Praktikumsbericht Praktikum beim Over-the-Rhine Museum in Cincinnati, Ohio

Die Seite wird erstellt Hortensia-Luzy Meier
 
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Praktikumsbericht

            Praktikum beim Over-the-Rhine Museum in Cincinnati, Ohio

Vom 01.10.2017 bis zum 31.03.2018 habe ich ein Auslandspraktikum beim Over-the-Rhine Museum
in Cincinnati (USA) gemacht.

Das Over-the-Rhine Museum ist eine Non-Profit-Organisation, die 2015 gegründet wurde und das
langfristige Ziel hat, ein Museum im Stil des Lower East Side Tenement Museums zu eröffnen, das
sich mit der Geschichte und der Gemeinde des Cincinnati-Stadtteils Over-the-Rhine beschäftigt.
Momentan hat die Organisation noch kein Gebäude für permanente Ausstellungen, veranstaltet aber
regelmäßig Events, hat eine Wanderausstellung und arbeitet an verschiedenen Projekten, wie z.B.
einem Schulbuch sowie einem Oral History Projekt, bei dem Menschen verschiedenen Alters zu ihren
Erinnerungen und Erlebnissen in dem Stadtteil befragt werden.

Over-the-Rhine gehört kulturgeschichtlich nicht nur zu einem der interessantesten Vierteln der Stadt
Cincinnati, sondern des ganzen Landes. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Viertel vor allem von
deutschen Einwanderern aufgebaut und besiedelt, wodurch auch der Name „Over-the-Rhine“
entstanden ist, also „über dem Rhein“. Als nach dem Zweiten Weltkrieg viele der Bewohner vom
Stadtkern in die Vororte zogen, wurde Over-the-Rhine immer mehr von Afroamerikanern bewohnt,
die in den Arbeitergegenden dort günstige Wohnungen fanden. Nach mehrtägigen, teils
gewalttätigen Protesten gegen die Tötung eines Afroamerikaners durch einen weißen Polizisten im
Jahr 2001 nahm die Kriminalität im Stadtteil dramatisch zu und das Viertel wurde in den folgenden
Jahren als eines der gefährlichsten in ganz Amerika bezeichnet. Erst in den vergangenen zehn Jahren
hat sich die Gegend durch Revitalisierungsprojekte erholt und zählt aktuell zu einer der beliebtesten
Wohngegenden der Stadt. Das Viertel war vor allem in frühen Jahren eines der am dichtest
besiedelten Viertel Amerikas. Im Jahr 1900 waren lediglich die Mietskasernenviertel an der Lower
East Side Manhattans dichter besiedelt. Over-the-Rhine ist noch heute für seine historische
Architektur bekannt. Signifikant sind vor allem die vielen Mietshäuser, die vor allem von deutschen
und anderen europäischen Immigranten erbaut wurden.

Den Praktikumsplatz beim Over-the-Rhine Museum habe ich über eine Facebookgruppe gefunden.
Ein Jahr vorher hatte ich in Cincinnati bereits ein Auslandssemester über die LMU gemacht und habe
dort u.a. Kontakte zu der Organisation „Cincideutsch“ geknüpft. In der dazugehörigen
Facebookgruppe habe ich geschrieben, dass ich auf der Suche nach einem Praktikum bin, und prompt
hat mich die Leiterin des Over-the-Rhine Museums, Anne Steinert, angeschrieben und alles Weitere
mit mir geklärt. Da es sich um ein unbezahltes Praktikum gehandelt hat, habe ich ein B1/2 Visum für
eine Volunteer-Tätigkeit beantragt. Bis zu einer Dauer von drei Monaten kann man dafür
normalerweise auch mit ESTA in die USA einreisen. Anne hat mir im Namen des Museums einen
Support-Letter ausgestellt, indem sie bestätigt hat, dass ich für das Museum als „volunteer“ tätig sein
werde und das Land anschließend wieder verlassen werde. Dieser Brief war essentiell für die
Beantragung des Visums und kann auch bei der Einreise ins Land nochmal relevant sein. Mit dem
B1/2 Visum darf man in der Regel sechs Monate am Stück im Lands bleiben, während dieser Zeit aber
kein Geld verdienen.
Da ich für mein Auslandssemester im Winter 2016 /17 schon fünf Monate in Cincinnati war, war
dieser zweite Aufenthalt für mich kaum noch mit Kulturschocks und Überraschungen Verbunden. Ich
hatte bereits einige Freunde vor Ort, kannte mich ein bisschen in der Stadt aus (inkl. in Over-the-
Rhine) und war mit den wichtigsten kulturellen Unterschieden vertraut. In verschiedenen
Facebookgruppen zur studentischen Wohnungssuche (DAAP Co-op Housing, University of Cincinnati
Housing Sublets & Roommates) habe ich nach einem möblierten WG-Zimmer in der Nähe der
University of Cincinnati gesucht, da in dieser Gegend nicht nur viele meiner alten Freunde wohnten,
sondern man dort auch eine gute Busanbindung hat und alle wichtigen Erledigungen zu Fuß machen
kann. In den meisten anderen Teilen Cincinnatis braucht man für Lebensmitteleinkäufe etc. meist ein
Auto. Von der Unigegend aus habe ich mit der Buslinie 17 nur zehn Minuten nach Over-the-Rhine
gebraucht und hatte dort zudem einen Target in Laufweite, wo ich oft zu Fuß Lebensmittel
eingekauft habe, sowie diverse Bars und Restaurants.

