Primary and Hospital Care - Die Zeitschrift für Allgemeine Innere Medizin in Hausarztpraxis und Spital
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Primary and Hospital Care Die Zeitschrift für Allgemeine Innere Medizin in Hausarztpraxis und Spital 82 Benedikt M. Huber, Gisela 90 Martina S. Ragettli, 102 Corinne Chmiel, Leander Etter, Bernhard Wingeier, et al. Martin Röösli Muheim, Felix Huber 3 3. 3. 2021 Komplementäre Therapie Hitzebedingte Sterblichkeit Ambulante Betreuung von ansätze bei grippalen im Sommer 2019 C OVID-19 Patienten I nfekten, Influenza und COVID-19 75 Eva Pape, Sebastian Euler, Roland von Känel, Oliver Matthes Urteilsfähigkeit in der klinischen Praxis Offizielles Organ Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin Haus- und Kinderärzte Schweiz www.primary-hospital-care.ch Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 65 Verlag: Jasmin Borer (Redaktorin); Dr. Nadja Pecinska (Lektorin), Eveline Maegli (Redaktionsassistentin) Redaktion: Prof. Dr. Stefan Neuner-Jehle, Zürich (Chefredaktor); Prof. Dr. Thomas Dieterle, Arlesheim; Prof. Dr. Jacques Donzé, Neuchâtel; Dr. Roman Hari, Bern; Dr. Alexandra Röllin Odermatt, Bern; Dr. Manuel Schaub, Bern; Dr. Daniel Widmer, Lausanne Redaktionelle Zuständigkeit für das standespolitische Ressort «Aktuelles»: Sandra Hügli-Jost (mfe), Claudia Schade (SGAIM), Claudia Baeriswyl (SGP), François Héritier (KHM), Alexander Minzer (SAPPM), Manuel Schaub (JHaS), Lasse Marck (SYI) Peer reviewed journal: Alle Beiträge werden durch die wissenschaftliche Redaktion des PHC geprüft; die meisten Fachartikel werden zudem externen Gutachtern vorgelegt (Peer reviewing). Editorial Stefano Bassetti 68 SGAIM-Frühjahrskongress 2021 Aktuelles Lea Muntwyler 70 Ihr Freund im Praxisalltag Lea Muntwyler 72 Ihre Vertretung in der COVID-19 Task Force Lea Muntwyler 74 SGAIM Teaching Award 2021 Fortbildung Eva Pape, Sebastian Euler, Roland von Känel, Oliver Matthes 75 Urteilsfähigkeit in der klinischen Praxis Benedikt M. Huber, Gisela Etter, Bernhard Wingeier, Beatrix Falch, Beat Meier, Anita Meyer, Oliver Werner, Marc Schläppi, Martin Frei-Erb, Klaus von Ammon, Philip Tarr 82 Komplementäre Therapieansätze bei grippalen Infekten, Influenza und COVID-19 Martina S. Ragettli, Martin Röösli 90 Hitzebedingte Sterblichkeit im Sommer 2019 Dominik Heim, Thomas Ilchmann, Robert Greuter 96 Verletzungen des oberen S prunggelenks Nadine C. Martin, Stefan Weiler, Katharina E. Hofer 100 Bunte Gelkugeln und Wasserperlen: Wie gefährlich ist die Einnahme? Offizielles Organ von: mfe Haus- und Kinderärzte Schweizerische Gesellschaft für Schweiz Allgemeine Innere Medizin SGAIM Schweizerische Akademie für Die Fachorganisation der Kollegium für Psychosomatische und Psychosoziale Junge Hausärztinnen und -ärzte Swiss Young Kinder- und Jugendmedizin Hausarztmedizin KHM Medizin SAPPM Schweiz JHaS Internists SYI Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 66 Arbeitsalltag Corinne Chmiel, Leander Muheim, Felix Huber 102 Ambulante Betreuung von C OVID-19 Patienten Reflexionen Jacques Aubert 104 Visites en EMS: l’interdiction de trop Online only Lesen Sie online weitere Artikel unter https://primary-hospital-care.ch/online-magazine/list Matthias Koller ➙ Leserbrief 1: Grippeimpfung: Kritische Beurteilung und praktische Empfehlungen Wilburg Keller Roth ➙ Leserbrief 2: Grippeimpfung: Kritische Beurteilung und praktische Empfehlungen Stöbern Sie in unserem neuen Online-Shop! Entdecken Sie unser Angebot an Fachbüchern, Kriminalromanen oder Kinderbüchern. shop.emh.ch Scan this! Impressum 19200229_Inserat_Banner Online-shop.indd 1 22.08.19 10:06 Primary and Hospital Care Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte- © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG tion von Primary and Hospital Care Offizielles Organ von mfe Haus- und verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, (EMH), 2021. «Primary and Hospital wieder. Die angegebenen Dosierun- Kinderärzte Schweiz, der Schweizeri- 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, Care» ist eine Open-Access-Publika- gen, Indikationen und Applikations schen Gesellschaft für Allgemeine Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch tion von EMH. Entsprechend gewährt formen, vor allem von Neuzulassun- Innere Medizin SGAIM, von pädiatrie EMH allen Nutzern auf der Basis der gen, sollten in jedem Fall mit den schweiz, des Kollegiums für Hausarzt- Anzeigen: Creative-Commons-Lizenz «Namens- Fachinformationen der verwendeten medizin KHM, der Schweizerischen Markus Süess, nennung – Nicht kommerziell – Keine Medikamente verglichen werden. Akademie für Psychosomatische und Key Account Manager EMH Bearbeitungen 4.0 International» das Psychosoziale Medizin SAPPM, Jungen Tel. +41 (0)61 467 85 04, zeitlich unbeschränkte Recht, das Werk Herstellung: Vogt-Schild Druck AG, Hausärztinnen und -ärzte Schweiz JHaS Fax +41 (0)61 467 85 56 zu vervielfältigen, zu verbreiten und www.vsdruck.ch sowie der Swiss Young Internists SYI. markus.sueess@emh.ch öffentlich zugänglich zu machen unter den Bedingungen, dass (1) der Name Peer reviewed journal Abonnemente: des Autors genannt wird, (2) das Werk Primary and Hospital Care ist im EMH Kundenservice, Postfach, nicht für kommerzielle Zwecke ver- «Directory of Open Access Journals» 4601 Olten, Tel. +41 (0)44 305 82 38, wendet wird und (3) das Werk in keiner (DOAJ) gelistet und erfüllt damit die emh@asmiq.ch Weise bearbeitet oder in anderer Vorgabe des SIWF an eine Zeitschrift Abonnementspreise: Für Mitglieder Weise verändert wird. Die kommer mit Peer reviewing. der Herausgebergesellschaften gelten zielle Nutzung ist nur mit ausdrück spezielle Konditionen, die im Detail licher vorgängiger Erlaubnis von EMH Redaktionsadresse: unter www.primary-hospital-care.ch/ und auf der Basis einer schriftlichen Eveline Maegli, Redaktionsassistentin, fuer-leser/abonnement/ zu finden sind. Vereinbarung zulässig. EMH Schweizerischer Ä rzteverlag AG, Abonnemente für Nichtmitglieder: Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, CHF 125.–, Studentenabonnement Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift Tel. +41 (0)61 467 85 52, CHF 75.–, jeweils zuzüglich Porto. publizierten Angaben wurden mit der office@primary-hospital-care.ch, grössten Sorgfalt überprüft. Die mit www.primary-hospital-care.ch ISSN: Printversion: 2297-7155 / Verfassernamen gezeichneten Veröf- Manuskripteinreichung online: elektronische Ausgabe: 2297-7163 fentlichungen geben in erster Linie Titelbild: http://www.edmgr.com/primary Erscheinungsweise: 12 Ausgaben die Auffassung der Autoren und nicht © Serhii Yevdokymov | hospitalcare pro Jahr. zwangsläufig die Meinung der Redak- Dreamstime.com Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
