                                                                                  Produktionsstandorten wichtige Entwick-
die Studienautoren. Pro Jahr müssten welt-                               Stromspeicher                                                      lungsimpulse entfalten, so die Studienau-
weit 215 Milliarden Euro in PtX-Anlagen                                    0,04 TWhel                                                       toren. In entwicklungsbedürftigen Regio-
gesteckt werden. Dieser Wert relativiert                                                                                                    nen mit großem Potenzial für erneuerbare
                                                                     Quelle: Frontier Economics/IW: Synthetische Energieträger –
sich jedoch, wenn die heutigen Investi-                              Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen       Energien und hoher Flächenverfügbarkeit
tionen in den Öl- und Gassektor dage-                                Handel, Sept. 2018, S. 13                                              würden sich hierdurch Chancen eröffnen.

10                                                                                                                                                                                  raffiniert 4 l 2018
Zugleich böte PtX den Ländern, die heute
                              fossile Energien exportieren, eine Perspek-
                              tive für das postfossile Zeitalter.

                                                                                                                           Die Kernbotschaften
                              Politische Weichenstellungen nötig
                              Damit sich ein globaler Markt für PtX-                                 Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden für eine CO2-neutrale
                              Technologien und PtX-Produkte ent-                                     Energieversorgung unverzichtbar sein, denn:
                              wickeln kann, bedarf es national wie                                 1. Die Energiedichte von chemischen Energieträgern ist höher als die der
                              international der politischen Initiative                                meisten anderen Energieträger.
                              zur Schaffung geeigneter Rahmenbedin-
                                                                                                   2. Chemische Energieträger lassen sich leicht lagern und transportieren.
                              gungen. Technologieentwicklung und
                              Skalierung im globalen Maßstab sind                                  3. Vorhandene Infrastrukturen können weiter genutzt werden.
                              voranzutreiben. Dazu müssten PtX Be-                                 4. Importe aus Ländern mit sehr günstigen Standortbedingungen (hohe
                              standteil der internationalen Energie- und                              Flächenverfügbarkeit, großes Solar- und/oder Windenergieangebot)
                              Klimaschutzagenda werden und bilaterale                                 können die Kosten für PtX-Produkte senken.
                              wie multilaterale Energiekooperationen
                              gefördert werden, so das Studienfazit von
                              IW und Frontier Economics.               ■

                                                                                      Internationales Bündnis für
                                                                                  synthetische Kraft- und Brennstoffe

                                         Die Deutsche Energie-Agentur (dena) und Partner aus der Industrie haben die Global Alliance Power Fuels
                                       gestartet. Das international ausgerichtete Bündnis verfolgt das Ziel, globale Märkte für synthetische Kraft-
                                       und Brennstoffe, die mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt werden, zu erschließen. Es soll ein Netzwerk
                                       aus den Bereichen Forschung und Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aufbauen. Analysiert werden unter
                                       anderem Märkte für Power Fuels und die Rahmenbedingungen für ihren Einsatz. Laut dena-Leitstudie können
                                       sie im Jahr 2050 in Deutschland einen Bedarf von 150 bis 900 Terawattstunden abdecken. Mit
                                       Energieeffizienz und der direkten Nutzung von erneuerbarem Strom allein werde sich der
                                       Energiebedarf in Zukunft nicht klimaneutral decken lassen: „Synthetische erneuerbare
                                       Energieträger sind die dritte Säule für eine erfolgreiche Energiewende“, sagt dena-Chef
                                       Andreas Kuhlmann. Die Umwandlungsverfahren wie Power-to-Gas (Strom zu Gas) und
                                       Power-to-Liquid (Strom zu Flüssigkeit) sind bekannt und die Technologien sind
                                       prinzipiell verfügbar. Bei der Technologieentwicklung ist Deutschland Vorreiter.
                                       Kuhlmann: „Jetzt ist die Zeit gekommen, das bestehende Know-how zu nutzen
                                       und es weiterzuentwickeln, groß ausgelegte Projekte anzustoßen und einen
                                                                                 nachhaltigen Zukunftsmarkt zu
                                                                                 erschließen.“

                                                                                                 Zum Partnerkreis zählen
                                                                                                 Unternehmen und Verbände
                                                                                                 aus verschiedenen Branchen,
                                                                                                 darunter unter anderem Audi
                                                                                                 AG, Deutsches Zentrum für
                                                                                                 Luft- und Raumfahrt (DLR),
                                                                                                 ENERTRAG AG, IWO Institut
                                                                                                 für Wärme und Oeltechnik e. V.,
                                                                                                 Robert Bosch GmbH, Uniper
                                                                                                 Kraftwerke GmbH sowie MWV
Fotos: dena, Adobe/fandijki

                                                                                                 und UNITI.
                                      Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung

                              raffiniert 4 l 2018                                                                                                                             11
HYBRIDES HEIZEN

Energiesparrecht
Gesetzgeber sollte Power-to-Heat-
Hybridheizungen berücksichtigen

Die Nutzung von PV-Eigenstrom zur Wärmeerzeugung im Haus wird für viele Betreiber nach Ende der EEG-Einspeisevergütung interessant.

