Wirtschaftsbericht USA - Juni 2020 - Switzerland Global Enterprise
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Wirtschaftsbericht USA Juni 2020
Executive Summary Die Covid19-Pandemie hat einen signifikanten Einfluss auf die amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft ausgeübt. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist dramatisch gesunken, die Arbeitslosig- keit in die Höhe geschnellt und der Staat hat die bisher grössten Hilfspakete in der amerikani- schen Geschichte geschnürt. Da die USA der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz ist und grösster Empfänger von Schweizer Direktinvestitionen, wird diese Krise zwangsläufig Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaftsinteressen zeitigen. Die US-Wirtschaft verzeichnete 2019 ein solides Wachstum von 2,3%1. Die grössten US- Indizes sind 2019 stark angestiegen. Dieser Trend wurde 2020 weitergeführt, bis sich Ende Februar die ersten Auswirkungen der Coronakrise abzeichneten. Der Dow Jones beispiels- weise fiel zwischen dem 20. Februar und dem 23. März um ca. 36% und wurde somit innerhalb von einem Monat auf das Niveau von 2016 zurückkatapultiert. Im Zuge der massiven Hilfspa- kete von Regierung und Fed sowie angesichts der raschen Öffnungsschritte in den meisten Bundesstaaten wurde der Stand von Anfang 2019 bereits Ende April 2020 wieder übertroffen. Vor dem Hintergrund der massiven Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt mit über 40 Mio. Ar- beitslosen (Stand Ende Mai) und grossen Unsicherheiten in Bezug auf eine rasche Erholung der Wirtschaft ist es allerdings fraglich, ob diese relative Erholung der Aktienkurse mittelfristig haltbar ist. Am 15.3.2020 senkte das Fed das Zielband für die Leitzinsen auf 0 – 0,25%. Die mittelfristigen Inflationserwartungen 2019 für die kommenden fünf Jahre betragen auf Konsumentenseite zwischen 1,9% und 2,3%. Während der Coronakrise fiel sie zwischenzeitlich auf 0,86% und hat sich im Mai bei 1,5% eingependelt2. Bis Ende 2019 war die grösste handelspolitische Herausforderung der USA ihre Beziehung mit der Volksrepublik China. Die Grossmächte-Konkurrenz und strategische Rivalität prägte nicht bloss den Handelskonflikt mit China, sondern die gesamte, globale US-Handelspolitik. Seit März 2020 werden diese handelspolitischen Herausforderungen aber von der Corona- und der daraus folgenden Wirtschaftskrise vorübergehend in den Hintergrund gedrängt. Es gibt allerdings klare Anzeichen dafür, dass der Konflikt USA-China einen grossen Einfluss auf die Handelspolitik und auf die Handelsbeziehungen der USA haben wird. Bzgl. bilateraler Handelsabkommen der USA lässt sich sagen, dass die Trump-Administra- tion in der Berichtsperiode mit Ausnahme des Landwirtschaftsabkommens mit Japan und – je nach Umsetzung – dem «phase one»-Deal mit China keine neuen bilateralen Abkommen von bedeutendem wirtschaftlichen Nutzen für die USA abgeschlossen hat. Gemäss der Schweizerischen Nationalbank sind die USA die mit Abstand wichtigste Destina- tion für Schweizer Direktinvestitionen im Ausland. Der Bestand der Direktinvestitionen in den USA betrug Ende 2018 rund USD 309 Mrd., was knapp 20% aller Schweizer Direktinves- titionen im Ausland entspricht. Zum Vergleich: Die vier Nachbarländer Deutschland, Frank- reich, Italien und Österreich kommen zusammen «lediglich» auf rund 10,5% aller Direktinves- titionen. Die Schweiz ist damit der siebtgrösste ausländische Direktinvestor in den USA und bleibt ein wirtschaftliches Schwergewicht. Um kritische, für die nationale Sicherheit der USA als relevant eingeschätzte Bereiche des "Technology, Infrastructure und Data"-Sektors (TID-Sektor) und gewisse Immobilien vor aus- 1 https://www.bea.gov/news/2019/initial-gross-domestic-product-4th-quarter-and-annual-2018 2 https://fred.stlouisfed.org/series/T5YIFR 2 / 25
ländischem Zugriff zu schützen, bemühte sich der US-Kongress um eine Reform des Commit- tee on Foreign Investment in the United States (CFIUS), dem ressortübergreifenden Aus- schuss der US-Regierung zur Überprüfung von Auslandinvestitionen in den USA. Das ver- schärfte Investitionskontrollregime, welches im Februar 2020 in Kraft getreten ist, trifft auch Schweizer Firmen und gestaltet den Investitionsprozess in den TID-Sektor langwieriger, teurer und mit unsichererem Ausgang. Mit USD 17,9 Mrd. Exporten in die Schweiz und USD 44,6 Mrd. Importen aus der Schweiz rangiert die Schweiz neu nicht mehr auf der Liste der 15 wichtigsten Partner im Warenhandel der USA. Das bilaterale US-Güterhandelsdefizit hat im Vergleich zum Vorjahr massiv zuge- nommen (+ 41%). Auf der Länderliste mit den grössten US-Defiziten befindet sich die Schweiz mit USD – 26,7 Mrd. auf Platz 10. Der seit 2013 anhaltende Trend zu stetig wachsenden De- fiziten im Warenhandel wurde 2019 fortgesetzt.3 Der bilaterale Dienstleistungshandel umfasste 2018 USD 60,8 Mrd., davon wurden USD 39,3 Mrd. in die Schweiz exportiert und USD 21,5 Mrd. aus der Schweiz importiert4. Im Ge- gensatz zum Güterhandel haben die USA im Dienstleistungshandel mit der Schweiz einen Handelsbilanzüberschuss. Der Dienstleistungshandel zwischen beiden Ländern hat sich über die letzten 15 Jahre rund vervierfacht. Das Volumen des Dienstleistungshandels ist seit Mitte der 2000er Jahre etwa gleich gross wie jenes des Güterhandels. Die USA kritisierten während Jahren, dass der Schutz von Urheberrechten im Internet in der Schweiz nur ungenügend durchgesetzt werden kann. Die Schweiz hat nun am 1. April 2020 eine Revision des Urhaberrechts in Kraft gesetzt. Die Schweiz erschien deshalb 2020 nicht mehr auf der Watchlist des jährlichen Special 301-Berichts über den Schutz von geistigem Eigentum. Das US-Finanzministerium hat am 13. Januar 2020 die neuste Ausgabe seines halbjährlichen Berichts zur Währungspolitik der bedeutendsten US-Handelspartner veröffentlicht. Die Schweiz figuriert erneut auf der zehn Länder umfassenden Überwachungsliste, weil sie zwei von drei Kriterien erfüllt (signifikanter Güterhandelsbilanzüberschuss und materieller Leis- tungsbilanzüberschuss). Am 17. Juli 2019 wurde das Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen CH- USA von 2009 nach fast 10-jähriger Wartefrist vom US-Senat angenommen. Neben den di- rekten Auswirkungen der Anwendung des Protokolls (bspw. Stellen von FATCA- Gruppenersuchen) ebnet diese Ratifizierung den Weg für eine Revision des Doppelbesteue- rungsabkommen CH-USA von 1996. Insbesondere die Quellensteuerbefreiung auf Dividen- den zwischen Konzerngesellschaften (sogenannter Nullsatz; heute bei 5%), das Erfüllen der im Rahmen des BEPS-Projekts gesetzten DBA-bezogenen Mindeststandards und Verbesse- rungen im Bereich Informationsaustausch sind aus Schweizer Sicht revisionsbedürftige Punkte. 3 US Census Bureau: https://www.census.gov/foreign-trade/statistics/highlights/top/top1912yr.html 4 BEA (2018), U.S. Trade in Services, by Country or Affiliation and by Type of Service 3 / 25
