Raffi niert - epub @ SUB HH
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
raffiniert 04 | 2018 IWO-Fachmagazin für den Wärmemarkt ÖL-PV-HEIZUNG Hybridlösungen sollten im Energiesparrecht anerkannt werden PROJEKT BioTfueL Biokraftstoff der zweiten Generation SHK-BRANCHE Trendstudie 2019 Perspektive Power-to-X Synthetische Energieträger bieten große Chancen für die deutsche Wirtschaft
BEST- SELLER NEUAUFLAGE! Deutschlands meistverkauftes Fachbuch zur Planung und Installation einer Ölanlage it d er Jetzt m S 7 9 1 TRw + 2 Teil 1 erhältlich eBook ls Auch a u n ge n unter Bestell w w .t r oel.de w Ölheizung
MEINUNG Die Digitalisierung I N H A LT 4 | News 21 | Service bietet enorme Chancen 6 D ie Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und Wirtschaft in rasantem Tempo. Das SHK-Handwerk ist gefordert, sich rechtzeitig darauf einzustellen. Nicht nur Informationsflüsse, Planungs- und Betriebsprozesse, sondern auch die eingebauten Produkte werden zunehmend digitalisiert und damit „intelligent“. Das gilt für moderne Heizungssysteme in besonderer Weise. Daten werden zum Wert an sich. Wer über sie verfügt, kann über sie künftig Geschäftsmodelle aller Akteure der Wertschöpfungskette beeinflussen und Handel, Kundenberatung, Verkauf, Montage und Wartung im Heizungsmarkt steuern. Es werden immer größere Datenmengen verarbeitet und genutzt. Aus POWER-TO-X der Verknüpfung von Daten können neue Dienstleistungen entstehen. Mit Ökostrom erzeugte synthetische Energieträger sind ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Diese nicht aufzuhaltende Entwicklung stellt Unternehmen vor große Her- Sie bieten zugleich große Wachstumschancen für ausforderungen. Sie bietet ihnen aber zugleich enorme Chancen für neue Deutschland und künftige Energieexporteure Dienstleistungen und die Optimierung von Geschäftsprozessen. Für unser Handwerk bedeutet das: effizientere Prozesse bei Bestellungen und bei Ange- botserstellung, Abrechnung, Kalkulation, Produkt- und Lieferantenvergleichen sowie ein Aufbau von Expertise im Bereich smarter Technologien für Gebäude. 12 Während digitale Kommunikationsmittel für die Handwerksbetriebe zum Pflichtprogramm zählen, ist der Einsatz digitaler Technologien bislang eher verhalten. Viele Betriebe tun sich schwer, eine Digitalisierungsstrategie zu 18 entwickeln, oder haben in der aktuellen Konjunkturlage schlicht keine Muße, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es ist daher eine primäre Aufga- be unserer Verbandsarbeit, die Handwerksbetriebe auf ihrem Weg in das digitale Zeitalter zu unterstützen. HYBRIDES HEIZEN BIOTFUEL Wir haben dazu in der „Digitalen Agenda SHK 4.0“ die Herausforderungen Die Vorteile von Total will aus Pflanzen- der Digitalisierung für das SHK-Handwerk herausgearbeitet. Power-to-Heat- resten Biokraftstoffe der Entscheidend wird sein, wie die Betriebe zukünftig ihre Daten managen, Hybridheizungen werden zweiten Generation bislang nicht anerkannt gewinnen oder noch dezidierter: welche Datenhoheit das Handwerk für sich gewinnen kann. Der ZVSHK hat daher im Jahr 2017 unter anderem den Aufbau eines Open Datapools gestartet. Neben den Artikelstammdaten und Badplanda- 14 PRAXIS ten sollen damit auch Ausschreibungsdaten, Bilder, Montage- und Pflege- Hausbesitzer Stefan Korell hat seine PV-Anlage mit einer Wärmepumpe und einem anleitungen sowie Maßzeichnungen zentral verfügbar gemacht werden. Die Öl-Brennwertgerät verbunden Bereitstellung dieser Produktinformationen auf einer neutralen Verbands- plattform ist von hohem Nutzwert für unsere organisierten Betriebe. Der 22 SHK-BRANCHE Wie wird das Jahr 2019? kostenfreie, exklusive Service ermöglicht ihnen eine komfortable und vor Hans-Arno Kloep stellt die Ergebnisse allem zeitsparende Produktrecherche. seiner aktuellen Trendstudie vor Dies ist ein wichtiger Schritt. Weitere werden folgen, damit die Digitalisie- Foto: ZVSHK, Adobe Stock /zhu difeng, Adobe Stock/Ingo Bartussek, Total rung für das SHK-Handwerk zur Chance und weniger zum Risiko wird. IMPRESSUM raffiniert IWO-Fachmagazin für den Wärmemarkt HERAUSGEBER Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO) Gemeinsam vertretungsberechtigt: Jörg Debus (Vorstandsvors.), Volker Ebeling (Vorstand), Geschäftsführung: Adrian Willig, Süderstraße 73 a, 20097 Hamburg, Tel. 040/23 5113-0, Fax 040/23 5113-29, E-Mail: info@iwo.de VERANTWORTLICH Adrian Willig CHEFREDAKTION Alexander Fack AUTOREN DIESER AUSGABE Rainer Diederichs, Christine Engel, Wolfgang Kempkens, Hans-Arno Kloep, Frank Urbansky ANZEIGEN Andreas Helmut Bramann, Fallinski LAYOUT/BILDREDAKTION Alphabeta GmbH, 20097 Hauptgeschäftsführer Zentralverband Hamburg/Dana Barthel VERLAG/DRUCK Verlag A. Fromm, 49074 Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) Osnabrück. Der Stückpreis beträgt 4,00 Euro. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Erlaubnis des Herausgebers und Ihre Meinung ist uns wichtig: raffiniert@iwo.de Quellenangabe. raffiniert 4 l 2018 3
NEWS Gebäudestandards Energieeffizientes Bauen zahlt sich nicht immer aus Im Kontext der Diskussion über gesetzliche Anforderungen zur Energieeffizienz von Gebäuden hat das Fraunhofer-Informations- zentrum Raum und Bau (IRB) im Auftrag des Bauherrenschutzbundes (BSB) die Ergebnisse der wichtigsten Studien zur Wirtschaft- lichkeit energetischer Investitionen beim Wohngebäudebau (Neubau und Bestand) verglichen und dabei große Abweichungen in den Studienergebnissen festgestellt. Das Spektrum reicht von hoher Wirtschaftlichkeit der Effizienzmaßnahmen bis hin zur Feststellung, dass die Investitionskosten in normalen Lebenszyklen kaum erwirtschaftet werden können. „Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine seriöse Bewertung der Wirtschaftlichkeit energierelevanter Investitionen nur im Einzelfall möglich ist“, so die IRB-Experten. Weder pauschale Aussagen, dass sich die Investitionen stets rechnen, noch solche, dass sie grundsätzlich unwirtschaftlich sind, seien richtig. Über alle Studien hinweg zeige sich, dass ein höherer Energiestandard in der Regel zu höheren Baukosten führt. Der BSB empfiehlt, alle Einzelmaßnahmen mit Expertenhilfe sinnvoll miteinander zu kombinieren: „Wer immer nur mehr dämmt und nicht gleichzeitig die Heizanlage darauf abstimmt, wird am Ende kein Geld sparen.