Forum Stellungnahmen von zwei im Bundestag vertretenen politischen Parteien zum Thema "Bullying und Cyberbullying" - Ernst Dieter Rossmann
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Forum Stellungnahmen von zwei im Bundestag vertretenen politischen Parteien zum Thema „Bullying und Cyberbullying“ Udo Käser Für dieses Forum wurden alle im Bundestag vertretenen Parteien in An- fragen an ihre bildungspolitischen Sprecher bzw. an die Parteiführung auf Bundesebene um Stellungnahmen zum Problemkreis Bullying / Cyberbul- lying gebeten. Jeweils wurde gefragt, 1. wie die Bedeutung von Gewalt in der Schule bzw. (Cyber-)Bullying ein- geschätzt wird, 2. was sinnvolle präventive / interventive Konzepte gegen (Cyber-)Bullying sind und wie diese politisch unterstützt werden können, 3. welche konkreten Programme von den Parteien gefördert werden sollen sowie 4. in welcher Weise eine solche Förderung zukünftig erfolgen soll. Trotz eines mehrmonatigen Vorlaufs und wiederholter Anfragen liegen Antworten nur für die SPD und die AfD vor. Die Reaktionen der übrigen Parteien fielen unterschiedlich aus. Von der CDU/CSU wurden mehrfache Anfragen nicht beantwortet. Der Vertreter der FDP reagierte nach einer Bestätigung des Erhalts der Anfrage nicht mehr. Die später kontaktierte Parteiführung antwortete ebenfalls nicht. Die beiden angeschriebenen Ver- treter von Die Linke bzw. Bündnis 90 / Die Grünen antworteten jeweils nach einigen Versuchen mit dem Hinweis, dass sie aus dem Bundestag ausge- schieden seien und daher keine Antwort geben könnten. Anfragen an die Parteiführung blieben danach ohne Antwort. Die Leser müssen selbst einschätzen, welches Verständnis für die Aufga- ben von Politikern in diesen Reaktionen deutlich wird und welche Bedeut- samkeit schulpädagogische Fragen zu Gewalt in der Schule bei (manchem) Bildungspolitiker tatsächlich haben. Jenseits dieser Perspektive sind die inhaltlichen Unterschiede zwischen Ernst Dieter Rossmann für die SPD und Nicole Höchst für die AfD interessant – diese haben das Wort: Käser: Wie schätzen Sie die Bedeutung von Gewalt in der Schule im Allge- meinen bzw. (Cyber-)Bullying im Speziellen mit Blick auf den Alltag von Schülerinnen / Schülern bzw. Lehrkräften an deutschen Schulen ein? Bildung und Erziehung 71. Jg., S. 103 – 109, ISSN (Printausgabe): 0006-2456, ISSN (online): 2194-3834 ! 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen
104 Udo Käser Rossmann (SPD): Die Bedeutung von Gewalt bzw. (Cyber-)Bullying in der Schule ist groß, wenn schätzungsweise 10 bis 20 % der Kinder und Ju- gendlichen sich gelegentlich oder wiederholt unter den Opfern finden oder zu Tätern werden. Die Anwendung physischer und psychischer Gewalt kann massive Folgen für die Opfer haben, für ihre Lebensfreude, Motivation und Leistungsfähigkeit in der Schule, aber auch für ihre Persönlichkeit bis hin zu Depression, Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten. Auch die Aus- übung von Gewalt verändert die jungen Menschen und ihre Persönlichkeit. Im Übrigen: Gewalt erzeugt Gegengewalt und kann zum Ursprung einer belastenden Opfer-Täter-Biographie werden. Durch die zunehmende Digitalisierung und die damit einhergehende Transparenz des Alltags, Naivität der Selbstdarstellung, Ungesteuertheit im digitalen Ich und den beliebigen breit gestreuten Zugriff auf Persönliches erweitern sich die Möglichkeiten, dass sich Schüler in der virtuellen Welt letztlich sehr real mobben und unmittelbare psychische Gewalt antun. Ge- walt über Social Media bringt eine neue Dimension in den Alltag von Schule hinein. Höchst (AfD): Mobbing, Cyber-Bullying sowie Shitstorms und Hatespeech sind bemerkenswert unschöne Begleiterscheinungen einer sich zunehmend auf virtuelle Kontakte stützenden Gesellschaft. In der analogen Welt gehört nach wie vor viel Mut, Stehvermögen, Rückgrat und die nötige Chuzpe dazu, unbequemen Meinungen oder unliebsamen Personen entgegenzutreten. Gleichzeitig sind Benehmen sowie