PRESS REVIEW Friday, July 23, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Friday, July 23, 2021
PRESS REVIEW Friday, July 23, 2021 Deutschlandfunk Kultur, BSA Rolandseck Festival in Bad Honnef. Frauenpower im Kursaal Berliner Zeitung, DB Ohne große Knaller, aber mit vielen nachgeholten Premieren gehen die Berliner Opern in die Saison 2021-2022 Berliner Zeitung Angela Merkel kommt nach Bayreuth zu den Festspielen Süddeutsche Zeitung Die Konzertwoche der Salzburger Festspiele ist dem Totengedenken gewidmet The New York Times At Salzburg, Don Giovanni Gets No Pleasure From Seducing Frankfurter Allgemeine Zeitung Die Festspiele am See eröffnen im Haus mit der Oper „Nerone“ von Arrigo Boito Der Tagesspiegel Frankreich und Russland bei Baden-Badener Festspielen Berliner Morgenpost Hilfsprojekt #hierspieltdiemusik zieht positive Bilanz Berliner Zeitung Herein zum Protest
Internet Quelle: Deutschlandfunk Kultur Online 22.07.2021 (Internet-Publikation, Köln) Visits: 1.515.240 Reichweite: 50.508 Autor: Volker Michael Weblink Rolandseck Festival in Bad Honnef Frauenpower im Kursaal Beitrag hören Von plakativer Einsamkeit – die Komponistin Galina Ustwolskaja war im Konzert des Rolandseck Festivals vertreten (Archiv Sikorski) Es ist noch immer nicht selbstverständlich: ein Musikprogramm mit Werken allein von Komponistin- nen. Beim Rolandseck Festival aber sind sie zu hören, die Werke von Clara Schumann, Louise Farrenc oder Galina Ustwolskaja – gespielt von hervorragenden Interpretinnen. Die Pianistin Elena Bashkirova hat einen Traum, den wir ihr gern erfüllen wollen. Wir bringen hier ein Musikprogramm, zu dem ausschließlich Komponistinnen beigetragen haben. Wir machen das ganz selbstverständlich und zeigen nicht mit dem Zeigefinger darauf. Genau so, wie es sich Elena Bashkirova wünscht. Die Pianistin Elena Bashkirova im Glashof des Jüdischen Museums Berlin am 14.5.2020 beim Festival Intonations. (Monika Rittershaus/JMB) 3
Am 26. Juni gab es im Kursaal Bad Honnef ein Konzert mit dem Streichquartett von Fanny Hensel, der fünften Klaviersonate von Galina Ustwolskaja und dem ersten Klavierquintett von Louise Far- renc. Es sind dagegen nicht ausschließlich Frauen, die die Musik interpretiert haben bei diesem Konzert, das unter dem Motto Aufbruch stand. Aufbruch auch in dem Sinne, dass Musik wieder öf- fentlich stattfinden darf, mit Zuhörerinnen und Zuhörern. Das Programm beginnt mit drei kurzen Ro- manzen für Violine und Klavier von Clara Schumann. Gespielt von Tatjana Samouil, der Konzert- meisterin des Brüsseler Opernorchesters und von Elena Bashkirova. Die Mitwirkenden des Eröffnungskonzerts des 15. Rolandseck-Festivals am 21. August 2020 im Kursaal Bad Honnef (Wasmuth Gesellschaft / Susanne Gundelach) Künstlerische Leiterin des Rolandseck Festival ist Mihaela Martin, selbst Geigerin und vielerorts tä- tige Pädagogin. Sie ist begeistert vom Spielort Bad Honnef, der optisch schön ist und viel Atmo- sphäre hat. Und sie ist begeistert vom Komponistinnenprogramm, denn Musik habe kein Ge- schlecht. Und die ausgewählten Werke sprächen ganz für sich. Mihaela Martin hat an diesem Tag nicht mitgespielt, sie zeichnet aber für das Programm und die Auswahl der Musikerinnen und Musi- ker beim Rolandseckfestival verantwortlich. Diese Interpreten – junge wie erfahrene – waren ange- treten, ein Programm zu spielen, das allein aus Musik von Komponistinnen besteht. Vernünftiges Schwelgen Die drei Romanzen hat Clara Schumann in enger Abstimmung mit dem damals noch jungen Geiger Joseph Joachim mehrfach überarbeitet. Die Komponistin war berühmt als virtuose Pianistin. Sie reiste umher, auch um das Geld für die Familie zu verdienen, als Ehemann Robert als Verdiener ausfiel. Dieses famose Klavierspiel der Pianistin hat nicht direkt auf die Gestalt der drei Romanzen der Komponistin Clara Schumann abgefärbt, meint Elena Bashkirova. Die sind einfach nur innig und schön. Oder es ließe sich „vernünftiges Schwelgen“ nennen, was die Komponistin Clara Schu- mann in diesen Romanzen ausgedrückt hat. Zwei romantische Paare Zwei Paare prägen ja das Bild der musikalischen Romantik in Deutschland – Clara und Robert Schumann, ein Ehepaar, beide haben komponiert. Und Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy, ein beinahe symbiotisches Geschwisterpaar – beide haben ebenfallls komponiert. Spannungsfrei war das Verhältnis der berühmten Männer zum Komponieren ihrer Gattin bzw. Schwester nie. Bei Fanny Hensel, geborene Mendelssohn Bartholdy, war es so, dass sie zeit ihres Lebens mit dem Bruder intensiv und streitbar die entstehenden Werke diskutierte. Später wurde häufig gesagt, sie habe sich vom Vorbild ihres Bruders und vom Übervorbild Beethoven nicht gelöst. Wenig sinnvoll findet Mihaela Martin solche Vergleiche. Ein Quartett mit epischer Breite Das einzige Streichquartett Fanny Hensels beginnt mit einem sehr verhaltenen lyrischen Satz, ein virtuos rasantes fugendurchsetztes Allegretto folgt darauf. Die Romanze ist sehr vielfältig und nimmt großen epischen Raum ein. Sehr dynamisch und wirkungsvoll sorgt das Final-Rondo für ei- nen würdigen Abschluss. Das Streichquartett Es-Dur von Fanny Hensel spielen in unserer Aufnah- me vier Akademisten der Barenboim-Said Akademie in Berlin. 4
