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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Wednesday, February 24, 2021
PRESS REVIEW Wednesday, February 24, 2021 Der Tagesspiegel, DB Das Lucerne Festival plant großen Sommer Coolibri, DIVAN, DB Philharmonisches Konzert: Himmlische Freuden NDR Dokumentation anlässlich des 75. Jubiläums gewährt seltene Einblicke in die aufreibende Arbeit der "Zeit"-Redaktion mit Michael Naumann Die Welt Wie der Cellist Gautier Capuçon beschloss, den Lockdown des französischen Konzertbetriebs hinter sich zu lassen und mit seinem Instrument quer durchs Land reiste Frankfurter Allgemeine Zeitung Die Sanierung der Staatsbibliothek Unter den Linden ist vollendet – noch aber bleiben die Pforten geschlossen Berliner Morgenpost Corona Gelockert wird vorerst nicht Frankfurter Allgemeine Zeitung Museen und Mächte. Der neue Leitfaden zu kolonialem Kulturgut Der Tagesspiegel Neue Ethik im globalen Austausch Museumsleitfaden für koloniales Erbe
23.2.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/20-21 Mittwoch, 24.02.2021, Tagesspiegel / Kultur Aber Skifahren ist wichtiger in der Schweiz Das Lucerne Festival plant großen Sommer Von Georg Rudiger Eine Festivaldauer von fast fünf Wochen, zahlreiche Gastspiele internationaler Orchester, groß besetzte Werke, drei konzertante Opern – wenn man auf das Programm des Lucerne Sommerfestivals 2021 schaut, könnte man meinen, dass es keine Corona- Pandemie gebe. „Wir handeln nicht ins Blaue hinein, sondern tun das sehr überlegt“, erklärt Intendant Michael Haefliger. „Wir gehen davon aus, dass sich die gesundheitli- che Situation durch die Impfungen erheblich verbessert. Auch der Sommer ist eine bessere Jahreszeit, um das Virus einzudämmen als der Winter. Wir haben deshalb ein normales Programm geplant. Sollte es wider Erwarten Schwierigkeiten geben, dann ha- ben wir selbstverständlich Szenarien entwickelt, wie wir darauf reagieren.“ Gerade musste der avisierte Start des Vorverkaufs verschoben werden, von Ende April auf den 17. Mai, zu wenig Planungssicherheit. Das Sommerfestival 2020 wurde zunächst abgesagt, bevor doch noch ein stark abgespecktes, zehntägiges, coronakonformes Programm mit dem Titel „Life is live“ über die Bühne ging. Finanziell steht das größte Klassikfestival der Schweiz trotzdem solide da. „Über die letzten 20 Jahre konnten wir gutes Kapital aufbauen, das uns jetzt schützt. Falls wir langfristig nicht mehr mit den 1800 Plätzen im Saal kalkulieren können, müssten wir umdenken“, sagt Haefliger. Dass aktuell in der Schweiz keinerlei Veranstaltungen stattfinden dürfen, hält er wegen der hohen Fallzahlen für gerechtfertigt. Dass aber die Skigebiete offenbleiben sollen, kritisiert der Intendant deutlich. „Man sieht in der Schweiz gerade, dass das Thema Skifahren sicherlich einen größeren Stellenwert hat als das Thema Kultur.“ Das von 26. bis 28. März geplante Frühjahrsfestival „Andras Schiff and Friends“ wurde inzwischen komplett abgesagt. Das Thema des Sommerfestivals (10. August bis 12. Sep- tember 2021) lautet „ver-rückt“. Das Motto klingt nach einer Reaktion auf die Pandemie, wurde aber bereits vor zwei Jahren festgelegt. Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja bie- tet zusammen mit dem Klarinettisten Reto Bieri ein vom Dadaismus inspiriertes Konzert. Mit Robert Schumann fällt der Fokus auf einen Komponisten, der seine letz- ten beiden Lebensjahre in einer Nervenheilanstalt verbrachte. Auch bei den konzertant https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/20-21 1/2
23.2.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/20-21 gespielten Opern steht laut Haefliger das Verrückte im Zentrum mit Händels „Partenope“ , Tschaikowskys „Pique Dame“ und Verdis „Falstaff“. Kern des Festivals bleiben aber die Orchesterkonzerte. Das Lucerne Festival Orchestra widmet sich unter der Leitung von Riccardo Chailly und Yannick Nézet-Séguin Werken von Rachmaninow, Mahler und Bruckner. Auftritte der Wiener (Herbert Blomstedt) und Berliner Philharmoniker (Kirill Petrenko), des Chicago Symphony Orchestra (Riccardo Muti), der Staatskapelle Berlin (Daniel Barenboim), des Royal Concertgebouw Orchestra (Daniel Harding) und des London Symphony Orchestra (Simon Rattle) unter- mauern die Sonderstellung des Festivals. Dass die internationalen Orchestertourneen nach der Pandemie auch wegen des Klimaschutzes deutlich weniger werden könnten, bringt Michael Haefliger nicht aus der Ruhe. „Man muss nur das Reisen verändern, kompakter planen und statt des Flugzeugs die Bahn wählen. Da ist sehr viel möglich.“ Georg Rudiger https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/20-21 2/2
Internet c6!,libri Quelle: coolibri Online vom 24.02.2021 (Internet-Publikation, Dortmund) Auch in: 1 weitere Quelle » AÄW: 194€ Visits: 291.667 Reichweite: 9.722 Autor: k.A. Weblink 7. Philharmonisches Konzert: Himmlische Freuden Veranstalterhinweis: Denkbar harmlos fangen sie an, jene „himmlischen Freuden", die in der Volks liedsammlung „Des Knaben Wunderhorn" besungen werden. Man tanzt und springt, man hüpft und singt, und das alles unter den wohlgefälligen Blicken des hei ligen Petrus. Aber plötzlich tritt der „Metzger Herodes" auf den Plan, um ein unschuldiges Lämmlein zu schlachten. Ganze Schwärme von Fischen schwimmen in die Netze; das Wild läuft den jagdlus tigen Heiligen geradewegs ins offene Messer. Gustav Mahler hat diese alptraumhafte Szene im Schlusssatz seiner vierten Sinfonie vertont: eine merkwürdig