“ Bei Einsparvorgaben müsse die Finanzierbarkeit für private Bauherren, Eigentümer und Mieter beachtet werden. Ein wichtiger Hebel hierfür sei die Technologieoffenheit. www.bsb-ev.de (studien/analysen-und-studien) Oel-Waerme-Institut 20 Jahre Forschung für flüssige Energie Das Oel-Waerme-Institut (OWI) feiert 20. Geburtstag. Das gemeinnützige Forschungsinstitut wurde 1998 in Aachen gegründet und ist seit 2007 ein An-Institut der RWTH Aa- chen. OWI hat zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt, etwa im Kontext der Markteinführung von schwefelarmem Heizöl sowie von Bioheizöl. Heute arbeitet das Institut an technisch ausgereiften, treibhausgasarmen Lösungen für die Wärmeerzeugung und Mobilität von morgen. OWI konzent- riert sich dabei auf die Forschungsfelder alternative flüssige Energieträger und Effizienztechnologien. Der Fokus im Be- reich der Energieträger liegt derzeit auf Brenn- und Kraft- stoffen mit einem möglichst hohen CO2-Minderungspotenzi- al sowie auf deren Kompatibilität mit moderner Verbrennungs- und Motorentechnik. „Wir untersuchen beispielsweise den Einsatz von Brennstoffen aus Abfällen und Reststoffen bioge- ner Herkunft. Ein weiteres aktuelles Forschungsthema sind sogenannte E-Fuels, die mithilfe von regenerativ erzeugtem Strom synthetisch hergestellt werden“, erläutert OWI-Ge- schäftsführer David Diarra. Effizienztechnologien wie Brenn- stoffzellen, Heizsysteme und die Kraft-Wärme-Kopplung sind wichtige Forschungsthemen im Bereich Energiesysteme. OWI hat umfassendes Know-how im Bereich der Hochtempera turtechnik aufgebaut und verfügt über langjährige Erfahrung auf dem Feld der Brennerentwicklung und Prüfung von hoch- temperaturbeständigen Werkstoffen. OWI hat zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt, etwa im Kontext der Markteinführung von schwefelarmem Heizöl sowie von Bioheizöl. 4 raffiniert 4 l 2018
M E INNEUW NGS 470.800 470.800 neue Beschäftigungsverhältnisse bis zum Jahr 2050 und 36,4 Milliarden Euro deutsche Wirtschaft und den internationa- len Handel“ von Frontier Economics und Arbeitsplätze durch Power-to-X zusätzliche Wertschöpfungseffekte pro dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Jahr könnten sich durch die Produktion und Deutschland ist gegenwärtig führend bei den Export von Power-to-X-Anlagen für die den Schlüsseltechnologien und der größte deutsche Wirtschaft ergeben. Zu diesem Exporteur von Elektrolyseanlagen weltweit. Ergebnis kommt die Studie „Synthetische Mehr zur Studie ab Seite 6 in dieser Energieträger – Perspektiven für die raffiniert-Ausgabe. IWO hat einen neuen Vorstand Die IWO-Mitgliedsunternehmen haben turnusmäßig den Vorstand für die nächsten zwei Jahre gewählt. Neben Jörg Debus (Shell) als Vorstandsvorsitzender wurde Martin Heins (UNITI) als sein Stellvertreter bestätigt. Ihre Arbeit im IWO-Vorstand fortsetzen werden zudem Christi- ane Giesen (BP), Holger Mark (AVIA), Jan Petersen (Total) und Rainer Scharr (GKG). Neu im Vorstand ist Volker „Alle Technologien Ebeling (Mabanaft). Er nimmt den Platz von Nikolaus Gehrs ein, der sich nicht wieder zur Wahl stellte. Die stehen im Wettbewerb zum Modernisierungsquote von Heizungen zu erhöhen, ist aus Sicht der Mitglieder eine der zentralen IWO-Aufgaben in Nichtstun“ 2019. Um Hausbesitzer zum Einbau effizienter Öl-Brenn- werttechnik zu motivieren, sollen Online-Angebote ver- stärkt und neue Campaigning-Maßnahmen umgesetzt Die Diskussion über die Heizungssysteme für die Energiewende im Gebäudebestand werden. Die Aktion „Besser flüssig bleiben“ wird fortge- verläuft aus Sicht von BDH-Präsident Manfred Greis auf einer sachlich schiefen Ebene: setzt und bundesweit im Rundfunk beworben. „Es klingt immer so – ist es jetzt besser einen Ölkessel einzusetzen oder einen Pelletkessel oder die Wärmepumpe. Als wenn diese Technologien miteinander im Wettbewerb stünden. Das stimmt überhaupt nicht“, betonte Greis auf dem Heat-Kongress für mobile und spei- cherbare Wärme in Berlin. „Alle Technologien stehen im Wettbewerb zum Nichtstun, also die alte Anlage so zu belassen, wie sie heute ist.“ 550.000 neue Heizgeräte gingen jähr- lich in den Bestand, der noch rund 13 Millionen veraltete Anlagen aufweise. „Wenn wir wirklich das 2030er Ziel im Gebäudebereich schaffen wollen, dann müssen wir nahezu verdoppeln, das heißt, wir brauchen eine Million Wärmeerzeuger pro Jahr. Und da werden wir jede Wärmepumpe, jeden Pelletkessel und auch jeden Ölkessel benötigen“, sagte Greis. Wichtig seien eine technologieoffene Förderung und eine klare Kommunikation in Richtung Verbraucher. Zwang dagegen würde die Menschen eher abschrecken, als sie für neue Heiztechnik zu begeistern. Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU) will für den Erhalt der derzeitigen Förderung der Brennwerttechnik „kämpfen“. Klar sei jedoch Fotos: Adobe Stock/artemegorov, OWI, IWO auch, dass der Wärmebereich effizienter werden müsse und der Anteil der erneuerbaren Energien steigen müsse. Daher könnten teurere Hybridsysteme eventuell eine höhere För- derung erhalten, sagte Bareiß auf dem von IWO und Uniti veranstalteten Heat-Kongress. Er schloss zugleich ordnungspolitische Zwangsmaßnahmen aus. Der neue IWO-Vorstand (v. l.): Volker Ebeling (Mabanaft), Holger Mark (AVIA), Martin Heins (UNITI), Christiane Giesen (BP), Rainer Scharr (GKG), Jan Petersen (Total) und Jörg Debus (Shell). raffiniert 4 l 2018 5
ENERGIEWENDE & KLIMASCHUTZ Perspektive Power-to-X Synthetisch erzeugte Energieträger sind ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Sie bieten zugleich Wachstums- chancen für Deutschland als Technologieanbieter wie auch für Länder, die als künftige Energieexporteure infrage kommen. 6 raffiniert 4 l 2018
Sonnen- und windreiche Regionen, die Ökostrom kostengünstig erzeugen können, bieten sich als Produktionsstandorte für Power-to-X an. E nergiewende total, das bedeutet das der Herstellung der Kraft- und Brennstoffe Aus für Autos und Laster, die mit dem Kreislauf entnommen worden ist. Für Benzin oder Diesel fahren, und Energiehändler, Heizungshandwerker, Ge- auch für Heizungen, die mit Öl oder Erd- rätehersteller und auch für den Verbraucher gas befeuert werden. Stattdessen werden besteht die Aussicht, dass die Abkehr von die Fahrzeuge von Elektromotoren ange- fossilen Brennstoffen sie nicht vor voll- trieben und Strom-Wärmepumpen wer- kommen neue Herausforderungen stellt. den die Häuser beheizen. Wirklich? Die Studie „Synthetische Energieträ- E-Fuels sind klimaneutral ger – Perspektiven für die deutsche Wirt- schaft und den internationalen Handel“ Was es dazu braucht, ist Power-to-X (PtX), des Instituts der deutschen Wirtschaft also die Umwandlung von elektrischer (IW) und des Londoner Beratungsunter- Energie in Kraft- und Brennstoffe, wobei nehmens Frontier Economics kommt zu das X für „Liquid“ oder „Gas“ steht. Erd- einem anderen Schluss: „Synthetische öl und Erdgas werden also nicht abgelöst Kraft- und Brennstoffe werden für eine durch die direkte Nutzung von Sonne, Fotos: Adobe Stock /zhu difeng, Sunfire CO2-neutrale Energieversorgung unver- Wind, Wasser und Biomasse. Der Strom, zichtbar sein.“ Die Fahrzeuge würden also den diese erneuerbaren Energiequellen weiterhin mit Benzin und Diesel betrieben liefern, wird vielmehr genutzt, um alterna- und in Heizkesseln würden weiterhin Öl tive flüssige und gasförmige Energieträger, und Gas verfeuert. Doch anders als heute sogenannte E-Fuels, zu erzeugen. Mithilfe emittieren diese Verbrennungsanlagen nur des grünen Stroms wird in Elektrolyseanla- Aus Ökostrom, Wasser und CO2 synthetisch erzeugt: noch so viel Kohlendioxid (CO2), wie bei gen Wasserstoff gewonnen. In einem ➜ treibhausgasneutraler flüssiger Energieträger. raffiniert 4 l 2018 7
