Presseschau vom 23.10.2020 - Münchner Kammerspiele ...
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iInhaltsverzeichnis: 1) Theaterkritik über „Eine Jugend in Deutschland“ in der TAZ 2) Bericht über die neuen Corona-Regeln bei Kulturveranstaltungen im BR24 3) Bericht über die auf „rot“-gesetzte Corona-Ampel in den BRF Nachrichten 4) Interview mit Carsten Brosda über die Folgen eines möglichen Kultur- Lockdowns im „vorwärts“ 5) Bericht über die Neuauflage der Künstlerförderung in Bayern im BR24 6) Bericht über Absage des Winter- Tollwood im TZ 7) Bericht über die neue Intendantin der BR im Spiegel
8) Bericht über die neue Intendantin der BR in der SZ 9) Bericht über Corona und die Kulturszene im BR Klassik
Theaterstück über Ernst Toller: Ein zerbrechlicher Held Jan-Christoph Gockel inszeniert Ernst Tollers „Eine Jugend in Deutschland“. Er spielt dabei mit zu vielen Einfällen in den Kammerspielen München. Szene aus „Eine Jugend in Deutschland“ an den Kammerspielen München Foto: Francesco Giordano Ein vielversprechender Beginn: Der achtzigjährige Walter Hess überblickt sein Leben. Lange – sagt er schlicht – dauere es nicht mehr. Das sei dann so, wie wenn man ein Stück zum zweiten Mal lese: „Man sieht den Anfang anders, wenn man das Ende kennt.“ Ob der Satz nun von ihm stammt oder von Ernst Toller, um den es an diesem Abend an den Münchner Kammerspielen geht: Tenor und innere Haltung passen gut zur melancholischen Lakonie, die Tollers autobiografischen Roman „Eine Jugend in Deutschland“ prägt. 1933 erschienen, schildert er das Aufwachsen unter der preußischen Knute, das Trauma des Ersten Weltkrieges und das Scheitern der Räterepublik. Gewidmet hat der Revolutionsführer von 1919 sein Buch „der Welt von morgen“. Die hat auch Regisseur Jan-Christoph Gockel im Blick. Doch erst taucht auf Julia Kurzwegs Drehbühne die Welt von gestern auf. „Gestern“ ist bei Gockel und seinem Puppenspieler-Partner Michael Pietsch ein Schulzimmer voller Puppen, gekleidet in bunte Kostüme, aber mit den Gesichtern der Schauspieler, die ihnen die Stimmen leihen, während Walter Hess mit ihnen hantiert.
Sehr intensiv hat sich Hess offensichtlich nicht mit dem Puppens piel beschäftigt. Es hätte sich auch nicht gelohnt. Denn unter dem Vorwand, sich mit der facettenreichen Persönlichkeit eines Schriftstellers, geläuterten Hurra- Patrioten und politischen Utopisten zu beschäftigen, werden Bühnenmittel hier kurz angefasst und schnell wieder fallen gelassen. Tendenz Verzettelung Ebenso geht es den biografischen und zeithistorischen Erzähllinien, unter die Gockel noch Auszüge aus Tollers Stücken und Briefen mischt. Als einziger ruhender Pol in den sechs „Folgen“, aus denen der Abend besteht, taucht immer wieder die von Pietsch geführte Toller-Puppe mit ihren traurigen Schlafaugen auf. Mal leibhaftig, mal übergroß im Live-Film. Gockel hat als Hausregisseur in Mainz oder in seiner zivilisationskritischen „Orestie“-Befragung am Schauspiel Frankfurt gezeigt, dass er atmosphärisch dichte Collagen basteln kann, aber auch dazu neigt, sich zu verzetteln. So auch hier. Die Kinderpuppen, die eine Szene später ihre Prinzessinnen- und Ritterkostüme gegen schwarze Uniformen tauschen und bald zerfetzt auf der Bühne liegen, tauchen erst am Ende wieder auf. In den gut drei Stunden dazwischen stürmen expressionistische Menschenpuppen die Bühne: zum Beispiel Gro Swantje Kohlhof als verzwergter Napoleon in Tollers Drama „Nie wieder Friede“. Oder Julia Gräfner, die als grimassierender „Hinkemann“ ihrem Puppen-Lookalike den Kopf abreißt. Man fragt sich, wo die Zartheit des Beginns geblieben ist und was passiert hier gerade. Okay, hier werden expressionistische Dramen zitiert. Aber ganz generell gefragt: Wozu Layer um Layer Ironie auftragen, wenn es doch um etwas geht? Die Räterepublik feiert die Stadt Der kaum bekannten Schlüsselfiguren einer vergessenen Revolution wolle man gedenken, heißt es im Programmheft. Allerdings verwechseln die Neu- Münchner um die neue Kammerspiele-Intendantin Barbara Mundel da die Stadt, die durchaus fleißig den Jahrestag der Räterepublik gefeiert hat, mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der in seiner Rede zum 100. Geburtstag des Freistaats Kurt Eisners Namen „vergaß“. Gockel inszeniert den „Sozi aus Berlin“ als Rattenfänger und lässt die 50.000, die im November 1918 für demokratische Rechte kämpften, von Gestalten mit opulenten Gewändern und riesigen Tierköpfen vertreten, weil … ja, vermutlich weil es was hermacht. Man bedankt sich artig beim „lieben Kurt“ für Pressefreiheit und Frauenwahlrecht, und ein Heiligenschein liegt über der Szene, da wechselt abrupt der Ton: „Verrecke, du Saujud!“ Schüsse fallen,
Eisner fällt – danach sieht man einen Film, in dem wurstförmige Menschen in einem Hotelzimmer demonstrieren, „was Nazis so reden, wenn sie allein sind“. Diese stummfilmästhetische Skizze der völkischen Thule-Gesellschaft ist entschieden zu putzig und in der Ausstellung ihrer Mittel zu eitel, um nahtlos zu den „geschredderten Akten“ und den vermeintlichen „Einzeltätern“ des NSU überzuleiten. Am Ende wird diesem zunehmend hohldrehenden Abend sein zerbrechlicher Held zum Fremdkörper. Am 22. Mai 1939 sprang Ernst Toller in New York vom „Karussell des Lebens“ ab.
