MAD GERMAN ES - KUNSTVEREIN SCHWERIN
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MAD MYSTERY OF FOREIGN AFFAIRS GERMAN ES KUNSTVEREIN FÜR MECKLENBURG & VORPOMMERN SCHWERIN Internationales Ausstellungs- & Forschungsprojekt 17.09. – 28.11. / Di - So 12 – 18 Uhr KUNSTHALLE im E-Werk Spieltordamm 5 DE-19055 Schwerin www.kunstverein-schwerin.de gefördert im Fonds TURN der: Part II Mai – Juni 2018 in Maputo, Mosambik
Die Ausstellung MADGERMANES / MYSTERY OF FOREIGN AFFAIRS widmet sich in einer Ausstellung einem bislang wenig bekannten Kapitel der DDR-Außenpolitik. Als „Madgermanes“ bezeichnen sich die ehemaligen Vertragsarbei- ter aus Mosambik, die zwischen 1979 und 1991 in der ehemaligen DDR lebten und arbeiteten. Der Begriff „Madgermane“ ist ein Lehn- wort, das sich aus dem Englischen „Germany“ und dem Bantu-Prä- fix „ma“ zusammensetzt und soviel wie „die Deutschen“ bedeutet. Es wird oft fälschlicherweise mit „Mad-Germans“, also „Verrückte Deutsche“, übersetzt. Nach der Wende in ihre Heimatländer zurückgeschickt, kämpfen die „Madgermanes“ bis zum heuten Tag, um die Auszahlung eines Großteils ihrer Gehälter und die Auszahlung ihrer Sozialversiche- rungsbeiträge. „Nach Angaben des Auswärtigen Amtes hat die DDR insgesamt 74,4 Millionen US-Dollar an Lohnabzügen und rund 18,6 Millionen US-Dollar an Sozialversicherungsleistungen nach Mosambik trans- feriert. Macht zusammen 93 Millionen Dollar. Im Schnitt geht es – ohne Zins und Zinseszins – um 4300 Dollar pro Kopf, im Einzelfall manchmal um das Doppelte oder Dreifache.“ 1 Aber nicht nur Mosambikaner*innen und Angolaner*innen arbeite- ten in Deutschland. Mehr als 1000 DDR-Bürger*innen lebten und arbeiteten seit Ende der 1970er Jahre in Mosambik, die letzten gingen nach wenig feierlicher Übergabe des Botschaftsgebäudes an die Bundesrepublik Deutschland. Allein diese quantitave Aufzählung zuzüglich einer Gruppe von Menschen wie Arbeitskolleg*innen, Ehefrauen, Ehemänner, Kinder, Verwandte, Geliebte und Freunde gibt einen Anhaltspunkt für die Bedeutung dieser Phase in den Nord- /Südbeziehungen und hier der Außenpolitik Osteuropas. Abbildungen oben und links: Ausschnitte aus der Arbeit von Katrin Michel, dem Comic „Mystery of Foreign Affairs“, der zur Ausstellungs- eröffnung in Maputo im Juni 2018 erscheinen wird.
Der Untertitel der Ausstellung MYSTERY OF FOREIGN AFFAIRS deutet die Ambivalenz ostdeutscher Außenpolitik seit Ende der 1970er Jahre an, die geprägt war durch den dringend notwendigen Aufbau von Außenhandelsbeziehungen zur Rohstoffversorgung und der benötigten Verbesserung der Außenhandelsbilanzen, wollte man den drohenden Staatsbankrott Ende der 1970ger Jahre ver- meiden. Die DDR war durch die von der Willy Brandt Regierung 1969 abge- schafften Hallstein Doktrin, die besagte, dass die Aufnahme diplo- matischer Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik durch Drittstaaten als „unfreundlicher Akt“ gegenüber der Bundes- republik betrachtet werden müsse, nachhaltig isoliert worden. Der Aufbau internationaler Beziehungen gab die Perspektive zur deren Überwindung. Als einer der ersten Staaten unterstützte die DDR emanzipative revolutionäre Bewegungen wie ANC und SWAPO und baute di- plomatische Beziehungen auf zu einer Zeit, als der Geheimdienst der BRD noch die RENAMO (Resistencia National Mocambiquana) unterstützte. Dadurch sollte der sozialistische Staat Mosambik destabilisiert werden, um nicht als Modell für die Region Südafrika wirken zu können. In Folge der Kämpfe zwischen RENAMO und der Simon Gush dokumentiert in seiner Fotoserie „The Yellow Jersey“ (2015) die entwicklungsgeschichtlichen Einflüsse, welche die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Maputo geprägt haben – seit Gründung der ersten Goldminen Ende des 19. Jahrhunderts, über die Spannungen im Kalten Krieg bis in die Gegenwart.
