"Psychotherapie aus buddhistischer Sicht - eine Reflexion" (14.6.2012, Red Buddha)
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„Psychotherapie aus buddhistischer Sicht - eine Reflexion“ (14.6.2012, Red Buddha) Zu Beginn muss ich anmerken, dass für den heutigen Abend ursprünglich eine Buchpräsen- tation geplant war, „Wege zum Selbst“ von Sylvester Walch. Das erwies sich dann leider als nicht machbar: abgesehen davon, dass das Buch nicht wirklich etwas mit Buddhismus zu tun hat, kann ich es aus fachlicher Sicht nicht empfehlen. Für einen „Verriss“ war mir die Zeit aber zu schade, und so möchte ich einen Überblick darüber geben, was ich zum Thema anhand meiner beruflichen Praxis für erwähnenswert halte bzw. welche Anregungen der Buddhismus für die Psychotherapie bieten kann. Hauptquelle war ein Tonband von Thich Nhat Hahn (TNH) zu „Mindfulness and Psychotherapy“ bzw. sein Buch „Von der Angst zum Mut - Buddhistische Psychologie“ (engl. „Transformation at the base“). Ganz allgemein ist festzuhalten: es gibt nicht „die“ Psychotherapie, ebenso wenig wie den „einen“ Buddhismus, zwischen den einzelnen Psychotherapie-Richtungen gibt es wohl ebenso große Unterschiede wie zwischen den Ausprägungen des Buddhismus. Daher beschränke ich mich auf die Richtungen, denen ich mich selber am meisten zugehörig fühle, buddhistisch die Tradition von THN und psychotherapeutisch die Traumatherapie (dabei bleibt ganz viel offen, ich hoffe, dass wir nach dem Referat ein wenig über die buddhistische Sichtweise zu psychischen Problemstellungen anderer Richtungen diskutieren können wie z.B. der tibetischen, die ich hier aus Zeit- und Kenntnisgründen unberücksichtigt gelassen habe). Bei aller Verschiedenheit gibt es jedenfalls eine grundlegende Gemeinsamkeit zwischen Buddhismus und Psychotherapie: es geht um die Ursache des Leidens, die Wege zur Befreiung vom Leid und um die Aufhebung des Leidens. Die westliche Psychotherapie ist, wie unlängst von Heinz Vettermann in seinem Vortrag zu „Zen und Psychoanalyse“ ausgeführt, seit langem vom Buddhismus beeinflusst. Es gibt auch Kolleg-Innen, die sich als buddhistische PsychotherapeutInnen verstehen, u. a. unter dem Label BPT (was auch der Vermarktung bei einer bestimmten Zielgruppe dienen mag). Für mich fände ich eine solche Bezeichnung genauso seltsam wie ein Label „buddhistische Orthopä-din“, ich möchte meine KlientInnen nicht mit meiner Privatphilosophie konfrontieren noch damit werben. Trotz dieser fachlichen Abgrenzung ist mir beim Verfassen des Vortrags klar geworden, dass speziell die Traumatherapie, nicht nur von ihrer Grund-haltung, sondern bis in ihre zentralen Techniken in ganz hohem Ausmaß buddhistisch beeinflusst ist, worauf ich später noch eingehen werde. TNH zitiert zur Natur der menschlichen Psyche die sog. „50 Verse“ von Vasubandhu, einem der großen Meister der „Bewusstseins-Schule“ des Mahayana Buddhismus im 4. Jh., die er in eine moderne Fassung gebracht hat. Darin wird der Geist als Feld beschrieben, das alle Arten von Samen aufnimmt. In uns gibt es eine unendliche Vielfalt von Samen, von Samsara bis Nirvana, von Verblendung bis Erleuchtung, von Leid und Glück und allen erdenklichen Wahrnehmungen, alle Daseinsbereiche, Stufen und Welten sind tief in unserem Bewusstsein
gespeichert, das daher „Speicherbewusstsein“ genannt wird. Die Qualität unseres Lebens hängt von der Qualität der Samen ab, die in unserem Bewusstsein ruhen. Dessen Funktion ist es, diese Samen und ihre entsprechenden Gewohnheitsenergien aufzunehmen und zu bewahren, damit sie in der Welt manifest werden oder weiter ruhen und reifen können. Das Speicherbewusstsein (alaya-vijnana) sammelt also alle Erfahrungen eines Lebewesens und stellt die Grundlage der gegenwärtigen und kommenden Existenzen dar. Es erhält alle Eindrücke und bewahrt sie als mögliche Energie für weitere Handlungen (psychodramatisch ausgedrückt wären das gespeicherte Rollenmodelle). Es wird auch