FORUM Arztpraxis 1/2021 Oberösterreich - ÖGK

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FORUM Arztpraxis 1/2021 Oberösterreich - ÖGK
FORUM
                    Arztpraxis
                    Informationen aus Forschung, Praxis und Ökonomie
1/2021
Oberösterreich

Antibiotikaverordungen     Polypharmazie             Praxis aktuell:
in Österreich_4            an der Schnittstelle_11   TNF-alpha-Blocker _12

                                                          www.gesundheitskasse.at
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2   FORUM Arztpraxis 01_2021

Basiswissen
zum Kassenrezept
                               Dieser auf Initiative des Arzneidialoges erstellte Leitfaden
                               fasst die Prinzipien über die ökonomische Verschreibung von
                               Medikamenten zusammen.
                               Grundlegendes Basiswissen zum Kassenrezept soll Ordinationsassistenten in ihrer
                               täglichen Praxis unterstützen. Die Entscheidung, was für einen Patienten am geeig-
                               netsten ist, liegt beim Arzt.

AKTUELLES                      Sie können den Leitfaden herunterladen unter https://www.gesundheitskasse.at/
                               cdscontent/?contentid=10007.856564&portal=oegkoportal oder anfordern bei
                               Frau Petra Treitinger, petra.treitinger@oegk.at, Tel. 050766-14102072.
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01_2021 FORUM Arztpraxis      3

Inhalt                                                            Editorial
    Aktuelles: Basiswissen zum Kassenrezept                 2    Sehr geehrte Ärztinnen und
                                                                  Ärzte, liebe Vertragspartnerinnen
    Editorial                                               3
                                                                  und Vertragspartner
    Antibiotikaverordnungen in Österreich                   4
                                                                  Seit mehr als einem Jahr wird die Welt von einem Thema
    Neu am Markt:                                                 beherrscht: Covid-19. Die Pandemie hat auch bei uns
    Cholesterol-Senkung mit Bempedoinsäure                 10    das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben sowie
                                                                  in besonderem Maß das Gesundheitswesen bis an die
    Polypharmazie an der Schnittstelle                      11   Grenzen beansprucht. Wir können stolz darauf sein, dass
                                                                  das Netz in Österreich gehalten hat – nicht zuletzt wegen
                                                                  Ihrer engagierten Arbeit als unser Vertragspartner. Die
    Praxis aktuell: TNF-alpha-Blocker                      12
                                                                  Österreichische Gesundheitskasse möchte sich auch an
                                                                  dieser Stelle herzlich für Ihren Einsatz in der Krise bedanken.
    Gut begleitet von Anfang an!
    Frühe Hilfen in OÖ                                     14    Corona hat natürlich auch unsere Arbeit auf allen Ebenen
                                                                  beherrscht und tut es noch immer. Trotzdem haben wir auch
    Medizin aktuell: Erhöhtes Risiko                              abseits davon wichtige Projekte vorangetrieben. So hat
    für CED-Patienten durch Covid-19?                      16    die Österreichische Gesundheitskasse schon während des
                                                                  ersten Lockdowns für ihre Vertragspartner die Möglichkeit
    Praxis aktuell: Medikamente und Hitze                  17    geschaffen, Patientinnen und Patienten mittels Telemedizin
                                                                  zu beraten und auch zu behandeln. Visit-e bietet dazu
                                                                  einen einfachen und sicheren Zugang. In mehreren
    Heilmittelökonomievereinbarung
                                                                  Bundesländern wurden mit den Landesärztekammern
    mit Krankenhäusern                                     18
                                                                  bereits Vereinbarungen zur Telemedizin abgeschlossen.

    Praxis aktuell: Tipps für Ihre Patienten                     Eine besondere Bedeutung hat die e-Medikation. Die
    Leichter leben! und Leichter leben! +                 20     elektronische Übermittlung der Medikamenten-
                                                                  verordnungen ist aus dem Alltag der verschreibenden
    Aktuelles: Parallelimporte                                    Ärztinnen und Ärzte und ihrer Patienten nicht mehr
    und Preismodelle                                       22    wegzudenken. Die unbürokratische e-Medikation spart
                                                                  Zeit und verhindert unnötige Kontakte – was in Zeiten einer
    EKO-Aktuell:                                                  Pandemie zum Schutz aller Beteiligten beiträgt.
    Ezeato in der Grünen Box                               23
                                                                  Auch das Jahr 2021 wird für uns alle enorme Herausforderun-
                                                                  gen bringen. Die Österreichische Gesundheitskasse ist mit
    Aktuelles: neue E-Learnings                            24
                                                                  dem dichten Netz an Vertragspartnern und dem engagierten
                                                                  Einsatz von jeder/jedem Einzelnen von Ihnen gut aufgestellt.
                                                                  Gemeinsam werden wir es schaffen, die medizinische Versor-
Impressum                                                         gung der Bevölkerung auch weiterhin auf höchstem Niveau
Medieninhaber & Herausgeber: Österreichische Gesundheitskasse,    sicherzustellen.
Haidingergasse 1, 1030 Wien, www.gesundheitskasse.at/impressum
Redaktion: ÖGK Landesstelle Linz, Gruberstraße 77, 4020 Linz,
Dr. Thomas Weichselbaumer • Fotos/Bilder (wenn nicht in den
Fotocredits anders angegeben): Shutterstock • Hersteller: BTS,
Engerwitzdorf • Nr. 1/2021.

                                                                  Dr. Rainer Thomas
                                                                  Generaldirektor-
                                                                  Stellvertreter
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4    FORUM Arztpraxis 01_2021

               Antibiotikaverordnungen
               in Österreich
               Rückgang auf unter fünf Millionen Packungen
               Verordnungen von Antibiotika zur oralen Anwendung sind in Österreich
               erfreulicherweise seit einiger Zeit konstant rückläufig (Abb. 1). Wurden
               2015 österreichweit noch rund 5,5 Millionen Packungen Antibiotika auf
               Kosten der Krankenversicherung verordnet, sank dieser Wert auf rund
               4,9 Millionen Packungen im Jahr 2019, was einem Rückgang um rund elf
               Prozent entspricht.

               Fast schon traditionell haben Antibio-         satz von Antibiotika bei (unter anderem    na-Pandemie geprägt. Diesbezügliche
               tikaverordnungen im Jahresverlauf ihr          viral bedingten) Erkältungskrankheiten     Maßnahmen wie Kontaktbeschränkun-
               Maximum in den Wintermonaten, also             zurückführen, die in dieser Zeit weitaus   gen und die häufige Verwendung von
               im vierten und im sich anschließen-            häufiger auftreten als im Rest des Jah-    Gesichtsmasken haben sicherlich ihren
               den ersten Quartal, wobei von Jänner           res.                                       Teil dazu beigetragen, Infektionen und
               bis März die absolut meisten Verord-                                                      konsekutive       Antibiotika-Verordnun-
               nungen erfolgen. Die niedrigsten Ver-          Für das Jahr 2020 zeigen erste Auswer-     gen zu verringern. Ob und wie sich die
               ordnungszahlen werden im dritten               tungen, dass die Verordnungszahlen         Pandemie längerfristig auf die Verord-
               Quartal verzeichnet. Die erhöhten Ver-         von Antibiotika weiter abnehmen, so-       nungshäufigkeit von Antibiotika auswir-
               ordnungszahlen in kälteren Monaten             gar in verstärktem Maße. Allerdings war    ken wird, bleibt abzuwarten.
               sind zumindest teilweise auf den Ein-          dieses Jahr maßgeblich von der Coro-
                                                                                                         Veränderungen im
                           6.000.000                                                                     Verordnungsspektrum

                                                                                                         Interessante Veränderungen lassen sich
                                                                                                         auch im Verordnungsspektrum von An-
                           5.000.000
                                                                                                         tibiotika erkennen (Abbildung 2, Seite
                                                                                                         6). Nach wie vor entfallen mehr als 95
                                                                                                         Prozent aller Antibiotikaverordnungen
                           4.000.000                                                                     auf die fünf Wirkstoffklassen Penicilline,
                                                                                                         Cephalosporine und andere Betalac-
                                                                                                         tamantibiotika (Monobactame und
verordnete Packungen