1 Wirtschaftliche Probleme und Herausforderungen Die Covid19-Pandemie hat einen signifikanten Einfluss auf die amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft ausgeübt. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist dramatisch gesunken, die Arbeitslosig- keit in die Höhe geschnellt und der Staat hat die bisher grössten Hilfspakete in der amerikani- schen Geschichte geschnürt. Dieser Wirtschaftsbericht berücksichtigt instruktionsgemäss den Einfluss der Pandemie bis Mitte/Ende Mai 2020. Wirtschaftliche Entwicklung Die US-Wirtschaft verzeichnete 2019 ein solides Wachstum von 2,3%5. Die grössten US- Indizes sind 2019 stark angestiegen: Der Dow Jones 30 Industrial hat über 20%, der Techno- logie-Index Nasdaq 100 sogar über 30% und der S&P 500 ebenfalls fast 30% zugelegt6. Dieser Trend wurde 2020 weitergeführt, bis sich Ende Februar die ersten Auswirkungen der Coronakrise abzeichneten. Der Dow Jones beispielsweise fiel zwischen dem 20. Februar und dem 23. März um ca. 36% und wurde somit innerhalb von einem Monat auf das Niveau von 2016 zurückkatapultiert. Im Zuge der massiven Hilfspakete von Regierung und Fed sowie an- gesichts der raschen Öffnungsschritte in den meisten Bundesstaaten wurde der Stand von Anfang 2019 bereits Ende April 2020 wieder übertroffen. Vor dem Hintergrund der massiven Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt mit über 40 Mio. Arbeitslosen (Stand Ende Mai) und gros- sen Unsicherheiten in Bezug auf eine rasche Erholung der Wirtschaft («V-shaped recovery») ist es allerdings fraglich, ob diese relative Erholung der Aktienkurse mittelfristig haltbar ist. Beschäftigung Die US-Arbeitslosenquote erreichte im April 2020 mit 14,7% einen historischen Höchststand. Noch in den sechs Monaten vor Ausbruch der Covid-19 Pandemie betrug die Arbeitslosigkeit rekordtiefe 3,6%. Die zuständigen Behörden waren mit dem Ansturm von über 36 Millionen neuer Anträge innerhalb weniger Wochen überfordert. Teilweise entstanden lange Wartezei- ten und Arbeitslosengelder konnten erst mit Verspätung ausbezahlt werden. Auch wenn die Arbeitslosenzahlen im Mai überraschend positiv ausgefallen sind – die Arbeitslosenquote re- duzierte sich auf 13,3% und es wurden netto 2,5 Mio. Stellen geschaffen – bleibt die Situation auf dem Arbeitsmarkt dramatisch. Die Situation für benachteiligte Bevölkerungsschichten – insbes. Schwarze und Asiaten – hat sich zudem auch im Mai weiter verschlechtert. Laut dem Congressional Budget Office ist davon auszugehen, dass die Arbeitslosenquote Ende 2020 immer noch im zweistelligen Bereich liegen wird. Experten gehen davon aus, dass es Jahre, vielleicht sogar mehr als ein Jahrzehnt dauern wird, um die Arbeitslosenquote wieder auf das Niveau vor der Krise zu bringen. Handelspolitik Bis Ende 2019 war die grösste handelspolitische Herausforderung der USA ihre Beziehung mit der Volksrepublik China. Die Grossmächte-Konkurrenz und strategische Rivalität prägte nicht bloss den Handelskonflikt mit China, sondern die gesamte, globale US-Handelspolitik. Der anhaltende Fokus dieser Administration auf die bilateralen US-Güterhandelsdefizite ist in erster Linie vom Handel mit China, der weitaus das höchste Defizit verursacht, geprägt. Das Unbehagen mit der WTO hat damit zu tun, dass China das globale Handelssystem zu seinen Gunsten und für seinen geopolitischen Aufstieg zu nutzen weiss. Die globalen Massnahmen zum «Schutz» der US-Stahl- und Aluminiumindustrien, die zu Konflikten mit vielen andern wichtigen Handelspartnern geführt haben, waren letzten Endes eine US-Reaktion auf die 5 https://www.bea.gov/news/2019/initial-gross-domestic-product-4th-quarter-and-annual-2018 6 Alle Berechnungen ohne Reinvestition der Dividenden. 4 / 25
(Über-)Kapazitäten Chinas. Daneben sind die Handelsbeziehungen mit der EU spannungs- reich. Noch immer ist unklar, wie viele (oder besser: wie wenige) der – zumindest in der Perzeption – zahlreichen Herausforderungen mit der EU in absehbarer Zukunft gelöst werden können. Seit März 2020 werden diese handelspolitischen Herausforderungen aber von der Corona- und der daraus folgenden Wirtschaftskrise in den Schatten gestellt. Die Einbrüche beim internationalen Handel sind dramatisch und es ist derzeit völlig offen, wie sich die Krise mittel- bis langfristig auf die Handelspolitik und auf die Handelsbeziehungen der USA auswir- ken wird. Gegenwärtig stehen die Anzeichen eher für eine Akzentuierung der Konfrontation. Klar ist, dass die Krise die Politik der Reindustrialisierung der USA stärkt, was künftig zu wei- teren Spannungen mit wichtigen Handelspartnern führen dürfte. Inflation und Leitzinsen 2019 hat das Fed den Leitzins am 1.8., 19.9. und 31.10. von 2,25% auf 2%, respektive auf 1,75% gesenkt. Am 3.3.2020 folgte der erste ausserplanmässige Fed-Entscheid seit der Fi- nanzkrise vor gut 10 Jahren. Es senkte den Leitzins um einen halben Prozentpunkt von 1,5 – 1,75% auf den Korridor von 1 – 1,25%. Am 15.3.2020 senkte das Fed das Zielband für die Leitzinsen auf 0 – 0,25%. Im April 2020 stellte die US-Notenbank ihre Notprogramme vor, mittels derer mehr als 2,3 Billionen USD an Krediten an Unternehmen aller Grössenordnungen sowie an in Schwierigkeiten geratene Städte und Bundesstaaten ausgeben werden können. Zwei von sieben Positionen im Board of Governors der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) bleiben zum Berichtszeitpunkt unbesetzt. Die mittelfristigen Inflationserwartungen 2019 für die kommenden fünf Jahre betragen auf Konsumentenseite zwischen 1,91% und 2,3%. Während der Coronakrise fiel sie zwischenzeitlich auf 0,86% und hat sich im Mai bei 1,5% eingependelt7. 