die Einhaltung gesamtgesellschaftlicher Codices unabdingbar. Auch muss man in der analogen Welt augenscheinlich eher mit Konsequenzen rechnen, weil das Sanktionssystem eingespielt ist und besser greift. Virtuell ist schnell etwas geschrieben und verbreitet, was dann unwiederbringlich im Raum steht. Selbst wenn der Täter reuig ist, kann eine virtuelle Tat schwerer bereinigt werden (google z. B. vergisst nichts) und Gegendarstellungen finden bislang nicht die gleiche Berücksichtigung wie in den analogen Medien. So fühlt man sich schnell ausgeliefert, das ist sehr belastend für Schüler wie für Lehrer. Käser: Was sind aus Ihrer Sicht sinnvolle präventive und interventive Kon- zepte gegen (Cyber-)Bullying? Was kann von politischer Seite getan werden, um Gewalt an Schulen zurückzudrängen? Rossmann (SPD): Der Umgang mit (Cyber-)Bullying muss integraler Be- standteil jeder Lehreraus- und weiterbildung werden. Alle Akteure an der Schule – auch über die Lehrkräfte hinaus – müssen im Umgang hiermit sensibilisiert und geschult werden. Die Schüler selbst, aber auch die Eltern müssen hierüber aufgeklärt und in das gemeinsame Gespräch gebracht werden. (Cyber-)Bulllying muss so aus der Tabu- und Schamzone heraus- geholt werden, damit die Betroffenen ermutigt werden und lernen, sich nicht
Stellungnahmen von zwei im Bundestag vertretenen politischen Parteien 105 zurückzuziehen, sondern Hilfe zu suchen und anzunehmen. Vertrauens- lehrer, Schulscouts aus der Peergroup heraus, Eltern für Eltern-Beratung müssen die professionellen Kompetenzen ergänzen. Nur so lässt sich Resi- lienz aufbauen. Aufklärung, Beobachtung, Beratung, Intervention, Internet- Schulung, Nachsorge sind hier die Instrumente der Wahl, für die es an jeder Schule gemeinsam erarbeitete Konzepte und eine entsprechende u. U. auch schulübergreifende Infrastruktur geben muss. Diese sollten sich immer auf beide Gruppen, natürlich die Opfer und auch die Täter, beziehen. Über die Lehrkräfte hinaus sind dabei andere Professionen und Qualifi- kationen unverzichtbar. So ist z. B. der Einsatz von Schulsozialarbeit sehr wichtig in der Prävention und Bekämpfung von (Cyber-)Bulling, wenn er unmittelbar in jeder Schule wirksam wird und damit auch eine Brücke zu schulpsychologischen und anderen Beratungsdiensten für besonders be- lastete Kinder und Jugendliche ebnet. Diese Strukturen müssen deutlich ausgebaut werden. Nicht ohne Grund kämpfen wir Sozialdemokraten für die komplette Abschaffung des Kooperationsverbotes, damit der Bund den Bundesländern und den Kommunen gezielt zusätzliche Mittel dafür zur Verfügung stellen kann. Höchst (AfD): Die analoge, bilaterale und multilaterale Kommunikation in den Elternhäusern und in den Schulen sind zu verstärken, d. h. zu Hause wie in der Schule müssen alltagsbegleitend Gespräche stattfinden. Die oben genannten Phänomene sollten immer wieder thematisiert werden, so dass alle Beteiligten um die entstehenden Gefahren und Schäden wissen und empathiefähig und -willig sind. Es ist ebenso notwendig, in den Eltern- häusern und den Schulen der Affektkontrolle der Individuen erhöhte Auf- merksamkeit zu schenken. Nicht alles, was an Gedanken und Gefühlen da ist, muss seinen Weg nach außen finden. Was in der analogen Welt noch als „die Faust in der Tasche machen“ bekannt ist, sollte auch in der virtuellen Welt als Tugend gelten. Es muss meines Erachtens also erzieherisch an Haltungen gearbeitet werden. Und das ist nichts, was Schule oder Elternhaus alleine hinbekommen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es an vielen Schulen bereits die so genannten Streitschlichter gibt, d. h. extra ausgebildete Klassenkameraden schlichten im analogen Bereich. Das ist erfolgreich und sollte auf den virtuellen Raum ausgeweitet werden. Darüber hinaus bedarf es klarer Regeln, die bekannt gemacht und ein- gehalten gehören, weil sie sonst ebenfalls bekannte Konsequenzen nach sich ziehen. Jeder weiß, was passiert, wenn man unentschuldigt fehlt. Oder wenn man einen Lehrer tätlich angreift. Aber wer weiß schon, ob etwas oder gar was passiert, wenn man einen Klassenkameraden virtuell stalked, verächt- lich macht oder sogar verleumdet? Gemeinsam mit Eltern und Schulen können Verhaltenscodices und Regelwerke erstellt sowie Sanktionen ver- einbart werden, wo es noch keine gibt. Hier ist auch die Politik gefragt. Dies