                           3.000.000                                                                     Carbapeneme),        Makrolidantibiotika
                                                                                                         (inkl. Lincosamide und Streptogramine),
                                                                                                         Fluorchinolone und sonstige Antibioti-
                                                                                                         ka (Antibiotika, die keiner der anderen
                           2.000.000
                                                                                                         Klassen zuordenbar sind, z. B. Fusidins-
                                                                                                         äure, Nitrofurantoin, Fosfomycin, Met-
                                                                                                         ronidazol, Linezolid und Tedizolid).
                           1.000.000
                                                                                                         Bei insgesamt rückläufigen Verord-
                                                                                                         nungszahlen wurden relativ mehr Peni-
                                   0                                                                     cilline verordnet, ihr Anteil stieg von
                                           2015        2016        2017        2018          2019        2015 bis 2019 von 38,8 auf 46,4 Prozent.
                                                                                                         Während der Anteil von Cephalosporin-
                                              n 1. Quartal n 2. Quartal n 3. Quartal n 4. Quartal
                                                                                                         en und sonstigen Betalactamantibiotika
                                                                                                         leicht von 12,3 auf 13,9 Prozent stieg,
       Abb. 1: Antibiotikaverordnungen auf Kosten der österreichischen Kranken-                          nahm der Anteil der Makrolidantibio-
              versicherungsträger nach Jahr und Quartalen. Quelle: BIG.                                  tika von 27,1 auf 22,4 Prozent merklich
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01_2021 FORUM Arztpraxis      5

Anwendungseinschränkung von Fluorchinolonen

Aufgrund einer Neubewertung des Nutzen-Risiko-Profils von Fluorchinolonen (das betrifft die in Österreich vermark-
teten Wirkstoffe Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin und Prulifloxacin) durch die europä-
ische Zulassungsbehörde EMA und der Finalisierung durch die Europäische Kommission gelten seit 2019 Einschrän-
kungen für die systemische und inhalative Verwendung dieser Wirkstoffe1:

●   keine Anwendung um Infektionen zu therapieren, die auch ohne Behandlung abklingen oder nicht schwerwiegend
    sind (z. B. Halsentzündungen)

●   keine Anwendung zur Behandlung nicht bakteriell verursachter Infektionen, wie z. B. nicht-bakterielle (chronische)
    Prostatitis

●   keine Anwendung zur Vorbeugung von Reisediarrhoe oder wiederkehrenden Infektionen der unteren Harnwege
    (Harninfektionen, die nicht über die Harnblase hinausgehen)

●   keine Anwendung zur Behandlung leichter oder mittelschwerer bakterieller Infektionen, es sei denn, andere
    üblicherweise für diese Infektionen empfohlene Antibiotika können nicht angewendet werden.

Anwenderinnen und Anwendern wird geraten, bei ersten Anzeichen von Nebenwirkungen, die Muskeln, Sehnen oder
Gelenke bzw. das Nervensystem betreffen, die Behandlung abzubrechen und sich an ihre Ärztin oder ihren Arzt zu
wenden. Bei Personen, die zuvor bereits schwerwiegende Nebenwirkungen mit einem Fluorchinolon gezeigt hatten,
soll eine erneute Exposition vermieden werden. Bei älteren Personen, Personen mit Nierenerkrankungen und solchen,
die eine Organtransplantation hatten, sollen Fluorchinolone mit besonderer Vorsicht angewendet werden, da bei die-
sen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Sehnenschäden vorliegt. Aus dem gleichen Grund sollte auch die gleich-
zeitige Gabe mit einem Kortikosteroid vermieden werden.
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6   FORUM Arztpraxis 01_2021

100 %
           5,0 %          5,4 %            6,0 %          6,3 %           7,0 %
 90 %      11,6 %          11,1 %          10,7 %         10,1 %          7,2 %

80 %

 70 %      27,1 %         25,7 %           24,5 %         23,1 %          22,4 %

 60 %
                                                                          13,9 %
                                                          13,4 %
 50 %      12,3 %         12,7 %           12,9 %

 40 %

 30 %

           38,8 %         40,3 %           42,2 %         44,0 %         46,4 %
 20 %                                                                                    und die anderen Fluorchinolone sowie
                                                                                         die Tetrazyklin-Derivate Doxycyclin und
 10 %                                                                                    Minocyclin.

  0%                                                                                     Rationaler Einsatz
            2015           2016             2017           2018           2019           von Antibiotika
n Tetrazykline n Penicilline                                                             Die unnötige Einnahme von Anti-
n Cephalosporine, Monobactame und Carpabeneme
n Sulfonamide und Trimethoprim n Makrolide, Lincosamide und Streptogramine               biotika, z. B. bei viral bedingten In-
n Aminoglykoside n Fluorchinolone n Sonstige Antibiotika                                 fektionen, aber auch der unkorrekte
                                                                                         Einsatz von Antibiotika bei eigentli-
Abb. 2: Verordnungsanteile nach Packungen für Antibiotikaverordnungen auf                cher Indikation, z. B. in einer falschen
        Kosten der österreichischen Krankenversicherungsträger nach Jahr und             Dosierung, haben nicht nur negative
        Antibiotikaklassen (aggregiert auf Ebene 3 der ATC-Klassifikation der            Auswirkungen auf das Individuum,
        WHO). Der Anteil der Aminoglykosidantibiotika liegt im Auswertungszeit-          wie beispielsweise Nebenwirkungen,
        raum konsequent bei 0,1 Prozent und ist daher nicht sichtbar. Quelle: BIG.       denen nur ein geringer oder gar kein
                                                                                         Nutzen gegenübersteht, sondern tra-
                                                                                         gen auch zur fortschreitenden Resis-
                                                                                         tenzentwicklung bakterieller Erreger
ab. Leichte Zuwächse konnten auch           Packungen verordnet als 2015, bei all-       bei. Darüber hinaus werden auch zu-
die sonstigen Antibiotika verzeichnen.      gemein abnehmenden Antibiotikaver-           sätzliche Kosten im Gesundheitssys-
Auch die veränderten Empfehlungen           ordnungen. Weitere Wirkstoffe, deren         tem verursacht.
zum Einsatz von Fluorchinolonen (sie-       absolute Verordnungszahlen in diesem
he Kasten Seite 5), machen sich in der      Zeitraum stiegen, sind die Penicilline Pi-   Einige generelle Grundsätze sollten da-
Statistik bemerkbar: Der Verordnungs-       vmecillinam und Amoxicillin (als Einzel-     her bei jeder Verordnung beachtet wer-
anteil sank von 11,6 auf nur mehr 7,2       wirkstoff), die Cephalosporine Cefalexin     den:
Prozent. Dieser Anteil sollte bei konse-    und Cefuroxim sowie die unter „Sonsti-
quenter Umsetzung der Anwendungs-           ge Antibiotika“ klassifizierten Wirkstoffe   1. Antibiotika sollten nur eingesetzt wer-
einschränkungen in den kommenden            Fosfomycin, Nitrofurantoin und Metro-           den, wenn ein klarer Nutzen erwartet
Jahren noch weiter sinken.                  nidazol.                                        werden kann.
                                                                                         2. Wenn ein Antibiotikum zum Einsatz
Bei den verordneten Wirkstoffen bzw.        Azithromycin war 2019 das am zweit-             kommt, soll ein dem wahrscheinli-
Wirkstoffkombinationen (Abbildung 3,        häufigsten verordnete Antibiotikum.             chen Erregerspektrum entsprechen-
Seite 7) dominiert nach wie vor Amoxi-      Die moderaten Steigerungen im Ver-              des Mittel eingesetzt werden. Das
cillin in Kombination mit Clavulansäure.    gleich zu 2015 werden von den sehr              Wirkspektrum des Antibiotikums
Präparate mit dieser Wirkstoffkombi-        starken Rückgängen der anderen Ma-              sollte dabei so breit wie nötig und so
nation waren 2019 allein für 31 Prozent     krolidantibiotika deutlich übertroffen.         schmal wie möglich sein. Lokale Re-
der Antibiotikaverordnungen verant-         Ebenfalls rückgängige Verordnungs-              sistenzdaten sollen dabei berücksich-
wortlich, 2019 wurden absolut mehr          zahlen gab es vor allem für Ciprofloxacin       tigt werden.
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01_2021 FORUM Arztpraxis   7

                                            WIRKSTOFF(E)                  KLASSE                2015        20192015–2019

                                            Amoxicillin + Clavulansäure   Penicillin        1.432.576    1.483.341   +50.765
                                            Clarithromycin                Makrolid           491.007      216.305 -274.702
                                            Azithromycin                  Makrolid           470.768     490.696     +19.928
                                            Clindamycin                   Lincosamid         384.991      327.304    -57.687
                                            Ciprofloxacin                 Fluorchinolon      348.005      193.873 -154.132
                                            Cefaclor                      Ceph., 2. Gen.     242.333      221.507    -20.826
                                            Amoxicillin                   Penicillin         223.489     248.466     +24.977
                                            Penicillin V                  Penicillin          177.437     147.230    -30.207
                                            Cefalexin                     Ceph., 1. Gen.      173.936     192.776    +18.840
                                            Cefuroxim                     Ceph., 2. Gen.     149.206      153.566     +4.360