Plakative Einsamkeit Einen herben Kontrast zu den drei romantischen Werken bildet die 5. Klaviersonate Galina Ust- wolskajas aus den 1980er Jahren. Alle drei anderen Stücke lassen sich mit Fug und Recht roman- tisch nennen. Die sowjetische Komponistin hat in Leningrad gewohnt und ihren Stil von Jahr zu Jahr verknappt und in gewisser Weise radikalisiert. Ihre Einsamkeit habe sie plakativ in ihren Wer- ken verarbeitet, ja sie sei Misanthropin gewesen, meint die Pianistin Elena Bashkirova. Ihre herme- tische, dynamisch extrem wechselhafte Tonsprache habe sehr wenig mit den sowjetischen Verhält- nissen zu tun, meint die Pianistin, denn Galina Ustwolskajas Musik war in der Sowjetunion quasi unbekannt. Auf jeden Fall hat sich Elena Bashkirova versenkt in diese kompromisslose Musik, die ohne jedes Gesprächsangebot, ohne eine ausgestreckte Hand, ohne einen offenen Blick aus- kommt. Das tiefe Register gestärkt Das Klavierquintett a-Moll Nr. 1 schrieb Louise Farrenc um 1840. Es steht auf der Höhe der Zeit und zeigt ihre Originalität. Festivalleiterin Mihaela Martin hat es auch deshalb in dieses Programm aufgenommen, weil es instrumental speziell besetzt ist – mit einem starken tiefen Register mit Cello und Kontrabass und einem virtuos solistischen Klavier. Ein international besetztes Ensemble spielt das a-Moll Klavierquintett von Louise Farrenc. Das hat vier Sätze und beginnt gleich mit einem sehr tänzerischen, sehr ausführlichen Kopfsatz. Das Adagio ist lyrisch und gesanglich, beginnt sehr ro- mantisch mit einer Cello-Cantilene. Das leicht-hüpfende Scherzo ähnelt dem einer klassischen Sin- fonie. Dramatisch und umfassend ist die Aussage im ruppig-wandernden Schlusssatz, der aber lei- se und zart endet, ohne Pathos. Kursaal Bad Honnef Aufzeichnung vom 26. Juni 2021 Clara Schumann Drei Romanzen für Violine und Klavier op. 22 Fanny Hensel Streichquartett Es-Dur Galina Ustwolskaja Klaviersonate Nr. 5 Louise Farrenc Klavierquintett Nr.1 a-Moll op. 30 5
23.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/14-15 Freitag, 23. Juli 2021, Berliner Zeitung / Abschied von Barrie Kosky Ohne große Knaller, aber mit vielen nachgeholten Premieren ge- hen die Berliner Opern in die Saison 2021/2022. Ein Überblick https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/14-15 1/3
23.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/14-15 Tom Erik Lie (l.) und Christiane Oertel in Barrie Koskys Inszenierung der Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ in der Komischen OperIma‐ go/Martin Müller PETER UEHLING N ach einer praktisch verlorenen Opernsaison gehen die drei Berliner Häuser in der nächsten Spielzeit umso vehementer ans Werk. Keines belässt es bei den üblichen sechs Neuproduktionen. Die Deutsche Oper hatte sich mit Wagners „Ring des Nibelungen“ in der neuen Insze‐ nierung von Stefan Herheim ein besonderes organisatorisches Problem ans Bein gebun‐ den und wird durch die Schließungen zu unorthodoxer Premierenreihenfolge gezwun‐ gen: Nachdem bereits die „Walküre“ dem Eröffnungsstück „Rheingold“ voranging, folgt nun der „Siegfried“ auf das Schlussstück „Götterdämmerung“ (17.10.) und wird erst in‐ nerhalb des ersten vollständigen „Ring“-Zyklus vorgestellt, der am 9. November be‐ ginnt. Auch will das Haus zwei Produktionen der letzten Spielzeit nachholen: Marina Abramovics „7 Deaths of Maria Callas“ (8.4.) und die oratorische Oper „Antikrist“ des schrullig-visionären dänischen Monumentalkomponisten Rued Langgaard (30.1.), sie wird inszeniert von Ersan Mondtag. Auch die Staatsoper Unter den Linden steckt mit dem neuen Mozart-Da-Ponte-Zyklus, inszeniert von Vincent Huguet, im Premieren-Stau: „Le Nozze di Figaro“ konnte 2020 immerhin im Stream vorgestellt werden, „Così fan tutte“ fiel fast fertig geprobt dem ers‐ ten Lockdown zum Opfer und wird nun zur Saisoneröffnung am 3. Oktober nachgeholt, planmäßig zu den Festtagen (6. bis 17.4.) wird auch „Don Giovanni“ über die Bühne ge‐ hen (Premiere am 2.4.) – und natürlich wird alles von Daniel Barenboim dirigiert wer‐ den. Die Komische Oper hatte die Idee eines Jaromír-Weinberger-Festivals – und konnte da‐ von nur „Frühlingsstürme“ zur Premiere bringen, der geplante „Schwanda, der Dudel‐ sackpfeifer“ unter der Regie von Andreas Homoki, einst eine der erfolgreichsten Opern der Weimarer Republik, wird nun nachgeholt (5.3.). Man ist vorsichtig geworden Die kommende Saison ist die letzte von Intendant und Chefregisseur Barrie Kosky, der zwar behauptet, sein Abgang sei ganz normal – aber er feiert ihn dennoch groß mit drei Inszenierungen: Brecht und Weills „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (2.10.), Ver‐ dis „Falstaff“ (30.4.) und noch eine Operette: „Orpheus in der Unterwelt“ (7.12.). Am En‐ de wird dann mit Dagmar Manzel, Katherine Mehrling, Max Hopp und vielen anderen Künstlern, die Kosky über die Operettenschiene ans Haus binden konnte, Abschied ge‐ feiert mit „Barrie Kosky’s All-Singing, All-Dancing Yiddish Revue“ (10.6.). Die ganz großen, ungewöhnlichen Knaller, nach denen man lechzt, ohne es zu selbst wissen, fehlen der kommenden Saison – ist man vorsichtig geworden mit dem Ansetzen von Stücken, die in der Einstudierung aufwendiger sind und dann einer vierten, fünften oder Delta-Welle zum Opfer fallen könnten? Die Deutsche Oper ist mit den Ankündigungen vorsichtig: Sie veröffentlicht noch kein vollständiges Programm; sie beginnt die Spielzeit am 21. August auf dem Parkdeck, auf https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/14-15 2/3