EDITORIAL 68 Dieses Jahr virtuell SGAIM-Frühjahrskongress 2021 Stefano Bassetti Kongresspräsident, Chefarzt Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Basel Liebe Kolleginnen und Kollegen, und Referenten zu bewährten Updates, State of the Art Sessions, Fallvorstellungen und Präsentationen von Seit dem Auftreten der COVID-19-Pandemie werden wissenschaft lichen Studien auf. Spezifische Veran wir laufend mit vielen Herausforderungen und Un staltungen für die Hausarztmedizin, die Spitalmedizin sicherheiten konfrontiert. Auch der Frühjahrskongress sowie für junge Ärztinnen und Ärzte erlauben die der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) 2020 ist COVID-19 zum Fortbildung vom Büro- oder Wohnzimmer- pfer gefallen und wurde auf das Folgejahr ver- O tisch aus. schoben. Nun findet der SGAIM-Frühjahrskon- gress vom 19. bis 21. Mai 2021 virtuell statt! Zusammenstellung eines individualisierten Fortbil- Wir erleben in der Medizin immer schnellere und ein- dungsprogramms. Und natürlich wird auch COVID-19 drücklichere Fortschritte. Die Medizin kann dadurch ein Thema sein. akkurater, präziser und wirksamer werden. Das Zeit Auch wenn der diesjährige Kongress virtuell statt alter der precision medicine wirft allerdings auch Fra- findet, besteht die Möglichkeit des Austauschs mit gen für die tägliche Behandlung von Patientinnen und Kolleginnen und Kollegen, sodass stimulierende Dis- Patienten auf. kussionen eine optimale Fortbildung garantieren – und Hat precision medicine die Ära der evidenzbasierten dies flexibel vom Büro- oder Wohnzimmertisch aus. Medizin abgelöst? Was bedeuten die genaueren und Die Online-Registration öffnet im März 2021. Es würde uns ausserordentlich freuen, Sie am innova- Wie sollen wir Medizin in der «Ära der tiven, vielseitigen und interaktiven Frühjahrskongress Präzisionsmedizin» praktizieren? begrüssen zu dürfen! massenhaften Informationen der Präzisionsmedizin für meinen individuellen Patienten? Wie integriere ich die neuen Methoden und Forschungserkenntnisse in meine klinische Praxis? Und wie sollen wir Medizin in Kongresspräsidium der «Ära der Präzisionsmedizin» praktizieren? Zentral für unsere Tätigkeit als Allgemeininternistin- Prof. Dr. med. Stefano Bassetti nen und -internisten bleibt die Fähigkeit, richtige Ent- Kongresspräsident, Chefarzt Klinik für Innere Medizin, Korrespondenz: Universitätsspital Basel Claudia Schade scheidungen trotz Unsicherheit zu treffen. Dafür Kommunikationsver braucht es weiterhin die beste klinische Kompetenz, Wissenschaftliches Komitee antwortliche und stellver- tretende Generalsekretärin die korrekte Einschätzung der «besten verfügbaren Dr. med. Ewelina Biskup, Shanghai; Dr. med. Armin Droll, Dor- Schweizerische Gesellschaft Evidenz» und die kontinuierliche Perfektionierung der nach; Prof. Dr. med. Jörg Leuppi, Liestal; PD Dr. med. Michael für Allgemeine Innere Mayr, Basel; Dr. med. Marie Méan, Lausanne; Dr. med. Manuel Medizin (SGAIM) Art, wie wir Entscheidungen treffen, also unser «klini- Schaub, Mühleberg; Prof. Dr. med. Philipp Schütz, Aarau; Monbijoustrasse 43 sches Denken». Postfach Dr. med. Hervé Spechbach, Genf; Dr. med. Pascale Vogt, Zürich; CH-3001 Bern Der 5. SGAIM-Frühjahrskongress wartet mit hochkarä- Prof. Dr. med. Gérard Waeber, Lausanne; Prof. Dr. med. Andreas claudia.schade[at]sgaim.ch tigen, internationalen und nationalen Referentinnen Zeller, Basel; PD Dr. med. Lukas Zimmerli, Olten PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):68 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
AK TUELLES PEER REVIEW ED ARTICLE | 69 Frühjahrskongress Congrès de printemps 21 NEU Online Precision & uncertainty 19. bis 21. Mai 2021 19 au 21 mai 2021 Eine Fortbildungsveranstaltung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin Une formation continue de la Société Suisse de Médecine Interne Générale sgaim.ch/kongress sgaim.ch/congres A4-Inserat_hoch_FK_2021.indd 1 12.02.21 12:51 PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):69 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
AK TUELLES 70 Kostenfreie Datenbank für SGAIM-Mitglieder Ihr Freund im Praxisalltag Lea Muntwyler Mitarbeiterin Kommunikation und Marketing, SGAIM Mitglieder der SGAIM profitieren von einem kostenfreien Zugang zu DynaMed, einem evidenzbasierten Tool, das die Diagnosestellung und Patientenversorgung erleichtert. Wie es funktioniert und wofür es geeignet ist, erfahren Sie hier. Ob aus den Fachgebieten Notfallmedizin, Kardiologie, umfangreicher Katalog an Informationen und Emp Onkologie oder Infektionskrankheiten: Die Datenbank fehlungen geliefert, darunter detaillierte Angaben DynaMed liefert genaue Übersichten mit evidenz über Medikationsmanagement, Arzneimittelsicher basierten Empfehlungen für die praktische Anwen heit, Kompatibilität und Laborempfehlungen (Abb. 2). dung im Alltag (Abb. 2). Daneben stehen auch Grafiken und Abbildungen von Organisationen wie dem ACP, dem JAMA Network, Cen Was ist DynaMed? ters for Disease Control and Prevention, Radiopaedia und der Massachusetts General Hospital Infectious DynaMed ist ein evidenzbasiertes, klinisches Referenz Diseases-Datenbank zur Verfügung. tool, das von Ärztinnen und Ärzten direkt für den Ein satz im Spital oder der Arztpraxis entwickelt wurde. DynaMed unterstützt medizinische Fachpersonen da bei, die bestmöglichen Entscheidungen für und zusam Bleiben Sie informiert men mit ihren Patientinnen und Patienten zu treffen. DynaMed bietet zudem eine Eingrenzung der Fachbe Die Inhalte werden täglich aktualisiert und von einem reiche, Entscheidungsbäume, interaktive Kalkulatoren renommierten Fachteam verfasst, das in einem sie oder Gleichungen sowie eine alphabetische Liste von benstufigen Prozess über 500 medizinische Zeitschrif Medikamenten mit