3. Die Darreichungsform und die Do-         Doxycyclin                    Tetrazyklin         148.479      35.190 -113.289
   sierung des Antibiotikums soll nach      Moxifloxacin                  Fluorchinolon      134.709      68.449 -66.260
   patientenindividuellen   Merkmalen       Pivmecillinam                 Penicillin          125.721     186.492    +60.771
   gewählt werden.
4. Die Therapiedauer sollte so lang wie     Cefpodoxim                    Ceph., 3. Gen.     106.528       76.786    -29.742
   nötig und so kurz wie möglich sein, da   Penicillin V-Benzathin        Penicillin         102.533       96.373     -6.160
   eine zu kurze Anwendung den Thera-       Fosfomycin                    Sonstige            99.942     144.606 +44.664
   pieerfolg gefährdet, während eine zu
   lange Antibiotikaeinnahme die Ent-       Metronidazol                  Sonstige            98.055      102.874     +4.819
   wicklung von Resistenzen begünstigt.     Josamycin*                    Makrolid             97.373      10.979 -86.394
                                            Levofloxacin                  Fluorchinolon       88.578       58.041 -30.537
Leitliniengerechte
Anwendung von Antibiotika                   Sultamicillin                 Penicillin            74.115     54.439 -19.676
beim unkomplizierten                        Minocyclin                    Tetrazyklin          68.112       6.338 -61.774
Harnwegsinfekt                              Nitrofurantoin                Sonstige             51.652      64.972 +13.320

Ein Beispiel für die Anwendung dieser       Roxithromycin                 Makrolid             45.167      29.665 -15.502
Grundsätze bietet die Therapie des un-      Trimethoprim                  Trimethoprim**       39.104     35.850      -3.254
komplizierten Harnwegsinfekts (HWI),        Norfloxacin                   Fluorchinolon        31.099        5.921 -25.178
die auch in aktuellen Leitlinien umge-
setzt sind.2,3 Ein unkomplizierter HWI      Abb. 3: Verordnungszahlen von Antibiotika auf Kosten der österreichischen
liegt insbesondere bei nicht-schwange-      		      Krankenversicherungsträger nach Jahr und Wirkstoff gereiht nach der
ren Frauen vor, wenn die Symptome nur       		      Verordnungsmenge 2015. Ceph. = Cephalosporin; Gen. = Generation.
auf den unteren Harntrakt beschränkt        		      Quelle: BIG.
sind, keine relevanten funktionellen        * In Österreich sind aktuell keine Arzneispezialitäten mit dem Wirkstoff Josamycin
oder anatomischen Anomalien im Harn-           mehr verfügbar.
                                            ** Trimethoprim wird nach ATC-Klassifizierung zusammen mit Sulfonamiden in
trakt, keine Nierenfunktionsstörungen
                                               eine Klasse gestellt.
und keine relevanten Vor- bzw. Beglei-
terkrankungen vorliegen, die eine Harn-
wegsinfektion oder gravierende Kom-
plikationen begünstigen.2                   ist beim unkomplizierten HWI primär         kokken, andere Erreger sind selten.2
                                            nicht erforderlich, da das Erregers-        Das Hauptziel der Behandlung liegt in
Anhand der typischen Symptome               pektrum relativ einheitlich ist: Esche-     einer möglichst schnellen Linderung
(Dysurie/Algurie, Pollakisurie, impera-     richia coli stellt zum überwiegenden        der Symptomatik. Obwohl Spontanhei-
tiver Harndrang, Schmerzen oberhalb         Teil den Hauptverursacher von HWI           lungsraten von 30 bis 50 Prozent nach
der Symphyse), eventuell unter Zuhil-       dar, daneben finden sich noch Proteus       einer Woche berichtet werden, wird
fenahme eines Harnteststreifens (Leu-       mirabilis, Staphylococcus saprophyti-       generell eine antibiotische Behand-
kozyten, Nitrit, Erythrozyten/Hb), wird     cus (und andere Staphylokokken),            lung empfohlen, allenfalls bei Patien-
die Diagnose gestellt. Eine Harnkultur      Klebsiella pneumoniae sowie Entero-         tinnen mit leichten bis mittelschweren
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WIRKSTOFFKLASSE                            E.-COLI RESISTENT              K. PNEUMONIAE RESISTENT

Aminoglykoside                                  5,1 %   a
                                                                                        4,4 %    a

Aminopenicilline                              42,6 %    a
                                                                                          n.d.
Aminopenicilline + BLI                        13,2 %    a
                                                                                    13,4 %       a

Cephalosporine, 2. Generation                  10,1 %   a
                                                                                        11,9 %   a

Fluorchinolone                                16,4 %    a
                                                                                        11,1 %   a

Fosfomycin                                       2%     b
                                                                                          n.d.
Nitrofurantoin                                 1,4 %    a
                                                                                          n.d.
Pivmecillinam                                  6,6 %    a
                                                                                        9,7 %    a

Sulfamethoxazol + Trimethoprim                22,5 %    a
                                                                                    13,6 %       a

Trimethoprim                                  24,1 %    a
                                                                                         12 %    b

Abb. 4: Resistenzraten von E.coli und K. pneumoniae gegenüber ausgewählten Antibiotikaklassen
		      und Einzelwirkstoffen.
		      BLI: Betalactamase-Inhibitoren, n.d.: keine Daten verfügbar.
		      a AURES 20184, die Daten beziehen sich auf aus Harnproben gewonnenen Isolaten aus dem
			 intra- und extramuralen Bereich in Österreich.
		      b labors.at: Jahresbericht 20195, die Daten beziehen sich auf aus Harnproben bei
			 unkompliziertem HWI gewonnenen Isolaten aus Wien und umgebenden Regionen.

Symptomen kann die alleinige sympto-       nen (z. B. Ciprofloxacin, Moxifloxacin),
matische Therapie (z. B. mit NSAR oder     Cephalosporinen der 2. Generation
Phytopharmaka unter Beachtung der           (z. B. Cefuroxim, Cefaclor) sowie für
Kontraindikationen) als Alternative zur    Trimethoprim allein und in Kombina-
antibiotischen Behandlung erwogen          tion mit Sulfamethoxazol (Cotrimoxa-
werden. Die Entscheidung sollte aber       zol). Aminoglykoside (z. B. Gentamicin)
im Konsens mit der Patientin erfolgen. 2   weisen niedrige Resistenzraten auf, al-
                                           lerdings sind diese Wirkstoffe aufgrund
Regionale Unterschiede                     ihrer schlechten Bioverfügbarkeit nur
der Resistenzlage                          begrenzt anwendbar (keine orale An-
                                           wendung möglich) und kommen nur
Wie erwähnt, orientiert sich die Auswahl   äußerst selten zum Einsatz.
des Antibiotikums am Erregerspektrum
und der Resistenzlage. Wirkstoffe, für     Als Antibiotika der ersten Wahl werden
die Resistenzraten über zehn Prozent       daher Wirkstoffe empfohlen, die nied-
dokumentiert sind, sollen nur nach Aus-    rige Resistenzraten aufweisen und oral
testung im Antibiogramm eingesetzt         verfügbar sind: Fosfomycin (3 g einma-
werden.4,5 Aktuelle österreichische Re-    lige Abendgabe nach entleerter Harn-
sistenzdaten für die Leitkeime E.coli      blase), Nitrofurantoin (100 mg 2 x täg-
und K. pneumoniae gegenüber ausge-         lich für 5 bis 7 Tage) sowie Pivmecillinam
wählten Antibiotikaklassen bzw. Einzel-    (400 mg 2 bis 3 x täglich für 3 Tage).2, 3
wirkstoffen finden sich in Abbildung 4
oben. Es ist aber zu beachten, dass es     Dass diese Empfehlungen umgesetzt
durchaus regionale Unterschiede ge-        werden, zeigt sich auch an den steigen-
ben kann.                                  den Verordnungszahlen dieser Wirk-
                                           stoffe entgegen dem allgemeinen Trend
Es zeigen sich kritische Resistenzra-      (Abb. 3, Seite 7).
ten gegenüber Aminopenicillinen (z. B.
Amoxicillin), auch in Kombination mit
Betalactamase-Inhibitoren (z. B. Amo-
xicillin + Clavulansäure), Fluorchinolo-
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01_2021 FORUM Arztpraxis   9