23.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/14-15 dem man auch bei erhöhter Viruslast aufführen kann. Dort ist Mark-Anthony Turnages 1988 entstandene Ödipus-Version „Greek“ in der Inszenierung von Pınar Karabulut zu sehen. Gespannter ist man auf Franz Schrekers „Schatzgräber“ (1.5.), mit dem Regisseur Christof Loy und Dirigent Marc Albrecht ihre mit „Wunder der Heliane“ und „Francesca da Rimini“ begonnene Erkundung des vergessenen Musiktheaters des frühen 20. Jahr‐ hunderts fortsetzen. Das Wagner-Repertoire wird mit den „Meistersingern“ in einer In‐ szenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito aufgefrischt (12.6.). Starpower an der Staatsoper Auch die Komische Oper eröffnet am 29. August mit einer Ödipus-Oper, mit George En‐ escus „Œdipe“, inszeniert von Evgeny Titov – die Vorfreude ist gedämpft, weil Enescu ei‐ ner der Komponisten ist, die zu ewiger Wiederentdeckung verdammt scheinen, sich aber nicht im Repertoire festsetzen. Das hat, wie bei Franz Schreker auch, meist einen Grund. Offenbachs „Orpheus“-Travestie setzt das Haus zudem noch Glucks klassische Version des Stoffs an die Seite, die Damiano Michieletto inszeniert (23.1.) – zusammen mit der Wiederaufnahme von Monteverdis „Orfeo“ (16.4.) aus Koskys erster Spielzeit wird der legendäre Sänger von allen Seiten beleuchtet. Leoš Janácek ist der Sprung von der Wiederentdeckung ins Repertoire gelungen: Die Ko‐ mische Oper zeigt „Katja Kabanova“ in der Regie von Jetske Mijnssen mit Annette Dasch in der Titelrolle (27.11.). Die Staatsoper setzt gleich zwei Janácek-Premieren an: „Die Sa‐ che Makropoulos“, inszeniert von Claus Guth und dirigiert von Simon Rattle (13.2.), und einen literarisch-musikalischen Abend, den Jürgen Flimm aus Janáceks Musik und Tex‐ ten von Botho Strauß konzipiert hat, Titel: „Im Nebel Ein Licht“ (15.1.). Mit Peter Eötvös’ „Sleepless“ nach einem Stück des für Opern gern ausgeschlachteten norwegischen Dramatikers Jon Fosse hat die Staatsoper als einziges Haus eine Urauffüh‐ rung für Erwachsene auf großer Bühne (28.11.). Und mit Christian Josts „Die arabische Nacht“ von 2007 ein sehr aktuelles Werk (14.4.) – indes sind beide eher halb interessante Komponisten, jedoch mit großer Opernerfahrung. Zum Saisonschluss gibt es mit Pucci‐ nis „Turandot“ noch einmal ganz große Oper (18.6.). Regie führt der als Bühnenbildner herausragende Philip Stölzl, es dirigiert Zubin Mehta. Zusammen mit Anna Netrebko in der Titelrolle wird geballte Starpower aufgeboten – man kommt nicht umhin zu denken, dass derlei in der Oper leider immer noch nicht unwichtig ist. https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/14-15 3/3
23.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/12-13 Angela Merkel kommt nach Bayreuth zu den Festspielen Auch im letzten Jahr ihrer Amtszeit kommt Bundeskanzlerin Angela Mer‐ kel (CDU) nach Bayreuth zu den Festspielen. Sie gehöre zu den Premieren‐ gästen am Sonntag, teilte die Stadt Bayreuth am Donnerstag mit. Das Opern-Festival beginnt nach der Absage im Vorjahr mit einer Neu-Insze‐ nierung des Werkes „Der fliegende Holländer“. Lange war unklar, ob Mer‐ kel zu den Festspielen reist. Wegen der Abstandsregelung dürfen deutlich weniger Zuschauer als sonst ins Haus. (dpa) https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/12-13
23.7.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811131/12 Zum Trost Die Konz ertw oc he der Salzb urg er Fests piel e ist dem Tot eng ed enk en gew idm et VON R E I N H A R D J. B R E M B E C K Verl ässt der Reis end e den Salzb urg er Bahnh of, sieht er am and eren End e des Vorp latz es ein selts am schmuckl os es Bet ong eb ild e, ein en überd im ens ion al en Tisch, dem ein Bein ganz fehlt. Ein and eres Bein, das sieht der Reis end e erst beim Näh erkomm en, end et in ein em band ag iert en Met allkopf, der die ganz e Tischp latt e zu trag en scheint. Dies es ums tritt en e und sog ar vers pott et e Mon um ent ist schlicht und beu nr uh ig end, Heimo Zobern ig hat es 2002 ges chaffen. Auf der Unt ers eit e der Platt e ist ein Schulde ing es tändn is der Stadt eing rav iert, zul etzt steht ein Aufr uf, sich dem Fas chism us zu wi- ders etz en. Vom Salzb urg er Bahnh of wurd en während der deuts chen Bes atz ungsz eit Mens chen in die Vern icht ungsl ag er dep ort iert. Die den Salzb urg er Fests piel en vorg es chalt et e Ouv ert ur e spir it ue ll e setzt ebenf alls bei der Eri nn e- rungsk ult ur an, für die es noch mehr Beis piel e im Stadtb ild gibt. Das ist schon auff äll ig, zum al sich deuts che Städt e kaum so offens iv zur Schuld bekenn en. Aber auch in Salzb urg gibt es noch etl ic he Straß enn am en, die an Naz is eri nn ern. Am komm end en Sonnt ag will der dort ig e KZ-Verb and/Verb and der Ant if as chist en den Herb ert-von Karaj an-Platz, der Mann trat nicht nur einm al in die NSDAP ein, in ein er symb ol is chen Kunsta kt io n umb en enn en, der neue Nam e wird erst bei der Zerem on ie verk ün- det. Der Pian ist und Man ag er Mark us Hint erh äus er leit et die Fests piel e jetzt im fünft en Jahr. Hint erh äu- ser hat schon imm er ein Faib le geh abt fürs Sinns tift end e, Wid ers tänd ig e, Mod ern e, Ung ewohnt e, Spir it ue ll e. Die Konz ertwoc he wird im Geg ens atz zum Hauptp rog ramm auch von viel en mus iki nt er- ess iert en Einh eim is chen bes ucht, passt sie doch best ens zu