ENERGIEWENDE & KLIMASCHUTZ Bis 2050 könnte der Leistungsbedarf von Elektrolyseuren, Methanisierungsanlagen sowie Reaktoren zur Herstellung flüssiger Kraft- und Brennstoffe ca. 8.000 Gigawatt betragen. In Deutschland sind derzeit rund 100 Gigawatt an Solar- und Windkraft installiert. Reaktor reagiert dieser mit Kohlendioxid. aus erneuerbaren Energien, in verschiede- sin und Benzin kommen dagegen auf Je nachdem, wie diese Reaktion abläuft nen Sektoren wie dem Luft- und Seever- das Zwanzigfache. In verflüssigter Form (Methanisierung, Methanolsynthese oder kehr, unverzichtbar“, stellen die Autoren oder unter hohem Druck ist auch die Fischer-Tropsch-Synthese), entstehen der Studie fest, die vom Institut für Wärme Energiedichte von Methan und Wasser- chemische Energieträger wie Methangas, und Oeltechnik (IWO), der Mittelstän- stoff deutlich höher als die von Batterien. Methanolalkohol oder synthetische Kraft- dischen Energiewirtschaft Deutschland Nicht zuletzt wegen dieser grundlegen- und Brennstoffe, deren Eigenschaften mit (MEW) und dem UNITI Bundesverband den chemisch-physikalischen Eigenschaf- denen von heutigem Benzin oder Diesel mittelständischer Mineralölunternehmen ten basiere der Endenergieverbrauch in vergleichbar sind. in Auftrag gegeben wurde. Deutschland derzeit zu rund 70 Prozent Das benötigte Kohlendioxid kann aus Lithium-Ionen-Batterien, die als direkte auf chemischen Energieträgern, heißt es industriellen Prozessen stammen oder di- Stromspeicher infrage kommen, haben in der Studie. rekt aus der Luft (CO2 Direct Air Capture) eine Energiedichte von weniger als einer Die Experten sehen als entscheiden- gewonnen werden. Wird beispielsweise Kilowattstunde pro Liter. Diesel, Kero- den Vorteil der synthetischen Kraft- und synthetisches Heizöl verbrannt, wird die Menge CO2 freigesetzt, die beim Po- wer-to-Liquid-Prozess zuvor verwendet wurde. Es kommt also kein neues Koh- Power-to-X lendioxid hinzu, sodass ein geschlossener Unter Power-to-X sind all jene Verfahren zu verstehen, die Ökostrom in chemische Energieträger oder Kohlenstoffkreislauf ohne klimaschäd- Grundstoffe für die Chemieindustrie umwandeln. Mit Power-to-X lassen sich beispielsweise Diesel, liche Wirkung entsteht. Zudem weisen Benzin, Heizöl oder Kerosin für Flugzeuge sowie synthetisches Gas herstellen. Grundlage für E-Fuels deutlich geringere Luftschad- Power-to-X ist die Elektrolyse. Mithilfe von Ökostrom werden zwei Wassermoleküle (H2O) in ein stoffemissionen auf als fossile Kraft- und Sauerstoff- sowie zwei Wasserstoffmoleküle aufgespalten (2H2O -> 2H + O2). Der so gewonnene Brennstoffe. grüne Wasserstoff kann über weitere chemische Prozesse (Fischer-Tropsch-Synthese, Methanol synthese oder Methanisierung) mit Kohlendioxid CO2 zu neuen langkettigen Kohlenwasserstoffver bindungen verbunden werden, die wiederum zu flüssigen oder gasförmigen Kraft- und Brennstoffen Energiewende braucht chemische oder Grundstoffen für die Chemieindustrie verarbeitet werden können. Beide Verfahren werden unter Energieträger dem Oberbegriff „Power-to-X“ zusammengefasst, wobei das X wahlweise für „Gas“ oder „Liquids“, also gasförmige oder flüssige Kohlenwasserstoffe, steht. „Die hohe Energiedichte macht den Einsatz von chemischen Energieträgern, hergestellt 8 raffiniert 4 l 2018
Brennstoffe auch deren einfache Lager- und Transportfähigkeit. Gas wird seit Jahrzehnten durch Rohrleitungen zum Kunden transportiert, flüssige Kraft- und Brennstoffe seit noch längerer Zeit durch Pipelines und per Tankwagen. Diese teure Infrastruktur müsste also nicht verändert werden, wenn es einen Umstieg auf syn- thetische Quellen gäbe. Dadurch könnten „Akzeptanzgrenzen für die Transforma- tion des Energiesystems überwunden Power-to-X ist ein wichtiger und Kosten reduziert werden“, sagen die Baustein für die IW-Autoren Manuel Fritsch und Thilo Schaefer. Entwicklung eines diversifizierten, globalen Infrastruktur für Energiespeicherung und CO2-neutralen ist vorhanden Energiesystems.“ Ohne die Möglichkeit, Ökostrom – des- Dr. Jens Perner, sen Produktion weitgehend vom Wetter Frontier Economics abhängt – für nachfragestarke Zeiten zu speichern, könne die Energiewende nicht gelingen, so die Studienautoren. Die Infra- struktur für Öl und Gas sei in Deutschland stunde sind eine Milliarde Kilowattstun- den könnte, halten die Experten aller- so weit ausgebaut, dass „eine hochdyna- den). Das entspricht 62 Prozent der jährli- dings für ausgeschlossen. Das ergebe sich mische landesweite Momentan-Nachfrage chen Nachfrage nach flüssigen Kraft- und bereits aus der begrenzten Standortver- nach Energie jederzeit zuverlässig bedient Brennstoffen. Bei den Gaskavernen sind fügbarkeit für Anlagen zur Ökostromer- werden kann“. Wenn also irgendwo zu es 260 Terawattstunden oder ein Drittel zeugung. Schon jetzt mehren sich die einem bestimmten Zeitpunkt ein hoher des Jahresverbrauchs. Alle anderen Strom- Widerstände gegen neue Windenergie- Bedarf an Strom oder Wärme anfalle, lasse speicher in Deutschland, vor allem Pump- anlagen. Deutschland werde also synthe- sich dieser jederzeit decken. Das gelte auch speicherkraftwerke, erreichen zusammen tische Kraft- und Brennstoffe im großen für saisonale Nachfrageschwankungen. gerade mal 0,04 Terawattstunden. Zum Stil importieren müssen. Was aber kein Die in Deutschland existierenden Speicher Vergleich: Deutschlands Primärenergie- Nachteil zu sein brauche. Es könnten so für flüssige Energieträger summieren sich verbrauch liegt bei 3.760 Terawattstunden. nämlich die Kostensenkungspotenziale auf 535 Terawattstunden (eine Terawatt- Dass Deutschland energieautark wer- bei der PtX-Herstellung im Ausland ➜ Funktionsweise Power-to-Liquids (PtL) Synthese nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren Fotos: iStock/ictor, Frontier Economics, IWO raffiniert 4 l 2018 9
