PRUNK UND PRACHT - IN WORDS WE TRUST
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reise / L O I R E PRUNK UND PRACHT In den Küchen garen die besten Zutaten aus dem »Garten der Grande Nation«, und auch große Weine werden hier gemacht: Die Loire ist nicht nur der längste Fluss Frankreichs, sondern auch ein Schlaraffenland mit jahrhundertealter Genusstradition, der heutige Fotos: Getty Images Küchenchefs die Schwere nehmen und sie erfreulich modern auffrischen. Mehr Travelguides von Falstaff auf T EXT B R I G I T T E JU R CZ Y K falstaff.com/travelguides 162 falstaff feb–mär 2019 feb–mär 2019 falstaff 163
reise / L O I R E wird, hat da so einiges zu bieten. Macht, in denen es nicht nur in den Küchen Baptiste Fournier, 38 Jahre jung und aufge- Dank der unterschiedlichen Böden gedei- hoch herging. wachsen in einer der berühmtesten Weinregi- hen hier verschiedene Sorten von Gemüse, onen Frankreichs: in Sancerre an der oberen Obst und Kräutern. Denn das Val de Loire LEBENDIGE GENUSSTRADITION Loire. Zweimal die Woche wird er von sei- ist nicht nur für seine herausragenden Wei- nen Gemüsebauern beliefert. »Ich weiß ne bekannt, sondern auch für den »Markt- Heute machen die vielen imposanten eigentlich nie im Voraus, was sie diesmal korb der Nation«, in dem über 400 Schlös- Schlösser wie Chambord und Chenonceau dabeihaben. Aber wenn sie mit ihren Kisten ser liegen. Ein Grund, warum der Land- die Region zu einem der beliebtesten Reise- und Körben zur Tür hereinkommen, geht bei strich zwischen Atlantik und der Mitte ziele Frankreichs. Es ist das kulturelle Erbe, mir das Kopfkino los!«, sagt der Koch und Frankreichs eine solch großartige Küchen das die Touristen fasziniert. Aber auch die Eigentümer des Restaurants »La Tour« im tradition hat: Der Adel war schuld. Der ließ Genusstradition, die hier weiterlebt, in die- Herzen von Sancerre, einen Familienbetrieb, sich hier während des 15. Jahrhunderts nie- sem von der Natur reich beschenkten Land- den seine Eltern aufbauten und den er erst der und wollte schlemmen. strich: Die Wälder sind voll von Wild, in vor zwei Jahren übernahm. Während des Hundertjährigen Krieges den Höhlen rund um Saumur wachsen Pil- Oft bringen seine Lieferanten geschmacks zwischen 1337 und 1453 war die Loire der ze, aus der Loire und ihren Nebenflüssen intensive, alte Gemüsesorten, hin und wieder Grenzfluss zwischen den von den Englän- ziehen Fischer Forellen, Zander und Aale, farbenfrohe, essbare Blüten. Dann spielt er dern besetzten Gebieten im Norden und und der Atlantik mit seinen Meeresfrüchten schon mal durch, was er mit dem Saft von dem Rest Frankreichs im Süden. Die Bur- ist nicht weit. Ein Schlaraffenland für Fein- Topinambur oder der Süße von frischen gen und Festungen, die in dieser Zeit an schmecker! Zuckerschoten, mit Saubohne oder Spargel, den Ufern der Loire und ihren Nebenflüs- Und ein Paradiesgarten für kreative Radieschen oder roten Karotten zaubern sen entstanden, verwandelten sich in der Küchenchefs, die frischen Wind und neue kann. Das klingt so leicht und einfach, dabei Renaissance in prachtvolle Residenzen der Ideen an den Herd bringen. Einer davon ist sind seine Kreationen raffiniert und viel- > Trüffeljäger mit Hund in der Nähe von Chinon: Ode an die schwarze Trüffel. E in Schlaraffenland für Feinschmecker! M Und ein Paradiesgarten für kreative orgens hat sich der Fluss gailhard 1996 ein 60 Hektar großes Feld Küchenchefs, die frischen Wind und neue noch unter einer milchig- anlegen lassen: Dort wachsen mit Trüffel- weißen Decke von Früh- sporen geimpfte Eichen. Es ist die erste Ideen an den Herd bringen. nebel versteckt. Jetzt Trüffelfarm Frankreichs überhaupt! In den gegen Mittag strahlt das Wäldern an der Loire gedeiht