22.10.2020, 14:26 Uhr Bayerische Theater entsetzt über neue Corona-Regeln Leere Plätze? Bayerische Theater fürchten einen neuen Lockdown © picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB Ministerpräsident Markus Söder hat neue Corona-Regeln festgelegt: Bei höheren Infektionszahlen dürfen Kulturveranstaltungen nur noch vor 50 Menschen stattfinden. Das träfe auch Bayerns Theater hart. Die Intendant*innen reagieren mit Unverständnis. In seiner Regierungserklärung hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einen neuen kritischen Corona-Inzidenzwert verkündet: Ab 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen in einer Stadt oder einem Landkreis in den vergangenen sieben Tagen greifen schärfere Maßnahmen. Zum Beispiel dürften Kulturveranstaltungen in geschlossenen Räume statt vor derzeit maximal 250 Zuschauer*innen dann nur noch vor fünfzig Menschen stattfinden. Das führte dazu, dass das Staatstheater Augsburg bereits seinen Spielplan geändert hat. Vorstellungen wurden abgesagt, ein Familienkonzert am kommenden Sonntag soll nun nicht nur um 11 Uhr, sondern auch um 13 und 15 Uhr stattfinden, um die maximale Anzahl der Zuschauer nicht zu überschreiten. Das Mainfrankentheater Würzburg will sein Ausweichquartier, die "Blaue Halle", nicht mehr bespielen, sollte in der unterfränkischen Stadt der Grenzwert erreicht werden (er liegt aktuell bei 89,1). Auch andere Häuser kündigten bereits an, zumindest kein Musiktheater mehr anzubieten, wenn die neue Regelung für "dunkelrote" Regionen greift.
"Reine Symbolpolitik" In bayerischen Theatern werden die neuen Regeln als "Schlag ins Gesicht" und "Debakel" bezeichnet. Dabei reihen sich die Theatermacher*innen keineswegs ein unter die Corona-Leugner. Die Gefahr der Pandemie leugnet in den Theatern niemand, nur fragen sich viele, ob sich die Staatsregierung überhaupt ein angemessenes Bild von der Lage an den Theatern gemacht hat. Alle Theater haben die Hälfte ihre Sitzreihen ausgebaut oder gesperrt und lassen in den verbliebenen Reihen mehrere Sitzplätze zwischen den Besucher*innen frei. So ist ein Sicherheitsabstand von ca. drei Metern zwischen den einzelnen Zuschauer*innen gewährleistet, mithin das Doppelte der üblicherweise empfohlenen 1,5 Meter. Um diese Abstände einzuhalten, schöpfen die wenigsten Theater die derzeit noch erlaubte Zahl von 250 Personen aus. Ein Beispiel: In die Münchner Kammerspiele passen zu Normalzeiten etwa 650 Menschen, momentan finden dort nur 200 Platz. Bald könnten es also nur fünfzig sein, also nur ein Viertel. Das bedeutet rein rechnerisch vier Mal so viel Abstand, aber wohl kaum vier Mal so viel Sicherheit. Kammerspiele-Intendantin Barbara Mundel bezeichnet solche Maßnahmen daher als "reine Symbolpolitik". © dpa Barbara Mundel
Ausgearbeitete Hygienekonzepte Noch verlorener dürften sich fünfzig Zuschauer*innen auf der anderen Seite der Maximilianstraße im noch größeren Residenztheater fühlen. Dort weist man darauf hin, dass die Belüftungsanlage die Luft im Zuschauerraum alle zehn Minuten komplett austausche. Es gebe also eher ein Kälte- als ein Areosol-Problem. Am Staatstheater Nürnberg weisen Pfeile am Boden in den Foyers dem Publikum penibel den Weg, in welcher Laufrichtung es sich bewegen darf, um Gedränge zu vermeiden. Dabei wirken die Foyers jetzt schon angesichts ohnehin stark reduzierter Besucherzahlen gähnend leer. Die Theater gleichen Hochsicherheitszonen, personalisierte Tickets würden im Falle eines Corona-Falls im Zuschauerraum die Nachverfolgung und Unterbrechung von Infektionsketten ermöglichen. Bis dato ist aber noch kein Fall einer Theateraufführung in Bayern bekannt, die sich zum Super-Spreader- Ereignis entwickelt hätte. Empörung und Frust unter Bayerns Intendant*innen sind dementsprechend groß. Ihre Häuser haben viel Zeit und Mühe darauf verwendet, Hygienekonzepte zu entwickeln, die auch tatsächlich greifen, um das Theater wieder an den Start zu bringen. Das erfolgreiche Ergebnis wird nun federstrichartig zunichte gemacht, so empfinden es alle, bei denen man nachfragt, ob in Würzburg oder Augsburg, Nürnberg, Regensburg, München oder Memmingen. Das Residenztheater in München kann berichten, dass sich Bayerns Kunstminister Bernd Sibler zu Beginn der aktuellen Spielzeit eine Vorstellung angesehen hat, am Staatstheater Nürnberg war er zur Spielzeiteröffnung ebenfalls. In den übrigen Häusern, die der BR kontaktiert hat, gab es seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach dem Lockdown keine Besuche von Mitarbeiter*innen des Ministeriums, die sich einen Eindruck von der Vorbildlichkeit der Hygienekonzepte verschafft hätten. "Wir brauchen die offenen Räume der Kunst" Auch Söders Ankündigung des neuen Inzidenzwerts hat alle überrascht. Die Staatskanzlei verweist darauf, es habe vorab ein Gespräch mit "ausgewählten Vertretern der Kulturszene" gegeben, nennt aber auf Nachfrage keine Namen, da es sich um ein "internes Gespräch" gehandelt habe. Die stichprobenartige Nachfrage bei acht Intendant*innen oder Pressestellen großer bayerischer Stadt- und Staatstheater ergab: Von ihnen wurde niemand zu Rate gezogen. Dass Städte wie München oder Nürnberg unter Söders Hunderter- Inzidenzwert bleiben werden, dieser trügerischen Hoffnung gibt sich keiner hin, in Augsburg ist der Wert bereits jetzt höher. Die Reduktion auf fünfzig Zuschauer*innen wird vielerorts schon bald bittere Realität, wenn nicht ein
Umdenken erfolgt. Der allgemeine Tenor: Dann könnte man allenfalls vielleicht noch die kleinen Nebenspielstätten bespielen, die großen Häuser aufzusperren sei jedoch nicht mehr darstellbar. Mit anderen Worten: Die neue Regelung käme einem Lockdown gleich – was fatal wäre, wie viele finden. Barbara Mundel, Intendantin der Kammerspiele, betont, man müsse die Theater offen halten, gerade jetzt, und nicht trotz, sondern wegen Corona: Es brauche die offenen Räume der Kunst, die Austausch und Reflexion möglich machten – unter anderem auch darüber, wie Corona unsere Gesellschaft verändere.