ENERGIEWENDE & KLIMASCHUTZ Mögliche Beschäftigungseffekte in Deutschland durch den Export von Anlagen zur PtX-Produktion bis 2050 Quelle: Destatis (2018), OECD (2018), UN (2018), WIOD (2016), Frontier Economics/IW: Synthetische Energieträger – Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel; Grafik: IWO genutzt werden. Solarstrom etwa ist in gengestellt werden. Diese liegen bei 746 profitieren kann. Deutschland sei an den sonnenreichen Ländern oft nicht mal halb Milliarden Euro pro Jahr. Die Studie zeigt weltweiten Exporten von Elektrolyseuren so teuer wie in Deutschland. Ähnlich auf, dass Deutschland von PtX nicht nur mit einem Anteil von 19 Prozent beteiligt. sieht es bei der Windenergie aus. ökologisch, sondern auch wirtschaftlich Damit nehme das Land die Spitzenposition ein. Im Anlagenbau sehe es ähnlich güns- tig aus. Hier liege der deutsche Anteil bei PtX-Industrie könnte neue 16 Prozent. Für die deutsche Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen ergäben sich bis 2050 zusätzliche Wert- Die Autoren erwarten einen gigantischen schöpfungseffekte in Höhe von insgesamt neuen Markt. „Die weltweite Nachfrage Lagerung von Rohöl/ rund 36,4 Milliarden Euro jährlich. Zudem nach PtX könnte bis zum Jahr 2050 leicht Ölprodukten in würden insgesamt gut 470.000 neue Stel- Größenordnungen von 20.000 Terawatt- Deutschland len geschaffen. stunden erreichen“, heißt es in der Studie. >535 TWh Das entspreche der Hälfte des derzeitigen weltweiten Rohölmarktes. Elektrolyseure, PtX schafft internationale Methanisierungsanlagen sowie Reaktoren, Win-Win-Situation in denen flüssige Kraft- und Brennstoffe hergestellt werden, könnten auf einen Leis- Doch nicht nur die Industrieländer wür- tungsbedarf von ca. 8.000 Gigawatt kom- den von PtX profitieren. Investitionen in men. Zum Vergleich: In Deutschland sind Gasspeicher Anlagen zur Erzeugung von synthetischen derzeit rund 100 Gigawatt an Solar- und in Deutschland Kraft- und Brennstoffen und deren Export- Windkraft installiert. >260 TWh potenziale können aufgrund der zukünf- Die finanziellen Herausforderungen sind tigen weltweiten Nachfragemärkte an den zwar groß, halten sich aber in Grenzen, so Produktionsstandorten wichtige Entwick- die Studienautoren. Pro Jahr müssten welt- Stromspeicher lungsimpulse entfalten, so die Studienau- weit 215 Milliarden Euro in PtX-Anlagen 0,04 TWhel toren. In entwicklungsbedürftigen Regio- gesteckt werden. Dieser Wert relativiert nen mit großem Potenzial für erneuerbare Quelle: Frontier Economics/IW: Synthetische Energieträger – sich jedoch, wenn die heutigen Investi- Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Energien und hoher Flächenverfügbarkeit tionen in den Öl- und Gassektor dage- Handel, Sept. 2018, S. 13 würden sich hierdurch Chancen eröffnen. 10 raffiniert 4 l 2018
Zugleich böte PtX den Ländern, die heute fossile Energien exportieren, eine Perspek- tive für das postfossile Zeitalter. Die Kernbotschaften Politische Weichenstellungen nötig Damit sich ein globaler Markt für PtX- Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden für eine CO2-neutrale Technologien und PtX-Produkte ent- Energieversorgung unverzichtbar sein, denn: wickeln kann, bedarf es national wie 1. Die Energiedichte von chemischen Energieträgern ist höher als die der international der politischen Initiative meisten anderen Energieträger. zur Schaffung geeigneter Rahmenbedin- 2. Chemische Energieträger lassen sich leicht lagern und transportieren. gungen. Technologieentwicklung und Skalierung im globalen Maßstab sind 3. Vorhandene Infrastrukturen können weiter genutzt werden. voranzutreiben. Dazu müssten PtX Be- 4. Importe aus Ländern mit sehr günstigen Standortbedingungen (hohe standteil der internationalen Energie- und Flächenverfügbarkeit, großes Solar- und/oder Windenergieangebot) Klimaschutzagenda werden und bilaterale können die Kosten für PtX-Produkte senken. wie multilaterale Energiekooperationen gefördert werden, so das Studienfazit von IW und Frontier Economics. ■ Internationales Bündnis für synthetische Kraft- und Brennstoffe Die Deutsche Energie-Agentur (dena) und Partner aus der Industrie haben die Global Alliance Power Fuels gestartet. Das international ausgerichtete Bündnis verfolgt das Ziel, globale Märkte für synthetische Kraft- und Brennstoffe, die mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt werden, zu erschließen. Es soll ein Netzwerk aus den Bereichen Forschung und Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aufbauen. Analysiert werden unter anderem Märkte für Power Fuels und die Rahmenbedingungen für ihren Einsatz. Laut dena-Leitstudie können sie im Jahr 2050 in Deutschland einen Bedarf von 150 bis 900 Terawattstunden abdecken. Mit Energieeffizienz und der direkten Nutzung von erneuerbarem Strom allein werde sich der Energiebedarf in Zukunft nicht klimaneutral decken lassen: „Synthetische erneuerbare Energieträger sind die dritte Säule für eine erfolgreiche Energiewende“, sagt dena-Chef Andreas Kuhlmann. Die Umwandlungsverfahren wie Power-to-Gas (Strom zu Gas) und Power-to-Liquid (Strom zu Flüssigkeit) sind bekannt und die Technologien sind prinzipiell verfügbar. Bei der Technologieentwicklung ist Deutschland Vorreiter. Kuhlmann: „Jetzt ist die Zeit gekommen, das bestehende Know-how zu nutzen und es weiterzuentwickeln, groß ausgelegte Projekte anzustoßen und einen nachhaltigen Zukunftsmarkt zu erschließen.“ Zum Partnerkreis zählen Unternehmen und Verbände aus verschiedenen Branchen, darunter unter anderem Audi AG, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ENERTRAG AG, IWO Institut für Wärme und Oeltechnik e. V., Robert Bosch GmbH, Uniper Kraftwerke GmbH sowie MWV Fotos: dena, Adobe/fandijki und UNITI. Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung raffiniert 4 l 2018 11