doppelbödige, maskenhafte Musik, in der sich Sanftmut und Schrecken auf beklemmende Weise mischen.Solistin ist die junge Sopranis tin Jana Baumeister, die seit 2014 zum Ensemble des Staatstheaters Darmstadt gehört. Ihr Chef dort ist GMD Daniel Cohen, der seine Karriere als Geiger im West-Eastern Divan Orchestra begann und durch dessen Leiter Daniel Barenboim nachhaltig gefördert wurde. Der junge israelische Ma estro machte unter anderem mit Produktionen an der Deutschen Oper und Staatsoper Berlin von sich reden. Mahlers „Vierter" stellt er einen kurzen Ausschnitt aus Arnold Schönbergs biblischer Oper „Moses und Aron" gegenüber. Um das Götzenbild des goldenen Kalbes entfaltet sich eine Szene der Entfesselung, des sinnlichen Rausches und der Mordlust. Schönberg komponierte hier ein Orchesterbild in grellen Farben und aufpeitschenden Rhythmen; es erinnert zuweilen an die Thriller-Soundtracks aus den Filmstudios von Los Angeles, wo er sich nach seiner Emigration an siedeln sollte. Ganz ähnlich wie bei Mahlers verstörender Himmelsvision öffnet sich hier der Blick in jene seelischen Abgründe, die Sigmund Freud, Zeitgenosse beider Meister, ins Licht der Wissen schaft rückte. - Dass sich selbst bei Mozart, dem „Götterliebling", die sprichwörtlichen Leichen im Keller finden, dafür steht musterhaft das 1786 komponierte Klavierkonzert c-Moll. Den Solopart in diesem von dunkler Ausdrucksgewalt gezeichneten, in einem schaurigen Totentanz endenden Stück gestaltet David Fray. Als Einspringer für die erkrankte Helene Grimaud avancierte der franzö sische Pianist 2006 zum Shooting Star der internationalen Klavierszene; sein feinnerviges Spiel ruft bei Kritikern immer wieder Vergleiche mit dem legendären Glenn Gould hervor. Alle weiteren Quellen: regioactive.de zum Anfang dieses Artikels zum Inhaltsverzeichnis 3
24.2.2021 "Die Zeit" - Eine Wochenzeitung wird 75 | NDR.de - Fernsehen - Programm - epg Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Die- Zeit-Eine-Wochenzeitung-wird-75,sendung1127762.html DIE ZEIT Eine Wochenzeitung wird 75 Mittwoch, 17. Februar 2021, 21:00 bis 21:45 Uhr Donnerstag, 18. Februar 2021, 06:35 bis 07:20 Uhr Die überregionale deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" ist erstmals am 21. Februar 1946 erschienen. Diese Dokumentation anlässlich des 75. Jubiläums gewährt seltene Einblicke in die aufreibende Arbeit der "Zeit"-Redaktion. Sie zeigt, wie vielseitig die Aufgaben der Journalistinnen und Journalisten im 21. Jahrhundert geworden sind: die wahrhaftige Reportage, die richtige Bildauswahl, der spannende Podcast und der Kontakt mit dem Publikum. Das Selbstverständnis der Zeitung speist sich auch aus ihrer turbulenten 75-jährigen Geschichte: Richtungskämpfe und Persönlichkeiten wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt (1918 - 2015), Marion Gräfin Dönhoff (1909 - 2002) und Gerd Bucerius (1906 - 1995) prägen das Blatt bis heute. Jede Woche aufs Neue: Berichten, erklären, einordnen Yassin Musharbash starrt auf sein Smartphone und schüttelt den Kopf. Eine Eilmeldung: drei Menschen bei Anschlag in Nizza getötet. Der Reporter muss schnell zurück ins Büro, Fakten prüfen, recherchieren, alles aufschreiben. Erst für die Online-Ausgabe, dann fürs gedruckte Blatt. Musharbash ist Terrorismus- Experte im investigativen Ressort der Wochenzeitung "Die Zeit". Ob Terror, Corona oder Despoten: Die Welt ist unüberschaubar geworden, manchmal gar unberechenbar. Umso mehr hat die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten an Bedeutung gewonnen: berichten, https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Die-Zeit-Eine-Wochenzeitung-wird-75,sendung1127762.html
24.2.2021 "Die Zeit" - Eine Wochenzeitung wird 75 | NDR.de - Fernsehen - Programm - epg erklären, einordnen. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum die Wochenzeitung "Die Zeit" gerade so erfolgreich ist wie nie. Seit 75 Jahren besteht sie nun, hat die Anfänge der Demokratie erlebt und die Erosion demokratischer Prinzipien. Höhen und jahrzehntelange Tiefen, während derer das Blatt tief in den roten Zahlen steckte. Doch "Die Zeit" hat sich erneuert, ist heute mehr als eine Wochenzeitung. "Die Zeit" ist eine Marke geworden, die mit ihren "Verbrechen"-Podcasts auch Menschen erreicht, die diese Wochenzeitung nicht lesen. US-Wahl: Langes Ringen um den Titel Jeden Donnerstag findet die große Konferenz der "Zeit"- Redaktion statt. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bespricht darin mit Vertreter*innen aller Ressorts die aktuelle Ausgabe und Themen für die folgende Woche. Alle vier Jahre kommt "Die Zeit" aus dem Tritt. Wegen der US-Wahl wird dann der Andruck verschoben, um vor Redaktionsschluss möglichst noch das Wahlergebnis zu erfahren. Doch bei der Wahl 2020 ist das unmöglich: Chefredakteur Giovanni di Lorenzo wähnt nach langem Hin und Her "das große Zittern" und macht es zur Titelzeile. Doch wer soll aufs Titelbild: Trump, Biden oder doch eine verzweifelte Wählerin? Die Zeit tickt. Das große Zittern geht weiter. Bis nach langem Ringen endlich die Entscheidung steht. Doch dann tritt Donald Trump vor die Presse und verkündet seinen angeblichen Sieg. Redaktion Fabian Döring Produktionsleiter/in Michael Schinschke Regie Inga Mathwig Autor/in Inga Mathwig Regie David Hohndorf Autor/in David Hohndorf https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Die-Zeit-Eine-Wochenzeitung-wird-75,sendung1127762.html