Bericht über auf die „rot“-gesetzte Corona-Ampel in den BRF Nachrichten, 22.10.2020
DG Regierung setzt Corona-Ampel auf „Rot“ auch für Kultur, Sport und Jugend 22.10.2020 - 19:21 Angesichts der hohen Corona-Zahlen schaltet die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft die Corona-Ampel in verschiedenen Bereichen ihrer Zuständigkeit auf "Rot". Das gilt etwa für die Kultur, den Sport und die Jugendpolitik. Illustrationsbild: © Bildagentur PantherMedia / matimix Seit letzten Freitag bemühen sich die Regierungen des Landes, die neuen Kontaktregeln für die Bereiche Sport, Jugend und Kultur den aktuellen Entwicklungen anzupassen, die Ausbreitung einzudämmen und dabei für Kinder und Jugendliche so viel Aktionsspielraum wie möglich beizubehalten. Für die verschiedenen Sektoren wurden angepasste Protokolle erarbeitet. „Das Ziel der Arbeiten in dieser Woche war es, in Abstimmung mit den Experten das Gleichgewicht zwischen der Sicherheit für alle Bürger und dem emotionalen Wohlergehen unsere jungen Menschen und unserer Kinder zu schaffen“, heißt es in einer Mitteilung der DG-Regierung. Alle Regierungen haben die Protokolle für die Bereiche Jugend, Sport und Kultur angepasst. Sie sollen trotz maximaler Kontaktbeschränkungen Aktivitäten für Kinder und Jugendliche zulassen.
Die Erfahrungen des Lockdowns im April hätten gezeigt, dass bei Kindern und jungen Menschen das Risiko einer Covid-19-Infektion mit schwerem Verlauf mit der psychischen und emotionalen Gesundheit in Relation gebracht werden müsse. Neue Protokolle sollen ab Samstag gelten Die Einsetzung dieser neuen Protokolle muss der föderale Konzertierungsausschuss am Donnerstagabend noch validieren, bevor sie ab Samstag in Kraft treten können. Im Unterrichtswesen wechseln ab Montag alle Grund-und Sekundarschulen auf dem Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Code „Rot“. Um die Schulen weiterhin offen halten zu können und zum Schutz der Personalmitglieder und der Schüler, gelten in den Schulen ab diesem Zeitpunkt die höchsten Vorsichtsmaßnahmen und Sicherheitsauflagen. Situation in Ostbelgien „alarmierend“ Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft verbindet mit ihrem Beschluss „einen erneuten dringenden Appell zur Einhaltung der zur Pandemiebekämpfung geltenden Maßnahmen, insbesondere auch die nachdrückliche Aufforderung zum Tragen von Atemschutzmasken, dort wo dies vorgeschrieben ist.“ In Ostbelgien sei die Situation, trotz des ländlichen, dünn besiedelten Gebiets besonders alarmierend. „Unsere Region weist weiterhin eine der höchsten Ansteckungsraten des Landes auf.“ So steckt ein Infizierter in der Regel 1,4 weitere Personen an. Die 14-Tages-Inzidenz auf 100.000 Einwohner beträgt 1.266 und liegt damit deutlich über dem – schon dramatischen – belgischen Wert von 927,9 Fällen. Es bleibe aber nicht bei steigenden Infektionszahlen. Auch die Anzahl der Krankenhausaufnahmen steigt. 47 Menschen werden in den Krankenhäusern von Eupen und St. Vith aktuell behandelt. Die Zahl der bisher bestätigten Covid -19- Todesfälle in der sogenannten „zweiten Welle“ liegt mittlerweile bei fünf. „Die Lage ist ernst und sie erfordert die Mitarbeit und Unterstützung der Bevölkerung“, so die Minister. „Ohne die Verantwortung des Einzelnen für sich selbst und für andere Menschen werden wir diese Pandemie so schnell nicht in den Griff bekommen. Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist sich der Situation bewusst und ergreift weitere Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.“ Die jeweiligen Protokolle für die unterschiedlichen Bereiche werden auf ostbelgienlive.be veröffentlicht werden.