dies er mit Kirc hen durchs etzt en Hoch- burg der Geg enreform at io n. Sie ist ein e der gen ial en Erf ind ung en von Hint erh äus ers die Kunst- wie Fin anzg renz en spreng end em Vorg äng er Alexa nd er Pereira, aber sie entf alt et jetzt erst ihre voll e Strahlk raft. Auch wenn gerad e nicht Hint erh äus ers Liebl ingskomp on ist en, all en vora n Lui g i Non o und Karlh einz Stockh aus en, auf dem Prog ramm steh en. Die diesj ähr ig e Ouvert ure hat sich dem Tot eng ed enken vers chrieb en. So wie in den vier hier bes chrie- ben en grand ios en Konz ert en, die mit viel en unb ek annt en Meist ers tüc ken an zwei Tag en in Koll eg ie n- kirc he und Moz art eu mss aal nicht nur die Zeit en vom Mitt ela lt er bis zur Mod ern e durchwand ern, sond ern auch die entfernt est en Zon en Europ as. So traf mit dem von Jord i Savall mit sehrend er In- brunst dir ig iert en Tot eno ff iz iu m von Cristóbal de Moral es span is che Ren aiss ancet raue r auf byz ant i- nisch-ort hod oxe Ewigkeitsb et racht ung en, die Dir ig ent Teod or Currentz is mit zwei Chorform at ion en sein er „mus ic Aet ern a“-Trupp e in ein em zweis tünd ig en, paus enl os en Konz ert bis nach Mitt ern acht bei Kerz ens chein int on ieren ließ. Neb en der mitt ela lt erl ic hen All eskönn er in Hild eg ard von Bing en waren auch der neap ol it an is che Ba- rockm eist er Ant on io Lott i und der mod ern e Groß m eist er Györg y Lig et i vert ret en. Aber die meist en Komp on ist en dürft en nur die all erwen igst en im West en kenn en. Ganz egal, ob die Stüc ke von And rea s Moustoukis, Bal as io s Iereus oder Iakob os Pel op onn es io s Prot opsa lt es stamm en, imm er drückt sich da ein e ruh ig e und völl ig und ram at is che Spir it ual it ät aus, die so gar nichts gem ein hat mit dem für Salzb urg typ is chen Barockexp ress iv it ät. Ents prec hend verh alt en und ratl os rea giert e das Pub lik um dann weit nach Mitt ern acht. Bei all en and eren Stüc ken war der Beif all beg eist ert er. Vor ein paar Jah- ren hat sich der Pian ist Igor Lev it mit Fred er ic Rzews kis eins tünd ig em „The Peopl e United Will Never Be Defeat ed“ ein en Ries ene rfolg ers pielt. Jetzt legt er mit der noch unb ek annt eren „Pass ac ag lia on https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811131/12 1/2
23.7.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811131/12 DSCH“ ein mit 90 Min ut en noch läng eres Stück nach, ein maß l os es und das Pub lik um beg eist ernd es Klav ierfeue rwerk, virt uo s, pol it isch, zärtl ich, vis ion är, exp los iv, grundl eg end ton al und nie vers pon- nen räts elh aft. Der Komp on ist ist Ron ald Stevens on (1928-2015), der mit dem laut Prog rammh eft dreih und ertm al wied erh olt en Vier-Ton-Mot iv D-Es-C-H sein e Vere hr ung für den von den Sow jets oft bed rängt en Dmitr i Schos takow itsch komp on iert. Gleichz eit ig konk urr iert er mit groß en Klav ierkom- pon ist env irt uos en wie Liszt, Alk an, Bus on i und bringt viel Barock und Bach ein, bis hin zu ein er 20- min üt ig en Tripp elf ug e, die zul etzt das schon von Hect or Berl io z ausg es chlacht et e greg or ian is che „Dies irae“ eina rb eit et, mit der Stevens on der sechs Mill ion en von den Naz is erm ord et en Jud en ge- denkt. Ein dunkel langs am es „Adag iss im o barocc o“ wird imm er laut er und geh ämm ert er und fan al- haft er. Es bes chließt dies es Wund erwerk, dem Igor Lev it, die Salzb urg er Fests piel e und ein beg eist ert jub elnd es Pub lik um größt e Aufm erks amkeit vers chaffen. And ers geh en Oliv ie r Mess iaen und John Adams mit der Traue r um. Mess iaen ist gleich zweim al ver- tret en. Das für Bläs er und Schlagwerk konz ip iert e „Et exp ect o res urrect ionem mourt uor um“ bek lagt die Weltk riegso pfer, es entf alt et bei Dir ig ent Pab lo Heras-Cas ad o ein e streng e inn ere Wucht. Die scharf ins Ohr schneid end en Kläng e, die apok alypt is chen Schlagz eug erupt ion en werd en durch die hall ig e Akust ik der Koll eg ie nk irc he wen ig er abg em ild ert, als zu ein er weltu mf ass end en Klag e und Ank lag e verd icht et. Heras-Cas ad o verb ind et Nücht ernh eit mit Eks tas e. Das ist ein mod ern erer An- satz als ihn die von Klar in ett ist und Komp on ist Jörg Widm ann ang ef ührt e Trupp e in Mess iaens „Qua- tuo r pour la fin du temps“ vorl egt, es ist ein es sein er erfolgreichst en Stüc ke. Mess iaen war Kat hol ik und Synä st hes ist, Vog elk und ig er und Ind ienf an, Farb en- und Klangorg ie n- liebh ab er. Als Kriegsg ef ang en er in Schles ie n komp on iert e er 1941 mit dem „Quat uo r“ ein e achts ätz i- ge Leb ensfeie r, ein en Jes usj ub el, ein e Klangl itu rg ie. Geig er in Alin a Ibrag im ova, Cell ist Nic ol as Alt- stae dt und am wen igst en Pian ist Franc esc o Piem ont es i setzt en wie Widm ann auf den ganz groß en exp ress iven Ausd ruck, dem jed e Dis tanz fern ist. Das ist altm eist erl ich überwält ig end, es bringt aber auch ein en Schuss Kitsch mit, vor dem Mess iaen nie ganz gefeit ist. Und es ist diam et ral dem Ans atz des Streichq uart etts Met a4 entg eg eng es etzt, das John Adams Shoa-Stud ie „Different Trains“ kühl er, überl egt er und dis tanz iert er ang eh en. Dies er Ans atz, der sehr viel zeitg em äß er wirkt, geht mit Adams une rm üdl ic hen Klangrep et it ion en, sein er Mas chin en ä st het ik und den Tonb andz us piel ung en wun- derb ar zus amm en. Das Stück eri nn ert von sein em Them a (den in die Tod esl ag er fahrend en Vern ich- tungsz üg e) und in sein er emot ion al unt erk ühlt en Traue ra rb eit an Heimo Zobern igs Ant if a-Denkm al vor dem Bahnh of. Viell eicht lässt sich der größt e Schrec ken eben nur jens eits gäng ig er Emot ion al it ät künstl er isch bewält ig en. https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811131/12 2/2