nützlichen Informationen. Zudem ten sichtet, neue Evidenz erkennt und objektive Ana können Sie einem DynaMed-Topic folgen, um rele lysen liefert – ideal geeignet, um schnellstmöglich vante Informationen per E-Mail zu erhalten. So bleiben gezielte Antworten auf klinische Fragen zu finden. Sie jederzeit auf dem aktuellsten Stand der Forschung. Eine weitere Funktion ist das “Drug Interactions Tool”, Wie funktioniert es? das Ihnen erlaubt, die Wechselwirkungen einzelner Im Suchfeld können Sie einen beliebigen Begriff ein Medikamente und Nahrungsmittel in Erfahrung zu geben, beispielsweise «Syphilis». Nun wird Ihnen ein bringen. Redaktionelle Verantwortung: Claudia Schade, SGAIM Korrespondenz: Claudia Schade Kommunikationsverant wortliche und stellvertre tende Generalsekretärin Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) Monbijoustrasse 43 Postfach CH-3001 Bern claudia.schade[at]sgaim.ch Abbildung 1: Die Suchoberfläche in DynaMed. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):70–71 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Aktuelles � Abbildung 2: Die Datenbank liefert relevante Informationen für Ärztinnen und Ärzte von allgemeinen Informationen zu G uidelines und anderen Ressourcen. Was bringt es Ärztinnen und Ärzten Weitere Vorteile als SGAIM-Mitglied im Alltag? Eine Mitgliedschaft bei SGAIM zahlt sich sowohl kurz- als auch langfristig aus. Abgesehen davon, dass Sie von der Arbeit und dem Einfluss einer starken Fachgesellschaft • Zuverlässige, evidenzbasierte Antworten auf klini auf verschiedenen Ebenen profitieren können, haben Sie als SGAIM-Mitglied folgende sche Fragen; individuelle Vorteile: • systematisch recherchierte Inhalte; • Ein hochwertiges Weiter- und Fortbildungsprogramm AIM in der Schweiz; • jederzeit verfügbar; • 30% Ermässigung bei der Credit-Vergabe; • kostenlose Ausstellung des Fortbildungsdiploms; • neueste Informationen durch tägliche Updates; • individuelle Beratung in Fragen der Weiter- und Fortbildung; • flexibler Zugang (mobile App, Offline- oder Fernnut • Preisreduktion bei den SGAIM-Kongressen oder anderen SGAIM-Fortbildungsver zung); anstaltungen wie z.B. Ausbildungs- und Fortbildungskurse für die Moderation von • spart Zeit. Q ualitätszirkeln; • Ermässigung beim Bezug des Lehrmittels MKSAP zur Vorbereitung der Facharztprü- fung; Wie erstelle ich ein Log-in? • Ermässigung bei den Vorbereitungskursen für die Facharztprüfung in Zürich und Lau- sanne; Wenn Sie noch keinen Zugang zu DynaMed haben, • privilegierter Zugang zu Angeboten der European Federation of Internal Medicine können Sie diesen im geschützten Mitgliederbereich (EFIM) und des American College of Physicians (ACP); • aktuelle Informationen über Forschungsergebnisse, Diskussionen und Trends in der auf www.sgaim.ch erstellen. Loggen Sie sich mit Ihren AIM dank dem kostenlosen Abo der Zeitschrift Primary and Hospital Care; Zugangsdaten ein und wählen Sie den Link aus. Dieser • ein hochwertiges Weiter- und Fortbildungsprogramm AIM in der Schweiz; führt Sie zur DynaMed-Website, wo Sie über das • Ihre fachliche Interessensvertretung des Bereichs AIM in der Schweiz, insbesondere in SGAIM-Konto einen eigenen Zugang erstellen können. den Themenschwerpunkten Qualität, Nachwuchs- und Forschungsförderung; • Ihre politische Interessensvertretung für die stationäre AIM; • schweizweite Vernetzungsmöglichkeiten mit Kolleginnen und Kollegen des Fachgebiets Übrigens: EBSCO, die Firma hinter Dy sowie die Möglichkeit, durch aktive Mitarbeit in Kommissionen den Fachbereich AIM naMed, bietet regelmässige Online- konkret weiterzuentwickeln. Schulungen an. Mehr Informationen: https://ebsco.as.me/dynamed. Weitere Informationen unter www.sgaim.ch/mitgliedschaft. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):70–71 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
AK TUELLES 72 Swiss National COVID-19 Science Task Force Ihre Vertretung in der COVID-19 Task Force Lea Muntwyler Assistentin Geschäftsleitung und Mitarbeiterin Kommunikation/Marketing SGAIM Fachärztinnen und Fachärzte der Allgemeinen Inneren Medizin nehmen in der Bewältigung der COVID-19-Pandemie eine wichtige Rolle ein. Umso wichtiger, dass sie ihr Erfahrungs- und Fachwissen in der Swiss National COVID-19 Science Task Force einbringen können. Diese berät die Behörden in der aktuellen COVID-19- Krise. Gleich mehrere Spitalinternistinnen und Hausärzte sind vertreten. Die ehrenamtlich tätigen Expertinnen und Experten Ihre breitgefächerten klinischen und wissenschaft der Swiss National COVID-19 Science Task Force stam- lichen Kompetenzen sowie ausgeprägten empathi- men aus verschiedenen wissenschaftlich relevanten schen Fähigkeiten sollten auf allen Ebenen – auch auf Bereichen und stellen die unabhängige wissenschaft jener des Kantons – genutzt werden. Dafür setzt sich liche Beratung der Entscheidungsträgerinnen und Ent- die SGAIM und ihre Partnerorganisationen mfe Haus- scheidungsträger sicher. Dass hier die Fachärztinnen und Kinderärzte Schweiz ein. und Fachärzte der Allgemeinen Inneren Medizin nicht fehlen dürfen, hat auch der Bundesrat erkannt. SGAIM-Mitglieder in der Expertengruppe Clinical care der Swiss National COVID-19 Know-how des Hausarztes und der Science Task Force Spitalinternistin unerlässlich Prof. Dr. med. Dr. phil. Sven Streit, Chairman Experten- Das Gesundheitswesen befindet sich nicht erst seit gruppe Clinical care, Präsident der SGAIM-Kommission der SARS-CoV-2-Pandemie in einem zunehmenden für Nachwuchsförderung, Professor und Hausarzt Spannungsfeld zwischen einer sich weiter spezialisie- PD Dr. med. Christine Baumgartner, MAS, Mitglied renden Medizin mit fragmentierten Behandlungs- Expertengruppe Clinical care, Mitglied der SGAIM-For- konzepten und wachsendem ökonomischen Druck schungskommission, Forscherin und Spitalinternistin auf der einen und der Notwendigkeit einer patienten- Prof. Dr. med. Manuel Battegay, Mitglied Experten- zentrierten Versorgung auf der anderen Seite. Den gruppe Clinical care, Chefarzt für Infektiologie und In- Fachärztinnen und Fachärzten für Allgemeine Innere nere Medizin Medizin kommt dabei gleichzeitig die Rolle des ersten Prof. Dr. med. Thierry Calandra, Mitglied Experten- Ansprechpartners, der Vertrauensperson sowie des gruppe Clinical care, Chefarzt