H
       ybridheizungen sind ein wichti-                            (ITG). Auftraggeber der Untersuchung                                produzieren könnten, werden durch die
       ger Baustein der Energiewende.                             ist neben anderen das Institut für Wärme                            Netzbetreiber im Rahmen des Einspei-
       Erneuerbare Energien werden mit                            und Oeltechnik (IWO).                                               semanagements abgeschaltet. So wird
ihnen gezielt genutzt, zugleich wird der                                                                                              real vorhandenes Potenzial an Strom aus
Verbrauch fossiler Brennstoffe vermin-                                                                                                erneuerbaren Energien nicht genutzt und
dert. Auch der Einsatz von Ökostrom ist
                                                                  Abgeregelter Strom kostet die                                       dann oftmals durch konventionelle Strom­
in Hybridheizungen mit Power-to-Heat
                                                                  Verbraucher 610 Millionen Euro                                      erzeugung an einem anderen Standort
(PtH) vergleichsweise einfach möglich.                            Der Anteil erneuerbarer Energien an der                             kompensiert. Bezahlt wird der nicht
Die Regelungen im aktuellen Energie-                              Stromversorgung nimmt zu, während                                   pro- duzierte Strom, die sogenannte Aus-
sparrecht (EnEV, EnEG, EEWärmeG)                                  der Ausbau der Übertragungsnetze bis-                               fallarbeit, trotzdem. Denn das EEG sieht
sowie im Entwurf des Gebäudeener-                                 her nicht mit diesem Anstieg mithalten                              wegen des Einspeisevorrangs für erneu-
giegesetzes (GEG) vom Januar 2017                                 kann. Immer öfter kommt es zu Phasen,                               erbaren Strom Entschädigungszahlungen
berücksichtigen die Vorteile solcher                              in denen nicht die gesamte Menge der so                             für die Anlagenbetreiber vor. Verbrau-
Systeme noch nicht oder zu wenig. Das                             erzeugbaren Elektroenergie an die Ver-                              chern sind so allein im Jahr 2017 Kosten
verdeutlicht eine Analyse des Instituts für                       braucher weitergeleitet werden kann. Die                            von rund 610 Millionen Euro entstanden.
Technische Gebäudeausrüstung Dresden                              Konsequenz: Anlagen, die Ökostrom                                   „Die Ausfallarbeit wirkt sich sowohl öko-