Zanele Muholi, Fotografien aus einer Serie von Selbstporträts mit dem Titel „Somnyama Ngonyama“ – auf Deutsch »Sei gegrüßt, schwarze Löwin« FRELIMO (deutsch: Mosambikanische Befreiungsfront), die bis heu- te die Regierung Mosambiks stellt, starben 500.000 Menschen.2 MADGERMANES / MYSTERY OF FOREIGN AFFAIRS lässt sich auch als ein Beitrag verstehen, diese Geschichte in Form von Aus- stellungen und künstlerischen Arbeiten zunächst in Schwerin und anschließend 2018 in Maputo zu aktualisieren. Ausstellungen und Orte Skulpturen und Fotografien, Malerei und Grafik, Videos und In- stallationen zeitgenössischer Künstler*innen werden im öffentlichen Raum Schwerins und in den Ausstellungsräumen des Kunstvereins gezeigt. Mit aufbereitetem Filmmaterial gibt die Ausstellung einen Einblick in die ambivalente Außenpolitik der ehemaligen DDR im postkolonialen Afrika, die in großen Teilen nahezu unbekannt ist – wenngleich sie bis heute auf vielfältige Weise soziokulturell und gesellschaftspolitisch nachwirkt. Speziell für den Stadtraum Schwerins wurden in Kooperation mit zwei Künstlern „Plakat-Serien“ entwickelt. So zeigen der Angolaner Edson Chagas und Matias Ntundo aus Mosambik für die Aus- stellung produzierte Arbeiten auf Postern und Plakaten, teilweise
großformatig auf Billboards kaschiert. Nicht ganz zufällig verfolgt dieses Verfahren eine ähnliche Strategie wie sie Parteien nutzen, um Aufmerksamkeit für ihre Kandidaten zu erzeugen. Zeitgleich zur Eröffnung der Ausstellung wird in Schwerin, wie auch in anderen deutschen Städten, die Werbung für die Bundestagswahl in vollem Gange sein. Nur sind die Gesichter, die uns von Chagas Plakaten entgegen blicken anders, als die gängigen Porträtbilder der Politiker. Weitere Arbeiten zeigen kollektive, kulturelle und politische Ver- bindungslinien auf, bei der Fragen nach Heimat und Hoffnung, Identität und Zugehörigkeit ebenso im Fokus stehen wie die De- konstruktion hegemonialer Begrifflichkeiten und die Suche nach künstlerischen Verfahren im Umgang mit der gemeinsamen postko- lonialen Geschichte. Matias Ntundo, Holzschnitte zur postkolo- nialen Geschichte Mosambiks 1) Asmus Heß, Das große Warten, Brand eins, Ausgabe 06/2009 2) BND in Südafrika Veröffentlicht am 11. November 2012 | 3 Kommentare Im Interview mit Erich Schmidt-Eenboom, Geheimdienstexperte und Publizist aus Weilheim (Autor: Ghassan Abid) https://2010sdafrika.wordpress.com/2012/11/11/bnd-in-sudafrika/ Künstler*innen: Maimuna Adam (MZ/GB), Edson Chagas (AO), Iris Buchholz Chocolate (AO), Jorge Dias (MZ), Gemuce (MZ), Simon Gush (ZA), Tina Krüger (MZ/D), Katrin Michel (D), Zanele Muholi (ZA), Félix Mula (MZ), Matias Ntundo (MZ), Dito Tembe (MZ) Künstlerische Leitung: Andreas Wegner (D) Kurator*in: Christiane Opitz (D), Andreas Wegner (D) Das Ausstellungsprojekt wird unterstützt im Fonds TURN der Kultur- stiftung des Bundes, dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Mecklenburg-Vorpommern sowie der Landeszentrale für politische Bildung, Mecklenburg Vorpommern.