der Tuber Blau der Vienne unweit der Mündung in melanosporum zwar hier und da wild. die Loire mit dem ersten zarten Sprossen- Monsieur geht aber lieber auf Nummer grün der frühlingserwartenden Bäume und sicher und holt aus dem Goldacker in der Wiesen um die Wette. Nähe seines Hauses jetzt Jahr für Jahr die Auch die Weinreben zeigen zaghaft, dass begehrten schwarzen Diamanten heraus. wieder Leben in ihnen steckt: Eine maleri- Zur »Ernte« fliegen schon mal Gäste per sche Szenerie, die die imposante Burganlage Helikopter aus Paris ein, die er anschlie- des Château de Chinon einrahmt. An einem ßend mit frischem Baguette, Trüffelbutter I n der Nähe von Chinon Frühlingstag im März 1429 traf hier Jeanne und Wein aus eigener Produktion bewirtet. d’Arc auf König Karl VII. und überzeugte Eine Ode an den Trüffel hat der »Trüffel- hat Serge Desazars ihn, der belagerten Stadt Orléans zu Hilfe baron« auch schon geschrieben, zu der de Montgailhard ein Fotos: KOEphotographies , David Lebrun/imageos.fr, beigestellt zu eilen. Jetzt redet der »Baron de la Truf- unter anderem kein Geringerer als der Star- fe« eindringlich auf seine beiden Wuschel- koch Yannick Alléno Rezepte beisteuerte. 60 Hektar großes Feld hunde ein: Sie sollen mit ihm raus in die Seine Aromaknollen schickt er ansonsten in anlegen lassen: Dort Eichenplantage gehen – ein letztes Mal für die Meisterküchen von Paris, aber die meis- wachsen mit Trüffelsporen diese Saison. Denn da könnte noch etwas ten bleiben an der Loire: »Wir haben hier auf sie warten: »Chercher les truffes!« großartige Küchenchefs«, sagt Serge Desa- geimpfte Eichen. Jetzt im März findet der attraktive zars: »Die wissen, wie sie den schwarzen Anfang Fünfzigjährige mit den grauen Haa- Diamanten zum Leuchten bringen!« Restaurant »La Tour« in ren, die perfekt zum Kaschmirpullover pas- Bald wird der Glanzpunkt der winterli- Sancerre. Küchenchef und sen, mit Glück noch die letzten begehrten chen Küche durch frischen Spargel und Inhaber Baptiste Fournier (l.) zählt zu den aufstrebenden Knollen. In der Nähe von Chinon mit Blick Erdbeeren ersetzt. Der »Garten Frank- Kochtalenten der Region. auf die Burg hat Serge Desazars de Mont- reichs«, wie das Loiretal auch genannt 164 falstaff feb–mär 2019 feb–mär 2019 falstaff 165
reise / L O I R E G emüseverliebt wie Baptiste Fournier sind auch Fumiko und Anthony Maubert vom Restaurant »Assa« in Blois direkt am Fluss. > schichtig, wie etwa die gebratenen Jakobs- muscheln mit einer Mousse von Steckrübe, die die subtile Säure eines Quitten-Jus zusam- menführt. Oder die Langusten, die er von Aromen von Artischocken, Clementinen, Knoblauch und Petersilie begleiten lässt. Der Koch, der gerne mit unterschiedlichen Texturen spielt, hat bei den Großen seines Fachs gelernt: bei den Brüdern Laurent und Jacques Pourcel im »Le Jardin des Sens« und bei Alain Passard im »L’Arpège« in Paris: »Dort hat es bei mir mit dem Gemüse klick Schloss Chambord ist das gemacht«, sagt der quirlige Mann, der den größte Schloss des Loiretales. Es liegt etwa 15 Kilometer wunderbaren Weinen vor seiner Haustür östlich von Blois. auch in seinen Menüs Respekt zollt. D ie Burgen und Festungen, die an den Ufern der Loire und ihren Nebenflüssen entstanden, ESSBARE KUNSTWERKE verwandelten sich in der Renaissance zu prachtvollen Residenzen der Macht. Gemüseverliebt wie Baptiste Fournier sind auch Fumiko und Anthony Maubert, das Sancerre ist eine der berühmtesten japanisch-französische Ehepaar, das als Weinregionen Frankreichs. In der Mitte der gleichnamige Ort. Küchenchefs das »Assa« in Blois auf die gas- Fumiko und tronomische Landkarte setzte. Mitten ins Anthony Maubert: Herz des Loiretals, vis-à-vis dem Fluss. »Als Im Restaurant ich als Koch anfing«, erzählt Anthony Mau- »Assa« in Blois kreiert das bert, »war ich absolut fleischfixiert, später japanisch- war es dann der Fisch und heute das Gemü- französische se, das mich inspiriert.