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logisch als auch ökonomisch negativ aus“,                            NACHGEFRAGT BEI BERT OSCHATZ,
                                    erklärt Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz, Geschäfts-                           GESCHÄFTSFÜHRER DES
                                    führer des ITG. „Betroffen sind nicht nur kom-
                                                                                                       INSTITUTS FÜR TECHNISCHE GEBÄUDE-
                                    merzielle Stromerzeuger, sondern in kleine-
                                    rem Maßstab auch privat betriebene Anlagen.
                                                                                                            AUSRÜSTUNG DRESDEN (ITG)
                                    PtH-fähige Hybridsysteme wären eine kos-
                                    tengünstige Möglichkeit, den ansonsten ab-        Die Nutzung von selbst produziertem Strom auch zur
                                    geregelten Strom aus Windkraft- und Pho-          Wärmeerzeugung in Hybridheizungen wird für die Haus-
                                    tovoltaik-Anlagen zum Heizen zu nutzen.           halte mit eigener PV-Anlage zunehmend attraktiv. Was
                                    Dennoch wird diese Option rechtlich nicht         sind die Treiber und Motive für solche Lösungen?
                                    hinreichend berücksichtigt. „Der GEG-Ent-         Da gibt es eine Reihe von Gründen, etwa weiter sinkende
                                                                                      Kosten von PV-Anlagen, die zu immer niedrigeren Kosten je
                                    wurf aus dem vergangenen Jahr schließt zum
                                                                                      Kilowattstunde PV-Strom führen. Der Abstand zum Preis für
                                    Beispiel die Anrechnung des Einsatzes von
                                                                                      fossile Energieträger wird geringer, aber natürlich sinkt auch
                                    erneuerbar erzeugtem Strom in Stromdi-            die Attraktivität der Netzeinspeisung von PV-Strom. Gleich-
                                    rektheizungen gänzlich aus und sieht hierbei      zeitig wollen gerade die Besitzer von PV-Anlagen stärker zur
                                    auch keine Ausnahme für den durchaus sinn-        Energieeinsparung und zum Klimaschutz beitragen. Dies
                                    vollen Einsatz von Stromdirektheizungen als       wird unmittelbar spürbar, wenn man den eigenen Verbrauch
                                    Bestandteil von PtH-Hybridheizungen vor“,         fossiler Ressourcen substituieren kann. Und ab 2020 gibt es
                                                                                      auch die ersten PV-Anlagen, die mit einem Alter von 20 Jah-
                                    erklärt Oschatz.
                                                                                      ren aus der EEG-Förderung herausfallen. Für den Strom aus
                                                                                      derartigen Anlagen gibt es dann praktisch keine Einspeise-
                                                                                      vergütung mehr, die unkomplizierte Eigennutzung in Pow-        Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz, ITG Dresden
                                    Plausible Abbildung im GEG nötig
                                                                                      er-to-Heat-Anlagen führt diesen Strom einer sinnvollen und
                                    Das ITG Dresden schlägt vor, in der künftigen     umweltfreundlichen Nutzung zu. Sicherlich trägt auch die Diskussion über die Be- und teilweise
                                    Gesetzgebung einen geeigneteren rechtlichen       Überlastung der Stromnetze durch volatile Erneuerbare und die dadurch bedingte Abregelung
                                                                                      erneuerbarer Stromerzeuger zum Wunsch nach mehr Eigennutzung bei.
                                    Rahmen zur Berücksichtigung von erneuerbar
                                    erzeugtem Strom in PtH-Hybridheizungen
                                    zu schaffen und eine technisch sowie physika-     Die technischen Komponenten – wie geeignete Speicher, intelligente Steuerungen, Heizstä-
                                                                                      be, Trinkwasser-Wärmepumpen und effiziente Brennwertgeräte – sind verfügbar. Was kann
                                    lisch plausible Abbildung PtH-fähiger Hybrid-
                                                                                      die Geräteindustrie tun, um Power-to-Heat-fähige Hybridheizungen vor allem im Gebäude-
                                    heizungen im geplanten GEG vorzunehmen.
                                                                                      bestand nach vorne zu bringen? Paketlösungen schnüren? Mehr Marketing? Handwerker-
                                    „Aus unserer Sicht bietet insbesondere der        schulungen?
                                    Paragraf 25 des GEG-Entwurfs die Möglich-         Marketing und die Verbesserung des Wissens um diese Technologien bei den Handwerkern sind
                                    keit, dafür zu sorgen, dass die Schwerpunkte,     sicherlich ganz wichtig. Standardlösungen – gern auch in Form von Paketen – erhöhen ebenfalls
                                    die dabei Berücksichtigung erfahren sollten, in   die Akzeptanz. Und natürlich sollten die Systeme möglichst preiswert sein, sodass auch bei den
                                    das künftige energiesparrechtliche Regelwerk      aktuellen Energiepreisen eine akzeptable Wirtschaftlichkeit erzielt wird. Zudem muss auch die
                                    überführt werden“, so Oschatz. Sollte sich        Politik von den Vorteilen dieser Lösungen überzeugt werden. Nur dann werden Förderprogramme
                                    das Inkrafttreten des GEG verzögern, regt das     und staatliches Marketing Power-to-Heat voranbringen.
                                    ITG Dresden an, die Anerkennung der Eigen­
                                    nutzung von Photovoltaik-Strom in geeigne-        Sektorkopplung von Strom und Wärme sowie das Erhöhen des Anteils der Erneuerbaren im
                                    ten Hybridheizungen noch im gegenwärtigen         Wärmesektor sind wichtige Ziele der Energiewende. Warum ist der Gesetzgeber bislang so
                                                                                      zögerlich, wenn es darum geht, PtH-Hybridheizungen als geeignete Lösung anzuerkennen?
                                    EEWärmeG-Nachweis zu ermöglichen.
                                    Das GEG ist eine der Dauerbaustellen der          Wir haben immer noch eine Energiepolitik, die an vielen Stellen ideologiegetrieben ist. Der Gesetz-
                                                                                      geber muss Ziele formulieren, keine Lösungen vorgeben. Dann soll der Markt entscheiden, ob
                                    Bundesregierung im Gebäudesektor. Mit
                                                                                      Power-to-Heat in großen Fernwärmenetzen, in kleineren Heizungsanlagen im Gebäude oder mit
                                    ihm sollen die Energieeinsparverordnung,          einer Wärmepumpe die günstigste Lösung ist.
                                    das Energieeinspargesetz und das Erneuer-
                                    bare-Energien-Wärmegesetz zusammen-
                                                                                      Welche sind die drei wichtigsten Maßnahmen für eine technologieoffene Berücksichtigung
                                    geführt werden. Wenige Monate vor der             von PtH-Hybridheizungen im Energiesparrecht?
                                    Bundestagswahl im September 2017 war der
                                                                                      Bei der Formulierung des geplanten Gebäudeenergiegesetzes sollten besonders die folgenden drei
                                    erste Anlauf für das Gesetz am Widerstand         Aspekte Eingang finden:
                                    der Unionsfraktion gescheitert. Im damaligen      - Berücksichtigung des Einsatzes von EE-Strom in PtH-fähigen Hybridheizungen als Option zur
                                    Referentenentwurf (vom 23.01.2017) war               Erfüllung der Anforderungen im Neubau und – sofern es dort überhaupt Anforderungen gibt – im
                                    zum Aspekt der Nutzung von erneuerbarem              Bestand.
                                    Strom Folgendes vorgesehen: „Die Mög-             - Eine technisch/physikalisch plausible Abbildung von EE-stromerzeugenden Anlagen und Ermitt-
                                    lichkeiten zur Anrechnung von gebäudenah             lung derjenigen Menge an EE-Strom, die tatsächlich im Gebäude genutzt wird (vorzugsweise
                                    erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien            nach DIN V 18599-9:2018). Die „Bonusregelung“ nach § 25 GEG-Entwurf ist als Berechnungs-
Fotos: Adobe Stock/Ingo Bartussek

                                    sollte ausgeweitet werden.“ Im Koalitions-           verfahren hierfür nicht geeignet.
                                    vertrag der aktuellen Großen Koalition hat        - Perspektivisch: Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Berücksichtigung von anderweitig
                                    man sich zur Einführung des GEG bekannt.             nicht nutzbarem EE-Strom, der über ein öffentliches Netz bezogen wird, im Rahmen des zukünf-
                                                                                         tigen öffentlich-rechtlichen Nachweises.
                                    Ein neuer Referentenentwurf lag bis zum
                                    Redaktionsschluss dieser raffiniert-Ausgabe
                                    noch nicht vor.                               ■

                                    raffiniert 4 l 2018                                                                                                                                         13
PRAXIS

Die PV-Anlage des Gebäudes setzt sich aus zwei Teilen zusammen, die insgesamt 9,69 Kilowattpeak (kWp) Leistung bringen.