Da mein Praktikum von Oktober bis März ging, die Semester an der UC aber von Mitte August bis
Mitte Dezember und dann von Januar bis Ende April gehen, hat sich die Suche nach einem Zimmer
anfangs als etwas schwierig erwiesen. Die meisten Studenten vermieten ihre Zimmer am liebsten
semesterweise unter. Letztendlich habe ich dann zwei verschiedene Unterkünfte gehabt. Bis zum
Ende des Fall-Semesters habe ich in der ersten WG gewohnt, und bin im Januar dann schließlich in
eine andere WG umgezogen. Die WGs dort im Univiertel sind häufig Einfamilienhäuser, die schon seit
Jahren nur von Studenten bewohnt werden. Hier muss man vorher wissen, dass diese Häuser
deshalb oft ein bisschen heruntergekommen sind und dass amerikanische Studenten im Vergleich zu
Deutschen eher selten putzen und es dort oft sehr dreckig ist. Das kommt aber natürlich auch auf die
Mitbewohner an. Zusätzlich zu den Häusern gibt es aber auch ganz normale Wohnungen, die
allerdings oft teurer sind, und große Apartmentkomplexe, die extra für Studenten gebaut wurden
und meist sehr luxuriös sind. Ob man hier auch als Nicht-Student wohnen darf, weiß ich nicht. Aber
falls man viel Wert auf Sauberkeit und Komfort legt, sind diese Einrichtungen, die oft auch ein
eigenes Gym, Billard-Tische und Drucker haben, definitiv auch eine Überlegung wert (z.B. CP Cincy
Apartments, The Verge, etc.).

Versichert war ich während meines Aufenthalts über die Würzburger Versicherungs-AG mit der
TravelSecure Young Versicherung für 232€ für sechs Monate.

Da ich wusste, dass das Over-the-Rhine Museum zu dem Zeitpunkt ausschließlich aus einem
ehrenamtlichen Vorstand und freiwilligen Helfern bestand und noch keine bezahlten Mitarbeiter
hatte, waren meine Erwartungen vor Praktikumsantritt vor allem, dass ich wahrscheinlich ein wenig
das „Mädchen für alles“ sein werde. Bereits im Voraus hatte mich Anne außerdem gefragt, ob ich
gleich zwei Wochen nach meiner Ankunft auf einem lokalen Straßenfestival einen Stand für das
Museum allein betreuen könnte.

Meine Erwartungen mit dem „Mädchen für alles“ haben sich mehr oder weniger erfüllt, allerdings
haben die Aufgaben, die ich hatte, viel mehr Spaß gemacht als erwartet und ich habe von Anfang an
überraschend viel Verantwortung übertragen bekommen. Gearbeitet habe ich anfangs vor allem im
Büro in Over-the-Rhine, wo sich verschiedene kleine Unternehmen eingemietet hatten. Wir hatten
dort einen Raum, den die Besitzerin des Gebäudes dem Museum kostenlos zur Verfügung gestellt
hat. Einen Computer hatte das Museum nicht, deshalb habe ich stets an meinem eigenen Laptop
gearbeitet. Abgesehen von diesem Gebäude war das Museum außerdem so in der Stadt vernetzt,
dass wir uns für Meetings und Events auch oft in anderen Einrichtungen getroffen haben. Die
monatlichen Vorstandsmeetings waren z.B. in „Graydon on Main“, ein paar andere Treffen und
Events in den Räumlichkeiten von „People’s Liberty“ und auch die Angebote der University of
Cincinnati haben wir oft genutzt, wie z.B. den Copy-Shop.

