DU SOLLST NICHT FALSCH ZEUGNIS REDEN WIDER DEINEN NÄCHSTEN - &von Lisa Wentz Mädchen im Wald

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          Die Brücke
          in der Nacht
         von Lisa Wentz

                                   Mädchen
                                   im Wald
                                  von Lena Reißner

DU SOLLST NICHT
FALSCH ZEUGNIS REDEN
WIDER DEINEN NÄCHSTEN
Szenen zu Wahrheit, Lüge und Fiktion
DU SOLLST NICHT FALSCH ZEUGNIS                                         An der Berliner Universität der Künste (UdK) studiert mittlerweile der 15.
                                                                         Jahrgang angehender Autor*innen im Studiengang „Szenisches Schreiben“

  REDEN WIDER DEINEN NÄCHSTEN                                            unter der Leitung des Autors und Dramaturgen John von Düffel. Inzwischen
                                                                         gehen über zehn Koblenzer Theaterarbeiten auf die nunmehr sechsjährige
                  Szenen zu Wahrheit, Lüge und Fiktion                   Kooperation zwischen dem Studiengang und dem Theater Koblenz zurück,
In Kooperation mit dem Studiengang Szenisches Schreiben der UdK Berlin   darunter „The Magic Roundabout – Fiktives über einen wahren Fall“ (2015)
                                                                         und „Das Grundgesetz – Szenen einer vorläufigen Verfassung“ (2017).

                                                                         Für diese Spielzeit haben sich nun die Student*innen Sarah Amanda Dulge-
                                                                         ris, Patty Kim Hamilton, Katharina Kern, Elisabeth Pape, Lena Reißner, Rosa
                                                                         Rieck, Sofiya Sobkowiak, Ivana Sokola, Jona Spreter und Lisa Wentz in eine
               „Die Brücke in der Nacht“ von Lisa Wentz
                                                                         sprachlich-theatralische Auseinandersetzung mit dem 8. Gebot des Deka-
                              Via   Magdalena Pircher
                                                                         logs begeben: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“.
                             Tom    Lukas Winterberger
                                                                         Eine Forderung, die in Zeiten zunehmender Fake News und boomender Ver-
                                                                         schwörungstheorien aktueller ist denn je.
                „Mädchen im Wald“ von Lena Reißner
                              Sie   Isabel Mascarenhas                   Es geht also in den insgesamt neun Stücken, die in den vergangenen Mona-
                               Er   David Prosenc                        ten entstanden sind, um: die Lüge. Deshalb aber eben auch um: die Wahrheit.
                                                                         Wer lügt? Und warum? Weshalb empfinden manche Menschen ihre Lüge
                    Inszenierung    Markus Dietze                        trotzdem als Wahrheit? Und wie richtet man sich mit einer Lüge das Leben ein
                        Kostüme     Claudia Rüll Calame-Rosset           – und was für Folgen hat das für andere?
                           Musik    Søren Nils Eichberg
                     Dramaturgie    Margot Weber                         Die Autor*innen schauen auf Geschwisterbeziehungen und toxische Mut-
                                                                         ter-Tochter-Konflikte, auf schreckliche Ereignisse mit tödlichem Ausgang,
                         Kamera     David Finn                           aber auch auf solche, die lediglich bei einer Tasse Tee im Garten zur Sprache
                                    Thiemo Hehl                          kommen. Sie betrachten große Lebenslügen, aber auch kleine Alltagsflun-
                                                                         kereien. Sie sezieren willentlich Verdrängtes, aber auch Unbewusstes und
                          Schnitt   Britta Bischof                       Unterbewusstes. Sie blicken auf Hilflosigkeit und Überforderung. Und den
                                    Thiemo Hehl                          Horror, der daraus erwachsen, und die Rache, die damit einhergehen kann.

                  Regieassistenz    Marie-Theres Schmitt                 In der Mehrzahl handelt es sich um Zwei-Personen-Stücke, es gibt aber auch
                      Inspizienz    Thomas Gruber                        zwei Monologe („Rabenmutter“, „Gethsemane“) sowie ein Werk, „beretta
                       Soufflage    Sabine Jungk                         kaliber 22“, das sich, als Textfläche, einer offeneren Form bedient.