  Hybride Versorgung
           mit Solarstrom, Wärmepumpe
               und Brennwerttechnik
                                 In einem Wohnhaus im hessischen Alsfeld unterstützt eine
                            Photovoltaik-Anlage ein Hybridsystem aus Trinkwasser-Wärmepumpe
                                                 und Öl-Brennwerttechnik.

14                                                                                                                        raffiniert 4 l 2018
Polymer-Versiegelung außen. Das Bat-
                                                                                                                         terietanksystem ersetzte einen Erdtank,
                                                                                                                         der dafür zu einer Zisterne für Regen-
                                                                            „Weil die Einspeisevergütung                 wasser umfunktioniert wurde. Ebenfalls
                                                                                                                         bereits vorhanden war die PV-Anlage
                                                                            nicht mehr so hoch ist wie
                                                                                                                         auf dem Dach des Hauses. Die zwei
                                                                            noch vor Jahren, werden                      Einzelanlagen mit 64,5 Quadratmeter
                                                                            solche ‚Energieumwandler‘                    Solarmodulfläche erzeugen in der Spitze
                                                                                                                         eine Leistung von insgesamt 9,69 kWp.
                                                                            zunehmend gefragt sein.“                     Diese Technik wurde für den Aufbau
                                                                            Stefan Korell, Hauseigentümer aus Alsfeld    des neuen Hybridsystems als Basis ge-
                                                                                                                         nutzt, ergänzt und intelligent verknüpft.

                                S
                                       trom aus der hauseigenen Photo-       gesammelt. Dafür wurde mit Unterstüt-
                                                                                                                         Öl-PV-Heizung mit Trinkwasser-
                                       voltaik-Anlage (PV-Anlage) kann       zung von IWO ein Zweifamilienhaus in
                                                                                                                         Wärmepumpe
                                       gut zur Wärmeversorgung ölbe-         Alsfeld mit einer entsprechenden Hyb-
                                heizter Gebäude beitragen. Das zeigen        ridlösung versehen.                         „Ich versuche, mein Haus auf lange Sicht
                                die Resultate eines einjährigen Modell-                                                  hin ökologischer zu machen und natürlich
                                vorhabens, welches das Institut für                                                      auch Kosteneinsparungen zu haben, in-
                                Wärme und Oeltechnik (IWO) durch-
                                                                             Gezielte Nutzung vorhandener                dem ich etwa Wasser aus der eigenen Zis-
                                geführt hat (siehe raffiniert 3/2018, S.
                                                                             Technik                                     terne nutze oder die Stromkosten durch
                                12 f.). Stand dabei der nachträgliche        Die Voraussetzungen waren für heu-          die Photovoltaik-Anlage senke. Die Idee,
                                Einbau von elektrischen Heizstäben in        tige Bestandsbauten typisch: Das ur-        den eigenen Strom auch in Wärme um-
                                bestehende Wärmespeicher im Vorder-          sprüngliche Siedlungshaus aus den           zusetzen, hat mich sehr schnell gepackt“,
                                grund, wird nun in einem Folgevorha-         1950er-Jahren wurde 1979 um einen           sagt Hausbesitzer Stefan Korell.
                                ben der E ins at z einer Tr ink w a s -      großzügigen Anbau ergänzt. Es umfasst          Neu eingebaut wurde in seinem Hei-
                                ser-Wärmepumpe genauer untersucht.           eine Wohnfläche von rund 245 Quad-          zungskeller ein 254-Liter-Wärmespeicher
                                „Wenn im Zuge einer Heizungsmoder-           ratmetern, aufgeteilt auf zwei Haushalte    (Viessmann Vitocal 060-A). Dieser integ-
                                nisierung ohnehin in eine neue Trink-        mit insgesamt fünf Personen. Für die        riert sowohl eine kompakte Warmwas-
                                wassererwärmung investiert wird, ist         Wärmeversorgung war bislang allein eine     ser-Wärmepumpe als auch einen Wärme-
                                die Installation eines Wärmespeichers,       Ölheizung verantwortlich, die im Jahr       übertrager, der den Anschluss an den
                                der sowohl von einem Öl- Brennwert-          2008 modernisiert wurde. Seitdem steht      Öl-Brennwertkessel ermöglicht. Somit
                                kessel als auch von einer aufgesetzten       ein Brennwertgerät (Rotex A1 mit einem      kann der Wärmespeicher seine Energie
                                Trinkwarmwasser-Wärmepumpe be-               Elco-Klöckner-Brenner) mit rund 33          gleich auf zwei Wegen beziehen. Die vom
                                heizt werden kann, eine effiziente Alter-    kW im Heizungskeller. Noch fast neu ist     Solarstromüberschuss abhängige Ansteue-
                                native zum Heizstab“, sagt Christian         das im Jahr 2017 installierte Brennstoff-   rung übernimmt der Energiemanager So-
                                Halper, Projektleiter Modellvorhaben         lager (Roth DW T): Es besteht aus drei      lar-Log 1200. Diese intelligente Steuerung
                                bei IWO. Um diese These zu untermau-         1.000-Liter-Heizöltanks aus Polyethylen     erfasst den Solarertrag und optimiert die
                                ern, werden seit dem Sommer Daten            innen und vollverzinktem Stahlblech mit     Eigenstromnutzung.                      ➜