für Infektionskrankheiten Redaktionelle Verantwortung: Interessenvertreters der Patientinnen und Patienten Dr. med. Felix Huber, Mitglied Expertengruppe Clini- Claudia Schade, SGAIM zu. Weil die AIM den niederschwelligen Zugang der cal care, Präsident mediX schweiz, mediX zürich Bevölkerung zum Gesundheitswesen sicherstellt, ist Prof. Dr. med. Nicolas Müller, Mitglied Experten- Korrespondenz: ein Einbezug in die Bewältigung der aktuellen Krise gruppe Clinical care, Leitender Arzt für Infektions- Claudia Schade unerlässlich. krankheiten und Spitalhygiene Kommunikationsverant- Dr. med. Gabriela Bieri-Brüning, Mitglied Experten- wortliche und stellvertre- tende Generalsekretärin gruppe Clinical care, Stadtärztin, Chefärztin des Geria- Einbezug des breiten Spektrums der AIM Schweizerische Gesellschaft trischen Dienstes und ärztliche Direktorin der Pflege- für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) Das Spektrum der allgemeininternistischen Tätigkeit zentren der Stadt Zürich Monbijoustrasse 43 reicht von Notfall - und Akutmedizin, chronischen Prof. Dr. med. Sophie Marie Pautex, Mitglied Exper- Postfach CH-3001 Bern Krankheiten und Rehabilitation bis hin zur Palliativ- tengruppe Clinical care, Palliativmedizinerin und Ger- claudia.schade[at]sgaim.ch medizin. iaterin PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):72 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
AK TUELLES 74 Ausschreibung SGAIM Teaching Award 2021 Lea Muntwyler Assistentin Geschäftsleitung und Mitarbeiterin Kommunikation/Marketing SGAIM Im Rahmen ihres Nachwuchsförderungskonzepts anerkennt die SGAIM die Wich- tigkeit eines qualitativ hochstehenden Teachings in der studentischen Lehre und Weiterbildung in der Allgemeinen Inneren Medizin und möchte deshalb 2021 wie- der den jährlich verliehenen SGAIM Teaching Award ausschreiben. Der Award wird mit einem Preisgeld von CHF 5000.– honoriert. Wer soll nominiert werden? dargelegt und begründet werden, warum die Anwärte- rin/der Anwärter für einen solchen Award in Frage Anwärterinnen und Anwärter sind exzellente Teacher, kommt. die einen konsistenten, erfolgreichen Leistungsaus- Zwingend beizulegen sind ein aktueller CV der An weis im Bereich medizinischer Ausbildung in der wärterin/des Anwärters, fakultativ auch etwaige Allgemeinen Inneren Medizin aufweisen – einschliess- Teaching-Evaluationen durch Studierende oder Wei- lich Vorlesungen, klinischer Gruppenunterricht, Men- terzubildende. torship, Curriculum-Design sowie der Ent w icklung und Implementierung von innovativen Teaching-/ Lernmethoden oder Bewertungen. Die nominierten Wie läuft das Auswahlverfahren? Personen müssen Mitglieder der SGAIM sein. Grup- Redaktionelle Die eingereichten Vorschläge werden von einem vier- pennominationen werden nicht berücksichtigt. Verantwortung: köpfigen Award-Komitee der SGAIM ausgewählt. Die- Claudia Schade, SGAIM ses setzt sich aus anerkannten klinischen Lehrper Wie läuft das Nominierungsverfahren? sonen der stationären und ambulanten Allgemeinen Korrespondenz: Inneren Medizin zusammen. Beurteilungskriterien Anwärter/-innen für den SGAIM Teaching Award Claudia Schade beinhalten den Nachweis eines signifikanten Beitrags Kommunikations können von einem oder mehreren Kolleg/-innen verantwortliche im Bereich Medical Education, inklusive Teaching, («Peers») und Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in und stellvertretende Mentoring und/oder Forschung/Entwicklung. Generalsekretärin einem einseitigen Empfehlungsschreiben nominiert Schweizerische Gesellschaft werden. Selbstnominierungen sind nicht möglich. für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) Im Empfehlungsschreiben sollen die Teachingleistun- Wann findet die Preisverleihung 2021 Monbijoustrasse 43 gen der Anwärter/-innen in Lehre und Weiterbildung, statt? Postfach Mentoringaktivitäten sowie etwaige Forschungs- und CH-3001 Bern Die Preisverleihung findet anlässlich des 5. Herbstkon- claudia.schade[at]sgaim.ch Entwicklungsbeiträge im Bereich Lehre/Weiterbildung gresses der SGAIM statt. Die Nominationsvorschläge können bis Ende Mai Der SGAIM Teaching Award 2021 unter www.sgaim.ch/teachingaward einge- Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) ho- reicht werden. noriert mit dem SGAIM Teaching Award Lehrtalente in der Allgemeinen Inneren Medizin und trägt damit dem Anliegen der Nachwuchsförderung Rechnung. Der Preis wird seit 2017 jährlich verliehen. Mehr dazu unter www.sgaim.ch/de/forschung/sgaim-teaching-award.html PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):74 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
FORTBILDUNG PEER REVIEW ED ARTICLE | 75 Teil 2: Das «Recht auf Unvernunf t» Urteilsfähigkeit in der klinischen Praxis Eva Pape, Sebastian Euler, Roland von Känel, Oliver Matthes Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik, Universitätsspital Zürich Das Recht auf Selbstbestimmung beinhaltet das Recht eines jeden Patienten, einer medizinischen Behandlung zuzustimmen oder diese abzulehnen, auch wenn diese Entscheidung mit irreversiblen oder tödlichen Folgen verbunden ist und/oder dem Behandler resp. Gutachter «unvernünftig» erscheinen mag. Voraussetzung ist, dass die Patientin bezüglich dieser Entscheidung urteilsfähig ist, wofür gewisse Kompe- tenzen vorhanden sein müssen. Trotz zahlreicher vorhandener Hilfsinstrumente zur Beurteilung der Urteilsfähigkeit gestaltet sich diese im Alltag zum Teil komplex und ist mit Unsicherheiten verbunden. Der folgende Artikel gibt Informationen über rechtlich-ethische Aspekte der Urteilsfähigkeit im Spannungsfeld zwischen Wahrung der Patientenautonomie und Fürsorgepflicht und stellt das U-doc [1] als Hilfsmittel zur Ermittlung von Urteilsfähigkeit im klinischen Alltag vor. Anliegen des Ehemannes sowie des Behandlungsteams auf der Fallvignette 1 – Konsilauftrag zur Beurteilung der Ent kardiologischen Station, dass die Patientin eine Vertretungsbe- lassungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht sowie der vollmächtigung und eine Patientenverfügung erstellt. Es stellte Urteilsfähigkeit in Bezug auf das Erstellen einer Patienten sich die Frage, ob die Patientin diesbezüglich urteilsfähig war. verfügung Seitens des Behandlungsteams bestanden zudem Bedenken