2 Internationale und regionale Wirtschaftsabkommen 2.1 Politik, Prioritäten des Landes Eines der wichtigsten Wahlversprechen von Donald Trump war ein radikaler Bruch mit der angestammten Handelspolitik der USA. Obwohl ausserhalb der Administration sehr umstritten, richtet die Trump-Administration ihre Handelspolitik weiterhin primär an der Reduktion des Gü- terhandelsdefizits aus, welches insbesondere von US-Präsident Trump als inakzeptablen wirt- schaftlichen Missstand aufgefasst wird. Der Präsident und sein Handelsbeauftragter Lighthizer konnten in der laufenden Amtszeit einige Versprechen einlösen, die Trump im Wahlkampf 2016 gemacht hatte. Frühe Pflöcke wurden mit dem Rückzug aus TPP sowie einigen unilate- ralen handelspolitischen Massnahmen zum Schutz heimischer Industrien eingeschlagen: Stahl und Aluminium, Waschmaschinen, Solarzellen und –module. Mit der (leichten) Revision von KORUS ist Trump im Frühjahr 2018 ein erster (kleiner) Erfolg mit Südkorea gelungen. Damit war der angekündigte Paradigmenwechsel in der Handelspolitik aber noch nicht vollzo- gen. Die wichtigsten Erfolge sind ihm erst im laufenden Berichtsjahr gelungen. So hat er sich mit China gegen Jahresende 2019 auf ein «phase one»-Abkommen geeinigt, das im Februar 2020 in Kraft tritt. In der zweiten Jahreshälfte 2019 ist es zudem gelungen, mit den Demokraten einen Kompromiss bez. dem Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko zu finden. Nach Ra- tifikation und Ausarbeitung der implementierenden Gesetzgebung durch alle drei Parteien wird das NAFTA-Nachfolgeabkommen United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) am 1. Juli 2020 in Kraft treten. In der zweiten Jahreshälfte 2019 konnten auch zwei bilaterale Teilab- kommen mit Japan abgeschlossen werden, wobei das Landwirtschaftsabkommen gewichtige 7 https://fred.stlouisfed.org/series/T5YIFR 5 / 25
US-Nachteile aus dem Rückzug aus TPP kompensiert (US-Konkurrenzfähigkeit auf dem japa- nischen Fleischmarkt). Neben einigen Erfolgen verbleiben in der Handelspolitik zahlreiche Herausforderungen, insbesondere, wenn man das bisher Erreichte an den wahrscheinlich wichtigsten Zielen von Präsident Trump misst: der Paradigmenwechsel in der Handelspolitik an sich und die Reduktion des US-Güterhandelsdefizits. Die Grossmächte-Konkurrenz und strategische Rivalität mit China prägt nicht bloss den Han- delskonflikt mit China, sondern die gesamte, globale US-Handelspolitik. Fraglich bleibt, ob das «phase one»-Handelsabkommen mit China zur Zufriedenheit beider Parteien umgesetzt wer- den kann. Bereits bei Abschluss waren Experten sehr kritisch, insbesondere, was das chine- sischen «Kaufversprechen» von zusätzlichen Importen aus den USA in der Höhe von USD 200 Mrd. in den beiden Jahren nach Abschluss des Abkommens angeht. Die Coronakrise macht die Einlösung dieses Versprechens noch unwahrscheinlicher und der Deal scheint fra- gil. Führende Stimmen auf beiden Seiten drohen mit der Kündigung. Zudem sind langanhal- tende und zentrale US-Kritikpunkte an Chinas Wirtschaftssystem (z.B. Subventionen) im Ab- kommen nicht enthalten. Die USA wollen das in einem weiteren Abkommen lösen. Zeitpunkt und Machbarkeit sind derzeit völlig offen. Derweilen wird zumindest sektorspezifisch eine wei- tergehende Entkoppelung der beiden Volkswirtschaften vorangetrieben. Auch nach Abschluss des «phase one»-Abkommens bleibt der durchschnittliche Zollsatz für Importe aus China bei über 20%. Verstärkt durch Corona schrumpften im 1. Quartal 2020 der bilaterale Handel und das US-Güterhandelsdefizit mit China, die Investitionskontrollen werden verschärft und im Be- reich der Technologie gibt es zunehmend Exportkontrollen. Trump hat versprochen, unfaire, den USA zum Nachteil gereichende Handelsbeziehungen neu zu gestalten und weitere bilaterale Abkommen abzuschliessen. Auch die Handelsbezie- hungen mit der Europäischen Union standen seit Beginn seiner Amtszeit im Fokus. Erreicht hat er bisher kaum etwas. Ob vor der Präsidentschaftswahl im November 2020 noch «Mini- Deals» zu Stande kommen, bleibt fraglich. Ein grosser Wurf ist in absehbarer Zukunft nicht realisierbar. Mit dem Vereinigten Königreich gibt es auf beiden Seiten grosse Anreize – nicht zuletzt aus prozeduralen Gründen – um noch vor Jahresfrist zu einem umfassenden Abkom- men zu gelangen. Formelle Verhandlungen wurden Anfang Mai 2020 aufgenommen. Aber die Hürden sind höher, als es sich die beiden Parteien wünschen, nicht zuletzt vor der Herausfor- derung des VK, parallel mit der EU einen Abschluss zu erreichen. Der von US-Seite noch zum Jahresbeginn 2020 angekündigte, unmittelbar bevorstehende Deal mit Indien ist nicht zu- stande gekommen. Die gegenseitigen Willensbekundungen bleiben vage und ohne präzisen Terminplan. Ein Abkommen mit Brasilien ist auf der US-Prioritätenliste noch nicht zuoberst angelangt, auch wenn Brasilien grosse Bemühungen macht und erste Teilabkommen noch vor Jahresende abschliessen will (digital trade, anticorruption, trade facilitation, good regulatory practices). Mit Kenia will man zu einem Modellabkommen gelangen, das dann als Vorlage für Abkommen mit anderen afrikanischen Staaten dienen kann. Dabei geht es den USA weniger um die Ankurbelung des bilateralen Handels; das Handelsvolumen mit Kenia ist vernachläs- sigbar. Vielmehr will man mit einer Afrika-Strategie dem chinesischen Einfluss auf dem Konti- nent entgegenwirken. USMCA kann nicht als neues Abkommen bezeichnet werden, weil es das revidierte NAFTA-Abkommens ist – mit neuem Namen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit Ausnahme des Landwirtschaftsabkommens mit Japan und - je nach Umsetzung - dem «phase one»-Deal mit China, Trump keine neuen bilateralen Abkommen von bedeutendem wirtschaftlichen Nutzen für die USA geschaffen hat. Die Coronakrise befeuert einen wirtschaftlichen Nationalimus und das Streben nach einem erhöhten Grad an gewünschter Selbstversorgung – und zwar auf breiter Front: im Weissen Haus, dem US-Kongress, bei Think Tanks und Universitäten. Diese US-Administration bringt den Schutz und Wiederaufbau, resp. die Rückholung industrieller Produktionskapazitäten in 6 / 25
die USA seit Beginn der Amtszeit von Trump in einen direkten Zusammenhang mit der natio- nalen Sicherheit der USA. Trump wird seine – etwa mit dem Schutz der Stahl-, Aluminium- und anderer spezifischer Industrien – bereits eingeleitete Politik der Reindustrialisierung weiter verschärfen und beschleunigen. Der Fokus liegt seit Frühjahr 2020 bei Industrien, die zur Be- kämpfung der Gesundheitskrise essentiell sind: Pharma-, Medizintechnik- und medizinisches Schutzmaterial. Eine entsprechende «Buy American» Executive Order zirkuliert im Weissen Haus bereits seit Februar 2020. Aber auch andere US-Industrien dürften in den «Genuss» von Schutzmassnahmen kommen, resp. von der Politik der Reindustrialisierung erfasst werden. Nach den Untersuchungen in den Bereichen Stahl, Aluminium, Autos und Fahrzeugteilen, Uran, Titanschwamm (der Auto-Bericht wurde noch immer nicht veröffentlicht; die sporadische Drohung des US-Präsidenten mit Autozöllen ist aber zunehmend unglaubwürdig) leitete das Handelsdepartement im Mai 2020 zwei weitere Untersuchungen gemäss Section 232 des Trade Expansion Act von 1962 ein. Dabei wird geprüft, ob der Import von Elektrostahl, ver- wendet insbesondere zur Herstellung elektrischer Transformatorenkerne, resp. von Fahrzeug- kränen die nationale Sicherheit der USA gefährden. Allfällige Massnahmen würden auch Schweizer Unternehmen treffen – im Fall von