                                        Prognose Solaranlagen mit abgelaufener EEG-Förderung                                                         Wärmespeicher mit
                                                                                                                                                     aufgesetzter
                                                                                                                                                     Warmwasser-Wärme-
                                        1.500.000                                                                                                    pumpe

                                        1.000.000

                                        500.000
Fotos: IWO, privat, Viessmann

                                        0
                                           2021 ´22 ´23 ´24 ´25 ´26 ´27 ´28 ´29 ´30 ´31 ´32 ´33 ´34 ´35 ´36 ´37
                                         < 5 kW      5 bis 10 kW    10 bis 40 kW    40 bis 750 kW     > 750 kW
                                        Quelle: netztransparenz.de, PwC

                                raffiniert 4 l 2018                                                                                                              15
PRAXIS

                                             Öl-PV-Hybridheizung mit Trinkwasser-Wärmepumpe
F er t i g g e st ellt w urde d a s Öl-P V-                           Öl-PV-Hybridheizung mit Trinkwasser-Wärmepumpe
Hybridsystem in Alsfeld im Juli 2018.
Seither kann der Strom aus der hauseige-
nen PV-Anlage auch zur Erwärmung des
Trinkwassers beitragen. Der von der
PV-Anlage produzierte Strom wird wie
                                                                                                                                                   PV-Anlage
bislang über den Wechselrichter im Keller
bereitgestellt und im Haus beispielsweise
für den Betrieb der Waschmaschine und
der Spülmaschine genutzt. Als Verbrau-
cher steht jetzt aber zusätzlich die Warm-
wasser-Wärmepumpe zur Verfügung.                                                                                          Heizkörper
Diese wird von der Steuerung nur dann                                                            Warmwasser

aktiviert, wenn ein Überschuss an Solar-
strom vorhanden ist, der sonst ins Strom-
netz eingespeist werden würde. Ist für die
Wärmepumpe gerade kein PV-Strom vor-
handen, wird für die Trinkwassererwär-
mung das Öl-Brennwertgerät aktiviert.
„Solche Hybridheizungen, die in der Lage
                                                                                                                                                          Hybridheizung nutzt
sind, erneuerbaren Strom oder Heizöl als
                                                                                                                                                          eigenen Solarstrom
Energiequelle zu nutzen, können ihre                                                  Heizöltank  Öl-Brenn-   Wärmespeicher mit Energiemanager
                                                                                                  wertgerät    Wärmepumpe und       für intelligente
Stromnachfrage optimal an die jeweiligen                                                                       Wärmeübertrager     Stromverteilung
Verhältnisse auf der Stromangebotsseite                                                                          für Ölkessel