Literatur
                                                       3. Arznei und Vernunft: Leitlinie Antiinfektiva.
1. European Medicines Agency: Disabling and
                                                          Wien 2018. Online verfügbar unter http://www.
   potentially permanent side effects lead to
                                                          arzneiundvernunft.at/uploads/190902_Leitli-
   suspension or restrictions of quinolone and
                                                          nie_Antiinfektiva_Onlineversion_610_DE.pdf.
   fluoroquinolone antibiotics (11.03.2019). Online
   verfügbar unter https://www.ema.europa.eu/en/       4. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit,
   documents/referral/quinolone-fluoroquinolo-            Pflege und Konsumentenschutz: Resistenzbe-
   ne-article-31-referral-disabling-potentially-per-      richt Österreich AURES 2018 – Antibiotikaresis-
   manent-side-effects-lead_en.pdf.                       tenz und Verbrauch antimikrobieller Substanzen
                                                          in Österreich. Wien, 2020. Online verfügbar
2. Deutsche Gesellschaft für Urologie: Inter-
                                                          unter https://www.analyse.eu/content/inhalte/
   disziplinäre S3-Leitline – Epidemiologie, Diag-
                                                          nationales_referenzzentrum/antibiotikaresis-
   nostik, Therapie, Prävention und Management
                                                          tenz/index_ger.html.
   unkomplizierter, bakterieller, ambulant erwor-
   bener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen           5. Labors.at: Antibiotika-Resistenz häufiger
   Patienten. Aktualisierung 2017. Online verfügbar       bakterieller Erreger – Jahresbericht 2019. Wien,
   unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/          2020. Online verfügbar unter https://www.
   ll/043-044.html.                                       labors.at/wp-content/uploads/2020/08/Anti-
                                                          biotika-Jahresbericht-2019_V9.pdf.
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10   FORUM Arztpraxis 01_2021

Neuer Ansatz zur
Cholesterol-Senkung
Bempedoinsäure gut verträglich

                                Seit 1. November 2020 ist der neue oral verfügbare Choles-
                                terol-Synthesehemmer Bempedoinsäure in der roten Box
                                des Erstattungskodex. Nilemdo ist das Monotherapeutikum
                                und Nustendi die Fixkombination mit Ezetimib.

                                Beide Präparate sind indiziert bei Er-      oder Armen. Bempedoinsäure erhöht
NEU AM                          wachsenen mit primärer Hypercholes-         die Plasmakonzentration von Stati-
                                terinämie (heterozygoter familiärer und     nen. Simvastatin-Dosen von mehr als
MARKT                           nicht familiärer) oder gemischter Dys-      40 mg dürfen in Kombination mit Ni-
                                lipidämie. Sie können mit einem Statin      lemdo nicht angewendet werden.
                                kombiniert eingenommen werden oder          Nilemdo ist während der Schwanger-
                                auch bei Statinintoleranz (oder wenn        schaft und Stillzeit kontraindiziert.1,3,6
                                ein Statin kontraindiziert ist). Nilemdo
                                als Monotherapie und Nustendi als Fix-      Eine weltweite Studie zum Einfluss von
                                kombination mit Ezetimib sind einmal        Bempedoinsäure auf die Inzidenz kar-
                                täglich oral einzunehmen.1,2,3              diovaskulärer Ereignisse (CLEAR Out-
                                Wenn Bempedoinsäure zusätzlich zu           come) läuft noch und die Ergebnisse
                                Statinen gegeben wird, kommt es zu          werden für 2022 erwartet.7
                                einer durchschnittlichen zusätzlichen
                                Reduktion des LDL-Cholesterins um           Quellen (Stand 08.02.2021):
                                28 Prozent.4                                1 https://www.gelbe-liste.de/nachrichten/nilem-
                                                                              do-bei-hypercholesterinaemie
                                Bempedoinsäure hemmt wie die Stati-         2 https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/
                                                                              detail/pharmazie/nilemdo-nustendi-neue-the-
                                ne die Cholesterolbiosynthese, ist aller-     rapien-bei-hypercholesterinamie-sen-
                                dings im Gegensatz zu diesen hepato-          kung-von-ldl-cholesterin
                                                                            3 https://arznei-news.de/bempedoinsaeure/
                                selektiv. Das Prodrug Bempedoinsäure        4 https://www.kup.at/kup/pdf/14729.pdf
                                wird durch selektive hepatische Meta-       5 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/
                                                                              eu-zulassungsempfehlung-fuer-bempedoin-
                                bolisierung mithilfe des Enzyms ACS-          saeure/
                                VL1 (very long-chain acyl-CoA Synthe-       6 https://www.daiichi-sankyo.at/fileadmin/dai-
                                tase) in die Wirkform ETC-1002-CoA            ichi-sankyo-contents/DS_AT/Downloads/Pro-
                                                                              ducts/Nilemdo_PIL_AT_0100_118594_KA_okA-
                                übergeführt. Da ACSVL1 nicht in den           RAC_okDSAT.pdf
                                Skelettmuskelzellen exprimiert wird,        7 https://www.kardiologie.org/praevention---reha-
                                                                              bilitation/cholesterinsenker-bempedoinsaeu-
                                kommt es anders als bei den Statinen          re-in-europa-zugelassen/17874232
                                zu keiner Beeinflussung der muskulären
                                Cholesterolbiosynthese. Die für Statine
                                typische Nebenwirkung von Muskel-
                                schmerzen (im schlimmsten Fall: Rhab-
                                domyolyse) ist daher nicht zu erwarten.
                                Bempedoinsäure ist gut verträglich.3,4,5

                                Zu den häufigsten unerwünschten Wir-
                                kungen zählen Hyperurikämie, Anämie,
                                Erhöhung der Lebertransaminasen
                                und Schmerzen in Schultern, Beinen
01_2021 FORUM Arztpraxis           11

Polypharmazie
an der Schnittstelle
Medikationsgenauigkeit bei Übergängen der Pflege

Risiken und Nebenwirkungen der Polypharmazie sind in medizinischen
Fachkreisen hinlänglich bekannt – eine besondere Herausforderung stellen
sie an den „transitions of care“ dar. Im Krankenhaus der Barmherzigen Brü-
der Linz begegnet man dieser mit klinisch-pharmazeutischer Betreuung.

Bereits 2006 wurde von der WHO das         len (Patient, Medikationsliste, Befunde    Polypharmazie zur Vermeidung Arznei-
„High 5s“-Projekt initiiert, das auf die   früherer Aufenthalte aus der elektroni-    mittel-bedingter Zwischenfälle vor al-
Entwicklung und Implementierung von        schen Patientenakte), überprüft der wäh-   lem durch erweiterte Medikation wäh-
Standardarbeitsanweisungen (SOPs)          rend der Aufnahme anwesende Pharma-        rend des Spitalsaufenthalts beitragen.
abzielt – für eine nachhaltige Reduzie-    zeut insbesondere das Vorliegen von:
rung herausfordernder Probleme der         ● Möglichen            Wechselwirkungen    Die Wichtigkeit dieser intramuralen
Patientensicherheit. Eine dieser SOPs         (z. B. erhöhtes Blutungsrisiko, QT-     Maßnahmen wurde mit der Verleihung
befasst sich mit der „Medikationsge-          Zeitverlängerung, Elektrolytverschie-   des „Austrian Patient Safety Awards
nauigkeit bei Übergängen der Pflege“,         bungen)                                 2019“ in der Kategorie „Medikations-
sprich beim Wechsel eines Patienten        ● Doppelverordnungen (z. B. inhala-        sicherheit“ sowie des „INTEGRI – Ös-
vom extra- in den intramuralen Bereich        tive        Beta-2-Sympathomimetika,    terreichischer Preis für Integrierte Ver-
und retour. Kritisch ist dieser Übergang      RAAS-Inhibitoren)                       sorgung 2020“ unterstrichen. Um alle
in punkto Medikationssicherheit vor al-    ● Arzneimitteln ohne Indikation (z. B.     Facetten der Polypharmazie - Proble-
lem bei Vorliegen von Polypharmazie,          PPIs)                                   matik in den Griff zu bekommen bedarf
die als „gleichzeitiger und regelmäßiger   ● Dosierungs- oder Anwendungsfeh-          es einer intensiven Zusammenarbeit al-
Gebrauch von vier oder mehr rezept-           lern (z. B. NOAKs)                      ler am Medikationsprozess Beteiligten,
freien, rezeptpflichtigen oder traditio-   ● Potenziell inadäquater Medikation        nicht zuletzt des Patienten selbst, der
nellen Arzneimitteln“ definiert wird.         für ältere Menschen lt. PRISCUS-Lis-    im Sinne einer gestärkten Gesundheits-
                                              te (z. B. Hydroxyzin)                   kompetenz auch für die kontinuierliche
Grundvoraussetzung für eine sichere                                                   Aktualisierung seiner Medikationsliste
Arzneimittelverordnung während des         Das Herzstück der klinisch-pharmazeu-      sensibilisiert werden sollte.
stationären Aufenthalts ist die Erfas-     tischen Betreuung stellt der sogenann-
sung der aktuellen Medikation des Pa-      te „Pharmazeutische Medikations-                                Mag. pharm. Stefanie
tienten (BPMH – best possible medica-      check“ dar, der kontaktlos anhand der in                        Schulz-Wulkow, MSc
                                                                                       Anstaltsapotheke Barmherzige Brüder Linz
tion history), die entsprechend der High   der elektronischen Patientenakte vor-
5s-SOP idealerweise von einem Apo-         liegenden Medikationsdaten und Be-
theker erfolgen sollte. Dieser Empfeh-     funde für möglichst jeden stationären      Quellen:
                                                                                      https://www.who.int/patientsafety/topics/
lung wurde das Krankenhaus der Barm-       Patienten von einem Krankenhausapo-        high-5s/en/
herzigen Brüder Linz im März 2015          theker durchgeführt wird. Zusätzlich       World Health Organization (WHO): Medication
durch Implementierung des pharma-          zu den angeführten Kontrollen erfolgt      without Harm; 2017
                                                                                      https://www.plattformpatientensicherheit.at/
zeutischen Aufnahmemanagements             eine Überprüfung der Laborparame-          patientensicherheit-apsa-2019.php
für geplante stationäre Aufnahmen an       ter, gegebenenfalls wird eine Dosisan-     https://www.integri.at/