23.7.2021 At Salzburg, Don Giovanni Gets No Pleasure From Seducing - The New York Times https://www.nytimes.com/2021/07/22/arts/music/don-giovanni-mozart-opera-salzburg.html At Salzburg, Don Giovanni Gets No Pleasure From Seducing A dark, enigmatic staging of Mozart’s opera brings together the director Romeo Castellucci and the conductor Teodor Currentzis. By Ben Miller July 22, 2021 SALZBURG, Austria — “Chi son io, tu non saprai,” the stage director Romeo Castellucci said during a recent interview in the lobby of the Salzburg Festival’s main theater. He smiled and gestured to an interpreter, who gave the translation: “You will never know who I am.” The phrase is part of the title character’s entrance line in Mozart’s “Don Giovanni,” and announces the work’s strangeness and ambiguity, the way it shifts between comedy and tragedy. Few stage directors would seem better able to explore and honor its mysteries than Castellucci, who emerged from the world of experimental theater to produce an ongoing series of abstract and enigmatic opera productions. His staging of “Don Giovanni,” then, is a highly anticipated meeting of work and director. Its premiere, on July 26, will be broadcast live on Austrian television, and the Aug. 7 performance will be streamed online. Also much anticipated is the first from-scratch collaboration between Castellucci and the conductor Teodor Currentzis, who have separately provided some of the Salzburg Festival’s most acclaimed events in recent years. Their “Giovanni” will be unusual — with collapsing churches, falling cars and pianos, a live rat and other extreme images. But Markus Hinterhäuser, Salzburg’s artistic director, said that it is not merely inflammatory. “There is nothing more boring than that,” Hinterhäuser said. “This is provocation in an epiphenomenal way: creating spaces of perception, of resonance, of seeing. That is the provocation that is actually interesting.” The festival, which last year was one of the first European performing arts institutions to resume live performances, is now pioneering a return to prepandemic scale. (“Giovanni,” part of a centennial season originally set for last summer, is among a group of postponed productions.) While many theaters are still blocking out seats, Salzburg is selling — and, in most cases, selling out — its theaters at full capacity. Attendees will be required to be vaccinated, tested or recently recovered from a coronavirus infection; masks were originally not to be required, but now are after an audience member tested positive following an outdoor performance of the play “Jedermann.” And artists are being regularly tested. Castellucci’s concept revolves around the desire to re-enchant — to respect the mystery of — the myth of Don Juan (Don Giovanni in the opera’s Italian). “The stupidest and most superficial thing you could do would be to turn him into some kind of Latin lover,” he said, proposing Giovanni instead as the principle of life itself, an element of chaos or disorder that is both feared and desired, violent and attractive. “Even in the foundations of the myth,” Castellucci added, “he is someone who desires, who needs. And Mozart and Da Ponte” — Lorenzo Da Ponte, the work’s librettist — “only show us his failures.” It is significant that in the piece we never see this supposedly great seducer succeed. For Castellucci, then, Giovanni is representative of a childlike ego’s search for love — “the melancholy of the satyr,” which this director understands as beating near the heart of Western culture. Giovanni is searching not for endless women but for one woman, an impossibly ideal synthesis of incompatible forms of female perfection: mother, lover, prostitute. Desperately searching for wholeness and salvation, he ends up destroying others, treating women only as objects. Far from the stereotypical Casanova figure deriving pleasure from his conquests, this Don Giovanni is both victimizer and victim, pushed toward violence by the strength of his desires and by his fear of the honest encounter with the other that is required in any loving relationship. “I think he has some childhood trauma,” Davide Luciano, the Italian baritone who plays Giovanni, said in an interview. “I always thought that this was the true character; it’s deeper and darker than just enjoying women. Casanova enjoys; Giovanni does not and cannot.” In the famous “catalog aria” in the first act, Giovanni’s servant Leporello tells the abandoned (but still smitten) noblewoman Donna Elvira of his master’s many lovers — 1,003 in Spain alone. Often played for comedy, this sequence is for Castellucci something far more serious. “This is a horrifying interaction,” he said, “in which humans are just numbers.” In response, Castellucci will fill the stage throughout the opera with 150 women who are not professional actors or dancers. Trained in his precise gestural language by the choreographer