Elektrostahl ganz direkt. Gemäss Aussagen von US-Kongressmitgliedern soll Handelsminister Ross auch über eine analoge Untersuchung zum Import von Rohöl nachdenken. Aufgrund der niedrigen Preise steht dieser wichtige In- dustriesektor in den USA derzeit vor grossen Herausforderungen. Die Politik zur Aufhaltung des industriellen Niedergangs dürfte in den USA auch zukünftig relativ breite Unterstützung geniessen – selbst wenn ab 2021 eine andere Mannschaft am Steuer wäre. Die Kritik an der WTO hat die US-Administration im Februar 2020 in einem langen Bericht festgehalten.8 Ob die WTO-Reform gelingen kann, bleibt aber fraglich und hängt nicht einzig von den USA ab. Und ob die USA die WTO-Reform wirklich wollen, hängt nicht zuletzt von der Frage ab, welche Protagonisten sich in der US-Administration und im Kongress letztlich durch- setzen werden.9 2.2 Aussichten für die Schweiz Der exploratorische Prozess bezüglich einem bilateralen Freihandelsabkommen mit den USA wurde 2019 intensiv weitergeführt – auch auf hochrangiger politischer Ebene. Im April 2019 trafen sich Bundesrat Parmelin und Staatssekretärin Ineichen-Fleich erstmals mit dem US- Handelsbeauftragten (USTR) Robert Lighthizer, um das Vorhaben zu besprechen. Im Rahmen von zwei Studienreisen liessen sich einflussreiche Mitarbeiter des US-Kongresses und von Think Tanks im Frühjahr in die handelspolitische Agenda der Schweiz einführen. Im Mai wurde das FHA anlässlich eines präsidialen Treffens im Weissen Haus von Bundespräsident Maurer mit Präsident Trump aufgenommen. Im Juni reiste der bei allfälliger Verhandlungsaufnahme zuständige USTR-Chefunterhändler Dan Mullaney für Gespräche in die Schweiz. In der zwei- ten Jahreshälfte 2019 arbeitete das USTR an einer Analyse, die gegen Jahresende Lighthizer vorgelegt wurde. Im Vorfeld des bilateralen präsidialen Treffens am WEF 2020 gab es Ge- rüchte, wonach sich die Präsidenten auf die Aufnahme formaler Verhandlungen einigen könn- ten. Dies hat sich so nicht realisiert. Nach einer kurzen Phase zur Klärung der nächsten 8Ambassador Robert E. Lighthizer, Office of the United States Trade Representative, Report on the Appellate Body of the World Trade Organization, February 28, 2020. https://ustr.gov/sites/default/files/Report_on_the_Ap- pellate_Body_of_the_World_Trade_Organization.pdf. 9 Vgl. hierzu den Bericht dieser Vertretung vom 6. Dez. 2019 "WTO-Reform: Stimmen aus dem US Kongress". 7 / 25
Schritte ist der bilaterale Austausch wegen der Coronakrise vorderhand zum Erliegen gekom- men. Ein Freihandelsabkommen könnte nicht nur den Marktzugang bzw. die Rechtssicherheit im weltweit zweitwichtigsten Absatzmarkt für die Schweizer Wirtschaft verbessern, sondern der Schweiz auch einen privilegierten Zugang zur hochrangigen Besprechung von aktuellen und künftigen handelspolitischen Schutzmassnahmen und anderen Politiken der USA bieten. Trotz gegenteiligen Beteuerungen bis auf Ministerstufe könnte eine Executive Order im Pharma- und Medizintechnik-Bereich den Schweizer Produktions-, Investitions-, Forschungs- und Entwicklungsstandort mittel- bis langfristig empfindlich treffen. Das hängt selbstverständlich von der präzisen Formulierung der Verfügung und deren Umsetzung ab. Wie bei den US- Massnahmen in den Bereichen Stahl und Aluminium dürfte die Schweiz auch von allfälligen künftigen Section 232-Massnahmen betroffen sein. Falls die USA und die EU in ihren laufenden Gesprächen zu einem (wohl eher begrenzten) Abkommen finden, hätte dies ein Diskriminierungspotential für die Schweiz. Aufgrund der Differenzen betreffend Verhandlungsmandat ist eine umfassende Einigung zwischen den USA und der EU derzeit sehr unwahrscheinlich. Eine Einigung in Teilbereichen scheint hingegen möglich. Für die Schweiz ebenfalls von grossem Interesse sind die Anfang Mai 2020 angelaufenen formellen Verhandlungen über ein umfassendes bilaterales Freihandelsabkommen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich. Hier wird sich zeigen, welche Lösungen und Flexibilität ein wichtiger europäischer Handelspartner der USA, dessen wichtigster Markt aber zweifellos die EU bleibt, finden kann. 3 Aussenhandel 3.1 Entwicklung und allgemeine Aussichten 3.1.1 Warenhandel 2019 Das Warenhandelsvolumen der USA hat 2019 im Vergleich zu 2018 leicht abgenommen. Den US-Exporten von USD 1‘653 Mrd. (-1,3%) standen US-Importe im Wert von USD 2‘519 Mrd. (-1,7%) gegenüber. Das US-Handelsdefizit beläuft sich damit auf rund USD 866 Mrd., was einer leichten Abnahme von 2,4% entspricht. Im ersten Quartal 2020 ist das Handelsdefizit im Vergleich zur Vorjahresperiode hingegen um satte 8,1% zurückgegangen. Die Nachbarn Kanada und Mexiko sind die beiden wichtigsten Handelspartner der USA. Sie vereinen genau einen Drittel aller Exporte aus den USA und etwas mehr als 27% aller Importe in die USA. Die EU nimmt gut 20% der US-Exporte ab und ihr Anteil an den US-Importen ist ebenso gross. Das Handelsdefizit mit der EU beträgt fast 178 Mrd. USD. Wichtigster Handels- partner unter den EU-Staaten ist Deutschland. Die USA importierten aus Deutschland im Be- richtsjahr Güter im Wert von fast 128 Mrd. USD. Der bilaterale Handel mit Deutschland verur- sacht mit mehr als USD 67 Mrd. das viertgrösste Handelsdefizit für die USA. China und Japan nehmen zusammen 11% aller US-Exporte ab und liefern fast 24% aller US-Importe, wobei China mit rund USD 452 Mrd. noch vor den Nachbaren Mexiko und Kanada am meisten Güter in die USA exportiert und mit USD 346 Mrd. noch immer einen sehr grossen Anteil am US- Handelsdefizit trägt (fast 40%). Das bilaterale Güterhandelsdefizit mit China ist aber im Ver- gleich zum Vorjahr deutlich gesunken (-18%). 8 / 25
Im Zusammenhang mit den einzelnen Handelsbilanzen scheint besonders interessant, dass die USA nur gegenüber 3 seiner 15 wichtigsten Handelspartner einen Güterhandelsüber- schuss aufweisen. Dabei handelt es sich um das Vereinigte Königreich (Rang 7), die Nieder- lande (Rang 11) und Brasilien (Rang 14).10 3.1.2 Dienstleistungshandel 2019 Die USA haben 2019 Dienstleistungen im Wert von USD 845 Mrd. exportiert und von USD 595 Mrd. importiert. Im Vergleich zum Vorjahr haben die Dienstleistungsexporte der USA 2018 leicht zugenommen (+2,2%). Die Importe haben um 5,0% und das Gesamtvolumen des Dienstleistungs-Austauschs hat um 3,3% zugenommen.11 Im Gegensatz zum Güterhandel weisen die USA seit Jahrzehnten einen Dienstleistungshan- delsüberschuss aus. Dieser hat 2019 etwas abgenommen und belief sich auf USD 250 Mrd. Die USA erzielen mit allen wichtigen Handelspartnern einen Überschuss oder haben eine aus- geglichene Bilanz. 