der Abteilung für Chirurgie gerecht.       passung bei verminderter glomerulärer
                                                                                      Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei
                                           Filtrationsrate oder Leberschäden vor-     Personenbezeichnungen und personen-
Neben der korrekten und vollständigen      geschlagen. Diese Informationen wer-       bezogenen Hauptwörtern die männliche Form
                                                                                      verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im
Erfassung der gesamten Medikation un-      den als Befund für das Ärztepersonal       Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle
ter Nutzung multipler Informationsquel-    eingelesen und sollen bei bestehender      Geschlechter.
12   FORUM Arztpraxis 01_2021

TNF-alpha-Blocker
Effiziente Biosimilars gelistet

                                           TNF-alpha-Blocker sind entzündungshemmende und im-
                                           munsuppressive Arzneimittel, die durch gezielte Hemmung
                                           des pro-inflammatorisichen Zytokins TNF-alpha ihre Wir-
                                           kung entfalten und das Entzündungsgeschehen positiv
                                           beeinflussen. Eingesetzt werden sie bei rheumatischen
                                           Erkrankungen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
PRAXIS                                     und Psoriasis.
AKTUELL
                                           Derzeit im Erstattungskodex verfüg-         grünen Box gelistet. Nur Certolizumab
                                           bar sind die Wirkstoffe Adalimumab,         und Golimumab befinden sich in der
                                           Certolizumab, Etanercept, Golimumab         gelben Box (RE1). Die österreichische
                                           und Infliximab. Sowohl die Orginal-         Sozialversicherung hat orientierende
                                           präparate als auch die Biosimilars, von     Kriterien für den zweckmäßigen Einsatz
                                           Adalimumab und Etanercept sind in der       von Adalimumab, Infliximab und Eta-
                                                                                       nercept unter folgendem Link verfasst:
                                                                                       https://www.sozialversicherung.at/cds
                                                                                       content/?contentid=10007.844502&
                                                                                       portal=svportal
Checkliste vor Einleitung einer immunsuppressiven Therapie
                                                                                       Nach Ausschöpfung der Basistherapie
1 Abklärung der Gegenanzeigen                                                          bei den jeweiligen Erkrankungen stellen
    ● bekannte Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder
    ●                                                                                  TNF-alpha-Blocker eine sehr effiziente,
 			 einem anderen Bestandteil                                                         aber gleichzeitig teure Therapieoption
 ● ● aktive/latente Tuberkulose                                                        dar.
  ● ●		 aktive HBV-Infektion, HIV-Infektion
    ●		schwere Infektionen wie Sepsis aufgrund von bakteriellen, myko-                 In Oberösterreich betrugen die Kosten
    		 bakteriellen, invasiven Pilz-, Parasiten-, viralen oder anderen opportunisti-   für diese Medikamentengruppe im Jahr
    		 schen Infektionen, wie z. B. Listeriose, Legionellose und Pneumocystis-         2019 rund 17,5 Millionen Euro (Quelle:
			 infektion                                                                          BIG).
● ●		 Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV)

→keine Initiierung der Therapie bei Vorliegen einer Kontraindikation
                                                                                       Nebenwirkungen

     Vorsicht geboten ist bei:                                                         Zu den häufigsten Nebenwirkungen
● neurologischen Erkrankungen                                                          von TNF-alpha-Blockern zählen In-
 ● Malignomen in der Anamnese                                                          fektionen, vor allem bakterielle oder
  ● chronischen Lebererkrankungen                                                      virale Infekte der unteren und oberen
   ● Schwangerschaft und Stillzeit                                                     Atemwege, Reaktionen an der Injekti-
                                                                                       onsstelle sowie allergische Reaktionen.
2 Überprüfung/Aktualisierung des Impfstatus
                                                                                       Auch schwere Infektionen mit zum Teil
3 Erfassung des klinischen und eventuell radiologischen Status,                        lebensbedrohlichem oder tödlichem
  sowie Blutabnahme                                                                    Verlauf, wie Tuberkulose, Sepsis und
                                                                                       opportunistische Infektionen können
                                                                                       aufgrund der supprimierten Infektions-
Bei den regelmäßig erforderlichen Verlaufskontrollen, die durch entsprechende
FachärztInnen erfolgen, sollten neben dem Ansprechen der Therapie unbedingt            abwehr vermehrt auftreten.
das Auftreten von Nebenwirkungen beachtet werden.
01_2021 FORUM Arztpraxis    13

Zu beachten:                               miert werden, bei Symptomen wie z. B.        angedacht werden. Die therapie-
                                           anhaltendem Fieber, Hämatome, Blu-           begleitende Überwachung durch
Die Verkehrstüchtigkeit und die Fähig-     tungen oder Blässe, unverzüglich einen       Fachärzte ermöglicht eine individuel-
keit Maschinen zu bedienen, sind nach      Arzt zu konsultieren.                        le Anpassung der Medikamentendo-
Gabe von TNF-alpha-Blockern beein-                                                      sierung oder des Injektionsintervalls.
trächtigt.                                 Ökonomische                                  Auf diese Weise kann eine individua-
                                           Einsparpotenziale                            lisierte, zielgerichtete und kostenspa-
Im Rahmen der Therapie ist die Bildung                                                  rende Patientenversorgung gewähr-
von patienteneigenen Antikörpern           ●   Durch die Preisdifferenz zwischen        leistet werden.
möglich, welche in der Regel zur Min-          Referenzbiologika und Biosimilars
derung des Therapieeffektes führen.            können bei gleicher Behandlungs-
Dieser Wirkverlust entsteht in Folge ei-       qualität Kosten gespart werden. Da-
ner Komplexbildung von Wirkstoff und           her bitten wir Sie, insbesondere bei
Antikörper, welche die Konzentration           Neueinstellungen, die als Biosimilar
an biologisch aktivem Wirkstoff senkt.         verfügbaren Infliximab, Adalimumab
                                               und Etanercept-Produkte vorrangig
Bei allen TNF-alpha-Blockern ist eine          zu verordnen (siehe Tabelle unten).
Kombinationstherapie mit Methotrexat
zugelassen und wird bei Infliximab auf-    ●   Bei Erreichung einer anhaltenden
grund der Gefahr der Antikörperbildung         Remission kann bei einzelnen Krank-
und der abnehmenden Wirkung bei ei-            heitsbildern unter engmaschiger
ner Monotherapie sogar gefordert.              Verlaufskontrolle eventuell eine Aus-
PatientInnen müssen darüber infor-             dehnung der Applikationsintervalle

 Medikament                       Wirkstoff              Box       Applikation         Wirkstärke        Therapiekosten

 Hulio, Imraldi, PM             Adalimumab                G             s.c.             40 mg                 günstig
 Idacio PM                      Adalimumab                G             s.c.             40 mg
 Amgevita, Benepali             Etanercept                G             s.c.             40 mg, 50 mg
 Enbrel, Humira, Hyrimoz PM     Adalimumab                G             s.c.             50 mg, 40 mg
 Remsima, Inflectra             Infliximab                G             i.v.             100 mg
 Zessly                         Infliximab                G             i.v.             100 mg
 Flixabi                        Infliximab                G             i.v.             100 mg
 Cimzia                         Certolizumab              Y RE1         s.c.             200 mg
 Simponi                        Golimumab                 Y RE1         s.c.             50/100 mg             teuer

Preisstand 02/2021
14   FORUM Arztpraxis 01_2021

Gut begleitet von Anfang an
Frühe Hilfen OÖ
Bedarfsgerechte Unterstützung
Ein Beratungs- und Unterstützungsprogramm für
Schwangere, Familien mit kleinen Kindern – und eine
Erleichterung für Ärztinnen und Ärzte.