be- züglich der Entlassungsfähigkeit der Patientin, denn es bestand Eine 61-jährige, multimorbide Patientin, die ursprünglich aus ein hohes Risiko für ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis mit Ghana stammt und seit 1974 in der Schweiz lebt, wurde mit potenziell intensivmedizinischer Behandlungsbedürftigkeit und einem kardiogenen Schock bei vorbestehender, fortgeschrittener hoher Mortalität. hypertensiver Herzkrankheit hospitalisiert. Bei der Patientin war zudem a ktenanamnestisch eine Paranoide Schizophrenie bekannt. Die Hauptsymptome waren wahnhaftes Erleben sowie optische und akustische Halluzinationen mit «spirituellen» In- Grundlagen zum Konstrukt halten (Stimmen von Familienahnen würden mit ihr kommuni- Urteils(un)fähigkeit zieren). Im Gespräch zeigte sich die Patientin stark abgelenkt bei produktiv-psychotischem Erleben und formalgedanklich auffäl- Urteilsfähigkeit ist kein medizinischer, sondern ein lig mit Vorbeireden und eigenlogischen Aussagen; die Explora- vom Recht her vorgegebener Begriff. Gemäss Art. 16 tion wurde durch die leicht eingeschränkten Deutschkenntnisse ZGB ist jede Person urteilsfähig, «der es nicht wegen ih- nochmals erschwert. res Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psy- Darüber hinaus ergaben sich dringende fremdanamnestische Hinweise auf Vorliegen einer ausgeprägten Negativsymptomatik chischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände an mit Apathie, Affektverflachung und sozialem Rückzug. Ausser- der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.» dem bestand eine anhaltend fehlende Krankheitseinsicht, was Nur eine urteilsfähige Person kann rechtwirksam in dazu führte, dass die Patientin nur gelegentlich die in der ambu- medizinische Untersuchungen und Behandlungen lanten Behandlung verschriebenen antipsychotischen Medika- einwilligen, oder diese ablehnen. mente einnahm. Ebenso bestand eine Malcompliance in Bezug auf die somatische Medikation. Gemäss Art. 8 ZGB hat diejenige Partei das Vorliegen Die Patientin ist verheiratet, ihr Ehemann unterstützte sie sehr, der Urteilsfähigkeit einer bestimmten Person nachzu- auch in der Bewältigung der Aufgaben des täglichen Lebens im weisen, die aus deren Vorhandensein Rechte ableitet. gemeinsamen Haushalt. Sie hatte keine Kinder und war auf- Die Beweislast der Urteilsfähigkeit auch mit Blick auf grund der Diagnose der Paranoiden Schizophrenie 100%-IV-be- rentet. die (zivil- und strafrechtliche) Rechtmässigkeit der Aufgrund der fortgeschrittenen hypertensiven Herzerkrankung Zustimmung oder der Ablehnung eines ärztlichen und des bereits stattgehabten kardiogenen Schocks, war es ein Eingriffs liegt daher beim Arzt [2]. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):75–81 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Fortbildung 76 Prinzipiell wird grundsätzlich von Urteilsfähigkeit Nach den für die Schweiz gültigen SAMW-Leitlinien [4] ausgegangen; erst bei Zweifeln an der Entscheidungs- setzt die Urteilsfähigkeit kognitive, emotionale, moti- kompetenz des Patienten erfolgt eine gezielte Unter vationale und voluntative (den Willen betreffende) suchung der Urteilsfähigkeit. Sie wird dann jeweils für Kompetenzen voraus, die unter der Erkenntnisfähig eine spezifische Fragestellung zu einem definierten keit, Wertungsfähigkeit, Fähigkeit zur Willensbil Zeitpunkt ermittelt. In Bezug auf den Sachverhalt, um dung und Fähigkeit zur Willensumsetzung subsum- den es geht, ist die Urteilsfähigkeit also eine relatio- miert werden (Tab. 1). Hierbei handelt es sich um nale Grösse. Ein Patient kann also beispielsweise in kumulative Voraussetzungen, was bedeutet, dass alle Bezug auf eine Entscheidung urteilsfähig sein, in vier mentalen Kompetenzen als Voraussetzung für die Bezug auf eine andere jedoch nicht. Letztendlich muss Urteilsfähigkeit vorhanden sein müssen. die Untersuchung der Urteilsfähigkeit in Bezug auf Es darf nie von einer Diagnose direkt auf die einen Sachverhalt aber in einem Ja-/Nein-Entscheid Urteils(un)fähigkeit geschlossen werden, sondern es resultieren («Dichotomie der Urteilsfähigkeit»). sind stets individuell die genannten mentalen Fähig- Urteils(un)fähigkeit ist immer eine Zuschreibung nach keiten zu prüfen. Tabelle 2 fasst psychische Erkrankun- ethisch-normativen Gesichtspunkten [1]. Die Trag- gen und Zustände zusammen, welche die Urteilsfähig- weite der Entscheidung ist für die Ansprüche an die keit beeinträchtigen können. Urteilsfähigkeit relevant, eine besonders sorgfältige Beurteilung muss dann erfolgen, wenn die Entschei- Fallvignette 2 – Konsilauftrag zur Beurteilung dung des Patienten für oder gegen eine diagnostische der Urteilsfähigkeit Abklärung oder Behandlung mit potenziell irreversib- len, eventuell sogar lebensbedrohlichen Konsequen- Ein 22-jähriger Patient ist mit Erstdiagnose einer akuten lympha- zen verbunden ist [3]. tischen B-Zell-Leukämie fünf Monate zuvor aktuell aufgrund panvertebraler Schmerzen bei Blasteninflitration des Knochen- Die Urteilsfähigkeit lässt sich nicht primär aus einer marks hospitalisiert. bestimmten Handlung ableiten, selbst wenn diese irra- Der Patient lehnt eine weitere Behandlung der Leukämie mit tional oder gar bizarr anmutet. Für die Evaluation der Chemotherapie ab. Der Patient habe sich bei Erstdiagnose ein- Urteilsfähigkeit wird das Vorhandensein gewisser men- malig auf einen Zyklus Chemotherapie eingelassen («ich bin überredet worden»). Durch die ausgeprägten Nebenwirkungen taler Fähigkeiten ermittelt (z.B. die Fähigkeit zur ratio- (Gewichtsabnahme, Haarausfall, Fatigue, Polyneuropathie) habe nalen Abwägung), nicht die tatsächliche Anwendung er erstmalig seit der Erkrankung deutliche körperliche Symp- dieser Kompetenzen. Pointiert lässt sich sagen, dass tome wahrgenommen und diese daher als schädlich inter selbstverständlich ein «Recht auf Unvernunft» gilt. pretiert. Der Patient sei vorher sehr sportlich und muskulös ge- Bei der Beurteilung sollte man beachten, dass nicht nur wesen; er lege Wert auf sein äusseres Erscheinungsbild. Im Vorfeld hätten sich der Patient und seine Familie (mit türki- die Urteilsfähigkeit der Patientinnen und Patienten, schem Migrationshintergrund) bereits einem Imam sowie einem sondern auch das Urteilsvermögen der Evaluierenden naturkundlich