MADGERMANES MYSTERY OF FOREIGN AFFAIRS Die im öffentlichen Raum der Stadt Schwerins präsentierten Kunst- werke und -aktionen können von Ausstellungsbesucher*innen sowie als touristisches Angebot von Gästen der Landeshauptstadt anhand eines handlichen Ausstellungsführers wie in einem Parcours gezielt und fußläufig angesteuert werden. (Mit Ausnahme der Plakatserie von Edson Chagas, die sich in der Nähe Großer Dreesch befindet.) Schloßinsel / Siegessäule Jorge Dias, „Casulos“, Zeitungspapier, Sisal und Draht, 2017 Ludwigsluster Chaussee / Am Grünen Tal Edson Chagas, Plakat-Serie, basierend auf seiner fotografischen Arbeit „Tipo-Passe“, 2014 Ziegenmarkt Edson Chagas, Fotoautomat, Installation „Picture Africa“, 2017. Zu festgelegten Zeiten werden Ausstellungsbesucher*innen eingela- den, sich vor Ort zu einer gemeinsamen Aktion einzufinden. Marienplatz Gemuce, „Priority of Passage“, Skulptur, Gips, Metall, Lack, Münzen, 2017 Plakatwände / Litfaßsäulen Matias Ntundo, Holzschnitte Petermännchenfähre (Pfaffenteich) und Durchgang Rathaus Iris Buchholz Chocolate, “Memórias de um país antigo”, Soundinstallationen (Interviews mit 7 Angolaner*innen, die in den 1980er Jahren in der ehemaligen DDR studiert haben), 2017
Alter Garten / Siegessäule / Staatskanzlei Jorge Dias, „Casulos“, 2017 Reststofffe wie Kunststoff und Papier verwendet der mosambikanische Künstler Jorge Dias als Grundlage seiner Kokons („Casulos“), die er zu schlauchförmigen Gebilden formt. In Schwerin werden sie nicht nur in den Räumen des Kunstvereins präsentiert, sondern auch im Außenbereich als temporäre Installation von Bäumen herabhängen. Jorge Dias greift mit seinen Kokons symbolisch den Aspekt der Transformation auf: die Idee einer (zumindest potenziellen) permanenten Verwandlung von Mensch und Gesellschaft. Mit seinen „Casulos“ möchte er den öffentlichen Dialog über solche Veränderungsprozesse fördern.
Ludwigsluster Chaussee / Im Grünen Tal Edson Chagas, diverse Plakate aus der Serie „Tipo Passe“, 2014 Mehrere Motive der bekannten Serie „Tipo Passé“ des an- golanischen Künstlers Edson Chagas werden im Außen- bereich platziert. Die schlichte Präsentationsform eines auf Pappe kaschierten Plakates orientiert sich formal wie auch in der Wahl des Ortes und der Anbringung an Bäumen an gewohnten Werbemaßnahmen wie Wahl- oder Veranstal- tungsplakaten. Ziegenmarkt Edson Chagas, Kunstaktion/Installation „Picture Africa“ mit Beteiligung der Ausstellungsbesucher*innen Inmitten der Altstadt, vis-a-vis zum beliebten Lokal ‚Freischütz‘, wird für die Dauer der Ausstellung ein Fotoautomat platziert. In den Abendstunden werden, zu bestimmten Terminen, Passanten und Nachtschwärmer zur Partizipation aufgefordert: Der Künstler Edson Chagas hinterfragt humorvoll und dennoch hintersinnig unseren Blick auf die afrikanische Kultur und bittet darum, ein vermeintlich ‚typisch‘ afrikanisches Motiv zu zeichnen, mit dem man sich anschließend im Automaten porträtieren lässt.
Marienplatz Gemuce, „Priority of Passage“, Skulptur, Gips, Metall, Lack, Münzen, 2017 Die Skulptur des Künstler Gemuce ist über und über mit Münzen be- deckt. Sie ist eine Interpretation einer Fotografie des bekannten, mosa- mikanischen Fotografen Ricardo Rangel, mit dem gleichnamigen Titel „Priority of Passage“. Auf diesem Bild sieht man einen wohlgenährten Mann mit Hut, der eine Straße überqueren will, aber von einem vorbei- fahrenden Lastwagen daran gehindert wird. Konfrontativ, wie Duellan- ten, erscheinen Wagen und Mensch in dieser Aufnahme. „Priority of Passage“/ „Vorrang beim Passieren“ hinterfragt Mechanis- men von Priorität und Bevorzugung. Für die Herstellung seiner Arbeit bittet der Künstler Gemuce um Münz- spenden – abzugeben im Kunstverein – willkommen ist neben von Rei- sen übrig gebliebenen, ausländischen Münzen –auch altes DDR-Geld.