als Basis-Bewusstsein (mula-vijnana) oder ursächliches Bewusstsein bezeichnet oder entsprechend seiner Funktion als Speicher aller jemals gemachten Erfahrungen auch Samen-Bewusstsein. Obwohl ver- gänglich, dauernd im Fluss und ohne eigenständiges Selbst, enthält es sämtliche Phänome- ne des Kosmos in Form von Samen (bijas), die miteinander in Wechselwirkung stehen und Manifestationen bzw. Handlungen hervorbringen. Damit eng verbunden „wie ein Schatten“ ist das sog. Manas, oder „Aneignungsbewusstsein“, das permanent versucht, die Eindrücke, die uns das Sinnesbewusstsein vermittelt, zu erfassen, durch Unterscheidung zu begreifen, sie zu konzeptualisieren und ihnen Dauerhaftigkeit zu verleihen sowie an der Vorstellung eines eigenständigen Selbst anzuhaften, was wiederum zur Verdunkelung des Geistes und diver- sen Plagen und Störgefühlen wie Ängsten, Zorn, Gier, Hass, Unwissenheit etc. führt. Mittels des „Geistbewusstseins“, mit dem wir denken und planen, können wir Manas steuern und beeinflussen, in welche Richtung wir unsere Wahrnehmung fokussieren, umgekehrt kann es aber auch durch Manas vorübergehend verdunkelt werden. Ist über zunehmende Übung in Achtsamkeit die erste Stufe des zehntteiligen Bodhisattva- Pfades erlangt, die Freude, ist Manas verwandelt; wird auf der letzten Stufe der Glaube an ein eigenständiges Selbst transformiert, ist das Speicherbewusstsein von Manas befreit, die Soheit aller Dinge durch reine Wahrnehmung erkannt und umfassendes Mitgefühl entwickelt. Auf dieser Basis können wir dann von uns selbst absehen und hilfreich für andere wirken (vgl. die Zen-Geschichte von den zehn Ochsenbildern). Albert Einstein hat diesen Weg in anderen Worten beschrieben: „Ein Mensch ist ein Teil des Ganzen, was von uns „Universum“ genannt wird, ein Teil, der in Zeit und Raum begrenzt ist. Er erfährt sich selbst, seine Gedanken und Gefühle als etwas vom Rest Getrenntes, eine Art optischer Täuschung seines Bewusstseins. Diese Täuschung ist eine Art Gefängnis für uns, sie beschränkt uns auf unsere persönlichen Wünsche und die Zuneigung zu den wenigen Menschen, die uns am nächsten stehen. Unsere Aufgabe muss es sein, uns selbst aus diesem Gefängnis zu befreien, indem wir unseren Kreis des Mitgefühls so ausweiten, dass er alle lebenden Geschöpfe und die gesamte Natur in ihrer Schönheit umfasst. Niemand ist in der Lage, dies vollständig zu erreichen, doch das Streben nach einer solchen Errungenschaft ist bereits für sich genommen ein Teil der Befreiung und eine Grundlage für innere Sicherheit.“
Der nur scheinbar lineare, in Wirklichkeit zyklische Weg zum Bodhisattva Bewusstsein hat Parallelen zum psychotherapeutischen Prozess, der ja nichts anderes ist als ein professio- nell unterstützter individueller und sozialer Wachstumsprozess. Wenn man Zuordnungen treffen möchte, so entspräche das in der Regel nicht zugängliche Speicherbewusstsein am ehesten Freuds Konzept des Unbewussten, das Über-Ich dem Geistbewusstsein, es gäbe dafür auch entsprechende neurobiologische Korrelate in unterschiedlichen Hirnstrukturen (nach neuerer Auffassung ist aber das sog. „Gehirn“ weniger steuerndes oder gar beherr- schendes Organ, vielmehr Teil eines ganzkörperlich reflektorisch vernetzten Systems, ent- spräche also dem Bild von Indras Netz). Generell ist hier zu betonen, dass alle diese Zuord- nungen und Aufteilungen nur sehr grobe, quasi-symbolische Hilfskonstrukte („Zeichen“) sind, die stetiger Veränderung unterliegen. Wie können wir nun mit dem im Speicherbewusstsein lagernden Erinnerungssamen, d. h. den Potentialen, die uns Glück oder Leid verursachen, umgehen, und welche Antwort darauf hat die Psychotherapie? Aus buddhistischer Sicht liegt der Fokus - ähnlich wie bei den humanistischen Therapie- formen - auf der Gegenwart und deren Transformation, nur ist er qualitativ nicht prinzipiell auf konflikthafte Inhalte ausgerichtet. Demnach liegt es zu einem großen Teil an uns selbst, ob wir ein