106 Udo Käser auf Landesebene oder sogar Bundesebene aufzuhängen, halte ich für wichtig und notwendig, um die Bedeutsamkeit der Thematik herauszustellen. Damit ist gemeint, dass diese Regeln sich u. a. umfassend in Schulordnungen und -gesetzen wiederfinden sollten. Außerdem ist es hochnotwendig sicherzu- stellen, dass alle am Erziehungsprozess beteiligten Personen informiert, für die Thematik sensibilisiert und zu erzieherischem Handeln befähigt werden. Broschüren sind hier wichtig, aber auch Fortbildungen für Interessierte. Werden über die bestehenden Strafgesetze hinaus Regelungsbedarfe fest- gestellt, so müssen eben auch bessere Gesetze her. Käser: Gibt es konkrete Programme, die Sie bzw. Ihre Partei fördern möch- ten, um den Umgang mit Bullying / Cyberbullying in der Schule zu verbes- sern? Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken dieser Programme? Rossmann (SPD): In den Bundesländern und in vielen Kommunen gibt es bereits sehr kompetent angelegte, wenn auch nicht im nötigen Umfang ausgelegte Fachprogramme zum Umgang mit dem Bullying und dem Cyber- Bullying. Auch die Aufarbeitung dieses Themas in der Wissenschaft und in der vernetzten Fachöffentlichkeit nimmt zu. Die Stärke dieser Programme liegt in der Systematik der Vernetzung aller Akture und Kompetenzen, der Verbreiterung in die Ausbildung und Wei- terqualifizierung und der wissenschaftlichen Begleitung. Als besonders wertvoll einzuschätzen ist dabei die Verbindung von Lehrkräfte-Sensibilität und -Engagement mit der Kompetenz besonders qualifizierter Fachkräfte und dem offenen tabulosen Umgang mit diesem Problem in der Schulöf- fentlichkeit und bei Schüler- und Elternschaft. Um ein positives Beispiel für eine abgestimmte Gesamtstrategie aus dem kleinsten deutschen Bundesland zu nennen: Im Stadtstaat Bremen wurde 2012 ein vierphasiges Konzept zu (Cyber-)Bullying eingeführt, das ver- bindlich für alle Schulen in diesem Stadtstaat gilt: 1. Eingreifen und Been- den, 2. Opferhilfe und besondere Maßnahmen einleiten, 3. Informieren und 4. Aufarbeiten und Nachsorgen. Zur Unterfütterung dieses Programms hat das Bremer Landesinstitut für Schule den dortigen Schulen ein intensives Qualifizierungsangebot zur Prävention und Intervention in der Schule zur Verfügung gestellt. Hinzu kommt, dass das Zentrum für Medien im Lan- desinstitut für Schule intensive Fortbildungs- und Beratungsangebote für Schulen auch zum Thema (Cyber-)Bullying anbot. Präventionsarbeit, so zeigt das Bremer Modell, bindet neben Lehrer-, Schüler und Elternschaft das Landesinstitut für Schule und auch die Polizei sowie regionale Unterstüt- zungs- und Beratungsstellen ein. In Bremerhaven gehörten auch die Volkshochschule, der Bürgerrundfunk und das Kulturamt dazu. Höchst (AfD): Die AfD möchte die Familien stärken und finanziell so entlasten, dass Eltern sich ohne existentielle Nöte wieder stärker ihren
Stellungnahmen von zwei im Bundestag vertretenen politischen Parteien 107 Kindern widmen können. Wir wollen die Tendenz, immer mehr Erzie- hungskompetenzen an den Staat auszulagern, umkehren. Damit können das vorliegende, aber auch andere gesamtgesellschaftliche Themen im vertrau- ten Raum, der Familie, wieder Platz finden. Weil eben Eltern erzieherisch am besten auf ihre Sprösslinge einwirken können. Neben der unerlässlichen Stärkung der Verantwortung in der Elternrolle soll auch die Autorität der Lehrer an Schulen Stärkung erfahren. Das ist kein Wi- derspruch. Seit Jahren ist zu beobachten, dass Erziehungskompetenzen mal mehr und mal weniger schleichend vom Staat beansprucht