                                                                         Die Uraufführung hatten wir für dieses Frühjahr im Theater geplant. Pan-
                                                                         demiebedingt können wir die Werke aber nun leider nicht vor einem Live-
                                                                         Publikum spielen. Deshalb haben wir beschlossen, sie zu verfilmen. Dabei
                                                                         haben wir jeweils zwei Stücke zu einem Film zusammengefasst. Er wird als
         Alle Mitwirkenden finden Sie im Abspann des Films.
                                                                         fünfteilige Serie im Wochenrhythmus auf unserem hauseigenen Stream-
                                                                         ing-Portal stream.theater-koblenz.de zu sehen sein. Jeder Film wird von
    Erstsendung am 23. Mai 2021 auf stream.theater-koblenz.de            einem eigenen Programmheft begleitet.
Lisa Wentz, 1995 in Tirol geboren, schloss im Jahr 2017
                          ihre Schauspielausbildung in Wien ab. 2018 zog sie nach
                          Berlin, um „Szenisches Schreiben“ zu studieren. Es
                          folgten unter anderem eine erste Werkstattaufführung
                          im bat-Studiotheater Berlin sowie eine Premiere im
                          März 2020 im Roten Salon der Volksbühne im Rahmen
                          des ultra Festivals. Ihr Stück „Aschewolken“ wurde beim
                          Nachwuchswettbewerb zum Deutschen Kinder- und
                          Jugendtheaterpreis 2020 mit einem Sonderpreis aus-
                          gezeichnet und wird in diesen Tagen im Theater Strahl
                          in Berlin uraufgeführt.

                          Worum geht’s in Ihrem Stück?
                          Um zwei Geschwister, die gerne einfach nur zusammen
                          „Kinder Bueno“ essen würden, aber sich stattdessen
                          gegenseitig verlieren müssen.

                          Sind Sie ein Familienmensch?
                          Ich bin eher ein Freunde-Mensch. Aber das schließt
                          Familie ja nicht aus.

                          Welchen Menschen würden Sie mitnehmen auf eine
                          einsame Insel und warum?
                          Irgendjemanden, den*die ich gar nicht mag. Wenn wir
                          uns dann wegen der Einsamkeit anfreunden, ist das
                          eine witzige Wendung, und wenn die Person mich wegen
                          Hunger umbringt und aufisst, bin ich wenigstens nicht
                          von ihr enttäuscht. (Aber ich hätte vorher ein paar Fra-
                          gen: Warum muss ich auf diese Insel? Warum muss ich
                          eine Person mitbringen? Wie lange sind wir da? Außer-
                          dem: SCHICKT MICH NICHT AUF EINE EINSAME INSEL.)

                          Welche Lüge würden Sie vergeben?
                          Ich glaub’ nicht wirklich an Vergebung. Entweder man
                          macht miteinander weiter oder halt nicht.

Die Brücke in der Nacht
                          Ruhm oder Geld?
                          Glück.
Aus meiner Kinderzeit

                                        Vaterglückchen, Mutterschößchen,
                                        Kinderstübchen, trautes Heim,
                                        Knusperhexlein, Tantchen Rös’chen,
                                        Kuchen schmeckt wie Fliegenleim.

                                        Wenn ich in die Stube speie,
                                        Lacht mein Bruder wie ein Schwein,
                                        Wenn er lacht, haut meine Schwester,
                                        Wenn sie haut, weint Mütterlein.
                                        Wenn die weint, muss Vater fluchen.
                                        Wenn der flucht, trinkt Tante Wein.
                                        Trinkt sie Wein, schenkt sie mir Kuchen:
                                        Wenn ich Kuchen kriege, muß ich spein

                                        Joachim Ringelnatz

Lukas Winterberger, Magdalena Pircher
Kinder aus Suchtfamilien
Kennzeichnend für die Kinder aus Suchtfamilien ist oft ihre ungestillte Sehnsucht, sie trauern darüber, dass sie nie
einen richtigen Vater oder eine richtige Mutter hatten – dies prägt ihre Persönlichkeit.

Aus vielen Untersuchungen ist bekannt, dass es in Suchtfamilien häufiger als in anderen Familien zu sexuellen Miss-
brauchserfahrungen für die Kinder kommt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Kinder häufig Partner-
ersatz für die gestörte oder nicht mehr bestehende sexuelle Beziehung zwischen den Eltern werden. Hinzu kommen
auch typische Verhaltensmuster in Suchtfamilien, nämlich das Verleugnen, Verheimlichen von Geschehnissen, die
Wahrung eines harmonischen Familienbildes nach außen. Die Kinder müssen oftmals extreme körperliche Zustände
der Eltern (Rauschzustände, Entzugserscheinungen) miterleben oder sind massiven Belastungen ausgesetzt durch
Suizidversuche oder Tötungsabsichten ihrer Eltern. Vielfach haben die Eltern den Kindern gegenüber ein hohes An-
spruchsdenken. Sie erwarten Parteilichkeit von den Kindern, Nichtauffälligkeit und Verschwiegenheit nach außen.