22 FEUILLETON E DIE WELT MITTWOCH, 24. FEBRUAR 2021 inmal, da nimmt Jonathan Berlin tatsächlich einen Baseballschläger in die Hand. Und dann drischt er auf ein Klavier ein, als wäre es vom Teufel besessen. Die Tasten fliegen, Holz splittert. Das kann er auch. Also im Film. VON ELMAR KREKELER „Wir Da – „Martha und Tommy“ heißt der Film – ist er Tommy. Der Alleinerzie- hende seines kleinen Bruders. Einer, der alles zerstört, was ihn an den Vater erinnert. Den Vater, der ihm seine Mut- brauchen ter totgeschlagen hat. Der ist ein Welt- klassepianist und wollte Tommy zum Weltklassepianisten machen. Das Kla- vier schlägt Tommy zu Klump. Sich mehr UTOPIEN“ selbst, seine feinen Hände lässt er zu Klump schlagen. Im Käfig, bei Mixed Martial Arts. Tommy ist eine der Rollen, die mit Männerbildern spielen, Männerbilder unterlaufen, Männerbilder ins Zerflie- ßen bringen, wie sie Jonathan Berlin ei- gentlich immer spielt. Das mit dem Kämpfen glaubt man erst mal gar nicht, wenn man ihm gegenübersitzt. Selbst wenn er (wie er es für „Martha und Tommy“ getan hat) seinen Körper über fünf Monate transformiert hat. Durch Klavierübungen (die erste halbe Minute von Chopins „Fantaisie Im- promptu“ brachte er fast zur Konzert- reife). Durch Kampftraining und da- durch, dass er mehr gegessen hat als je- mals zuvor. MDR/ UFA FICTION/ DANAS MACIJAUSKA Der 26-Jährige, aufgewachsen in ei- nem sehr liberalen schwäbischen Pfar- rershaushalt, hat trotzdem immer auch etwas Puckhaftes an sich, etwas Zer- brechliches, Luftgeisterhaftes. Berlin, der tatsächlich so heißt wie die Stadt, in der er seit vier Jahren lebt, hat eine Gabe, aus dem Nichts aufzutauchen und dann nicht einfach nur da, sondern präsent zu sein. Das ist in Filmen so. Flirrende Männlichkeit auf Hiddensee: Jonathan Berlin ist Ed, die Hauptfigur in Thomas Stubers Lutz-Seiler-Verfilmung „Kruso“ Abseits des Sets ist es auch so. Jonathan Berlin Und dann sitzt er halt da. Und spricht – die Stimme ist leise, hat im- spektiven, mit der in den Geschichten Homosexuellen spielt, gesagt, was Go- Leuten, die sechs Jahre älter sind als er, Weil, sagt er, wir – im Film wie im ist einer der mer noch einen Rest von jugendlicher auf die Gesellschaft geschaut wird.“ dehard Giese, neben Karin Hanczewski und spricht bei der Berliner Ernst- Leben – viel zu sehr von Dystopien um- Brüchigkeit, mit der er wunderbar Berlin wirbt dafür, gerade auch in der Inititator von #actout, erzählt: Busch-Schule vor. Die sagen, er sei zu stellt sind. Weil die Utopie zu kurz fabelhaftesten spielen kann. Und staunt immer wie- den öffentlich-rechtlichen Sendern, „Dann mach halt was mit Gestik und jung. kommt. Die Utopie zum Beispiel einer jungen Schauspieler der, immer noch über das Glück, das er darüber nachzudenken, wie erzählt Mimik.“ Auf diese Weise sind, sagt Jo- Versucht er’s ein Jahr später halt bei autofreien Großstadt. Das war ein The- hatte; dass er sein kann, der er ist, und wird. Welche Bilder und Erzählungen nathan Berlin, Bilder und Stereotypen der Münchner Falckenbergschule noch ma seiner Einmischung vor #actout. Deutschlands. spielen kann, was ihn fasziniert, was er produziert, transportiert werden, nicht entstanden. Die Bilder und Stereoty- einmal, wird genommen. „Die Freibad- Berlin hat vor anderthalb Jahren eine für wichtig hält, vielleicht in Erinne- nur von queeren Menschen, sondern pen aufzulösen, braucht es aber Zeit. clique“ kommt parallel zum Diplom. Petition zur Erklärung des Klimanot- Er spielt gern mit rung bleibt, Menschen bewegt, Per- auch von Menschen mit Migrationsge- Er selbst, sagt Jonathan Berlin, habe Wieder so ein Glück. Berlin bekommt stands in Deutschland in den Bundes- spektiven verändert. schichte, welche Männer- und Frauen- relativ schnell entschieden, seine Ho- dafür den New Faces Award. Es bleibt tag eingebracht. Ein ziemlich erfolgrei- Männerbildern und Ein Glück, das natürlich Arbeit ist – bilder perpetuiert werden. mosexualität in der Arbeit nicht zu ver- nicht die letzte Auszeichnung, die letz- ches Unternehmen. Auch weil sich er- „Fleiß, Disziplin, Ehrlichkeit“ sind Wenn man das nicht tun, ist Berlin heimlichen. In manchen Situationen te Nominierung. staunlich viele seiner Kolleginnen und setzt sich bei der Leitbegriffe – und auch Verpflichtung. überzeugt, wenn man sich keine Ge- seien allerdings schon Kommentare ge- Er spielt Figuren im Übergang. Er ist Kollegen beteiligten. Aktion #actout für Die Verpflichtung, seine Figuren – zum danken auch über die Vielfalt der Äs- äußert worden, stigmatisierende Sätze Eileen, die Transfrau in „Feiert Eileen“. Und dann träumt er von einer Beispiel Onkel, den Jugendlichen, der thetik macht, wird man „die jungen Zu- gefallen, die ihm „Angst gemacht ha- Er ist Ed in Thomas Stubers Lutz-Sei- „Plattform, auf der einmal in der Wo- mehr Sichtbarkeit für in Friedemann Fromms Oliver-Storz- schauenden an die Streamer verlie- ben“. Abgesehen davon, dass es – auch ler-Verfilmung „Kruso“, auch so eine che führende Politikerinnen und Politi- Verfilmung „Die Freibadclique“ spielt ren“. Die Sensibilität dafür scheint da fünfzig Jahre nach Rosa von Praun- fluide, seltsam flirrende Rolle. Er ist ker mit Bürgerinnen und Bürgern aus queere Geschichten und der sich den Nazis widersetzt, so zu sein, zieht er eine erste Bilanz. Es heims Film „Nicht der Homosexuelle Tommy, der Selbstzerstörer, der einen verschiedenen Schichten und Berei- gut er kann – nicht zu verraten. gibt Gesprächsangebote von den meis- ist pervers, sondern die Situation, in Weg zu sich, zu seinem Mannsein, ins chen ins Gespräch kommen