Frau A., eine alleinerziehende Mutter       früh hergestellt werden kann – im Opti-     gehen aber einen Schritt weiter, indem
mit zwei kleinen Kindern kommt in die       malfall bereits in der Schwangerschaft.     sie versuchen, belastete Familien ak-
Ordination ihres Hausarztes, da eines       Hier setzen Frühe Hilfen an.                tiv und systematisch zu erreichen und
ihrer Kinder starke Bauchschmerzen                                                      dann auch über längere Zeit kontinu-
hat. Frau A. wirkt auf ihn niederge-        Frühe-Hilfen-Netzwerke dienen der           ierlich und umfassend zu begleiten.
schlagen, energielos und zerstreut. Der     bedarfsgerechten Unterstützung von          Zusätzlich wird viel in die fallübergrei-
Hausarzt kann bei der Untersuchung          Familien in belastenden Situationen         fende wie fallbezogene Kooperation
des Kindes keinerlei organische Ursa-       in der Lebensphase der frühen Kindheit      und Vernetzung investiert (sogenannte
chen feststellen und entlässt die junge     (Schwangerschaft und erste Lebensjah-       Lotsenfunktion).
Mutter mit ein paar hilfreichen Ernäh-      re eines Kindes). Was dabei als Belas-
rungstipps.                                 tung verstanden werden kann, ist sehr       Der Hausarzt von Frau A. kennt das
                                            breit angelegt. So können Fragen zum        Programm „Gut begleitet von Anfang
Wenige Tage nach diesem Besuch              Stillen oder Schlafen des Babys genau-      an (Frühe Hilfen OÖ)“ und spricht
meldet sich Frau A. wieder in der Or-       so darunter fallen wie körperliche oder     Frau A. auf das Angebot an. Frau A.
dination. Das Kind habe immer noch          psychische Erkrankungen eines Eltern-       willigt ein, dass der Hausarzt mit der
Bauchschmerzen. Beim erneuten Be-           teils oder andere zentrale Lebensthe-       zuständigen        Netzwerkmanagerin
such bricht Frau A. in der Ordination in    men (z. B. Arbeitslosigkeit, Sucht, Tod     Kontakt aufnimmt. Diese meldet sich
Tränen aus und meint, dass sie das alles    eines nahen Angehörigen).                   umgehend bei Frau A. und vereinbart
nicht mehr schaffe. Neben den finanzi-                                                  einen Termin. In einem persönlichen
ellen Nöten, die Frau A. aufgrund der       Im Zentrum der Maßnahme steht ein           Gespräch klären die Netzwerkmana-
unterbliebenen Unterhaltszahlungen          regionales Netzwerk, das als multipro-      gerin und Frau A. die Sachlage. Frau
des Vaters der Kinder treffen, hat Frau     fessionelles     Unterstützungssystem       A. erhält unmittelbar eine Familienbe-
A. gerade ihren Arbeitsplatz in einem       mit gut koordinierten, vielfältigen Ange-   gleiterin zur Seite gestellt, die die Fa-
Unternehmen verloren – und jetzt ist        boten für Eltern und Kinder fungiert. Ein   milie regelmäßig aufsucht. Die Famili-
auch noch das Kind erkrankt und er-         Netzwerk-Management kümmert sich            enbegleitung hilft Frau A., ihren Alltag
schwert ihr die Jobsuche. Frau A. ist       um den Aufbau und die laufende Pflege       zu strukturieren und vermittelt rasch
ratlos und verzweifelt.                     der Kooperationen. Kern der vertiefen-      einen Termin beim AMS.
                                            den Unterstützung ist eine Familienbe-
Solche oder ähnliche Fälle können von       gleitung über einen längeren Zeitraum,      Darüber hinaus unterstützt die Fa-
den Mitarbeiterinnen des kostenlosen        die eine Beziehungs- und Vertrauens-        milienbegleiterin Frau A. dabei, für
Programms „Gut begleitet von Anfang         basis mit den Familien herstellt.           das kleinere Kind einen Platz in einer
an (Frühe Hilfen OÖ)“ übernommen                                                        Krabbelstube zu finden. Auch stellt sie
und begleitet werden:                       Darüber hinaus gibt es in den jeweiligen    den Kontakt zur Kinder- und Jugend-
                                            Bezirken auch spezifische Angebote für      hilfe her, um einen geordneten Weg
Familien brauchen mitunter zusätzliche      spezifische Problemlagen. Diese Ange-       aus den finanziellen Nöten von Frau
Unterstützung, damit sie ihren Kindern      bote sind sehr wertvoll, erreichen aber     A. zu finden und die Situation mit dem
gute Rahmenbedingungen für das              nicht immer jene Familien, die eine Un-     Vater der Kinder zu klären.
Aufwachsen bereitstellen können. Man        terstützung am dringendsten und not-
hat erkannt, dass es sich in vielfacher     wendigsten brauchen würden. Die regi-       Die Maßnahme „Gut begleitet von
Hinsicht als sehr wirkungsvoll heraus-      onalen Frühe-Hilfen-Netzwerke bauen         Anfang an (Frühe Hilfen OÖ)“ wird
stellt, wenn der Kontakt zu Familien sehr   auf diesen verfügbaren Angeboten auf,       in Oberösterreich derzeit in den Re-
01_2021 FORUM Arztpraxis    15

gionen und Bezirken Linz und Um-
gebung, Wels und Wels-Land, Steyr       Helfen aber auch Sie mit, das Netzwerk der Frühen Hilfen
und Steyr-Land sowie in den Bezirken    noch enger zu knüpfen, indem Sie Schwangere und Familien mit
Vöcklabruck und Kirchdorf angebo-       kleinen Kindern auf das Angebot aufmerksam machen!
ten. Ab dem Jahr 2024 ist es geplant,
diese Maßnahme flächendeckend an-       Ihre Kontakte in den Regionen:
zubieten.                               Linz/Linz-Land/Urfahr-Umgebung:        Doris Rögner             0676 512 38 45
                                        Wels/Wels-Land:                        Veronika Ehrengruber     0676 512 39 13
Auftraggeber dieses Projekts sind die   Steyr/Steyr-Land:                      Elisabeth Wurzer         0676 512 38 50
oö. Krankenversicherungsträger sowie    Vöcklabruck und Kirchdorf:             Alexandra Wambacher      0676 512 12 03
das Land OÖ. Das Netzwerkmanage-
ment sowie die Familienbegleitung       Sie sind näher an dieser Thematik interessiert?
erfolgt durch geschultes Fachperso-     Auf der Seite des Nationalen Zentrums für Frühe Hilfen finden Sie ein umfang-
nal des Diakonie Zentrum Spattstraße.   reiches Fortbildungsangebot:
Die Finanzierung des Projekts erfolgt   https://www.fruehehilfen.at/de/Service/Fortbildungen/Literaturstudium-zu-ACE.htm
über Vorsorgemittel der Bundesge-
sundheitsagentur (BGA) und Mittel       Nähere Informationen zum Angebot in den anderen Bundesländern erhalten
des Landesgesundheitsförderungs-        Sie unter: www.gesundheitskasse.at/fruehehilfen
fonds.

Die Fachkräfte des Programms „Gut
begleitet von Anfang an (Frühe Hilfen
OÖ)“ stehen für Fragen und zur Unter-
stützung sehr gerne zur Verfügung.
16   FORUM Arztpraxis 01_2021

 Erhöhtes Risiko für CED-
 Patienten durch Covid-19?
 Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