« Ehepaar essbare Kunstwerke. Aus der Fülle der Farben, Aromen und Konsistenzen kreiert das junge Paar gerade- zu anmutige, essbare Kunstwerke, die wie moderne Malerei wirken. Ein visueller Überraschungsakt, dem unerwartete Geschmackshöhepunkte folgen. Ein sehr eigenständiger, persönlich geprägter Stil, der große Kontraste harmonisch vereint: »Auf der einen Seite ist da die ländliche Fotos: Shutterstock, GIANNI VILLA, beigestellt Küche meines Großvaters als Basis, dazu kam die japanische Subtilität, die ich durch meine Frau kennenlernte, der große Res- pekt vor der Natur und das Bedürfnis, ihr sehr nahe zu kommen«, erklärt Anthony Maubert, der im Département Mayenne nördlich der Loire aufwuchs. Fotos: beigestellt Inspirieren lassen sich die beiden auch von den Weinen und den Winzern der Loire: »Wenn wir sehen, wie sie Assem- > 166 falstaff feb–mär 2019 feb–mär 2019 falstaff 167
reise / L O I R E M arie Monmousseaus Küchenphilosophie ist denkbar einfach: »Ich will meine Gäste glücklich machen!« brühe pur aus einem Becher und hat noch einmal das volle Umami-Erlebnis. Der dritte Halt auf der Reise in die Welt bilateraler Beziehungen zeigt sich in einer Foie gras, die im Stil einer japanischen Chawanmushi zubereitet ist. Joghurt steuert den ländli- chen, französischen Spirit hinzu. Aber das letzte Wort hat Asien: Das Gericht wird mit knuspriger Bambusasche getoppt. Wie Fumiko und Anthony Mau- bert ist auch Marie Monmousseau weit in der Welt herumgekommen: Sie stand bei Sterneköchen in Paris und Dubai am Herd und führte selbst drei Jahre lang ein französisches Bistro in London. »Als ich Mutter wurde, wollte ich aber wieder nach Hause zurück«, Marie Monmousseau (o.) im sagt die heute 40-Jährige. Ihr Zuhause ist Restaurant »La Route du Sel« das berühmte Schaumweinhaus Maison in dem kleinen Dorf Le Thoureil. Die Lage ist ein Traum: Von der Bouvet Ladubay in Saumur, das Vater Patri- efeubewachsenen Terrasse ce und Schwester Juliette führen. In den sie- schaut man direkt auf den Fluss. ben Kilometer langen unterirdischen Gän- gen, die sich zu Galerien und Kathedralen öffnen, lagerten früher die Crémants de Loire, die das Haus weltberühmt machten. > blagen kreieren, ziehen wir daraus Ide- en, die wir auch auf unsere Brühen oder IMMER AN DER LOIRE ENTLANG Saucen anwenden können.« Eines der Lieblingsprodukte der Region Heute führt eine eineinhalbstündige Rad- stellen die beiden bei einer Genussreise in tour durch die ehemaligen Tuffsteinbrüche drei Etappen in den Fokus: Foie gras. Der aus weißem Kalkstein, der für die Provinz erste Stopp: Entenstopfleber in Form einer Anjou so charakteristisch ist und der auch Granita, die die Identität der Leber heraus- die Weine der Region mit seiner Minerali- Fotos: Marc.Broussard, Brigitte Jurczyk, Shutterstock, beigestellt kristallisiert und das Menü mit einem Fri- tät prägt. schekick beginnen lässt. Beim zweiten Gang 17 Kilometer weiter westlich Richtung wird eine in Dashi – der typischen japani- Angers – immer an der Loire entlang – liegt schen Brühe – pochierte Foie gras zusam- das Restaurant »La Route du Sel«, in dem men mit über Holzfeuer zubereiteten Shita- jetzt Maries eigener Herd steht. Den Gas kepilzen serviert. Eine ungewöhnliche, aus- tronomiebetrieb in dem kleinen Dorf Le balancierte Komposition, die das kräftige Thoureil kennt sie schon seit Jugendtagen: Leberaroma mit dem subtilen Algenge- »Als die ursprünglichen Besitzer ihn in schmack des Dashis und einem Hauch von neue Hände abgeben wollten, wurde ein Rauch zusammenbringt. Traum für mich wahr«, schwärmt die Frau Das Ganze wird in einer Teekanne ser- Angers ist die Hauptstadt des Départements mit den langen blonden Haaren. Die Lage viert. Zum Schluss trinkt man die Fisch Maine-et-Loire in der Region Pays de la Loire. ist in der Tat ein Traum: Von der efeube- > 168 falstaff feb–mär 2019