werden, aber gleichzeitig Lehrer einen Autoritätsverlust erleiden. Man stellt ihnen Experten, also Schulspychologen, Pädagogische Hilfskräfte, Integrationshelfer und, und, und an die Seite und betreibt so Raubbau an der ohnehin reduzierten Lehrer- rolle. Diese zusätzlich geteilten Verantwortlichkeiten erschweren m. E. die engmaschige erzieherische Begleitung der Schüler. Lehrer sind zudem die Buhmänner, wenn sich realitätsferne ideologische Traumschlösser nicht ver- wirklichen lassen. Sie werden außerdem häufig von der Schulleitung allein gelassen, was die Durchsetzung erzieherischer Maßnahmen anbetrifft oder den Umgang mit so genannten Helikoptereltern. Lehrern wird die Verantwortung für die Schüler übertragen. Um sie gewissenhaft zu tragen, brauchen sie ein klares Rollenbild und die dazugehörige Rückendeckung. Elternaufklärungs- und Elternfortbildungsprogramme müssen genauso finanziell unterstützt werden wie ebensolche Programme für Lehrer und Schulleiter. Auch die weiter oben angesprochenen Peer-to-Peer-Angebote halte ich für förderungswürdig, gerade weil sich die Streitschlichterpro- gramme für Analoges in den Schulen bereits bewährt haben. Käser: In welcher Art und Weise sollen diese Maßnahmen gefördert / un- terstützt werden? Rossmann (SPD): Wünschenswert ist es, dass auch auf der Ebene der Kultusministerkonferenz an einer gemeinsamen Strategie zum Umgang mit Gewalt an Schulen gearbeitet wird, um hierüber nicht nur den fachlichen Austausch zwischen den Bundesländern zu befördern, sondern auch wis- senschaftliche Fragestellungen, Modell-Projekte und entsprechende Modell- Programme für die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern zu ent- wickeln und auch die Personalbedarfe für eine erfolgreiche Strategie zu ermitteln. Die Bundesebene sollte diese gemeinsame Initiative dann mit einer fi- nanziellen Absicherung von entsprechenden Fachkräften wie z. B. Schul- sozialarbeit, den Aufbau von nachhaltiger Forschung zum Thema und ge- meinsame Bund-Länder-Programme unterstützen. Der Bund sollte im Rahmen der Bildungsforschung Projekte finanzieren, die das Problem von (Cyber-)Bulling untersuchen und Präventions- bzw. Bekämpfungsmaß- nahmen vorschlagen.
108 Udo Käser Hierzu eine allgemeine bildungspolitische Feststellung: Als SPD treten wir für eine „Nationale Bildungsallianz“ ein, in die vom Bund in den nächsten vier Jahren mindestens 12 Milliarden Euro zusätzlich eingebracht werden. Zugleich müssen auch die Länder und die Kommunen deutlich mehr Mittel einsetzen können, um Deutschland in einem ersten Schritt auf den Durchschnitt der vergleichbaren OECD-Staaten zu heben und dann in einem weiteren Schritt auch darüber hinaus. Diese grundsätzliche massive Verstärkung der öffentlichen Mittel durch Bund, Länder und Kommunen schließt die stärkere Finanzierung von Me- dienbildung und Schulsozialarbeit, aber auch gemeinsame Bund-Länder- Programme im Sinne von Forschung, Anwendung und Transfer mit ein, damit wir (Cyber-)Bullying offensiv angehen können. Und noch zwei grundsätzliche Bemerkungen: 1. Wenn die Digitalisierung alle Lebensbereiche derart durchdringt, wie es jetzt in der Kommunikation bis in die Schulen und die Freizeit der Kinder und Jugendlichen hinein spürbar wird, braucht es auch eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Debatte, wie der Zusammenhang von Gewalt und Mediennutzung einher- geht und Gewalt-Zirkel präventiv und nachsorgend aufgebrochen werden können. 