würden. ein. Eine Begegnung Auch die Verpflichtung, sich einzu- ten produktionsrelevanten Gruppen. der er lebt“ – noch immer nicht einfach Freie sucht. Und seine Bestimmung. Um den Dialog aufrecht zu erhalten, mischen. Die Reichweite, die er als Aus den Redaktionen, den Produktio- ist, als homosexueller Schauspieler ei- Für Jonathan Berlin, der in Günzburg, das Gefühl des Nichtgehörtwerdens Schauspieler hat, zu nutzen, Dinge in nen, von den Castern und Casterinnen. nen Partner mit auf den roten Teppich wo er aufwuchs, alles, was mit Filmen loszuwerden, das gerade viele junge Bewegung zu bringen. Und Menschen. „Wir leben“, das macht ihm Hoff- mitzubringen. zusammenhing aufsog, sich selbst bei- Leute umtreibt. Und vielleicht, auch Sich an jener Bewegung zu beteiligen, nung, „in einer Zeit, in der sich Dinge Dass er das, was er jetzt tun darf, tun brachte, ist das nicht nur Schauspiele- wenn es womöglich etwas naiv ist, eine die vor ein paar Wochen wie mit dem eines Kreislaufes sein wolle, „der das schneller transformieren.“ Allerdings will, weiß Jonathan Berlin schon früh. rei. Er will weiter. In die Regie. Mit sei- gemeinsame Vision zu entwickeln, ge- Baseballschläger in die öffentliche De- Gegenteil von Wahrhaftigkeit bedeutet auch in einer Zeit, in der es zu viele Mit sieben schnitzt er seine erste Ma- nem ersten Kurzfilm, einer queeren gen die Klimakrise zum Beispiel. „Die batte einschlug, war für ihn, hat er ge- und von Verstecken, strukturellen Stig- Meinungen und zu wenige Fragen gibt. rionettenpuppe. Seine Mutter näht die Liebesgeschichte von 1790, ist er gera- kann ja eine Chance, muss nicht immer sagt, auch deswegen fast ein Akt von mata und Vorurteilen geprägt ist“. Was sich natürlich auch im Verlauf der Kleider. Seine Geschwister, seine Cou- de im Schneideraum. nur ein Problemproblem sein.“ „Selbstliebe“. 185 homosexuelle, bise- Vom Versuch der Umerziehung des #actout-Debatte gezeigt hat. Unter an- sinen werden als Zuschauer verpflich- Und immer weiter Fragen stellen will Sagt’s und ist wieder weg. Muss wei- xuelle, transgender, non-binäre Schau- Massengeschmacks war anschließend derem bei der Frage, ob nicht zumin- tet. Mit acht steht Schauspielerei als er auch. Fragen über sich und die Art, ter drehen. Seine Agenda ist voll. Geprü- spielende outeten sich unter dem in den wenigen nicht positiven Kom- dest übergangsweise vor allem Men- Berufswunsch fest. Er spielt am Jungen wie im Film Wirklichkeit gespiegelt gelt hat er sich übrigens, sagt er, in sei- Hashtag #actout im Magazin der „Süd- mentaren auf die Bewegung die Rede. schen mit zumindest queeren Erfah- Ensemble vom Ulmer Theater. Das ist wird. Weil Kunst sich immer fragen nem Leben nie. Er verfüge über elegan- deutschen Zeitung“. Man konnte die Angst umgehen sehen rungen queere Rollen übernehmen fabelhaft. Er ist Puck. muss, ob sie die Dinge, die sie erzählt, tere Waffen. Haltung und Mut, Werte Dass er Teil einer offenen, diversen davor, dass nun jedes „Tatort“-Team sollten. Am Ende, so Berlin, sollten Einmal, als er aus dem Publikum auf richtig erzählt. Weil er an die Kraft der und Wahrhaftigkeit. Und Beredsamkeit. Gesellschaft sei, „aber dazu gehört zwangsweise gemäß dem Bevölke- schon alle alles spielen. Aber die Frage die Bühne rennt mit den anderen, fühlt Empathie glaubt, die, sagt er, so sehr Man wird noch einiges von ihm hören. eben auch, dass Minderheiten sichtbar rungsproporz besetzt werden soll. „Es habe zu lange keine Rolle gespielt. es sich an wie fliegen. „Spielen war fehlt in der Gesellschaft und und in der sind“, sagte Berlin da im Interview. geht“, wird Jonathan Berlin nicht müde Zu lange hätten manche Regisseure, meine Rauscherfahrung“, sagt er. Er ist Politik. Und die herzustellen eine der T „Martha und Tommy“: ARD, 24. Fe- Und auf Instagram, dass er nicht Teil zu betonen, „um die Vielfalt der Per- wenn es darum ging, wie man einen kaum sechzehn, da sitzt er unter lauter großen Fähigkeiten des Films ist. bruar, 20.15 Uhr. Und in der Mediathek. „Es war ein unglaublich schönes Gefühl der Nähe“ E Wie der Cellist Gautier Capuçon beschloss, den Lockdown des französischen Konzertbetriebs hinter sich zu lassen und mit seinem Instrument quer durchs Land reiste r ist einer der Fleißigsten. Und Außerdem gibt er im Auftrag der Louis- Bach-Cellosuiten und streamte ihn per Doch als er merkte, dass der Sommer wütend wie beherzt konterte: dann also hafen, am Ende sogar auf dem Mont- einer der Besten. Der französi- Vuitton-Stiftung Meisterkurse für exzel- Handy auf seinen Twitter-Account, ähn- mit seinen Einschränkungen auch keine nur gegen Aufwandsentschädigung. Saint-Michel, den er noch nie besucht sche Cellist Gautier Capuçon– lente Nachwuchscellisten. lich, wie es in Berlin der Pianist Igor Le- normale Konzertzeit sein würde, da hatte Denn auch seine Sehnsucht nach zwi- hatte. Savoyarde, noch nicht 40, verheiratet So war es – bis Covid-19 kam. Auch vit tat. Das machte er dann fast täglich, er eine radikale Idee: „Ich tat etwas, was schenmenschlichem Konzertkontakt „Hinterher sah ich bei vielen Men- mit einer ebenfalls Cello spielenden Ju- Gautier Capuçon wurde ausgebremst. Er heilend ritualhaft, für ihn wie für seine ich schon lange machen wollte, ich fasste war gewachsen. schen Tränen und Begeisterung, weil das gendfreundin – spielt exzellent, ist neu- war in San Francisco, hatte gerade beim Follower, oft als Duo, gern allein. „Es den Plan, Frankreich mit dem Cello zu Es wurde ein fünfwöchiges Sommer- ihr erstes Livekonzert war.