3.1.3 Handelszahlen 2020 Die Coronakrise schlägt sich ab März 2020 so richtig in den Handelszahlen nieder und ver- schlechtert sich weiter. Im März sind die US-Exporte im Vergleich zum Vormonat um fast 10% gesunken, die US-Importe um etwas mehr als 6%. Im April sanken die Exporte weiter um 20,5% auf USD 151,3 Mrd. und die Importe um 13,7% auf USD 200,7 Mrd. im Vergleich zum Vormonat. Die Rückgänge der Ausfuhren sind am deutlichsten beim Rohöl und daraus weiter- verarbeiteten Produkten, bei der Fahrzeugindustrie sowie den Maschinen- und Flugzeugin- dustrien. Bei den Dienstleistungen wird der Exportrückgang von der Reise- und Transportbra- che verursacht. Der Importrückgang ist bei den Konsumgütern, den Fahrzeug- und IT- Industrien sowie der Reise- und Transportbranche am deutlichsten. Im Vergleich zum Vormo- nat ist das Handelsdefizit im April mit dem überproportionalen Einbruch der Exporte auf USD 49,4 Mrd. angewachsen. In der Tendenz ist dieses aber seit Jahresbeginn 2019 deutlich sin- kend.12 3.2 Bilateraler Handel 3.2.1 Warenhandel 2019 Mit USD 17,9 Mrd. Exporten in die Schweiz und USD 44,6 Mrd. Importen aus der Schweiz rangiert die Schweiz neu nicht mehr auf der Liste der 15 wichtigsten Handelspartner der USA. Da die US-Exporte gemäss US-Zahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken, die US- Importe hingegen deutlich gestiegen sind, hat auch das bilaterale US-Güterhandelsdefizit massiv zugenommen (+ 41%). Auf der Länderliste mit den grössten US-Defiziten befindet sich die Schweiz mit USD – 26,7 Mrd. auf Platz 10. Der seit 2013 anhaltende Trend zu stetig wach- senden Defiziten im Warenhandel wurde 2019 fortgesetzt.13 Gemäss Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung sind die Exporte der Schweiz in die USA 2019 um 10,7% weiter kräftig gewachsen (2018: +10,5%), während auch die Importe aus den 10 US Census Bureau: https://www.census.gov/foreign-trade/statistics/highlights/top/top1912yr.html 11 US Bureau of Economic Analysis, U.S. International Trade in Goods and Services: https://www.bea.gov/data/intl-trade-investment/international-trade-goods-and-services 12 https://www.bea.gov/news/2020/us-international-trade-goods-and-services-april-2020 13 US Census Bureau: https://www.census.gov/foreign-trade/statistics/highlights/top/top1912yr.html 9 / 25
USA 2019 um mehr als 9% zugenommen haben (2018: -1%). Der Güterhandelsüberschuss der Schweiz betrug 2019 gemäss Schweizer Zahlen mehr als CHF 28 Mrd.14 Die USA waren auch 2019 die zweitwichtigste Exportdestination (dicht hinter Deutschland), mit einem Exportanteil von 14%. Mit knapp 7% der Schweizer Gesamteinfuhren liegen die USA auf Rang 5 (Total 1). Dabei ist auf die grossen Unterschiede zwischen dem Total 1 und Total 215 hinzuweisen. Rund ein Drittel der Importe aus den USA waren 2019 Gold in Barren und andere Edelmetalle, Münzen, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten und sind lediglich im Total 2 enthalten. Der Exportanteil der wichtigsten Güterkategorie Pharmazeutische Erzeugnisse hat 2019 wei- ter zugenommen auf 53,9%. Präzisionsinstrumente, Uhren und Schmuck (21,5%) sowie Ma- schinen, Apparate, Elektronik (10,1%) bleiben weiterhin auf den Plätzen zwei und drei. Die wichtigsten Importhandelskategorien sind Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine (30,2%), Pharmazeutische Erzeugnisse (19,8%) gefolgt von Fahrzeugen, inkl. Luft- und Raumfahr- zeuge (13,4%) sowie Präzisionsinstrumente und Uhren (11,8%). 3.2.2 Dienstleistungshandel 201816 Der bilaterale Dienstleistungshandel umfasste 2018 USD 60,8 Mrd., davon wurden USD 39,3 Mrd. in die Schweiz exportiert und USD 21,5 Mrd. aus der Schweiz importiert17. Der Dienst- leistungshandel zwischen beiden Ländern hat sich über die letzten 15 Jahre rund vervierfacht. Das Volumen des Dienstleistungshandels ist seit Mitte der 2000er Jahre etwa gleich gross wie jenes des Güterhandels. Im Gegensatz zum Güterhandel haben die USA im Dienstleistungshandel mit der Schweiz einen Handelsbilanzüberschuss (USD 17,8 Mrd. für 2018). Die wichtigsten Dienstleistungsex- porte der Schweiz in die USA sind: «andere Geschäftsdienstleistungen» wie R&D- und Bera- tungsleistungen (USD 6,4 Mrd. oder fast 30%), Nutzrechte an geistigem Eigentum (USD 5,2 Mrd. oder gut 24%) und Versicherungen (USD 3,4 Mrd. oder fast 16%). Im Vergleich zum Vorjahr ist der Rückgang im Bereich der Versicherungen auffällig (USD 5,1 Mrd.). Die USA exportieren hauptsächlich «andere Geschäftsdienstleistungen», in erster Linie R&D- sowie Beratungsleistungen (USD 17,6 Mrd. oder fast 45%), Nutzrechte an geistigem Eigentum (USD 14,1 Mrd. oder fast 36%) und Transportdienstleistungen (USD 2,4 Mrd. oder ca. 6%) in die Schweiz. 3.2.3. Entwicklung bilateraler Handel 2020 Die US-Güterimporte aus der Schweiz haben sich im ersten Quartal 2020 und insbesondere im März 2020 massiv erhöht. Mit Importen im Wert von über USD 6 Mrd. alleine im Monat März wurde ein neuer Rekord erreicht, der den bisherigen um fast 50% übertrifft. Diese Ent- wicklung ist auf die erhöhten Importe im Pharmabereich (+106% im Vergleich zum Vorjah- resmonat) und von Wertgegenständen, insbesondere Gold, zurückzuführen. Auch das US- Güterhandelsdefizit wird mit rekordhohen USD 4,8 Mrd. alleine für den Monat März ausgewie- sen. Bezieht man den Goldhandel mit ein, betrug es gemäss Eidgenössischer Zollverwaltung 14 www.swiss-impex.admin.ch 15 Die aussenhandelsstatistischen Ergebnisse werden nach dem konjunkturellen Total (Total 1) und dem Gesamt- total (Total 2) veröffentlicht. Die beiden Totale unterscheiden sich darin, dass die Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenständen und Antiquitäten im Total 2 enthalten sind, im Total 1 hingegen nicht. 16 U.S. Bureau of Economic Analysis www.bea.gov. Die Zahlen 2019 zum Dienstleistungshandel mit der Schweiz werden voraussichtlich im September 2020 veröffentlicht. 17 BEA (2018), U.S. Trade in Services, by Country or Affiliation and by Type of Service 10 / 25