anpassen – vollautomatisch 288_PtH-Hybridheizung_Varianten_PV-Eigenstromnutzung_20181109
                                   und ohne
Komforteinbußen für die Hausbewohner“,              heizungen, benötigen sie keine zusätzli-                        41 Prozent lag, stieg während der ersten
betont Halper. Anders als etwa reine Elekt-         chen Reserve-Kraftwerkskapazitäten, die                         drei Monate des Praxistests auf durch-
roheizungen, wie monovalente Strom-                 mit entsprechendem Kostenaufwand je-                            schnittlich 56 Prozent an.
Wärmepumpen oder Nachtstromspeicher-                derzeit bereitgehalten werden müssten.
                                                    Beim Öl-Hybridsystem ist der flüssige
                                                    Energiespeicher im Tank die stets verfüg-
                                                                                                                    Moderate Mehrkosten
             Daten zur Öl-PV-                       bare Reserve, wenn nicht genügend PV-                           Eine Öl-PV-Hybridheizung wie im Fall
                                                    Strom für die Wärmeversorgung zur Ver-                          des Alsfelder Gebäudes lässt sich mit der
          Hybridanlage Alsfeld                      fügung steht.                                                   heute bereits marktgängigen Technik
    Gebäude: Zweifamilienhaus mit                                                                                   umsetzen und vergleichsweise einfach
    rund 245 m² Wohnfläche, beste-                                                                                   installieren. Für die Kombination von
    hend aus zwei Gebäudeteilen                     Erste Messergebnisse                                            Speicher und Trinkwarmwasser-Wär-
    (Baujahre: 1956 und 1979), derzeit              Mit der Bilanz nach den ersten 90 Tagen                         mepumpe haben zahlreiche Heizgeräte-
    insgesamt fünf Bewohner                         des Betriebs ist Stefan Korell schon sehr                       hersteller Lösungen im Angebot. Die
    Heizgerät: Öl-Brennwertgerät                    zufrieden. Die Messergebnisse zeigen:                           Mehrkosten für diese Variante liegen ge-
    Rotex A1, Elco-Klöckner-Brenner,                Durch die neue Öl-PV-Hybridheizung                              genüber einer Investition, die nur Brenn-
    33 kW, Baujahr 2008                             konnte der Autarkiegrad des Alsfelder                           wertgerät und Wärmespeicher umfasst,
                                                    Wohnhauses deutlich gesteigert wer-                             bei rund 3.000 Euro. Die Amortisations-
    Photovoltaik-Anlage: 9,69 kWp
                                                    den, da mehr selbst produzierter Strom                          zeit beträgt in diesem Beispiel ungefähr
    (2 Einzelanlagen), Solarmodulfläche
                                                    im eigenen Haus verwendet wurde. Im                             14 Jahre, was, verglichen mit anderen
    insgesamt 64,5 m²
                                                    Gegenzug sank der Heizölverbrauch für                           energetischen Modernisierungsmaß-
    Wärmespeicher mit Wärmepumpe:                   die Warmwassergewinnung. In Zahlen:                             nahmen, ein ordentlicher Wert ist. Da
    Viessmann Vitocal 060-A, 254-Liter-             Die PV-Anlage produzierte in diesem                             die EEG-Einspeisevergütung für haus-
    Wärmespeicher mit integrierter                  Zeitraum 3.203 kWh, davon wurden                                eigene PV-Anlagen nach 20 Jahren endet
    Warmwasser-Wärmepumpe                           32 Prozent im Haus verwendet, allein                            und Eigentümer im Anschluss kein oder
    (hier mit Außenluftbetrieb) und
                                                    325 kWh von der Warmwasser-Wärme-                               deutlich weniger Geld für den ins Netz
    Anschlussmöglichkeit an den
                                                    pumpe. Da diese neben dem Solarstrom                            eingespeisten Solarstrom erhalten, dürf-
    Öl-Brennwertkessel
                                                    auch Umweltwärme aus der Außenluft                              te die PV-Eigenstromnutzung zur Wär-
    Heizöllagerung: 3 x Roth DWT                    nutzt, erzeugt sie mit jeder eingesetzten                       meerzeugung mittelfristig bei vielen
    plus 3, je 1.000 Liter Volumen,                 kWh Solarstrom rund 2 kWh Wärme.                                Eigentümern auf wachsendes Interesse
    im Jahr 2017 als Ersatz für einen               Für die Erzeugung der so produzierten                           stoßen. So fallen bis 2025 rund 250.000
    Erdtank installiert                             W ärmemenge hätte das Ölheizgerät                               Photovoltaik-Anlagen in Deutschland
    Steuerung: Energiemanager                       etwa      80    Liter     Heizöl     einsetzen   müssen.        aus der EEG-Förderung. Von 2026 bis
    Solar-Log 1200                                  Der     Autarkiegrad            des   Gebäudes,   der   von     2030 steigt die Zahl rasant an – auf ins-
                                                    Mitte 2017 bis Mitte 2018 im Schnitt bei                        gesamt rund 1,8 Millionen Anlagen. ■

16                                                                                                                                                      raffiniert 4 l 2018
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                            Infos zur Aktion, Vergleich von Heizsystemen, Kosten und Einsparmöglichkeiten:
                            www.besser-fluessig-bleiben.de
* IWO Modernisierungsbeispiel inkl. Förderungen unter den Voraussetzungen des KfW-Programms 430 (Zuschuss von 10% der Investitionskosten für eine Heizungserneuerung bei u.a. selbstgenutzten/vermieteten Ein-/Zweifamilienhäusern
  bzw. Eigentumswohnungen; Bauantrag vor 01.02.2002) und den BAFA-Förderprogrammen zum Heizen mit erneuerbaren Energien. Weitere Details auf www.besser-fluessig-bleiben.de/foerdermittel
NEUE BRENNSTOFFE

Beim BioTfueL-Projekt von Total wird aus Biomasse treibhausgasreduzierter Diesel- und Flugkraftstoff erzeugt.

                                                               Projekt BioTfueL

                      Biokraftstoff der
                     zweiten Generation
F
      lüssige Energieträger sind wegen                              geht dabei um die Entwicklung eines         Solutions angehören. Um die technische
      ihrer Energiedichte unverzichtbar.                            Verfahrens zur thermochemischen Um-         und wirtschaftliche Machbarkeit der
      Nachhaltig hergestellt werden kön-                            wandlung von Lignocellulose-Biomasse        Technologie zu testen, stützt sich das Pro-
nen sie aus Biomasse oder mittels Was-                              (Stroh, Waldabfälle etc.) in hochwertigen   jekt auf zwei Demonstrationsanlagen in
serstoff, Kohlendioxid und der Fi-                                  treibhausgasreduzierten Diesel- und Flug-   Frankreich, die den wichtigsten Stufen der
scher-Tropsch-Synthese. Der Mineralöl-                              kraftstoff.                                 Produktionskette von Biokraftstoffen der
                                                                                                                                                                Foto: Adobe/nexusseven

konzern Total beschäftigt sich seit vielen                          Initiator des Projekts ist das Konsortium   zweiten Generation entsprechen.
Jahren mit der Entwicklung alternativer                             Bionext, dem neben Total auch die Unter-    In Venette bei Compiègne werden an ei-
Kraftstoffe. Das Biomass-to-Liquid-Pro-                             nehmen Avril, Axens, CEA, IFP Energies      nem Standort der Avril-Gruppe biogene
jekt BioTfueL ist Teil dieses Ansatzes. Es                          nouvelles und thyssenkrupp Industrial       Reststoffe für die weitere Verarbeitung