“ Und immer gierig, belastbar, offen, kommunikativ, San Francisco Symphony Orchestra die war wie eine Meditation, so habe ich bereisen, die Musik kostenlos zu den märchen zu 21 Orten, darunter das fran- spielte Gautier Capuçon in der ersten zugewandt. Und reisefreudig. Seit mehr Generalprobe für eines der letzten Kon- auch erstmals alle sechs Bach’schen So- Menschen zu bringen, die ganz offen- zösische Geigenbauermekka Mirecourt in Hälfte Bach und in der zweiten kleine, po- als 20 Jahren schon. zerte des nach 25 Jahren dort scheiden- losonaten als Zyklus gespielt.“ sichtlich danach dürsteten. So einfach den Vogesen. Die dabei entstandene puläre, schmeichelnde Zugaben, wie er es den Chefdirigenten Michael Tilson Tho- wie möglich.“ Fernsehdokumentation ist voller pitto- auch auf seiner jüngsten CD getan hat – VON MANUEL BRUG mas absolviert. Dem sollte sich eine ge- Und wieder half die virtuelle Commu- resker Momente aus einem sommerli- „die war unfreiwillig ein ideales Pro- meinsame, finale europäische Orchester- nity. Gautier Capuçon machte den Plan chen Bilderbuchfrankreich. Die Anstren- gramm“. In normalen Zeiten jettet Capuçon mit tournee anschließen. „Nach der Probe öffentlich. 600 Anfragen kamen, vom gungen der Ochsentour, die das Projekt Jetzt, im zweiten Lockdown, streamt seinem Cello von Matteo Goffriller aus rief uns das Management zusammen und 250-Seelen-Dorf bis zur Großstadt. Zu- eben auch war, sieht man nicht. Gautier Capuçon nicht mehr. „Diese Zeit dem Jahr 1701 auf dem teuren Flugsitz ne- teilte uns mit, dass alles gecancelt ist“, er- nächst wollte Capuçon zwar die Konzerte „Der Stress war doch größer als er- kann man nicht einfach wiederholen.“ ben sich durch die Orchesterwelt. Als ge- zählt Capuçon. „Wir saßen stumm und eintrittsfrei anbieten, den Kommunen wartet. Ich fuhr ja selbst den Bus, und Aber er wird im Sommer wieder, diesmal fragter Solist, als ebenso gefragter Kam- traurig in Michaels Raum, als der plötz- aber durchaus ein Honorar inklusive der meine Töchter Fée und Sissi waren nur drei Wochen, neben einer hoffentlich PICTURE ALLIANCE/ DPA/ ANTHONY ANEX mermusikpartner. Lange mit seinem in lich wortlos zum Flügel trat und zu spie- Aufwendungen in Rechnung stellen. Auch ein so ruheloses Reisen doch nicht normalen Konzerttätigkeit, ohne Familie Frankreich noch berühmteren, geigenden len anfing. Das war so intensiv, dass uns der Bäcker hat ja während der Pandemie gewohnt. Es gabt nur ganz wenige Fe- und mit Fahrer, weiter durch die französi- Bruder Renaud, mit dem er mehr als zehn allen die Tränen kamen.“ seine Brötchen gegen Geld verkauft. rientage etwa am Meer zur Entspan- schen Dörfer touren. Jahre lang ein stets familiär gebliebenes Gautier Capuçon flog heim nach Paris, So schickte er eine marktübliche, nung.“ Und trotzdem: Er möchte kei- Auch mit jungen Cellisten, die sich ge- Festival in ihrer Heimatstadt Chambéry während das Handy ständig neue Absa- nach Einwohnern gestaffelte Preisliste: nen Tag der Tour missen. „Es war ein rade bewerben. „Denn es gibt schließlich bestritten hat. Regelmäßig auch mit den gen meldete. Plötzlich saß er auf dem 2800 Euro für Orte unter 3000 Men- unglaublich schönes Gefühl der Nä- noch 571 Orte, die mich haben wollen. Klavierbegleitern und -freunden Martha Trockenen. Vor allem mental. „Ein völlig schen bis 9800 Euro für Städte mit mehr he, der Intensität, der völligen Offen- Und ich bin schon wieder süchtig nach Argerich, Jean-Yves Thibaudet, Yuja ungewohntes Gefühl, kein Zeitplan, nur als 60.000 Bewohnern. Das kam aber heit.“ Es wurde viel improvisiert, auf diesem Zustand der Freude, Inspiration Wang, Daniil Trifonov oder seinem lang- Stille.“ Da setzte er sich zu Hause hin gar nicht gut an. Ein Shitstorm à la fran- Dorfplätzen, vor Kirchen, in Schlös- und Freundschaft. Das ist wirklich ein Zu- jährigen Pianopartner Jérome Ducros. und spielte einen Satz aus einer der „Es war radikal“: Gautier Capuçon çaise hob an. Den Gautier Capuçon so sern, auf einer Reitbahn, am Atlantik- rück zu den Wurzeln des Musizierens.“ © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung
24.2.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/11 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 24.02.2021 Sehnsuchtsort Lesesaal Die Sanierung der Staatsbibliothek Unter den Linden ist vollendet – noch aber bleiben die Pforten geschlossen Wer diese Bibliothek betritt, wird sehnsüchtig. Schon am weitläufigen Eingangsportal, hinter dem eine breite Treppe zur Rezeption führt, beginnt eine andere Welt. Alles hier ist hell. Die hohen Gänge sind lichtdurchflutet, Böden und Wände weitgehend weiß gehalten, der Blick in den Innenhof führt durch dreizehn Etagen. Es ist eine sanfte Einstimmung auf das vertraute und zugleich neue Gefühl, das einen in den Lesesälen erwartet. Jeder Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden ist mit einem orangefarbenen Teppich ausgelegt, der mit den orangegefärbten Kautschukarbeitsflächen auf den dunkelbrau- nen Tischen sowie den orange Stuhlsesseln korrespondiert, die nicht nur elegant aussehen, sondern ausgesprochen bequem sind. Der Farbton hat eine zutiefst beruhigende, fast schon therapeutische Wirkung. Er fügt sich erstaunlich harmonisch ins braune Furnier der Tische und Regale; dem farblichen Zusammenspiel haftet nichts Altbackenes an, es verspricht im Gegenteil den Aufbruch in etwas Neues. Die Lichtkissen an den Decken, die mit abgerundeten Ecken schlicht geformt in verschiedenen Größen das Haus durchziehen, spenden helles, aber nicht zu kaltes Licht. Jeder Einzelplatz verfügt zudem über eine schwenkbare Arbeitsleuchte. Hinter dieser überzeugenden Anordnung steckt das Architekturbüro HG Merz, das vor mehr als zwanzig Jahren den Architekturwettbewerb zur Sanierung der Staatsbibliothek Unter den Linden gewonnen hat. 2005 begann die Grundinstandsetzung und Modernisierung des nördli- chen Gebäudeteils, sieben Jahre später war sie abgeschlossen. Es brauchte weitere acht Jahre, ehe auch die Sanierungsarbeiten im südlichen Gebäudeteil abgeschlossen waren. 