heilenden Arzt aus der Türkei anvertraut, zuvor eingeschränkt sein kann. Voreingenommenheit, bei- auch einer naturheilkundlichen Klinik in Deutschland. Er bete spielweise aufgrund von starken weltanschaulichen mehrfach täglich und nehme Nahrungsergänzungsmittel sowie Überzeugungen oder individuellen Wertvorstellungen, bestimmte Pilze ein und halte eine Low-Carb-Diät ein. Er sei überzeugt, dass die Kombination dieser Massnahmen nütze; kann zu einer verzerrten Einschätzung führen. Der letztlich könne aber nur Gott wieder nehmen, was er gegeben Entscheid zur Urteilsfähigkeit sollte dies reflektieren, habe. Er würde lieber sterben, als sich nochmals einer Chemo- sich auf transparente Kriterien stützen und intersub- therapie zu unterziehen. Er könne es nicht mit seinem Gewissen jektiv nachvollziehbar sein [4]. vereinbaren, sich diese zum Teil auf der Entwicklung von Kampf- gasen (Nitrosamin) beruhenden Substanzen applizieren zu las- sen. Seine Familie (Eltern und Bruder) unterstütze ihn vollum- fänglich auf diesem individuellen Behandlungsweg. Dies wurde Tabelle 1: Kompetenzen für die Urteilsfähigkeit. in einem weiteren Gespräch mit den Eltern und dem Bruder des Patienten bestätigt. Kompetenz Anforderungen Psychopathologisch findet sich in der Konsultation ein bewusst- Erkenntnisfähigkeit Fähigkeit, die für die Entscheidung relevanten Informationen seinsklarer Patient, es sind keine relevanten mnestischen/kog- zumindest in den Grundzügen zu erfassen. nitiven Störungen zu eruieren (leichte Konzentrationsstörungen, Wertungsfähigkeit Fähigkeit, der Entscheidungssituation vor dem Hintergrund die in Zusammenhang mit Schmerz und körperlicher Erschöp- der verschiedenen Handlungsoptionen eine persönliche fung zu interpretieren sind). Im Affekt zeigt sich ein zuerst leicht Bedeutung beizumessen. dysphorischer, im weiteren Gesprächsverlauf dann aber zugäng- Willensbildung Fähigkeit, aufgrund der verfügbaren Informationen und licher Patient mit leicht gedrückter Stimmungslage bei erhalte- eigener Erfahrungen, Motive und Wertvorstellungen einen ner Schwingungsfähigkeit ohne Hinweis auf eine relevante de- Entscheid zu treffen. pressive Symptomatik. Ein Lebenswille wird glaubwürdig Willensumsetzung Fähigkeit, diesen Entscheid zu kommunizieren und zu geäussert, aber gleichzeitig auch die Haltung kommuniziert, vertreten. nicht um jeden Preis überleben zu wollen. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):75–81 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Fortbildung 77 lungsbedarf der Erkrankung verstehen. Beispielfragen Tabelle 2: Zustände, welche die Urteilsfähigkeit beeinträchtigen können. sind im U-doc aufgeführt (Tab. 3). Erworbene/angeborene Intelligenzminderung Wird man für die Beurteilung der Urteilsfähigkeit von Demenz/Delir/Enzephalopathie extern hinzugezogen, sollte vorher immer eine Rück- Erkrankungen aus dem psychotischen Spektrum: Wahnhafte Störung, Schizophrenie, sprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen, um Infor- schizoaffektive Störung mationen zum Gesundheitszustand des Patienten und Substanzabhängigkeit, akute Intoxikation Details zur erfolgten Aufklärung zu erhalten. Falls diese Schwere depressive Episode, manisches Zustandsbild noch nicht suffizient oder unter ungünstigen Bedin- Organische affektive oder psychotische Episode gungen (Hörgerät nicht eingesetzt, kein Dolmetscher Schwere Angststörung, akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung bei fremdsprachigen Patienten, affektiver Ausnahme- Verleugnung der Grunderkrankung bei neurologischen Erkrankungen mit Parietal zustand des Patienten, Benutzung von für den Patien- hirnbeteiligung: Neglekt oder ausgeprägte funktionelle Verleugnung ten unverständlichen Fachtermini etc.) erfolgt ist, muss Schwere Schmerzzustände diese vor der Beurteilung der Urteilsfähigkeit unter Affektiver Ausnahmezustand möglichst idealen Konditionen nachgeholt werden. Schwere Identitätsstörungen Einfache Bedside-Tests wie die MMSE (Mini Mental State Examination), das MoCA (Montreal Cognitive Assess- Tabelle 3: U-doc: Beispielfragen zur Erfassung der Erkenntnisfähigkeit [1]. ment) oder der Uhrentest können hilfreich sein, um die allgemeine Gesprächsgestaltung in ihrer Komplexität Würden Sie unser Gespräch noch einmal aus Ihrer Perspektive zusammenfassen, b esonders hinsichtlich folgender Punkte: der dargebotenen Informationen an das (aktuelle) Kog- nitionsniveau des Patienten anzupassen [5]; sie sind a) Ihren Gesundheitszustand aber nicht geeignet, die Beurteilung der Urteilsfähig- b) Die Behandlungsmöglichkeiten und die jeweiligen Vor- und Nachteile keit zu ersetzen oder allein darauf abzustützen [6]. c) D ie Vor- und Nachteile, wenn wir stattdessen gar nichts tun? – Was meinen Sie, welche Auswirkungen hat [vom Patienten präferierte Option] auf Bei schwerwiegender Störung der Erkenntnisfähigkeit Ihren Alltag? Was wird sich ändern? erübrigt sich die Prüfung weiterer Aspekte der Urteils- – Was denken Sie, ist mit Ihrer Gesundheit derzeit nicht in Ordnung? – Glauben Sie, dass Sie irgendeine Art von Behandlung brauchen? fähigkeit, es besteht Urteilsunfähigkeit. – Was denken Sie, sind die Beweggründe, Ihnen [empfohlene Option] zu empfehlen? Zustände mit einer schweren Störung des Realitätsbe- zugs, wie Erkrankungen aus dem psychotischen For- menkreis, manische Zustände und schwere depressive Erkenntnisfähigkeit Zustände zum Beispiel mit wahnhafter Symptomatik Eine Entscheidung bezüglich einer Behandlungsop- und suizidaler Einengung können die Erkenntnis tion ist bedeutungslos, wenn der Patient nicht in der fähigkeit stören, ebenso wie signifikante mnestische Lage ist, die Umstände zu verstehen. Voraussetzung Beeinträchtigungen wie bei einem Delir, einem Korsa- für die Urteilsfähigkeit ist daher, dass die handelnde kow-Syndrom oder einer dementiellen Entwicklung. Person in der Lage ist, die Aussenwelt zumindest in ihren Grundzügen richtig zu erkennen und sich ein Wertungsfähigkeit angemessenes Bild von der Realität zu verschaffen. Zur Ermittlung der Erkenntnisfähigkeit wird zuerst Unter Wertungsfähigkeit wird die Kompetenz verstan- das Informationsverständnis über die Krankheit und den, der Entscheidungssituation vor dem Hintergrund deren voraussichtlichen natürlichen Verlauf erfragt. der