Kinder werden in alltäglichen Familienstreitigkeiten oft zum Sündenbock gestempelt. So erfahren diese Kinder z.B.
als zentrale Leitsätze für ihr Leben: „Sprich nie über Alkohol oder das, was Zuhause passiert“; „Vertraue nieman-
dem“; „Bringe niemanden nach Hause“; „Jeder muss nach sich selbst schauen“; „Deine Sorgen interessieren nicht,
sei still“.

Kinder können sich in einem ständigen Wechselbad der Gefühle befinden. In einer unkindgemäßen Verantwortungs-
position als Partnerersatz erfährt sich ein Kind in einem Klima von „Zuckerbrot und Peitsche“. Das Kind erlebt sich
nicht als Subjekt, sondern oft nur als Objekt der Bedürfnisse anderer. Die Erfahrung, einfach Kind sein zu dürfen,
wird genommen.

Durch psychosoziale Folgeentwicklungen der elterlichen Suchterkrankung (z. B. eine unregelmäßige Ernährung,
mangelnde Gesundheitsvorsorge, beengte Wohnverhältnisse) können sich verstärkt auch gesundheitliche Auffäl-
ligkeiten ergeben, so z.B. eine gesteigerte Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten, Essstörungen, Magen-Darm-Be-
schwerden, vermehrte Unfälle und Verletzungen.

Die Folge davon ist dann eine geringe Rollenflexibilität, die für eine effektive Lebensbewältigung notwendig wäre. Es
bilden sich statt dessen suchtnahe Bewältigungsverhaltensweisen aus, z. B. eine Unfähigkeit zum Bedürfnisbefrie-
digungsaufschub, eine Frustrationsintoleranz, ein eingeschränkter Lebensstil, eine verstärkte Suche nach Nerven-
kitzel. Für die Entwicklung einer psychischen Gesundheit stellt somit das Aufwachsen in einer Suchtfamilie für die
Kinder ein besonderes Risiko dar.

Da der Trinkort für eine Mutter häufiger die „Familie” ist – im Gegensatz zur Gastwirtschaft wie beim Vater –, kommt
den Kindern häufig eine Funktion des Aufpassens und Verhinderns zu. So wird sehr schnell bei einem weiteren Trin-
ken der Mutter das Gefühl des Versagens und der Hilflosigkeit gegen den Alkohol bei den Kindern verstärkt. Dies
führt vor allem zu Störungen im emotional-affektiven Bereich bei den Kindern im Sinne von Ängsten oder Depression.

Theresa Ehrenfried / Christa Heinzelmann / Jürgen Kähni / Reinhardt Mayer
                                                                                                                        Magdalena Pircher
Sie hat ihr                    Sie war eine g
                                                gute Mutter          Was ist denn los.                  Ich bin doch da.
Bestes g g
       gegeben.                                                  Ich hab dir nichts getan.
                                                                                    g                       Ich p
                                                                                                                pass doch
                                                                                                          auf euch auf.
                       Ich bin nicht froh,
                         dass sie tot ist.

   ALLES
                                                                                          Ich kann mich
                                                                                      nicht mehr erinnern,
                                                                                          verstehst du?

                                                                                                    Ich hab einen Job,
                                                                                                    ich mach das hier
                                                                                                       nebenbei.

     LÜGE!
                                                                                                             g doch auch
                                                                                                          Es gab
                                                                                                           schöne Zeiten.
Ich hab auch den
   g
   ganzen Tag
        g
an dich gedacht!

                                                                                                          Das habe ich mir
                                                                                                            schon immer
Ich habe einen                                                                                            g
                                                                                                          gewünscht!
wirklich tollen Job!
                                                              Ich hab die Kamera
                                    Das mache ich doch             im Zuggggefunden          Ich brauch keinen Frieden,
Es war nicht echt.                    gern für dich!
                                      g                                                                j nicht der Papst.
                                                                                               ich bin ja            p
Lena Reißner, 25, wuchs in Paris, Olpe und am Zürichsee auf. Sie studierte The-
aterwissenschaft und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Uni-
versity of Glasgow und der Freien Universität Berlin. Parallel assistierte sie bei
verschiedenen Festivals und an Theatern wie der der Schaubühne Berlin, dem
Maxim Gorki Theater und der Ruhrtriennale. Seit 2018 studiert sie „Szenisches
Schreiben“ an der Universität der Künste. Ihre Texte wurden am Schauspiel Leip-
zig, der Volksbühne Berlin und dem bat-Studiotheater präsentiert. Aktuell ist sie
Leonard-Frank-Stipendiatin des Mainfranken Theaters Würzburg. Gemeinsam mit
Rosa Rieck und Katharina Kern arbeitet sie als DIEZEN kollektiv an Theatertexten
und Inszenierungen in Berlin.