glückliches Leben führen oder nicht - je nachdem wir uns entscheiden, welche Samen aus dem Speicherbewusstsein wir gießen wollen und dadurch zum Wachsen bringen und welche nicht. Es gilt daher, die Samen des Glücks und der Freude zu verstärken, und negative Gewohnheitsenergien, die uns blockieren, in positive zu transformieren, d. h. nach dem Motto: „turning shit into flowers“ aus Kompost Blumen zu ziehen. Dieser „Abfall“ wird nicht verurteilt oder versucht zu „löschen“, sondern als integraler Teil angenommen, auch er dient als Mittel zur Erleuchtung. Und schließlich liegt in der ständigen Bildung von Gewohn- heitsmustern ja auch die Chance, positivere Gewohnheiten zu entwickeln. Diesen akzeptierenden Ansatz finden wir v.a. im sog. integrativen und systemischen Ansatz der Psychotherapie, d.h. alle inneren Anteile, auch die scheinbar inakzeptablen, die wir los werden wollen, wollen angenommen sein, erst dann können sie sich verändern (so spricht TNH z. B. davon, die Wut oder andere Selbstanteile wie ein jüngeres Kind zu umarmen). Oberflächlich gesehen, könnte man jetzt meinen, das buddhistische Verständnis sei individualistisch, geradezu neoliberal, nach dem Motto: jeder ist für sich selbst verantwortlich, soll sich einfach annehmen und es passt. Da sich aber alles wechselseitig bedingt, ist Glück und Leiden eine ebenso individuelle wie kollektive Angelegenheit. Dazu TNH: „Leiden ist nicht nur eine individuelle, sondern ebenso eine kollektive Manifestation vieler Generationen und der gegenwärtigen Gesellschaft. Es gibt niemanden, der nicht für alles, was in mir vorgeht, mitverantwortlich ist. Der Anteil an der Verantwortung kann größer oder kleiner ausfallen, je nach Person und Umständen und aus denselben Gründen bin ich mit verant-
wortlich für das, was in den Menschen meiner Umgebung vorgeht.“ Aus der Sicht des Interseins, das heisst der wechselseitigen Durchdrungenheit alles Seienden, ergibt sich somit auch ein sozialer Auftrag. Menschsein ist immer im Bezug zu verstehen (Krishnamurti: „Sein bedeutet: In Beziehung-Sein“, Martin Buber: „Der Mensch wird erst am Du zum Ich“). Diese Bezogenheit geht über Zeit und Raum, und so ließe sich auch der Begriff des Karma verstehen: einige Samen sind uns angeboren und wurden uns von unseren Ahnen über viele Generationen weitergegeben, sie sind damit in jeder Zelle präsent. Interessanterweise legen die aktuellen medizinischen Forschungen nahe, dass dies über die Epigenetik - d. h. die Weitergabe von bestimmten konstitutionellen Faktoren über Generationen - wie z.B. Stressempfindlichkeit - auch ganz real geschieht, insofern könnte man dies durchaus als moderne Auffassung von Karma sehen. Menschen mit psychischen Problemen befinden sich häufig auf der einen oder anderen Seite dieser Sichtweise: sich selbst für alles verantwortlich zu machen, was ihnen widerfährt (intropunitiv) oder die anderen zu beschuldigen (extrapunitiv), manchmal werden die unangenehmen Gefühle überhaupt geleugnet. In meiner Praxis finde ich vor allem erstere: das erlebte Trauma beschädigt durch ein Übermaß an Stress, vor allem wenn es in Verbindung mit dem sozialen Umfeld geschehen ist, die gesunde Abwehrfunktion des Ichs, d.h. Scham und Schuldgefühle dominieren. Hier wäre es z. B. völlig falsch, das Mitgefühl mit dem Täter zu fördern, sondern das aus den Fugen geratene Wertesystem muss erst wieder hergestellt und das geschwächte Ich gestärkt werden. Das heißt, es muss zuerst ein scheinbarer Rückschritt zu Basis gemacht und damit eine gewisse Polarisierung und Distanz gefördert werden, indem Täter und Opfer klar als solche benannt und auseinander gehalten werden. Erst über diesen Schritt kann durch den geschützten Raum, die erlebte Solidarität und die Wiederherstellung der eigenen Abwehrstruktur der Verarbeitungsprozess seinen natürlichen Lauf nehmen und ein differenzierter Blick auf sich selbst und auch auf den Täter gewonnen werden, was manchmal in Verstehen