Interview mit Carsten Brosda über die Folgen eines möglichen Kultur- Lockdowns im „Vorwärts“, 23.10.2020
Interview mit Carsten Brosda Corona: „Ein neuer Kultur-Lockdown muss unbedingt vermieden werden.“ Kai Doering • 23. Oktober 2020 © Florian Gaertner/photothek Berliner Ensemble mit Corona gerechten Sitzreihen: Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass Theater, Kinos und Konzertsäle auch unter Corona-Bedingungen sicher betrieben werden können. Mit den wieder steigenden Corona-Zahlen droht auch das kulturelle Leben in Deutschland zum Erliegen zu kommen. Aus Sicht des Vorsitzenden des Kulturforums der Sozialdemokratie, Carsten Brosda, wäre das fatal. „Wir brauchen Kunst und Kultur gerade jetzt“, sagt er. Mit den wieder steigenden Corona-Zahlen droht die erneute Schließung von Theatern, Kinos und Museen. Was bedeutet das für die Kulturszene? Die Eindämmung des Infektionsgeschehens macht es leider wieder notwendig, soziale Kontakte zu verringern und öffentliche Räume einzuschränken. Für uns steht außer Frage, dass wir die gesellschaftliche Solidarität leben müssen, die
es braucht, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Die Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung treffen Kunst und Kultur jedoch hart, weil sie in besonderem Maße darauf angewiesen sind, in der Öffentlichkeit und vor Publikum stattzufinden. Deshalb ist es wichtig, dass sich Bund, Länder und Kommunen auch weiterhin darum kümmern, mit gezielter Förderung die bedrohten Infrastrukturen zu sichern und Künstlerinnen und Kreativen das Arbeitenauch in der Krise zu ermöglichen. Wir alle müssen jetzt dazu beitragen, möglichst viel Kunst und Kultur heute zu ermöglichen, mittelfristig abzusichern und langfristig krisenfest zu machen. © Pressebild.de/Bertold Fabricius Welche Rolle spielt die Kultur in einer Krisensituation wie der aktuellen? Eine ganz entscheidende! Eine offene, vielfältige und freiheitliche Gesellschaft braucht künstlerische Inspiration und kulturelles Leben – gerade in einer Krise wie dieser. Deswegen ist es eine zentrale kulturpolitische Aufgabe, in der jetzigen Situation die Kulturorte offen zu halten und künstlerische Angebote zu ermöglichen. Wir stehen vor grundlegenden gesellschaftlichen Debatten, in denen Künstlerinnen und Kreative zu hören müssen.
Ist das bei weiter steigenden Corona-Zahlen denn möglich? Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass zum Beispiel Theater, Kinos und Konzertsäle sehr wohl auch unter Corona-Bedingungen sicher betrieben werden können. Die Einrichtungen und Veranstalter haben verantwortungsbewusste Hygienepläne und Schutzkonzepte entwickelt, die gut greifen. Bislang ist kein nennenswertes Infektionsgeschehen auf die dortigen Veranstaltungen zurückzuführen. Deswegen appellieren wir als Kulturforum der Sozialdemokratie an die Verantwortlichen, bei den notwendigen Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Virus mit Augenmaß vorzugehen. Gerade in einer gesellschaftlichen Situation wie derzeit brauchen wir die Stimmen der Künstlerinnen und Künstler im gesellschaftlichen Diskurs. Wir brauchen kulturelle Orte, an denen eine demokratische Gesellschaft verhandeln kann, wie sie künftig leben will. Und wir brauchen Angebote, die Abwechslung und Entspannung bieten. Wir brauchen Kunst und Kultur gerade jetzt. Ein neuerlicher Kultur-Lockdown – wie schleichend auch immer – muss unbedingt vermieden werden.
Bericht über die Neuauflage der Künstlerförderung in Bayern im BR24, 21.10.2020
21.10.2020, 15:43 Uhr Nach Förder-Flop: Neustart bei Künstler-Hilfen angekündigt Die Corona-Soforthilfe für Künstlerinnen und Künstler nahm kaum jemand in Anspruch: Statt erwarteten 60.000 gab es nur 10.000 Anträge. Nun verspricht Ministerpräsident Markus Söder Verbesserungen und Unterstützung – "bis die Pandemie vorbei ist". Die Programme der Bayerischen Staatsregierung für die Kulturszene hätten bislang nicht die erhoffte Wirkung erzielt, so Ministerpräsident Markus Söder bei seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Landtag. Vor allem das Angebot für Solo-Selbstständige von bis zu jeweils 1.000 Euro über drei Monate hinweg sei zu wenig angenommen worden: "Etwas, was nicht funktioniert, muss man verbessern", so Söder. "Das tun wir. Darum machen wir einen Neustart, den haben wir mit der Kunstszene besprochen und vereinbart." Söder verwies auf den Bund, der Unternehmer in der Veranstaltungsbranche demnächst mit einem "fiktiven Unternehmerlohn" helfen will. Bis dahin gehe Bayern "auf jeden Fall voraus". Neuauflage der Künstlerförderung ohne zeitliches Limit Nach dem Vorbild von Baden-Württemberg werde der Freistaat ein neues Solo- Selbstständigen-Programm für Künstler auflegen, ohne zeitliche Begrenzung, "bis die Pandemie vorbei ist". Einzelheiten nannte Söder nicht. Das ursprüngliche Programm war am 30. September ausgelaufen und vergleichsweise wenig angenommen worden. Arbeitslose Künstler wählten stattdessen lieber gleich die Grundsicherung, also Hartz IV. Kritisiert wurde vor allem, dass das Solo-Selbstständigen-Programm zunächst nur für Mitglieder der