verschiedenen Handlungsoptionen eine persön Dazu eignen sich offene Fragen am besten. Der Patient liche Bedeutung beizumessen, das heisst sie anhand wird gebeten, die Behandlungsoptionen und deren Ri- eigener Wertmassstäbe zu evaluieren. siken und Vorteile mit seinen eigenen Worten wieder- Die Untersuchung der Wertungsfähigkeit unterliegt zugeben. Im Falle einer Ablehnung der empfohlenen grösserer Subjektivität als die Prüfung der ersten Kom- Behandlung werden auch die möglichen Konsequen- ponente. Auch hier empfehlen sich offene Fragen zen dieser Entscheidung erfragt sowie Alternativen (Tab. 4), die den Patienten im Narrativ schildern lassen, und mögliche Vorteile und Nachteile dieser Optionen. warum er sich aus den verschiedenen Optionen für die Dies können auch von schulmedizinischen Konzepten präferierte entschieden hat, um zugrundeliegende abweichende Alternativen sein wie holistische Ansätze Motive, Emotionen und Werte zu ergründen. oder das Vertrauen allein auf religiöse Hilfe, wie in der Die vorgebrachten persönlichen Gründe des Patienten oben genannten Fallvignette 2. müssen dabei nicht medizinisch akzeptiert sein oder Der Patient sollte die konkreten Auswirkungen seiner von der breiten Öffentlichkeit geteilt werden; mög Entscheidung auf sein Leben/seine Lebensführung licherweise lassen sie sich nur vor dem Hintergrund wiedergeben können und den potenziellen Behand- religiöser oder philosophischer Weltanschauungen PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):75–81 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. 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Fortbildung 78 Entscheidung Voraussetzung. Rasch wechselnde, im Tabelle 4: U-doc: Vorschläge für offene Fragen zur Erfassung der Wertungsfähigkeit [1]. Inhalt stark divergierende Willensäusserungen ohne Sie denken, [vom Patienten präferierte Option] ist das Beste für Sie. Können Sie mir Veränderung der äusseren Sachlage können ein Indiz erklären, warum das so ist? für fehlende Urteilsfähigkeit sein [2]. Was denken Sie, haben Erfahrungen Ihre Entscheidung beeinflusst? Wenn ja, in welcher Weise? Darüber hinaus sollte kohärent dargelegt werden Was macht [vom Patienten präferierte Option] für Sie persönlich besser als [alternative können, weshalb sich der Patient für die gewählte Option]? Was löst die Vorstellung von [alternative Option] in Ihnen aus? Option entschieden hat, sei es durch rationale Argu- Bezug zu eigenen Werthaltungen: Die Person kann die Entscheidung mit persönlichen mentation oder intuitionsbasierte Selbstreflexion. Werthaltungen und Überzeugungen in Verbindung bringen. Lebensgeschichtliche Einordnung: Die Person ist in der Lage, die Entscheidungs situation im Kontext ihrer bisherigen (Krankheits-)Geschichte sowie im Zusammenhang Fähigkeit zur Willensumsetzung mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation zu betrachten. Informationsgewichtung/Entscheidungsgründe: Die Person gewichtet einzelne Aspekte Hat sich eine Person einen Willen gebildet, stellt sich verhältnismässig resp. führt verständliche Gründe für ihre Entscheidung an, bzw. ist die Frage, ob sie eine ausreichende Widerstandskraft sich im Klaren darüber, falls sie dies nicht tut. besitzt, gemäss der eigenen Entscheidung auch zu Affektive Beteiligung: Die Person kann sich mit einer angemessenen Affektintensität am Entscheidungsprozess beteiligen und zeigt eine einfühlbare affektive Reaktion. handeln und ihren Willen umzusetzen. Den eigenen Willen gilt es in ausreichendem Masse gegen äussere einer kleinen Minderheit [7] oder aus dem subjektiven Einflüsse, aber auch gegen inneren Drang umsetzen zu Erfahrungshorizont des Patienten heraus verstehen. können. Die Wertungsfähigkeit setzt eine «verhältnismässige» Hieraus ergibt sich, dass die Fähigkeit zur Willens Gewichtung der einzelnen Aspekte voraus; alternativ bildung dann relevant eingeschränkt ist, wenn die ist auch möglich, dass der Patient die starke oder ge- Person nicht in der Lage ist, die eigene Meinung bei- ringe Gewichtung einzelner Gesichtspunkte reflektie- spielsweise gegenüber einem Familienangehörigen in ren und begründen kann. ausreichendem Masse zu verteidigen, also gegen Ein- Einschränkungen der Wertungsfähigkeit können sich flüsse von aussen. Kann die Person den Willen deshalb bei wahnhaften Störungen oder überwertigen Ideen nicht in die Tat umsetzen, weil ein innerer Drang, wie ergeben, wenn einzelne Themen übermässig affektbe- zum Beispiel ausgeprägtes Craving nach Substanzkon- laden sind und dadurch eine ausgewogene Abwägung sum, die Entscheidung relevant bestimmt, ist die Wil- verunmöglicht wird. Bei Zuständen mit ausgeprägten lensumsetzungsfähigkeit ebenfalls eingeschränkt. Störungen der Aufmerksamkeitslenkung und weiterer Wenn keine Kommunikationsfähigkeit besteht, somit höherer Hirnfunktionen wie strategischem Denken, der Wille der Person nicht geäussert werden kann (z.B. Impulskontrolle, Handlungsplanung oder des analyti- bei mutistischen oder schwer aphasischen Patienten), schen Denkens kann die Fähigkeit zur rationalen Wei- erübrigt sich eine weitere Prüfung und es besteht terverarbeitung der Information gestört sein. Klinisch Urteilsunfähigkeit. Die Kommunikationsfähigkeit der treten derartige Einschränkungen zum Beispiel bei Person sollte, genauso wie die anderen mentalen Denkstörungen im Rahmen psychotischer Störungen Fähigkeiten, so weit wie möglich unterstützt und (zum Teil auch als Residualsymptomatik) auf oder bei gefördert werden; beispielsweise sollten sedierende Me- deliranten/enzephalopathischen Zustandsbildern. Bei dikation, soweit wie möglich, reduziert werden oder die schweren Identitätsstörungen (wie z.B. Borderline-Per- Tageszeit zur Exploration gewählt werden, in welcher sönlichkeitsstörung) kann der Zugang zu eigenen der Patient am wachsten und adäquatesten erscheint. Werthaltungen und Prioritäten (vorübergehend) er- Auch ein niederschwelliger Beizug eines professionel- schwert sein oder diese können rasch wechseln. len Übersetzers ist bei fremdsprachigen Patienten ange- zeigt, um eine differenzierte Kommunikation der Per- son zu ermöglichen. Seh- und Hörhilfen sollten – sofern Fähigkeit zur Willensbildung vorhanden – immer beigeschafft werden. Wer die Fähigkeit zur Willensbildung