HYBRIDES HEIZEN Energiesparrecht Gesetzgeber sollte Power-to-Heat- Hybridheizungen berücksichtigen Die Nutzung von PV-Eigenstrom zur Wärmeerzeugung im Haus wird für viele Betreiber nach Ende der EEG-Einspeisevergütung interessant. H ybridheizungen sind ein wichti- (ITG). Auftraggeber der Untersuchung produzieren könnten, werden durch die ger Baustein der Energiewende. ist neben anderen das Institut für Wärme Netzbetreiber im Rahmen des Einspei- Erneuerbare Energien werden mit und Oeltechnik (IWO). semanagements abgeschaltet. So wird ihnen gezielt genutzt, zugleich wird der real vorhandenes Potenzial an Strom aus Verbrauch fossiler Brennstoffe vermin- erneuerbaren Energien nicht genutzt und dert. Auch der Einsatz von Ökostrom ist Abgeregelter Strom kostet die dann oftmals durch konventionelle Strom in Hybridheizungen mit Power-to-Heat Verbraucher 610 Millionen Euro erzeugung an einem anderen Standort (PtH) vergleichsweise einfach möglich. Der Anteil erneuerbarer Energien an der kompensiert. Bezahlt wird der nicht Die Regelungen im aktuellen Energie- Stromversorgung nimmt zu, während pro- duzierte Strom, die sogenannte Aus- sparrecht (EnEV, EnEG, EEWärmeG) der Ausbau der Übertragungsnetze bis- fallarbeit, trotzdem. Denn das EEG sieht sowie im Entwurf des Gebäudeener- her nicht mit diesem Anstieg mithalten wegen des Einspeisevorrangs für erneu- giegesetzes (GEG) vom Januar 2017 kann. Immer öfter kommt es zu Phasen, erbaren Strom Entschädigungszahlungen berücksichtigen die Vorteile solcher in denen nicht die gesamte Menge der so für die Anlagenbetreiber vor. Verbrau- Systeme noch nicht oder zu wenig. Das erzeugbaren Elektroenergie an die Ver- chern sind so allein im Jahr 2017 Kosten verdeutlicht eine Analyse des Instituts für braucher weitergeleitet werden kann. Die von rund 610 Millionen Euro entstanden. Technische Gebäudeausrüstung Dresden Konsequenz: Anlagen, die Ökostrom „Die Ausfallarbeit wirkt sich sowohl öko- 12 raffiniert 4 l 2018
logisch als auch ökonomisch negativ aus“, NACHGEFRAGT BEI BERT OSCHATZ, erklärt Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz, Geschäfts- GESCHÄFTSFÜHRER DES führer des ITG. „Betroffen sind nicht nur kom- INSTITUTS FÜR TECHNISCHE GEBÄUDE- merzielle Stromerzeuger, sondern in kleine- rem Maßstab auch privat betriebene Anlagen. AUSRÜSTUNG DRESDEN (ITG) PtH-fähige Hybridsysteme wären eine kos- tengünstige Möglichkeit, den ansonsten ab- Die Nutzung von selbst produziertem Strom auch zur geregelten Strom aus Windkraft- und Pho- Wärmeerzeugung in Hybridheizungen wird für die Haus- tovoltaik-Anlagen zum Heizen zu nutzen. halte mit eigener PV-Anlage zunehmend attraktiv. Was Dennoch wird diese Option rechtlich nicht sind die Treiber und Motive für solche Lösungen? hinreichend berücksichtigt. „Der GEG-Ent- Da gibt es eine Reihe von Gründen, etwa weiter sinkende Kosten von PV-Anlagen, die zu immer niedrigeren Kosten je wurf aus dem vergangenen Jahr schließt zum Kilowattstunde PV-Strom führen. Der Abstand zum Preis für Beispiel die Anrechnung des Einsatzes von fossile Energieträger wird geringer, aber natürlich sinkt auch erneuerbar erzeugtem Strom in Stromdi- die Attraktivität der Netzeinspeisung von PV-Strom. Gleich- rektheizungen gänzlich aus und sieht hierbei zeitig wollen gerade die Besitzer von PV-Anlagen stärker zur auch keine Ausnahme für den durchaus sinn- Energieeinsparung und zum Klimaschutz beitragen. Dies vollen Einsatz von Stromdirektheizungen als wird unmittelbar spürbar, wenn man den eigenen Verbrauch Bestandteil von PtH-Hybridheizungen vor“, fossiler Ressourcen substituieren kann. Und ab 2020 gibt es auch die ersten PV-Anlagen, die mit einem Alter von 20 Jah- erklärt Oschatz. ren aus der EEG-Förderung herausfallen. Für den Strom aus derartigen Anlagen gibt es dann praktisch keine Einspeise- vergütung mehr, die unkomplizierte Eigennutzung in Pow- Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz, ITG Dresden Plausible Abbildung im GEG nötig er-to-Heat-Anlagen führt diesen Strom einer sinnvollen und Das ITG Dresden schlägt vor, in der künftigen umweltfreundlichen Nutzung zu. Sicherlich trägt auch die Diskussion über die Be- und teilweise Gesetzgebung einen geeigneteren rechtlichen Überlastung der Stromnetze durch volatile Erneuerbare und die dadurch bedingte Abregelung erneuerbarer Stromerzeuger zum Wunsch nach mehr Eigennutzung bei. Rahmen zur Berücksichtigung von erneuerbar erzeugtem Strom in PtH-Hybridheizungen zu schaffen und eine technisch sowie physika- Die technischen Komponenten – wie geeignete Speicher, intelligente Steuerungen, Heizstä- be, Trinkwasser-Wärmepumpen und effiziente Brennwertgeräte – sind verfügbar. Was kann lisch plausible Abbildung PtH-fähiger Hybrid- die Geräteindustrie tun, um Power-to-Heat-fähige Hybridheizungen vor allem im Gebäude- heizungen im geplanten GEG vorzunehmen. bestand nach vorne zu bringen? Paketlösungen schnüren? Mehr Marketing? Handwerker- „Aus unserer Sicht bietet insbesondere der schulungen? Paragraf 25 des GEG-Entwurfs die Möglich- Marketing und die Verbesserung des Wissens um diese Technologien bei den Handwerkern sind keit, dafür zu sorgen, dass die Schwerpunkte, sicherlich ganz wichtig. Standardlösungen – gern auch in Form von Paketen – erhöhen ebenfalls die dabei Berücksichtigung erfahren sollten, in die Akzeptanz. Und natürlich sollten die Systeme möglichst preiswert sein, sodass auch bei den das künftige energiesparrechtliche Regelwerk aktuellen Energiepreisen eine akzeptable Wirtschaftlichkeit erzielt wird. Zudem muss auch die überführt werden“, so Oschatz. Sollte sich Politik von den Vorteilen dieser Lösungen überzeugt werden. Nur dann werden Förderprogramme das Inkrafttreten des GEG verzögern, regt das und staatliches Marketing Power-to-Heat voranbringen. ITG Dresden an, die Anerkennung der Eigen nutzung von Photovoltaik-Strom in geeigne- Sektorkopplung von Strom und Wärme sowie das Erhöhen des Anteils der Erneuerbaren im ten Hybridheizungen noch im gegenwärtigen Wärmesektor sind wichtige Ziele der Energiewende. Warum ist der Gesetzgeber bislang so zögerlich, wenn es darum geht, PtH-Hybridheizungen als geeignete Lösung anzuerkennen? EEWärmeG-Nachweis zu ermöglichen. Das GEG ist eine der Dauerbaustellen der Wir haben immer noch eine Energiepolitik, die an vielen Stellen ideologiegetrieben ist. Der Gesetz- geber muss Ziele formulieren, keine Lösungen vorgeben. Dann soll der Markt entscheiden, ob Bundesregierung im Gebäudesektor. Mit Power-to-Heat in großen Fernwärmenetzen, in kleineren Heizungsanlagen im Gebäude oder mit ihm sollen die Energieeinsparverordnung, einer Wärmepumpe die günstigste Lösung ist. das Energieeinspargesetz und das Erneuer- bare-Energien-Wärmegesetz zusammen- Welche sind die drei wichtigsten Maßnahmen für eine technologieoffene Berücksichtigung geführt werden. Wenige Monate vor der von PtH-Hybridheizungen im Energiesparrecht? Bundestagswahl im September 2017 war der Bei der Formulierung des geplanten Gebäudeenergiegesetzes sollten besonders die folgenden drei erste Anlauf für das Gesetz am Widerstand Aspekte Eingang finden: der Unionsfraktion gescheitert. Im damaligen - Berücksichtigung des Einsatzes von EE-Strom in PtH-fähigen Hybridheizungen als Option zur Referentenentwurf (vom 23.01.2017) war Erfüllung der Anforderungen im Neubau und – sofern es dort überhaupt Anforderungen gibt – im zum Aspekt der Nutzung von erneuerbarem Bestand. Strom Folgendes vorgesehen: „Die Mög- - Eine technisch/physikalisch plausible Abbildung von EE-stromerzeugenden Anlagen und Ermitt- lichkeiten zur Anrechnung von gebäudenah lung derjenigen Menge an EE-Strom, die tatsächlich im Gebäude genutzt wird (vorzugsweise erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien nach DIN V 18599-9:2018). Die „Bonusregelung“ nach § 25 GEG-Entwurf ist als Berechnungs- Fotos: Adobe Stock/Ingo Bartussek sollte ausgeweitet werden.