                                      Die 10 wichtigsten Empfehlungen                                  Zustimmungsgrad

                                      1   In dieser S2k-Leitlinie besteht insgesamt eine nur schwache Evidenz für die
                                    (1)   Empfehlungen. Handlungsempfehlungen basieren meist auf persönlichen
                                          Erfahrungen und Analogieschlüssen zu anderen Krankheitsbildern. Notwendige
                                          Entscheidungen zur Anpassung der Therapie (medikamentös oder operativ) sollten
                                          somit immer der aktuellen Datenlage angepasst werden.      Starker Konsens (98 %)
MEDIZIN                              2
                                  (1.1)
                                          Patienten mit einer CED haben generell kein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit
                                          SARS-CoV-2. Dennoch sollten Patienten sorgfältig individuelle Schutzmaßnahmen
                                          ergreifen.                                                 Starker Konsens (95 %)
AKTUELL                              3    Patienten mit einer CED und einer immunsuppressiven Therapie haben ein erhöh-
                                 (1.2)    tes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und sollten deshalb sorgfältig individuelle
                                          Schutzmaßnahmen umsetzen. Der Grad der Risikoerhöhung scheint dabei für einzel-
                                          ne Immunsuppressiva unterschiedlich zu sein.                       Konsens (86 %)
                                     4    Patienten mit einer CED und einer SARS-CoV-2-Infektion haben unter bestimmten
                                 (1.3)    Bedingungen (Komorbiditäten/Risikofaktoren) ein erhöhtes Risiko für einen schweren
                                          Verlauf der COVID-19-Erkrankung. Diese Patienten sollten sorgfältig bezüglich einer
                                          raschen Verschlechterung ihrer Erkrankung überwacht werden.        Konsens (93 %)
                                     5    Während der Pandemie sollten Patientenvorstellungen in Einrichtungen des Gesund-
                                  (2.1)   heitswesens restriktiv erfolgen. CED-Sprechstunden sollten unter Berücksichtigung
                                          der Dringlichkeit der Vorstellung und unter Optimierung der Infektionsschutzmaß-
                                          nahmen wie räumlicher Distanzierung und nach Ausnutzen von Möglichkeiten der
                                          Telemedizin fortgeführt werden.                                    Konsens (86 %)
                                    6     Während der Pandemie sollten sämtliche endoskopischen Untersuchungen unter
Nach wie vor hält die            (2.2)    besonderen Schutzmaßnahmen stattfinden. Das Ausmaß der Schutzmaßnahmen
COVID-19-Erkrankung die                   sollte risikoadaptiert erfolgen.                           Starker Konsens (98 %)
                                     7    Patienten mit einer CED und einer immunsuppressiven Therapie haben
Welt in Atem. Vor allem           (3.1)   generell kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infekti-
Menschen mit bestehen-                    on. Eine immunsuppressive Therapie sollte deshalb bei einer leichten bis moderaten
den Erkrankungen wie z. B.                COVID-19-Erkrankung nicht reduziert werden. Eine Ausnahme bilden die länger
                                          dauernde Therapie mit systemischen Steroiden insbesondere in Dosierungen größer
CED sind verunsichert und                 20 mg Prednisonäquivalent/Tag. Diese sollte daher möglichst vermieden oder, soweit
stellen sich viele Fragen.                klinisch vertretbar, reduziert und beendet werden.                 Konsens (84 %)
                                    8     Bei Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung sollte die Therapie mit Thiopuri-
Um eine bestmögliche             (3.2)    nen, Methotrexat und Tofacitinib pausiert und nach Überwinden der Infektion wieder
Betreuung der CED-                        aufgenommen werden.                                                Konsens (94 %)
                                     9    Während der SARS-CoV-2-Pandemie sollte eine Biologikatherapie mit zu erwartendem
Patienten gewährleisten zu       (3.4)    raschem Wirkeintritt gegenüber einer hochdosierten systemischen Steroidtherapie im
können, haben Experten                    akuten Schub bevorzugt eingesetzt werden.                          Konsens (85 %)
ein Addendum zu den                10     Hospitalisierte Patienten mit einer CED und COVID-19-Erkrankung sollten
                                 (4.3)    mindestens eine Thromboseprophylaxe erhalten. Bei ambulanten COVID-19-
aktuellen Leitlinien erstellt.            erkrankten CED-Patienten sollte entsprechend ihres individuellen Risikoprofils und
                                          ihrer Begleitmedikation die Entscheidung für eine Thromboseprophylaxe großzügig
                                          getroffen werden.                                          Starker Konsens (95 %)

                                 Quellen (Stand 04.03.2021):
                                 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7416209/#OR475-22
                                 https://link.springer.com/article/10.1007/s15036-020-1400-z#Sec7
                                 https://covidibd.org/
                                 https://www.gastrojournal.org/article/S0016-5085(20)30655-7/pdf
01_2021 FORUM Arztpraxis   17

Medikamente
und Hitze
                                                                                                               PRAXIS
Auf sachgemäße Lagerung achten
                                                                                                              AKTUELL
Da im Sommer die Temperaturen oft weit über 30 Grad
klettern, sollte unbedingt auf eine sachgemäße Lagerung
von Medikamenten geachtet werden, denn Hitze kann die
Qualität und Wirksamkeit beeinträchtigen.

Beispiele                                                       ●   Besondere Vorsicht ist auch bei der Lagerung von diver-
                                                                    sen Sprays (z. B. Asthmasprays) geboten. Durch Hitze
●   Magistrale Zubereitungen z. B. Salben, Cremen und Gele          kann sich in den Behältern Druck aufbauen und hier ist die
    können bei hohen Temperaturen ihre Konsistenz verän-            Gefahr zu groß, dass die Spraydose explodiert. Außerdem
    dern oder sich verfärben.                                       kann das Ventil Schaden nehmen und dann ist die Dosie-
●   Besonders hitzeempfindlich reagieren Zäpfchen. Sie ver-         rungsgenauigkeit nicht mehr gegeben.
    flüssigen sich und ihre Wirkstoffe können sich anschlie-    ●   Am besten lagern Sie Arzneimittel lichtgeschützt und für
    ßend verhärten.                                                 Kinder nicht erreichbar in einem Medizinschrank. Dieser
●   Hormonpräparate wie z. B. die Pille haben wegen ihrer           sollte sich an einem trockenen und kühlen Platz befinden.
    Wirkstoffzusammensetzung eine höhere Temperatur-            ●   Ungeeignet ist das Badezimmer, denn die hohe Luft-
    empfindlichkeit als andere Medikamente und können bei           feuchtigkeit sowie die oft zu hohe Raumtemperatur, kön-
    unsachgemäßer Aufbewahrung ihre Wirkung verlieren.              nen zum Wirkverlust der Medikamente führen.
●   In Pflastern gegen Schmerzen oder zur Empfängnisverhü-
    tung kann sich die Wirkstoffverteilung ändern und es kann   Es ist unerlässlich, alle Medikamente vor Hitze zu schützen.
    zur Dosisschwankungen kommen.                               Beachten Sie die Lagerungshinweise im Beipackzettel, denn
                                                                nur so kann gewährleistet werden, dass Arzneimittel bis zu
Einige Arzneimittel müssen kühl gelagert                        ihrem Verfallsdatum wirksam und qualitativ einwandfrei
werden                                                          bleiben.

Insuline, Latanoprost-Augentropfen (z. B. Xalacom®), Salben     Quellen (Stand 15.02.2021):
(z. B. Venobene®), Probiotika (z. B. Döderlein®), Antibioti-    https://www.phago.at/fileadmin/user_upload/
                                                                PHAGO_Studie_Temperatur.pdf
ka-Suspensionen nach der Zubereitung (z. B. Augmentin®),        https://aspregister.basg.gv.at
Dosieraerosole (z. B. Foster Druckg.Inhal®), Cannabis-Mund-
spray (Sativex®), Biologika wie Proteinhormone, Blutgerin-
nungsfaktoren, Enzyme, Monoklonale Antikörper, Verhü-
tungsring (Nuva-Ring®) und auch Impfstoffe.

Tipps zur optimalen Lagerung von Medika-
menten

●   Geben Sie Acht, wenn Sie an heißen Tagen ihre Medika-
    mente im Auto transportieren müssen. Auf jeden Fall un-
    geeignet sind Armaturenbrett oder Handschuhfach, denn
    hier können Temperaturen bis 70 Grad erreicht werden.
    Bei längeren Reisen empfiehlt sich die Mitnahme einer
    Kühltasche für besonders empfindliche Medikamente.
    Allerdings sollte der Kühlakku nicht direkt mit dem Arz-
    neimittel in Berührung kommen, da dieses sonst gefrieren
    kann. Auch das beeinträchtigt die Wirkung.
18   FORUM Arztpraxis 01_2021

Heilmittelökonomie-
vereinbarung
Monitoring-Gespräche mit den oö. Krankenhäusern

2016 wurde die Heilmittelökonomievereinbarung mit den Rechts-
trägern der Krankenhäuser, dem Oberösterreichischen Gesundheits-
fonds, dem Dachverband der Österreichischen Sozialversicherung und
der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (Rechtsnachfolge
Österreichische Gesundheitskasse) abgeschlossen. Sie ist ein
nachhaltiges Instrument zur Steuerung der Heilmittelkosten in
Oberösterreich.