gar USD 5,6 Mrd. Die Schweizer Exporte anderer Branchen in die USA sind teils deutlich eingebrochen. Bis im März 2020 bot der US-Markt aufgrund von soliden Wachstumsaussichten für Schweizer Unternehmen grundsätzlich in fast allen Branchen vielversprechende Geschäftschancen im Exportbereich. Seit März 2020 erschüttert die Coronakrise auch die wirtschaftlichen Funda- mentaldaten der USA. Der Rückgang des Handelsvolumens wird massiv sein. Der Verlust an Arbeitsstellen, an Konsumkraft, an der Gesamtwirtschaftsleistung, etc. wird sich aller Voraus- sicht nach auch stark auf den bilateralen Handel mit der Schweiz auswirken. Die Stärke ein- zelner Branchen, wie etwa die Pharmaindustrie, mag einen Teil der Verluste kompensieren oder kurzfristig sogar für eine Nettoexportzunahme sorgen. Insgesamt sind die mittel- bis län- gerfristigen Auswirkungen auf den bilateralen Handel aber wohl eher düster. 4 Direktinvestitionen 4.1 Entwicklung und allgemeine Aussichten Auch 2018 waren die USA mit rund USD 252 Mrd. FDI inward flow der weltweit grösste Emp- fänger von ausländischen Direktinvestitionen. Der FDI-Bestand blieb mit rund USD 7,5 Billio- nen ähnlich hoch wie im Vorjahr, jedoch war der FDI outward flow gemäss der UNCTAD18 mit netto minus USD 63 Mrd. (gemäss Zahlen des US-BEA sogar minus 90 Mrd.19) zum ersten Mal negativ und widerspiegelt die erfolgreichen Bemühungen der Trump-Administration, In- vestitionen von US-Firmen zurück in die USA zu holen. Die Auswirkungen der US- Steuerreform vom Dezember 2017, welche die US-Auslandsinvestitionen im Jahr 2018 sub- stantiell verringert hat, scheinen jedoch inzwischen bereits wieder nachgelassen zu haben. Das Vereinigte Königreich blieb knapp vor Kanada und Japan der grösste Ursprungsort von FDI. Der seit zehn Jahren herrschende Trend für Investitionen in die herstellende Industrie setzte sich auch in der Berichtsperiode fort; mittlerweile beträgt der Anteil über 41% der ge- samten FDI. Insgesamt schufen ausländische Firmen direkt rund 7 Millionen Arbeitsplätze in den USA. 4.2 Bilaterale Investitionen Gemäss der Schweizerischen Nationalbank sind die USA die mit Abstand wichtigste Destina- tion für Schweizer Direktinvestitionen im Ausland. Der Bestand der Direktinvestitionen in den USA betrug Ende 2018 rund USD 309 Mrd., was knapp 20% aller Schweizer Direktinvestitio- nen im Ausland entspricht. Zum Vergleich: Die vier Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich kommen zusammen «nur» auf rund 10,5% aller Direktinvestitionen. Die Schweiz ist damit der siebtgrösste ausländische Direktinvestor in den USA und bleibt ein wirt- schaftliches Schwergewicht. Besonders positiv wird in den USA vermerkt, dass Schweizer In- vestoren in den USA direkt rund eine halbe Million Stellen schaffen. Mit Investitionen von rund USD 10 Mrd. in Forschung und Entwicklung steht die Schweiz an erster Stelle aller Länder in diesem Bereich. 2018 investierten Schweizer Unternehmen gemäss dem Department of Com- merce USD 26 Mrd. in den USA – eine Zunahme von rund 20% gegenüber dem Vorjahr, aber 18 https://unctad.org/sections/dite_dir/docs/wir2019/wir19_fs_us_en.pdf 19 U.S. Bureau of Economic Analysis www.bea.gov 11 / 25
weniger als die Hälfte des Spitzenwerts von USD 56 Mrd. im Jahr 2016. Schweizer Direktin- vestitionen konzentrieren sich gemäss dem BEA in der herstellenden Industrie (USD 126 Mrd.) und der Finanz- und Versicherungsbranche (USD 67 Mrd.).20 Die ausländischen Direktinvestitionen aus den USA in die Schweiz bleiben stark geprägt von der US-Steuerreform (Tax Cuts and Jobs Act) und führten zu hohen Gewinnrückführungen von amerikanischen Tochterunternehmen in der Schweiz von über 37 Mrd. USD im Jahr 201821. Der Kapitalbestand nach letztlich berechtigtem Investor sank gemäss der SNB gegen- über dem Vorjahr um rund 8%, nach unmittelbarem Investor sogar um 28% 22. 5 Handels-, Wirtschafts- und Tourismusförderung, «Landeswerbung» 5.1 Instrumente der Aussenwirtschaftsförderung Der Swiss Business Hub USA (SBH) fungiert als Aussenstelle des vom Bund mandatierten Vereins Switzerland Global Enterprise (S-GE) und ist für die Exportförderung und Standort- promotion im US-Markt zuständig. Derzeit verfügt der SBH mit Hauptsitz in New York über insgesamt elf Vollzeitstellen sowie Anlaufstellen bzw. Hubantennen in Atlanta, Los Angeles, Boston und San Francisco. Dank einer engen Zusammenarbeit zwischen der Botschaft in Washington und dem SBH konnten in einem turbulenten Jahr 2019 Schweizer Firmen, die von protektionistischen Massnahmen betroffen waren, kompetent betreut werden. Präsenz Schweiz (PRS) fördert Aktivitäten der öffentlichen Diplomatie in den USA, welches ein Prioritätsland für die Schweiz darstellt. Die entsprechenden Mittel werden unter der Leitung der Botschaft sowie PRS in strategische Kommunikationsprojekte der Botschaft in Washington DC, der vier Generalkonsulate (Atlanta, Chicago [seit Mitte 2019], New York und San Fran- cisco) und der beiden swissnex-Standorte (San Francisco und Boston mit Satellit in New York City) investiert. Es handelt sich hier um rund 100 strategisch positionierte nationale und regio- nale Veranstaltungen und Projekte verschiedenster Grösse und Formate. Unter der Leitung der Botschaft findet eine monatliche Telefonkonferenz mit den Generalkon- sulaten und swissnex über die Aktivitäten der öffentlichen Diplomatie statt. Diese dient der Koordinierung und Planung von Inhalten sowie dem Austausch von Ideen und Erfahrungen. Während des ganzen Jahres findet ausserdem ein reger Austausch zwischen allen Beteiligten statt. Darüber hinaus nehmen die Mitarbeiter der schweizerischen Vertretungen in Nordame- rika, die für die öffentliche Diplomatie und Kommunikation zuständig sind, an der jährlichen Public Diplomacy-Konferenz, welche von der Botschaft organisiert wird, teil. «Swiss Touch», die mehrjährige Kommunikationskampagne, hebt die vielen innovativen und zukunftsorientierten Facetten der Schweiz hervor. Mit Hilfe von «Swiss Touch» kommunizieren die Vertretungen die einheitliche Botschaft einer modernen und zukunftsgerichteten Schweiz in den USA. Der «digitale Tisch» unterstreicht diese Botschaft und dient als Begegnungspunkt für anregende Gespräche und zur Generierung neuer Ideen. Die erfolgreiche «Swiss Touch» Kampagne begann Januar 2017 und wird nach dreieinhalb Jahren Mitte 2020 ihren Abschluss finden. Das Kommunikationsprojekt «Swiss Touch on the Road 2019» brachte schweizerische sowie amerikanische Unternehmen mit amerikanischen Entscheidungsträgern an einen Tisch und hatte zum Ziel, die Kampagne weit über die üblichen operativen Städte hinauszutragen: 20 https://www.bea.gov/international/di1fdibal 21 https://data.snb.ch/en/topics/aube#!/cube/fdichtlanda?fromDate=2009&toDate=2018&dimSel=D0(US) 22 https://data.snb.ch/en/topics/aube#!/cube/fdichbinvla?fromDate=2009&to- Date=2018&dimSel=D0(D0_0,D0_1),D1(US) 12 / 25