18                                                                                                                                        raffiniert 4 l 2018
vorbereitet. Hier, nordöstlich von Paris,
wird Biomasse torrefiziert, also geröstet,
bis hin zum kompletten Wasserentzug.
Die Kapazität liegt bei etwa 15 MWh
thermisch – eine Leistung, mit der drei
Tonnen Holz oder Biomasse je Stunde
torrefiziert werden können. Diese Menge
reicht für etwa 500 Liter Kraftstoff. Die
anschließenden Produktionsschritte, in-
klusive der Vergasung und der Reinigung
des Synthesegases, erfolgen dann in der
Total-Anlage in Dünkirchen.

Torrefizierung für eine höhere
Energiedichte
Vor der Vergasung muss die heterogene
Biomasse chemisch vereinheitlicht wer-
                                             BioTfueL-Prozess: Reste von Zuckerrohrpflanzen werden am Standort Venette torrefiziert.
den. Der Torrefizierungsprozess, der bei
relativ moderaten Temperaturen von
200 bis 300 °C und unter normalem at-
mosphärischen Druck abläuft, erhöht die                   Schematische Darstellung des Produktionsprozesses
Energiedichte der Biomasse und reduziert                          im Rahmen des Projekts BioTfueL
im Gegenzug das Transportgewicht und
-volumen. So wird ein Transport von
den dezentralen Biomassesammel- und
Torrefizierungsanlagen zu der zentralen
Anlage für Vergasung und Synthese wirt-
schaftlicher. Die „geröstete“ Biomasse ist
zudem sehr leicht und sehr fein mahlbar,
was wiederum dem anschließenden Ver-
gasungsprozess entgegenkommt.
   Die Demonstrationsanlage wird ver-
schiedene Arten von Biomasse verarbeiten
können. Als Rohstoff dienten bisher Zu-
ckerrohrreste. Für die neue Technologie
zur Herstellung von Biokraftstoffen der
zweiten Generation sind jedoch Stroh,
Forstabfälle oder Energiepflanzen wie
Chinaschilf die wichtigsten Rohstoffe.
   In Dünkirchen läuft dann der zweite
Teil des Prozesses in verschiedenen Etap-
pen ab. Zunächst wird die torrefizierte
Biomasse bei hoher Temperatur zu Syn-
thesegas umgesetzt. Das Gas wird gerei-
nigt und konditioniert und anschließend
mittels Fischer-Tropsch-Synthese in ein
flüssiges Kohlenwasserstoffgemisch um-
gewandelt. Dieses sogenannte „Crude“
wiederum dient als Ausgangsmaterial für
die Herstellung von treibhausgasreduzier-
tem Diesel- und Flugkraftstoff.

Reine Kraftstoffe
Die so erzeugten Biokraftstoffe enthal-
ten weder Schwefel noch Aromaten und
können als Blend oder Reinkraftstoff
dienen für alle Arten von Diesel- und
Strahltriebwerken. Die CO2-Einspar- ➜

raffiniert 4 l 2018                                                                                                                    19
NEUE BRENNSTOFFE

                                                                    „DIE PRODUKTEIGENSCHAFTEN DER BIOKRAFTSTOFFE AUS DEM PROJEKT
                                                                                 BioTfueL KANN MAN GEZIELT EINSTELLEN“
                                                                             Interview mit Dr. Thomas Kuchling, Forschungsgruppenleiter „Raffinerietechnik und alternative Kraftstoffe“
                                                                                 am Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen der TU Bergakademie Freiberg