Cindy van Acker, they will begin to trigger Giovanni’s downfall. “The ‘mille tre’ will be invested with literal substance,” Castellucci said, “to turn the philosophy of the catalog upside-down by occupying all the space that is available, with these women who have a body, an age, a biography, a name, a history — who are real persons.” In the first act, Giovanni will brutalize and dominate these women. As the second act progresses, though, they will begin to take control, eventually leading him to hell. Mozart, born here in 1756, is Salzburg’s favorite son, and in 1922, “Don Giovanni” was the festival’s first opera production — conducted by the great composer Richard Strauss, with the Vienna Philharmonic, which is still the house orchestra, in the pit. This year, for the first time, the opera will be played here by an ensemble other than the Philharmonic: Currentzis leads his devoted MusicAeterna, which has been heard at Salzburg in Mozart’s “La Clemenza di Tito” and “Idomeneo” and made its name with a cycle of recordings of the three Mozart-Da Ponte operas. “I have a very certain theory about the sound of ‘Don Giovanni,’” Currentzis said in an interview after a rehearsal, “rooted in Salzburgian church music.” “It’s a polystylistic opera,” he added, referring to the score’s combination of tropes from severe opera seria and jovial opera buffa, added to orchestrations that recall religious music. “I wouldn’t say it’s a prefiguration of Romanticism; it is already Romantic. Rather, he goes straight to contemporary music, straight to Alban Berg.” For Currentzis, the work’s female characters reflect different styles of female singer: Donna Anna, for example, seems to have arrived from an opera seria and Zerlina, a peasant girl, from an opera buffa. In Don Giovanni’s sexual and emotional scheme, Elvira represents the mother; Anna, the lover; and Zerlina, the prostitute. https://www.nytimes.com/2021/07/22/arts/music/don-giovanni-mozart-opera-salzburg.html 1/3
23.7.2021 At Salzburg, Don Giovanni Gets No Pleasure From Seducing - The New York Times These musical and psychological relationships, Currentzis believes, can only be brought out through historically informed performance. He has the players tune their A to 430 Hz, a quarter-tone lower than contemporary orchestras’s standard performance pitch. “It’s obviously better,” Currentzis said. “Mozart composed music at 430 Hz; that was the pitch of the time. When he made the plan of the tonality, he knew exactly what he wanted to give brightness and darkness.” “If you transpose everything a quarter-tone up,” he added, “all the spectral stuff is completely different.” The precision of his work with intonation extends to Currentzis’s expectations of singers and their tone. “It is very simple,” he said. “You have a very tight polyphonic structure, and if everything is not precise, everything collapses. We have a Romantic type of singing that came in with the 20th century, and then singers brought this Romantic approach to the operas of Mozart, and to polyphonic music. When the voices have less vibrato, this helps me to make the architecture.” In his recordings, the difference in vocal production from the norm — even more dramatic than what one normally hears in historically informed performances — is immediately audible: harder consonants; very soft and often almost whispered singing; a great deal of straight, vibrato-less tone. Currentzis insists that even in the Grosses Festspielhaus, which seats more than 2,100, all this will be audible. “You don’t have to have the singer sing louder,” he said. “The orchestra can also play softer.” The singers seem overjoyed rather than upset by the demands. “It’s the greatest thing in the world,” said the tenor Michael Spyres, who plays Don Ottavio. “It needs to be alive, and it needs to be flexible. Mozart is the farthest thing from stiffness.” The lower pitch, he added, helps the singers to access more vocal colors; Luciano, the Giovanni, said he could pronounce words better at this tuning. “Normally I work with great conductors,” Luciano said, “but they don’t always know about singing technique. Teodor knows about singing.” He added that he had been “a little bit afraid” to work with Currentzis and Castellucci, both of whom have well-earned reputations for rigor. But Luciano said that the atmosphere has been “very serene” and that Castellucci “never asks for strange or uncomfortable positions for singers. He is always at our service for the singing, for the music.” At the end of the interview, Castellucci discussed the opera’s finale: a sextet of the plot’s survivors, celebrating the downfall of the central antihero. “We hear how they try to reconstitute society without Don Giovanni,” he said. “But we feel in this joyous music a terrible nostalgia for this person, because of the principle of life that he represented. Heidegger said that the artist is a problematizer, someone who creates problems. That, I think, is a wonderful definition of the whole process.” Currentzis felt similarly, despite the presentation of the title character in all his tortured darkness. “The audience will criticize him during the intermission,” he said. “But in the hall, they want to be him. Don Giovanni does what they want. He has the guts to actually do it.” https://www.nytimes.com/2021/07/22/arts/music/don-giovanni-mozart-opera-salzburg.html 3/3