Künstlersozialkasse galt und dass Antragsteller nur wenig Ersparnisse haben durften. Viele fürchteten daher, zuerst ihre Altersvorsorge aufbrauchen zu müssen, bevor sie die 3.000 Euro beanspruchen konnten. Außerdem hatten nicht wenige bereits Geld aus anderen Fördertöpfen erhalten, was ebenfalls ein Ausschluss-Kriterium für die Soforthilfe war. Zudem gab es im Kultusministerium bis vor wenigen Wochen keinen direkten Ansprechpartner für die Freie Szene und die Anträge waren aus Sicht der potenziellen Nutznießer viel zu kompliziert. Letztlich erhielten nur rund 8.000 Antragsteller Geld. © BR Die Corona-Soforthilfe für Künstlerinnen und Künstler nahm kaum jemand in Anspruch: Statt erwarteten 60.000 gab es nur 10.000 Anträge. Nun verspricht Ministerpräsident Markus Söder Verbesserungen und Unterstützung – "bis die Pandemie vorbei ist". Großdemonstration in München angekündigt Berufsanfänger in Kunst und Kultur sollen nun mit einem neuen "Stipendien- Programm" unterstützt werden. "Uns ist Kunst wichtig, und wir glauben, dass es gerade in diesen Zeiten eine echte Perspektive braucht", sagte Söder. "Bayern hat ein hohes Kunst-Level. Ich möchte nicht, dass durch diese Pandemie die gesamt Kunst- und Kulturszene in Bayern zerstört ist. Dagegen werden wir uns wehren und dagegen steuern wir an." Kunstminister Bernd Sibler kündigte an, konkrete Maßnahmen "zeitnah nach dem Beschluss des Ministerrats" vorzustellen. Es komme darauf an, "möglichst viele Künstlerinnen und Künstler in der Krise" zu erreichen. In einer Pressemitteilung schrieb er: "Kunst und Kultur sind für uns alle lebenswichtig. Kunst und Kultur nehmen gerade in schwierigen Zeiten wie diesen eine sinnstiftende und verbindende
Funktion ein, schenken uns Freude, Abwechslung und Ablenkung. Diese Wertschätzung soll auch in der Unterstützung zum Ausdruck kommen." Für den kommenden Samstag ist auf dem Münchner Königsplatz unter dem Motto "Aufstehen für Kultur" eine Großdemonstration angekündigt. Unter den Rednern sind der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, die Ex-Kultus- und Kulturminister Hans Maier und Wolfgang Heubisch, der Tenor Julian Prégardien und – per Videobotschaft – Gerhard Polt. Bereits in den vergangenen Wochen hatten Künstler mehrfach die ihrer Meinung nach fehlende Aufmerksamkeit durch die Bayerische Staatsregierung heftig attackiert, ja von einem "kompletten Politikversagen" gesprochen.
Bericht über die Absage des Winter- Tollwood im TZ, 23.10.2020
Veranstalter reagieren Traurige Corona-Nachricht: Winter-Tollwood fällt komplett flach - „Trotz sehr guten Hygienekonzepts“ Aktualisiert: 23.10.2020 11:37 Das Winter-Tollwood 2020 fällt aus. © Achim Schmidt Die Corona-Pandemie sorgt für den nächsten Einschnitt in München. Im Jahr 2020 wird das Winter-Tollwood nicht stattfinden. • Der Münchner* Veranstaltungskalender ist um ein Kult-Event ärmer. • Am Freitag (23. Oktober) wurde das Winter-Tollwood offiziell abgesagt. • Der Plan, ein verkleinertes Festival stattfinden zu lassen, wurde verworfen. München - Traurige Nachrichten für Tollwood-Fans: Das beliebte Winter- Festival auf der Theresienwiese findet im Jahr 2020 nicht statt. Damit reagieren die Veranstalter auf die Entwicklung der Corona-Pandemie in der Landeshauptstadt München*. Zwischenzeitlich war erwogen worden, das Tollwood in reduzierter Form stattfinden zu lassen.
Corona München: Winter-Tollwood fällt flach - „Können Verantwortung nicht übernehmen“ „Die Entwicklung der Corona-Zahlen in den letzten zwei Wochen ist so extrem, dass wir trotz unseres sehr guten Hygienekonzepts die Verantwortung für die Gesundheit unserer Besucher und aller anderen Beteiligten nicht mehr übernehmen können“, erklärten die Veranstalter nun. Auch die nötige Planungssicherheit sei ob der dynamischen Entwicklung nicht gegeben. Ursprünglich hätte das Festival zwischen 25. November und 23. Dezember stattfinden sollen. Winter-Tollwood wegen Corona-Entwicklung abgesagt - Chefin will „Zeichen der Hoffnung“ senden „Es tut uns allen im Herzen weh, absagen zu müssen. Doch wird sind überzeugt, dass dies in der aktuellen Situation für uns der einzig gangbare Weg ist“, hieß es in einer Stellungnahme am Freitag (23. Oktober). Tollwood-Chefin Rita Rottenwallner will jedoch auf der Theresienwiese ein „Zeichen der Hoffnung“ senden - mit einer zwölf Meter hohen Skulptur, die für „Kraft und Erneuerung“ stehen soll. Die @TollwoodMunich-Chefin Rita Rottenwallner will auf der #Theresienwiese ein Zeichen der Hoffnung senden. "Eine zwölf Meter hohe Phönix-Skulptur wird Teil der Installation sein und als Sinnbild für Kraft und Erneuerung auf dem Tollwood-Gelände stehen."#COVID19 — Marc Kniepkamp (@MK_Muc) October 23, 2020 An das Oktoberfest 2021 glaubt die Stadt derzeit noch*, wie ein im Netz veröffentlichter Aufruf belegt. Auch der Christkindlmarkt am Marienplatz soll stattfinden. (lks) *tz.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
Bericht über die neue Intendantin der BR im Spiegel, 22.10.20