Die meisten Vorstandmitglieder und anderen Helfer habe ich meist nur zu den monatlichen Treffen
oder auf Events gesehen. Deshalb habe ich hauptsächlich mit der Vorstandsvorsitzenden und
Gründern, Anne Steinert, zusammengearbeitet und hab mich ein bisschen wie ihre persönliche
Assistentin gefühlt. Sie macht gerade ihren Doktor in Geschichte an der University of Cincinnati, ist
dort Dozentin für Bachelor-Studenten, veranstaltet eigenständig viele Projekte, wie Podiums-
Diskussionen und Ausstellungen, und ist eine alleinerziehende Mutter. Dementsprechend war sie
nicht Vollzeit für das Museum da. Wir haben uns aber immer mindestens einmal in der Woche,
Montagfrüh, für ein zweistündiges Status-Meeting zusammengesetzt, bei dem wir alle anstehenden
Dinge besprochen und geplant haben. Abgesehen davon haben wir uns in der weiteren Woche dann
oft für bestimmte Aufgaben getroffen und ansonsten ständig Kontakt per Email, SMS, und Telefon
gehabt.

Zu meinen täglichen Aufgaben gehörte das Betreuen des E-Mail-Postfachs und Beantworten bzw.
Weiterleiten der Emails, sowie die Betreuung der Facebook-Seite, Instagram und der Webseite.
Außerdem habe ich an allen Vorstandstreffen (einmal im Monat), den Treffen der einzelnen
Komitees und dem halbjährlichen Treffen des Beratungsvorstands teilgenommen und stets Protokoll
geführt. Diese Treffen waren stets abends und in unterschiedlichen Locations. Alle paar Wochen
habe ich mithilfe des Online-Services „Mailchimp“ einen Newsletter an alle unsere Abonnenten
verschickt, den ich zuvor selbst geschrieben und gestaltet hatte. Außerdem hat das Museum
während meines Praktikums verschiedene Events veranstaltet und hat außerdem bei verschiedenen
anderen Events einen Stand betreut. Bei den Events habe ich die Planung mit übernommen, habe
ehrenamtliche Helfer organisiert und sie vor Ort betreut, habe oft das Catering organisiert, sowie die
Promotion- und Pressearbeit im Vorfeld gemacht: Ich habe Flyer und andere Materialien entworfen
und drucken lassen, Poster aufgehängt, das Event auf Facebook und der Webseite sowie
verschiedenen lokalen Eventseiten veröffentlicht, eine Pressemitteilung geschrieben und an
Journalisten verschickt und anschließend die Berichterstattung archiviert. Für eines der Events, den
„Over-the-Rhine History Harvest“ im November, wurde ich sogar live von einem Lokalfernsehsender
interviewt. Auch sonst habe ich viel organisiert (z.B. die Implementierung der neuen Graphic Identity
auf Website und Social Media, das Entwerfen und Drucken einer neuen Broschüre, die Präsenz des
Museum bei verschiedenen öffentlichen Events etc.). Des Weiteren war ich während der sechs
Monate für das Oral History Projekt des Museums zuständig. Ich habe zusammen mit dem
Vorstandsmitglied Dann Woellert einen Workshop für neue Interviewer veranstaltet und
anschließend Listen mit potenziellen Interview-Kandidaten geführt, den Kontakt zu den Interviewern
hergestellt, die Aufnahmerekorder verliehen und anschließend dafür gesorgt, dass alles ordentlich
gespeichert und transkribiert wurde. Zusätzlich habe ich bei der Recherche und Erstellung einer
Datenbank für die anstehende Fundraising-Phase des Museums für den Kauf eines Gebäudes
geholfen und habe auch historische Recherchen, u.a. in alten, deutschsprachigen Zeitungen aus dem
Cincinnati des 19. Jahrhunderts betrieben. Ende Dezember hat das Museum leider das Büro verloren,
da das Gebäude verkauft wurde. Von Januar bis März habe ich deshalb viel von zu Hause gearbeitet,
aber auch von Anne’s Doktoranden-Büro aus auf dem UC Campus.

Mein Fazit zum Praktikum: Außer um die Weihnachtsfeiertage herum war ich immer voll ausgelastet.
Es gab eigentlich immer Dinge, die schon seit Monaten auf der To Do Liste des Vorstands gestanden
hatten, die dann aber aus Arbeitskräftemangel nicht vollständig umgesetzt werden konnten. Mir hat
die Zusammenarbeit mit Anne und dem gesamten Team wahnsinnig viel Spaß gemacht. Alle waren
super freundlich und herzlich zu mir und haben sich oft mit mir auch privat unterhalten und mich zu
Feiern eingeladen. Da ich außerdem kein Auto hatte und nicht zu allen Locations immer problemlos
hingekommen bin, hat Anne mich sehr oft zu Hause abgeholt und abgesetzt und auch andere
Vorstandsmitglieder haben mir oft angeboten, mich zu fahren. Ich habe durch das Praktikum nicht
nur mein Englisch verbessert und Erfahrungen im amerikanischen Arbeitsleben sammeln können,
sondern auch die Stadt Cincinnati mitsamt ihrer Geschichte und den zentralen kulturellen
Institutionen gut kennengelernt. Viele der Vorstandsmitglieder sind außerdem engagierte Leute, z.B.
Professoren, Architekten oder High-School-Lehrer, die selbst viele Geschichten über die Entwicklung
der Stadt und des Stadtteils Over-the-Rhine erzählen konnten. Obwohl natürlich über alles von mir
Formulierte, das in Pressemitteilungen oder auf Social Media veröffentlicht wurde, nochmal
korrekturgelesen werden musste, bin ich davon überzeugt, dass ich dem Museum eine große Hilfe
war und viele Projekte wesentlich voranbringen konnte.