in den mittleren Westen Amerikas (Städte in Illinois und Ohio) und nach Texas (Dallas, San Antonio, Houston). Unter der Leitung von PRS und S-GE nahm die Schweiz in der Berichtsperiode zum zweiten Mal mit einem Stand an der «Consumer Electronics Show CES» in Las Vegas teil. Das Motto war auch dieses Jahr #SwissTech, womit der Fokus auf innovativen schweizerischen Start- up-Unternehmen lag. Der schweizerische #SwissTech-Stand bot zahlreichen schweizerischen Technologie-Start-ups aus verschiedenen Bereichen die Möglichkeit, sich mit Unterstützung von PRS, S-GE und des Schweizer Botschafters einem breiten internationalen Publikum zu präsentieren und somit eine innovative Schweiz zu fördern. An privaten Akteuren sind die Swiss-American Chamber of Commerce mit 2‘000 Mitgliedern (1‘600 Firmen) und der kleinere Swiss-American Business Council, welcher in der Region Chi- cago und Midwest aktiv ist, zu erwähnen. 5.2 Interesse der USA für die Schweiz Tourismus, Bildung, andere Dienstleistungen Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie war die Schweiz als Reisedestination für US-Gäste beliebter denn je. Die USA sind nach Deutschland der bedeutendste ausländische Quellmarkt für Gäste in der Schweiz. Somit sind die USA der wichtigste Fernmarkt für das Reiseland Schweiz. Die Coronakrise hat die globale Reisebranche komplett lahmgelegt. Landesgrenzen sind ge- schlossen worden. Die Flotten von Fluggesellschaften stehen weitgehend am Boden. Der Ein- bruch an Übernachtungen von amerikanischen Gästen in der Schweiz im Vergleich zum Vor- jahr zwischen Januar – März 2020 ist dramatisch und beträgt -21%. Die Aussichten für 2020 sind düster. Solange kein Impfstoff existiert, wird sich der Rückgang wohl weiter verschlim- mern. Eine sanfte Stabilisierung ist erst für 2021 zu erwarten, wenn sich der transatlantische Flugverkehr leicht stabilisieren sollte. Prognosen gehen davon aus, dass die Erholung von der Coronakrise für die Schweizer Reisebranche mindestens 2-4 Jahre dauern wird. 2019 setzte sich das starke Wachstum an amerikanischen Gästen in der Schweiz noch fort. So stiegen deren Übernachtungszahlen in Schweizer Hotels gegenüber dem Vorjahr um 9,8%. Total entspricht dies 2,47 Millionen Übernachtungen. Allein die Zunahme entspricht einem Ex- portwert von rund CHF 60 Millionen. Seit 2009 haben die Besucherzahlen aus den USA in die Schweiz um mehr als 60% zugenommen. Besucher aus den USA geniessen die unberührte Natur und die übersichtlichen Schweizer Städte. Die Reisenden sind überdurchschnittlich stark in der Luxushotellerie vertreten, schät- zen Panorama-Zugreisen und geniessen die hohe Qualität. Die beliebtesten Ziele im Jahr 2019 waren die Regionen Zürich, Vierwaldstättersee und der Kanton Bern. Das grösste Wachstum im letzten Jahr erfolgte im Tessin (19,2%) sowie in der Genferseeregion (22,7%). Sowohl die alpinen Regionen als auch die Städte verzeichneten ein Wachstum (rund 9,5%). Zwei Drittel aller Besucher aus den USA besuchten unser Land in den Sommermonaten. 23 Die Schweiz steht als Innovationsnation, die regelmässig auf den vordersten Plätzen entspre- chender Rankings zu finden ist, in den USA immer wieder im Fokus entsprechender Anfragen 23Schweiz Tourismus, www.myswitzerland.com; Bundesamt für Statistik, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/in- dex/themen/10/01/new.html 13 / 25
und Berichte. Gleichzeitig ist sie in den USA als Ausbildungsstandort breiten Kreisen weitest- gehend unbekannt. Die Botschaft fördert den Bildungsstandort Schweiz aktiv mit ThinkSwiss, einem vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanzierten Sti- pendienprogramm für junge Forschende aus den USA und Kanada. Das Programm finanziert bis zu 50 Teilnehmer an einer Summer School oder Forschungsaufenthalte (bis zu drei Mona- ten) an Schweizer Hochschulen. Ausserdem vergibt die Eidgenössische Stipendienkommis- sion für ausländische Studierende (ESKAS) jährlich die Bundes-Exzellenz-Stipendien an zehn junge Forschende und zwei Kunstschaffende. Die Forschenden- und Studentenmobilität ist von der Coronakrise stark tangiert, was im Jahr 2020 zu einer reduzierten Anzahl von Aus- tauschprojekten führen wird. Die swissnex-Standorte leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Positionierung der Schweiz als weltweit führenden Innovationsstandort und zur Förderung der Sichtbarkeit der Schweizer Hochschulen, Forschungszentren, Start-ups, usw. Aufgrund des grossen Interesses der US-Administration am schweizerischen Berufsbildungs- modell hat das WBF im Dezember 2018 ein Memorandum of Understanding mit den U.S. De- partments of Labor (DOL), Commerce (DOC) und Education (ED) unterzeichnet. Ziel dieses MoU ist es, die Zusammenarbeit in der Berufsbildung zwischen den beiden Ländern zu för- dern. Im Rahmen eines Dialogs zur Berufsbildung klärt die Schweiz über ihr Berufsbildungs- system auf, führt interessierte Akteure zusammen und unterstützt Schweizer Firmen, die ein Berufsbildungsprogramm in den USA einführen möchten sowie diejenigen, die ein Mobilitäts- programm für Berufslehre (zwischen die CH und den USA) einführen möchten. Die Zusam- menarbeit bringt US-Akteuren auch den Wert von Schweizer Berufsabschlüssen näher. In den USA wird die Anerkennung ausländischer Diplome nicht durch eine zentrale, staatliche Stelle geprüft, sondern liegt in der Kompetenz des Arbeitgebers. Eine Ausnahme bilden staatlich reglementierte Berufe in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Ingenieurwesen, Recht und Fi- nanzen, für deren Ausübung ein bestimmter Befähigungsnachweis verlangt wird. Das Aner- kennungsverfahren für reglementierte Berufe erfolgt auf der Ebene der Bundesstaaten. Schweiz als Investitionsort Gemäss Swiss Business Hub verfügen ungefähr 1’600 US-Firmen über eine Schweizer Prä- senz, wobei rund 250 Firmen mit Headquarter-Funktionen über eine substanzielle Präsenz verfügen. Rechtssicherheit und langfristig stabile Entscheidungsgrundlagen für amerikanische Investoren, eine verhältnismässig geringe Regulierungsdichte und eine hervorragende Infra- struktur positionieren die Schweiz als attraktiven Standort für hochwertige Dienstleistungs- und Produktionstätigkeiten. Trotz den relativ hohen Standortkosten figuriert die Schweiz sowohl für F&E- als auch für Headquarter-Projekte noch immer regelmässig auf der Shortlist. Die Kon- kurrenz um solch wertschöpfungsintensive Projekte ist jedoch sehr gross und erfordert eine gut koordinierte Standortpromotion. So richtet sich die nationale Standortpromotion in enger Abstimmung mit den Kantonen/Regionen in der Fokussierung und Kommunikation auf Firmen in den Sektoren Artificial Intelligence, Blockchain, Robotics & Drones, Personalized Health und Advanced Manufacturing. Zusätzlich werden im US-Markt die relevanten Ökosysteme strate- gisch bearbeitet, um innovative Technologie-Firmen gezielt anzusprechen und gemeinsam mit den Kantonen/Regionen den Innovationsstandort Schweiz in den USA nachhaltig zu positio- nieren. Der Team Switzerland-Ansatz soll zu einer optimalen Ausschöpfung der Synergien führen und den gemeinsamen Aussenauftritt der Schweiz stärken. Mit der US-Steuerreform und dem einhergehenden Wechsel zum territorialen Regime hat sich der Standortwettbewerb stark verändert. Die Attraktivität der Schweiz gegenüber den USA und der EU-Konkurrenz (NL, UK, IRL) hat aus steuerlicher Sicht abgenommen. US-Gruppen mit Präsenz in der Schweiz überprüfen ihre Situation gründlich und manche sind zum Schluss gekommen, dass eine Verlagerung ihrer Aktivitäten an einen anderen Standort Sinn macht. In 14 / 25