besitzt, kann an- hand seiner Einsichten und Motive aus den möglichen Tabelle 5: U-doc: Mögliche Beispielfragen zur Prüfung der Optionen eine vom Verstand oder der Intuition gelei- Fähigkeit zur Willensbildung und - umsetzung [1]. tete Entscheidung treffen. Willensbildungsfähigkeit Für welche Behandlungsoption haben Sie sich entschieden? setzt eine gewisse Selbstbestimmungskompetenz und Warum haben Sie sich für [vom Patienten präferierte Option] damit einen Handlungsfreiraum voraus, das heisst das entschieden? Handeln des urteilsfähigen Patienten folgt nicht un- Was macht die Entscheidung [wenn keine Entscheidung] so schwierig? kontrolliert kurzfristigen Impulsen oder Trieben. Für Fühlt sich die Entscheidung richtig an? die Willensbildung ist auch eine gewisse Stabilität der PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):75–81 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Fortbildung 79 Das U-doc fasst Willensbildungs- und Willensumset- im Art. 378 ZGB festgelegten Vertretungskaskade (siehe zungsfähigkeit zusammen; mögliche Beispielfragen Anhang in der Online-Version dieses Artikels unter sind in Tabelle 5 aufgeführt. www.primary-hospital-care.ch). Im Idealfall ist die Vertretungsperson in der Patientenverfügung oder im Vorsorgeauftrag festgelegt. Ansonsten ist – falls keine Vorgehen bei Urteilsunfähigkeit Beistandschaft für medizinische Massnahmen einge- Einer Patientin oder einem Patienten die Urteilsfähig- leitet wurde – der im selben Haushalt lebende Ehepart- keit hinsichtlich einer Behandlung abzusprechen, ist ner oder eingetragene Lebenspartner die nächste ein hochsensibler Entscheid, der eine schwere Ein- gesetzliche Vertretungsperson. Für alle Personen in der schränkung der persönlichen Freiheit bedeutet [4]. Bei Kaskade gilt, dass sie der urteilsunfähigen Person in Grenzfällen oder in besonders anspruchsvollen Situa- letzter Zeit Beistand geleistet haben müssen; ein Ver- tionen kann eine zusätzliche psychiatrische Evalua- wandtschaftsverhältnis per se ist nicht ausreichend. tion veranlasst werden, um die Entscheidung interdis- Falls sich keine vertretungsberechtigte Person eignet ziplinär unter Einbezug der Angehörigen abzustützen, oder bereit erklärt, bei Uneinigkeit unter den vertre- die Verantwortung zu teilen und das für die weitere Be- tungsberechtigten Personen oder wenn Anlass zur handlung wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Vermutung besteht, dass die Interessen der urteilsun- Hausarzt und Patient möglichst wenig zu stören. Im fähigen Person gefährdet sind, wird eine medizinische ambulanten Setting ist dies aufgrund fehlender Ko- Vertretungsbeistandschaft bei der zuständigen Kinder- operation des Patienten aber nicht immer möglich und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) beantragt. Die- und muss gut vorbereitet werden, damit sich der Pa ser Vorgang setzt – wenn sie durch den behandelnden tient nicht zusätzlich stigmatisiert fühlt. Arzt eingeleitet wird – die Entbindung von der Schwei- Für jegliche Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit gilt: gepflicht bei der Gesundheitsdirektion voraus. Bei kurzfristig reversiblen bzw. stark fluktuierenden Ob bei fehlender Urteilsfähigkeit und Ablehnung der Zuständen sollte die Beurteilung der Urteilsfähigkeit Behandlung diese gegen den Willen durchgeführt möglichst rasch wiederholt werden. Es bleibt immer wird, muss mit der Vertretungsperson sorgfältig abge- erklärtes Ziel, den Patienten wieder autonom hand- wogen werden. Dabei fliessen verschiedene Faktoren lungsfähig zu machen, so dass dieser sich zu einem ein: Die Schwere und die Akuität des zu erwartenden späteren Zeitpunkt nach persönlicher Abwägung frei gesundheitlichen Schadens, die Wirksamkeit der Inter- und informiert für oder gegen die empfohlene Be- vention (Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung), handlung entscheiden kann. Auch bei Patienten mit die Risiken des Eingriffs und die Schwere der zu er fehlender Urteilsfähigkeit zum gegebenen Zeitpunkt wartenden psychischen Reaktion des Patienten durch kann es – bei entsprechender Zugänglichkeit und Kom- die erzwungene Behandlung, sowie auch die kurzfris- petenz des Patienten – sinnvoll sein, den mutmass tige und langfristige logistische Durchführbarkeit zur lichen Willen hypothetisch zu erfragen («wenn der Sicherung des Behandlungserfolgs, vor allem wenn Knoten Krebs wäre, was würden sie dann machen wol- eine Intervention eine langfristige Nachbehandlung len») [8] und diese Auskünfte in die Behandlungspla- verlangt wie zum Beispiel eine orale Antikoagulation nung zu integrieren. Generell sollte die urteilsunfä- [9]. Auch falls nach sorgfältiger Abwägung eine Ent- hige Person – wo immer möglich – einbezogen werden scheidung gegen eine Behandlung der urteilsunfähi- in die medizinischen Entscheidungen (Art. 377 ZGB). gen Person getroffen wird, sollte die Einschätzung der In medizinisch dringlichen Fällen mit unmittelbarer Urteilsfähigkeit sorgfältig in der Krankenakte doku- Gefährdung ergreift der Arzt medizinische Massnah- mentiert werden. men nach dem mutmasslichen Willen und den Interes- sen der urteilsunfähigen Person. Gesetzlich ist dies im Anwendung auf die beschriebenen Fälle Kinder- und Erwachsenenschutzrecht Art. 379 ZGB ge- regelt. Bei weniger dringlichen Fällen oder nach Stabilisie- Anwendung bei Fallvignette 1 rung des Patienten klärt der behandelnde Arzt ab, ob In der Zusammenschau gingen wir, basiert auf unsere eine Patientenverfügung besteht; diese ist rechtlich zweimalige klinische Beurteilung der Patientin sowie bindend. Falls diese nicht vorliegt oder keine Angaben den Angaben des Ehemannes und der Aktenanamnese, zur aktuellen Fragestellung erhält, erstellt der behan- aus psychiatrischer Sicht diagnostisch von einer para- delnde Arzt unter Beizug einer gesetzlichen Vertre- noiden Schizophrenie aus. Aus dem Untersuchungs tungsperson einen Behandlungsplan. Die Auswahl der befund ergeben sich keine Hinweise mehr auf das gesetzlichen Vertretungsperson richtet sich nach der Vorliegen eines Delirs. Psychopathologisch standen PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2021;21(3):75–81 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
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