Diverse Werbeflächen / Schloßstraße (Litfaßsäule) Matias Ntundo, Holzschnitte Matias Ntundo ist Bildhauer und grafischer Künstler aus Cabo Delgado im Norden Mosambiks, der aktuell vor allem Drucke von Linol- und Holzschnitten anfertigt. Seine eindrucksvollen Szenerien erzählen die Geschichte Mosambiks, von Kolonialisierung, Christianisierung, Krieg und Gewalt. Ausgehend von kleinformatigen Original- drucken, von denen eine Auswahl in den Räumen des Kunstvereins präsent sind, werden diese auf das Format von üblichen Werbeflächen vergrößert. Auf diese Weise sollen Drucke des Künstlers, über die Schweriner Innenstadt ver- teilt etwa auf Litfaßsäulen zu sehen sein.
Petermännchenfähre (Pfaffenteich) / Durchgang Rathaus Iris Buchholz, „Memories on an ancient country“, Soundinstallati- onen (Interviews von 7 Angolaner*innen, die in den 1980er Jahren in der ehemaligen DDR studiert haben), 2017 Die Arbeit der in Luanda lebenden Künstlerin Iris Buchholz Chocolate handelt von sieben Akademikern,die in der ehemaligen DDR studiert haben und in Einzelinterviews von ihren Erfahrungen während dieser Zeit berichten. Die Soundinstallation kann in einer mittelalterlichen, vom Schweriner Marktplatz aus erreichbaren Passage verfolgt werden. Auf der unmittelbar vor dem Kunstverein abfahrenden Fähre „Peter- männchen“, die zumeist Touristen, aber auch Angestellte des Schweri- ner Ordnungsamtes, von Ufer zu Ufer des Pfaffenteichs bringt, ist wäh- rend des Fährbetriebs ein Loop mit allen sieben Interviews eingerichtet.
Madgermanes / Mystery Of Foreign Affairs begibt sich auf die Spurensuche nach einer kollektiven kulturel- len und politischen Geschichte, bei der Fragen nach Heimat und Hoffnung, Identität und Zugehörigkeit ebenso im Fokus stehen wie die Dekonstruktion hegemonialer Begrifflichkeiten und die Suche nach künstlerischen Verfahren im Umgang mit der ge- meinsamen postkolonialen Geschichte. KUNSTVEREIN FÜR MECKLENBURG & VORPOMMERN SCHWERIN KUNSTHALLE im E-Werk Spieltordamm 5 DE-19055 Schwerin Tel./Fax: +49 385 521 3166 www.kunstverein-schwerin.de info@kunstverein-schwerin.de
KUNSTVEREIN FÜR MECKLENBURG & VORPOMMERN SCHWERIN Der Kunstverein Schwerin wurde 2002 gegründet, um ein Forum für zeitgenössische bildende Kunst zu etablieren. Seither wurden diverse Ausstellungen und Projekte realisiert, die Aufsehen erregten und die Kunst- und Kulturszene bereicherten. Zunächst fanden die Ausstellungen an unterschiedlichen Orten statt, z.B. in leerstehenden Ladenlokalen oder im Dom. Um eine Versteti- gung der Vereinsarbeit erreichen zu können, wurden die ehemaligen Industriehallen des E-Werks am Pfaffenteich umgebaut. Nach behut- samer Instandsetzung wurden so aus 250 qm Werkstatthalle Ausstellungsflächen, Büro- und Lagerräume, die eine ideale Basis für die derzeitige Arbeit des Kunstvereins bilden. Seit Oktober 2015 ist Andreas Wegner künstlerischer Leiter und Geschäftsführer. Fotonachweise: Hans-Georg Gaul Außenraum: Montagen Kunstverein für Mecklenburg & Vorpommern, Schwerin alle Beispiele künstlerischer Arbeiten: bei den Künstler*innen
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