“ Im Koalitions- verfahren hierfür nicht geeignet. vertrag der aktuellen Großen Koalition hat - Perspektivisch: Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Berücksichtigung von anderweitig man sich zur Einführung des GEG bekannt. nicht nutzbarem EE-Strom, der über ein öffentliches Netz bezogen wird, im Rahmen des zukünf- tigen öffentlich-rechtlichen Nachweises. Ein neuer Referentenentwurf lag bis zum Redaktionsschluss dieser raffiniert-Ausgabe noch nicht vor. ■ raffiniert 4 l 2018 13
PRAXIS Die PV-Anlage des Gebäudes setzt sich aus zwei Teilen zusammen, die insgesamt 9,69 Kilowattpeak (kWp) Leistung bringen. Hybride Versorgung mit Solarstrom, Wärmepumpe und Brennwerttechnik In einem Wohnhaus im hessischen Alsfeld unterstützt eine Photovoltaik-Anlage ein Hybridsystem aus Trinkwasser-Wärmepumpe und Öl-Brennwerttechnik. 14 raffiniert 4 l 2018
Polymer-Versiegelung außen. Das Bat- terietanksystem ersetzte einen Erdtank, der dafür zu einer Zisterne für Regen- „Weil die Einspeisevergütung wasser umfunktioniert wurde. Ebenfalls bereits vorhanden war die PV-Anlage nicht mehr so hoch ist wie auf dem Dach des Hauses. Die zwei noch vor Jahren, werden Einzelanlagen mit 64,5 Quadratmeter solche ‚Energieumwandler‘ Solarmodulfläche erzeugen in der Spitze eine Leistung von insgesamt 9,69 kWp. zunehmend gefragt sein.“ Diese Technik wurde für den Aufbau Stefan Korell, Hauseigentümer aus Alsfeld des neuen Hybridsystems als Basis ge- nutzt, ergänzt und intelligent verknüpft. S trom aus der hauseigenen Photo- gesammelt. Dafür wurde mit Unterstüt- Öl-PV-Heizung mit Trinkwasser- voltaik-Anlage (PV-Anlage) kann zung von IWO ein Zweifamilienhaus in Wärmepumpe gut zur Wärmeversorgung ölbe- Alsfeld mit einer entsprechenden Hyb- heizter Gebäude beitragen. Das zeigen ridlösung versehen. „Ich versuche, mein Haus auf lange Sicht die Resultate eines einjährigen Modell- hin ökologischer zu machen und natürlich vorhabens, welches das Institut für auch Kosteneinsparungen zu haben, in- Wärme und Oeltechnik (IWO) durch- Gezielte Nutzung vorhandener dem ich etwa Wasser aus der eigenen Zis- geführt hat (siehe raffiniert 3/2018, S. Technik terne nutze oder die Stromkosten durch 12 f.). Stand dabei der nachträgliche Die Voraussetzungen waren für heu- die Photovoltaik-Anlage senke. Die Idee, Einbau von elektrischen Heizstäben in tige Bestandsbauten typisch: Das ur- den eigenen Strom auch in Wärme um- bestehende Wärmespeicher im Vorder- sprüngliche Siedlungshaus aus den zusetzen, hat mich sehr schnell gepackt“, grund, wird nun in einem Folgevorha- 1950er-Jahren wurde 1979 um einen sagt Hausbesitzer Stefan Korell. ben der E ins at z einer Tr ink w a s - großzügigen Anbau ergänzt. Es umfasst Neu eingebaut wurde in seinem Hei- ser-Wärmepumpe genauer untersucht. eine Wohnfläche von rund 245 Quad- zungskeller ein 254-Liter-Wärmespeicher „Wenn im Zuge einer Heizungsmoder- ratmetern, aufgeteilt auf zwei Haushalte (Viessmann Vitocal 060-A). Dieser integ- nisierung ohnehin in eine neue Trink- mit insgesamt fünf Personen. Für die riert sowohl eine kompakte Warmwas- wassererwärmung investiert wird, ist Wärmeversorgung war bislang allein eine ser-Wärmepumpe als auch einen Wärme- die Installation eines Wärmespeichers, Ölheizung verantwortlich, die im Jahr übertrager, der den Anschluss an den der sowohl von einem Öl- Brennwert- 2008 modernisiert wurde. Seitdem steht Öl-Brennwertkessel ermöglicht. Somit kessel als auch von einer aufgesetzten ein Brennwertgerät (Rotex A1 mit einem kann der Wärmespeicher seine Energie Trinkwarmwasser-Wärmepumpe be- Elco-Klöckner-Brenner) mit rund 33 gleich auf zwei Wegen beziehen. Die vom heizt werden kann, eine effiziente Alter- kW im Heizungskeller. Noch fast neu ist Solarstromüberschuss abhängige Ansteue- native zum Heizstab“, sagt Christian das im Jahr 2017 installierte Brennstoff- rung übernimmt der Energiemanager So- Halper, Projektleiter Modellvorhaben lager (Roth DW T): Es besteht aus drei lar-Log 1200. Diese intelligente Steuerung bei IWO. Um diese These zu untermau- 1.000-Liter-Heizöltanks aus Polyethylen erfasst den Solarertrag und optimiert die ern, werden seit dem Sommer Daten innen und vollverzinktem Stahlblech mit Eigenstromnutzung. ➜ Prognose Solaranlagen mit abgelaufener EEG-Förderung Wärmespeicher mit aufgesetzter Warmwasser-Wärme- 1.500.000 pumpe 1.000.000 500.000 Fotos: IWO, privat, Viessmann 0 2021 ´22 ´23 ´24 ´25 ´26 ´27 ´28 ´29 ´30 ´31 ´32 ´33 ´34 ´35 ´36 ´37 < 5 kW 5 bis 10 kW 10 bis 40 kW 40 bis 750 kW > 750 kW Quelle: netztransparenz.de, PwC raffiniert 4 l 2018 15
PRAXIS Öl-PV-Hybridheizung mit Trinkwasser-Wärmepumpe F er t i g g e st ellt w urde d a s Öl-P V- Öl-PV-Hybridheizung mit Trinkwasser-Wärmepumpe Hybridsystem in Alsfeld im Juli 2018. Seither kann der Strom aus der hauseige- nen PV-Anlage auch zur Erwärmung des Trinkwassers beitragen. Der von der PV-Anlage produzierte Strom wird wie PV-Anlage bislang über den Wechselrichter im Keller bereitgestellt und im Haus beispielsweise für den Betrieb der Waschmaschine und der Spülmaschine genutzt. Als Verbrau- cher steht jetzt aber zusätzlich die Warm- wasser-Wärmepumpe zur Verfügung. Heizkörper Diese wird von der Steuerung nur dann Warmwasser aktiviert, wenn ein Überschuss an Solar- strom vorhanden ist, der sonst ins Strom- netz eingespeist werden würde. Ist für die Wärmepumpe gerade kein PV-Strom vor- handen, wird für die Trinkwassererwär- mung das Öl-Brennwertgerät aktiviert. „Solche Hybridheizungen, die in der Lage Hybridheizung nutzt sind, erneuerbaren Strom oder Heizöl als eigenen Solarstrom Energiequelle zu nutzen, können ihre Heizöltank Öl-Brenn- Wärmespeicher mit Energiemanager wertgerät Wärmepumpe und für intelligente Stromnachfrage optimal an die jeweiligen