470 Millio- nen Euro hat der Umbau gekostet – und nun kann die Bibliothek aufgrund der Corona-Verord- nung nicht öffnen. Zwar darf man seit dieser Woche in Berlin wieder Bücher ausleihen, die Lesesäle aber sind weiterhin verschlossen. Insgesamt verfügt die Staatsbibliothek zu Berlin über mehr als 33 Millionen Einheiten, darun- ter zwölf Millionen Bücher. Der Standort Unter den Linden ist bekannt für seine umfangrei- chen historischen Sammlungen, zu denen etwa der Kurfürstenatlas und Musik-Handschriften gehören; eine Ausleihe dieser Preziosen ist naturgemäß nicht möglich. Aber auch die schönen Säle, in denen sie eingesehen werden können, bleiben vorerst ungenutzt: der Kartenlesesaal mit rund sechshundert Globen; der Handschriftenlesesaal mit restaurierten Tischen aus dem alten Bestand; die Überbleibsel des Kuppellesesaals, an dessen Wand eine restaurierte Uhr hängt. Leer bleibt auch der große, zentrale Lesesaal, der an der Decke mit Kunst am Bau von Olaf Metzel geschmückt ist – einer Skulptur, die zerknülltes Zeitungspapier darstellt und aus 1,8 Tonnen schweren, beidseitig bedruckten Aluminiumplatten besteht. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/11 1/2
24.2.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/11 Eine besondere Innovation sind die Gruppenarbeitsräume am Informationszentrum, wo sich früher der systematische Katalog befand. Hinter schraffierten Glaswänden und dicken Türen können Gruppen von jeweils bis zu sechs Personen arbeiten und sprechen, ohne andere zu stören. Die sonst geltende strikte Ruheordnung ist auch im benachbarten Lesesaal aufgehoben; hier ist es ausdrücklich erlaubt, zu reden. Man wolle mit diesen Neuerungen dem Bedarf der jüngeren Nutzergeneration entsprechen, erläutert Martin Hollender, Referent in der Staatsbi- bliothek. Er zeigt sich allerdings skeptisch, ob alle Besucher zurückkommen, die sich nun schon so lange an digitale Formate gewöhnt hätten. Die Entwicklung der Nutzerzahlen vor der Pandemie nährt diese Sorge allerdings nicht. Nach Auskunft einer Sprecherin zählte die Staatsbibliothek an den geöffneten Standorten vor der Pandemie knapp dreitausend Besucher pro Tag. Das Bedürfnis nach Begegnung und Austausch in anregend-konzentrierter Atmosphäre ist mit der fortschreitenden Digitalisierung offenbar nicht geringer geworden. Vielleicht war die Sehnsucht, zum vertieften Lesen und zum gemein- samen Nachdenken einen öffentlichen Raum aufzusuchen, sogar noch nie so groß wie jetzt. HANNAH BETHKE https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/11 2/2
23.2.2021 Berliner Morgenpost TITEL SEITE 1 | MITTWOCH 24. FEBRUAR 2021 Corona: Gelockert wird vorerst nicht Berliner Senat schlägt zwar einen Stufenplan vor, aber die dort formulierten Bedingungen sind noch in weiter Ferne Joachim Fahrun Berlin Nach mehr als zwei Monaten Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie will der Berliner Senat zumindest mittelfristige Öffnungs- perspektiven etwa für Handel, Gastronomie, Kultur oder Sport aufzeigen. Im Moment sieht er indes noch nicht die Zeit für rasche Lockerungen gekommen. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) warnten vor zu hohen Erwartungen. „Es ist nicht so, wie es vergangene Woche klang, dass die Infektionszahlen immer weiter runtergehen“, sagte Lederer nach der Senatssitzung. Er wun- dere sich über andere Bundesländer, die Lockerungen konkret ankündigten: „Wir werden das nicht tun“, so der Senator. Pop sagte, die Senatsmitglieder unterstützten im Grundsatz den Stufenplan, der weitere Öffnungsschritte erst bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 vorsieht. „Leider ist ein linearer Weg zur 35 nicht erkennbar“, sagte Pop. Der Senat behält sich in seinem Stufenplan sogar explizit vor, Öffnungen wieder zurückzunehmen und etwa die Schulen erneut komplett zu schließen. Sollte die Inzidenz wieder über die Marke von 100 steigen, würden die „vorsichtigen Öffnungsschritte zur Disposition gestellt“, heißt es. Insgesamt sei eine Verlängerung des Lockdowns über den 7. März hinaus nötig. Alle Öffnungsszenarien sollen sich nicht mehr allein an Inzidenzwerten orientieren, sondern auch andere Faktoren einbeziehen: den R-Wert, also die Ansteckungsrate eines jeden Infizierten, die Intensivbettenkapazitäten, die Veränderungsrate der Inzidenz und die Quote der geimpften Menschen. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/852/articles/1305411/1/9 1/3