Worum geht’s in Ihrem Stück?
Es erzählt von einer Frau, die ein Gefühl hat.

Wann und wie haben Sie gemerkt, dass Sie schreiben wollen?
In der ersten Klasse habe ich eine Geschichte über einen Fuchs geschrieben, welcher
seinen ersten Schultag absolvierte. In der Pause holte er seine Butterbrotdose hervor,
in welcher sich ein paar Schnecken befanden. Sie lebten noch.

Sind Sie schon einmal auf einen Lügner reingefallen?
Einmal heiratete ich eine Frau, die hatte ein großes Schloss und viele Felder. Später
stellte sich heraus, dass sie eigentlich in einer kleinen Hütte mit ein paar Schafen
lebte und das Schloss und die vielen Felder nur geborgt hatte. Ich fand das okay.

Welche drei Bücher würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen
und warum?
Die Bibel in der lutherischen Übersetzung. Ich hab mir sagen lassen, das sei die
poetischste. „Das Kapital“ von Karl Marx. Ich denke, damit lässt sich Zeit vertreiben
und im Notfall Feuer machen. Die gesammelten Gedichte von Else Lasker-Schüler.
Ich kann sagen, die mag ich immer wieder und wieder lesen.

Schlafen oder Lesen?
Träumen.

                                                                                         Mädchen im Wald
Ruhm oder Geld?
Whisky.
Der Wald
 „Je weiter sich die Hauptakteur*innen von einer Siedlung oder von einem Haus entfernen, also je tiefer
 sie in den Wald eindringen, desto verwunschener wird er. Hier kommt es dann zu Begegnungen mit dem
 Übersinnlichen, wilden Tieren, Riesen oder Hexen. Dabei dürfte es sich um eine archetypische Angst
 handeln. Tief im Dickicht des Waldes ist der Mensch zwischen den Bäumen gefangen, es gibt keine
 Wege und keinen Horizont. Kein anderer Ort ist im Märchen so stark mit Furcht besetzt wie der Wald.“
 Reinhard Palm

Der Wald ist groß. Der Wald ist finster. Im Wald bist du allein. Mit Wölfen, die dich zu Abwegen verleiten,
wenn du der Großmutter Kuchen und Wein bringen willst. Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen,
die ringsumher stehen, warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so
lieblich singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, und ist so lustig hausen in dem Wald …

Du bist allein mit Hexen, die dich in ihre Knusperhäuschen locken und mit Pfannekuchen, Äpfeln, Nüssen
mästen. Doch ehe du dich’s versiehst, sitzt du im Stall und sollst gefressen werden. Hinter jedem Stamm
lauert ein Holländer-Michel, der es auf dein Herz abgesehen hat. Und nur wenn du so unschuldig bist wie
der Kohlenmunk-Peter, erscheint dir das Glasmännlein und hilft, dein gestohlenes Herz zurückzuerobern.

Im deutschen Wald darf das Obskure seine phantastischsten Blüten treiben. Kein Wunder, dass er den
Angehörigen von Völkern, die sich früher und rückhaltloser als die Deutschen zu Fußbodenheizung,
manierlichen Umgangsformen und bürgerlichem Recht, kurz: zur Zivilisation, bekannt haben, nie recht
geheuer war. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus bescheinigte in seiner „Germania“ dem rauen
Land hinter dem Limes, „mit seinen Wäldern einen schaurigen, mit seinen Sümpfen einen widerwärtigen
Eindruck“ zu machen. Selbst Caesar, der Unerschrockene, berichtete nicht ohne Schaudern von jenem
„Hercynischen Wald“ (gemeint sind die dicht bewaldeten Mittelgebirgszüge von den Donauquellen bis
nach Siebenbürgen), in dem es vor sonderbar gehörnten Tieren wimmle und aus dem auch der geübte
Marschierer erst nach sechzig Tagen wieder herausfinde.

Der Wald ist der Ort, an dem jeder mit seinen Urängsten konfrontiert wird: „Der alte Wald mag nun zum
Forst geworden sein, zur ökonomischen Kultur. Doch immer noch ist in ihm das verirrte Kind.“ (Ernst Jün-
ger, „Der Waldgang“) Der deutsche Wald – ein „großes Todeshaus“, wie Jünger ihn nennt. Jedes verirrte
Kind muss allein sehen, wie es die Todesangst in ihm erträgt.