Alle oberösterreichischen Krankenan-      Aufgrund der Daten und der daraus
stalten haben eine Rezepturbefugnis.      resultierenden    Ökonomiepotenziale
Spitalsärzte empfehlen im Arztbrief       werden mit den Verordnern Kranken-
und verordnen Heilmittel auf Kassen-      haus-Monitoring-Gespräche geführt.
rezept zur extramuralen Verwendung        Dabei werden gemeinsam Ziele für zwei
auf Kosten der Österreichischen Ge-       Jahre vereinbart.
sundheitskasse.
                                          Beispiele für
Diese Empfehlungen und Verordnun-         Medikamenten-Ziele:
gen sind rechtlich reglementiert, z. B.
durch den EKO (Erstattungskodex)          ●   Weitere Steigerung des Generika-
und die Heilmittel-Bewilligungs- und          anteils um z. B. fünf Prozent inner-
Kontrollverordnung. Die Heilmittel-           halb von zwei Jahren.                  den verantwortlichen Entscheidungs-
ökonomievereinbarung führt die ver-       ●   Steigerung des Biosimilaranteils bei   trägern der Krankenhaus-Arzneidialog
schiedenen Rechtsregeln zusammen              Neueinstellungen auf Biologika.        2016 gegründet.
und wandelt sie in konkrete, praxisna-    ●   Routinemäßige Anwendung des
he Handlungsgrundsätze betreffend             Öko-Tools in der Rezeptiersoftware.    Vertreter der Krankenhäuser, des OÖ
Verordnungen und Empfehlungen um.                                                    Gesundheitsfonds, der Ärztekammer
                                          Beispiele für Ziele                        und der ÖGK treffen sich zweimal pro
Monitoring-Gespräche                      zur Behandlungsqualität:                   Jahr. Es werden gemeinsam Maßnah-
mit Krankenhäusern                                                                   men gesetzt, um die Ziele der Heilmit-
                                          ●   100-Prozent-Einhaltung der Regel-      telökonomievereinbarung umzusetzen.
Für jedes Krankenhaus wurde ein ei-           texte bei RE-1 Präparaten.
genes Krankenhaus-Monitoring-Blatt        ●   Weiterführung der personellen          Anteil der Generika
mit krankenhausspezifischen Daten             Unterstützung (klinische Pharma-       deutlich gestiegen
entwickelt. Die dargestellten Kosten          zeuten) zur Durchführung eines
umfassen nur die rezeptierten Medi-           Medikationschecks zur Vermeidung       Die vereinbarten Maßnahmen bieten
kamente der Krankenhaus-Stationen             von Arzneimittelinteraktionen und      die Möglichkeit, gemeinsam an der
und Ambulanzen. Die tatsächlichen             Polypharmazie bei multimorbiden        qualitätsneutralen Dämpfung der Heil-
medikamentösen Behandlungskosten              Patienten.                             mittelkostensteigerung zu arbeiten.
nach dem Krankenhausaufenthalt lie-                                                  Dadurch kann die Finanzierung des Ge-
gen wesentlich höher, da die Therapie-    Krankenhaus-Arzneidialog,                  sundheitssystems abgesichert werden.
empfehlungen der Krankenhausärzte         gemeinsame Maßnahmen                       Zudem werden finanzielle Mittel für
und die Folgeverordnungen nur dem                                                    neue innovative Versorgungsangebote,
niedergelassenen Bereich zugeordnet       Nach dem Vorbild des Arzneidialoges        Gesundheitsförderung und Prävention
werden.                                   mit der Ärztekammer OÖ wurde von           freigemacht.
01_2021 FORUM Arztpraxis   19

                                            Lecture Board:
Was die Daten betrifft, zeigt sich seit
Beginn der Krankenhaus-Monito-
ring--Gespräche beispielsweise eine         OA, Dr. Michael Girschikofsky
starke Steigerung des Generikaanteils.      Ärztlicher KH Direktor und Standortleiter der
So lag der Generika-Verordnungsanteil       I. Interne Abteilung Ordensklinikum Linz
im ersten Quartal 2016 bei allen ober-
österreichischen Krankenanstalten bei       Prim. Dr. Ernst Rechberger                      Dieser Artikel bietet Ihnen die Mög-
43,2 Prozent. Im dritten Quartal 2020       Abteilungsleitung Innere Medizin, Kranken-      lichkeit zum Erwerb von Punkten für
beträgt der Anteil 60,7 Prozent.            haus der Barmherzigen Schwestern Ried           das Diplom-Fortbildungs-Programm
                                                                                            der Österreichischen Ärztekammer.
Die größte Herausforderung oder auch                                                        Sie haben auf www.meindfp.at die
die größte Chance sehen wir in Zukunft                                                      Möglichkeit, den ausführlichen Ar-
darin, wirklich alle Spitalsärzte mit un-                                                   tikel zu lesen und die zugehörigen
seren Informationen zu erreichen und                                                        Testfragen online zu beantworten. Bei
auch Jungmediziner und Medizinstu-                                                          richtiger Beantwortung wird Ihnen
denten für die Synthese von Behand-                                                         der DFP-Punkt automatisch auf Ihr
lungsqualität und -ökonomie zu sensi-                                                       ÖÄK-Online-Fortbildungskonto gut-
bilisieren.                                                                                 geschrieben.

Denn die entscheidende Frage ist: Was
können wir als Österreichische Ge-
sundheitskasse tun, damit Vertragsärz-
te und Spitalsärzte ökonomisch verord-
nen wollen und können? 
20    FORUM Arztpraxis 01_2021

Lebensstil als Ziel
Die Dyslipidämie im Griff

                                               Die Behandlung einer Dyslipidämie erfolgt immer mit dem
                                               Ziel, das kardiovaskuläre Risiko zu verringern. Erste Mittel der
                                               Wahl bei einer Störung des Fettstoffwechsels sind eine Ände-
PRAXIS                                         rung des Lebensstils (siehe Abbildung unten) sowie Statine.

AKTUELL:
                                                Ein gesundheitsfördernder Lebensstil           Bewegung und Ernährung bietet die
                                                umfasst neben einer ausgewogenen               ÖGK in Oberösterreich das Programm
Tipp                                            Ernährung die Senkung von Überge-              „Leichter Leben“ an. Es gibt zwei Kurse
                                                wicht/Adipositas und Kontrolle des             für die Versicherten: einen für Personen
für Ihre                                        Körpergewichts sowie ausreichend Be-           mit mäßigem Übergewicht (Kurs Leich-
                                                wegung. Dazu gehört auch ein Verzicht          ter leben!) und einen für Personen mit
Patienten                                       auf Tabakrauch und weitgehender Ver-           deutlichem Übergewicht (Kurs Leichter
                                                zicht auf Alkohol.                             leben! +). Der Leichter leben! Kurs dau-
                                                                                               ert acht Wochen und kostet 20,– Euro,
                                                Zu ausgewogener Ernährung bietet die           der Leichter Leben! + Kurs dauert 18
                                                ÖGK diverse Folder an, beispielsweise          Wochen und kostet 50,-- Euro. Der Kos-
                                                Vollkorn-Grundrezepte, feine Salate,           tenbeitrag entfällt bei Rezeptgebüh-
                                                leichte Vollkost usw. Diese können Sie         renbefreiung.
                                                bei uns unter ÖGK-Regionalbereich
                                                OÖ, Frau Petra Treitinger (05 0766-            Die ÖGK bietet in Oberösterreich auch
                                                14102072, petra.treitinger@oegk.at) für        eine ambulante Raucherentwöhnung
                                                Ihre PatientInnen bestellen.                   „Rauchfrei durchs Leben“ und eine sta-
                                                                                               tionäre Raucherentwöhnung im ÖGK
                                                Zu Reduzierung des Körpergewichts,             „Mein Gesundheitszentrum Linzer-

 Maßnahme                                                        Effekt auf LDL-C und TC          Effekt auf TG       Effekt auf HDL-C

Gesunde Ernährung*         Senkung der gesättigten Fette,         ++ ++                                                       ++
		                         Vermeidung von Transfetten,
		                         Erhöhung des Ballaststoffsanteils
Körpergewicht**            Senkung eines massiv erhöhten          ++  +                                                       ++
		                         Körpergewichts**
Bewegung***                Steigerung der körperlichen Aktivität   + ++                                                      +++
		                         im Alltag***
Rauchstopp                 reduziert kardiovaskuläres Risiko			                                                                +
		                         allgemein und erhöht HDL
Alkoholreduktion           < 10g/Tag, bei Hypertriglyceridämie: 		   +++                                                      ++
		                         Alkoholverzicht

Übersicht, modifiziert aus ESC-Leitlinie Dyslipidämie 2019
HDL-C = high-density lipoprotein cholesterol, LDL-C = low-density lipoprotein cholesterol, TC = total cholesterol, TG = triglyceride
Größe des Effekts (+++ > 10 %, ++ = 5-10%, + < 5 %) bezieht sich auf die Auswirkung der Lebensstiländerung auf den Plasmaspiegel einer spe-
zifischen Lipoprotein-Klasse
 * gesunde Ernährung mit geringem Anteil gesättigter Fette und reich an Vollkornprodukten, Gemüse, Obst und Fisch
 ** BMI 20-25 kg/m2 und Taillienumfang < 94 cm (m) und < 80 cm (w) wird empfohlen
*** empfohlen wird: moderates Training 3,5-7h/Woche oder 30-60 Min. an den meisten Tagen
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