23.2.2021 Berliner Morgenpost Die Vorlage umfasst mehrere Stufen für mögliche Lockerungsschritte, die sich über Wochen oder Monate erstrecken. In der ersten Stufe könnten Opern und Theater draußen spielen oder versuchsweise Publikum vor Aufführungen auf Corona testen. Fitnessstudios könnten mit Abstandsregeln wieder aufmachen, Einzelhändler pro zehn Quadratmeter Ladenfläche einen Kunden zulassen, Geschäfte über 800 Quadratmeter einen Kunden auf der doppelten Fläche. Solarien könnten öffnen, Außengastronomie könnte für fünf Perso- nen aus maximal zwei Haushalten starten. Imbisse dürften wieder Verzehr im Geschäft zulassen. Kontakte blieben grundsätzlich auf fünf Personen aus zwei Haushalten beschränkt. Die nächste Stufe kommt, wenn trotz Lockerun- gen die Inzidenzen für 14 Tage stabil waren oder sinken. Dann dürften in Re- staurants sechs Menschen aus drei Haushalten zusammensitzen. Kneipen dürften wieder öffnen und auch innen vier Personen aus zwei Haushalten bewirten. Touristen-Übernachtungen wären möglich. Im Freien sollen Tref- fen von zehn Personen aus drei Haushalten gestattet sein. Heftige Kritik an Vorhaben kommt aus der Wirtschaft Die letzte Stufe wird erreicht, wenn die Inzidenzwerte weitere 14 Tage sta- gnieren oder sinken und die anderen Faktoren es zulassen. Clubs könnten mit Hygienekonzepten und Teilnehmerbegrenzung öffnen. In den Kneipen wären auch je sechs Personen aus drei Haushalten erlaubt. Events wären draußen für bis zu 750, drinnen für maximal 250 Personen möglich. Generell dürften sich wieder zehn Menschen treffen. Fundamentale Kritik äußerte die Präsidentin der Industrie- und Handelskam- mer (IHK), Beatrice Kramm. „Ein an Inzidenzwerte gekoppelter Öffnungs- plan ist noch keine Strategie, sondern lediglich eine Variation des immer glei- chen Weiter-so-Lockdowns“, sagte Kramm. Es fehlten Pläne, wie man mit Schnelltests die Rückkehr zur Normalität unterstützen könne. Es mache einen Unterschied, ob Corona-Fälle geballt in einem Altenheim auftauchten oder verstreut an mehreren Orten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/852/articles/1305411/1/9 2/3
23.2.2021 Berliner Morgenpost Um Selbstständigen und Kleinstunternehmen über die Krise zu helfen, hat der Senat ein 150-Millionen-Euro-Programm beschlossen. Berlin stockt die Hilfen des Bundes auf. So sollen Soloselbstständige mit niedrigen Vorjahres- umsätzen mehr Geld erhalten. Kleinstunternehmer bekämen nicht nur vom Bund ihre Fixkosten erstattet, sondern vom Land einen Unternehmerlohn von 6000 Euro für sechs Monate. Laut Senatorin Pop werde das aber wohl bis Mai dauern, ehe Anträge bei der Investitionsbank gestellt werden können. Für verschuldete größere Betriebe, die auf Zahlungen des Bundes warten, möchte der Senat weitere Kredite der Hausbanken zu 90 Prozent verbürgen und ihnen so Liquidität sichern. Seiten 2, 3, 4, 7 und 19 Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/852/articles/1305411/1/9 3/3
24.2.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/9 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 24.02.2021 Museen und Mächte Der neue Leitfaden zu kolonialem Kulturgut Im Juni 1535 landete ein von Karl V. geführtes Expeditionsheer in der Bucht von Tunis und eroberte nach wochenlanger Belagerung die Stadt. Bei der Erstürmung wurden Tausende von Zivilisten massakriert. Anschließend übergab der Habsburgerkaiser das Territorium an Muley Hasan aus der lokalen Berber-Dynastie der Hafsiden, der fortan als Vasall der spanischen Krone in Tunesien regierte. Sieben Jahre später wurde Muley Hasan von einem seiner Söhne gestürzt, aber Tunis blieb ein Verbündeter Spaniens, bis es 1574 von einem osmanischen Heer besetzt und endgültig dem Reich des Sultans von Konstantinopel einverleibt wurde. Im neuen „Leitfaden Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ des Deutschen Museumsbunds rangiert die vierzigjährige Vasallität von Tunis, die durch eine spanische Garnison in der Schlüssel- festung La Goleta unterstützt wurde, unter „formale Kolonialherrschaften“. Auch die anschließende, dreieinhalb Jahrhunderte dauernde Oberherrschaft der Osmanen fällt darunter, ebenso wie sämtli- che britischen Kolonien in Nordamerika vor 1776 und die italienische Insel Elba, die von 1557 bis 1709 von Spanien besetzt war. Das Herzogtum Mailand, das über viele Generationen einem spani- schen Gouverneur unterstand, und das heutige Finnland, das jahrhundertelang zu Schweden gehör- te, zählen jedoch nicht dazu – oder besser, nur jene finnischen Gebiete, die 1808 an Russland abge- treten und 1917 unabhängig wurden. Dafür ist, wie der Museumsbund weiß, der amerikanische Bundesstaat Hawaii eine „formale Kolonialherrschaft“, genauso wie die Insel Arguin vor der Küste Mauretaniens, auf der von 1685 bis 1721 ein brandenburgisch-preußischer Handelsstützpunkt lag. Leitfäden sind Orientierungshilfen für unübersichtliche Problemlagen. Der Leitfaden des Museums- bundes will, wie es in der Einleitung heißt, der „Sensibilisierung und Information der Institutionen“ dienen und „Hilfsmittel für die Praxis“ im Umgang mit kolonialen Kulturgütern bereitstellen. Dafür wäre es allerdings unerlässlich, festzustellen, wann und wo und in welchem Umfang genau seit dem Spätmittelalter auf dem Globus koloniale Machtverhältnisse bestanden und wie sie sich auswirkten. Dabei ist nicht die Komplexität des Einzelfalls das Problem, sondern die Trennschärfe der Kriterien: War die Regierung, wie in Mailand oder auf Elba, eine Fremdherrschaft? Oder wurde sie, wie in Tunis, von Einheimischen mit ausländischer Unterstützung ausgeübt? Durfte die Bevölkerung gar, wie auf Hawaii, ihre politischen Repräsentanten selbst wählen? An dieser Aufgabe, trennscharfe Begriffe zur Entscheidungshilfe in Streitfällen auszuarbeiten, ist der Museumsbund auch in der dritten Auflage seines Ratgebers gescheitert. Zwar lässt er den Hambur- ger Historiker Jürgen Zimmerer den Unterschied zwischen Stützpunkt-, Siedlungs- und Beherr- schungskolonien an Beispielen – Hongkong, Nordamerika, Britisch-Indien – erläutern, aber eine praktische Konsequenz, etwa für die Einstufung von Sammlungsobjekten als mehr oder eben weni- ger toxisch, zieht die von Wiebke Ahrndt, der Direktorin des Bremer Überseemuseums, geleitete Arbeitsgruppe nicht daraus. Stattdessen heißt es salomonisch, man finde es „problematisch“, sämtliche Herkunftsgesellschaften „pauschal zu Opfern zu erklären“. Genau – einige waren auch gleichberechtigte Handelspartner oder sogar, wie das äthiopische Kaiserreich, militärisch überlegene Gegner der Kolonialmächte. Aber was https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/9 1/2