2. Wenn physische und psychische Gewalt unter Kindern und Ju- gendlichen auch etwas mit der Erfahrung von Vernachlässigung und Allein- gelassen-Sein, aber auch von Stress, Druck und Leistungsüberforderung zu tun haben können, zwingt dieses zum Nachdenken über das Leistungssys- tem Schule und zu Reformen für mehr Zeit, Entschleunigung, Begegnung, Entspannung, Persönlichkeitsentwicklung in Kindheit und Jugend. Auch diese Debatte muss geführt werden, wenn es um die Auseinandersetzung mit Bullying und Cyber-Bullying geht. Höchst (AfD): Die Förderung soll umfassend geschehen, gesamtgesell- schaftlich und vor allem eben auch finanziell. Die AfD will das vom Grundgesetz geschützte und bewährte Leitbild der Ehe und der traditio- nellen Familie mit Kindern bewahren und stärken. Durch Aufklärung und Hilfen wollen wir junge Menschen ermutigen und in die Lage versetzen, eine Familie zu gründen und zu erhalten. Wir wollen unnötige Hemmnisse be- seitigen, damit stabile Ehen und Familien entstehen und bestehen bleiben. Hiermit wollen wir schon früh beginnen, indem anerkannte Regeln zu Partnerschaft und Familie, Haushaltsführung, Lebensschutz und Kinderer- ziehung in Lehrplänen und Schulbüchern aller allgemeinbildenden Schulen wieder fester Bestandteil werden. Zu den Unterstützungsmaßnahmen gehört unter anderem ein Familien- splitting, das über angemessene Freibeträge pro Familienmitglied zu einer spürbaren Entlastung von Familien führen soll. Kinder dürfen nicht länger Armutsrisiko, Familienstress oder Karrierehemmnis sein. Sie brauchen weniger Medienkonsum und Digitales in einem durchgetakteten, konsum-
Stellungnahmen von zwei im Bundestag vertretenen politischen Parteien 109 bestimmten Elternhaus als wieder Familie: analoge Beziehungen, emotio- nalen Rückhalt, Wir-Gefühl, Angenommensein, Zusammenleben und vor allem intrafamiliäre Kommunikation und gemeinsam vereinbarte Regeln. In der Schule benötigen Kinder weniger Experten für die unterschied- lichsten Wehwehs als wenige feste Bezugspersonen, denen die unterrichtli- chen Kompetenzen eines guten Lehrers sowie die Verantwortung für den schulischen Anteil der Erziehung zugetraut und zugemutet werden können. Die AfD möchte weg von der ideologisch durchdeklinierten, aber in der Realität bereits gescheiterten Einheitsschule, in welcher, überspitzt gesagt, nicht nur alle Schüler, sondern auch alle ihren speziellen Bedürfnissen zu- geordneten Experten in einer Klasse lehren und lernen sollen. Das ist in der Realität so nicht zu leisten, ohne den Bildungsauftrag über Bord zu werfen und den Erziehungsauftrag gleich mit. Soziales Lernen ist aber zeitintensiv und braucht stabile Bindungen. Effizientes Lehren und Lernen ist nur möglich, wenn die Leistungsun- terschiede zwischen den Schülern einer Schulform begrenzt bleiben. Bil- dungsgerechtigkeit erfordert Differenzierung, nicht Gleichmacherei. Und zudem: Ein Ultimum an Differenzierung innerhalb einer Klasse geht un- weigerlich auf Kosten der tatsächlichen Betreuung des Einzelnen. Wie soll da die staatlich reklamierte oder selbst die im Elternhaus unterstützende Er- ziehung stattfinden? Deshalb: Schluss mit den Bildungsexperimenten und den viel gepriesenen Luftnummern der Einheitsschule und zurück zu Bewährtem. Beide fokus- sierten Anstrengungen, Familie wie Schule betreffend, sind notwendig, damit sich die sozialen Kontakte unserer Kinder nicht noch stärker ins Virtuelle auslagern und an Beliebigkeit und Schnelllebigkeit zunehmen. Das ist in meinen Augen die wirkungsvollste Prävention gegen Mobbing, Cyber- Bullying etc.: In realen Familien sowie Freundschaften echte, belastbare soziale Kontakte leben und besonders auch positiv und empathisch erfahr- bar machen. PD Dr. Udo Käser, geb. 1967, ist an der Universität Bonn verantwortlich für das Modul „Diagnose und Förderung“ am Bonner Zentrum für Lehrerbildung. Als Pri- vatdozent lehrt er am Institut für Psychologie der Universität Bonn im Bereich der Pädagogischen Psychologie. Er war neben seiner wissenschaftlichen Arbeit von 2007 bis 2014 Gymnasiallehrer am CJD Königswinter. Schwerpunkte der wissenschaftli- chen Arbeit sind Schul- und Unterrichtsforschung, Lern- und Medienpsychologie sowie lebenslanges Lernen. Anschrift: PD Dr. Udo Käser, Institut für Psychologie der Universität Bonn, Abteilung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, Kaiser-Karl-Ring 9, 53111 Bonn / E-Mail: ukaeser@uni-bonn.de
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