                                                         Wie unterscheidet sich das Verfahren bei BioTfueL von der                Wie viel synthetischer Kraftstoff kann aus einer Tonne torrefi-
                                                         Herstellung anderer biogener Brennstoffe, etwa hydrierten                zierter Biomasse gewonnen werden?
                                                         Pflanzenölen (HVO)?                                                      Bei BtL-Verfahren auf der Basis der Fischer-Tropsch-Synthese liegt
                                                         Bei BioTfueL handelt es sich um einen typischen Biomass-to-Li-           die energetische Kraftstoffausbeute bei etwa 36 Prozent, aus einer
                                                         quid-Prozess (BtL), bei dem die Biomasse zunächst durch Vergasung        Tonne trockenem Holz können etwa 180 Liter Kraftstoff produziert
                                                         umgewandelt wird in ein Synthesegas, also ein Gemisch aus Wasser-        werden. Legt man für die Torrefizierung eine Masseausbeute von
                                                         stoff und Kohlenmonoxid. In einem zweiten chemischen Schritt wird        etwa 70 Prozent zugrunde, ergibt sich eine Kraftstoffausbeute von
                                                         das Synthesegas mittels Fischer-Tropsch-Synthese in ein Kohlenwas-       etwa 260 Litern pro Tonne torrefizierter Biomasse.
                                                         serstoffgemisch umgewandelt, aus dem dann die gewünschten Kraft-
                                                         und Brennstoffe hergestellt werden können. HVO und BioMates hin-
                                                                                                                                  Wie bewerten Sie die Chancen für das BioTfueL-Verfahren? Kann
                                                         gegen basieren auf Pflanzenölen beziehungsweise biogenen
                                                                                                                                  es zu einer echten Option für die Energiewende, die Reduktion
                                                         Pyrolyseölen, die durch nachfolgende Hydrierung (Wasserstoffanrei-
                                                                                                                                  von Treibhausgasen, werden?
                                                         cherung) und/oder andere raffinerietypische Verfahren an die gefor-
                                                         derten Spezifikationen angepasst werden.                                 Synthetische Kraftstoffe wie BioTfueLs verursachen bei ihrer Herstel-
                                                                                                                                  lung im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen nur geringe Treibhaus-
                                                                                                                                  gasemissionen und verfügen so über ein erhebliches CO2-Minde-
                                                         Welche Vorteile könnten die BioTfueL-Kraftstoffe gegenüber               rungspotenzial. Allerdings ist die Verfügbarkeit an nutzbarer und
                                                         anderen biogenen Kraftstoffen haben?                                     nachhaltig produzierbarer Biomasse begrenzt. Ungeachtet dessen
                                                         Die Eigenschaften von HVO, Fettsäuremethylester (FAME) oder auch         können BtL-Kraftstoffe einen signifikanten Beitrag für die Energie-
                                                         BioMates sind eng mit den Einsatzprodukten verknüpft. Sie können         wende leisten, insbesondere auch vor dem Hintergrund eines zukünf-
                                                         nur in relativ engen Grenzen und dann teilweise nur mit großem Auf-      tig sinkenden Energiebedarfs. Allerdings werden die Kosten dieser
                                                         wand beeinflusst werden. Bei Syntheseprozessen hingegen erfolgt          neuen Kraftstoffe auch lang-
                                                         eine Entkopplung von Rohstoff- und Produkteigenschaften. Die Eigen-      fristig höher sein als die für
                                                         schaften können prinzipiell gezielt eingestellt werden.                  vergleichbare konventionelle
                                                                                                                                  Produkte. Eine erfolgreiche
                                                                                                                                  Markteinführung erfordert
                                                         Wie geht das genau? Wie werden die gewünschten Produkte,
                                                                                                                                  eine politische und gesetz­
                                                         etwa Kerosin und Diesel, aus dem synthetisch erzeugten, flüssi-
                                                                                                                                  liche Flankierung, damit
                                                         gen Crude hergestellt?
                                                                                                                                  wirt­schaftlich darstell­bare
                                                         Die Fischer-Tropsch-Synthese liefert bereits primär ein hochwertiges     Geschäftsmodelle entwickelt
                                                         Gemisch aus überwiegend Kohlenwasserstoffen, dessen Zusam-               werden können.
                                                         mensetzung über die Prozessbedingungen steuerbar ist. Die anwen-
                                                         dungstechnischen Parameter wie Kältebeständigkeit, Flammpunkt,
                                                         Zündwilligkeit können verhältnismäßig einfach mithilfe hydrierender
                                                         Verfahren wie Hydrocracken oder Hydroisomerisierung im Verbund
                                                         mit einer destillativen Trennung erfüllt werden. Gleichzeitig ist die
                                                         Produktverteilung, also die Ausbeuten an Kerosin, Diesel oder Heizöl
                                                         und Gasen, beeinflussbar.                                                               Dr. Thomas Kuchling

                                                    quote soll bei Reinverwendung etwa 90
                                                    Prozent gegenüber fossilen Treibstoffen
                                                                                                                                            Das BioTfueL-Projekt
                                                    betragen. Der Projektpartner thyssen-
                                                    krupp Industrial Solutions geht davon
                                                                                                              Initiator: Bionext Konsortium, bestehend aus sechs Partnern
                                                    aus, dass Motoren, die diesen Treibstoff
                                                    tanken, keinerlei Modifikationen benöti-                   artner: Avril Group, Axens, CEA, IFP Energies nouvelles, thyssenkrupp
                                                                                                              P
Grafik: Total; Fotos: Total, T. Kuchling (privat)

                                                    gen. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass                Industrial Solutions, Total
                                                    sich mit dem Verfahren sehr genau spätere                 Forschungsstart: 2012
                                                    Produkteigenschaften voreinstellen und
                                                                                                              Start der Demonstrationsanlage: 2017
                                                    erzeugen lassen. Lesen Sie dazu mehr im
                                                    Interview mit dem Experten Dr. Thomas                     Einsatzrohstoff: Lignocellulosische Biomasse
                                                    Kuchling, der an der TU Bergakademie                      Produkte: Biodiesel, Biojet-Kraftstoff (vergleichbar mit Kerosin)
                                                    Freiberg zu alternativen Kraftstoffen
                                                    forscht.                                ■                                                                                                             ■

                                                    20                                                                                                                                    raffiniert 4 l 2018
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