Du kannst den Wald sterblicher machen, als er ist. Du kannst dich mit schuldzerknirschter Miene zu
seinem Retter aufspielen. Nur kannst du nicht erwarten, dass er dich zur Belohnung weniger sterblich
macht, als du bist. Am besten, du legst die Rüstung ab, gehst leise hinein in den Wald und bittest ihn, eines
Tages für immer in ihm verschwinden zu dürfen.

Thea Dorn
                                                                                                                   David Prosenc, Isabel Mascarenhas
Das Wildschwein als Traumsymbol
                     In der germanischen und keltischen Mythologie ist das Wildschwein
                     ein Symbol für Lebenskraft und Fruchtbarkeit, aber auch für Kampfes-
                     mut und Krieg. Wer von einem Wildschwein träumt, hat vielleicht das
                     Gefühl, sich in Gefahr zu befinden. Für die Traumdeutung ist es ent-
                     scheidend, wie das Wildschwein auf den Träumenden wirkt und was
                     dieser im Traum empfindet.

                     Im Traum einem Keiler zu begegnen, hat einen stark sexuellen Aspekt.
                     In dieser Traumsituation können sich ungebändigte Triebe zeigen.

                     Wer von einem aggressiven Keiler mit seinen Hauern im Traumerle-
                     ben angegriffen wird, sollte sich im realen Leben vor rücksichtslosen
                     Menschen schützen, denn diese sind nur auf den eigenen Vorteil be-
                     dacht und trampeln, wie der Keiler, alles nieder, was ihrem Ziel im
                     Wege steht. Wegen der unter Umständen auch aggressiven Suche nach
                     Nahrung kann das Traumsymbol „Wildschwein“ also eine Warnung vor
                     Rücksichtslosigkeit sein, die entweder von dem Träumenden selbst
                     ausgeht oder von Personen aus seinem Lebensumfeld.

                     In der Traumdeutung spielt das Wildschwein aber auch als Traumsym-
                     bol für Wehrhaftigkeit und Stärke sowie für Überlebenswillen und
                     Durchhaltevermögen eine Rolle. Als Motiv in einem Traum deutet das
                     Tier allerdings auf innere Unruhe und mangelnde Ausgeglichenheit
                     des Träumenden hin. Etwas beschäftigt ihn unentwegt – und das Wild-
                     schwein ist das Sinnbild dessen, was ihn so stark aufwühlt.

                     In der volkstümlichen Traumdeutung bedeutet das Sehen eines Wild-
                     schweins im Traum, dass man eine neue Bekanntschaft auf Herz und
                     Nieren, also sehr gründlich, prüfen sollte. Es könnte sich um eine aus-
                     gesprochen bösartige Person handeln, Enttäuschungen und Ärger wä-
                     ren unvermeidbar.

                     Auf der psychologischen Ebene ist zu unterscheiden, wie sich das Wild-
                     schwein im Traum verhält: Äußern sich Aggressivität und Rücksichts-
                     losigkeit im Traumsymbol? Darin können zum einen die eigenen unbe-
                     wussten Triebe des Träumenden zum Ausdruck kommen, zum anderen
                     jedoch auch die verdrängte Angst vor den Ansprüchen anderer. Der
                     Träumende sollte sich also fragen, ob es in seiner Umgebung einen
                     Menschen gibt, der ihn einschüchtert, und diesem entgegentreten.
Isabel Mascarenhas
Textnachweise
Joachim Ringelnatz, Aus meiner Kinderzeit, in: ders.,
Ringelnatz in kleiner Auswahl, Berlin 1978
Ehrenfried, Theresa; Heinzelmann, Christa; Kähni, Jürgen; Mayer, Reinhardt,
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus Familien Suchtkranker, PDF-Version (11-2010)
auf Basis der 3. korrigierte Auflage, Balingen 1999
Reinhard Palm, Der Wald, in: Theresa Dirtl, Was wären Märchen ohne Wald?,
in: uni:view, Magazin der Universität Wien, 28. April 2011
Thea Dorn, Der Wald, ist eine gekürzte Fassung des Textes „Waldeinsamkeit“,
in: dies., Richard Wagner, Die deutsche Seele, München 2011
Das Wildschwein als Traumsymbol, auf: https://traum-deutung.de/wildschwein
Überschriften sind zum Teil redaktionell hinzugefügt.
Die Rechtschreibung folgt der jeweiligen Vorlage.

Bildnachweise
Autorinnenfotos: Daniel Nartschick
Szenenfotos: Arek Głębocki

Intendant:   Markus Dietze (V.i.S.d.P.)
Redaktion:   Margot Weber
Grafik:      Catrin Hergenhahn
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