oder sogar Vergebung münden kann, aber keineswegs muss. Letzteres ist kein bewusst angestrebtes therapeutisches Ziel, sondern ergibt sich aus dem individuellen Prozess - oder auch nicht, beides ist in Ordnung. Die Erkenntnis, dass wir in einem untrennbaren Wechselspiel zwischen individuellen und kollektiven Phänomenen stehen, ist komplex und erfordert viel Zeit: durch die kollektive Dimension werden positive wie negative Samen gewässert und kommen in unser Bewusst- sein, zum Beispiel durch das Miterleben eines Streits oder das Erleben von Großzügigkeit. Andererseits liegt es an uns, welche Samen wir in anderen wässern, es hat große Auswir- kungen, ob wir jemand freundlich anlächeln oder grantig werden, wenn jemand einen Fehler macht. Wenn es gelingt, dies zu erkennen und leidvollen Gewohnheitsmustern mit Achtsam- keit und Mitgefühl zu begegnen, ist der Weg zu einer integrativeren Sicht auf uns und die
Welt und damit auch eine Umwandlung möglich. In dieser Hinsicht ist mein Beruf eine gute Praxis, da ein achtsamer, ressourcenorientierter und positiver Umgang mit meinen KlientInnen auch meiner Entwicklung nützlich ist. Die buddhistische Psychologie teilt nicht die Freudsche Schlussfolgerung, vergangene Ereig- nisse aktiv ins Bewusstsein zu bringen und dort zu analysieren („wo Es ist, soll Ich werden“). Ebenso wendet sie sich gegen den Ansatz, sie zu provozieren, zu verstärken und emotional oder körperlich kathartisch auszuagieren (wie z.B. in der Gestalt oder Körpertherapie): laut TNH sind wir, wenn wir z. B. auf einen Polster einschlagen, um unsere Wut auszudrücken, weder mit unserer Wut, noch mit uns selbst, noch mit dem Polster wirklich in Kontakt, die Samen der Wut würden dadurch nicht geringer, im Gegenteil (ganz im Sinne der modernen Traumatherapie, die von forcierter Katharsis abrät, da das System dadurch immer sensibler auf Stress reagiert). Stattdessen plädiert er dafür, die Samen des Guten zu gießen, damit jene des Unglücks nicht so viel Platz einnehmen können. Den Umgang mit schmerzlichen Erlebnissen aus der Vergangenheit teilt er in drei Abschnitte: erstens mit den Dingen in der Gegenwart Kontakt aufnehmen, die gesund, belebend und schön sind. Zweitens das Üben von Achtsamkeit, um schmerzliche Gefühle gleich bei ihrem Erscheinen zu erkennen. Und drittens können wir, wenn wir dazu bereit sind, die schmerzlichen Gefühle schließlich direkt in unser Geistes- bewusstsein einladen, wo wir sie mit unserer Achtsamkeit berühren und verwandeln können. Alle drei Wege konzentrieren sich auf den gegenwärtigen Augenblick. Dies entspricht exakt den Abschnitten der Traumatherapie: Stabilisierung, Selbstwahrnehmung und Konfrontation, immer mittels Stärkung des Gegenwartsbezugs. Bei Menschen, die extrem leidvolle Erlebnisse nicht gut verarbeiten konnten, geht es darum, ihr Leid mitfühlend anzuerkennen, nicht aber, es gefühlsmäßig wieder erfahrbar zu machen - das passiert ihnen eh permanent auf unkontrollierte Weise durch sich aufdrängende, bruch- stückhafte Erinnerungen an Ohnmacht und Hilflosigkeit. Vielmehr geht es zuerst darum, ihre Ressourcen (die guten Samen) wieder wahrzunehmen, sie zu pflegen und erfahrbar zu machen, dazu gibt es spezielle imaginative Techniken. Auf Grundlage dieser Stärkung, die lange Zeit in Anspruch nehmen kann, und immer aus der Perspektive der Gegenwart, mag es dann sinnvoll sein, sich mit dem vergangenen Ereignis noch einmal zu konfrontieren. Diesmal aber ohne dieselben Gefühle wieder zu erleben, sondern aus einer stabileren Wahr- nehmung heraus, vom „Hier und Jetzt“ ins „Dort und Damals“. Durch den Perspektiven- wechsel in der Gegenwart wird tatsächlich Veränderung und eine positivere Selbstbewertung möglich (z.B. „Es ist vorbei, ich habe es überlebt“ etc.), ähnliches beinhaltet auch Vers 47: „Der gegenwärtige Augenblick enthält Vergangenheit und Zukunft. Das Geheimnis der Verwandlung liegt darin, wie wir mit eben diesem Augenblick umgehen“.