Bezug auf neue Ansiedlungen ist die Schweiz dank einem weiterhin konkurrenzfähigen Ge- samtpaket jedoch nach wie vor attraktiv. Das deutliche Ja zur AHV-Steuervorlage im Mai 2019 ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz eine gute Nachricht und beendet eine lange, von Rechtsunsicherheit geprägte Phase. Trotzdem bleiben für den Standort Schweiz im Wettbe- werb um wertschöpfungsintensive Investitionsprojekte aus den USA einige Herausforderun- gen wie beispielsweise die vergleichsweise hohen Standortkosten und die zunehmend starke Konkurrenz aus Asien und Europa. Die übrigen Standortvorteile wie innovatives und kompeti- tives Umfeld, Zugang zu hochqualifizierten Arbeitskräften, flexibler Arbeitsmarkt und hervorra- gende Infrastruktur gilt es weiterhin prominent hervorzuheben.24 Die Standortpromotion verzeichnete im Berichtsjahr ungefähr 5025 Neuansiedlungen sowie mehrere signifikante Expansionsprojekte von Firmen mit Hauptsitz in den USA. So hat zum Beispiel das amerikanische Biopharma-Unternehmen Agios seinen internationalen Hauptsitz von den USA in die Greater Zurich Area verlegt. Agios begründet die Standortwahl unter an- derem mit dem Reichtum an Life Sciences-Innovationen und den talentierten Arbeitskräften in der Schweiz. Indigo Agriculture expandierte nach Europa und eröffnete dafür einen Hauptsitz in Basel. Das Unternehmen bietet zukunftsweisende Technologien für die Agrarbranche an. Der IT-Riese Microsoft eröffnete ein neues Labor in Zürich, wo gemeinsam mit der Eidgenös- sischen Technischen Hochschule Zürich an Technologien im Bereich Mixed Reality sowie Künstliche Intelligenz geforscht wird. Apex Logic entwickelt AI Software im Bereich Beschaf- fungswesen für Länder und Nichtregierungsorganisationen und hat sich hierfür in Fribourg nie- dergelassen. Die Schweiz ist dank einer robusten Wirtschaft, attraktiven branchenspezifischen Clustern (Life Sciences, ICT/Fintech, Advanced Manufacturing) und starker Innovationsdynamik ein kompetitiver Standort. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Schweiz auch nach der Coronakrise als attraktiver Investitionsstandort für multinational tätige Unternehmen positio- nieren kann, denn die Pharma-, Biotech-, Software- und IT-Dienstleistungssektoren werden die Krise voraussichtlich gut überstehen. Andererseits ist davon auszugehen, dass sich ange- sichts der Krise die protektionistischen Tendenzen in den USA weiter vertiefen werden und der zehnjährige Expansionskurs der US-Wirtschaft vorübergehend geschwächt sein wird. Das wird die Aufgabe der Standortpromotion inskünftig erheblich beeinflussen, denn gemäss einer von der Site Selectors Guild erhobenen Umfrage gaben 52% der befragten US-Unternehmen an, ihre Expansionspläne bis mindestens im 4. Quartal 2020 zurückzustellen. 26 Finanzplatz Schweiz Am 17. Juli 2019 wurde das Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen CH- USA von 2009 nach fast 10-jähriger Wartefrist vom US-Senat angenommen. Die Ratifikation stellt einen Meilenstein in den steuerlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA dar und zieht einen – zumindest vorläufigen – Schlussstrich unter eine bald Jahrzehnte lang dauernde Auseinandersetzung betreffend Informationsaustausch im Steuerbereich. 24 «US-Steuerreform: Was könnten die Auswirkungen für den Standort Schweiz sein?» Sébastien Maury / Benja- min Thumm, Corporate Tax; https://assets.kpmg/content/dam/kpmg/ch/pdf/us-steuerreform-auswirkungen- schweiz.pdf 25 Diese Zahl basiert auf einer nicht abschliessenden, informellen Zählung von Neusiedlungs- und Expansions- projekten, die von den Kantonen/Regionen anlässlich einer jährlichen Umfrage dem Swiss Business Hub gemel- det wurden. 26 https://siteselectorsguild.com/news/covid-19-impact-on-site-selection/ 15 / 25
Neben den direkten Auswirkungen der Anwendung des Protokolls nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden (bspw. Stellen von FATCA-Gruppenersuchen), ebnet diese Ratifizie- rung den Weg für eine Revision des Doppelbesteuerungsabkommen CH-USA von 1996. Ins- besondere die Quellensteuerbefreiung auf Dividenden zwischen Konzerngesellschaften (so- genannter Nullsatz), das Erfüllen der im Rahmen des BEPS-Projekts gesetzten DBA- bezogenen Mindeststandards und Verbesserungen im Bereich Informationsaustausch (Stich- wort «Country-by-Country reporting»; spontaner Austausch von Informationen über Steuerru- lings; und automatischer und reziproker automatischer Informationsaustausch) sind aus Schweizer Sicht revisionsbedürftige Punkte. Die Schweiz ist mit den relevanten US-Behörden in Kontakt, um die reibungslose Anwendung des Änderungsprotokolls von 2009 sicherzustellen sowie die Diskussion der Revision des Doppelbesteuerungsabkommen CH-USA von 1996 weiterzuführen. Die Schweiz führt gestützt auf das Mandat des Bundesrates vom Oktober 2014 Verhandlun- gen mit den USA über einen Wechsel von Modell 2 zu Modell 1 des FATCA-Abkommens. Dieses sieht den automatischen Datenaustausch zwischen den Steuerbehörden vor. Wann ein entsprechendes Abkommen vorliegen wird, ist zurzeit noch ungewiss. Im Bereich Fintech, Kryptowährungen und Blockchain ist die Schweiz führend, was von den USA anerkannt wird. Insbesondere die regulatorische Sicherheit, welche innovationsfördernd wirkt, stösst bei US-Behörden und Branchenverbänden regelmässig auf Interesse. Mit der An- kündigung im Sommer 2019, die Facebook-Währung Libra in Genf anzusiedeln, erhielt die Schweiz vorübergehend hohe Aufmerksamkeit und Besuche der US-Behörden und Legisla- tive. Das US-Treasury machte u.a. Geldwäschereibedenken geltend. Inzwischen ist das Inte- resse etwas abgeebbt und Libra hat einen ehemaligen US-Treasury Under Secretary für Ter- rorism and Financial Intelligence als CEO ernannt. 16 / 25
ANHANG 1 Wirtschaftsstruktur Jahr 2014 Jahr 2019 Verteilung des BIP* Primärsektor 1,1% 0,8% Verarbeitende Industrie 19,4% 18,2% Dienstleistungen 79,4% 81,1% - davon öffentliche Dienst- 13% 12,3% leistungen Jahr 2013 Jahr 2018 Verteilung der Beschäfti- gung** Primärsektor 0,9% 0,9% Verarbeitende Industrie 14,9% 15% Dienstleistungen 84,1% 84,2% - davon öffentliche Dienst- 15,5% 14,7% leistungen * Quelle: Bureau of Economic Analysis, GDP by Industry (April 2020) https://www.bea.gov/iTable/index_industry_gdpIndy.cfm ** Quelle: Bureau of Economic Analysis, Full-Time Equivalent Employees by Industry (July 2019) https://www.bea.gov/iTable/index_nipa.cfm 17 / 25
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