Bayerischer Rundfunk Katja Wildermuth zur Intendantin gewählt Die letzten sieben Intendanten des Bayerischen Rundfunks waren Männer - jetzt tritt erstmals eine Frau an. Katja Wildermuth kommt vom MDR und wird nun Nachfolgerin von Ulrich Wilhelm. 22.10.2020, 19.21 Uhr Katja Wildermuth Foto: Lino Mirgeler / dpa Sie galt als Favoritin und sie hat es geschafft: Die Medienmanagerin Katja Wildermuth wird Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR). Erstmals in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Senders steht eine Frau an der Spitze. Die Erwartungen sind groß: Der BR muss wie alle ARD-Häuser den Spagat zwischen dem geforderten Sparkurs und einem modernen Programm im Digitalzeitalter schaffen. "Bevor ich hier runtergekommen bin, habe ich natürlich meine Familie angerufen - WhatsApp-Gruppe, wie sich das gehört, der Mann und beide Kinder", sagte die 55-Jährige am Donnerstag nach ihrer Wahl durch den Rundfunkrat. Ihre Tochter habe aus Rumänien gratuliert und ihr Sohn sei trotz Zeitverschiebung in Sydney extra wach geblieben: "Alle haben sich gleichermaßen gefreut." Die 55-jährige Wildermuth war bisher Programmdirektorin beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in Halle. Für ein Frauennetzwerk im BR ging
mit ihrer Wahl am Donnerstag in München ein Plan auf: Als Intendant Ulrich Wilhelm (59) im Sommer bekannt machte, keine dritte Amtszeit anzustreben, machte sich das Netzwerk sogleich für eine Frau an der Spitze stark. Im Rundfunkrat, dem Wahl- und Aufsichtsgremium, zeichnete sich unter gewichtigen Vertretern der gesellschaftlichen und politischen Gruppen bald ein Trend zu einer gemeinsamen Kandidatin ab. Wildermuth erhielt im ersten Wahlgang 38 von 48 abgegebenen Stimmen, wie der BR mitteilte. Damit war unter den drei Bewerbern keine Stichwahl nötig. Ihr interner Mitbewerber, BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel, unterlag zwar jetzt bei der geheimen Wahl im Rundfunkrat. Doch der 54-Jährige verantwortet direkt unter der Intendanz Personal und Finanzen. Mehrere Rundfunkräte meinen: "Wildermuth bringt Programmerfahrung mit, Frenzel Management." Schon vor der Wahl hieß es: "Eigentlich eine ideale Kombi." Vier von neun sind Frauen Mit Wildermuth werden ab Februar 2021 vier von neun ARD-Landesanstalten von Frauen geführt: neben dem BR schon bisher der Rundfunk Berlin- Brandenburg (RBB), der MDR und Radio Bremen. Außenseiterkandidat für die BR-Spitze war der Datenmanagement-Chef des öffentlich-rechtlichen Schweizer Radios und Fernsehens (SRF), Christian Vogg (55). Wildermuth ist derzeit beim MDR für die Bereiche Kultur und Wissen sowie Angebote für Jüngere zuständig. Davor war sie mehrere Jahre beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Programmbereichsleiterin Kultur und Dokumentationen im Fernsehen tätig. Sie gilt als frühe Impulsgeberin bei crossmedialen Inhalten beim MDR und nimmt diese Erfahrung nun mit für den mit voller Kraft laufenden digitalen Wandel bei den Bayern. Sie stehe für flache Hierarchien im Unternehmen. Eine offene Unternehmenskultur sei ihr wichtig, sie selbst sehr nahbar, heißt es. Bayern ist ihr vertraut Wildermuth ist verheiratet und hat zwei Kinder. In Bayern machte sie ihr Abitur und studierte in München Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für Lehramt Gymnasium. Später promovierte sie im Hauptfach Alte Geschichte. Sie machte ein Verlags-Volontariat, ebenfalls in München. Zum Start an der BR-Spitze im nächsten Jahr warten auf Wildermuth bei der viertgrößten ARD-Landesanstalt große Herausforderungen: • Beschäftigte: Der trimediale Umbau des Senders und der Stellenabbau bewegen die Mitarbeiter. Für die nicht parteigebundene Kaktus-Gruppe vieler Organisationen und Verbände im Rundfunkrat sagt Sprecher
Hubert Weiger: "Wichtig ist jetzt, noch stärker die Belegschaft mitzunehmen in diesen schwierigen Zeiten des Wandels." • Frauen: Das BR-Frauennetzwerk hat das Ziel einer Intendantin erreicht. Auf den weiteren Führungsebenen gebe es dagegen noch Handlungsbedarf. Insgesamt liegt der Frauenanteil im Sender nach eigenen Angaben bei mehr als einem Drittel. • Finanzen: Noch ist nicht sicher, ob die vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags Anfang 2021 kommt. Gespart werden muss sowieso - im Ernstfall stehen deutliche Einschnitte auch beim Programm an. • Publikum: Mit dem digitalen Wandel verändert sich der TV-Konsum. Es wird nicht mehr nur das fortlaufende TV-Programm geschaut, sondern auf Plattformen gestreamt. Internationale Konkurrenten wie Netflix, Amazon und Disney haben sich längst im deutschen Markt etabliert. Die neun ARD-Anstalten reagieren darauf mit eigenen Streaming- Offensiven. • ARD: Der BR hat zuletzt in einigen wichtigen Fragen Gegenpositionen zur Mehrheit oder auch zu allen anderen ARD-Anstalten eingenommen - inklusive zu Wildermuths MDR. Wie ist da ihr künftiger Kurs? • Basis: Der BR muss wie andere öffentlich-rechtliche Sender seit Jahren verstärkt um seine Verankerung in der Gesellschaft werben. Auch im politischen Raum gibt es Kritik, vor allem von der AfD. Ein Knackpunkt ist immer wieder der Rundfunkbeitrag. Wildermuth könnte hier ihre Erfahrungen aus den östlichen Bundesländern mitbringen, wo es vergleichsweise viel Gegenwind gab. Und dann wartet noch eine ganz sichtbare Baustelle auf Wildermuth: das neue riesige Redaktionszentrum Freimann im Münchner Norden. Der zentrale Bau soll Ende 2021 fertig sein, die Ausstattung mit allen Studios und der Übertragungstechnik erst etwa zwei Jahre später. Dann ist gut die Hälfte der ersten Amtszeit der "Neuen" auch schon wieder verstrichen.