TNH war von Beginn an in Plum Village mit Traumaüberlebenden konfrontiert und hat sie mit buddhistischen Methoden behandelt: mit Mitgefühl, Geduld und der Zuwendung der dortigen Gemeinschaft. Bei vielen wird dies ausreichend gewesen sein, bei einigen offenbar nicht (z.B. leidet Claude AnShin Thomas laut eigenen Angaben immer noch unter posttraumati- schen Symptomen). Ich bin froh, dass wir dafür mittlerweile in der Psychotherapie spezielle Methoden zur Verfügung haben (auch weil häufig die schützende Kraft einer Gemeinschaft fehlt, die sehr viel Heilsames bewirken kann). Ohne mitfühlende Zuwendung bleiben diese Verfahren jedoch bloße Technik und sind im besten Fall wirkungslos. Das ganzheitliche Wahrnehmen und Einfühlen in den Anderen ist der Kern jeder heilsamen Intervention und gemeinsam mit professionellen Techniken Mittel der Wahl. Diese grund-legende Haltung hat TNH so grundlegend und modern formuliert, dass er mittlerweile in traumatherapeutischen Publikationen immer wieder zitiert wird. Er vergisst dabei auch nicht auf die Zuhörenden, und rät ihnen, sich selbst durch Achtsamkeit vor Überforderung (d. h. emotionalem Burnout) zu schützen, ihre Samen des Glücks zu gießen und sich in einem guten sozialen Umfeld zu erholen, auch diese Anweisungen zur Psychohygiene sind fachlich „state of the art“. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die moderne Psychotherapie in unterschiedli- chem, aber zunehmendem Ausmaß wichtige Impulse aus dem Buddhismus geholt hat, um nur einige zu nennen: die Gegenwarts- bzw. Prozessorientierung, die Intersubjektivität, die Integration psychischer Anteile („ego states“), das Prinzip der Achtsamkeit („awareness“), die Ressourcenorientierung und generell eine friedliche, gewaltlose Haltung. Umgekehrt bieten westliche Psychotherapie und Neurowissenschaften auch Anregungen für die buddhistische Psycholo-gie, speziell im klinischen Bereich und in der Forschung (z.B. in der Entdeckung der Spiegel-neurone, die uns Empathie und Mitgefühl ermöglichen). Um diese Entwicklung über die Jahre zu illustrieren, möchte ich das Gestaltgebet von Fritz Perls aus 1971 einer aktuellen Adaption von TNH gegenüberstellen, die sich dem aktuellen intersubjektiven Therapieansatz annähert: Perls: “Ich mache mein Ding, du machst dein Ding. Ich bin nicht auf der Welt, um deinen Erwartungen gerecht zu werden….du bist du und ich bin ich, und wenn wir das Glück haben, uns zu finden, ist es wunderbar. Wenn nicht, kann man auch nichts machen“. TNH ist nicht glücklich mit dieser Aussage und bietet als Antwort das folgende Intersein-Gatha an: „Du bist ich und ich bin du. Stimmt es nicht, dass wir uns gegenseitig bedingen und durch-dringen? Du hegst die Blume in dir, damit ich schön sein kann, und ich verwandle den Abfall in mir, damit du nicht leiden musst“. Ich denke, wenn wir unser Leben ein wenig mehr nach diesem Prinzip ausrichten, werden wir und die sogenannten „Anderen“ nicht so viel leiden müssen. http://www.fen-net.de/frank.heinze/die_zehn_ochsenbilder.html, http://www.zen- guide.de/zen/texte/id/237&titel=die+10+Ochsenbilder
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