Wärmeübertrager Stromverteilung Verhältnisse auf der Stromangebotsseite für Ölkessel anpassen – vollautomatisch 288_PtH-Hybridheizung_Varianten_PV-Eigenstromnutzung_20181109 und ohne Komforteinbußen für die Hausbewohner“, heizungen, benötigen sie keine zusätzli- 41 Prozent lag, stieg während der ersten betont Halper. Anders als etwa reine Elekt- chen Reserve-Kraftwerkskapazitäten, die drei Monate des Praxistests auf durch- roheizungen, wie monovalente Strom- mit entsprechendem Kostenaufwand je- schnittlich 56 Prozent an. Wärmepumpen oder Nachtstromspeicher- derzeit bereitgehalten werden müssten. Beim Öl-Hybridsystem ist der flüssige Energiespeicher im Tank die stets verfüg- Moderate Mehrkosten Daten zur Öl-PV- bare Reserve, wenn nicht genügend PV- Eine Öl-PV-Hybridheizung wie im Fall Strom für die Wärmeversorgung zur Ver- des Alsfelder Gebäudes lässt sich mit der Hybridanlage Alsfeld fügung steht. heute bereits marktgängigen Technik Gebäude: Zweifamilienhaus mit umsetzen und vergleichsweise einfach rund 245 m² Wohnfläche, beste- installieren. Für die Kombination von hend aus zwei Gebäudeteilen Erste Messergebnisse Speicher und Trinkwarmwasser-Wär- (Baujahre: 1956 und 1979), derzeit Mit der Bilanz nach den ersten 90 Tagen mepumpe haben zahlreiche Heizgeräte- insgesamt fünf Bewohner des Betriebs ist Stefan Korell schon sehr hersteller Lösungen im Angebot. Die Heizgerät: Öl-Brennwertgerät zufrieden. Die Messergebnisse zeigen: Mehrkosten für diese Variante liegen ge- Rotex A1, Elco-Klöckner-Brenner, Durch die neue Öl-PV-Hybridheizung genüber einer Investition, die nur Brenn- 33 kW, Baujahr 2008 konnte der Autarkiegrad des Alsfelder wertgerät und Wärmespeicher umfasst, Wohnhauses deutlich gesteigert wer- bei rund 3.000 Euro. Die Amortisations- Photovoltaik-Anlage: 9,69 kWp den, da mehr selbst produzierter Strom zeit beträgt in diesem Beispiel ungefähr (2 Einzelanlagen), Solarmodulfläche im eigenen Haus verwendet wurde. Im 14 Jahre, was, verglichen mit anderen insgesamt 64,5 m² Gegenzug sank der Heizölverbrauch für energetischen Modernisierungsmaß- Wärmespeicher mit Wärmepumpe: die Warmwassergewinnung. In Zahlen: nahmen, ein ordentlicher Wert ist. Da Viessmann Vitocal 060-A, 254-Liter- Die PV-Anlage produzierte in diesem die EEG-Einspeisevergütung für haus- Wärmespeicher mit integrierter Zeitraum 3.203 kWh, davon wurden eigene PV-Anlagen nach 20 Jahren endet Warmwasser-Wärmepumpe 32 Prozent im Haus verwendet, allein und Eigentümer im Anschluss kein oder (hier mit Außenluftbetrieb) und 325 kWh von der Warmwasser-Wärme- deutlich weniger Geld für den ins Netz Anschlussmöglichkeit an den pumpe. Da diese neben dem Solarstrom eingespeisten Solarstrom erhalten, dürf- Öl-Brennwertkessel auch Umweltwärme aus der Außenluft te die PV-Eigenstromnutzung zur Wär- Heizöllagerung: 3 x Roth DWT nutzt, erzeugt sie mit jeder eingesetzten meerzeugung mittelfristig bei vielen plus 3, je 1.000 Liter Volumen, kWh Solarstrom rund 2 kWh Wärme. Eigentümern auf wachsendes Interesse im Jahr 2017 als Ersatz für einen Für die Erzeugung der so produzierten stoßen. So fallen bis 2025 rund 250.000 Erdtank installiert W ärmemenge hätte das Ölheizgerät Photovoltaik-Anlagen in Deutschland Steuerung: Energiemanager etwa 80 Liter Heizöl einsetzen müssen. aus der EEG-Förderung. Von 2026 bis Solar-Log 1200 Der Autarkiegrad des Gebäudes, der von 2030 steigt die Zahl rasant an – auf ins- Mitte 2017 bis Mitte 2018 im Schnitt bei gesamt rund 1,8 Millionen Anlagen. ■ 16 raffiniert 4 l 2018
t z t H eizungn Je n isiere mo d e r e rprämi e ch e Förd Staatli * und mehr c a. 1.0 00 € mittel Service Förder ** S GRATI0) 9263 - 435 (0619 E S S E R B b l e i b en i flüNsERsÖL-BRENNWERTHEIZUNG LLT ESTE T EING MIT EI AUF ZU KUNF SCHNELL UND GÜNSTIG HEIZKOSTEN SPAREN Modernisieren mit Öl-Brennwerttechnik Ca. 1.000 €* und mehr staatliche Förderprämie sichern GRATIS FördermittelService** 232,– € Auswahl und Antragstellung der höchstmöglichen staatlichen Förderung – individuell für Ihre Heizungsmodernisierung ** Kostenloser FördermittelService beim Kauf eines Öl-Brennwertgerätes der teilnehmenden Hersteller: Infos zur Aktion, Vergleich von Heizsystemen, Kosten und Einsparmöglichkeiten: www.besser-fluessig-bleiben.de * IWO Modernisierungsbeispiel inkl. Förderungen unter den Voraussetzungen des KfW-Programms 430 (Zuschuss von 10% der Investitionskosten für eine Heizungserneuerung bei u.a. selbstgenutzten/vermieteten Ein-/Zweifamilienhäusern bzw. Eigentumswohnungen; Bauantrag vor 01.02.2002) und den BAFA-Förderprogrammen zum Heizen mit erneuerbaren Energien. Weitere Details auf www.besser-fluessig-bleiben.de/foerdermittel
NEUE BRENNSTOFFE Beim BioTfueL-Projekt von Total wird aus Biomasse treibhausgasreduzierter Diesel- und Flugkraftstoff erzeugt. Projekt BioTfueL Biokraftstoff der zweiten Generation F lüssige Energieträger sind wegen geht dabei um die Entwicklung eines Solutions angehören. Um die technische ihrer Energiedichte unverzichtbar. Verfahrens zur thermochemischen Um- und wirtschaftliche Machbarkeit der Nachhaltig hergestellt werden kön- wandlung von Lignocellulose-Biomasse Technologie zu testen, stützt sich das Pro- nen sie aus Biomasse oder mittels Was- (Stroh, Waldabfälle etc.) in hochwertigen jekt auf zwei Demonstrationsanlagen in serstoff, Kohlendioxid und der Fi- treibhausgasreduzierten Diesel- und Flug- Frankreich, die den wichtigsten Stufen der scher-Tropsch-Synthese. Der Mineralöl- kraftstoff. Produktionskette von Biokraftstoffen der Foto: Adobe/nexusseven konzern Total beschäftigt sich seit vielen Initiator des Projekts ist das Konsortium zweiten Generation entsprechen. Jahren mit der Entwicklung alternativer Bionext, dem neben Total auch die Unter- In Venette bei Compiègne werden an ei- Kraftstoffe. Das Biomass-to-Liquid-Pro- nehmen Avril, Axens, CEA, IFP Energies nem Standort der Avril-Gruppe biogene jekt BioTfueL ist Teil dieses Ansatzes. Es nouvelles und thyssenkrupp Industrial Reststoffe für die weitere Verarbeitung 18 raffiniert 4 l 2018