Bericht über die neue Intendantin der BR in der SZ, 22.10.2020
22. Oktober 2020, 19:57 Uhr Neue BR-Intendantin Wildermuth: "Dieses München ist auch ein Heimkommen" Katja Wildermuth ist in einer Wohnung aufgewachsen, die davor Torwart Sepp Maier bewohnt hatte. (Foto: Steffen Junghans/dpa) Von Claudia Tieschky Katja Wildermuth machte beim MDR und beim NDR Karriere. Wer glaubt, die neue Senderchefin des Bayerischen Rundfunks komme von weit her, täuscht sich aber. Katja Wildermuth war nach der Wahl zur Intendantin an diesem Donnerstag in Unterföhring weder besonders aus dem Häuschen noch war sie cool. Sie hatte einen Blumenstrauß in der Hand und wirkte bewegt. Zum ersten Mal wird der BR nun von Februar 2021 an von einer Frau geführt. Allein diese Tatsache poliert den einst als biederen Schwarzfunk verschrienen Münchner Sender auf. Das war das erklärte Ziel einer Allianz im Rundfunkrat, die sich aufmachte und, wie man hört, in der halben Bundesrepublik geeignete Kandidatinnen ansprach. Bis nach Hamburg führte die Suche, und die entschlossenen Headhunterinnen und Headhunter des BR fragten offenbar nicht nur Rundfunkfrauen. Nun zieht die erste Intendantin des BR von Halle aus nach München.
Wildermuth, 55 Jahre alt und bislang Programmdirektorin beim MDR, ist eine der erfolgreichsten Programm-Macherinnen nicht nur in der ARD. Sie hat beim MDR preisgekrönte Dokumentarfilme ermöglicht wie Hubert Seipels Putin- Porträt oder Night Will Fall über den nie vollendeten Film Alfred Hitchcocks über die befreiten Konzentrationslager 1945 in Deutschland. Unter ihrer Verantwortung entstand eine App, mit der man durch die Städte Mitteldeutschlands gehen konnte und sehen, wie sie sich seit der Wende verändert haben, oder das crossmediale Projekt "Breaking News Völkerschlacht", bei dem - ganz ähnlich wie beim BR-Projekt "Ich, Eisner" - ein historisches Ereignis noch einmal durchgespielt wird, allerdings mit den medialen Möglichkeiten der Gegenwart. 2016 ging sie als Kulturchefin zum NDR nach Hamburg, 2019 kehrte sie als Programmdirektorin zum MDR zurück. In der Corona-Krise ließ sie die Orchester des Senders durchs Land ziehen und Ständchen spielen, die sich die Hörer für ihre Alltagshelden wünschen konnten. Wer aber denkt, der BR importiere nun eine Spitzenkraft von weit her, der irrt. Bestenfalls kann man von einem Re-Import sprechen. Denn Wildermuth ist in Anzing bei München aufgewachsen. "Ein ganz normales Dorfleben", sagt sie. Ins Gymnasium ging sie in Markt Schwaben, studiert und promoviert hat sie an der Ludwig-Maximilians-Universität. Danach ging die Althistorikerin Wildermuth, anstatt eine aussichtsreiche Universitätskarriere mit einer Habilitation weiter zu verfolgen, in den Journalismus und in den Osten. 1994 kam sie als freie Autorin zum MDR. Denn "die Vorstellung, mich mit 2000 Jahre alten Quellen zu befassen, wo alles jetzt in der Gegenwart so spannend ist", schien ihr auf einmal absurd. "Dieses München ist auch ein Heimkommen", sagt sie. Über eine Kandidatur bei einem Sender in einer anderen Himmelsrichtung hätte sie gar nicht nachgedacht. Wildermuth weiß, was sie für den BR will: Veränderungen ohne Verletzungen Ihre Familie war, als Katja Wildermuth drei Jahre alt war, nach Anzing gekommen und bezog dort eine Wohnung, die davor der Torwart Sepp Maier bewohnt hatte, wie Wildermuth vorige Woche via Skype der SZ erzählte. Ob es mit dem früheren Bewohner, der "Katze von Anzing" zu tun hat oder nicht, hier fing sich Wildermuth eine solide Leidenschaft für Fußball ein: Erst immer Sportschau mit dem Papa, später war sie bei den Spielen ihres Sohnes - beide Kinder sind heute erwachsen - oft die einzige fußballvernarrte Mutter neben vielen Vätern am Spielfeldrand.