23.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467351/16 F.A.Z. - Feuilleton Freitag, 23.07.2021 Aus lauter Lust am Bösen Die Festspiele am See eröffnen im Haus mit der Oper „Nerone“ von Arrigo Boito. Von Werner Müller Grimmel, Bregenz Warum wird Arrigo Boitos Oper über den römischen Kaiser Nero bis heute so selten gespielt? Liegt es daran, dass sie unvollendet blieb und erst 1924 – sechs Jahre nach dem Tod des Komponisten – aus der Taufe gehoben wurde? Immerhin war das bereits 1862 begonnene Opus magnum, an dem Boito quasi lebenslang immer wieder gearbeitet hatte, am Ende so weit gediehen, dass sich der Dirigent Arturo Toscanini daranmachen konnte, zusammen mit Antonio Smareglia und Vincenzo Tommasini eine aufführungsfähige Fassung zu erstellen. Toscanini, der das Stück in Mailand ohne den fünften Akt auf die Bühne brachte, hat sich auch später noch dafür eingesetzt. Warum also hat es sich trotz solch prominenter Fürsprache im Repertoire nicht behaupten können? Bei den Bregenzer Festspielen, die jetzt mit Boitos „Nerone“ eröffnet worden sind, konnte man sich knapp drei Stunden lang Gedanken über diese Fragen machen. Boito hat obsessiv mit dem Stoff gerungen, aber auch nach mehr als einem halben Jahrhundert nicht in eine endgültige Form zu bringen vermocht. Schon für das selbst verfasste Libretto hat er jahrelange Studien getrieben. Dabei ging es ihm nicht um einen Historienschinken im Operngewand. Dieser Nero verrät viel über seinen Erfinder, kommt als Möchtegern-Nietzsche daher, der moralische Werte hinter- fragt. Boito, 1842 geboren, pflegte schon als junger Künstler und Intellektueller eine Bürgerschreck- Attitüde, feierte freie Liebe und neigte zu libertärer Verklärung des „Bösen“. Der oft überarbeitete Text koppelt überlieferte und fiktive Episoden aus dem Leben des Kaisers, konfrontiert traditionelle römi- sche Religion und aufkommendes Frühchristentum, thematisiert den Brand Roms und im geplanten fünften Akt den Wahnsinn Neros. Auch die Partitur hat Boito vielfach umgearbeitet und drei Akte selbst instrumentiert, geplante Urauf- führungen aber wiederholt zurückgezogen. Könnte es sein, dass er mit „Nerone“ nicht fertig wurde, weil er mit seiner Titelfigur im Unreinen war? Weil er keine Lösung fand für das Problem ihrer Idealisie- rung? Weil er spürte, dass seine unterschwellige „sympathy for the devil“ ihm im Weg war? Auch die anderen Figuren des Stücks sind zwiespältige, merkwürdig wächserne Wesen, die seltsam kaltlassen. Boito hat viel hineingepackt in das Stück, wollte „alles richtig und perfekt machen“. Bei der Bregenzer Aufführung drängte sich zunehmend der Eindruck auf, dass er sich mit seinem Traum vom vollkomme- nen Kunstwerk selbst gelähmt und letztlich überfordert hat. Auch musikalisch konnte er innere Wider- sprüche seiner ambitionierten Zeitdiagnose nicht auflösen. Trotz brillant gezogener Register im Detail wirken manche Szenen gekünstelt, andere überdehnt. Dirk Kaftan legt sich am Pult der Wiener Symphoniker mächtig ins Zeug für Feinheiten der Partitur, die harmonisch und melodisch vom Gegensatz chromatisch gezeichneter heidnisch-antiker Welt und diato- nisch gefärbten, klar strukturierten Klängen für das neue Christentum lebt. Dazu kommen atmosphä- risch zauberhafte Momente in scharfem Kontrast zu schmerzbrüllend einschlagenden Bläser- und Schlagwerkattacken, präfaschistisch anmutendes Pathos bei der Verherrlichung brutaler Gewalt und blasphemisch getönte Kombinationen von Gebetskitsch und frivoler Beschwörung sinnlicher Liebe, die sich Boito nicht verkneifen wollte. Von quasi orientalischem Melos ist hingegen wenig zu hören. Insge- samt fehlt dem Stück die musiktheatralische Schlagkraft des von Boito bewunderten Kollegen Giuseppe Verdi. Olivier Tambosis Inszenierung zieht Parallelen zwischen den dekadenten Umbruchzeiten im nachau- gusteischen Rom und in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Gesine Völlms fantasievolle Kostüme sind allenthalben mit Blut beschmiert, zitieren aber gelegentlich auch die frühe Mussolini-Zeit. Auf Frank Philipp Schlössmanns Bühne drehen sich labyrinthisch verschachtelte Räume. Spiegelwände und Rotlichtflächen erzeugen ein verwirrendes Spiel permanenter Täuschungen. Schauen wir hier in den https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467351/16 1/2
23.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467351/16 Kopf eines größenwahnsinnigen Narzissten, der Erotisierung von Folter, Sadismus und Tod als ästheti- sche Genuss und wertfreie Lust feiert? Tambosi will eine „Gesamtansicht des Menschseins“ entfalten. Spätestens nach den Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts weckt solcher Flirt mit einem relati- vierenden „Jenseits von Gut und Böse“ Unbehagen. Rafael Rojas irrt als geschmeidig singender Nero durch all die Kammern seiner beschädigten Seele und findet sich immer weniger zurecht. Ihn plagt das Gewissen wegen der Ermordung seiner Mutter Agrip- pina. Voller Selbstmitleid stilisiert er sich als Orest, Opfer eines schicksalhaften Verhängnisses. Brett Polegato als Prophet Fanuèl wirbt mit betörendem Bariton für uneigennützige Liebe. Bei Spitzentönen kommt er stellenweise an Grenzen. Tambosi denunziert ihn als bärtig-langhaarigen Ersatz-Jesus mit Dornenkrone, salbungsvoll in fast süßliches Es-Dur gehüllt. Seinen Gegenspieler verkörpert Lucio Gallo als heidnischer Zauberer Simon Mago. Dämonisch ficht er seinen vokalen Kampf auf Leben und Tod mit riesigen schwarzen Flügeln, die doch nur raffiniert verborgener Technik gehorchen. Mit flammenden Soprankaskaden frönt Svetlana Akse- nova als masochistische Asteria ihrer perversen Vorliebe für Neros Grausamkeit. Dass Mago ausgerech- net sie mit Peitsche als Domina-Göttin auf den Diktator ansetzt, geht grässlich schief. Alessandra Volpe als Rubria im Zwiespalt zwischen altem Kult und neuem Nazarenertum, das restliche Solistenensemble und der Prager Philharmonische Chor tragen zu einer musikalisch eindrucksvollen, im szenischen Kontext jedoch insgesamt unersprießlichen Aufführung bei. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467351/16 2/2