24.2.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/9 heißt das, wenn es hart auf hart kommt und ein ausländischer Staat die Herausgabe von deutschem Museumseigentum verlangt? Darum gehe es gar nicht, sagte Wiebke Ahrndt bei der Vorstellung des Leitfadens am Dienstag: Rückgabeforderungen seien „überhaupt nicht an der Tagesordnung“, gefragt seien Kontakte, Koope- rationen, Kommunikation auf Augenhöhe. Das mag sein, aber sollte ein Museums-Handout in Zeiten des Postkolonialismus nicht auch den Ernstfall berücksichtigen? Eine abschließende Festle- gung von Erwerbungsumständen, die als unrechtmäßig zu betrachten seien und deshalb zur Rückga- be von Objekten führen könnten, hielten die Autorinnen „wegen der Vielzahl der verschiedenen Fall- gestaltungen“ derzeit nicht für sinnvoll, orakelt der Leitfaden. Anders gesagt: Jedes deutsche Museum bleibt, was die historische Beurteilung der eigenen Sammlung, den Umgang mit Herkunfts- gesellschaften, postkolonialen Aktivisten und Restitutionsforderungen und die Einwerbung von Mitteln zur Provenienzforschung angeht, weiter auf sich allein gestellt. Wenn auch mit einer Broschüre mehr im Regal.Andreas Kilb https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466487/9 2/2
23.2.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/18-19 Mittwoch, 24.02.2021, Tagesspiegel / Kultur Neue Ethik im globalen Austausch Museumsleit- faden für koloniales Erbe Von Nicola Kuhn Vier Jahre hat die Erstellung gedauert, nun ist der Leitfaden des Deutschen Museums- bunds zum „Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ in seiner dritten Auflage endlich vollendet. Einen e-Reader gibt es dazu, außerdem Übersetzungen ins Englische und Franzsösische. Ein einzigartiges Angebot in Europa, wie der Geschäfts- führer des Museumsbundes David Vuillaume betont. Der Leitfaden richtet sich vor al- lem an Museen, um ihnen praktische Hilfe zu geben. Nicht nur die Ethnologischen Sammlungen, Ausstellungshäuser jeder Richtung bis hin zu den Heimatmuseen haben hier Aufarbeitungsbedarf. Das Bundeskulturministerium gab 300 000 Euro für die Veröffentlichung, ein klares Bekenntnis zur kolonialen Vergangenheit, laut Günter Winands, Amtschef bei Monika Grütters. Es könnte ein Zeichen des Aufbruchs sein, so war Veränderungswille gestern bei der digitalen Präsentation des Leitfadens zu spüren. Aber auch die Sorge, dass die finanzi- ellen Ressourcen der Museen nicht reichen für eine Untersuchung, genauer: Onlinisie- rung der Sammlungsbestände und den Dialog mit den Interessensvertreter:nnen aus den Herkunftsgesellschaften. Dazu gehören ebenso Reisemöglichkeiten für Kolleg:nnen etwa aus Afrika, Visa und Stipendien. „Ein neue Ethik für den globalen Kulturaustausch“ forderte deshalb Eckart Köhne, Präsident des Museumsbunds. Nur so bekomme der Prozess Glaubwürdigkeit. Zugleich ließ er durchblicken, dass diese neue Ethik ihre Kosten hat. Expert:nnen aus Tansania, Namibia, Taiwan, Alaska, Bolivien, der Türkei, Samoa, Neu- seeland wurden beteiligt an der Erstellung des Leitfadens, der sich von seinen beiden Vorgängern darin unterscheidet, dass er auch rechtliche Fragen zu beantworten sucht und Handlungsoptionen anbietet. Neu sei das Bekenntns, betonte Wiebke Ahrendt, Di- rektorin des Bremer Überseemuseums, dass Objekte mit herausragender kultischer Bedeutung oder Grabbeigaben schneller zurückgegeben werden können, wie dies bei der Rückführung menschlicher Überreste bereits der Fall sei. Zugleich warnte die Leiterin der Arbeitsgruppe für den Museumsleitfaden vor einer Verzerrung der Diskussion. In den Herkunftsgesellschaft seien Rückgaben gar nicht unbedingt gewollt. Vielmehr werde von dort mehr Zusammenarbeit gewünscht, mehr https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/18-19 1/2
23.2.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/18-19 Einblick in die Sammlungsbestände deutscher Museen und mehr gemeinsame Ausstellungen. So wolle Samoa bei einer Präsentation von Exponaten aus dem Bremer Überseemuseum den Akzent auf die dramatische Klimaveränderung richten und an- schließend die Objekt wieder zurückschicken, weil es die Möglichkeit einer adäquaten Aufbewahrung im Lande nicht gebe. Andere Vertreter:nnen etwa aus Alaska lehnten die Verschickung schamanistischer Ex- ponate ohnehin ab, weil sie Schaden anrichten könnten, wenn sie von den falschen Per- sonen gesehen würden, nannte Ahrndt als anderes Beispiel. Dass eine systematische Onlinisierung der Bestände in den Herkunftsgesellschaften massive Restituionsforde- rungen auslösen könnten, fürchtet sie sowieso nicht. In den Niederlanden, die hier in den 1990er Jahren sehr viel fortschrittlicher waren, blieb eine entsprechende Reaktion aus. Die Zeiten könnten sich allerdings geändert haben. Nicola Kuhn https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/474877/18-19 2/2
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