vorbereitet. Hier, nordöstlich von Paris, wird Biomasse torrefiziert, also geröstet, bis hin zum kompletten Wasserentzug. Die Kapazität liegt bei etwa 15 MWh thermisch – eine Leistung, mit der drei Tonnen Holz oder Biomasse je Stunde torrefiziert werden können. Diese Menge reicht für etwa 500 Liter Kraftstoff. Die anschließenden Produktionsschritte, in- klusive der Vergasung und der Reinigung des Synthesegases, erfolgen dann in der Total-Anlage in Dünkirchen. Torrefizierung für eine höhere Energiedichte Vor der Vergasung muss die heterogene Biomasse chemisch vereinheitlicht wer- BioTfueL-Prozess: Reste von Zuckerrohrpflanzen werden am Standort Venette torrefiziert. den. Der Torrefizierungsprozess, der bei relativ moderaten Temperaturen von 200 bis 300 °C und unter normalem at- mosphärischen Druck abläuft, erhöht die Schematische Darstellung des Produktionsprozesses Energiedichte der Biomasse und reduziert im Rahmen des Projekts BioTfueL im Gegenzug das Transportgewicht und -volumen. So wird ein Transport von den dezentralen Biomassesammel- und Torrefizierungsanlagen zu der zentralen Anlage für Vergasung und Synthese wirt- schaftlicher. Die „geröstete“ Biomasse ist zudem sehr leicht und sehr fein mahlbar, was wiederum dem anschließenden Ver- gasungsprozess entgegenkommt. Die Demonstrationsanlage wird ver- schiedene Arten von Biomasse verarbeiten können. Als Rohstoff dienten bisher Zu- ckerrohrreste. Für die neue Technologie zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation sind jedoch Stroh, Forstabfälle oder Energiepflanzen wie Chinaschilf die wichtigsten Rohstoffe. In Dünkirchen läuft dann der zweite Teil des Prozesses in verschiedenen Etap- pen ab. Zunächst wird die torrefizierte Biomasse bei hoher Temperatur zu Syn- thesegas umgesetzt. Das Gas wird gerei- nigt und konditioniert und anschließend mittels Fischer-Tropsch-Synthese in ein flüssiges Kohlenwasserstoffgemisch um- gewandelt. Dieses sogenannte „Crude“ wiederum dient als Ausgangsmaterial für die Herstellung von treibhausgasreduzier- tem Diesel- und Flugkraftstoff. Reine Kraftstoffe Die so erzeugten Biokraftstoffe enthal- ten weder Schwefel noch Aromaten und können als Blend oder Reinkraftstoff dienen für alle Arten von Diesel- und Strahltriebwerken. Die CO2-Einspar- ➜ raffiniert 4 l 2018 19
NEUE BRENNSTOFFE „DIE PRODUKTEIGENSCHAFTEN DER BIOKRAFTSTOFFE AUS DEM PROJEKT BioTfueL KANN MAN GEZIELT EINSTELLEN“ Interview mit Dr. Thomas Kuchling, Forschungsgruppenleiter „Raffinerietechnik und alternative Kraftstoffe“ am Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen der TU Bergakademie Freiberg Wie unterscheidet sich das Verfahren bei BioTfueL von der Wie viel synthetischer Kraftstoff kann aus einer Tonne torrefi- Herstellung anderer biogener Brennstoffe, etwa hydrierten zierter Biomasse gewonnen werden? Pflanzenölen (HVO)? Bei BtL-Verfahren auf der Basis der Fischer-Tropsch-Synthese liegt Bei BioTfueL handelt es sich um einen typischen Biomass-to-Li- die energetische Kraftstoffausbeute bei etwa 36 Prozent, aus einer quid-Prozess (BtL), bei dem die Biomasse zunächst durch Vergasung Tonne trockenem Holz können etwa 180 Liter Kraftstoff produziert umgewandelt wird in ein Synthesegas, also ein Gemisch aus Wasser- werden. Legt man für die Torrefizierung eine Masseausbeute von stoff und Kohlenmonoxid. In einem zweiten chemischen Schritt wird etwa 70 Prozent zugrunde, ergibt sich eine Kraftstoffausbeute von das Synthesegas mittels Fischer-Tropsch-Synthese in ein Kohlenwas- etwa 260 Litern pro Tonne torrefizierter Biomasse. serstoffgemisch umgewandelt, aus dem dann die gewünschten Kraft- und Brennstoffe hergestellt werden können. HVO und BioMates hin- Wie bewerten Sie die Chancen für das BioTfueL-Verfahren? Kann gegen basieren auf Pflanzenölen beziehungsweise biogenen es zu einer echten Option für die Energiewende, die Reduktion Pyrolyseölen, die durch nachfolgende Hydrierung (Wasserstoffanrei- von Treibhausgasen, werden? cherung) und/oder andere raffinerietypische Verfahren an die gefor- derten Spezifikationen angepasst werden. Synthetische Kraftstoffe wie BioTfueLs verursachen bei ihrer Herstel- lung im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen nur geringe Treibhaus- gasemissionen und verfügen so über ein erhebliches CO2-Minde- Welche Vorteile könnten die BioTfueL-Kraftstoffe gegenüber rungspotenzial. Allerdings ist die Verfügbarkeit an nutzbarer und anderen biogenen Kraftstoffen haben? nachhaltig produzierbarer Biomasse begrenzt. Ungeachtet dessen Die Eigenschaften von HVO, Fettsäuremethylester (FAME) oder auch können BtL-Kraftstoffe einen signifikanten Beitrag für die Energie- BioMates sind eng mit den Einsatzprodukten verknüpft. Sie können wende leisten, insbesondere auch vor dem Hintergrund eines zukünf- nur in relativ engen Grenzen und dann teilweise nur mit großem Auf- tig sinkenden Energiebedarfs. Allerdings werden die Kosten dieser wand beeinflusst werden. Bei Syntheseprozessen hingegen erfolgt neuen Kraftstoffe auch lang- eine Entkopplung von Rohstoff- und Produkteigenschaften. Die Eigen- fristig höher sein als die für schaften können prinzipiell gezielt eingestellt werden. vergleichbare konventionelle Produkte. Eine erfolgreiche Markteinführung erfordert Wie geht das genau? Wie werden die gewünschten Produkte, eine politische und gesetz etwa Kerosin und Diesel, aus dem synthetisch erzeugten, flüssi- liche Flankierung, damit gen Crude hergestellt? wirtschaftlich darstellbare Die Fischer-Tropsch-Synthese liefert bereits primär ein hochwertiges Geschäftsmodelle entwickelt Gemisch aus überwiegend Kohlenwasserstoffen, dessen Zusam- werden können. mensetzung über die Prozessbedingungen steuerbar ist. Die anwen- dungstechnischen Parameter wie Kältebeständigkeit, Flammpunkt, Zündwilligkeit können verhältnismäßig einfach mithilfe hydrierender Verfahren wie Hydrocracken oder Hydroisomerisierung im Verbund mit einer destillativen Trennung erfüllt werden. Gleichzeitig ist die Produktverteilung, also die Ausbeuten an Kerosin, Diesel oder Heizöl und Gasen, beeinflussbar. Dr. Thomas Kuchling quote soll bei Reinverwendung etwa 90 Prozent gegenüber fossilen Treibstoffen Das BioTfueL-Projekt betragen. Der Projektpartner thyssen- krupp Industrial Solutions geht davon Initiator: Bionext Konsortium, bestehend aus sechs Partnern aus, dass Motoren, die diesen Treibstoff tanken, keinerlei Modifikationen benöti- artner: Avril Group, Axens, CEA, IFP Energies nouvelles, thyssenkrupp P Grafik: Total; Fotos: Total, T. Kuchling (privat) gen. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass Industrial Solutions, Total sich mit dem Verfahren sehr genau spätere Forschungsstart: 2012 Produkteigenschaften voreinstellen und Start der Demonstrationsanlage: 2017 erzeugen lassen. Lesen Sie dazu mehr im Interview mit dem Experten Dr. Thomas Einsatzrohstoff: Lignocellulosische Biomasse Kuchling, der an der TU Bergakademie Produkte: Biodiesel, Biojet-Kraftstoff (vergleichbar mit Kerosin) Freiberg zu alternativen Kraftstoffen forscht. ■ ■ 20 raffiniert 4 l 2018
Sie können auch lesen