Das Kandidatenfeld wurde vor der BR-Wahl etwas grobmotorisch so aufgeteilt: Hier Wildermuth, die Frau vom Programm, dort Albrecht Frenzel, der Verwaltungsdirektor des Senders, der Zahlenmensch, was eigentlich beiden nicht gerecht wird. Und dann noch Christian Vogg, ein weitgehend unbekannter Außenseiter. Wenn Wildermuth über den BR spricht, wird sehr schnell klar, dass sie als Managerin deutliche Vorstellungen davon hat, wo sie hin will mit dem viertgrößten Sender der ARD. Zusammenfassen lässt sich das ungefähr so: Veränderungen ohne Verletzungen. Ob das geht? Die längere Version, die sie selber formuliert, klingt so: "Alle werden weiter sparen müssen, weil die Rücklagen aufgebraucht sind und weil wir weiter Geld ins Digitale stecken wollen und müssen, um andere Zielgruppen zu erreichen." Mit Arbeitsverdichtung, sagt sie, komme man da an seine Grenzen, "da muss man aufpassen, dass die Qualitätsstandards bleiben". Sie spricht von einer "Priorisierungsdiskussion", die alle in den nächsten Jahren führen müssten "und die große Kunst wird darin bestehen, dass wir das konstruktiv und zuversichtlich tun". Das Corona-Jahr habe gezeigt, wie viel sich sehr schnell in einem Sender bewegen lasse: "Darauf können alle im BR sehr stolz sein. Aber ich höre hier und da eher Angst, dass man weggespart wird, wenn man etwas zusammen macht. Da gibt es auch wider besseres Wissen auf Seiten der Macher ein Gefühl: Wenn ich mich jetzt bewege, dann weiß ich nicht, wo das endet." "Das Wichtigste ist, dass der Ton stimmt" "Kopf hoch!", würde sie da am liebsten rufen wollen, sagt sie. Es klingt wie ein Trainer am Spielfeldrand, wenn die Mannschaft beim Dribbeln zu sehr auf die eigenen Füße schaut. "Priorisierungsstrategien entwickelt man am besten im Team. Das sind ja lauter kluge Leute in dem Sender. Das Wichtigste ist, dass der Ton stimmt." Man darf annehmen, dass die BR-Mitarbeiter das gerne hören nach der Ära von Ulrich Wilhelm, unter dem der BR erst eine Verjüngungs-Kur für das Fernsehen und fast gleichzeitig ein rigides Sparprogramm zugemutet bekam. Einen österreichischen Fernsehdirektor, einen baldigen Umzug nach Freimann und den radikalen Umbruch aller gewachsenen Strukturen hin zu einer rein nach Inhalten und nicht mehr nach den Welten Radio oder Fernsehen organisierten Arbeitsweise. Die interne Kommunikation kam oft erst später als es gut gewesen wäre. Wilhelms große Linien waren von einer großen Belesenheit geprägt, sie gingen weit und sehr grundsätzlich in die Zukunft, so grundsätzlich, dass es
gelegentlich neben dem Neubau des BR auch noch um den Neubau einer europäischen Plattform für digitale Öffentlichkeit ging. Es dürfte im Sender jetzt aufmerksam registriert werden, wenn jemand eine gute Unternehmenskultur und gegenseitiges Vertrauen zum Regierungsprogramm macht. In Halle lässt Wildermuth unter anderem eine Yogagruppe zurück und einen Literaturkreis, in dem einmal im Monat Theaterstücke gelesen werden. Als Intendantin hat sie jetzt ihre eigene Spielstätte. Am Abend vor der Wahl hat sie selbstverständlich das Champions League-Spiel geschaut.
Bericht über Corona und die Kulturszene im BR Klassik, 22.10.2020
Bayerische Veranstalter in der Corona-Krise: "Es gibt Leute, die aufgeben müssen" 22.10.2020 von Uta Sailer, Henrik Oerding Die Corona-Krise trifft in der Kulturszene nicht nur Künstlerinnen und Künstler, sondern auch alle Unternehmen, die an Veranstaltungen dranhängen. Wie geht es den Veranstaltern in der Pandemie? Bildquelle: dpa-Bildfunk/Henrich Miöovië Auf 18 Monate Krisenzeit habe er sich eingestellt, sagt Andreas Schessl, als im Frühjahr alle Veranstaltungen wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurden. Der Chef des Veranstaltungsunternehmens MünchenMusik rechnete also damit, nicht vor Herbst 2021 wieder zu einem normalen Betrieb zurückkehren zu können. Nun, sechs Monate später, sieht Schessl das noch immer so. Und er liegt damit wohl nicht ganz falsch. Denn von der Normalität ist der Konzertbetrieb weit entfernt. Momentan gibt es weltweit wieder mehr Absagen für Konzerte und Veranstaltungen. Harte Zeiten für Veranstalter.
Bayern als Standortnachteil "Wie sehr mir das, was ich tue am Herzen liegt, merke ich gerade jetzt", sagt Andreas Schessl im Gespräch mit BR-KLASSIK. "Wir haben zwar wahnsinnig viel Arbeit, machen Plan B, C und D, aber am Ende wird doch nichts davon umgesetzt." Das Unternehmen plane derzeit nur zwei bis drei Monate im voraus, zu groß seien die Unsicherheiten: Ein erneuter Lockdown, verschärfte Einreisebedingungen und auch das bloße Warten auf Corona-Testergebnisse könnten die Situation jederzeit verändern. Münchner Konzertveranstalter Andreas Schessl | Bildquelle: Thomas Dashuber Müsste die Politik also mehr für die Kultur machen? "Im Großen und Ganzen denke ich, dass die Politik uns ganz gut durch die Pandemie bringt", sagt Schessl, "die Kultur ist allerdings möglicherweise der blinde Fleck." Für ihn als Veranstalter sei es eine Art "Standortnachteil" in Bayern zu sein, da in anderen Bundesländern schon mehr möglich sei. Er wünsche sich deshalb, dass die Staatsregierung nicht nur Allgemeinverfügungen für die nächsten Wochen herausgebe, sondern auch langfristige Planung ermögliche. Außerdem sollten seiner Meinung nach empirische und wissenschaftliche Erkenntnisse mehr berücksichtigt werden. "Die Salzburger Festspiele, der Pilotversuch an der Bayerischen Staatsoper, Empfehlungen von Wissenschaftlern für weitere Öffnungen – da wünsche ich mir, dass das auch umgesetzt wird." Schessl bleibt optimistisch Ans Aufhören denkt Schessl jedoch keinesfalls. "Noch keine Sekunde", sagt er. "Ich bin mir sicher, alles kommt zurück." Grundsätzlich ist die Stimmung in der Veranstalterszene allerdings deutlich gedrückter, so Schessl. "Ich glaube
nicht, dass jemand aufgeben möchte, aber es gibt Leute, die aufgeben müssen." Denn nicht jeder kann die Ausfälle stemmen. Gerade junge Künstler oder Veranstalter können die Situation finanziell nicht auffangen. Trotzdem empfiehlt Schessl jungen Menschen, nicht aufzugeben: "Wer so viel Arbeit in seine Profession gesteckt hat, sollte nicht einfach aufgeben. Ich bin Berufsoptimist." Aber auch der merke, dass diese Zeit besonders ist. Im Moment falle es ihm schwer, Musik zu hören – dann werde besonders drastisch klar, was es gerade alles nicht gibt.
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