23.7.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476751/20-21 Freitag, 23.07.2021, Tagesspiegel / Kultur NACHRICHTEN Frankreich und Russland bei Baden-Badener Festspielen Corona zum Trotz startet das Festspielhaus Baden-Baden bei den Herbstfestspielen ab September wieder durch – beginnend mit 500 Besuchern pro Vorstellung. Je nach Corona-Lage soll in dem mit 2500 Plätzen größten deutschen Opernhaus aufgestockt werden. Auf dem Programm steht Mozarts Oper „Idomeneo“. Anfang Oktober präsentieren John Neu-meier und das Hamburg Ballett Klassiker und Neuproduktionen, darunter „Tod in Vene-dig“ und „Ein Sommernachtstraum“. Der Choreograf will ein Tanzfestival in der Kurstadt etablieren. Im November folgt konzertant Tschaikowskys Oper „Mazeppa“ mit den Berli-ner Philharmonikern. Die jährlichen Dezember-Gastspiele mit dem St. Petersburger Diri-genten Waleri Gergijew und der Mariinski-Truppe sollen zum „Russland“-Festival avancie-ren, mit Konzerten und Ballett-Klassikern wie „Nussknacker“ und „Schwanensee“. dpa https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476751/20-21 1/2
23.7.2021 Berliner Morgenpost KULTUR SEITE 9 | FREITAG 23. JULI 2021 Hilfsprojekt #hierspieltdiemusik zieht positive Bilanz Das Hilfsprojekt #hierspieltdiemusik, ins Leben gerufen für durch die Coronakrise in Not geratene professionelle Musikerinnen und Musiker in Berlin, hat eine positive Bilanz gezogen. Insgesamt habe eine Fördersumme von 436.000 Euro ausgeschüttet werden können, teilten die Initiatoren mit. Insgesamt seien 527 Anträge eingegan- gen. Das Geld habe bereits Anfang Juli an die Begünstig- ten ausgezahlt werden können. Gemeinsam mit dem Verein Berliner Kaufleute und In- dustrieller (VBKI) haben Unternehmen der Berliner Im- mobilienwirtschaft auf Initiative von Gesobau und Engel & Völkers das Nothilfe-Projekt ins Leben gerufen und Spendengelder eingesammelt. Die Mittel stammen vor- wiegend aus Spenden der Berliner Immobilienwirtschaft sowie von Privatpersonen. Ziel war es dabei, Berliner Musikschaffende in schweren Zeiten zu unterstützen und damit einen Beitrag zum Erhalt der kreativen Kraft der Stadt zu leisten. Betroffene Künstlerinnen und Künstler konnten dafür im Zeitraum 10. Mai bis 13. Juni eine För- derung beantragen. BM Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/995/articles/1413178/9/1 1/1
23.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/12-13 Freitag, 23. Juli 2021, Berliner Zeitung / Herein zum Protest HARRY NUTT K aum eröffnet, fallen die Riegel schon wieder ins Schloss. Zumindest für all jene, die nicht alert genug waren, für die Erstbesichtigung des Hum‐ boldt-Forums eines der begehrten Zeitfenstertickets zu lösen. Die Nachfrage ist riesig, weit über den Juli hinaus sind die Ausstellungen ausgebucht. Statt der vorgesehenen Kapazität von 10.000 Besuchern pro Tag kön‐ nen aufgrund der Corona-Beschränkungen lediglich 2400 Personen eingelassen werden. Das ist nicht zuletzt auch für die Stiftung Humboldt-Forum sowie deren drei aus‐ stellende Partner, das Berliner Stadtmuseum, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Humboldt-Universität, ein Dilemma. In Berlins Mitte ist ein imposantes neues Kulturareal entstanden, aber anstelle der neugierigen Aneignung der Räume durch die Bevölkerung kann die Begehung derzeit nur in homöopathischer Dosie‐ rung stattfinden. Jeder weitere Verweis auf Videopanoramen und digitale Rund‐ gänge vergrößert nur die Frustration. Dabei gibt es wirklich genug zu sehen. Während eines Schnelldurchlaufs am ver‐ gangenen Montag war ich mir des Privilegs, das Pressevertretern gewährt wurde, leider nicht bewusst. Die Ausstellung „schrecklich schön“ über die problematische und brutale Geschichte der Verwendung von Elfenbein lädt ein zur Versenkung ins Detail. Und immer fordern kleine Schubvorrichtungen dazu auf, sich der Proveni‐ enzgeschichte des jeweiligen Gegenstands zu vergewissern. Auf jedem Quadratme‐ ter scheint das Humboldt-Forum sagen zu wollen: Wir denken unsere besondere Rolle und Verantwortung stets mit. Davon möchten die Macher der Ausstellung „Re-Move-Schloss“ im Projektraum Museum Tropicana am Spreeufer gegenüber nichts wissen. Hier wird an die lange Protestgeschichte gegen das Humboldt-Forum erinnert. „Ich mach nicht mit, weil das Humboldt-Forum ein Kreuz an der Waffel hat“ steht auf einem Plakat. Ein an‐ deres moniert, Preußen reime sich nicht auf Berlin. Dass der Protest in den großen Bau von Franco Stella kurzerhand integriert werden soll, findet man nicht gut. https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938064/12-13 1/1
Sie können auch lesen