Was das Leben in Cincinnati angeht, kann ich nur jedem empfehlen, mit Amerikanern
zusammenzuwohnen um die Kultur ein bisschen besser kennenzulernen und evtl. ersten Anschluss
zu finden. Ausländer sind dort meistens sehr beliebt, deshalb ist es recht leicht Freunde zu finden,
wenn man offen auf andere zugeht. Mit amerikanischen Mitbewohnern steigt außerdem die Chance
darauf, dass die vielleicht ein Auto haben und einen ab und zu zum Großeinkauf mitnehmen können.
Wer Deutsche treffen will, sollte unbedingt mal zum wöchentlichen Stammtisch der Cincideutsch
Organisation im Restaurant Mecklenburg Gardens gehen. Dort treffen sich andere Deutsche und
Deutschbegeisterte um sich auszutauschen und die Sprache zu üben. In dem Restaurant wird
außerdem alle paar Wochen ein Weißwurstfrühstück veranstaltet und es gibt deutsches Bier. In der
Uni-Gegend gibt es außerdem viele Bars und Fraternity-Parties wo man Leute kennenlernen kann.
Ansonsten sollte man als Deutscher natürlich Over-the-Rhine ansehen und die anderen Events, die
an deutsche Traditionen angelehnt sind, wie z.B. das „Oktoberfest“ im September, den
Christkindlmarkt im Winter oder das Bockfest im März. Over-the-Rhine ist außerdem auch eine sehr
beliebte Ausgehgegend. Als SIM-Karten-Provider kann ich T-Mobile empfehlen. Von anderen
Anbietern, die sich viele Austauschstudenten holen, wie z.B. MINT Mobile, rate ich eher ab.

Ich persönlich habe die amerikanische Kultur während meiner zwei Aufenthalte dort sehr lieben
gelernt, aber hier macht natürlich jeder seine eigenen Erfahrungen. Wer noch nie in den USA war,
sollte auf jeden Fall vorher ein interkulturelles Training absolvieren oder sich im Internet über die
größten Unterschiede schlau machen. Ich selbst habe während meines Praktikums angefangen,
YouTube Videos über die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern zu drehen. Der
Kanal heißt „German Girl in America“.

Ansonsten hier noch ein paar weitere Tipps:

    -   Nehmt euch auf jeden Fall zwei Kreditkarten mit, die ihr getrennt voneinander aufbewahrt.
        So eine Kreditkarte kann beim Feiern schnell mal verloren gehen oder sogar gestohlen
        werden. Gut ist auch eine Karte, mit der ihr gebührenfrei Geld abheben könnt.
    -   Außerdem würde ich eine deutsche Mehrfachsteckdose mitnehmen, anstatt vieler kleiner
        Adapter.
    -   Macht euch mit Uber und Lyft vertraut, denn wenn ihr mal keine Mitfahrgelegenheit habt
        oder Alkohol im Spiel ist, heißt es Uber everywhere!
-   Erstellt euch eine Kroger (Supermarkt) und Walgreens (Drogerie/Apotheke) Kundenkarte. Die
    Amis lieben ihre Sale-Aktionen und mit den Karten spart man fast bei jedem Einkauf.
-   Außerdem hatte ich vor allem nachts immer ein Pfefferspray dabei, obwohl ich keine fünf
    Gehminuten von der Uni entfernt gewohnt habe und die Gegend relativ sicher war.
    Cincinnati ist nun mal eine amerikanische Stadt und es ist während meines Aufenthalts mehr
    als einmal zu Schießereien gekommen. Ein Bekannter von mir, der dort als Pizzafahrer
    arbeitet, wurde sogar ausgeraubt. Normalerweise finden die Schießereien nur zwischen
    Gangmitgliedern statt oder Leuten, die sich kennen, und man muss nicht in Panik verfallen.
    Aber man sollte z.B. nie allein im Dunkeln durch zwielichtige Gegenden, wie Downtown oder
    z.B. auch den Bereich zwischen Over-the-Rhine und Clifton laufen.
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