reise / L O I R E Das Restaurant »L’Atlantide 1874« in Nantes mit Inhaber und Küchenchef Jean-Yves Guého gehört zu den Morgens sieht man Jean-Yves Guého zum absoluten Top-Adressen an der Loire. Markt gehen. Der Küchenchef schaut, was die Stände jetzt im beginnenden Frühling so bunt macht. Aber eigentlich hat er nur eins > wachsenen Terrasse schaut im Sinn: »Langustinen! Meine Gäste sind man direkt auf den Fluss, im ganz verrückt nach ihnen.« Die große fran- Garten hat die neue Hausherrin zösische Küche hat der mehrfach ausge- Stühle und Tische unter grünen Sonnen- zeichnete Chef de Cuisine in den 1980er- schirmen aufgestellt, und manchmal sieht Jahren im legendären »L’Auberge de l’Ill« S o klar und übersichtlich, man die lokalen Fischer die steinernen Stu- im Elsass aufgesogen. Aber dann rief die fen zum Haus hinaufsteigen – im Gepäck: große, weite Welt und New Orleans, Hong- den Fang des Tages. wie das »L’Auberge de kong und Paris wurden zur Wahlheimat. Marie Monmousseaus Küchenphiloso- l’Ill« eingerichtet ist, sind Mit all den verschiedenen Einflüssen kam phie ist denkbar einfach: »Ich will meine Gäste glücklich machen!« Dazu nutzt sie auch die Teller komponiert. der gebürtige Bretone Ende der 1990er- Jahre nach Nantes. Sein modern eingerich- die große Auswahl an frischen lokalen Pro- tetes Restaurant mit der großen Fenster- dukten und verarbeitet sie manchmal ganz front zum Fluss, das er mit Frau und Toch- klassisch französisch, mal mit einem Twist ter führt, gehört heute zu den etablierten ins Asiatische, mal bedient sie sich skandi- auf dem Tisch. »Ich freue mich aber auch Top-Adressen an der Loire. Die Philosophie navischer Traditionen: Ihre Familie mütter- schon auf den ersten Spargel, der hier auf seiner Küche: »Man muss das Produkt Fotos: francisguillard, Sergi Reboredo/dpa Picture Alliance/picturedesk.com licherseits kommt aus Schweden. den sandigen Böden der Loire ganz wunder- schmecken, nicht die Gewürze.« Deshalb weiß die junge Küchenchefin bar wächst«, sagt die sympathische junge So klar und übersichtlich, wie das Res- auch, wie man Fische heiß räuchert und sie Frau, die auf ihrer Weinkarte fast aus- taurant eingerichtet ist, sind auch die Teller mit frischem Meerrettich zu einer aus- schließlich die eigene Region im Fokus hat. komponiert. Es ist eine Reduktion auf das drucksstarken Vorspeise kombiniert. Glück- Wesentliche, die den Charakter einer Zutat lich macht auch eine im eigenen Fett gegar- TOP-ADRESSE IN NANTES in den Mittelpunkt rückt und den Gaumen te Foie gras, der die Schwere durch die nicht mit zu vielen Geschmackseindrücken Zugabe von mitgeschmorten süßlich-säuer- Auch die Gäste des Lokals »L’Atlantide überflutet. Die superfrischen Langustinen lichen Äpfeln und in Armagnac eingelegten 1874« in Nantes schauen aufs Wasser. Die à la Teppanyaki brauchen eben nicht mehr Weintrauben genommen wird. Mal kommt Loire hat an dieser Stelle eine Flussinsel als ein wenig Karottenaroma und ein leich- auch Tataki vom weißen Thunfisch oder ein gebildet, und der Hafen der sechstgrößten tes Jus. Und sie beweisen: Die Genusstradi- raffiniertes Aal-Frikassee mit Knoblauch- Stadt Frankreichs weist darauf hin, dass das tion an der Loire kann heute ihre Größe butter und einem Kartoffel-Zitronenschaum Meer nur 50 Kilometer entfernt ist. auch schlank und modern zeigen. < 170 falstaff feb–mär 2019
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